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Dichterberuf im bürgerlichen Zeitalter. Joseph Viktor von Scheffel ...

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ROLF SELBMANN<br />

<strong>Dichterberuf</strong> <strong>im</strong> <strong>bürgerlichen</strong> <strong>Zeitalter</strong><br />

<strong>Joseph</strong> <strong>Viktor</strong> <strong>von</strong> <strong>Scheffel</strong><br />

und seine Literatur<br />

Mit 32 Abbildungen<br />

HEIDELBERG 1982<br />

CARL WINTER • UNIVERSITÄTSVERLAG


i C- & V V 0 6 ' f<br />

H<br />

Gedruckt mit Hilfe der Geschwister Boehringer Ingelhe<strong>im</strong> Stiftung für Geisteswissenschaften<br />

in Ingelhe<strong>im</strong> am Rhein<br />

CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek<br />

Selbmann, Rolf:<br />

<strong>Dichterberuf</strong> <strong>im</strong> <strong>bürgerlichen</strong> <strong>Zeitalter</strong>: <strong>Joseph</strong> <strong>Viktor</strong><br />

<strong>von</strong> <strong>Scheffel</strong> u. seine Literatur / Rolf Selbmann. -<br />

Heidelberg: Winter, 1982.<br />

(Beiträge zur neueren Literaturgeschichte:<br />

Folge 3; Bd. 58)<br />

ISBN 3-533-03200-0 kart.<br />

ISBN 3-533-03201-9 Gewebe<br />

NE: Beiträge zur neueren Literaturgeschichte / 03<br />

Universltäts-<br />

Biblic-?hok<br />

München<br />

ISBN 3-533-03200-0 Kart.<br />

ISBN 3-533-03201-9 Ln.<br />

Alle Rechte vorbehalten. © 1982. Carl Winter Universitätsverlag, gegr. 1822, GmbH., Heidelberg<br />

Photomechanische Wiedergabe nur mit ausdrücklicher Genehmigung durch den Verlag<br />

Impr<strong>im</strong>e en Allemagne. Printed in Germany<br />

Reproduktion und Druck: Carl Winter Universitätsverlag, Abteilung Druckerei, Heidelberg


5<br />

VORWORT<br />

Ginge alles mit rechten Dingen zu, dann hätte die vorliegende<br />

Studie eigentlich in Karlsruhe erscheinen müssen. Doch die<br />

"Literarische Vereinigung" am Geburtsort <strong>Scheffel</strong>s, die sich<br />

nur noch verschämt in Klammern "<strong>Scheffel</strong>bund" nennt, versteht<br />

sich auch heute noch als Huldigungsstätte für den einstmals<br />

volkstümlichsten Dichter Deutschlands. Dort i s t man der Meinung,<br />

daß <strong>Scheffel</strong> "uns heute noch unmittelbar anspricht", i<br />

Gleiches g i l t übrigens mit wenig Variation für Franken, das<br />

<strong>Scheffel</strong> ebenfalls ausführlich besungen hat. Von dort kann<br />

man erfahren, daß "Kritik an <strong>Scheffel</strong> <strong>von</strong> der breiten Öffentlichkeit<br />

nicht akzeptiert wird".<br />

Eine solche allerjüngste Wirkungsgeschichte des ehemals hochberühmten<br />

und heute so gut wie vergessenen Dichters fordert<br />

zu dem Versuch heraus, <strong>Scheffel</strong> wieder zum Gegenstand einer<br />

literaturgeschichtlichen Untersuchung zu erheben. Freilich<br />

s o l l nicht einem Biographismus das Wort geredet werden, der<br />

glaubt, das Historische aus dem Biographischen erklären zu<br />

können. Vielmehr geht es um die Aussagekraft <strong>von</strong> <strong>Scheffel</strong>s<br />

Leben und Werk zum Verständnis grundlegender Bewußtseinsprozesse<br />

des 19. Jahrhunderts. Insofern versteht sich die vorliegende<br />

Werkanalyse als sozialgeschichtliche Studie, indem<br />

sie den Spuren des <strong>Scheffel</strong>werks folgt und erst <strong>von</strong> dort her<br />

zu allgemeineren literaturhistorischen Aussagen vorstoßen w i l l .<br />

Zu erwähnen bliebe noch, daß ich <strong>im</strong> 1. Kapitel (S. 12-24-) Gedanken<br />

aufnehme, die ich in der Zeitschrift für die Geschichte<br />

des Oberrheins 126 (1978) S. 285-302 leicht verändert ausgeführt<br />

habe ("Der Dichter und seine Zeit. <strong>Joseph</strong> <strong>Viktor</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Scheffel</strong> und das 19. Jahrhundert").<br />

Zu Dank verpflichtet bin ich Günter Hess für jahrelange Teilnahme<br />

und ermutigenden Zuspruch.<br />

München, <strong>im</strong> August 1982 R. S.


7<br />

INHALT<br />

EINLEITUNG 9<br />

1. Positionen: welches i s t der richtige <strong>Scheffel</strong>? 9<br />

2. Lebensgeschichte als Literaturgeschichte<br />

oder: was erklärt die Biographie? 12<br />

I. DICHTER UND DICHTUNG 25<br />

1. Dichterbewußtsein und Sängerrolle 25<br />

2. Strukturen poetischer Illusion 41<br />

3. "Ach, ich bin ein"Epigone": Vorbilder 52<br />

II. DICHTER UND GESCHICHTE 63<br />

1. Der historische Roman 63<br />

2. Geschichte und Gegenwart 67<br />

3. Geschichte als Wissenschaft 73<br />

III. DICHTER UND WIRKLICHKEIT 77<br />

1 . Geschichte als Erzählung 77<br />

2. Dichter und Realität 79<br />

3. <strong>Scheffel</strong> - ein Realist? 91<br />

IV. DICHTER UND POLITIK 97<br />

1 . Rhetorik und Mythos<br />

<strong>Scheffel</strong>s politisches Selbstverständnis 97<br />

2. Der ewige Student<br />

Von der Burschenschaft zum Stammtisch 107<br />

3. Vom Deutschen Bund zum Deutschen Reich 117<br />

V. DICHTER UND BÜRGERLICHE GESELLSCHAFT 125<br />

1. Der Biirgerdichter 125<br />

2. Der Dichterfürst 128<br />

3. Der Wanderdichter 136


8<br />

VI. DICHTER UND PUBLIKUM U9<br />

1. Schweigen als poetische Leistung 149<br />

2. <strong>Scheffel</strong> und seine Leser 156<br />

3. Der erklärbare Erfolg 1 61<br />

VII. DER ILLUSTRIERTE DICHTER 167<br />

1. Die i l l u s t r i e r t e Prachtausgabe 167<br />

2. Die Illustrationen Anton <strong>von</strong> Werners<br />

2-un ipe./iu4 - QaudeamuA - 7/iompe.te./i <strong>von</strong> Sä/c/cingen 170<br />

3. Bild statt Text<br />

Bildbetrachtung als Literaturrezeption 196<br />

ANMERKUNGEN 200<br />

ZEITTAFEL 221<br />

LITERATURVERZEICHNIS 22 5<br />

ABBILDUNGEN 233


9<br />

EINLEITUNG<br />

1. Positionen: Welches i s t der richtige <strong>Scheffel</strong>?<br />

n<br />

E.kke.h.a/id zählt zu den besten Büchern, die ich gelesen", schreibt<br />

Theodor Fontane Mitte der sechziger Jahre des 19. Jahrhunderts<br />

i<br />

in einer Rezension des Scheffeischen Erfolgsroraans . Wie konnte<br />

sich Fontane so irren? Oder: i r r t e er sich wirklich? Zur Erklärung<br />

eines so enthusiastischen Urteils könnte einiges angeführt<br />

werden (s. Kap. I I ) , zur Rechtfertigung diene vorläufig nur der<br />

Hinweis, daß Fontane mit seiner Meinung keineswegs a l l e i n dastand.<br />

Noch bis in die ersten Jahrzehnte unseres Jahrhunderts<br />

galt manchem <strong>Scheffel</strong> als der "volkstümlichste Dichter Deutsch-<br />

2<br />

lands" . Um die Jahrhundertwende erreichten die Auflagen der<br />

3<br />

<strong>Scheffel</strong>werke die Millionengrenze und einer der ersten Biographen<br />

fand 1886, <strong>im</strong> Todesjahr <strong>Scheffel</strong>s, jeder echte Deutsche<br />

habe "neben seiner Bibel nur noch ein Buch <strong>Scheffel</strong>s" <strong>im</strong> Hause.<br />

"Das eine verbindet ihn mit Gott, das andere mit seinem Volke."^<br />

<strong>Scheffel</strong>vereine und -bünde haben, angeblich <strong>im</strong> Sinne <strong>Scheffel</strong>s,<br />

eine nationaldeutsche Poesie gefördert^ und dabei nicht <strong>im</strong>mer<br />

eine glückliche Rolle gespielt.<br />

Als Börries <strong>von</strong> Münchhausen, dessen reaktionäre politische und<br />

poetische Prinzipien außer Zweifel stehen, 1926 den ersten (und<br />

einzigen) Band einer neuen Folge <strong>von</strong> <strong>Scheffel</strong>-Jahrbüchern herausgibt,<br />

i s t diese kritiklose nationale Identifikation a l l e r ­<br />

dings schon in Verruf gekommen. Münchhausen prophezeit zwar<br />

"etwa um 1975" eine <strong>Scheffel</strong>-Renaissance, eine "/ie.4ui/ie.c£ io<br />

a moitui*" <strong>im</strong> Zusammenhang mit <strong>Scheffel</strong>s 150. Geburtstag: "Freilich<br />

eine Auferstehung, die ein wenig nach Reliquie aussieht<br />

und nach Historie schmeckt."^<br />

Der traditionsverbundene Balladendichter formuliert dabei nicht<br />

schlecht seinen eigenen, <strong>von</strong> den Zeitläuften zum Scheitern verurteilten<br />

Versuch, die <strong>Scheffel</strong>-Verehrung gleichsam antiquarisch<br />

und doch zeitlos wiederzubeleben. Aufhorchen läßt indes die<br />

Art und Weise, in der <strong>Scheffel</strong>s Werk vor der Vergessenheit<br />

bewahrt<br />

werden s o l l . In einem merkwürdigen Vorgriff auf moderne<br />

7<br />

Rezeptionstheorien entwickelt Münchhausen ein literarisches


10<br />

Wertungsmodell, anhand dessen historisch erklärt werden s o l l ,<br />

warum <strong>Scheffel</strong> zur Zeit - 1926 - dem Interesse des Lesers verg<br />

loren gegangen i s t . <strong>Scheffel</strong>s Tragik, so Münchhausen, sei es,<br />

daß sich die <strong>Scheffel</strong>rezeption derzeit auf der Stufe interesseloser<br />

Unmodernität befinde. Dieser nachgewiesene Horizontwandel<br />

s o l l nun dazu dienen, den angeblich zeitlosen Anteil an den<br />

Dichtungen <strong>Scheffel</strong>s für die Literaturgeschichte und die Lesernachwelt<br />

zu retten. Im Auseinanderklaffen <strong>von</strong> <strong>Scheffel</strong>s "Volkso<br />

tümlichkeit" und den "Nichtigkeiten" manch b i l l i g e r Verschen<br />

liegt das Dilemma, in dem Münchhausen sich windet. Seine Lamentationen<br />

trennen deshalb die falsche <strong>Scheffel</strong>-Rezeption nach<br />

1 0<br />

"dem schlechten Geschmacke der Halbgebildeten" <strong>von</strong> der Forderung,<br />

"den wesentlichen <strong>Scheffel</strong> vom unwesentlichen <strong>Scheffel</strong><br />

zu befreien", d. h. man müsse <strong>Scheffel</strong> "nach seinen &e.4te.n<br />

Werken beurteilen, nicht aber nach denen, die am meisten dem<br />

11<br />

Z e i t s t i l Opfer gebracht haben".<br />

Mit Münchhausens erfolglosem Rettungsversuch hat die Wirkungsgeschichte<br />

<strong>Scheffel</strong>s ein Ende gefunden, sieht man einmal vom<br />

Dritten Reich ab, das sich <strong>Scheffel</strong> als volkstümelnden und ur-<br />

12<br />

deutschen Stammesdichter einzuverleiben versucht hat . Mit dem<br />

Ende der erstaunlichen Wirkungsgeschichte <strong>Scheffel</strong>s sind aber<br />

auch der Dichter und sein Werk als Gegenstand kritischer Analyse<br />

überhaupt verloren gegangen. Zu welchen Ergebnissen eine journalistisch<br />

flotte, aber eben unhistorische Betrachtung kommt,<br />

zeigt ein vereinzelter Versuch der Gegenwart, <strong>Scheffel</strong> und seine<br />

Literatur nach dem Maßstab oberflächlicher Aktualität zu<br />

1 3<br />

beurteilen: "Was i s t mit seinen Texten noch anzufangen?"<br />

1 L<br />

Wenn Literatur nur als "Mittel der Selbsttherapie" gesehen<br />

und die Wirkungsgeschichte <strong>von</strong> Texten als "Werbenummer für den<br />

1 5<br />

Fremdenverkehrsverein" auf die Texte zurückprojiziert wird,<br />

kann das Ergebnis nicht zweifelhaft sein: <strong>Scheffel</strong> i s t "konsum-<br />

16<br />

chic", "schön angepaßt und vollkommen ungefährlich" . Die<br />

1 7<br />

"okkupatorische Identifikation" , die <strong>Scheffel</strong>s Werke ihrem<br />

Publikum anbieten, kann so zwar eingesehen, aber nicht erklärt<br />

werden.<br />

Welches i s t also der richtige <strong>Scheffel</strong>? Wenn es st<strong>im</strong>mt, daß


11<br />

auch die Unterschlagung <strong>Scheffel</strong>s auf eine Methode. Erfolg und<br />

Ansehen <strong>Scheffel</strong>s unter den Zeitgenossen und bis in das erste<br />

Drittel unseres Jahrhunderts korrespondieren nicht zufällig<br />

mit seiner Verdrängung in der gegenwärtigen Literaturwissenschaft.<br />

Diese Verdrängung zeigt die Schwierigkeit auf, mit<br />

einem Gegenstand zurecht zu kommen, der in die allgemeinen Erwartungen<br />

literaturwissenschaftlicher Methodologie nicht recht<br />

passen w i l l . Die bisherigen Versuche, solche und ähnliche<br />

Gegenstände in ein Konzept methodischen Konsenses zu integrieren,<br />

erweisen sich meist als Verlegenheitslösungen. So muß dem<br />

heutigen Betrachter der gestern bejubelte Erfolg <strong>Scheffel</strong>s als<br />

1 8<br />

"beschämend" vorkommen. In diesem Fall scheint die Identifikation<br />

des literaturwissenschaftlichen Lesers mit seinem Gegenstand<br />

oder vielmehr das Gegenteil einer solchen Identifikation<br />

ihre Hand <strong>im</strong> Spiel zu haben.<br />

Gerade <strong>Scheffel</strong> hat seinem Publikum die Identifikation so leicht<br />

gemacht wie kaum ein anderer Dichter. Das erkannte schon der<br />

Verfasser des ersten Nachrufes auf <strong>Scheffel</strong>: "Wie feinsinnig<br />

hat <strong>Scheffel</strong> herausgefühlt, was unsre Welt vom Dichter ver-<br />

1 9<br />

langt" . Man hat deshalb auch dieses Identifikationsangebot<br />

als einen der wichtigsten Gründe für die <strong>Scheffel</strong>rezeption <strong>im</strong><br />

20<br />

19. Jahrhundert angesehen . Autor und Leser treten in eine<br />

umkehrbare Beziehung wechselseitiger Identifikationsangebote,<br />

nämlich "die Neigung des Autors auf das Entgegenkommen des<br />

Publikums und umgekehrt: die Neigung des Publikums auf das<br />

21<br />

Entgegenkommen des<br />

Autors"<br />

Vor einem solchen Hintergrund s t e l l t sich die Frage nach dem<br />

literarischen Rang <strong>von</strong> <strong>Scheffel</strong>s Werk insofern neu, als der<br />

Blick auf die höchst eindrucksvolle Wirkungsgeschichte <strong>Scheffel</strong>s<br />

22<br />

<strong>im</strong> 19. Jahrhundert vieles beleuchtet, was den Erfolg erklären,<br />

eine Beurteilung des Wertes aber nicht leisten kann. Sogar die<br />

gründlichste neuere Untersuchung windet sich in diesem Dilemma,<br />

<strong>Scheffel</strong> zwischen einem exotischen und einem sozialhistorischen<br />

Interesse anzusiedeln - <strong>Scheffel</strong>, dessen "literarischer Rang<br />

2 3<br />

unbestritten zweifelhaft i s t " .<br />

Stutzig wird man, wenn man die entsprechenden literaturgeschichtlichen<br />

Handbücher zu Hilfe n<strong>im</strong>mt. Fritz Martini behandelt in


12<br />

zum billigen Bierkneipenton" besonders ausgeprägt findet.<br />

"Dennoch", so meint Martini, " i s t <strong>Scheffel</strong>s Dichten l i t e r a r -<br />

25<br />

historisch für die Situation nach 184-8 symptomatisch . Und<br />

Friedrich Sengle, der sich mit Recht über die humoristischen<br />

Versepen der Biedermeierzeit mokiert, gesteht zu, "daß auch der<br />

7/iompe.te./i <strong>von</strong> Säckinge.n auf die erstaunlich breite Luftbrücke<br />

gehört, die vom Biedermeier über den Realismus hinweg zur Neu-<br />

2 6<br />

romantik und zur He<strong>im</strong>atkunst führt" . Dem bloß kurios h i s t o r i ­<br />

schen Interesse an <strong>Scheffel</strong> folgt also sogleich das Eingeständnis<br />

einer auch literarhistorischen Bedeutung. Dem schließt sich<br />

die Erkenntnis an, daß sich <strong>Scheffel</strong>s Werk an einer Nahtstelle<br />

der Literaturgeschichte des 19. Jahrhunderts befindet.<br />

2. Lebensgeschichte als Literaturgeschichte oder: was erklärt<br />

die<br />

Biographie?<br />

das> {iß./ikomme.n<br />

Die Lebensdaten <strong>Joseph</strong> <strong>Viktor</strong> <strong>Scheffel</strong>s - geboren am 26. Februar<br />

1826 in Karlsruhe, gestorben am 6. April 1886 ebenda - markieren<br />

schon äußerlich eine Epoche, für deren Einordnung handliche<br />

Begriffe nur schwer passen. Zur gleichen Zeit werden z. B. geboren<br />

C.F.Meyer, Johann Strauß (1825) und Arnold Böcklin (1827),<br />

aber auch Ferdinand Lasalle (1825) und Wilhelm Liebknecht (1826).<br />

Deutlicher als diese Zeitgenossenschaft versinnbildlicht das<br />

Karlsruher Elternhaus <strong>Scheffel</strong>s zwei zentrale, nur scheinbar<br />

disparate Aspekte <strong>im</strong> Denken des gebildeten Bürgertums jener Zeit.<br />

Vater und Mutter vertreten gleichsam modellhaft jene verdich-<br />

27<br />

tete "patriotische St<strong>im</strong>mungswelt" der 40er Jahre. <strong>Scheffel</strong>s<br />

Vater, ein Offizier und Ingenieur, verkörpert dabei eher die<br />

national-politisch ausgerichtete Komponente eines Denkens, das<br />

sich an der Geschichtserfahrung der Befreiungskriege, der Hoffnung<br />

auf Wiederherstellung des Reiches und am staatlichen. Dualismus<br />

des Deutschen Bundes orientiert. Die Grenzlage Badens<br />

mit seiner eigenstaatlichen Tradition nach Französischer Revolution<br />

und Rheinbundzeit tut ein übriges zur Förderung der<br />

nationalen Grundst<strong>im</strong>mung; in der Rheingrenze verbindet sich der<br />

politische Anspruch auf die Reichseinheit mit dem erwachenden


13<br />

kulturellen Selbstbewußtsein einer Nation. Die Rheinkrise des<br />

Jahres<br />

184.0 und der wiederaufgenommene Bau des Kölner Domes als<br />

nationales Symbol sind die Zeichen dafür.<br />

Die Erfahrungen des jungen <strong>Joseph</strong> <strong>Scheffel</strong> mit der Geselligkeitskultur<br />

und der Bildungswelt des Biedermeier entstammen<br />

dagegen weitgehend dem Lebenskreis der Mutter. Die Biographen<br />

wissen zu berichten, daß die Mutter <strong>Scheffel</strong>s "in den geselligen<br />

Kreisen der Residenz eine hervorragende Stellung" einge-<br />

28<br />

nommen habe . Die Mutter führt ein großes Haus, gar einen<br />

Salon, in dem sich die großbürgerliche und adelige Besitz- und<br />

Bildungsschicht ganz Badens bis hin zur großherzoglichen<br />

Familie versammelt, also "alles, was zur Gesellschaft zählte" .<br />

Es i s t indes bezeichnend für den Umbruch dieser 40er Jahre,<br />

daß der Sohn für diese Art geselliger Salonkultur wenig<br />

Interesse zeigt. Er schreibt:<br />

"Für das Qe^eti^cha/t^>te.He.n i s t mir noch <strong>im</strong>mer nicht der<br />

rechte Sinn aufgegangen; aber aus guten Gründen, denn der<br />

Karlsruher Ton und das ganze hiesige feinere Wesen sind<br />

keineswegs <strong>von</strong> der Art, daß man dadurch angeregt werden<br />

könnte. Es i s t zuviel Hofluft, zu v i e l Bürokratie und zuviel<br />

Äußerlichkeit hier" (30)<br />

<strong>Scheffel</strong>s Wunsch, nach "Naturanlage und Neigung" Maler zu werden,<br />

i s t die Konsequenz aus solchen Jugendeindrücken; "Erziehung<br />

31<br />

und Verhältnisse" fordern jedoch ein dem gesellschaftlichen<br />

Stand angemessenes Jurastudium.<br />

Um diese Kluft zwischen seinen idealen Kunstvorstellungen und<br />

der Notwendigkeit eines Brotberufes zu überbrücken, verläßt<br />

<strong>Scheffel</strong> 1843 das Karlsruher Lyceum und beginnt sein Studium<br />

in der Kunststadt München. München hatte f r e i l i c h <strong>im</strong> Jahre<br />

1843 sein Gesicht erheblich verändert. Die Stadt war schon<br />

lange nicht mehr die klassizistische und liberale Kunstmetropole<br />

Ludwigs I., sondern war nach dessen sog. konservativer Wendung<br />

<strong>von</strong> 1837 ein Sammelpunkt des ästhetisch-politischen Katholizismus<br />

geworden. Hier trafen sich die katholische Staatsrestauration,<br />

der Ultramontanismus und die Bildungsaristokratie<br />

<strong>im</strong> Umkreis des Königs. Vor allem der vom antifranzösischen<br />

Nationalhelden zum kämpferischen Katholiken gewandelte <strong>Joseph</strong><br />

Görres zieht <strong>Scheffel</strong>, nicht zuletzt dank Empfehlungsschreiben<br />

des katholischen Elternhauses, in seinen Kreis. Doch pflegt<br />

29


u<br />

<strong>Scheffel</strong> in kritischer Distanz auch den Kontakt zum Kreis des<br />

Protestanten und Klassizisten Friedrich <strong>von</strong> Thiersch. Sein<br />

32<br />

"fledermausartiges Herumstreifen in beiden Cliquen" bringt<br />

<strong>Scheffel</strong> darüber hinaus die lebenslange Freundschaft mit dem<br />

Kunsthistoriker Friedrich Eggers ein, eine später wichtige<br />

Figur <strong>im</strong> Berliner Dichterkreis De./i 7unne.£ ä&e/i de,/i Sp/iee., In<br />

dieser durch Theodor Fontane bekannt gewordenen Dichtervereinigung<br />

verkehrten auch Emanuel Geibel und Paul Heyse, die<br />

seit den 50er Jahren den Kern des Münchner Dichterkreises um<br />

König Max II. bilden werden und mit denen <strong>Scheffel</strong> in freundschaftlichen<br />

Beziehungen stehen wird.<br />

München, so kann man zusammenfassen, i s t für <strong>Scheffel</strong> nicht<br />

3 3<br />

nur die "Stadt der Kunst und des Bieres" , sondern der Ort<br />

der ersten lebendigen Erfahrung <strong>von</strong> den Wechselwirkungen der<br />

Kunst mit den politischen und gesellschaftlichen Strömungen<br />

34.<br />

der Zeit. "Münchnerisch und mittelalterlich" ^ sind für<br />

<strong>Scheffel</strong> noch bis weit über 184.8 hinaus identisch. Denn die<br />

als Restauration politisch gewordene Romantik i s t für <strong>Scheffel</strong><br />

der erste Ansatzpunkt seiner Kunstkritik:<br />

"und zwar sehe ich die Romantik nicht bloß in ihrer Wirksamkeit<br />

in der Poesie, die mehr schon eine vergangene i s t ,<br />

sondern auch praktisch in der bildenden Kunst, sowie in<br />

Kirche und Staat, wo sie noch nicht überwunden i s t , - als<br />

eine durchaus zusammengehörige Erscheinung, als Manifestationen<br />

eines und desselben Prinzips an, - und habe v i e l<br />

Spaß am dem Aufspüren desselben gehabt. Unter dieser Romantik<br />

verstehe ich <strong>im</strong> allgemeinen das Prinzip, statt der<br />

Wirklichkeit einen Roman zu spielen, oder statt des begriffsmäßigen<br />

Erkennens ein poetisches Herumvagieren für<br />

tiefer zu halten. In der Poesie sind diese Romantiker am<br />

unschädlichsten, und haben sogar Treffliches geleistet, -<br />

ich habe an Tieck, Ach<strong>im</strong> <strong>von</strong> Arn<strong>im</strong>, Brentano etc. mich<br />

mannigfach ergötzt, und wenn hie und da ihr Pegasus ein<br />

wenig besoffen die Kreuz und Quer herumreitet, oder wenn<br />

sich der Dichter gar zu zart <strong>von</strong> Tau und Waldhornklängen<br />

nährt, so i s t das seine Sache und schadet niemandem v i e l .<br />

In der Malerei wird's schon bedenklicher, weil die Romantiker<br />

wie Overbeck und Cornelius ihren Schülern geradezu<br />

den Sinn <strong>von</strong> dem, was geraalt werden s o l l , auf das, was nicht<br />

gemalt werden s o l l , hinlenken und statt Künstlern Pfaffen<br />

aus ihnen machen, die glauben, wenn sie einen frommen Gedanken<br />

haben, so gäbe sich die Technik <strong>von</strong> selbst. Die Romantiker<br />

in Kirche und Staat aber, - <strong>von</strong> Gentz und Stahl<br />

bis auf Goerres und den Verfasser der Gespräche in der<br />

Gegenwart/= Radowitz.7 etc, die bilden den Krebsschaden in<br />

der ganzen politischen Entwicklung unserer Zeit und sind -<br />

mit ihrer geschichtlichen Pietät fürs Mittelalter und ihren


15<br />

Romanbegriffen, z. B. Gotteingesetztes Königtum, den Forderungen<br />

der Gegenwart, z. B. konstitutionelle Regierungsform<br />

geradezu feindlich entgegengesetzt; - deshalb zwar zu studieren,<br />

aber abzumucken, wo man kann" (35)<br />

Sicher i s t <strong>Scheffel</strong>s Urteil philosophisch nicht sehr originell -<br />

handelt es sich doch bei seiner Romantikkritik um Gemeinplätze<br />

der hegelianischen Schule. Bemerkenswerter als die politische<br />

Begründung der Romantik<br />

i s t die Ableitung der Restauration<br />

aus der Ästhetik oder deutlicher: die <strong>von</strong> <strong>Scheffel</strong> postulierte<br />

direkte Relation der Kunst mit der Zeit. Die Ausrichtung<br />

eines Kunstbegriffs, der die Bestrebungen des Görreskreises<br />

und die Nazarenermalerei umfaßt, an der eigenen Zeit statt an<br />

der Vergangenheit wird zum Leitmotiv aller kritischen Erörterungen<br />

<strong>Scheffel</strong>s und geht dann doch einen Schritt über den<br />

populären Junghegelianismus hinaus. Denn wenn <strong>Scheffel</strong> Zeitund<br />

Kunstwirklichkeit identisch setzt, gewinnt er ein Kriterium<br />

für jeweils beides: die Ubereinst<strong>im</strong>mung mit der Zeit erst<br />

legit<strong>im</strong>iert die Kunst als Wirklichkeit der Gegenwart. Im Gespräch,<br />

das <strong>Scheffel</strong> mit dem ehemaligen Haupt der Nazarener,<br />

Peter <strong>von</strong> Cornelius, 184-6 in Berlin<br />

führt, i s t die heftige<br />

Polemik gegen die Nazarenermalerei nur mehr der Vorwand zur<br />

Entwicklung der eigenen<br />

Kunstvorstellungen:<br />

"Meine Ansicht <strong>von</strong> der Aufgabe der Malerei i s t eine ziemlich<br />

verschiedene <strong>von</strong> der unserer deutschen Maler, die <strong>von</strong> einer<br />

Rückkehr und Vertiefung in Form und Wesen der mittelalterlichen,<br />

besonders der altitalienischen Kunst eine Reorganisation<br />

unsrer Kunstbestrebungen erwarten. Der Zweck der<br />

Malerei, wenn sie irgend eine Stelle in der allgemeinen<br />

geistigen Entwicklung des Volkes einnehmen w i l l , kann nur<br />

der sein, die Ideen und das Bewußtsein der Zeit in künstlerischer<br />

Form darzustellen; das, was das Gefühl hofft und<br />

was die Wissenschaft <strong>im</strong> Begriffe entwickelt, soweit es darstellbar<br />

i s t , mit dem Pinsel auszusprechen, den reichen Inhalt<br />

unsrer Geschichte und Gegenwart in schöner Gestaltung<br />

zu fixieren und so in ihrer Sphäre die Dolmetscherei des<br />

göttlichen Wesens, des Geistes, der sich in a l l unsern<br />

menschlichen Beziehungen offenbart, zu sein. Wenn aber unsre<br />

Künstler wieder ins Mittelalter zurückgehen und dessen engen<br />

Gesichtskreis zu dem ihrigen machen, so verkennen sie die<br />

ganze breite geistige Unterlage, auf der unsere Zeit <strong>im</strong> Vergleich<br />

zu jener steht" (36)<br />

Weiter<br />

heißt es:<br />

"Wenn man aber nur eine religiöse Malerei in letzter Instanz<br />

anerkennt, so gibt man damit nicht etwa, wie die Künstler


I D<br />

mit Overbeck behaupten, den zersplitterten und zerfahrenen<br />

verweltlichten Kunstrichtungen eine höhere Einheit, sondern<br />

man beschränkt borniert die Kunst, tötet sie in ihren besten<br />

Lebensregungen ab und begeht geradezu eine Lüge gegen die<br />

Zeit. Es i s t eine Deportation der Kunst mitten aus ihrer<br />

vollen Wirksamkeit heraus auf eine einsame Insel" (37)<br />

Der so heftige Vorwurf der "Lüge gegen die Zeit" folgt ganz<br />

der Kunstkritik der 40er Jahre und n<strong>im</strong>mt die politische Stoßrichtung<br />

des liberalen Realismusprogramms nach 184-8 vorweg.<br />

Denn die Forderung nach einer Gleichgerichtetheit <strong>von</strong> Kunst und<br />

Zeit verlangt ja die Parallelität <strong>von</strong> künstlerischer und politisch-geschichtlicher<br />

Entwicklung in einem noch ungebrochenen<br />

Fortschrittsglauben, wie er für den Geschichtsopt<strong>im</strong>ismus der<br />

4.0er Jahre typisch i s t . <strong>Scheffel</strong>s Kritik der mittelalterlichen<br />

Manier versteht sich f r e i l i c h schon als historische Kritik;<br />

sollte die Konzeption der Zeitgebundenheit der Kunst scheitern,<br />

so t r i t t das Geschichtsverständnis des Historismus und <strong>Scheffel</strong>s<br />

geschichtliche Arbeiten an ihre Stelle.<br />

In Heidelberg, <strong>Scheffel</strong>s zweitem Studienort 1844/4-5, lagen diese<br />

damals fortschrittlichsten Gedanken in der Luft. Nach dem<br />

Sturz des konservativen Ministeriums Blittersdorff 1843 war in<br />

Baden der Weg endgültig f r e i für die liberale Opposition der<br />

Zweiten Kammer, eine der bedeutendsten Sammelpunkte des Liberalismus<br />

vor 1848. Nach seinen Erfahrungen der Münchner Zeit<br />

gerät <strong>Scheffel</strong> in die akademisch-liberale Aufbruchsst<strong>im</strong>mung<br />

Badens <strong>im</strong> Vormärz. Neben seinem eigentlichen Studienstoff hört<br />

er hier die Vorlesungen des Literaturhistorikers Gervinus,<br />

der das Ende der Kunstperiode proklamiert, der nun die Zeit<br />

der politischen Taten folgen müsse. "Gervinus triumphierte<br />

3 8<br />

über Görres" und bestätigt den Umbruch der Zeit, den <strong>Scheffel</strong><br />

an sich selber erfährt:<br />

"Ich habe <strong>von</strong> Gervinus sehr v i e l gelernt; - in seinen gemäßigt<br />

liberalen leidenschaftslosen Vorträgen hat sich<br />

manches <strong>von</strong> meiner wohl einseitigen Münchner Weltanschauung<br />

durch Görres'sche Augengläser abgeschliffen" (39)<br />

Den politischen Blick des Jurastudenten <strong>Scheffel</strong> schärfen die<br />

staatsrechtlichen Lehren badischer Professoren, <strong>von</strong> denen die<br />

Verfassungsdiskussion in Deutschland und das rechtsstaatliche<br />

Denken des liberalen Konstitutionalismus ausgeht. Die studentische<br />

Geselligkeitspflege der Burschenschaften i s t die andere


17<br />

prägende zeitgeschichtliche Erfahrung <strong>Scheffel</strong>s. Die Briefe<br />

dieser Zeit an den Freund und Burschenschaftler Karl Schwanitz<br />

sind voll <strong>von</strong> Anspielungen auf das politische Tagesgeschehen.<br />

Als "Burschenschaftler <strong>von</strong> entschieden liberalen Grundsätzen"^<br />

lebt auch <strong>Scheffel</strong> wie die Mehrzahl der akademischen Jugend<br />

mit den enttäuschten nationalen Hoffnungen der Freiheitskriege.<br />

In der Restaurationszeit hatten sich die Burschenschaften seit<br />

ihrer Gründung 1815 zum Hauptgegner des Metternichschen Unterdrückungsstaats<br />

entwickelt. Man erinnert sich: die Ermordung<br />

Kotzebues durch den Burschenschaftler Sand 1819 hatte Metternich<br />

zum Anlaß der Verschärfung der restriktiven Maßnahmen genommen,<br />

wie es in den Karlsbader Beschlüssen oder in der<br />

Wiener Schlußakte <strong>von</strong> 1820 zum Ausdruck kommt. Die Erinnerung<br />

an den bürgerlich-akademischen Widerstand des Wartburgfests 1817<br />

und des Hambacher Fests 1832 wird in den 40er Jahren in <strong>im</strong>mer<br />

neuen Verbindungsgründungen und Wartburgfesten<br />

der studentischen<br />

Jugend lebendig gehalten. Diesen studentischen Dreiklang<br />

<strong>von</strong> akademischem Bildungsanspruch, alkoholischem Gemeinschaftssinn<br />

und politischer Opposition bewahren die ersten anonym<br />

erschienenen Trinklieder des Burschenschaftlers <strong>Scheffel</strong> bis in<br />

die<br />

Gedichtsammlung des Gaude.amu.4 v on 1868 hinein.<br />

Das dritte Studienjahr 1845/4-6 in Berlin kann die Erfahrung,<br />

man lebe in einer Ubergangszeit, in <strong>Scheffel</strong> nur verstärken.<br />

Selbst hier, am ehemaligen "Hochsitz der verhegelten Wissen-<br />

ZI<br />

schaft"*', beginnt man sich <strong>von</strong> der totalen Hegelherrschaft<br />

in den Wissenschaften abzuwenden. <strong>Scheffel</strong>s parodistische Ge-<br />

Z.2<br />

dichte, etwa "Zur Phänomänologie des Geistes" (lX,71f) verwenden<br />

Schlagworte der modernen Philosophie als Bausteine<br />

humoristischer Geselligkeits- und Trinklieder. Als <strong>Scheffel</strong><br />

nach diesem Intermezzo zum Abschluß seines Studiums nach<br />

Heidelberg<br />

zurückkehrt, gerät er erneut in die Umbruchst<strong>im</strong>mung<br />

Südwestdeutschlands: "Du kannst Dir kaum<br />

4 3<br />

denken, wie sich bei<br />

uns in Baden die Gedanken kreuzen" 4 , schreibt er dem Burschenschaftler<br />

Schwanitz nach Thüringen.


18<br />

Po tltlAcken. L ike./iatlAmu.A and poetische. Reaktion<br />

<strong>Scheffel</strong>s Kritik der politischen Romantik best<strong>im</strong>mt auch während<br />

der badischen Märzrevolution des Jahres 1848 sein Verhältnis<br />

zur Zeitgeschichte. Die Briefe an Schwanitz nennen den kleinstaatlichen<br />

Absolutismus und den nationalstaatsfeindlichen<br />

Partikularismus der Dynastien als die Kräfte der Restauration,<br />

die es hauptsächlich zu bekämpfen gelte. Kennzeichnend für<br />

<strong>Scheffel</strong>s Denken <strong>im</strong> Sinne seines Herkommens und seiner j u r i s t i ­<br />

schen Vorbildung i s t die Ubereinst<strong>im</strong>mung seiner politischen<br />

Anschauungen mit dem gemäßigten Professoren-Liberalismus. Dieser<br />

gemäßigte Konstitutionalismus (Vereinbarung <strong>von</strong> Krone und<br />

Parlament, Zensuswahl, großdeutsche Monarchie) mit dem Ziel<br />

einer Revision der Reichsverfassung gerät schon bald in Gegensatz<br />

zu den sog. "radikalen" Demokraten<br />

(Volkssouveränität,<br />

allgemeines Wahlrecht, Republik) und deren Wunsch nach weitergehenden<br />

sozialen Reformen. Dem Dilemma des Liberalismus, nur<br />

verfassungsrechtliche Korrekturen, aber keine sozialen Veränderungen<br />

zu wollen, entgeht auch <strong>Scheffel</strong> nicht. Die berühmten<br />

liberalen Märzforderungen, "Preßfreiheit, Geschworenengerichte,<br />

Volksbewaffnung"^ und "unverzügliche Vertretung<br />

durch ein deutsches Parlament"^ sind keine Min<strong>im</strong>alforderungen<br />

wie bei den Demokraten, sondern bilden den Endpunkt einer<br />

"gesetzlichen Entwickelung" der Revolution ! Weitergehenden<br />

47<br />

Forderungen der Demokraten "<strong>im</strong> Namen der Freiheit" antwortet<br />

der Liberalismus durch das Bündnis mit den restaurativen<br />

Mächten, um die soziale Ordnung aufrecht zu erhalten und die<br />

verfassungsrechtlichen Errungenschaften zu bewahren. Auch für<br />

<strong>Scheffel</strong> i s t mit der Berufung liberaler Parlamentarier in die<br />

sog. Märzministerien die Revolution beendet, weil die verfassungsrechtlichen<br />

Ziele durchgesetzt sind:<br />

"namentlich wollen viele nicht zugestehen, daß wir seit<br />

März eine vollständige Revolution in Deutschland durchgemacht<br />

haben und also auf einem durchaus neuen Rechtsboden<br />

stehen" (48)<br />

In diese Zeit, in der sich die liberalen Prioritäten <strong>von</strong> der<br />

freiheitlichen Komponente zur zunehmenden Betonung des nationalen<br />

Einigkeitswillens wandeln, fällt auch <strong>Scheffel</strong>s Tätigkeit<br />

als Sekretär des badischen Staatsrechtlers Karl Theodor


19<br />

Welcker. <strong>Scheffel</strong>s Position in der Nähe Welckers spiegelt<br />

die schwierige Lage des konservativen Liberalismus. Welcker<br />

i s t einerseits badischer Parlamentarier und Gesandter be<strong>im</strong><br />

restaurativen Bundestag, andererseits i s t er gleichzeitig<br />

Abgeordneter der 'revolutionären 1 Frankfurter Nationalversammlung.<br />

Während die bald gescheiterte Nationalstaatsgründung<br />

die Radikalen in Baden in erfolglose und bald niedergeschlagene<br />

Aufstände treibt, sucht der gemäßigte Liberalismus sein Heil<br />

in einer kleindeutsch-preußischen Lösung. Der <strong>im</strong>mer antipreußisch<br />

und großdeutsch denkende <strong>Scheffel</strong> macht diese Wandlung<br />

des Liberalismus (Welcker!) nicht mit. Seine Abwendung<br />

50<br />

vom politischen Geschehen unter dem Zugriff der Reaktion,<br />

der "Preußischen Statthalter <strong>von</strong> Gottes Gnaden", i s t nicht<br />

ganz f r e i w i l l i g : "ich stehe ja auch auf der roten Liste als<br />

51<br />

Wühler aus den Märztagen und als Begleiter Welckers" . Der<br />

sich nun zum Konservatismus bekennende <strong>Scheffel</strong> läßt seiner<br />

politischen Enttäuschung freien Lauf; sein Pess<strong>im</strong>ismus erlaubt<br />

ihm aber auch erstaunliche Prognosen:<br />

"Eine auf innere Notwendigkeit gegründete, lebenskräftige<br />

konservative Partei i s t in Baden eine Unmöglichkeit; die<br />

Reaktion läßt sich's wohl sein, solang sie obenan i s t , und<br />

bringt ihr Schäfchen in 1 s Trockene, um be<strong>im</strong> ersten Alarmschuß<br />

der Revolution wieder durchzubrennen und gar nicht<br />

mehr oder mit den Russen das nächste Mal zurückzukehren.<br />

Die alte Freischärlerei aber, wenn sie je wieder, durch die<br />

Verwicklung der Ereignisse, das Heft in die Hände bekommt,<br />

wird <strong>im</strong> Namen <strong>von</strong> Uohi^tand, Bildung und T/ie.ihe.L£ eine so<br />

gediegene Sauerei zu Tage fördern, daß niemand der Mund<br />

darnach wässern wird, - am wenigsten einem Karlsruher, denn<br />

die sind schon qua solche übel angeschrieben und kriegen<br />

das nächstemal das Kamisol nicht übel versohlt.<br />

Und so sehe ich mit einem wehmütig indolenten Gefühl der<br />

Zukunft entgegen, die in Baden wenigstens sehr skrofulös<br />

werden wird. Und <strong>im</strong> großen Deutschland wird auch nichts<br />

zustande gebracht. Die Verwerfung der Reichsverfassung trägt<br />

ihre Früchte, der alte Dynastienwahn verhunzt das schöne<br />

Land, und das Universalheilmittel dagegen, die Republik,<br />

i s t unmöglich geworden durch ihre eigenen Vertreter, die<br />

diesen Begriff allmählich zum Synonym <strong>von</strong> Skandal erhoben<br />

haben.-<br />

So zappeln wir ein paar Jahrzehnte, und dann legt sich<br />

Deutschland vielleicht schlafen, - und träumt den alten<br />

Traum weiter, oder das nicht einmal. Oder es gibt eine<br />

große europäische Paukerei, - dann sind wir auch wieder<br />

der Mensurboden, auf dem sie ausgefochten wird, und kommen<br />

zu keiner selbständigen freien Entwicklung" (52)<br />

Auf die politische Enttäuschung reagiert <strong>Scheffel</strong> jedoch nicht


20<br />

nur mit einer Neuformulierung seiner politischen Grundsätze,<br />

sondern auch mit einem Wechsel seines Tätigkeitsfeldes. Auch<br />

darin, in der gegenpolitischen und ästhetischen Wendung,<br />

spiegelt<br />

sein Verhalten den Lebensweg vieler Liberaler nach 184.8,<br />

was an zahllosen Lebensläufen der Zeitgenossen gezeigt werden<br />

könnte: "Die künstlerische Seite in mir hat gegen das positiv<br />

53<br />

Unschöne reagiert" . <strong>Scheffel</strong>s juristischer Alltag in Säckingen,<br />

wo er fast fluchtartig eine Assessorenstelle ann<strong>im</strong>mt, i s t<br />

nicht nur ein geographischer Rückzug aus dem Zugriff der Re-<br />

34.<br />

aktion . In der topographischen Abwendung vom politischen Geschehen<br />

wandelt sich die Revolution sogar nachträglich vom politischen<br />

Ereignis zu k einem poetischen Wert, wenn <strong>Scheffel</strong> <strong>von</strong><br />

nun an da<strong>von</strong> spricht, nach 184-8 habe er "den Glauben an das<br />

Volk auf beiden Teilen und die Poesie der Revolution verloren"<br />

Nun. in den Qe.4ch ictite. is>t Uinktich.ke.it<br />

Auch die Italienreise des Malers <strong>Scheffel</strong> nach der Säckinger<br />

Zeit folgt zwar den Spuren der Goetheschen Italienreise, deren<br />

epigonaler Nachvollzug den eigenen Kunstanspruch legit<strong>im</strong>ieren<br />

s o l l . Doch der frühe Bildungstourismus, der sich seit dem Beginn<br />

des 19. Jahrhunderts in solch obligatorischen Bildungsreisen<br />

des Bürgertums manifestiert, verstellt ein wenig die<br />

seit 1848 <strong>im</strong>plizite politische D<strong>im</strong>ension. Erst jetzt nämlich<br />

erhält die romantisierende<br />

Italiensehnsucht für die enttäuschten<br />

Deutschen <strong>im</strong> nationalen Freiheitskampf Italiens eine direkte<br />

politische Parallele (Italienischer Krieg 1859 beendet).<br />

Auch <strong>Scheffel</strong> entwickelt seine Selbstfindung als Maler aus<br />

einer politisch eingefärbten Erlösungssehnsucht, weshalb er<br />

"auf italischem Boden einen Schluck Lethe trinken wollte, in<br />

dem alle Erinnerungen seit 1848 ausgetilgt würden"^. In der<br />

traditionellen Auseinandersetzung mit dem italienischen Kunstvorbild<br />

und den politischen Verhältnissen in Deutschland auf<br />

der Folie eines sich entwickelnden italienischen Staats- und<br />

Nationalbewußtseins erwächst <strong>Scheffel</strong>s neues GeschichtsVerständnis.<br />

Ein unversöhnlicher Gegensatz <strong>von</strong> poetischer Geschichtserinnerung<br />

und prosaischer Zeitgeschichte i s t jetzt<br />

aufgebrochen<br />

und wird faßbar <strong>im</strong> Wandel des Kunstverständnisses<br />

<strong>Scheffel</strong>s Auseinandersetzung mit den Fragen der Gegenwart in


21<br />

seinen Reisebildern Au* de.n /ikäti*cken Atpe.n 9<br />

das Produkt einer<br />

Graubündener Reise mit dem kleindeutsch-liberalkonservativen<br />

Ludwig Häusser (1851)» benutzt die seit Heine beliebte lockere<br />

Form für politische Anspielungen in der Maske des kulturhistorischen<br />

Berichts. Die geographische Distanz der Schweiz und<br />

deren ganz andere Lösung der Revolution (Sonderbundskrieg 1847)<br />

fordern geradezu den ironischen Vergleich der gesellschaftlichen<br />

Lebensformen und der politischen Verfassung der Graubündener<br />

Bauern mit den badischen Verhältnissen während der jetzt herrschenden<br />

Reaktion. Schon hier verhindert der spezifische<br />

57<br />

Humor <strong>Scheffel</strong>s die direkte tagespolitische Ausmünzung.<br />

Unter diesem Blickwinkel erhält auch <strong>Scheffel</strong>s bekanntere<br />

kulturhistorische Studie Au* de.m Hauen*telnen. Schioa/tzioatd,<br />

geschrieben 1851/52, gedruckt 1853, ihren Stellenwert. Die<br />

Beschreibung historischer, weil frühdemokratischer Zustände<br />

in populärwissenschaftlicher Manier - man denke an die kulturhistorischen<br />

Arbeiten W.H.Riehls oder die sozialkonservativen<br />

"Schwarzwälder Dorfgeschichten" Berthold Auerbachs (1843ff) -<br />

s t e l l t die <strong>von</strong> den Wirkungen der Zivilisation kaum berührten<br />

Schwarzwaldbauern der politischen Lage der badischen Stadtbevölkerung<br />

gegenüber. Die politische Teilnahmslosigkeit der<br />

Bauern gerinnt auf der Folie der eigenen politischen Enttäuschungen<br />

zu einer erstrebenswerten Haltung, wenn man erfährt,<br />

"daß der Hauensteiner zu den revolutionären Bestrebungen in<br />

Baden sich durchaus negativ verhält" (VII,171). Nicht ein<br />

politischer Unschuldszustand wird hier f r e i l i c h postuliert,<br />

sondern ein bewußt unpolitisches Verhalten: der politisch<br />

räsonierende Erzähler <strong>Scheffel</strong> durchschaut zwar die Aussichtslosigkeit<br />

des starr rückwärts gewandten Widerstandes der<br />

Hauensteiner Bauern (VII,191: "Anachronismus"!), versucht aber<br />

ihre Haltung in die kulturhistorische Idylle zu retten.<br />

Der hier erstmals durchgängig historische Zugriff auf den Erzählstoff<br />

wächst sich unter der Hand zu einer Vorstufe der<br />

Geschichtsdichtungen <strong>Scheffel</strong>s aus. Diese Art poetischer Geschichtsschreibung<br />

wird <strong>von</strong> nun an für <strong>Scheffel</strong> die Form, den<br />

direkten Zeitbezug der Geschichte zu erhalten. Daß Geschichte<br />

in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts weit mehr i s t als<br />

bloßer Bildungsstoff, bewahrheitet sich nicht nur an <strong>Scheffel</strong>,


22<br />

dessen Werke man ohne Mühe zu den Geschichtsopern Richard Wagners<br />

oder den monumentalen Geschichtsmonographien Rankes,<br />

Droysens, Mommsens und Sybels in Bezug setzen kann. Geschichte<br />

i s t dort, ebenso wie <strong>im</strong> Denken <strong>Scheffel</strong>s, nicht nur ein überzeitlicher<br />

Wert, auf den man sich zur Vergewisserung der Hoffnungen<br />

<strong>von</strong> 184.8 berufen kann, diese damit vor dem politischen<br />

Tagesgeschehen bewahrt und in eine zeitlose D<strong>im</strong>ension rettet.<br />

Diese Form der Geschichtsbetrachtung erlaubt zugleich die<br />

dauernde<br />

Aktualisierung des Historischen zur Legit<strong>im</strong>ierung<br />

nationalpolitischer Vorstellungen, wie sie Tendenzhistoriker -<br />

so Heinrich <strong>von</strong> Treitschke - betreiben.<br />

Im Vorwort der Novelle 3-unipe./iu*, 1866(!) erschienen, i s t diese<br />

Doppelbödigkeit der Geschichte schon selbstverständlich. "Die<br />

Hohenstaufischen Kaiser" (11,8), mit denen die Thematik der<br />

Erzählung nichts zu tun hat, brauchen nur noch anzitiert zu<br />

werden: die Verbindung <strong>von</strong> Hohenstaufer und Hohenzoller s t e l l t<br />

sich wie <strong>von</strong> selbst her. Wenn <strong>Scheffel</strong> den Mainzer Hoftag<br />

Barbarossas in ein "herrliches Frühlingsfest deutscher Nationalkraft<br />

und deutschen Geistes", "dieweil <strong>im</strong> Orient langsam die<br />

Wetterwolken aufzogen", umstilisiert, so gewinnt er ein historisch-poetisches<br />

Deutungsmuster für den preußischen Sieg <strong>von</strong><br />

1866, die "Kreuzfahrt" <strong>von</strong> 1870 5 8 und die Versailler Reichsgründung.<br />

Anton <strong>von</strong> Werner, zuerst <strong>Scheffel</strong>s kongenialer I l l u ­<br />

strator und später repräsentativer Auftragsmaler des neuen<br />

Reiches, wird diese Stilisierung <strong>im</strong> bekannten Bild der Kaiserproklamation<br />

bestätigen. Die "freundlich gemeinte Doppelarbeit<br />

des Dichters und Malers" und die "<strong>von</strong> ernsten St<strong>im</strong>mungen bewegte<br />

Zeit" (11,10) verweisen, vielleicht als künstlerisches Gegenstück<br />

zum hochpolitischen Kaiserstreit zwischen Julius Ficker<br />

und Heinrich <strong>von</strong> Sybel (1859/62), auf die ästhetisch und p o l i ­<br />

tisch zu lösende Frage der nationalen Einheit. Die poetisch<br />

erfaßte Geschichte s o l l der politischen Gegenwart vorausgehen<br />

und<br />

"Zeugnis ablegen, daß ehrliche deutsche Herzen Nichts wissen<br />

und Nichts wissen wollen <strong>von</strong> Haß, Trennung und Bruderzwist<br />

und daß hier ein Mann vom Oberrhein und ein Mann <strong>von</strong> der Oder<br />

in guter Kameradschaft zusammengearbeitet haben an einem<br />

Werke deutscher Kunst" (11,10)<br />

Doch bemächtigt sich die Gegenwart der Geschichte auf noch


23<br />

direktere Weise. <strong>Scheffel</strong>s Gedichtsammlung <strong>von</strong> 1863, Tiau<br />

Auentiuie., eine Sammlung der lyrischen Einlagen für den nie v o l l ­<br />

endeten Wartburgroman, lebt <strong>von</strong> einer doppelten Vermittlung der<br />

Geschichte in die Gegenwart. "Die mehr als zufällige<br />

Fügung"(III,8)<br />

eines Kulturraittelpunktes Thüringen - mittelalterlicher Sängerkrieg<br />

auf der Wartburg, Goethes We<strong>im</strong>ar und die <strong>im</strong> 19. Jahrhundert<br />

restaurierte Wartburg mit dem bekannten Sängerkrieg-Fresko<br />

Moritz <strong>von</strong> Schwinds - konstruiert eine übergeschichtliche Kontinuität.<br />

Mit dieser Verknüpfung geschichtlicher Zufälligkeiten<br />

s o l l nicht nur der mäzenatische Kunstanspruch des Großherzogs<br />

59<br />

<strong>von</strong> Sachsen-We<strong>im</strong>ar-Eisenach nach dem Vorbild und in Konkurrenz<br />

zum Münchner Dichterkreis um den bayerischen König Max II. bestätigt<br />

werden. Um die politisch brisante Erinnerung an das<br />

burschenschaftliche Wartburgfest verkürzt, wird die historische<br />

Reihe zur unangreifbaren Rechtfertigung, die poetische Tradition<br />

zur politischen Legit<strong>im</strong>ation: dem thüringischen Kleinstaat des<br />

mäzenatischen Großherzogs, der in solchen Traditionen steht,<br />

kann auch die politische Existenzberechtigung gegen die Vereinnahmungspläne<br />

Preußens nicht abgestritten werden.<br />

Uberhaupt sind <strong>Scheffel</strong>s lebenslanger großdeutscher und antipreußischer<br />

Gesinnung die kleindeutschen Einigungsbestrebungen<br />

unter der Vorherrschaft Preußens suspekt. Schon 1863, während<br />

der erneut ausbrechenden Schleswig-Holstein-Krise als Vorspiel<br />

des deutschen Kriegs <strong>von</strong> 1866, durchschaut <strong>Scheffel</strong> den militärischen<br />

Imperialismus Preußens und ahnt schon den "nationalen"<br />

Krieg <strong>von</strong> 1870 voraus:<br />

"Preußen wird, unter dem Vorwand, das Londoner Protocoll<br />

/=zur Regelung der Schleswig-Holstein-Frage7 aufrecht zu<br />

halten, ein paar deutsche Bundesstaaten als Unruhestifter,<br />

die man s t i l l machen muß, besetzen, Hamburg wegnehmen, etwa<br />

auch Holstein, weil es den Kieler Hafen sehr gut brauchen<br />

kann ... und für diese Dinge wird nicht die gekränkte deutsche<br />

Nation, sondern 7/tank/izich Rechenschaft fordern und der<br />

Krieg am Rhein losbrechen" (60)<br />

Für den Krieg <strong>von</strong> 1870/71, der ihm <strong>im</strong> Gegensatz zur nationalen<br />

Begeisterung anderer Literaten als preußischer Expansionskrieg<br />

61<br />

erscheint, i s t <strong>Scheffel</strong> "kein Enthusiasmus möglich" . Krieg<br />

i s t ihm nicht nur allgemein "für Gedeihen und Selbständigkeit<br />

62<br />

des deutschen Cu£tu/ile.&e.n* verhängnisvoll" ; die Grenzlage<br />

Badens ermöglicht <strong>Scheffel</strong> auch wirklichkeitsnahe Einsichten


24<br />

sehr <strong>im</strong> Kontrast zur akademischen<br />

Kriegsbegeisterung:<br />

"Die Theuerung i s t <strong>im</strong> besten Fortschritt und die armen Rheinbauern<br />

verkaufen ihre Ferkel und jungen Gänse, was <strong>im</strong>mer ein<br />

Barometer des öffentlichen Wohlstandes i s t . Man denkt jetzt<br />

auch gründlich darüber nach, welchen Segen ein ken./i ticken.<br />

Knie.g über die Menschheit bringt" (63)<br />

Noch die militärischen Erfolge und das Uberschwappen der nationalen<br />

Begeisterung nach der Kaiserproklamation in Versailles<br />

lassen <strong>Scheffel</strong> in seiner Reserve^. Der endlich erreichte<br />

Nationalstaat, die Verehrung des Kaisers und die Bewunderung<br />

65<br />

Bismarcks söhnen <strong>Scheffel</strong> mit der Vorherrschaft Preußens nur<br />

allmählich aus. Jetzt erscheint ihm auch wieder die Ubereinst<strong>im</strong>mung<br />

<strong>von</strong> Kunst und Zeit wie vor 1848 möglich; beides, der<br />

ästhetische Anspruch und die Erfordernisse der Zeit, werden<br />

wieder aufeinander bezogen, gelten aber schon nicht mehr für die<br />

eigene Person. An Anton <strong>von</strong> Werner, den Repräsentations- und<br />

Schlachtenmaler des Neuen Reiches, schreibt <strong>Scheffel</strong> aus Karlsruhe<br />

nach Paris, dem Ort des preußischen Triumphes:<br />

"Es freut mich, daß Du diese gewaltige und für Deutschland<br />

ehrenvolle Zeit so mitten <strong>im</strong> Centrum der Ereignisse mit erleben<br />

und studiren kannst ... die beste und ächteste Geschichtsmalerei<br />

i s t die aus der Gegenwart, wenn ich 20 Jahre<br />

jünger wäre und keinen - aus der Dir glücklicherweise unbekannten<br />

Reactionszeit der fünfziger Jahre stammenden Rost in<br />

der Seele angesetzt hätte, so würde ich mit voller Energie<br />

mich ebenfalls diesen Geschichten und den neu angebahnten<br />

hoffentlich schwungvollen Entfaltungen deutscher Kraft und<br />

deutschen Geistes widmen" (66)<br />

Dennoch hat auch <strong>Scheffel</strong> mit seiner Kunst an der neuen Zeit<br />

t e i l . Im "Festlied der Studenten" zur Gründung der deutschen<br />

Universität Straßburg (IX,181f) und in den Skizzen au* dem<br />

££*aß aus dem Jahre 1872 kehrt <strong>Scheffel</strong> <strong>im</strong> Gelegenheitsgedicht<br />

und <strong>im</strong> Reisebild zu seinen Ursprüngen als Dichter zurück. Dort,<br />

wo Zeitgeschichte und Historie auseinander gefallen waren,<br />

kommen sie wieder zusammen, wenn <strong>Scheffel</strong> das militärisch<br />

annektierte Elsaß auch kulturhistorisch wiedergewinnen möchte.<br />

Freilich folgt jetzt die Poesie nur noch den Spuren der P o l i t i k .


25<br />

I. DICHTER UND DICHTUNG<br />

1. Dichterbewußtsein und Sängerrolle<br />

In seiner Mittlerstellung zwischen Autorbewußtsein und Erzählhandlung<br />

steht der Erzähler des £kkzka/id in der realen Welt des<br />

Autors als dessen angenommene Erzählrolle, zugleich gehört er<br />

als eine vom Autor geschaffene Figur selbst in den Bereich der<br />

Fiktion. Diesen Spielraum als 'Sprachrohr des Autorbewußtseins<br />

auszunutzen, i s t ja ein grundsätzlicher Teil der Erzählerfigur.<br />

Auffällig i s t dabei zunächst, wie sehr <strong>Scheffel</strong>s £kke.haid <strong>von</strong><br />

der zu erwartenden Norm abweicht. Im Vergleich mit anderen historischen<br />

Romanen gleicher Entstehungszeit scheint der £kke.ha/id<br />

1<br />

in dieser Hinsicht eine Ausnahmestellung einzunehmen . Als<br />

Präsentator der Erzählhandlung, dessen jeweiliges Verhältnis<br />

zum Text und zur außertextlichen Realität uns interessiert,<br />

steht der Erzähler des £kke.ha/id dem Geschehen nichts weniger<br />

als objektiv gegenüber. Im Gegenteil präsentiert er gleich den<br />

Anfang seines Romans aus einer Uberschau, <strong>von</strong> der aus er durch<br />

Gelehrsamkeit glänzen oder die traditionelle Erzählergemeinsam-<br />

2<br />

keit zwischen sich und dem Leser beschwören kann . In seinem<br />

Recht, sogar nicht behandeltes Geschehen zu deuten, macht der<br />

Erzähler deutlich, worauf es ihm ankommt: sein objektives Vorwissen<br />

schlägt in Belehrung um und wird als Kommentierung der<br />

Erzählung moralisch rechtfertigend und moralisierend. Der Erzähler<br />

"denkt moralisch" . Dieser moralisierende Unterton ergibt<br />

sich aus einem dauernden unhistorischen Vergleicheziehen<br />

zwischen der Erzählgegenwart und der erzählten Vergangenheit,<br />

wobei der Erzähler den historischen Abstand zwischen damals und<br />

heute bewußt negiert:<br />

"Man konnte damals Menschen verschenken, auch kaufen. Freiheit<br />

war nicht jedem eigen. Aber eine Unfreiheit, wie sie<br />

das Griechenkind auf der schwäbischen Herzogsburg zu tragen<br />

hatte, war nicht drückend." (V,17)<br />

Solche Werturteile des Erzählers nehmen die Perspektive einer<br />

historisch weiter entwickelten Zeit in die Erzählung hinein<br />

und erzeugen so eine Kumpanei zwischen Erzähler und Leser über<br />

die Textwirklichkeit: "Der Zustand wohnlicher Einrichtung


26<br />

überhaupt ließ damals manches zu wünschen übrig" (V,21). Diese<br />

Gemeinsamkeit kann der Erzähler nun dadurch ausnutzen, daß er<br />

wie ein feuilletonistischer Reisebegleiter den Leser <strong>im</strong>mer<br />

stärker in seine kulturkritischen Kommentare mit einbezieht:<br />

"Denn heutigentages sind die Klöster seltener und die Wirtshäuser<br />

häufiger, was mit steigender Bildung zusammenhängt/. .7<br />

Es war ein sonderbarer Zug, den jene Glaubensboten <strong>von</strong> Albion<br />

und Erin aufs germanische Festland führte. Genau besehen<br />

ist's ihnen kaum zu allzu hohem Verdienst anzurechnen f. . *J<br />

Sie kamen als Vorfahren der heutigen Touristen f...J Andere<br />

Zeiten, andere Lieder! Heute bauen die Enkel jener Heiligen<br />

den Schweizern für gutes eidgenössisches Geld die Eisenbahn."<br />

(V,24)<br />

Diese Spannung zwischen Erzählgegenwart und erzählter Textwirklichkeit<br />

vermag der Erzähler noch weiter zu forcieren, wenn<br />

er seine traditionelle Allwissenheit aufgibt und absichtlich<br />

Unwissenheit zur Schau s t e l l t . So folgen <strong>im</strong> 22. Kapitel (VI,354ff<br />

Erzähler und Leser über mehrere Seiten einem scheinbar unbekannten<br />

Wanderer, bis der Erzähler endlich die fällige Aufklärung<br />

nachliefert: "Der Fremde kniete vor dem Kreuz nieder und<br />

betete lang.- Es war Ekkehard, - der Ort, wo er betete, das<br />

Wildkirchlein" (VI,356). Am Ende des Romans n<strong>im</strong>mt der Erzähler<br />

aber nicht nur seine Distanz zu seiner eigenen Fiktion wieder<br />

zurück, sondern versucht sogar, eine Identität zwischen sich<br />

und seinem Helden vorzuspiegeln, indem er noch einmal ausdrückl<br />

i c h in die Dichterrolle schlüpft:<br />

"Und der dies Büchlein niedergeschrieben, i s t selber manch<br />

einen Frühlingsabend droben gesessen, /*. . J denn in den<br />

Trümmern des Gemäuers standen die Gestalten, die der Leser<br />

<strong>im</strong> Verlauf unserer Geschichte kennen gelernt, und erzählten<br />

ihm/=Erzähler/ alles, wie es sich zugetragen {...J und<br />

winkten ihm freundlich, daß er's aufzeichne und ihnen zu<br />

neuem Dasein verhelfe." (VI,430f)<br />

Dieser Befund, Autorbewußtsein und Erzählerfigur sehr direkt<br />

aneinander zu fixieren, läßt sich auch am lyrischen Ich festmachen.<br />

Die eindeutig biographische Aussage des Gedichts<br />

"Wiedersehen" <strong>von</strong> 1858 (IX,131) wird als Erlebnisdichtung unter<br />

dem Refrain eines spätraittelalterlichen Minnesängers versteckt<br />

und damit in eine scheinobjektive Sängerrolle hineingenommen:<br />

"Doch alte Lieb', die rostet nicht,<br />

Und Herzog Hans <strong>von</strong> Brabant spricht:<br />

Herba f l o r i fa!" (IX,131)


27<br />

Doch der Und-Anschluß des Refrains wirkt verräterisch; in seiner<br />

inhaltlichen Funktionslosigkeit verrät er die Verkleidung des<br />

direkten persönlichen Bezuges unter der Maske historisch schon<br />

sanktionierter<br />

Formeln.<br />

Die ersten Rezensenten haben übereinst<strong>im</strong>mend in allen Werken<br />

<strong>Scheffel</strong>s die partielle Identität <strong>von</strong> Autor und erzählendem bzw.<br />

lyrischem Ich entdeckt. Da es dem Leser wahrlich nicht schwerfällt,<br />

<strong>Scheffel</strong>s Heldenfiguren "und den Poeten zu identificiren"^,<br />

wird tendenziell jedes sprechende Ich auf den Autor hin ausdeutbar.<br />

<strong>Scheffel</strong> selbst hat diese Leseversion <strong>im</strong>mer wieder<br />

betont. In der Zueignung seines 7 /iompe.te./i4 fällt schon <strong>von</strong> der<br />

Gattungsbedingung des Widmungsgedichts her das lyrische Ich<br />

eindeutig mit dem biographischen zusammen. Echte fiktive Aussagen<br />

müssen trotz des fiktiven Textes in direkter Rede stehen,<br />

so z. B. die ironische Dichter-Selbstcharakterisierung aus dem<br />

Mund des Wirtes Don Pagano:<br />

"Was er sonst noch treibt? - ! s i s t ein Deutscher,<br />

Und wer weiß, was diese treiben?<br />

Doch ich sah in seiner Stube<br />

Viel Papier - unökonomisch<br />

War's nur in der Mitt' beschrieben,<br />

Und ich glaub', es fehlt <strong>im</strong> Kopf ihm,<br />

Und ich glaub', er schmiedet Verse." (1,3)<br />

Die Rollendistanz des Ich-Sprechers als zugleich Handelnder<br />

und Beobachtender macht das Verhältnis <strong>von</strong> erlebter Realität<br />

und deren Eingang in die Zueignung ganz deutlich, wenn man die<br />

Anfangszeilen des 7/tompete/i* dem realen Ereignis konfrontiert:<br />

Im Versepos heißt es:<br />

"Wer i s t dort der blonde Fremde,<br />

Der auf Don Paganos Dache<br />

Wie ein Kater auf und ab geht?" (1,3)<br />

Die reale Situation beschreibt <strong>Scheffel</strong> in einem Brief an<br />

seine Mutter fast gleichlautend, jedoch in eindeutigem Ich-<br />

Bezug ohne die literarische Sprecherrolle:<br />

"ich bin in frischem einsamem Scheffen begriffen, und mein<br />

biederer Wirt Pagano macht oft seltsame Augen, wenn er mich<br />

auf dem flachen Dach des Hauses wie eine Katze speculierend<br />

auf und nieder schreiten sieht." (5)<br />

Daß beide Rollen <strong>im</strong> 7/iompete/i oszillieren, hindert nicht, daß<br />

<strong>Scheffel</strong> sehr genau zwischen den fiktiven "des Lieds Gestal-


28<br />

ten" (1,4-) und dem biographischen Bezug unterscheidet: "Dieser<br />

Fremde / War ich selber" (1,3). Das bestätigt auch die Widmungsformel<br />

und die sich daran anschließende bekannte Abgrenzung<br />

des 7nompe.te.n gegen andere zeitgenössische Produktionen:<br />

"Doch den Sang, der mir in froher<br />

Frühlingsahnung aus dem Herz sprang,<br />

Send' ich grüßend in die He<strong>im</strong>at,<br />

Send' ich Euch, dem Elternpaar.<br />

Manch Gebrechen trägt er, leider<br />

Fehlt ihm tragisch hoher Stelzgang,<br />

Fehlt ihm der Tendenz Verpeff f rung,<br />

Fehlt ihm auch der amarant'ne<br />

Weihrauchdurft der frommen Seele<br />

Und die anspruchsvolle Blässe.<br />

Nehmt ihn, wie er i s t , rotwangig<br />

Ungeschliffner Sohn der Berge,<br />

Tannzweig auf dem schlichten Strohhut.<br />

Was ihm wahrhaft mangelt, deckt es<br />

Mit dem Schleier güt'ger Nachsicht.<br />

Nehmt ihn, nicht als Dank - ich stehe<br />

Schwer <strong>im</strong> Schuldbuch Eurer Liebe -<br />

Doch als Gruß und als ein Zeichen,<br />

Daß auch einer, den die Welt nicht<br />

Auf den grünen Zweig gesetzt hat,<br />

Lerchenfröhlich und gesund doch<br />

Von dem dürren Ast sein Lied singt." (1,6)<br />

Gerade wegen der hier proklamierten Natürlichkeit i s t eine<br />

echte Programmatik der Dichtkunst vermieden. Zwar setzt sich<br />

<strong>Scheffel</strong> gegen klassizistische ("tragisch hoher Stelzgang")<br />

und jungdeutsche Tendenzen ("Tendenz Verpfeff'rung") wie auch<br />

gegen das romantisierend-frömmelnde Verepos des Biedermeier<br />

(0. v. Redwitz mit seinem Am.an.anth.) ironisch ab, nicht ohne die<br />

scheinbaren "Gebrechen" des 7/iompe.te.n als dessen eigentliche<br />

Stärken und Neuerungen vor sich her zu tragen. Den negativen<br />

Abgrenzungen gegenüber verblaßt das positive Programm (rotwangig,<br />

ungeschliffen, lerchenfröhlich, gesund) nicht nur,<br />

weil es rhetorische Formeln des frühen programmatischen Realismus<br />

idyllisch einfärbt; l e t z t l i c h begründet <strong>Scheffel</strong> seine<br />

literarische Absetzung weniger programmatisch als biographisch:<br />

das literarische Ich rettet sich ins biographische. Verdeutl<br />

i c h t wird dies in <strong>Scheffel</strong>s Stellungnahme zur falschen Gleichsetzung<br />

<strong>von</strong> äußerer Biographie und Dichterinspiration auf eine<br />

Anfrage hin:<br />

"Es scheint mir übrigens, als ob der <strong>von</strong> Literaturhistorikern<br />

beliebte Weg, den Autor durch kurzen Abriß seiner


29<br />

Lebensverhältnisse zu erläutern, sehr unfruchtbar sei - weil<br />

die moderne Zeit nur ganz gleichförmige mechanische Schemata<br />

äußerer Entwicklung möglich läßt, und man aus den darauf bezüglichen<br />

Thatsachen keinerlei Aufschluß über das künstlerische<br />

Leben und Entpuppen erhält. Die Impulse der Poesie<br />

kommen aber aus ganz anderen Regionen als aus denen, darin<br />

die Existenz sich äußerlich bewegt." (6)<br />

Daß der Poet "ein eigenes Schicksal" (V,9) hat, das ihn <strong>im</strong><br />

Unterschied zu den übrigen Menschen e r e i l t und ihn dadurch <strong>von</strong><br />

allen trennt, i s t die logische Folge einer solchen Abgrenzung<br />

des Dichterbewußtseins <strong>von</strong> der Normalität. Der Dichter weiß<br />

sich <strong>von</strong> Erscheinungen umgeben:<br />

"Wo Andere, denen die Natur gelehrtes Scheidewasser in die<br />

Adern gemischt, v i e l allgemeine Sätze und lehrreiche Betrachtungen<br />

als Preis der Arbeit herausätzen, wachsen ihm<br />

f=dem Poeten/ Gestalten empor, erst vom wallendem Nebel umflossen,<br />

dann klar und durchsichtig, und sie schauen ihn<br />

ringend an und umtanzen ihn in mitternächtigen Stunden und<br />

sprechen: Verdicht uns!" (V,9)<br />

Dieser <strong>im</strong> Vorwort des tZkk&ka/id beschworene Vorgang war sicher<br />

als Apotheose des poetischen Schöpfungsaktes ernst gemeint;<br />

heute wäre er nur noch als (unfreiwillige) Parodie des Dichtungsprozesses<br />

zu lesen. Als Dichterideologie treten solche<br />

Vorstellungen in <strong>Scheffel</strong>s Werk wiederholt und durchgängig auf.<br />

Charakteristisch i s t jeweils das geisterhaft irrationale Walten<br />

solcher Mächte. Verpflichtung des Dichters i s t es, solche Er-<br />

7<br />

scheinungen zu bannen . Die Poesie kann dann sehr bald "eine<br />

o<br />

verfluchte Sirene" werden, "sie zieht und lockt" . Das romantische<br />

Dichtererbe, die poetische Inspiration als dämonische<br />

Macht, trägt sich in <strong>Scheffel</strong> weiter: "die Gestalten kauern<br />

o<br />

und lauern ungebannt in allen Winkeln" . Gegenüber Otto Müller,<br />

dem Romancier und Herausgeber der Beut ackert B i(L£iothe./c 9<br />

der<br />

Sammlung au*e./ite.*ene/i O/ilginai/iomane., in dessen Reihe als<br />

zweiter Band <strong>Scheffel</strong>s Ckkeka/id erscheint, äußert <strong>Scheffel</strong> den<br />

"frommen Wunsch, daß ich bald <strong>von</strong> den Gestalten erlöst werden<br />

möge, die mich zur Zeit geisterhaft he<strong>im</strong>suchen"^. Die vom<br />

Dichter nicht unbedingt gewollte He<strong>im</strong>suchung durch solche Gestalten<br />

wird <strong>Scheffel</strong> zum Fluch und weitet sich in quasisakrale<br />

Sphären: die Poesie kann zur dämonischen und dämonisierten<br />

Muse werden. So warnt <strong>Scheffel</strong> den Mitdichter Eduard<br />

Dössekel, "sich je <strong>von</strong> der Muse weiter als zu harmlosen Spazier­


30<br />

und etwas Koboldisches dabei, wenn man sich tiefer einläßt"<br />

Der Poesiebegriff erhält dabei den Charakter einer undeutlichen,<br />

aber existenziell empfundenen Bedrohung. Dichterische Inspiration<br />

als Fluch der Erkenntnis - diese Selbstdeutung kann <strong>von</strong><br />

der Umwelt als handliche Dichterideologie leicht akzeptiert<br />

werden. <strong>Scheffel</strong>s Mutter, selbst eine Dichterin, wendet diese<br />

Mystifizierung noch ins Banale, wenn sie es auf "ein Kranksein",<br />

1 2<br />

"eine Uberfülle <strong>von</strong> Wissensdrang und Phantasie" reduzieren<br />

möchte. Persönliche Schwächen versteht und verzeiht man mit dem<br />

Verweis auf ein Dichterschicksal, das der Dichter für sich<br />

selbst so ausgegeben hat:<br />

"Aber jeder Mensch hat sein da<strong>im</strong>.on.ion und das, was mich<br />

treibt, habe ich wahrlich nicht aufgesucht, es kam ungerufen<br />

geflattert und s i t z t mir jetzt auf dem Nacken." (13)<br />

<strong>Scheffel</strong> treibt diese Stilisierung noch weiter: "und ganz in der<br />

Ferne steht der Wahnsinn, der als letzte tröstende Macht sich<br />

übers arme Hirn zu senken d r o h t " N i c h t dem in seiner<br />

Existenz bedrohten Dichter des 20. Jahrhunderts i s t damit vorgegriffen,<br />

sondern die Spielmarke poetischer SelbstStilisierung<br />

wird ins Extrem getrieben.<br />

Modern f r e i l i c h , <strong>im</strong> Sinne kritischer Reflexion der poetischen<br />

Existenz, deutet <strong>Scheffel</strong> die Dichterwerdung seines Helden <strong>im</strong><br />

tZk.ke.ha/id. Das Versagen der Sprache als Grundlage des Dichtens<br />

wird allerdings nicht auf der Bewußtseinsstufe reflektiert, wie<br />

man es beispielsweise <strong>von</strong> Hofmannsthals bekanntem Chandos-Brief<br />

gewohnt i s t . Sprachversagen <strong>im</strong> Ckkeka/id bleibt das individuelle<br />

Schicksal der Hauptfigur. Ekkehard w i l l zur Herzogin sprechen,<br />

aber "die Rede blieb, wo sie entstanden - in seinen Gedanken"<br />

(V,33). Die rein mechanische Nachahmung der Hexameter Vergils<br />

bringt Ekkehards erste Dichtungsversuche zum Scheitern: "Es<br />

ging aber nicht so leicht" (V,141). Für diese als Vorstufe seines<br />

späteren Dichtens zu betrachtende Produktion braucht Ekkehard<br />

ein träumerisches Sitzen, bei dem ihm ein "guter Gedanke"<br />

kommt, "als wenn Virgilius ihm in seiner Turmeinsamkeit erschienen<br />

wäre" (V,14-1). Noch gebricht es ihm f r e i l i c h an künstlerischem<br />

Ausdruck (V,14.2), so daß alle seine Verse noch unter der<br />

Schwelle echter Dichtung bleiben. Erst als die Herzogin ihn vom<br />

Vorlesen abbringen w i l l , beginnt Ekkehards echtes Dichten; aus<br />

der Reproduktion s o l l die eigene Produktion erwachsen: "Oder


31<br />

gehet hin und dichtet selber etwas" (VI, 314.) • Ekkehards Unfähigkeit<br />

dazu zeigt sein mißlungener Versuch, eine Parabel zu erzählen<br />

:<br />

"Ihr sollet erzählen!<br />

Ich s o l l erzählen! murmelte er und fuhr mit der Rechten über<br />

die Stirn. Sie war heiß; es stürmte drin.<br />

Ja wohl, - erzählen! Wer spielt mir die Laute dazu?<br />

Er stand auf und sah in die Mondnacht hinaus. Verwundert<br />

schauten die andern sein Gebaren. Er aber hub mit klangloser<br />

St<strong>im</strong>me an:<br />

Es i s t eine kurze Geschichte. Es war einmal ein Licht, das<br />

leuchtete hell und leuchtete <strong>von</strong> einem Berg hernieder und<br />

leuchtete in Regenbogenfarben und trug eine Rose <strong>im</strong> Stirnband<br />

. . .<br />

Eine Rose <strong>im</strong> Stirnband?! brummte Herr Spazzo kopfschüttelnd.<br />

... Und es war einmal ein dunkler Nachtfalter, fuhr Ekkehard<br />

<strong>im</strong> gleichen Ton fort, der flog zum Berg hinauf und flog um<br />

das Licht und wußte, daß er verbrennen müsse, wenn er hineinfliege,<br />

und flog doch hinein, und das Licht verbrannte den<br />

Nachtfalter, da ward er zur Asche und vergaß des Fliegens!<br />

Amen!<br />

Frau Hadwig sprang unwillig auf.<br />

Ist das Eure ganze Geschichte? fragte sie.<br />

Meine ganze Geschichte! sprach er mit unveränderter St<strong>im</strong>me."<br />

(VI,337)<br />

Das Erzählen <strong>im</strong> gleichnishaften Märchenton ("es war einmal")<br />

i s t gattungsmäßig ("Geschichte") und s t i l i s t i s c h ("<strong>im</strong> gleichen<br />

Ton", "und"-Anschlüsse) wie auch <strong>im</strong> mündlichen Vortrag ("mit<br />

klangloser St<strong>im</strong>me") auf der falschen Ebene angesiedelt, so daß<br />

es den idealen Poesievorstellungen Ekkehards nicht entsprechen<br />

kann: "erzählen! Wer spielt mir die Laute dazu?"(VI,337). Erst<br />

auf dem Wildkirchlein findet Ekkehard die rechten Worte: "und<br />

er wunderte sich, daß sie ihm so entströmten" (VI,363). Die<br />

gesteigerte poetische Subjektivität hat ihren adäquaten Ausdruck<br />

gefunden.<br />

Nach seiner körperlichen Gesundung und nachdem das "gestörte<br />

Gleichgewicht" (VI,368) wiederhergestellt i s t , kann sich Ekkehard<br />

an seinen Jugendfreund, den Dichter Konrad <strong>von</strong> Alzey,<br />

erinnern. Das Andenken an ihn (VI,372) macht Ekkehard gleichf<br />

a l l s zum Dichter. Die Erinnerung zeitigt erst jetzt eine so<br />

starke Wirkung, weil Ekkehard urplötzlich erkennt, daß Konrad<br />

ein echter Dichter i s t : "- und was Konrad damals gesprochen,<br />

war hehr und gut, denn er schaute mit dem Aug' eines Dichters<br />

in die Welt" (VI,370). Die Stofffülle Konrads i s t so groß, daß<br />

daß er Ekkehard etwas da<strong>von</strong> abgegen kann:


32<br />

"Für dich wüßt 1 ich auch einen Sang, der i s t einfach und nicht<br />

allzu herb und paßt zu deinem Gemüt /. ../ Und er hatte ihm<br />

die Sage weitläufig erzählt; f...] sing du den Walthari!"<br />

(VI,371)<br />

Die Entwicklung Ekkehards vom Erklärer der Dichtungen des Vergil<br />

zum Produzenten eigener Poesie erklärt er sich selbst aus dem<br />

"großen Schmerz in sich, der ausgetobt werden mußte" (VI,372).<br />

Damit wird, neben der richtigen Dichtweise, dem Singen, die<br />

zweite Bedingung der Dichterwerdung Ekkehards genannt, nämlich<br />

die erlösende Selbstaussprache. Eine dritte Bedingung i s t<br />

schließlich die metaphorisch als Erinnerung bezeichnete Rückbesinnung<br />

auf historische Vorgaben. Wie Ekkehard den ersten Anstoß<br />

eigener Produktion aus dem Vorbild Vergils erhalten hatte,<br />

so steigt ihm jetzt "aus dem Schutt vergangener Zeit" (VI,378)<br />

die Erinnerung an gar nicht selbst erlebte Ereignisse empor, und<br />

"mit Sang und Klang zog der Geist der Dichtung bei ihm ein".<br />

Sind alle drei Bedingungen erfüllt, dann geschieht die Dichterwerdung<br />

urplötzlich: "Er sprang auf und tat einen Satz in die<br />

Luft" (VI,378). Wie <strong>im</strong> Vorwort des Romans die Gestalten zum Erzähler<br />

gesrochen hatten: "Verdicht uns!" (V,9), so wendet sich<br />

Konrad an Ekkehard: "Tu's" (VI,378). Damit wird Dichtung auch<br />

zum Ersatz für eigenes Handeln. Trotzdem Ekkehard "seinen<br />

Schmerz zu versingen" hat, geht er "fröhlich ans Werk"; sein<br />

"Herz i s t wohlgerautet" (VI,378). Nach seinen mißlungenen Erzählversuchen<br />

hat Ekkehard jetzt die ihm gemäße Aussageform gefunden:<br />

er *ingt das Waltharilied.<br />

Denn <strong>im</strong> Dichtungsvorgang vermischen sich für ihn die Künste:<br />

"und die Musica war ein guter Verbündeter dem Werke der Dichtung"<br />

(VI,381). Das Werk, "das erst wie ferner Nebel ihm vorgeschwebt,<br />

verdichtete sich und nahm Gestaltung an und zog in<br />

lebendurchatmeten Bildern/'!/ an ihm vorüber" (VI,381). Wie ein<br />

Maler geht Ekkehard zu Werk, während er gleichzeitig die Augen<br />

vor der Welt verschließt. Im Dichten wird der Mensch nicht nur<br />

zum Seher, sondern die Menschentat wird "zur Tat des Schöpfers,<br />

der eine Welt aus dem Nichts hervorgerufen" (VI,381). In<br />

Schwächeperioden holt sich der Dichter neue Kraft vor der heroischen<br />

Kulisse der einsamen Bergwelt und sucht die Orte wieder<br />

auf, "wo der erste Gedanke des Sangs in ihm aufgestiegen" (VI,382)<br />

aber meistens muß er sich mit der Fixierung seiner Dichtung


33<br />

eher beeilen, so schnell kommen ihm neue Gedanken: "Wenn das<br />

Herz erfüllt i s t <strong>von</strong> Sang und Klang, hat die Hand sich zu sputen,<br />

dem Flug der Gedanken nachzukommen" (VI, 384.). Als fertiges Werk<br />

i s t Ekkehards Dichtung "gesund und gewaltig geworden" (VI,4-17)<br />

und enthält damit in sich schon für den Leser die entsprechende<br />

Wirkung: "echte Dichtung macht den Menschen frisch und gesund"<br />

(VI,4-18). Ekkehard hat rote Backen bekommen, jubelt und lacht;<br />

für ihn i s t das Dichten zur Therapie geworden, die er nach<br />

seiner Genesung nicht mehr nötig hat (VI,419). Der Definition<br />

<strong>von</strong> Poesie als "Hakenfüße und Runen auf Eselshaut" (VI, 4-19), wie<br />

sie ein alter Senn gibt, widerspricht Ekkehard nun nicht mehr.<br />

Er hat Dichtung und Einsamkeit als eine "Schule fürs Leben"<br />

betrachtet und begibt sich nicht nur topographisch "wieder zu<br />

Tale"<br />

(VI,424).<br />

Mit seiner Dichterwerdung i s t Ekkehard zugleich zum Mann ger<br />

e i f t :<br />

"Der Jüngling lag in Träumen, dann kam die dunkle Nacht;<br />

In scharfer Luft der Berge i s t jetzt der Mann erwacht!"<br />

(VI,425)<br />

Als Ekkehard "ausgesungen" und seine Dichtung "an den Nagel"<br />

(VI,425) gehängt hat, verbreitet sich die "Fama" (VI,427) seines<br />

Dichtertums. Der Widerspruch in Spazzos Satz, der Ekkehards<br />

literarisches Anfangsproblem war, i s t für ihn wie für <strong>Scheffel</strong><br />

gelöst: "Wie kann der singen, der nicht einmal erzählen kann?"<br />

(VI,427). Aus der hohen Welt der Berge zieht Ekkehard in die<br />

"weite Welt" und wird Weltmann, nunmehr in "jeglicher Kunst"<br />

erfahren (VI,428). Jetzt meistert er nicht nur sein eigenes<br />

Leben, sondern lenkt auch das anderer in Kirche und Reich.<br />

Daß dieses Dichterbild nicht nur für <strong>Scheffel</strong> charakteristisch<br />

i s t , sondern auch zeittypische Bedeutung hat, i s t offensichtl<br />

i c h . Der Bruch f r e i l i c h , wie er zwischen den inhaltlichen Postulaten<br />

Ekkehards oder des Romanvorworts und den rhetorischen<br />

Formulierungen selbst a u f t r i t t , zeigt deutlich, wie halbherzig<br />

die Best<strong>im</strong>mungen des programmatischen Realismus erfüllt sind.<br />

Idylle und Weltschmerz, rhetorische Kraftmeierei und erzählerische<br />

Extremformulierungen verweisen eher auf die vorrealistische<br />

1 5<br />

Erzählposition . Daß diese Unentschlossenheit zwischen beiden<br />

Positionen ebenfalls auf der Linie der Zeit liegt, wird darin


34<br />

klar, daß für andere Dichter eine ungebrochene Identifikationskraft<br />

<strong>von</strong> der Dichtergestalt des Ekkehard ausgeht. Gerade<br />

Gustav Freytag, einer der entschiedensten Vertreter des programmatischen<br />

Realismus, lobt in einem Brief an seinen Verleger<br />

nicht nur "ein achtes Künstlergemüth" des Roraanhelden, sondern<br />

s t e l l t sich gegen das Lesepublikum auf die Seite des Dichters<br />

mit der Behauptung, "für's große Publikum i s t diese feine,<br />

alterthümliche und außerdem künstlerisch unfertige Arbeit nicht,<br />

wohl aber für unsereinen"^.<br />

Auf welcher Höhe weit über dem "Lesepöbel" <strong>Scheffel</strong> selbst die<br />

Poesie angesiedelt hat, kann ein Blick auf das letzte Gedicht<br />

der T/tau Avantiu/ie., "Auf wilden Bergen" (lll,118f), zeigen.<br />

<strong>Scheffel</strong> s t e l l t hier Heinrich <strong>von</strong> Ofterdingen als den Musterf<br />

a l l poetischer Inspiration in den Rahmen einer wildheroischen<br />

Natur. Aus dem Dichterkreis des sagenhaften mittelalterlichen<br />

Sängerwettstreits auf der Wartburg<br />

i s t der Ofterdinger in die<br />

Welt der "Hochtaleinsamkeit"(III,118), der sprudelnden<br />

Quellen<br />

und des H<strong>im</strong>melblaus gezogen. Die inspirierenden Gestalten und<br />

die einsame Natur bilden zusammen eine Wertaura (beide sind<br />

"rauh"), in der Naturschönheit und göttlich-poetische<br />

Offenbarung<br />

zusammenfallen:<br />

"Wer sich auf Dichten peint, folgt dunkeln Geistern<br />

Und wird dem Weltlauf windsbrautgleich entführt;<br />

Ihr Joch i s t rauh, doch wen sie niemals meistern,<br />

Der hat des Schöpfers Odem nie verspürt.<br />

Sie leiten jeglichen nach seiner Weise,<br />

Daß ihm der Schönheit Offenbarung kund ...<br />

... Mich zu den Gemsen, wo in ewigem Eise<br />

Gehe<strong>im</strong>nisvoll saphirhell gähnt der Schlund." (111,119)<br />

Gleicht der Rückzug des Minnesängers noch stark dem Ekkehards<br />

in die heroische Natur, so steigt <strong>im</strong> 7/iompete./i der Dichtungsbegriff<br />

auf eine andere Höhenebene der Natur. Die Verliebtheit<br />

Jung-Werners veranlaßt den Erzähler zu einem Vergleich der<br />

Liebe mit der Poesie:<br />

"Und es klang und sproßt' und wogte<br />

Wie die ersten Ke<strong>im</strong>e eines<br />

Unvollendeten Gedichts." (I,39f)<br />

Liebe und Lied wollen nicht nur grammatikalisch zusammenfallen<br />

Die vollendete Liebe übersteigt die unvollendete Dichtung; sogar<br />

der Sänger muß jetzt<br />

schweigen:<br />

1 7


35<br />

"Kuß i s t mehr als Sprache, i s t das<br />

Stumme hohe Lied der Liebe,<br />

Und wo Wort nicht ausreicht, ziemt dem<br />

Sänger schweigen f. ..] . " (I,130f)<br />

Man hat denn<br />

auch auf die Vertauschbarkeit der Empfindungswerte<br />

1 8<br />

<strong>von</strong> Liebe und Dichtung bei <strong>Scheffel</strong> hingewiesen . Damit aber<br />

kann für <strong>Scheffel</strong> Kunst zum Ersatz für enttäuschte Liebe werden.<br />

Kunst als Trost - das wäre nun nicht neu. Bei <strong>Scheffel</strong> aber<br />

kann sich dieser Prozeß zugleich auch umkehren und aus diesem<br />

Trost Kunst hervorwachsen lassen; beides verschmilzt dann zu<br />

einem Gebilde eigener Art:<br />

"Oft auch, wenn ich schwer mich quäle.<br />

Klingt ein plötzlich 7no*tgedieht,<br />

Und ich fühle deine Seele,<br />

Die verklärt mit meiner spricht." (19)<br />

Für den alternden und kaum mehr dichtenden <strong>Scheffel</strong> i s t die<br />

Kunst schließlich die einzig mögliche Trösterin <strong>im</strong> Alltag:<br />

"Alles Kautz, alles Flongen,<br />

Alles Hoffen, alles Sorgen<br />

Bringt dir Last und manche Pein:<br />

Alles Hoffen durch dein Streben<br />

Alles ohne Reu' erleben,<br />

Dazu mußt du - Dichter sein." (IX,248)<br />

In einem späten Brief an Anton <strong>von</strong> Werner zieht sich <strong>Scheffel</strong><br />

auf diese nur unsichere, aber letzte Hoffnung zurück: "ich<br />

glaube, es nahen mir die Tage, <strong>von</strong> denen geschrieben steht<br />

20<br />

*ie ge.-f.atte.rt min nicht! Vielleicht tröstet die Kunst!"<br />

Immer - und auch das i s t Teil dieser als existenziell verstandenen<br />

Dichterideologie - i s t <strong>Scheffel</strong>s Dichtertum an der Zeit<br />

bzw. gegen sie ausgerichtet. Ein Vergleich der zu den Neuauflagen<br />

des 7nompeten verfaßten Vorworte kann dies verdeutlichen.<br />

Für die zweite Auflage <strong>von</strong> 1858 redet <strong>Scheffel</strong> sein Werk direkt<br />

an (IX,135). Nochmals grenzt er sich, wie in der Zueignung der<br />

21<br />

Erstausgabe, gegen Kritik und normative Forderungen ab und<br />

s t e l l t positive Best<strong>im</strong>mungen gegenüber, unter denen die Kategorie<br />

des Herzens hervorsticht. Sein eigenes Textverständnis<br />

und ein ideal aufgefaßtes Publikum gehören f r e i l i c h einer vergangenen<br />

Zeit an:<br />

"Doch n<strong>im</strong>mer blüht mir auf den alten Pfaden<br />

Die St<strong>im</strong>mung, die ins Leben einst dich r i e f : " (IX,136)


36<br />

Die veränderte Zeitlage s t e l l t den Dichter zwar vor eine veränderte<br />

Situation, verlangt doch die Schlechtigkeit der "Welt<br />

<strong>von</strong> heut" einen anderen als den "altgewohnten Ton" (IX,136).<br />

Wider bessere Einsicht weigert sich aber der Dichter, sich der<br />

Zeitlage anzupassen. Sein Werk s o l l Jugendwerk bleiben als Erinnerung<br />

an vergangene, bessere Zeiten (IX,137: "Ein frohes<br />

Denkblatt froher Jugendzeit"); "neue Lieder" der neuen Zeit<br />

überläßt er anderen: "flzin Amt ist's nicht" (IX,136). Die<br />

Hoffnung auf bessere Zeiten, denen bessere Lieder entsprechen,<br />

wird in eine unbest<strong>im</strong>mte Zukunft verlegt:<br />

"Lauscht man einst wieder hohen, großen Dingen,<br />

Dann werden andre beßre Lieder singen!" (IX,137)<br />

Für die dritte Auflage 1862 läßt <strong>Scheffel</strong> den Kater Hiddigeigei<br />

über die "sonderbar verkehrte Welt" (IX,16$) reflektieren.<br />

Dichter und Werk treten noch weiter auseinander, wenn das l y r i ­<br />

sche<br />

Ich sich in die Erzählrolle des Katers zurückzieht und<br />

sich über den Erfolg seines Werkes trotz seiner angeblichen Unzeitgemäßheit<br />

wundert:<br />

"Ich vernehme - blaues Wunder -<br />

Daß man wieder ihn verlegt:" (IX,165)<br />

1862 i s t das Bewußtsein einer gefährlich veränderten Zeit "ob<br />

der Zukunft Dunkelheit" (IX,166) konkreter geworden:<br />

"Und ich spähe sehr bedenklich<br />

Nach des Winds und Wetters Saus:<br />

Zeichen, die den Sturm vermelden,<br />

Fühlt voraus mein fein Gefühl,<br />

Und der Dunstkreis war noch selten<br />

So wie heut, elektrisch schwül." (IX,165)<br />

Indem sie "Erlebnis und Erinn'rung traut erneut" (IX,168), versucht<br />

<strong>Scheffel</strong>s Dichtung <strong>im</strong> Vorwort zur vierten Auflage 1864.<br />

die Verfasserrolle wieder aufzunehmen. Doch muß das Ich die<br />

Fiktion<br />

konstruieren, als wandere es die Stätten des 7/iompe.te./i<br />

ab und könne sich das eigene Werk gleichsam durch das Erwandern<br />

nochmals aneignen. Ansehen und Ruhm Säckingens und des Helden<br />

haben sich verbreitet und verselbständigt, ja sogar materialisiert:<br />

schon sind die Hauptfiguren des Versepos "in Fresko<br />

leichtgemalt" (IX,168). Das lyrische Ich i s t zu einer Rahmenfigur<br />

abgedrängt. Erst <strong>im</strong> neuen Kaiserreich, dessen Situation<br />

das Gedicht zur 50.Auflage <strong>von</strong> 1878 vortrefflich spiegelt,


37<br />

bläst der sonst so zaghafte Trompeter wieder "kräftig" und "mit<br />

neufrischem Mut" (IX,201f). Als Figur i s t er mittlerweile nicht<br />

mehr nur gemalt, sondern entsprechend den Zeichen der Zeit "in<br />

Erz gegossen <strong>von</strong> Meisterhand" (IX,202)! Diese Materialisierung<br />

<strong>von</strong> Werk und Figuren zum Denkmal geht Hand in Hand mit einer<br />

<strong>im</strong>mer weiteren Entfremdung des Werks vom Dichter. So gesteht<br />

<strong>Scheffel</strong> in einer<br />

7/iompe.£e./i-Widmung:<br />

"Versuch 1 ich heut 1 dich zu lesen,<br />

Kaum mahnt mich ein leiser Klang,<br />

Daß ich es selbst einst gewesen,<br />

Der auf Capris Klippen dich sang." (IX,192)<br />

Im Wiederlesen des eigenen Werks versiegt sogar beinahe die<br />

Erinnerung an das eigene Dichten. Mit seinem Werk hat der<br />

Dichter kaum mehr gemeinsam als das Alter (IX,201: "wir wurden<br />

allbeid 1 Jubilare"), <strong>von</strong> ihm selbst bleibt kaum mehr als ein<br />

Gedenken schon zu Lebzeiten (IX,202: "wenn ich nicht mehr hienieden<br />

bin").<br />

Es versteht sich, daß eine so definierte Dichtung keinesfalls<br />

Literatur <strong>im</strong> Sinne rational überprüfbarer Regelhaftigkeit sein<br />

kann und w i l l . Schon der Kater Hiddigeigei des 7/iompete/i hatte<br />

das Dichten ironisch kommentiert: "Laß die Studien,/ Was i s t<br />

a l l antiker Plunder" (1,4.). Daß <strong>Scheffel</strong> aus seiner Figur<br />

spricht, zeigt ein Brief an den Vater, in dem sich <strong>Scheffel</strong><br />

über sein schriftstellerisches Vorgehen äußert:<br />

"Ich habe mich bis jetzt auf raeinen Instinct, oder bon sens,<br />

mehr verlassen als auf Regeln der Welt, und habe mich weniger<br />

getäuscht als viele, die sicherer zu rechnen glaubten."<br />

(22)<br />

Die Bevorzugung des unkontrollierbaren Instinkts statt erlernbarer<br />

Kunst- und Handwerksregeln i s t typisch für <strong>Scheffel</strong>s gesamte<br />

Produktion. Im Briefwechsel mit Paul Heyse sieht <strong>Scheffel</strong><br />

sogar in der Wissenschaft den "Tod aller<br />

2 3<br />

schöpferischen Pro-<br />

duktion" . Dieser vorläufige Gegensatz läßt sich in einen Kontrast<br />

zwischen naturhaftem und gelehrtem Dichten ausweiten. Die<br />

Inspiration versteht <strong>Scheffel</strong> als eine intuitive Erfahrung:<br />

"Ich w i l l mich hier mehr <strong>von</strong> der Natur inspirieren lassen und<br />

bitte deshalb noch nicht um die Bücherkiste", schreibt <strong>Scheffel</strong><br />

24<br />

am 11. J u l i 1859 an seine Mutter . Dieses "noch nicht" macht<br />

aber auch deutlich, daß <strong>Scheffel</strong> durch die Inspiration allein


38<br />

nichts zustande bringt. Immer wieder muß er, trotz oder gerade<br />

wegen der proklamierten Verachtung der Wissenschaft, auf "die<br />

Bücherkiste" zurückgreifen.<br />

Eine der Möglichkeiten, die eigene poetische Inspiration zu<br />

unterstützen, i s t in der Tat der Rückgriff auf poetisch erhobene<br />

Vorbilder. Deshalb sind bei <strong>Scheffel</strong> die Versuche zahllos, die<br />

eigene dichterische Produktion derjenigen großer Dichter parallel<br />

zu setzen oder sich in ihnen zu spiegeln. Im &kke.ha/id i s t dies<br />

Vergil, dessen Ae.ne.1* vom Erzähler, aber auch <strong>von</strong> den Figuren<br />

als Folie der eigentlichen Erzählhandlung betrachtet wird. Zugleich<br />

i s t die Aura des römischen Klassikers das Poetische<br />

schlechthin: "Mit dem Namen Virgilius war auch der Begriff des<br />

Zauberhaften verbunden" (V,65). Als Ekkehard schon anerkannter<br />

Lehrer der Dichtungen Vergils isL, erkennt er erst dessen<br />

Nützlichkeit und Anwendbarkeit für die Alltagspraxis: "wie<br />

mühsam wäre es, eine Sprache zu erlernen, wenn sie uns nur <strong>im</strong><br />

Wörterbuch überliefert wäre" (V,101). Der poetische Text l e i t e t<br />

hier seine Legit<strong>im</strong>ation aus seiner sprachdidaktischen Verwendbarkeit<br />

ab. Ein "fein ersonnener Plan und Inhalt, und die Form<br />

klingt l i e b l i c h drein wie Saitenspiel" (V,101) - auf diese einfache<br />

Formel bringt Ekkehard die Vorzüge der klassisch-antiken<br />

Dichtung. Das Versüßen der Welt i s t das Hauptziel dieser Poesie<br />

und gibt ihr <strong>von</strong> da her ihre Berechtigung. Die Herzogin Hadwig<br />

hingegen setzt Dichtung und Traum gleich: "Dichtung i s t so v i e l<br />

wie Traum" (V,104). Ekkehard, das wird aus seiner Antwort ersichtlich,<br />

trennt zwischen echtem und dichterischem Traum: "so<br />

ihr mich wieder fraget, w i l l ich einen Traum erzählen, auch wenn<br />

ich ihn nicht geträumt habe" (V,104). Dieses Mißverständnis<br />

zwischen beiden, das aus der Vergillektüre resultiert, legt<br />

schon den Ke<strong>im</strong> für den späteren Liebeskonflikt. Erst als die<br />

gemeinsamen Vergillesungen bei Äneas und Dido angelangt sind,<br />

kann die Herzogin wie Ekkehard einen direkten Bezug zur eigenen<br />

Gegenwart herstellen: "Glaubt' ich doch schier ein Abbild<br />

eigener Herrschaftsführung zu hören" (V,106). Diese Bedeutungshaftigkeit<br />

Vergils für den Handlungsverlauf steigert sich noch,<br />

wenn Praxedis den Vergil als "ein zuverlässiger Orakel der<br />

Zukunft als unser Blei/gießen7" bezeichnet (V,150) oder aber<br />

Vergils Kampfbeschreibungen mit dem Gew<strong>im</strong>mel auf dem Burghof<br />

verglichen und auf ihre Wirklichkeitsnähe hin überprüft werden.


39<br />

Das Interesse der Herzogin für Vergil existiert allerdings nur<br />

so lange, als ihr die Parallelen zwischen ihrer Wirklichkeit<br />

und der Dichtung angenehm sind:<br />

"Sie warf sich in ihrem Lehnstuhl zurück und schaute zur<br />

Decke empor. Sie fand keine Beziehungen mehr zwischen sich<br />

und der Frauengestalt des Dichters." (VI,311)<br />

Die erste Aufforderung, selbst zu dichten, richtet die Herzogin<br />

an Ekkehard unter dem Vorzeichen Vergils. Ekkehards poetische<br />

Konkurrenz zu Vergil i s t zunächst nur "das Echo eines Meisters<br />

wie V i r g i l i u s " (VI,314), bevor er zu einer eigenständigen Poesie<br />

vorstößt. Für die Herzogin - und für die Struktur des Romans -<br />

hat jedoch Vergil bald seinen Dienst getan. "Sie g r i f f den Virgilius<br />

und warf ihn f e i e r l i c h unter den Tisch als Zeichen, daß<br />

eine neue Ära beginne" (VI,31$) .<br />

Mit der Erinnerung an Konrad, den Dichter der alten germanischen<br />

Heldensagen, hat Ekkehard wieder ein neues literarisches<br />

Vorbild gefunden, das sich charakteristisch vom antiken Klassiker<br />

unterscheidet und sinnfällig die neue Stufe des Dichters<br />

Ekkehard verdeutlicht. Gleich daneben erscheint der Schmähschriftenschreiber<br />

Gunzo, ein parodistisches Beispiel für den<br />

Schriftstellerberuf. In hochtrabendem Ton spricht Gunzo <strong>von</strong> der<br />

"inneren Haushaltung eines Gedichts" und "der Würde der Dichtkunst"<br />

(VI,26$), ohne beidem in seinen eigenen Werken gerecht<br />

zu werden. Seine ironische Zeichnung gibt Ekkehard die positive<br />

2 6<br />

Legit<strong>im</strong>ation als Dichter<br />

Für die Sängerrollen <strong>Scheffel</strong>s sind andere Dichtergestalten, in<br />

denen sich das eigene Dichter-Ich spiegeln kann, adäquater. Die<br />

Lieder der Tn.au Avant Lüne geben schon <strong>im</strong> Titel den Bezug zum<br />

Minnesang vor. Im ' S t i l ' des Mittelalters werden Textvorlagen<br />

f r e i nachgedichtet und bekannten Minnesängern in den Mund gelegt;<br />

Fußnoten stellen den Bezug zum Original her, wobei sie<br />

in ihrem Verweis auf die Quellen auch die weite Entfernung <strong>von</strong><br />

Neudichtung und Vorbild aufdecken. <strong>Scheffel</strong>s pathetische Tatgebärde<br />

schafft sich in Wolfram <strong>von</strong> Eschenbach eine Bezugsfigur,<br />

in der <strong>Dichterberuf</strong> und weltliches<br />

Rittertum zusammenfallen<br />

sollen:<br />

"Doch be<strong>im</strong> Schrei aus rauher Kehle<br />

Und <strong>im</strong> tobendsten Gewühl<br />

Rauscht es oft <strong>im</strong> Grund der Seele


40<br />

Wie ein fernes Saitenspiel,<br />

Wiegt, dem Speerkrach kaum entritten,<br />

Mich in Träume, weich und traut,<br />

Und je wilder ich gestritten,<br />

Desto milder tönt der Laut.<br />

Viel zu eng deucht mir die Weite,<br />

Viel zu schmal die Breite dann,<br />

Fremd Gebild i s t mein Geleite,<br />

Fremder Zauber starrt mich an.<br />

Nach dem Urborn alles Schönen,<br />

Nach der Dichtung heil'gem Gral<br />

Zielt mein abenteuernd Sehnen,<br />

Und ich selbst bin Parzival." (111,21)<br />

"Je wilder" "desto milder" lösen sich Kriegsspiel und poetische<br />

"Träume" als Lebensformen ab. Das ursprünglich nur durch die<br />

r i t t e r l i c h e Tat erreichbare Ziel <strong>im</strong> Pa/iz Iva £, der Gral, i s t<br />

seiner gehe<strong>im</strong>nisvollen Sphäre enthoben. Er i s t jetzt durch die<br />

Dichtung als deren eigentliches Ziel erreichbar und bereitet<br />

in plumper Eindeutigkeit den Schluß vor, in dem Lyrikerrolle,<br />

Dichtergestalt und Werkvorgabe in eins fallen. In diesem Sinne<br />

s t e l l t das Gedicht "Dem Landgrafen Hermann den Parzival überreichend"<br />

(111,24-27) den Pa/iz Iva ^-Erzähler als völlig identisch<br />

mit Wolfram vor. Damit aber erscheint auch die Übertragung des<br />

Parzivalstoffes zur Einkleidung in ein neues deutsches "Klanggewand"<br />

(111,25) geworden, der Dichtungsprozeß wird dann endl<br />

i c h selbst zum Gegenstand des Dichtens. Schließlich läßt<br />

<strong>Scheffel</strong> seinen Wolfram <strong>von</strong> Eschenbach be<strong>im</strong> Dichten auf und ab<br />

schreiten wie seinen 7/iompe.te./i-Di cht er (111,26 und 1,5). Fast<br />

<strong>im</strong> gleichen Atemzug verläßt dann das lyrische Ich die Wolfram-<br />

Figur und schlüpft <strong>im</strong> "Rügelied"<br />

(111,107-109) in die Gestalt<br />

Heinrichs <strong>von</strong> Ofterdingen. Mit ihm verbindet sich <strong>Scheffel</strong><br />

plötzlich gegen Wolfram <strong>von</strong> Eschenbach und dessen Dichtungsprinzipien<br />

als einem "übereifrigen Nachahmer französischer Art<br />

und Dichtung" (111,107)! Das lyrische Ich <strong>Scheffel</strong>s hat dabei<br />

bruchlos seine vorherige Sängerrolle abgestreift, weil Heinrichs<br />

Wanderschaftsvokabular und seine Verstummensneigung dem<br />

Dichter des 19. Jahrhunderts biographisch näher liegen. Diese<br />

größere biographische Nähe auch als nationalpoetisches Identifikationsangebot<br />

- "Deutsche Mär"(III,109) - wird jetzt gegen<br />

den Gralsstoff ausgespielt.


41<br />

2. Strukturen poetischer Illusion<br />

Untersucht man <strong>Scheffel</strong>s Texte hinsichtlich des Ursprungs solcher<br />

Poesievorstellungen, so stößt man auf den merkwürdigen Befund,<br />

daß für <strong>Scheffel</strong> die Intention seiner Dichtung, ihr Ausgangspunkt<br />

<strong>im</strong> Dichter und ihr Endpunkt <strong>im</strong> Leser zusammenfallen.<br />

Die Begriffe Herz, Seele, Gemüt und Phantasie umschreiben diese<br />

Aura allgemeiner, als poetisch ausgegebener Vorstellungen. Obwohl<br />

diese Begriffe eine zentrale Kategorie für <strong>Scheffel</strong>s Dichtungsverständnis<br />

darstellen, bleiben sie gänzlich unreflektiert,<br />

können beliebige Konnotationen einnehmen und in völlig identi-<br />

27<br />

schem, aber auch in widersprüchlichem Sinn gebraucht werden<br />

Als poetische Kategorie handelt es sich l e t z t l i c h um eine ausfluchtartige<br />

Begrifflichkeit, die dem Dichter als letzter Grund<br />

<strong>im</strong>mer.verfügbar i s t und auf die er jederzeit zurückgreifen kann.<br />

Diese Auffassung kann etwa darin gipfeln, daß Kunst und ihre<br />

Entstehung 'organisch' miteinander verbunden sind: "die ganze<br />

28<br />

Kunst<br />

wurzelt ja <strong>im</strong> Gemüte"<br />

Im &kke.ha/id beschreibt der Begriff des Herzens einen der durchgängigsten<br />

Strukturzüge des Romans. Von den drei Freunden des<br />

Vorworts, die auf historische Uberreste stoßen, i s t weder der<br />

Archäologe noch der Historiker in der Lage, Zusammenhänge aufzudecken.<br />

Erst der dritte, ein Künstler, "erschaut" den inneren<br />

Zusammenhang als Bild: "da stand das Ganze klar vor seiner<br />

Seele" (V,6). Im Sinne dieser Überlegenheit <strong>von</strong> Gemütswerten<br />

gegenüber nur rationalen Fähigkeiten beurteilt auch der Erzähler<br />

den Charakter der Herzogin: "bei scharfem Geist ein rauhes<br />

Herz <strong>im</strong> Busen" (V,1$). Ist so die Heldin schon negativ besetzt,<br />

so g i l t das genaue Gegenteil für die männliche Heldenfigur. Auf<br />

Ekkehards Herz wirken Religion (V,84) und große Landschaft (V,85:<br />

"große Landschaft wirkt jederzeit ernst <strong>im</strong> Gemüt"), seine Verhaftung<br />

schlägt sich in seinem Herzen nieder. Zwar "wogt und<br />

brandet es noch lange stärker als sonst" (VI,349), aber "Ekkehards<br />

Herz war noch nicht gebrochen. Dafür war es zu jung" (VI,<br />

349). Der "Sturm in seinem Herzen" (VI,364) wird zum Signal<br />

weitreichender innerer Veränderungen. Die innere Wandlung kann<br />

dabei reale Aktionen vollgültig ersetzen:


42<br />

"Melancholisch Gemüt zehrt lang an erlittener Beschädigung<br />

und vergißt in seinem Brüten, daß tadelhafte Tat nur durch<br />

nachfolgende bessere <strong>im</strong> Gemüt/!/ der Menschen verwischt<br />

wird." (VI,365)<br />

Vor seiner Dichterwerdung muß Ekkehard schließlich selbst erkennen,<br />

wie wichtig die Instanz des Herzens für ihn i s t : "N<strong>im</strong>m<br />

du mich auf, r i e f er, mein Herz w i l l Ruhe!" (VI,366). Solches<br />

"lindes Gefühl <strong>von</strong> Ruhe" geht mit "aufsprossender Gesundheit"<br />

Hand in Hand (VI,368); beides i s t das Ergebnis <strong>von</strong> Ekkehards<br />

grundsätzlicher Isolierung: "der Mensch muß <strong>von</strong> Stein werden<br />

wie der Säntis und kühlenden Eispanzer ums Herz legen" (VI,368).<br />

Erst hier, in der Einnerung an seinen Freund Konrad und dessen<br />

Dichtertum erkennt Ekkehard, daß er "das Herz am rechten Fleck<br />

hat" (VI,371). Auch Konrad spielt, wenn er <strong>Scheffel</strong> einen Stoff<br />

zum Dichten anbietet, auf diese Instanz an: "Für dich wüßt' ich<br />

auch einen Sang, der i s t einfach und nicht allzuherb und paßt<br />

zu deinem Gemüt" (VI,371). Dieser Vorschlag bleibt wie "ein<br />

triebkräftig Samenkorn" "in des Menschen Herz", bis er bei<br />

Ekkehard aufgeht und zu eigener Dichtung werden kann: "laß<br />

stürzen, Herz, sprach er, was nicht mehr stehen mag, und bau<br />

dir eine neue Welt" (VI,372). In einsamer Natur kann das Herz<br />

29<br />

des Dichters schließlich produktiv werden , um als Dichtung<br />

hervorzuquellen. "Das Herz schwellt" (VI,383), meint auch das<br />

Naturkind Benedicta, und der Erzähler weiß zu berichten, daß<br />

"das Herz erfüllt i s t <strong>von</strong> Sang und Klang" (VI,384). In einer<br />

Art Rückkoppelungsprozeß wirkt das auf diese Weise Produzierte<br />

sogar auf die Natur in Form einer Bärin zurück: "Das labte der<br />

Verlassenen Gemüt" (VI,385). Und schließlich bedauert der Erzähler,<br />

daß es kein rührendes Ende geben werde; ein gebrochenes<br />

Herz Ekkehards wäre ein akzeptabler Erzählschluß gewesen (VI,<br />

418).<br />

Weitläufig wäre die Funktion der Herzmetaphorik für die Lyrik<br />

<strong>Scheffel</strong>s zu belegen, in der echte Kunst einfach dadurch definiert<br />

wird, daß sie aus dem Herzen kommt und zu Herzen geht.<br />

Mit dieser Auffassung steht <strong>Scheffel</strong> nichts weniger als a l l e i n in<br />

seiner Zeit. Sent<strong>im</strong>entalisierende Vertrautheit mit romantischen<br />

Leerformeln, biedermeierliche Innigkeit und die Abwehr tendenziell-politischer<br />

wie abstrakt-philosophischer Dichtungsformen<br />

stehen <strong>im</strong> Hintergrund, wenn poetische 'Natürlichkeit'


43<br />

gefordert wird . Als individual-poetisehe Aussage hingegen i s t<br />

das spezifisch Scheffeische zu interpretieren, einen Gegensatz<br />

<strong>von</strong> "Instinct" und abwertend gesehenen "Regeln der Welt" zu<br />

s t i l i s i e r e n . Es i s t deshalb kein funktionsloses Verweilen,<br />

wenn sich <strong>Scheffel</strong> in seiner kulturhistorischen Studie Au* dam<br />

H.auan*£aine.n S chioa/izioa £d scheinbar ungebührlich lange bei den<br />

altmodischen Kachelöfen der Bauern aufhält. Der Grund dafür<br />

wird sofort klar:<br />

"Dieser Ofen hat eine kulturgeschichtliche Bedeutung. Die<br />

Ofenbank heißt nicht umsonst die Hun*t oder Chau*cht; auf<br />

ihr liegt der Wäldler der edeln und freien Kunst des Nichtstuns<br />

und Schnapstrinkens ob, auf ihr brütet er seine feinsten<br />

Pfiffe und Schliche aus, auf ihr träumt er seine<br />

schönsten Träume. Mag der Elfe in s t i l l e r Mondnacht auf<br />

schwankem Blatt des Farnkrauts sich schaukeln oder aus dem<br />

Kelch der Glockenblume den Tautropfen schlürfen, mag der<br />

Romantiker in der Waldeinsamkeit seinen Waldhornklängen<br />

lauschen: das alles i s t kein Standpunkt gegenüber der Hauensteiner<br />

Kun*t.<br />

Adolf Stahr in seinen Pariser Briefen behauptet zwar: da/i<br />

0{.an i*t Pno*a und nun dan Kamin i*t Poa*ie; - aber ein<br />

Winteraufenthalt zu Herrischried <strong>im</strong> Wald würde ihn v i e l l e i c h t<br />

belehren, daß noch mancherlei irdische Dinge seinen Kategorien<br />

nicht vollkommen adäquat sind, daß unter andern auch<br />

hier in behaglicher Ofenwärme reale Poesie sprießt." (VII,159)<br />

Das ausführliche Zitat i s t auch deshalb gerechtfertigt, weil<br />

sich hinter dem unverbindlich humoristischen Plauderton des<br />

Feuilletonisten Zusammenhänge <strong>von</strong> Poesie, Saufen und Sent<strong>im</strong>entalität<br />

verbergen, auf die noch einzugehen i s t .<br />

Der Ort, an dem sich das poetische Erleben des Dichters am geeignetsten<br />

abspielen kann, i s t f r e i l i c h die Natur. Insofern i s t<br />

die "ganz einzige Art des Naturerlebens", die man an <strong>Scheffel</strong><br />

32<br />

aufgewiesen hat , die notwendige Ergänzung der poetischen Begabung:<br />

"Der Poet gehört in den rauschenden Wald, an fließendes<br />

Wasser, auf sturmumblasenes Hochgebirg f..,J in der Stadt<br />

i s t er <strong>im</strong>mer, wie eine Forelle <strong>im</strong> Gartenteich." (33)<br />

Ist die Natur in ihrer Ausformung als schöne Landschaft die<br />

Voraussetzung für jedes Dichten überhaupt, so i s t sie für den<br />

älteren und nur noch selten dichtenden <strong>Scheffel</strong> zugleich der<br />

einzige verbliebene Gegenstand für ein Gedicht. Im Gedicht<br />

"Der Hegau-Sänger" <strong>von</strong> 1882 (lX,231f) s t e l l t das Gedicht selbst<br />

eine<br />

Poetik des Landschaftsdichters dar. Der Sänger, der in


u<br />

der Verherrlichung seiner He<strong>im</strong>at den Einfluß belegt, den diese<br />

auf sein Dichten genommen hat, zieht als Wander-Sänger durch<br />

die Natur. Seine Dichtung i s t inhaltlich unwichtig geworden, abgesehen<br />

vom Inventar seiner Wanderschaft (Zitter, grünes Band,<br />

Bart mit Eis) und den durchstreiften Gegenden (Dom, Schlucht,<br />

Schwarzwaldhang usw.). Der altgewordene Sänger, und das i s t der<br />

direkte biographische Bezug auf <strong>Scheffel</strong>, gibt in den beiden<br />

Schlußstrophen preis, was er bisher verhe<strong>im</strong>lichen konnte. Der<br />

"Schritt" des Wanderers ist es, der noch "frank und leicht"<br />

geht; das Singen wie "Lerchenschlag" hingegen schützt der<br />

Sänger nur vor (IX,232). Jetzt kann ihn nicht einmal mehr die<br />

Natur neu inspirieren: den beiden letzten Strophen bleibt nur<br />

noch, die beiden ersten wörtlich zu wiederholen!<br />

Hat für den älteren <strong>Scheffel</strong> die Natur also eher den Charakter<br />

einer Rückzugs- und Heilwertfunktion, für den jungen Dichter<br />

i s t die Natur wegen ihrer inspirativen Kraft <strong>im</strong>mer Gegenstand<br />

halbreligiöser Verehrung. Hinter dem pantheistischen Vokabular,<br />

mit dem die Natur angesprochen wird, sch<strong>im</strong>mert durch, daß die<br />

Natur dem Dichter ein Ort der Abwesenheit <strong>von</strong> gesellschaftlichen<br />

Zwängen i s t :<br />

"Den deutschen Grundrechten gemäß, welche die Kirche f r e i ­<br />

gegeben haben, habe ich mir meine eigene Kirche gebaut und<br />

meinen eigenen Kultus gestiftet, und der haust nicht innerhalb<br />

U geweihter Wände a l l e i n , sondern weiter. Aus allem<br />

Menschengew<strong>im</strong>mel und törichtem Treiben gehe ich, wenn mir's<br />

zu bunt wird, hinaus in den Tannenwald oder steig auf Bergeshöhen<br />

und hör dem Moos zu, wie es wächst, und der Lerche,<br />

wie sie in blaue Luft schmetternd steigt, und wer die Augen<br />

am rechten Fleck hat, der sieht in der Natur, in dem Qe.i*t<br />

in meinem Ande/itAe.in gar manches, wo<strong>von</strong> nichts in den Kompendien<br />

der Theologen steht, und es kommt wieder Harmonie<br />

und ein Hauch des Absoluten ins zerrissene Herz." (34)<br />

Mit dem zunehmenden Ruhm <strong>Scheffel</strong>s und seiner Werke wird auch<br />

die <strong>von</strong> ihm verherrlichte Landschaft bekannt und damit für den<br />

Fremdenverkehr unteressant. <strong>Scheffel</strong> wird zum Dichter, der die<br />

3 5<br />

Landschaft "verklärte und beseelte" . Auch so i s t das Urteil<br />

Hofmannsthals zu verstehen, die Schönheit des £kke.ka/id lebe aus<br />

einer Spannung zwischen den Gestalten, die "zugleich in eine<br />

ferne deutsche Vergangenheit und in eine völlig gegenwärtige<br />

deutsche Landschaft" gestellt sind .<br />

Welche Kräfte in dieser Naturideologie stecken, zeigt das Ge-


45<br />

dicht "Die He<strong>im</strong>kehr" aus der T/iau Auentiu/ie (HI,40f). Im<br />

Munde eines he<strong>im</strong>kehrenden Kreuzfahrers kommen dessen Erfahrungen<br />

in orientalischen Landschaften schlecht weg. Der "Wüstensand"<br />

wird dem "He<strong>im</strong>atwald" (111,40) gegenübergestellt. Die Gefahr<br />

einer nationalchauvinistischen Aufladung der Begriffe, die man<br />

erwartet, kommt jedoch gar nicht auf gegen die heilende Kraft<br />

des<br />

Waldes und der beschworenen Gesundheitsideologie:<br />

"Denn das i s t deutschen Waldes Kraft,<br />

Daß er kein Siechtum leidet<br />

Und alles, was gebrestenhaft,<br />

Aus Leib und Seele schneidet." (111,40)<br />

Dichtung, und auch das erläutert das Lied des Kreuzfahrers,<br />

kommt aus dieser Naturerfahrung und verachtet jede andere<br />

Inspiration:<br />

"Daß ich wieder singen und jauchzen kann,<br />

Daß alle Lieder geraten,<br />

Verdank' ich nur dem Streifen <strong>im</strong> Tann,<br />

Den s t i l l e n Hochwaldpfaden:<br />

Aus schwarzem Buch erlernst du's nicht,<br />

Auch nicht mit Kopfzerdrehen:<br />

0 Tannengrün, o Sonnenlicht,<br />

0 freie Luft der Höhen!" (111,41)<br />

Der deutsche Wald Eichendorffs, der hier anzitiert i s t , erhält<br />

einen sehr konkreten Nützlichkeitsaspekt für den Dichter, der<br />

allein danach fragt, was das Walderlebnis ihm einbringt. Als<br />

akzeptierter romantischer Selbstwert braucht diese Natur in<br />

ihrer Funktion nicht weiter begründet zu werden. Aus einem<br />

solchen Walderlebnis des Dichters entsteht ein "Jagdlied" wie<br />

<strong>von</strong> selbst (111,41).<br />

<strong>Scheffel</strong>s Dichtungen, so entdeckten schon seine ersten Rezensenten,<br />

zeichnen weder eine allzu komplizierte Verflechtung<br />

noch ein sehr verschlungener Aufbau aus. Schon Karl Gutzkow<br />

bezeichnet den 7 /iompete/i als ein Werk, dem "man eine allzu<br />

37<br />

große Verwickelung nicht wird vorwerfen können" . Allerdings<br />

g i l t es für den heutigen Betrachter zu bedenken, daß Begriffe<br />

wie Komposition, Struktur oder Integration <strong>von</strong> Erzählerreflexion<br />

und Handlungsführung an den Vorstellungen des poetischen Reao<br />

o<br />

lismus gewonnen wurden und deshalb für vorrealistische Literaturepochen<br />

nur schwer greifen. Dem Makel der Strukturschwäche<br />

gewinnt deshalb der Rezensent des cZkke.ha.sid ohne Ironie posi-


46<br />

tive<br />

Seiten ab:<br />

"Was aber der Ekkehard am wenigsten i s t , - er i s t nicht ein<br />

Roman in der gewöhnlichen Bedeutung des Wortes. Die Handlung,<br />

die das Ganze umspannt, i s t nicht kräftig genug, die<br />

Uberfülle der Einzelbilder zusammen zu halten; sie t r i t t<br />

nicht so mächtig heraus, daß alles Andere sich ihr <strong>von</strong> selbst<br />

einordnet." (39)<br />

<strong>Scheffel</strong> hat solche Kritik teilweise schon vorweggenommen, etwa<br />

in seiner Apologie <strong>im</strong> Inompeten (1,6) oder er hat darauf reagiert<br />

wie in der neuen Einleitung zur zweiten Auflage seines<br />

Versepos:<br />

"Sollt' ich dir wohl ein neu Gewand bereiten,<br />

In fein're Fäden ziehn dein Versgespinst<br />

Und kunstgerecht hier kürzen, dort erweitern;<br />

Ich weiß es wohl, du bist nicht zart geraten,<br />

Und dein Trochäenbau steht oftmals schief," (IX,136)<br />

So wie die handwerklich strenge Einhaltung der Versregeln dem<br />

Natürlichkeitspostulat des ungeschliffnen Bergsohns (1,6)<br />

nicht entspräche, so widerlegte eine verschlungene Kompqsition<br />

auch das Naivitätsideal der Versidylle.<br />

Die Strukturschwäche<br />

des Lkkekand verteidigt <strong>Scheffel</strong> mit anderen Argumenten in<br />

einem Brief, in dem er sich schon <strong>im</strong> voraus gegen zu erwartenden<br />

Kritik absichert:<br />

"Ich habe das Ganze etwas hastig gearbeitet und mich <strong>von</strong> den<br />

Wogen des historischen Materials oft scheinbar zwecklos<br />

hin- und herschaufeln lassen, anstatt ihnen mit starker Hand<br />

ihren gemessenen Lauf anzuweisen; dadurch sind die Exkurse<br />

und Episoden mitunter außer Verhältnis gewachsen und haben<br />

sozusagen den Grundgedanken und die Hauptsituationen verdeckt<br />

und mit Schutt überführt.<br />

Denn zu dem Hauptproblem, ioie und unten weichen Venkä£tnitten<br />

kommt <strong>im</strong> X. J-aknkundent Einen dazu, ein epi/>cken Dickten zu<br />

wenden, steht manches Andere allerdings nur <strong>im</strong> Verhältnis<br />

eines äußeren Zusammenhanges." (40)<br />

Gustav Freytag sprach verständnisvoll <strong>von</strong> "freier Composition",<br />

bei der "das Stoffliche u. Episodische vorzugsweise reizt" .<br />

Demgegenüber hat die moderne Kritik Schwierigkeiten mit der<br />

/ 2<br />

Beurteilung und Erklärung dieser Episodenstruktur erkennen<br />

lassen. Man sah nicht nur "die Haupthandlung erdrückt", sondern<br />

wollte <strong>Scheffel</strong> das "Hauptproblem", die Dichterwerdung Ekke-<br />

43<br />

hards, nicht glauben . Im Zusammenhang mit dem Epigonenproblem<br />

versuchte man diesem eigentümlichen Phänomen gerecht zu werden,


47<br />

wiesen oder die "Unterordnung <strong>von</strong> Hauptsachen unter Nebensachen"<br />

als epigonalen Grundzug herausgearbeitet hat^. Erst in jüngster<br />

Zeit hat man die Funktion der Anekdote <strong>im</strong> historischen Roman<br />

nach dem Muster Walter Scotts vorgebildet gesehen^. Damit werde<br />

für <strong>Scheffel</strong> "das Anekdotische als mögliches Material für<br />

eine Theorie der menschlichen Seele als es selbst interessant"^<br />

Auch in den späten Romanen Ludwig Tiecks oder in der lockeren<br />

Episodenstruktur <strong>von</strong> Goethes Uande./ijak/ian sind ja Kompositionsformen<br />

vorgegeben, die eher als Vorbilder heranzuziehen wären<br />

als die Normen realistischer Erzählkunst.<br />

Gattungszwänge <strong>im</strong> Stofflichen und Episodischen des Materials<br />

gesteht <strong>Scheffel</strong> ja selbst ein. Er w i l l sie jedoch nicht entschuldigen,<br />

sondern als notwendig für die "geistige Entwick-<br />

/ 7<br />

lung" seines Helden rechtfertigen:<br />

"Die guten wie die schl<strong>im</strong>men Seiten des Buches liegen also<br />

<strong>im</strong> culturgeschichtlichen Material; das Skelett i s t schwach<br />

<strong>im</strong> Verhältnis zur Corpulenz, die sich darum gefügt hat."(48)<br />

Eine Strukturbeschreibung des Ckkaka/id, wie sie mehrfach und<br />

/ o<br />

wenig befriedigend versucht worden i s t , kann sich also nicht<br />

mit dem Herausarbeiten <strong>von</strong> Höhe- und Wendepunkten begnügen. Zu<br />

folgen wäre vielmehr <strong>Scheffel</strong>s absichtlich bedeutungsvoller<br />

Erzählweise, bei der Parabeln, auf sich selbst verweisende Episoden,<br />

Gleichnisse, Erzählerkommentare und -Weisheiten eingebaut<br />

werden, um Allgemeineres zu 'symbolisieren'.Wenn sich z. B.<br />

schon <strong>im</strong> ersten Kapitel die Herzogin Hadwig und die Griechin<br />

Praxedis gegenüber stehen, dann verfolgt die Beschreibung ihres<br />

Aussehens das Ziel,ihre späteren Aussagen schon jetzt zu bewerten.<br />

Hadwigs körperliche Fehler (V,15: stumpfe Nase, aufgeworfener<br />

Mund, Fehlen eines Grübchens) korrespondieren mit<br />

ihrem Wesen, wie der Erzähler ausdrücklich bemerkt: "Und wessen<br />

Antlitz so beschaffen, der trägt bei scharfem Geist ein rauhes<br />

Herz <strong>im</strong> Busen, und sein Wesen neigt zur Strenge" (V,1$). Praxedis'<br />

fehlerloses Äußeres i s t ein Signal für ihr fehlerfreies<br />

Verhalten <strong>im</strong> weiteren Verlauf des Romans, für das es außer<br />

diesem Merkmal keines weiteren Kommentars bedarf: "sie war<br />

schön" (V,17). Andere Figurenkonstellationen sind bis ins<br />

Sprachliche hinein parallel geführt, etwa wenn Hadumoth ebenso<br />

b i t t e r l i c h weint wie die Herzogin (V,107 und VI,428).


48<br />

Eine Grundstruktur des Scheffeischen Werks kann am Lkkeka/id<br />

exemplarisch heraugearbeitet werden, obwohl sie sich als ein<br />

durchgängiges Moment durch alle Dichtungen <strong>Scheffel</strong>s hindurchzieht.<br />

Es handelt sich dabei um eine p r i n z i p i e l l erfahrene<br />

Polarität <strong>von</strong> oben und unten, <strong>von</strong> Höhe und Tiefe, an deren Extremen<br />

<strong>Scheffel</strong> sein poetisches Weltbild aufhängt. Schon <strong>im</strong><br />

7/iom/?e.£e./i unterscheidet sich der Dichter wie der dichtende Kater<br />

<strong>von</strong> den übrigen schon rein äußerlich dadurch, daß beide<br />

auf den Dächern auf und ab gehen (1,3). Die Höhe als Aufenthaltsort<br />

des Dichters setzt sich die Niederungen der Alltäglichkeit<br />

als Gegenbild. Im £kke.ha/id werden solche Gegenüberstellungen<br />

vom Erzähler als einem weltdeutenden Kommentator<br />

eingeführt (V,53• "denn nicht jedweder gedeiht in den Niederungen<br />

der Menschen") oder scheinen aus den Gleichnissen hervor,<br />

die Ekkehard erzählt:<br />

"Der Vogel heißt Caradrion; wenn seine Fittiche sich zur<br />

Erde senken, s o l l ein siecher Mann genesen; da kehret sich<br />

der Vogel zu dem Manne und tut seinen Schnabel in des Mannes<br />

Mund, n<strong>im</strong>mt des Mannes Unkraft an sich und fährt auf zur<br />

Sonne und läutert sich <strong>im</strong> ewigen Licht: da i s t der Mann gerettet."<br />

(V,54)<br />

Die Verheiratung der gefangenen Hunnen gibt dann Ekkehard Gelegenheit,<br />

über die, "die dort das Erdreich stampfen" (V,255),<br />

zu reflektieren. Denn diese sind nicht nur geographisch Bewohner<br />

der Niederungen und haben "- er deutete nach den sch<strong>im</strong>mernden<br />

Häuptern der Alpen - keine Fernsicht auf Höhen, die<br />

unser Fuß niemals betreten darf" (V,255). Denn Ekkehard und die<br />

Bewohner der Burg sind schon a l l e i n durch ihren höheren Standort<br />

privilegiert und <strong>von</strong> ihrer Umwelt abgesondert. Sie schauen<br />

"vom Gipfel des hohen Twiel", einem "Platz als wie eine Hochwacht",<br />

über Felsen " s t e i l abwärts" "ins tiefe Tal" (VI,315).<br />

Und wer sich mit dem Erzähler am "Ausspähen" freuen kann, "der<br />

mochte Umschau halten über Berg und Fläche und See und Alpengipfel,<br />

keine Schranke hemmte den Blick" (VI,315). Die metaphorische<br />

Höhe enthält <strong>im</strong> freien Blick auch ein gewisses Maß<br />

an gesellschaftlicher Freiheit.<br />

Seiost in Ekkehards Gleichnis vom Nachtfalter, seinem ersten<br />

poetischen Erzählversuch, taucht diese Dichotomie <strong>von</strong> Höhe und<br />

Tiefe<br />

<strong>im</strong>plizit auf:


49<br />

"Es war einmal ein Licht, das leuchtete hell und leuchtete<br />

<strong>von</strong> einem Berg hernieder ... Und es war einmal ein dunkler<br />

Nachtfalter, fuhr Ekkehard in gleichem Ton fort, der flog<br />

zum Berg hinauf ... Es i s t Zeit, daß wir hinaufgehen, sagte<br />

Frau Hadwig stolz." (VI,337)<br />

Bei Nacht und Nebel steigt Ekkehard anschließend auf den Hohenkrähen;<br />

<strong>von</strong> dort blickt er "in die Tiefe; es ging weit, weit<br />

hinab" (VI,339). Bei der entscheidenden Szene zwischen Ekkehard<br />

und Hadwig in der Burgkapelle schlägt der Held der Herzogin die<br />

'Überwindung' dieses Polarität vor, als könnten mit der Auflösung<br />

dieses Gegensatzes auch die Probleme zwischen beiden gelöst<br />

werden:<br />

"Droben <strong>von</strong> des Turmes Zinnen schaut sich's so weit in die<br />

Lande und so t i e f hinunter, so süß und tief und lockend,<br />

was hat die Herzogsburg uns zu halten? Keiner braucht mehr<br />

zu zählen als drei, der hinunter w i l l . " (VI,342)<br />

Nach seiner Verhaftung befindet sich Ekkehard konsequenterweise<br />

<strong>im</strong> Verlies desselben Turms, "in dessen luftigem Stockwerk sein<br />

Stübchen eingerichtet stund" (VI,345). Seine Flucht "den schiefen<br />

Berghang hinunter ins Dunkel der Nacht" (VI,353) verdeutl<br />

i c h t noch einmal die topographische Veränderung als sinnbildhaft<br />

gemeinten inneren Wandel. Noch deutlicher wird der Erzähler,<br />

wenn er den Leser zum Mitvollziehen des gleichen Mechanismus<br />

auffordert:<br />

"Jetzund, vielteurer Leser, umgürte deine Lenden, g r e i f<br />

zum Wanderstab und fahr' mit uns zu Berge. Aus den Niederungen<br />

des Bodensees zieht unsere Geschichte ins helvetische<br />

Alpenland hinüber: dort ragt der hohe Säntis vergnüglich in<br />

die H<strong>im</strong>melsbläue, . ./ und schaut lächelnd in die Tiefen,<br />

wo der Menschen Städte zu eines Ameisenhaufens Größe zusammenschrumpfen;<br />

/. . .7 und was sie/*=die Berge/ über menschliches<br />

Dichten und Treiben sich zuflüstern, klang vor tausend<br />

Jahren schon ziemlich verächtlich und hat sich seither<br />

nicht um vieles gebessert." (VI,354)<br />

Topographische Höhe und reaktionäre Geschichtsbetrachtung f a l ­<br />

len in eins. Ekkehard, Erzähler und Leser gehen nun "bergaufwärts"<br />

(VI,354) und erreichen damit eine noch höhere Stufe<br />

poetischer Einsicht. Wie der Adler, interpretiert der Leutpriester<br />

Moengal, und weist ihnen den Weg: "Sonnennähe verjüngt.<br />

Tue desgleichen. Ich weiß dir ein gut Plätzlein zum Gesunden."<br />

(VI,356). Die Herrschaftsverhältnisse und -zwänge der unteren<br />

Welt gelten hier nicht: "Des Abts Twing und Bann reicht nicht


50<br />

in unsere Höhen" (VI,362). Dafür herrscht hier eine andere<br />

Macht: "das i s t der hohe Säntis, der i s t Herr in den Bergen,<br />

vor dem schwenken wir den Hut, sonst vor niemand" (VI,362). Der<br />

Säntis aber i s t nicht nur die oberste politische Instanz, sondern<br />

auch eine moralische"^. Als Dichter dieser Höhen verachtet<br />

Ekkehard menschliche Kritik so sehr, daß er sein Werk lieber<br />

einer Bärin vorliest (VI,38$) oder nur die Berge als höchste<br />

kunstrichterliche Instanz anerkennt - aus Angst vor dem Ausgelachtwerden<br />

(VI,378) oder aus seinem Kunstprinzip heraus. In<br />

beiden Verhaltensweisen offenbart sich eine innere Höhe des<br />

Dichters, wie auch der Erzähler bestätigt; unpassende Kritik<br />

i s t mit dem topographischen Tiefland identisch:<br />

"Und wenn es zwischenein wieder vor den Augen des Geistes<br />

dunkelte und Zagheit ihn beschlich f. ..J dann wandelte er<br />

auf dem schmalen Fußsteig draußen auf und nieder und ließ<br />

den Blick auf den Riesenwänden seiner Berge haften, die<br />

gaben ihm Trost und Maß, und er gedachte: Bei allem, was<br />

ich sing' und dichte, w i l l ich mich fragen, ob's dem Säntis<br />

und Kamor drüben recht i s t . Und damit war er auf der rechten<br />

Spur; wer <strong>von</strong> der alten Mutter Natur seine Offenbarung<br />

schöpft, dessen Dichtung i s t wahr und echt, wenn auch die<br />

Leinweber und Steinklopfer und hochständigen Strohspalter<br />

in den Tiefen drunten sie zehntausendmal für Hirngespinst<br />

verschreien." (VI,382)<br />

Daß dieser Strukturzug nicht' auf den Roman beschränkt bleibt,<br />

zeigt ein Blick auf zwei Gedichte <strong>Scheffel</strong>s <strong>im</strong> Umkreis des<br />

£kke.haid. Ekkehard und Hadwig sitzen "auf dem Turme", ihr Gespräch<br />

kommt "vom Hohentwiel" herab (IX,102); die Perspektive<br />

des Betrachters i s t also die eines neutralen.Beobachters, nicht<br />

die des Dichters. Im "Abschied vom Wildkirchli" (IX,103f) i s t<br />

dieser Gegensatz <strong>von</strong> Höhe und Tiefe noch gesteigert durch die<br />

Betonung des Größenverhältnisses, das sich durch den Höhenunterschied<br />

ergibt:<br />

"Es i s t mir wenig hoch genug -<br />

Hier stand ich als ein Zwerg." (IX,103)<br />

Denn die Berge sind nicht nur hoch, sondern auch "unerschütterl<br />

i c h " und stehen "auf festem Grunde" (IX,104). "Türkenkrieg"<br />

und "Cholera" ordnen sich damit den Niederungen des verabscheuten<br />

Alltagslebens zu. Das lyrische Dichter-Ich "schleppte"<br />

sich auf die Alm hinauf, kann allerdings nicht oben bleiben,<br />

da es ja gleichzeitig die Tiefe, das Publikum, braucht. Zu


51<br />

Tal hingegen "fährt" der Dichter "jodelnd" (IX,104). Im Unterschied<br />

zur Dichterwerdung Ekkehards i s t hier die Gesundung des<br />

Bergsteigers gar nicht auf dem Umweg über das Dichten vollzogen;<br />

die Befreiung <strong>von</strong> "Sorg' und Qual" (IX,104) vollbringt einzig<br />

und a l l e i n der Höhenunterschied!<br />

Wiederum i s t dieser Befund nicht auf <strong>Scheffel</strong> zu beschränken.<br />

Im Dichtergedicht des 19. Jahrhunderts hat man einen zweischichtigen<br />

Aufbau der "Welt als ganzes" feststellen können^, die<br />

der hier aufgezeigten Dichotomie <strong>von</strong> oben und unten in etwa<br />

entspricht. Kennzeichnend für <strong>Scheffel</strong> i s t f r e i l i c h , wie durchgängig<br />

diese Struktur in sämtlichen Dichtungsgattungen aufzufinden<br />

i s t . Sogar als parodistisch gesteigerte Dichotomie <strong>von</strong><br />

Welt und Dichter wird dieser Höhenunterschied <strong>im</strong> Verhältnis<br />

des Katers Hiddigeigei zu seiner menschlichen Umwelt sichtbar.<br />

Die Türmerlied-Tradition verschmilzt dabei mit den zeittypischen<br />

Absatzbewegungen der Dichter. Speziell die Formulierung<br />

vom "Treiben der Parteien" (1,151) verrät ein bewußt parodistisches<br />

Zitieren des bekannten und umstrittenen Gedichtsverses<br />

<strong>von</strong> Freiligrath, der Dichter stehe auf einer höheren Warte als<br />

auf<br />

den Zinnen der Partei:<br />

"Von des Turmes höchster Spitze<br />

Schau' ich in die Welt hinein,<br />

Schaue auf erhabnem Sitze<br />

In das Treiben der Partein.<br />

Und die Katzenaugen sehen,<br />

Und die Katzenseele lacht,<br />

Wie das Völklein der Pygmäen<br />

Unten dumme Sachen macht.<br />

Doch was nützt's? ich kann den Haufen<br />

Nicht auf meinen Standpunkt ziehn,<br />

Und so laß ich ihn denn laufen,<br />

's i s t wahrhaft nicht schad' um ihn.<br />

Menschentun i s t ein Verkehrtes,<br />

Menschentun i s t Ach und Krach;<br />

Im Bewußtsein seines Wertes<br />

Sitzt der Kater auf dem Dach!-" (1,15*1)<br />

Herausgehoben aus dem Parteienstreit und dem sich darin verwickelnden<br />

Literaturbetrieb betrachtet der Dichter-Kater das<br />

"Menschentun". "Das Selbstbewußtsein seines Wertes" kommt dem<br />

Kater als Dichter auch hier a l l e i n durch seine Höhenlage. Das<br />

alltägliche Geschehen i s t deshalb schon ein "Verkehrtes", weil


52<br />

es aus der Höhe betrachtet wird. Freilich gleicht die Einsamkeit<br />

des Katers auf der Höhe einer Isolierung, die nicht ganz<br />

f r e i w i l l i g gewählt i s t . Seine klare Abgrenzung <strong>von</strong> den Niederungen<br />

l e i t e t der Dichter nicht zuletzt da<strong>von</strong> ab, daß ihm<br />

nichts anderes übrig bleibt.<br />

3. "Ach, ich bin ein ein Epigone": Vorbilder<br />

Die Versuchung liegt nahe, nach den bisherigen Befunden Scheff<br />

e l und seine Dichtung als epigonal zu bezeichnen und sie damit<br />

zugleich als erledigt zu betrachten. Die Begriffsgeschichte<br />

zur Epigonenfrage kann zur Klärung nur einen groben Rahmen ab-<br />

52<br />

stecken . Wie problematisch die Etikettierung <strong>Scheffel</strong>s als<br />

Epigone i s t , wird erst dann deutlich, wenn man eine solche Abstempelung<br />

an dem positiv entgegengesetzten Begriff der Originalität<br />

mißt. Bleibt es doch höchst fragwürdig, Postulate aus<br />

ganz begrenzten Epochen der Literaturgeschichte einfach zu<br />

übertragen.<br />

Schon die für das Epigonale als konstitutiv ange-<br />

5 3<br />

sehene Behauptung einer "Unbefangenheit des Epigonen" t r i f f t<br />

für <strong>Scheffel</strong> keinesfalls zu. Gerade das bewußte Erleben seines<br />

"Traurig Los der Epigonen" (1,20) spricht für ein reflektiertes<br />

und problematisch gewordenes Dichterbewußtsein. Wenn <strong>Scheffel</strong><br />

vorsätzlich und ganz gezielt eine traditionelle Dichterlaufbahn<br />

einschlägt, indem er mit Malversuchen und der obligaten Italienfahrt<br />

die Humanitätstradition aufn<strong>im</strong>mt, so spielt er zugleich<br />

mit einem Topos klassisch-romantischer Bildungsattitüde. Schon<br />

Jung-Werner <strong>im</strong> 7 /ionpe.ta./i verzweifelt an der epigonalen Konkurrenz<br />

mit Dante:<br />

"N<strong>im</strong>mer wag ich's, dir/ = Beatrice_7 zum Preise<br />

Einen neuen Sang zu singen.<br />

Ach, ich bin ein Epigone,<br />

Und vielhundert tapfre Männer<br />

Lebten schon vor Agamemnon,<br />

Und ich kenn den König Salom 1<br />

Und die schlechten deutschen Dichter." (1,4-0)<br />

Freilich enthält die Stelle neben den Spitzen gegen die zeitgenössische<br />

und erfolgreiche Literaturproduktion auch solche<br />

gegen das Publikum. Aus Angst vor der Erfolglosigkeit seines<br />

Versepos erwächst <strong>Scheffel</strong> eine Verachtung des Publikums, wie


53<br />

sie der Kater Hiddigeigei ironisch darstellt, wenn er mit dem<br />

endgültigen Verstummen seiner Dichterei droht:<br />

"Fruchtlos stets i s t die Geschichte;<br />

Mögen sehn sie, wie sie's treiben!<br />

- Hiddigeigeis Lehrgedichte<br />

Werden ungesungen bleiben." (1,157)<br />

In "späten Tagen" lebend (1,72) registriert <strong>Scheffel</strong> nicht nur<br />

sein persönliches Schicksal als epigonaler Dichter, der dem<br />

Publikum droht, weil er dem nachzueifernden Vorbild nichts anhaben<br />

kann. Epigonie wird ihm auf diese Weise eine allgemeine<br />

Zeittendenz, ein "müßig sitzen auf vererbten Truhen" (11,181),<br />

ein "Fäden zerren Eines wüstverschlungnen Knäuels" (1,20). Die<br />

Verstricktheit aller heutigen Menschen führt dazu, die eigene<br />

Nachgeborenheit<br />

anzuerkennen und das Epigonenschicksal als<br />

Grundlage eines zeitgenössischen Dichtertums zu akzeptieren. In<br />

seinem Reisebild £in Tag am Clue.lt <strong>von</strong> Vauctute (VIII, 11 8-1 50)<br />

<strong>von</strong> 1857 kann <strong>Scheffel</strong> das dichterische Vorbild Petrarca epigonal<br />

und originell rezipieren, weil er es gegen traditionelle,<br />

'epigonale' und als falsch eingestufte Petrarcabilder in Schutz<br />

n<strong>im</strong>mt. Durch das Nachreisen historischer Stätten kann der moderne<br />

Dichter, zugleich moderner Tourist, seine innere Verwandtschaft<br />

mit dem Vorbild ausleben. Daß <strong>Scheffel</strong> dabei den Wegspuren<br />

eines Vorläufers, der Reite, in die mittag ticken P/iovinzen<br />

<strong>von</strong> T/iank/ieick des Moritz August <strong>von</strong> Thümmel (1791ff) nachfolgt<br />

und sie zugleich k r i t i s i e r t , bricht den epigonalen Nachvollzug<br />

gleich doppelt. Die humoristische Beschreibung eines<br />

touristischen Ausflugs zu Petrarcas letztem Refugium i s t für<br />

<strong>Scheffel</strong> der Anlaß, verschiedene Petrarcabilder als falsch abzuwehren.<br />

Denn:<br />

"Der alte Poet i s t nicht nur geistig, sondern auch volkswirtschaftlich<br />

der Patron <strong>von</strong> Vaucluse geworden, man lebt<br />

und zehrt <strong>von</strong> seinem Andenken." (VIII,119)<br />

<strong>Scheffel</strong>s Literaturtourismus distanziert sich <strong>von</strong> seinen touristischen<br />

Vorläufern und deren Petrarcabild, das <strong>von</strong> "Touristen<br />

aus allen Weltgegenden" geschaffen worden i s t : "Uberall Petrarca,<br />

und nichts als Petrarca! Zu Vaucluse i s t kein Kraut wider<br />

ihn gewachsen" (VIII,122).<br />

<strong>Scheffel</strong>s Epigonenbewußtsein beschränkt sich also nicht auf die<br />

Einsicht in die eigene historische Verspätung, sondern denkt


54<br />

die Wirkungsgeschichte des großen Vorbilds mit. Das zeigen auch<br />

die weiteren falschen Petrarcabilder, die <strong>Scheffel</strong> dem Leser<br />

vorstellt. Es handelt sich um das Bild für die "große Menge",<br />

das Bild der "Konversationslexikonsüberlieferung" (VIII,126f).<br />

<strong>Scheffel</strong> k r i t i s i e r t es ausführlich, indem er seitenweise die<br />

einschlägigen Lexika z i t i e r t . Nach diesem "kommt wiederum ein<br />

ander Petrarcabild zum Vorschein" (VIII,128), nämlich das der<br />

<strong>von</strong> <strong>Scheffel</strong> so verachteten zünftigen Literaturwissenschaft.<br />

Auch dafür bieten Zitate aus einschlägigen Werken den Beweis,<br />

wie "die deutsche Literaturhistorie", "eine schreckliche Alte",<br />

"die seligen Dichterleichen seziert" (VIII,128). Die vierte<br />

Möglichkeit einer falschen, aber diesmal naiv-sympathischen<br />

Petrarcaverehrung i s t die der einfachen Landbewohner, die Petrarca<br />

"zum Zauberer umgewandelt" haben (VIII,133): "also<br />

wieder ein anderer Petrarca!" (VIII,134).<br />

Diese einfachen Leute erkennen in <strong>Scheffel</strong> jedoch den Auch-<br />

Dichter, den wahren Nachfolger Petrarcas: "j 'ai bien vu que<br />

vous §tes poete vous-meme" (VIII,134). Indem <strong>Scheffel</strong> dies<br />

fremdsprachlich verfremdet z i t i e r t , setzt er auch die nachfolgend<br />

geschilderte Lorbeerkrönung durch die Einhe<strong>im</strong>ischen mit<br />

bescheiden-überheblicher Ironie ins Licht: die Parallele zur<br />

Dichterkrönung Petrarcas in Rom i s t offensichtlich. Auf diese<br />

Weise begreift sich <strong>Scheffel</strong> als "einen epigonischen Mann"<br />

(VIII,121), f r e i l i c h in wahrer Legit<strong>im</strong>ation, der sich den Ort<br />

und damit auch das rechte Dichterverständnis erwandert: "so<br />

ist's auch für die Erkenntnis des Poeten unerläßlich, den Boden<br />

seiner Schöpfungen zu kennen" (VIII,123). <strong>Scheffel</strong>s Literaturaneignung<br />

als Erwanderung literarischer Stätten beschränkt sich<br />

nicht wie bei den Touristen auf das Leeren <strong>von</strong> Weinflaschen zu<br />

Ehren des Dichters; <strong>Scheffel</strong> erweist Petrarca "den schuldigen<br />

Tribut", indem er eine solche Flasche mit einem selbstverfaßten<br />

Gedicht "gleich einem jener Weihgeschenke" (VIII,122) in die<br />

Petrarcaquelle wirft! Der so auf die Ebene <strong>Scheffel</strong>s gezogene<br />

Klassiker hält nun den Vergleich mit dem Dichter <strong>Scheffel</strong> aus,<br />

wenn dieser beginnt, ein Gedicht Petrarcas "zur Kurzweil f r e i<br />

zu verdeutschen" (VIII,132). Die Anverwandlung dieses Gedichts<br />

als "Petrarcas Wanderlied" geschieht durch die Einordnung in<br />

die eigene LiteraturSituation. übrig bleibt ein Bedauern


55<br />

<strong>Scheffel</strong>s als Dichter ("unsereins"), als "eines Poetleins des<br />

neunzehnten Jahrhunderts" (VIII,134f), wenn er sich in die Zeiten<br />

Petrarcas zurückversetzt. Denn die direkte Ausmünzbarkeit<br />

<strong>von</strong> Dichtung (VIII,135: "wie wenig es sich ... rentiert") hat<br />

sich seit damals, meint <strong>Scheffel</strong>, noch verschlechtert. Damit<br />

aber sind schon alle "Merkwürdigkeiten" <strong>von</strong> Vaucluse "erschöpft"<br />

(VIII,135). Zum Schluß kann <strong>Scheffel</strong> den echten Petrarca,<br />

"den Mann selber und seine Art" (VIII,138), sprechen lassen.<br />

Die beiden mitgeteilten Textproben sind f r e i l i c h in ihrer Auswahl<br />

typischer für <strong>Scheffel</strong> als für Petrarca, wie <strong>Scheffel</strong>s<br />

Auswahlkriterium zeigt: "Und wie ein jeder sein eigen Ellenmaß<br />

für den Dichter der Vaucluse hat, so habe ich auch das meine"<br />

(VIII,137).<br />

Auf solche Weise entsteht <strong>Scheffel</strong>s dichterisches Selbstverständnis<br />

gerade <strong>im</strong> Akzeptieren der Epigonenrolle, in die er<br />

sich häuslich einrichtet. In fre<strong>im</strong>ütigem Selbstbezug hemmt das<br />

große Dichtervorbild nicht, sondern fördert die eigene Produktion,<br />

wenn <strong>Scheffel</strong> sich in ihm gleichsam vorweggenommen findet.<br />

Die "Möglichkeiten einer originalen Schöpfung"^ liegen also<br />

durchaus innerhalb der Epigonenhaltung. Die Angst, vor den<br />

großen Vorbildern nicht bestehen zu können, l e i t e t <strong>Scheffel</strong><br />

nicht aus dem Vergleich mit den Werken ab, sondern aus der Befürchtung,<br />

dem Lebenszuschnitt des klassischen Vorbilds nicht<br />

gerecht werden zu können. Das mag einer der Gründe sein, warum<br />

<strong>Scheffel</strong> <strong>im</strong>mer eine engere Bindung an den Großherzog <strong>von</strong><br />

Sachsen-We<strong>im</strong>ar-Eisenach zurückgewiesen hat: die epigonale<br />

Parallele zu Goethe war geographisch wie literaturgeschichtlich<br />

zu offenkundig. <strong>Scheffel</strong>s Mutter hatte in dieser Richtung vermutet<br />

:<br />

"Was <strong>Joseph</strong> vor We<strong>im</strong>ar so scheu macht, i s t der Gedanke an<br />

die großen Geister - Goethe, Schiller, Herder - in solche<br />

Fußstapfen treten zu sollen, erscheint seiner Bescheidenheit<br />

ein vermessenes Wagstück. Er fürchtet, ein zu schwachem<br />

Reis am alten großen Dichterbaum zu werden." (55)<br />

Die Teilhabe am Dichter, die sich auf dessen Ruhm beschränkt,<br />

bleibt nichts weiter als der Verzicht auf jede eigene Produktion.<br />

<strong>Scheffel</strong> w i l l nicht mit seinen Werken in Konkurrenz<br />

treten, sondern nur mit der Teilhabe am Dichterruhm:


56<br />

"Einen Dichterruhm wird sich heutigen Tages keiner mehr erwerben<br />

- 's i s t besser an gewissen Gräbern zu We<strong>im</strong>ar die<br />

großen Todten zu bedenken als selber noch ein Stück <strong>von</strong><br />

ihrem Heiligenschein zu beanspruchen." (56)<br />

<strong>Scheffel</strong>s Verehrung für Johann Peter Hebel als größten alemannischen<br />

Volksdichter macht einen weiteren Versuch, die eigene<br />

poetische Identität am anerkannten Dichterfuhm anderer auszurichten.<br />

Im Festgedicht zum 100. Geburtstag Hebels (1860)<br />

inszeniert <strong>Scheffel</strong> ein fiktives Gespräch <strong>von</strong> Dichter zu Dichter,<br />

das dem Zweck dient, den eigenen Auftritt als Dichter und<br />

Sänger zu legit<strong>im</strong>ieren. Indem er sich selbst und sein Werk in<br />

die ungebrochene Hebel-Nachfolge s t e l l t (IV,101: "So 'ne verfahrne<br />

Säckinger Trompeter"), sanktioniert <strong>Scheffel</strong> beides. Der<br />

<strong>im</strong>itierte, lächerlich wirkende alemannische Dialekts des<br />

<strong>Scheffel</strong>-Gedichts als Anspielung auf Hebels A te.ma.nn che Qedichte<br />

zeigt aber auch, daß diese Form der Dichtung jetzt so<br />

nicht mehr möglich i s t . <strong>Scheffel</strong> erkennt diesen Anachronismus<br />

zwar, empfindet ihn aber als ein persönliches Kunstmerkmal<br />

Hebels: "S'isch kein meh cho, der g'sunge het wie Du" (IV,107).<br />

Der neue Dichter muß darum den alten beneiden (IV,107: "0<br />

Dichtersma, wie möcht i Di drum nide!"), weil <strong>Scheffel</strong> zwar einsieht,<br />

daß die gewandelte Zeit neue Formen braucht, aber dennoch<br />

den traditionellen verhaftet bleibt. Das ironische, f i k ­<br />

tive Gespräch beider Dichter in den Wolken zwischen dem "Meister"<br />

Hebel und seinem Schüler <strong>Scheffel</strong> macht noch einmal deutlich,<br />

daß es der Nachruhm des Vorbilds i s t , auf den es ankommt. Deshalb<br />

auch führen - wie später bei <strong>Scheffel</strong> - die Figuren Hebels<br />

ein verselbständigtes, <strong>von</strong> der Dichtung abgelöstes Eigenleben<br />

<strong>im</strong><br />

Volksmund:<br />

"Im Zundelfrieder und <strong>im</strong> Zundelheiner<br />

Sin starki Chind und Chindeschind erwachse,<br />

Un sin wohluf f...J" (IV,108)<br />

Ebenfalls wie später auch <strong>Scheffel</strong> selbst wird nicht nur der<br />

Dichter Hebel, sondern auch seine he<strong>im</strong>atliche Landschaft in den<br />

Nachruhm<br />

einbezogen:<br />

"Der Meister Hebel hoch!<br />

Und hoch s i He<strong>im</strong>et, 's alemannisch Land!" (IV,109)<br />

Daß Heinrich Heine ebenso in die Reihe der Vorbilder <strong>Scheffel</strong>s<br />

gehört, mag auf den ersten Blick überraschen. Freilich bezieht


57<br />

sich <strong>Scheffel</strong> in seiner Heine-Nachfolge nur auf einen schmalen<br />

Aspekt des volkstümlichen oder ironischen Lyrikers und Prosaisten.<br />

Gerade diese Heine-Nachfolge i s t eine <strong>von</strong> <strong>Scheffel</strong> sehr<br />

57<br />

direkt angestrebte und deutlich formulierte . Dabei versteht<br />

<strong>Scheffel</strong> sein Werk als "kritische Weiterführung des Heinec<br />

o<br />

sehen" . Die direkte Wiederspiegelung vor allem des frühen<br />

Heine bei <strong>Scheffel</strong> hat denn auch <strong>im</strong>mer wieder zu einem Vergleich<br />

beider Dichter herausgefordert, bei dem - wie könnte es<br />

anders sein - <strong>Scheffel</strong> schlecht wegkommt^. Die Heine-Übernahmen<br />

<strong>Scheffel</strong>s sind auf den ersten Blick tatsächlich Trivialisierungen<br />

und die Rationalisierung <strong>von</strong> spätromantisch Unsagbarem<br />

oder machen schmunzelnde Behäbigkeit aus vormals beißendem<br />

Spott. Bei Heine finden sich auch die Urformen der echt<br />

Scheffeischen Figuren - der ironisierte und sich selbst bespiegelnde<br />

Kater, der verliebte Dichter als Narr usw. Aber nicht<br />

nur in solchen Figuren oder in einzelnen Motiven i s t Heine das<br />

Vorbild, man denke nur an Heines Reisebilder, die <strong>Scheffel</strong> zu<br />

seinen eigenen Reisebildern und Episteln veranlaßt haben. Die<br />

Heine-Nachfolge i s t dabei zwar zuallererst eine s t i l i s t i s c h e ,<br />

doch reicht sie auch weiter bis zur Übernahme der kritischen<br />

Haltung. Der frühe Heine kann schließlich <strong>Scheffel</strong> sogar zur<br />

Parodie des verehrten Meisters verleiten, wie das Gedicht "Die<br />

moderne Loreley" <strong>von</strong> 1849 bezeugt:<br />

"Ein Steuermann sitzet am Ufer,<br />

Er seufzt und weiß wohl warum;<br />

Eine alte vers<strong>im</strong>pelte Leier<br />

Brummt ihm <strong>im</strong> Schädel herum.<br />

Das war eine schöne Donna,<br />

Des Schiffskapitän seine Braut,<br />

Der hat er mit allzuviel Wonna<br />

In die blauen Augen geschaut.<br />

Er steuert in schwerer Vers<strong>im</strong>plung,<br />

Das Schiff kracht mitten entzwei;<br />

Da ersoff bis auf den Schiffsjung<br />

Die ganze Kompanei.<br />

Auch der war' tot geblieben,<br />

Hätt f er nicht schw<strong>im</strong>men gekunnt.<br />

- - Da sieht man, wie falsches Lieben<br />

Die Menschen bringt auf den Hund." (IX,54)<br />

Nicht um einen <strong>Scheffel</strong> abwertenden Vergleich mit Heines berühmtem<br />

Gedicht kann es hier gehen, der Qualitätsunterschied


58<br />

i s t sowieso offenkundig. Deutlich werden kann hier jedoch ein<br />

für <strong>Scheffel</strong> und seine Arbeitsweise wichtiger Mechanismus. Die<br />

moderne Fassung <strong>Scheffel</strong>s liegt auf der vorausgesetzten Kenntnis<br />

der romantischen Märchenballade auf. Der burschikose Ton,<br />

den <strong>Scheffel</strong> in die Parodie seines Vorbilds einführt, erzeugt<br />

den als eigentümlich angesehenen Scheffeischen S t i l . Nur der<br />

ursprüngliche Balladentonfall wird übernommen;Intention und<br />

Handlung der Heineballade finden sich nur noch in geringen Resten.<br />

Zum Beweis: ohne den Titel wäre das Gedicht <strong>von</strong> seiner<br />

Handlung her kaum auf das Lorelei-Thema zu beziehen. Indem die<br />

Kenntnis der Heinefassung be<strong>im</strong> Leser vorausgesetzt wird, kann<br />

<strong>Scheffel</strong> die Parodie als originäre und zugleich originelle<br />

eigenständige Aussageform verstehen. Nur die Variation dieses<br />

Epigoniebezuges rechtfertigt ja die inhaltlich leere Parodie<br />

des Gedichts. Die Freude des Lesers am Wiedererkennen des Musters<br />

steigert <strong>Scheffel</strong> mit Detailrealismen, die zum Gedichtvorgang<br />

in keiner direkten Beziehung stehen ("Des Schiffskapitän seine<br />

Braut") - der romantische Ton Heines wird durch <strong>Scheffel</strong> 'real<br />

i s t i s c h 1 verändert. Der Vorgang in beiden Gedichten i s t jeweils<br />

ein ganz anderer geworden, nur die Schlußpointe bleibt annähernd<br />

die gleiche. Bei <strong>Scheffel</strong> aber wird sie zur deutlich ausgesprochenen<br />

Binsenweisheit, moralisierend und vermenschlicht zugleich.<br />

Dem jungen Heine als Lyriker des Biedermeiersalons entspricht<br />

als <strong>Scheffel</strong>s Zeitgenosse der ebenfalls berühmte Emanuel Geibel<br />

in manchen Bezügen, obwohl <strong>Scheffel</strong> ihn nie als direktes Vorbild,<br />

sondern ihn <strong>im</strong>mer nur als berühmteren Dichterkollegen bewundert<br />

hat^. Einer "mehr an Geibel anstreifenden Seite" seiner<br />

61<br />

Dichtung konnte der humorige <strong>Scheffel</strong> zwar eine starke Neigung<br />

entgegenbringen, aber kaum Gleichwertiges produktiv dagegensetzen.<br />

Dem dichterischen Selbstbewußtsein Geibels, seinem l i t e ­<br />

rarischen Erfolg und nicht zuletzt seiner Hofstellung als Dichterfürst<br />

g i l t f r e i l i c h <strong>Scheffel</strong>s uneingeschränkte Bewunderung.<br />

Das Gedicht "An Emanuel Geibel" <strong>von</strong> 1857 gibt da<strong>von</strong> Zeugnis. Es<br />

z i t i e r t und montiert das bekannte Vokabular des Geibelschen<br />

Dichterbildes (IX,123: "Dein eigen Sängerbild", "Dein Seherblick",<br />

"Alldeutschlands Nöten" usw) - man vergleiche damit<br />

Geibels berühmtes Gedicht vom "König Dichter"! Aber auch hier<br />

zeigt sich <strong>Scheffel</strong>s Eigenart, das ernste Pathos des Geibel-


59<br />

sehen Dichtungsinventars seinem burschikosen Tonfall anzuverwandeln:<br />

"Sind alt auch unsre Knochen,<br />

Die Kunst bleibt ewig neu,<br />

Noch raget ungebrochen<br />

Die Feste Poesey." (IX,123)<br />

In solchen Formulierungen i s t etwa auch an die Amateurpoetin<br />

62<br />

Friederike Kempner zu denken ;die Produktivkraft dieser montierten<br />

stehenden Dichterformeln scheint ein Gattungs- und<br />

Strukturzug der Gebrauchs- und Verbrauchslyrik dieser<br />

zu<br />

sein.<br />

Epoche<br />

Daß das Bewußtsein ihres Epigonentums für die Dichter dieser<br />

Zeit nicht den Regelfall ausmacht, i s t herausgearbeitet worden^.<br />

Hierin unterscheidet sich <strong>Scheffel</strong> deutlich <strong>von</strong> Geibel,<br />

der sich nicht als Epigone ausgegeben hat. Für <strong>Scheffel</strong> i s t die<br />

Trauer über das Erkennen seines geschichtlichen Orts eine der<br />

Grundlagen seines Epigonenbewußtseins. Epigonalität i s t für ihn<br />

eine der Zeittendenzen, wie er an Ludwig Uhland schreibt:<br />

"In unserer Epigonenzeit, wo in a±len Gebieten der Kunst so<br />

nah' ans Höchste schon gearbeitet i s t , s t e l l t man sich b i l l i g<br />

die Frage, ob nicht das Schweigen Gold, das andere nur S i l ­<br />

ber sei?" (65)<br />

Diese Erkenntnis, so allgemein sie gehalten i s t , i s t nun nichts<br />

weniger als neu, man denke an Karl Immermanns 1836 erschienenen<br />

Roman "Die Epigonen", der ja versucht, einen Zeitroman unter<br />

diesem Begriff zu subsummieren^. Daß <strong>Scheffel</strong> mit seiner Epigonalität<br />

aber "scherzt" und "dies Schicksal leichten Herzens<br />

67<br />

auf sich n<strong>im</strong>mt" , wird man nur bedingt behaupten können. Zuerst<br />

i s t bei <strong>Scheffel</strong> das eigene Epigonentum eine "Art historischer<br />

Astronomie, die jede Anwandlung zum Lachen in die gebührenden<br />

6 8<br />

Schranken zurückweist" . In einer Art Trotzhaltung kann daraus<br />

f r e i l i c h ein bewußtes Annehmen der Epigonalität resultieren,<br />

wenn es dem Dichter gelingt, zu eigenständigen Formen zu finden.<br />

Noch geschieht es <strong>Scheffel</strong> als einem der "zerfahrenen Epigonen",<br />

daß er sich und sein Dichten auf den "Satz: Alles schon dage-<br />

69<br />

wesen" reduziert: "Aber auch das i s t ein Gewinn" .<br />

An der Figur des Katers Hiddigeigei aus dem 7/iompe.te./i kann man<br />

ablesen, wie bald <strong>Scheffel</strong>, wiewohl parodistisch, zwischen


60<br />

"Senkt mich ein mit Schild und Lanze<br />

Als den letzten des Geschlechtes.<br />

Als den letzten, - o die Enkel,<br />

N<strong>im</strong>mer gleichen sie den Vätern,<br />

Kennen nicht des Geists Geplänkel,<br />

Ehrbar sind sie, steif und ledern.<br />

Ledern sind sie und langweilig,<br />

Kurz und dünn i s t ihr Gedächtnis;<br />

Nur sehr wen'ge halten heilig<br />

Ihrer Ahnherrn fromm Vermächtnis." (1,157)<br />

Sich als echter Epigone zu verstehen, kann bedeuten, die Angst<br />

vor literarischer Epigonalität auszulöschen zu versuchen. Nach<br />

der Reichsgründung <strong>von</strong> 1871 konnte sich für <strong>Scheffel</strong> in seinen<br />

Skizzen au* dem €l*aß (1872) die nationale Einheit in diesem<br />

Bewußtsein "in den Festjubelruf der Epigonen" fassen lassen:<br />

"Das ganze Deutschland vom Fels zum Meere hoch!" (VIII,181).<br />

Öfter aber bildet das Epigonenbewußtsein die Vorstufe einer<br />

70<br />

Fortschritts- und Zivilisationsfeindlichkeit . Die Literatur<br />

der Gegenwart wird dann zu einer epigonischen schlechthin, der<br />

<strong>Scheffel</strong> die 'Frische' gegenüberstellt:<br />

"ich würde mich freuen, einmal einem frischen Menschen mit<br />

frischen Melodien zu begegnen . . . ganz ohne den eigentümlichen<br />

epigonischen haut gout, der uns allen mit Schicksalsnothwendigkeit<br />

unmerklich/'!/ anhaftet." (71)<br />

Interessant i s t diese Äußerung auch deshalb, weil der Empfänger<br />

dieses Briefes, nämlich Paul Heyse, für <strong>Scheffel</strong> das Musterbeispiel<br />

eines epigonalen Dichters abgibt. Scheinbar verwendet<br />

<strong>Scheffel</strong> den Begriff des Epigonalen positiv, wenn er Paul Heyse<br />

in einer Empfehlung an den Großherzog <strong>von</strong> Sachsen-We<strong>im</strong>ar-Eisenach<br />

als einen Epigonen bezeichnet:<br />

"Paul Heyse als Dichter i s t die glänzende Verkörperung einer<br />

poetischen Epigonenzeit, mit allen Vorzügen und Fehlern einer<br />

solchen.- Durchbildung <strong>von</strong> Gefühl und Sprache, feine Auffassung<br />

der Motive, classisch sichere Handhabung der Form<br />

sind ihm in hohem Maße eigen; mit vornehmer Ruhe steht er<br />

a l l z e i t über dem behandelten Gegenstand und beherrscht ihn<br />

spielend. Daher wird er nie eine künstlerische Excentrizität,<br />

noch weniger einen auffallenden Fehler begehen, und<br />

seine Arbeiten werden <strong>im</strong>mer etwas Distinguirtes haben. Eine<br />

solche Auffassung und Behandlung der Poesie, die mitunter an<br />

Klopstocks Art erinnert, i s t f r e i l i c h mehr die Wirkung der<br />

Reflexion und durchdachten Innehabens der Kunstregeln, verschieden<br />

<strong>von</strong> jener instinctiven springquellartig hervorsprudelnden<br />

Offenbarung, die mit fremder dämonischer Macht


61<br />

über den Menschen kommen, ihn zwingen und seine Schritte<br />

leiten kann, ohne daß er weiß, wohin." (72)<br />

In der definitorischen Abgrenzung gegen Heyse wird allerdings<br />

deutlich, wie <strong>Scheffel</strong> seine eigene Position schon <strong>im</strong> Vokabular<br />

versteckt hat (springquellartiges Hervorsprudeln, dämonische<br />

Gewalt, Verachtung der Kunstregeln usw). In diesem Sinne i s t es<br />

sicher r i c h t i g , <strong>Scheffel</strong> als einen "Nachkömmling, der das Schwert<br />

73<br />

wider die eigene Mutter gerichtet hat", zu bezeichnen . Doch<br />

selbst dieses Epigonale i s t noch steigerungsfähig, wenn Schef-<br />

7L<br />

f e i glaubt, "in uns'rer spätepigonischen Zeit" zu leben !<br />

Das Dilemma, das es für <strong>Scheffel</strong> zu meistern g i l t , i s t so einfach<br />

formuliert wie es schwierig zu lösen i s t : Wie kann das<br />

Bewußtsein, in einer Spätzeit zu leben, auf originelle Weise<br />

in Dichtung umgesetzt werden? Im Gedicht "Bummelmeiers Klage"<br />

empfindet sich der Ich-Sprecher als politischer Epigone. Das<br />

Eingeständnis seiner politischen Unfähigkeit begründet er f r e i ­<br />

l i c h banal damit, er sei <strong>im</strong>mer " zu spät gekommen" (IX,45).<br />

Seine Person i s t deshalb <strong>im</strong> Grunde überflüssig, "ein höchst<br />

zweckwidrig Wesen" (IX,45). Die einzig verbliebene Möglichkeit<br />

i s t das Sich-lustig-machen über sich selbst. So wie Bummelmeier<br />

der Hofnarr des Kaisers wird, so verschiebt auch <strong>Scheffel</strong><br />

das Epigonale in einen humoristischen Zusammenhang: Humor,<br />

75<br />

sonst kein Kennzeichen <strong>von</strong> Epigonendichtung , wird für Scheff<br />

e l eine Möglichkeit zur Originalität.<br />

Eine andere Möglichkeit zur Uberwindung epigonaler Züge besteht<br />

für <strong>Scheffel</strong> darin, Originalität durch neue, echt poetische<br />

Redeformen zu gewinnen. Der Zweifel am Ausdruckswert der gültigen<br />

Sprache setzt über die verbale Kommunikation eine höhere<br />

Instanz an:<br />

"Die Sprache i s t ein edel Ding,<br />

Doch hat sie ihre Schranken;<br />

Ich glaub', noch <strong>im</strong>mer fehlt's am Wort<br />

Für die feinsten und tiefsten Gedanken.<br />

Schad't nichts, wenn auch ob Dem und Dem<br />

Die Reden a l l verstummen,<br />

Es hebt sich dann <strong>im</strong> Herzensgrund<br />

Ein wunderbares Summen." (1,145)<br />

Beispielhaft für <strong>Scheffel</strong>s Originalitätsstreben i s t auch die<br />

Wahl <strong>von</strong> solchen Stoffen und Motiven, die noch literarisch un-


62<br />

verbraucht und noch nicht t r i v i a l i s i e r t sind; die die Naturwissenschaft<br />

parodierenden Lieder oder die frühmittelalterliche<br />

Thematik des historischen Romans Lkkeka/id wären hier zu nennen.<br />

Wenn alles nichts nützt, den klassischen Vorbildern l i t e r a r i s c h<br />

gleichzukommen, dann gelingt es wenigstens <strong>im</strong> Nachvollziehen<br />

ihres Lebenswegs, <strong>im</strong> Einleben in ihr poetisches Leiden, den<br />

dichterischen Schöpfungsprozeß <strong>im</strong> Geist nachzuahmen. Diese<br />

Lebensepigonie <strong>Scheffel</strong>s findet man auf zahlreichen Stationen<br />

seiner Biographie. Schon der achtzehnjährige <strong>Scheffel</strong> hat sich<br />

nach klassich-romantischem Vorbild ganz der Kunst verschrieben.<br />

An den Vater schickt er folgendes Distichon:<br />

"Einzig der Kunst nur lebt' ich allhier. Von sonstiger<br />

Nahrung<br />

War außer Brot und Bier weiter die Rede nicht v i e l . " (76)<br />

Neben der zur Leerformel verkürzten Poesieaussage weist schon<br />

der zweite Vers auf die bereitliegenden Möglichkeiten o r i g i ­<br />

närer Dichtung hin: in seiner humorigen Saufpoesie wird Scheff<br />

e l bald einen eigenen Ton finden. Das hindert ihn nicht, nach<br />

bewährter Klassik-Ideologie nach Italien zu reisen und dort<br />

Erinnerungen und Briefe zu verfassen, die in Gegenstand, Sprachduktus<br />

und Selbstdarstellung den italienischen Reisenotizen<br />

Goethes nicht unähnlich sind. Wie Goethe hat auch <strong>Scheffel</strong> sein<br />

Italienerlebnis, wenn er ein neues Leben empfindet oder es doch<br />

77<br />

vorgibt: "Welschland hat den großen Reiz, daß man te.He.ri lernt"<br />

Auch auf diese Weise erzeugt das Bewußtsein der eigenen Epigo-<br />

78<br />

nalität oder das epigonaler Zeiten ein "Trotzdem" , einen<br />

inneren Widerstand gegen die Zeit, aus dem das Epigonale zum<br />

Rohmaterial einer neuen Poesie wird. <strong>Scheffel</strong> g i l t ja seinen<br />

zeitgenössischen Lesern gerade dann als o r i g i n e l l , wenn er über<br />

das Epigonale hinausgeht, indem er es benutzt.


63<br />

II. DICHTER UND GESCHICHTE<br />

1. Der historische Roman<br />

Der historische Roman, auch <strong>Scheffel</strong>s £kke.ha/id<br />

9<br />

hat schon <strong>im</strong>mer<br />

an der Diskrepanz zwischen der Wertschätzung eines breiten Lesepublikums<br />

und der Verachtung durch die normative Romantheorie<br />

gelitten . Schon Walter Scott, der Protagonist dieses Gattungstyps,<br />

hatte sich in den Vorworten zu seinen Romanen, vor allem<br />

in seinem Uaue/i£e.y, zum Verhältnis des historischen Romans zur<br />

Geschichtsschreibung grundlegend geäußert und damit best<strong>im</strong>mte<br />

2<br />

Gattungserwartungen vorgegeben . Zwei Generationen nach Scotts<br />

Romanen kompliziert sich die Gattungsproblematik für <strong>Scheffel</strong>s<br />

Lkkaka/id auf ganz eigene Weise. In den 50er Jahren des 19.<br />

Jahrhunderts hatte die Zahl der erschienenen historischen Romane<br />

erheblich zugenommen. Außerdem war <strong>Scheffel</strong>s Lkkatta/id in<br />

die De.u£*che. BL(L£io£he.k. Sammiung au/>e.i£e./>e.ne./i 0/iiginaiiomane.<br />

wie z. B. auch Hermann Kurz' Sonnantoi/ti (1854-) aufgenommen<br />

worden und konnte mit einer sehr v i e l höheren Startauflage als<br />

3<br />

der für Anfänger üblichen erscheinen . Dieser Glücksfall a l l e i n<br />

erklärt den Verkaufs- und Leseerfolg des £kke.haid noch nicht^.<br />

An der dahinter stehenden Frage, inwieweit dem £kke.ha/id der<br />

Ausgleich zwischen dem historisch beglaubigten Stoff und der<br />

literarischen Fiktion gelingt, hatte sich schon unter zeitgenössischen<br />

Lesern und Rezensenten eine heftige Diskussion entzündet.<br />

Schon die erste Rezension hatte den ELkkakaid gegen die<br />

Forderungen normativer Romanbetrachtung in Schutz genommen^.<br />

Uber die Kompositionsschwächen sieht der Rezensent großzügig<br />

hinweg, weil er <strong>im</strong> historischen Roman dieser Art v i e l Positives<br />

für den zeitgenössischen Leser erkennt: "Die Väter waren<br />

nicht v i e l anders, als die Söhne noch sind."^<br />

Eine andere Besprechung noch <strong>im</strong> Erscheinungsjahr hatte den<br />

Ekkaka/id kurz als "ein für die Geschichte des Romans epoche-<br />

7<br />

machendes Buch" bezeichnet . Auch dieser Kritiker lobt gerade<br />

die Aktualität des Historischen in diesem Roman:<br />

"so werden wir ja gerade in die Kluft zwischen diesen<br />

Quellen und ihrer Verarbeitung hineingestellt, wir sehen


64<br />

zu viel hinter die Coulissen und der unmittelbare Eindruck<br />

des poetischen Kunstwerks wird dadurch gestört. Wir merken<br />

bald, daß die Art <strong>von</strong> historischer Wahrheit, die wir hier<br />

haben, doch eine ganz andere i s t , als was die meisten Leute<br />

gewöhnlich meinen, wenn sie eine wahre Geschichte verlangen."<br />

(8)<br />

Weitere Angriffe werden schon <strong>im</strong> voraus abgeschmettert, indem<br />

man potentielle Kritiker in ihrer Leserfunktion einfach diskreditiert<br />

:<br />

"Für den Lesepöbel, der nur an dem Stofflichen seine Freude<br />

hat und weniger poetisch ergözt oder historisch belehrt als<br />

phantastisch beschäftigt seyn w i l l , wird es f r e i l i c h <strong>im</strong>merhin<br />

weniger ein Buch seyn. Auf solchen Pöbel, wenn er auch<br />

noch so sehr die Majorität bildet, darf aber keine Rücksicht<br />

genommen werden. Der Schriftsteller hat, was man auch <strong>von</strong><br />

Popularität sagen mag, <strong>im</strong>mer nur das, nicht zwar speciell<br />

und fachmäßig, aber allgemein gebildete Publikum in's Auge<br />

zu fassen, und für dieses wird es dem Ekkehard nicht an Anziehendem<br />

fehlen.f. . .J Die ganze Darstellung i s t so, daß<br />

sich ihrer jeder <strong>im</strong> weiteren Sinn Gebildete erfeuen kann;<br />

für den höher Gebildeten liegt überdieß in der historischen<br />

Dokumentirung noch ein besonderer Reiz." (9)<br />

Insofern i s t das eingangs zitierte Urteil Theodor Fontanes<br />

kein vereinzeltes, sondern t r i f f t genau den Nerv der poetologischen<br />

Diskussion nach der Mitte des Jahrhunderts. Fontane<br />

kommt ebenfalls auf die in den Rezensionen angeschnittenen<br />

Kernstücke der Diskussion, die Frage nach der historischen<br />

StoffWahrheit und das richtige Verhalten des Lesepublikums,<br />

zurück. Er macht das ihm zugetragene Urteil, alles Historische<br />

am Lkkekaid sei unwahr, zum Ausgangspunkt seiner Besprechung.<br />

Wenn Fontane dem Autor einen historischen Blick und "Verständ-<br />

1 0<br />

nis für das Historische" bescheinigt, so sieht er in ihm "ein<br />

11<br />

rückwärts gewandtes prophetisches Ahnungsvermögen" verkörpert.<br />

Geht man zudem <strong>von</strong> den grundsätzlichen Forderungen des<br />

programmatischen Realismus aus, dann erklärt sich Fontanes<br />

"ganz reiner Eindruck" - "rein" als konsequentes Durchhalten<br />

der einmal eingeschlagenen Erzählweise? - aus dem <strong>im</strong> Ckkeha/td<br />

wiedererkannten Verklärungsprinzip: "Natur" und "Kunst" sind<br />

1 3<br />

in der "künstlerischen Gestalt nahezu vollendet" ; die<br />

regionalgeschichtliche Thematik (Fontanes Uande/iungen\ ) des<br />

Ekkehard bleibt "Kostüm", das das "Le.ie.rt erschließt": "So<br />

waren die Leute vor tausend Jahren auch."^


65<br />

auf Äußerungen <strong>Scheffel</strong>s zurück, so findet man genau diese<br />

realistische Programmatik, die das Verklärungsprinzip ("Poesie")<br />

gegen das Romantische über den Geschichtsstoff zu erreichen<br />

sucht:<br />

"1. Die Geschichte durch die Poesie lebendig machen, 2. die<br />

Poesie, die mondscheindurchsichtig und wasserbleich geworden,<br />

durch geschichtliches Fleisch s t o f f l i c h und fett zu<br />

machen. Es liegt noch so v i e l Kernmark da und dort. Will<br />

einer diese zwei Zwecke, so entsteht der historische Roman"<br />

(15)<br />

Diese realistische Beziehung <strong>von</strong> Geschichte und Poesie zur Aussöhnung<br />

zu bringen, i s t <strong>im</strong> Vorwort zum Ckkehaid ausdrücklich<br />

thematisiert. Zwar äußert sich <strong>Scheffel</strong> dort sehr dezidiert zu<br />

Entstehung, Intention und Lesererwartung, doch darf bei einer<br />

Interpretation nicht übersehen werden, daß seit Scott "die<br />

Vorrede zum festen Formenbestand des historischen Romans" ge-<br />

1 6<br />

hört und damit auch festen typologischen Gesetzen unterworfen<br />

i s t , bei denen gewisse Rechtfertigungsfloskeln, der oft<br />

polemische Tonfall, ein pseudowissenschaftlicher Duktus usw.<br />

vorbest<strong>im</strong>mt sind. Solche Vorreden müssen deshalb auf dem Hintergrund<br />

der Gattungszwänge gelesen werden. Gustav Freytag,<br />

selbst Verfasser zahlreicher historischer Romane und mit Julian<br />

Schmidt in den Q/ienzHotan einer der Programmatiker des Realismus,<br />

hat erkannt, daß <strong>Scheffel</strong> zwar "in der Einleitung gegen<br />

gewisse Grenzbotenansichten polemisirt", aber der Roman selbst<br />

1 7<br />

den "wahren Hintergrund" eben dieser Ansichten bestätige<br />

"Dies Buch ward verfaßt in dem guten Glauben, daß es weder<br />

der Geschichtsschreibung noch der Poesie etwas schaden<br />

kann, wenn sie innige Freundschaft mit einander schließen<br />

und sich zu gemeinsamer Arbeit vereinen." (V,5)<br />

Dieser sentenzenhafte erste Satz der Vorrede des {Lkkekaid darf<br />

f r e i l i c h nicht darüber hinwegtäuschen, daß <strong>Scheffel</strong> nur eine<br />

"innige Freundschaft" <strong>von</strong> Geschichtsschreibung und Poesie, also<br />

keine Identität fordert und die Wirkungen dieser Zusammenarbeit<br />

nur negativ oder recht vage formuliert sind. Die h i s t o r i ­<br />

sche Quelle, das "Rohmaterial", muß "gereinigt, umgeschmolzen<br />

und verwertet" (V,5) werden. Ziel dieses Prozesses i s t für<br />

<strong>Scheffel</strong> die "Wiederbelebung der Vergangenheit" mittels einer<br />

"schöpferisch wiederherstellenden Phantasie" (V,6) zum Nutzen<br />

der Nation, also eine eminent restaurative und didaktische


66<br />

Verwertung. <strong>Scheffel</strong>s &kke.ha/id hat nämlich vor, "die Freude am<br />

geschichtlichen Verständnis auch in weitere Kreise zu tragen";<br />

der historische Roman erscheint ihm <strong>im</strong> Augenblick noch als<br />

ein Gegenstand, an dem "die Mehrzahl der Nation teilnahmslos<br />

vorübergeht" (V,6). Das s o l l durch den Ekkehard anders werden;<br />

dann nämlich i s t der historische Roman<br />

"ein Stück nationaler Geschichte in der Auffassung des<br />

Künstlers, der <strong>im</strong> gegebenen Räume Gestalten scharfgezeichnet<br />

und farbenhell vorüberführt, also daß <strong>im</strong> Leben und<br />

Ringen und Leiden des Einzelnen zugleich der Inhalt des<br />

Zeitraums sich wie zum Spiegelbild zusammenfaßt." (V,6f)<br />

Wird damit der historische Roman "als ebenbürtiger Bruder der<br />

Geschichte anerkannt" (V,7), so schließt sich der Kreis, Poesie<br />

und Geschichte seien verschwistert. Tatsächlich triumphiert<br />

der naive Zeichner über den Archäologen und den Geschichtsschreiber,<br />

weil es ihm gelingt, den Stoff mittels<br />

"einer schöpferisch wiederherstellenden Phantasie" (V,6) zu beseelen.<br />

Die Romangegenstände werden durch eine "<strong>von</strong> Poesie verklärter<br />

Anschauung der Dinge" (V,7) geheiligt, nehmen also das<br />

realistische Verklärungspostulat nochmals auf. Damit der histo-<br />

1 8<br />

rische Roman zur "eigenständigen Geschichtsbeschäftigung"<br />

werden kann, braucht er den Nachweis historischer Treue und<br />

Exaktheit, wie ihn die detaillierten Anmerkungen beschwören.<br />

Aber letzten Endes siegt die poetische Fiktion doch über jeg-<br />

1 9<br />

liehe historisch beweisbare Realität .<br />

Im Gefolge Scotts fordert die normative Poetik für den historischen<br />

Roman die fiktive Figur des mittleren Helden als Erzählvehikel.<br />

Scotts Uave./i(Le.u g i l t dafür als Idealtypus, a l l e r ­<br />

dings mit dem Vorzug, nicht nur mittlerer, sondern auch zwi-<br />

20<br />

sehen Gegenwart und Geschichte vermittelnder zu sein . Der<br />

Unterschied zwischen diesem Heldentypus und dem eigenständigen<br />

Geschichtsverständnis des Scheffeischen Romans liegt in der<br />

Umkehrung der Spannung <strong>von</strong> fiktivem Helden und historisch belegbarer<br />

Erzählhandlung. Im Lkkeka/id nämlich fehlt d i e bedeutende<br />

historische Persönlichkeit. Dagegen sind der Held und<br />

die Hauptfiguren realhistorische, d. h. zumindest quellenmäßig<br />

21<br />

belegbare Figuren . Demgegenüber i s t die Erzählhandlung<br />

größtenteils f i k t i v oder aus heterogenen und kaum nachprüfbaren<br />

Geschichtsversatzstücken zusammengefügt. Von diesem Blick-


67<br />

winkel aus lassen sich übrigens die Anachronismen <strong>im</strong> Lk.ke.ka/idL<br />

22<br />

erklären , die ganz einfach verklärte Geschichte, nicht historisch<br />

nachprüfbare Geschichte anbieten. Nicht die historische<br />

Persönlichkeit aus der Perspektive einer unbedeutenden mittleren<br />

Heldenfigur s o l l also dargestellt werden; Hauptgegenstand<br />

und Anliegen des Romans sind vielmehr die historischen Ereignisse<br />

selbst. Der Held <strong>im</strong> Lkke.ka/id dient zwar wie der Held der<br />

Scottschen Romane als Erzählvehikel, jedoch nicht mehr als mittlerer,<br />

sondern als idealer Held schlechthin. Ekkehards erstes<br />

Auftreten s t e l l t sich <strong>im</strong> Sinne eines pue/i 4ß/2ß*-Topos dar:<br />

"Sprechet, Bruder Ekkehard, rief der Abt ... Und das wogende<br />

Gemurmel verstummte; alle hörten den Ekkehard gern. Er war<br />

jung an Jahren, <strong>von</strong> schöner Gestalt, und fesselte jeden, der<br />

ihn anschaute, durch sittige Anmut, dabei weise und beredt,<br />

<strong>von</strong> klugverständigem Rat und ein scharfer Gelehrter ... Ein<br />

kaum sichtbares Lächeln war über seinen Lippen gelegen, dieweil<br />

die Alten sich stritten." (V,31)<br />

Das Identifikationsangebot, das auf diese Weise für den Leser<br />

vom Text ausgeht, verfällt damit der Tendenz zur Popularisierung<br />

des historischen Romans und unterliegt der Gefahr, "in<br />

2 3<br />

gefährliche Nähe zur Trivialität" zu geraten .<br />

2. Geschichte und Gegenwart<br />

Wie das Historische <strong>im</strong> Lkkeka/id angeeignet wird, s o l l ein Blick<br />

auf den Romananfang zeigen.<br />

"Es war vor beinahe tausend Jahren. Die Welt wußte weder <strong>von</strong><br />

Pulver noch <strong>von</strong> Buchdruckerkunst.<br />

Uber dem Hegau lag ein trüber bleischwerer H<strong>im</strong>mel, doch war<br />

<strong>von</strong> der Finsternis, die bekanntlich über dem ganzen Mittelalter<br />

lastete, <strong>im</strong> einzelnen nichts wahrzunehmen." (V,13)<br />

Der Erzähler setzt <strong>im</strong> Märchenton an, hält aber diesen Ton nicht<br />

durch. Das Geschichtliche wird nun nicht als genaues Datum oder<br />

Faktum präsentiert, sondern als bewußt ungenauer Eindruck des<br />

"beinahe". In gleichem Sinn n<strong>im</strong>mt der Erzähler das darauf f o l ­<br />

gende Zitat Uhlands "nicht allzu genau". Das Mittelalter wird<br />

durch Charakteristika, die mehr als pauschal sind, <strong>von</strong> der<br />

Neuzeit abgegrenzt, Pulver und Buchdruck weisen f r e i l i c h schon<br />

auf das weitere Romangeschehen voraus. Ebenso zielstrebig folgt<br />

der Leser der Perspektive des Erzählers in <strong>im</strong>mer kleiner wer-


68<br />

de*nde Weltausschnitte, bis Geschichte und Topographie ineinander<br />

übergehen: 1000 Jahre - Mittelalter - Hegau - Radolfszell -<br />

hoher Twiel - Burg darauf - Frau Hadwig auf dieser Burg (V,13f).<br />

Erst dann i s t der Punkt erreicht, "da unsere Geschichte anhebt"<br />

(V, 1 4-). Mittelalterliches wird nur in sprachlichen Vergangenheitsformen<br />

aufgerufen, indem dauernd auf die Historizität<br />

2 /<br />

der Zeitbegriffe verwiesen i s t . An dieser Stelle korrespon-<br />

2 5<br />

diert der Anfang des Romans auffällig mit dem Schluß . Die<br />

erste bzw. die letzte auftretende Figur i s t dabei jeweils die<br />

Herzogin. Der quellenmäßig verbürgte Nachtrag des Romanendes<br />

(VI,428ff) bezieht sich dann genau auf die geschichtlich-topographische<br />

Einleitung. Der* Hinweis auf "Staub und Asche", auf<br />

die Vergänglichkeit und Zeitlichkeit der Geschichte (VI,430),<br />

entspricht der Einleitungsformulierung: "Aber das i s t schon<br />

lange her" (V,13). Dieser Unausweichlichkeit des historischen<br />

2 6<br />

Wandels kontrastiert die Beständigkeit der Berge . In diesem<br />

Gegeneinander i s t auch der Gegensatz <strong>von</strong> einst und jetzt verborgen,<br />

wie er mit dem ersten Satz des Romans aufgerufen wird.<br />

Der v letzte Absatz des Erzählerauftritts (VI,430f) hat seine<br />

Entsprechung in der Vorrede (V,5ff); der präzise Bezug aufein-<br />

27<br />

ander<br />

i s t überdeutlich<br />

Was dieser Befund aussagt, i s t schnell zusammengefaßt: die Bausteine<br />

des historischen Stoffes beziehen jederzeit die Perspektive<br />

der Gegenwart mit ein. Gerade indem sie auf den großen<br />

Abstand zwischen damals und heute und gleichzeitig auf die<br />

innere Nähe der Empfindungen in beiden Epochen verweisen, dient<br />

das Geschichtliche l e t z t l i c h zur Darstellung der Gegenwart.<br />

Wie der Geschichtseinbau in das literarische Werk bewußt gegenwartsbezogen<br />

gelingen s o l l , hat <strong>Scheffel</strong> seit frühester Zeit<br />

auch theoretisch beschäftigt. Vorerst b e t r i f f t es nur die Maler<br />

e i , wenn der Zwanzigjährige seinem Vater das Problem des mangelnden<br />

Gegenwartsbezuges jeder historischen Kunst vorträgt.<br />

"Das Bewußtsein der Zeit in künstlerischer Form darzustellen"<br />

gipfelt als Forderung <strong>im</strong> Vorwurf an die Nazarener, Geschichtselemente<br />

unhistorisch, weil als zeitlos auszugeben; dadurch<br />

isoliere sich jede historische Kunst <strong>von</strong> der Gegenwart: "Es i s t<br />

eine Deportation der Kunst mitten aus ihrer vollen Wirksamkeit<br />

2 8


69<br />

ka/id sieht sich <strong>Scheffel</strong> dann selbst vor der Schwierigkeit, die<br />

29<br />

Geschichte "nicht außer Acht zu lassen" . Er hat zwar anfangs<br />

nach dem bewährten Muster des 7/iompe.te./i vor, "auch mit den Gestalten<br />

jener Zeit mein leichtsinniges Spiel zu treiben", aber<br />

allmählich entsteht ihm eine "historische Pietät" gegenüber der<br />

30<br />

Geschichte . Der humoristische S t i l , wie <strong>Scheffel</strong> ihn am Versepos<br />

ausgebildet hatte, muß an der Gattung des historischen<br />

Romans versagen:<br />

"Ich habe überhaupt bei ernster Beschäftigung mit der Geschichte<br />

gemerkt, daß auf Zeiten, die noch ursprünglich naiv,<br />

wie auf solche, die <strong>von</strong> tragischen Conflicten durchschüttert<br />

sind, sich die Ironie durchaus nicht anwenden läßt." (31)<br />

Man sieht, der epische Humor des poetischen Realismus i s t als<br />

Erzählmöglichkeit noch nicht in Sicht. <strong>Scheffel</strong> versucht dieses<br />

Problem deshalb so zu lösen, daß er sich auf seinen "Instinct,<br />

32<br />

oder bon sens" verläßt . Doch der Zwiespalt, "den Ernst und<br />

stofflichen Gehalt der historischen Wissenschaft mit den Ge-<br />

33<br />

setzen künstlerischer Schönheit zu verschmelzen" , bricht ihm<br />

<strong>im</strong>mer wieder auf:<br />

"In dieser Weise habe ich jetzt ein Werk unter der Feder,<br />

auf dessen Erfolg ich selbst gespannt bin; ich möchte es<br />

einen strengen historischen Roman nennen, der in spielender<br />

Weise das Kultur- und Geistesleben einer längst ver^klungenen<br />

Epoche enthält und der, wenn man ihn des psychologischen<br />

Rahmens der Geschichte entkleiden wollte, sich mit Leichtigkeit<br />

in eine Reihe gelehrter Abhandlungen auflösen ließe."<br />

(34)<br />

Schon <strong>im</strong> Vorwort des Lkkaka/id hatte <strong>Scheffel</strong> versucht, keinen<br />

Widerspruch zwischen der historischen Handlung und der Gegenwart<br />

aufkommen zu lassen. Der historische Roman wird dort mit<br />

dem Blick auf die Gegenwart legit<strong>im</strong>iert; <strong>Scheffel</strong> sieht "unsere<br />

Zeit in einem eigentümlichen Läuterungsprozeß begriffen" (V,7).<br />

Die Beschäftigung mit dem Historischen richtet sich am Zeitgeist<br />

aus, gegen den der historische Roman eine Alternative<br />

bieten s o l l . Die Entwicklung des wissenschaftlichen Denkens<br />

seines Jahrhunderts verkürzt <strong>Scheffel</strong> populär auf Abstraktion<br />

und Phrase, Begrifflichkeit und Selbstbeschauung, Formelhaftigkeit<br />

und Kritik. Dem s t e l l t er Best<strong>im</strong>mungen gegenüber, die er<br />

schon für den 1 /lontpata/i gebraucht hatte: Farbe und Sinnlichkeit,<br />

Beziehung auf Leben und Gegenwart, naturgeschichtliche Analyse<br />

und schöpferische Produktion (V,7). Wenn <strong>Scheffel</strong> gegen die


70<br />

kritische Haltung der Gegenwart mit der "Rüstung zur Umkehr"<br />

auf das "Gebiet unserer deutschen Vergangenheit" wirbt (V,7),<br />

gibt sich die konservative, halbherzig realistische Position<br />

endgültig als reaktionäre.<br />

<strong>Scheffel</strong>s<br />

Vorlage, die St. Gallener Klostergeschichten, i s t ja<br />

schon als Quelle eine konservative Tendenzschrift, die gegen<br />

alle Neuerungen polemisiert und <strong>im</strong> 10. Jahrhundert die gute<br />

35<br />

alte Zeit schönfärberisch rühmt^ . <strong>Scheffel</strong> sucht darin Anmut<br />

und Fülle gemütreicher Zeiten (V,8), durch die die Verachtung<br />

der Gegenwart hindurchsch<strong>im</strong>mert. Wie sehr der mittelalterliche<br />

Stoff nur Mittel zum Zweck i s t , wird vollends offenkundig, wenn<br />

<strong>Scheffel</strong> <strong>im</strong> Mittelalter einer "<strong>bürgerlichen</strong> Gesellschaft" begegnet,<br />

deren "sozialer Verkehr" für die Gegenwart zur Mahnung<br />

dient (V,8). Die "politische Zerklüftung und Gleichgiltigkeit<br />

gegen das Reich" (V,8) s t e l l t noch deutlicher den direkten Bezug<br />

zur politischen Situation her. "Kein Wunder" (V,8) also,<br />

daß dem Erzähler wie dem Leser die Augen ob solcher Parallelen<br />

aufgehen. Trotzdem - und das zeigt die Position des historischen<br />

Romans der 50er Jahre - rechtfertigt <strong>Scheffel</strong> seinen Gegenstand<br />

zusätzlich nach zwei Richtungen. Mit den gelehrten Anmerkungen<br />

des Ckkuka/id bringt er den Beweis gegen "die Vermutung leichtsinnigen<br />

Spiels mit den Tatsachen" (V,11) bei, mit dem penetranten<br />

Gegenwartsbezug entkräftet er den Vorwurf, er verweile in<br />

"harmlosem Genießen" und "<strong>im</strong> fröhlichen Selbstgefühl eigenen<br />

Schaffens"<br />

(V,11).<br />

Der Vergleich mit dem Vorwort zur Novelle 3-un ipe/iu*, die 1866<br />

entstanden, aber erst 1871 erschienen i s t , zeigt, daß <strong>Scheffel</strong><br />

zu diesem Zeitpunkt keine historische Legit<strong>im</strong>ation mehr nötig<br />

hat. Sein Problem liegt jetzt vielmehr in dem Dilemma, seine<br />

offenkundige inhaltliche und s t i l i s t i s c h e Nachfolge <strong>von</strong> Roman-<br />

36<br />

t i k und Biedermeier abzustreiten . "Die Hohenstaufischen Kaiser<br />

mit großem Ansehen" (II,8) der Erzählung nehmen die Versailler<br />

Reichsgründung der Hohenzollern poetisch vorweg. Die Geschichte<br />

bietet zu offensichtliche Bezüge für die Zeitereignisse an,<br />

wenn <strong>Scheffel</strong> z. B. den Mainzer Hoftag Barbarossas "als h e r r l i ­<br />

ches Frühlingsfest deutscher Nationalkraft und deutschen Geistes"<br />

beschreibt (11,9). Die Korrelation <strong>von</strong> Gegenwartsereignissen<br />

und historischem Stoff läuft auf einer poetisch erhobenen Ebene


71<br />

ab. Auch deshalb versagen für <strong>Scheffel</strong> die reinen Geschichtsschreiber,<br />

weil sie nicht <strong>im</strong>stande oder willens sind, solche Bezüge<br />

wirksam werden zu lassen. <strong>Scheffel</strong> sucht dagegen seine Inspiration<br />

in der historischen Dichtkunst, die l e i s t e t , was die<br />

Wissenschaft verweigert: die fällige Synthese als "dichterische<br />

Selbstbeantwortung jener kulturhistorischen Fragen" (11,9). Die<br />

Zeiten des "Dampfrosses", "der Kriegsbedrängnis" und der "Bruderzwist"<br />

(11,10) <strong>von</strong> 1866 finden hier nicht bloß ihren Reflex; die<br />

zukünftige deutsche Einheit i s t gleichzeitig in der "Doppelarbeit<br />

des Dichters und des Malers" (11,10) als verwirklichte Hoffnung<br />

vorweggenommen.<br />

Im Vorwort zur T/tau Auant iu/ie. werden Gegenwart und Vergangenheit<br />

auf einer zusätzlichen Ebene miteinander in Beziehung gesetzt.<br />

Der Zusammenhang des spätmittelalterlichen Sängerwettstreits<br />

auf der Wartburg und des Gegenwartsbezugs des Scheffeischen Gedicht<br />

zykluses mit der Einweihung des Goethe-Schiller-Denkmals<br />

<strong>von</strong> 1857 in We<strong>im</strong>ar (III,8) i s t auf den ersten Blick nur sehr<br />

schwer nachzuvollziehen. Er wird aber hergestellt durch eine<br />

<strong>von</strong> <strong>Scheffel</strong> konstruierte "mehr als zufällige Fügung" (III,8)<br />

geschichtlicher Kontinuität: dem Literaturmäzenaten und Landgrafen<br />

Hermann <strong>von</strong> Thüringen aus dem 12. Jahrhundert schließt sich<br />

Goethes Herzog Karl August in We<strong>im</strong>ar an, dem endlich der gegenwärtige<br />

Großherzog Carl Alexander auf der Wartburg folgt! Im<br />

Mittelpunkt dieser topographischen und personalen Zufälligkeiten<br />

sammelt sich <strong>im</strong> Idealbild deutscher Klassik ein vermittelter<br />

Gegenwartsbezug. So wie alle drei Fürsten über die Zeiten hinweg<br />

in ihrer politischen und mäzenatischen Funktion verschmelzen<br />

können, so verkürzt sich auch die Perspektive auf die klassischen<br />

Vorbilder. Entsprechend solcher Verkürzungen werden Goethe<br />

und Schiller zum Allgemeingut mindestens des Bildungsbürgers erklärt<br />

und damit der geschichtliche Abstand eingeebnet. Die Allegorie<br />

der Frau Aventiure i s t wie Barbarossa <strong>im</strong> Kyffhäuser eingelagert<br />

und damit genauso vereinnahmt wie schon vorher die Klassik:<br />

"Hei, wer soviel erfahren dürfte und erführe, daß er mit den<br />

halbmythischen Schemen dieser mittelalterlichen Sänger, ihrem<br />

Leben, ihrer Epoche vertraut würde wie mit Goethes und Schillers<br />

klarer Zeit!" (III,8)<br />

Dieser Rückgriff auf zwei Geschichtsebenen, dieser doppelte<br />

Boden des historischen Dichtens i s t denn auch der Punkt, an dem


72<br />

Lob und Kritik der Scheffeischen Geschiichtsauffassung sich<br />

treffen. Aus <strong>Scheffel</strong>s eigener Sicht entsteht so jedoch eine<br />

"objektiv historische" Kunst, wie er sie für seine T/tau Aven-<br />

39<br />

tiuie. proklamiert hat . Ihr penetranter Gegenwartsbezug wird<br />

erst recht verständlich, wenn man <strong>von</strong> <strong>Scheffel</strong>s Angst um sich<br />

und den Leser weiß, "daß die Pflege der mittelalterlichen und<br />

vorzeitlichen Studien etwas die Gegenwart Gefährdendes hat"^.<br />

So wie die Vergangenheit rückwärtsgewandte Erlösungsmodelle für<br />

die Gegenwart anbietet, so steckt in ihr zugleich die Gefahr,<br />

die Beschäftigung mit der Gegenwart ganz zu verdrängen. <strong>Scheffel</strong>s<br />

Bemühungen sind deshalb als ein dauernden Kampf zu lesen,<br />

Geschichte und Gegenwart zumindest sprachlich zusammenzubringen.<br />

Sinnigerweise in I/iene <strong>von</strong> Spit<strong>im</strong>ie/ig, <strong>Scheffel</strong>s geplantem<br />

großen historischen Roman, der vielleicht gerade aus diesem<br />

Grund Fragment geblieben i s t , lamentiert der Erzähler:<br />

"Denn nur in dieser Vergangenheit f r i s t e t sich noch mein<br />

Leben; auf Nichts Neues mehr steht mein Sinn und Alles, was<br />

noch vor mir liegt in der kurzen Spanne der Zeitlichkeit,<br />

heißt Erinnerung, Schmerz und Gebet." (4-1)<br />

Geschichte muß dergestalt zwangsläufig zu einem absolutem Wert<br />

werden. Im Grunde egalisiert das historische Denken, wenn die<br />

Geschichte einmal geschehen i s t , einfach alles; l e t z t l i c h wird<br />

die Gegenwart zur gegenwärtigen Geschichte und damit mit jener<br />

identisch:<br />

"und <strong>im</strong> Grunde, wer die Geschichte der Zeit, in der er lebt,<br />

kennt und versteht, der versteht auch die aller Vergangenheit,<br />

wenngleich er sie nie gelesen hat." (VIII,109)<br />

Dann aber i s t der Versuch des historischen Dichters, sich aus<br />

und in der Zeit durch die Geschichte zu retten, wieder an seinem<br />

Ausgangspunkt angelangt: "Was i s t in a l l dem bunten Schattenspiel<br />

<strong>von</strong> Welt und Geschichte das Bleibende?" (VIII,10)<br />

In dem "lyrischen Festspiel" die Linde am Ltte/i*de/ig zur Feier<br />

des 25jährigen Regierungsjubiläums des Großherzogs <strong>von</strong> Sachsen-<br />

We<strong>im</strong>ar-Eisenach (1878) läßt <strong>Scheffel</strong> die Geschichte als "stolze<br />

Frauengestalt in idealem Kostüm, etwa wie auf Kaulbachs Bild<br />

Geschichte and Sage, mit Gefolge" (11,182) und leibhaftig auftreten.<br />

Die Allegorie erklärt sich selbst, wobei sie "unsterbl<br />

i c h " durch die Reihen der Völker schreitet. An den Kriterien<br />

Echtheit, Recht, Schlichtheit und Menschenwürdigkeit (ll,182f)


73<br />

mißt sie "was heut noch Gegenwart, in strenger Prüfung", um dieses<br />

Urteil dann "mit ehrnen Griffeln" in die "Annalen der -<br />

Geschichte" niederzuschreiben (11,182). Das zur Person gewordene<br />

Geschichtsbild verdoppelt sich: unter der Leitung der Geschichte<br />

werden "geschichtliche Bilder" (II,182ff) gestellt.<br />

Selbst die Kunst hat in einem so geschichtsdominierten Raum kaum<br />

Platz. Zwar t r i t t die Poesie "begeistert" auf (11,192), doch<br />

bleibt ihr nur die Aufgabe, historische Erklärungen abzugeben.<br />

Die große Huldigung an sich selbst l e i t e t die Geschichte in<br />

eigener Person; auch der Abzug aller vollzieht sich "unter Vorantritt<br />

der Geschichte und der Künste" (11,194).<br />

Geschichte als Folie zur Gegenwart, Geschichte anstelle der<br />

Gegenwart, Geschichte schließlich als Kunst - in diesen Zusammenhängen<br />

wäre es nötig, gängige Thesen zur didaktischen Funktion<br />

/ 2<br />

der Geschichtsdichtung zu überprüfen . Auf jeden f a l l zeigen<br />

die Befunde Denkmodelle für die "populären Formen der Geschichtsaneignung<br />

<strong>im</strong> Zweiten Reich"^" .<br />

3. Geschichte als Wissenschaft<br />

Wissenschaft und Kunst waren für den jungen <strong>Scheffel</strong> nie Gegensätze,<br />

sondern galten ihm als identische Methoden, ein und dasselbe<br />

Ziel zu erreichen:<br />

"Beides i s t mir eigentlich gleich lieb und gleich nah am<br />

Herzen, denn Wissenschaft und Kunst sind in gewissem Sinn<br />

ein*, beide sind geistige. Tat, befriedigendes Leben, und ich<br />

würde dahin streben, entweder in der Wissenschaft künstlerisch<br />

oder in der Kunst wissenschaftlich, d. h. den ewigen<br />

Grundsätzen des Schönen zu wirken." (44)<br />

Eine so universal verstandene Geschichte bezieht Position innerhalb<br />

der Geschichtswissenschaft des 19. Jahrhunderts, man denke<br />

an <strong>Scheffel</strong>s Kritik dieser Wissenschaft aus dem Vorwort des<br />

&kke.ka/id. Wissenschaftskritik als Auseinandersetzung mit einer<br />

verengt-verängstigten Fachwissenschaft bildet auch den Hintergrund<br />

vieler Gaudeamus-Qte&ichte <strong>Scheffel</strong>s mit ihrer "spielerischen<br />

Ironisierung" der Naturwissenschaften^. Als ebenso<br />

spielerlische Ironisierung war <strong>Scheffel</strong>s ursprünglicher Zugriff<br />

auf die Geschichtswissenschaft gewesen. Der 7'/tompete/i <strong>von</strong><br />

Säkkinge.n 9 auch eine Geschichtsdichtung, i s t dafür ein Beispiel.


74<br />

Gleichfalls ein Spiel sind die gelehrten Anmerkungen zum tZkke.-<br />

ka/id. Anfangs sind sie kaum mehr als eine "Concession an die<br />

Nothwendigkeit<br />

der Verhältnisse, an die Majorität der ve/inün£tigen<br />

Leute", wie <strong>Scheffel</strong> an Paul Heyse schreibt^. Eindeutiger<br />

und rückhaltloser gesteht <strong>Scheffel</strong> in einem Brief an seinen<br />

Vater den wissenschaftlichen Wert der in den Rezensionen so<br />

vielgerühmten<br />

Anmerkungen:<br />

"Ein Beweis für mich aber, wie v i e l <strong>im</strong> Großen und Ganzen der<br />

Schein ausmacht, i s t , daß durch die dem Buch beigefügten<br />

Anmerkungen, die nur eine rohe Zusammenstapplung zusammengelesener<br />

Notizen und in den Augen eines wirklich gelehrten<br />

Mannes ganz ohne Werth sind, das Publicum sich verblüffen<br />

läßt, und i t z t vor der historischen Gründlichkeit des Verfassers<br />

mehr Respect hat, als ohne dieselben der Fall wäre."<br />

(47)<br />

Dient hier der Gelehrigkeitsausweis noch fast zufällig als Dekoration<br />

des poetischen Werks, so übern<strong>im</strong>mt <strong>Scheffel</strong> dieses<br />

Arbeitsprinzip wegen seines Erfolges für seine weiteren Werke.<br />

Zum 3.unipe/ius äußert er sich gegenüber seinem Illustrator<br />

Anton <strong>von</strong> Werner: "Während Sie die Bilder entwerfen, werde ich<br />

dann für eine anmutige Vorrede und für gelehrte Anmerkungen<br />

L 8<br />

sorgen" . Die Anmerkungen werden wie das Vorwort und die I l l u ­<br />

strationen zu einem überflüssigen, aber vom Publikum geforderten<br />

Ausstattungsattribut. In ihnen gerinnen die Ergebnisse der<br />

Geschichtswissenschaft zum Beweis der Autorgelehrsamkeit, enthalten<br />

doch diese Anmerkungen nicht nur Erklärungen schwerverständlicher<br />

Textstellen, sondern legen Zeugnis vom weitschweifigen<br />

Detailwissen des Verfassers ab. Zum zweiten dienen sie<br />

zur historischen Legit<strong>im</strong>ation für den gegenwärtigen Leser bei<br />

unwahrscheinlichen oder unglaublichen Geschehnissen; sie werden<br />

zum Beweismittel des argumentierenden Autors. Drittens schließl<br />

i c h können die Anmerkungen auch als Distanzierungsmittel des<br />

Erzählers fungieren, der in diesen Bemerkungen aus seiner<br />

Dichterrolle heraustreten kann. Betrachtet man nämlich die gelehrten<br />

Anmerkungen zum Ekkeha/id isoliert., also nicht als Zeilenkommentar<br />

des Romans, so geben sie ihre Funktion als Erzählmittel<br />

preis. In meist zeitkritischen Kommentaren äußert sich<br />

der Erzähler scheinbar abschweifend über die Sprache des 10.<br />

Jahrhunderts, die er mit der "kühleren, gefirnißten und abgeschliffenen<br />

Redeweise" <strong>von</strong> heute vergleicht (VI, 44-0, Anm. 75).


75<br />

Der Erzähler kann auch die Romanhandlung humoristisch begleiten;<br />

so vergleicht er z. B. den Sipplinger Wein <strong>von</strong> damals mit<br />

dem heutigen (VI,44-8, Anm. 114)• Er kann allgemeine Zeitkritik<br />

üben (VI,44-7, Anm. 142) oder die "verehrte Leserin" direkt befragen,<br />

ob es ihr nicht ebenso ergehe wie dem Romanhelden (VI,<br />

446, Anm. 133). Die bedeutsame Erzählfunktion des Anmerkungsapparats<br />

bei <strong>Scheffel</strong> kann man daran ablesen, in welchem Verhältnis<br />

Text und Anmerkungen <strong>im</strong> Lkkaka/id und <strong>im</strong> 2unipe./ius<br />

stehen. Symptomatisch für <strong>Scheffel</strong>s spätere Arbeitsweise am<br />

2uriipe./iuA i s t das Ubergewicht, das der geschichtswissenschaftliche<br />

Apparat <strong>im</strong> Verhältnis zur GeschichtserZählung erhält. Denn<br />

nun erläutern nicht mehr die Fußnoten die einzelnen Textstellen,<br />

sondern die Anmerkungen bilden einen verselbständigten, chronologisch<br />

und genealogisch gegliederten Anhang, der keinerlei<br />

Verbindung mehr zur Erzählung hat. Die Anmerkungen des J.unipe./iu4<br />

beweisen nur noch die Gelehrsamkeit des Autors, nicht mehr die<br />

Autentizität des Textes als GeschichtserZählung:<br />

l e t z t l i c h<br />

wird die Novelle zum Beispielfall innerhalb einer archivarischen<br />

Quellenpublikation.<br />

Konnte <strong>im</strong> &kke.ha/td die Geschichte noch "an sich selbst als<br />

49<br />

Poesie" erscheinen , so wird mit der zunehmenden Vertiefung<br />

und Verbreiterung der wissenschaftlichen Geschichtsstudien die<br />

Diskrepanz zwischen historischer und poetischer Arbeit <strong>im</strong>mer<br />

offenkundiger, aus der schließlich die Poesie vollständig verdrängt<br />

wird^. Der Versuch, <strong>im</strong> Geschichtsstudium "die uner-<br />

51<br />

quicklichen Zustände" nach 1848 zu vergessen , führt <strong>Scheffel</strong><br />

auch theoretisch zur Entgegensetzung <strong>von</strong> historischer Wissenschaft<br />

zu Kunst und Leben. Das Leben wird ihm "eine tiefere<br />

und lautere Quelle der Erkenntnis, als in allem zusammenge-<br />

52<br />

suchsten gelehrten Zeug" . Daß die politischen Zeitverhält-<br />

53<br />

nisse "trotz unserer profunden Geschichtsstudien" nur durch<br />

das Schwert gelöst werden können, wird deshalb <strong>von</strong> <strong>Scheffel</strong> so<br />

pess<strong>im</strong>istisch formuliert, damit es nicht eintreten sollte. Für<br />

<strong>Scheffel</strong> selbst bleibt f r e i l i c h die große Tat in der Gegenwart<br />

anstelle trockener Geschichtsforschung nur eine Gebärde. Eine<br />

Aussöhnung dieses Gegensatzes findet deshalb nur personalisiert<br />

statt; als Verkörperung <strong>von</strong> Geschichtsdenken und -erwartungen


76<br />

dessen politischer Erfüllung historischer Erwartungen und <strong>im</strong><br />

Augenblick des offensichtlichen Erfolgs g i l t Bismarck für<br />

<strong>Scheffel</strong> als die Verkörperung der Geschichte als Tat. <strong>Scheffel</strong>s<br />

lebenslange Abneigung gegen Preußen widerspricht dem nicht,<br />

zeigt es doch die Durchsetzungskraft der personalisierten Geschichtserfahrung<br />

des Jahrhunderts. Das Lob Bismarcks für sein<br />

5 5<br />

QaudeamuA i s t <strong>Scheffel</strong> "eine stattliche Anerkennung" . Der<br />

<strong>Scheffel</strong>- und Bismarckfreund Anton <strong>von</strong> Werner hat, das wird<br />

aus dem Briefwechsel deutlich, schon früh eine Begegnung des<br />

56<br />

Dichters mit dem Reichskanzler vermittelt . <strong>Scheffel</strong> i s t stolz<br />

auf die Ehre, mit dem "Gewaltigen" speisen zu dürfen und be-<br />

57<br />

kennt: "Ich liebe ihn und die Seinigen in ihrer Eigenart" .<br />

Als zu <strong>Scheffel</strong>s 50. Geburtstag der eiserne Kanzler dem v i e l ­<br />

geehrten Dichter gratuliert, revanchiert sich <strong>Scheffel</strong> mit<br />

einem telegraphischen Gedicht, das in seinem holprigen Metrum<br />

mehr über <strong>Scheffel</strong> als über Bismarck aussagt, weil es die Geschichte,<br />

nun als politische Aktion, noch einmal und endgültig<br />

den eigenen Geschichtsdichtungen konfrontiert:<br />

"&in gutes Blatt Geschichte<br />

Ist mehr denn tausend Blätter Gedichte." (IX,195)


77<br />

III. DICHTER UND WIRKLICHKEIT<br />

1. Geschichte als Erzählung<br />

Wie die Geschichte als Historie schnell in Widerspruch zur Gegenwart<br />

gerät, so läuft auch <strong>Scheffel</strong>s Literaturverständnis<br />

quer zu konventionellen Gattungserwartungen. Am scheinbar bloß<br />

wortspielerisch gebrauchten Sinn <strong>von</strong> Geschichte als Historie<br />

und als Erzählung kann gezeigt werden, wie der unscharfe Gattungsbegriff<br />

Geschichte die <strong>Scheffel</strong>eigene Form des Dichtens<br />

sehr genau definiert. Die scheinbar unklare Best<strong>im</strong>mung l e i t e t<br />

sich aus einer 'offenen' Form vorrealistischen Erzählens ab; an<br />

Ludwig Tiecks unscharfe Novellendefinition wäre hierbei zu erinnern.<br />

Der poetologische Glaube nach 184-8, die Technik der<br />

Literatur lehren zu wollen und deshalb strukturell eindeutig<br />

definierte Fachbegriffe zu verlangen, g i l t für <strong>Scheffel</strong> noch<br />

nicht.<br />

Im Lkkeka/id meint die Herzogin Hadwig kurzweilige Unterhaltung<br />

durch die mündliche Darbietung deutscher Sagen, wenn sie <strong>von</strong><br />

Ekkehard eine Geschichte fordert (VI,320). Ihr Kämmerer Spazzo<br />

v e r t r i t t eine Gegenposition; ihm wäre es lieber, wenn statt des<br />

Erzählens "zwei Schwerter aufeinander klirren" (VI,322). Beide<br />

kommen in den <strong>von</strong> Ekkehard erzählten deutschen Heldensagen, etwa<br />

<strong>von</strong> Wieland dem Schmied oder König Rother, auf ihre Kosten. Ihre<br />

Kritik richtet sich zwar gegen den Wahrheitsgehalt dieser Geschichten<br />

(VI,336), kann aber deren erzählerischer Konsistenz<br />

nichts anhaben. Wirklichkeit oder die möglichst große Ubereinst<strong>im</strong>mung<br />

mit ihr i s t auf dieser Erzählebene noch kein Kriterium<br />

für Hörer und Erzähler.<br />

Erst die Aufforderung Hadwigs: "Ihr sollet erzählen!" (VI,337)<br />

durchbricht diese stillschweigende Ubereinkunft, weil Ekkehards<br />

Geschichte nun nicht mehr <strong>im</strong> Sinne der deutschen Heldenlieder,<br />

sondern als unhistorische, biographisch aufgefüllte Erzählung<br />

funktioniert. Ekkehard glaubt damit den Erwartungen der Herzogin<br />

zu entsprechen: "Ja wohl, - erzählen! Wer spielt mir die Laute<br />

dazu?" (VI,337). Sein Verlangen nach Musikbegleitung verweist<br />

seine Geschichte aber in eine ganz andere Gattung. Geschichte -


78<br />

das meint hier ein poetisch strukturiertes Empfinden und braucht<br />

nicht unbedingt den Regeln der Erzählprosa zu entsprechen. Ekkehards<br />

Erzählung steht denn auch in schärfstem Gegensatz zu den<br />

beiden vorausgegangenen Erzählbeiträgen <strong>von</strong> Spazzo und Praxedis.<br />

Es i s t eine "kurze Geschichte" (VI,337), eine in Märchenton und<br />

Struktur <strong>von</strong> der Hörererwartung völlig abgesetzte Parabel. Die<br />

Enttäuschung der Herzogin resultiert aus ihrem Unverständnis<br />

für Ekkehards Bruch mit der erzählerischen Konvention:<br />

"Frau Hadwig sprang unwillig auf. Ist das Eure ganze Geschichte?<br />

fragte sie. Meine ganze Geschichte! sprach er mit<br />

unveränderter St<strong>im</strong>me." (VI,337)<br />

Geschichte in diesem Sinn meint also den Kern poetisch-biographischen<br />

Erlebens ebenso wie seine Umsetzung in Erzählformen,<br />

die dann beliebig wählbar sind. Ähnlich i s t auch der Selbstvorwurf<br />

<strong>Scheffel</strong>s in seinem Gedicht "Poetennot" zu verstehen:<br />

"In deinem Leben n<strong>im</strong>mermehr versuch 1 dich am<br />

Geschichtlichen Roman, wenn die Geschichte fehlt<br />

Und zum Roman dein eigen Hirn nicht fähig i s t ! " (IX,102)<br />

Auch Ekkehards Gleichnis wird nicht akzeptiert, er muß also vorerst<br />

"noch eine Geschichte schuldig" bleiben (VI, 34-2). Ekkehards<br />

Erleben dreht sich <strong>im</strong>mer wieder um diese Mitte. "Eine Geschichte,<br />

rief er - o, eine Geschichte! Aber nicht erzählen ... kommt<br />

laßt sie uns tun, die Geschichte!" (VI,342) ruft er der Herzogin<br />

zu. Auf dem Punkt höchster Erregung schlägt die Geschichte<br />

in Wirklichkeit um und verfällt damit auf das andere Extrem.<br />

Erst durch die "alten Mären" Konrads (VI,370) kommt Ekkehard<br />

mit dem Waltharilied in Berührung, mit dem er schließlich seine<br />

eigenen Ansprüche und die Forderungen der Herzogin erfüllen<br />

kann: der Stoff entstammt der früheren Auflage der Herzogin<br />

entsprechend aus der Heldensage; gleichzeitig kann Ekkehard<br />

sein persönliches Erleben einbringen, f r e i l i c h nicht direkt,<br />

sondern in Form eines Gleichnisses:<br />

"Im Bild der Dichtung s o l l das arme Herz sich dessen freuen,<br />

was ihm das Leben n<strong>im</strong>mer bieten kann, an Reckenkampf und<br />

Minnelohn, - ich w i l l das Lied <strong>von</strong> Walthari <strong>von</strong> Aquitanien<br />

singen!" (VI,378)<br />

Eigenes Erleben und Geschichtsdichtung fließen ineinander (VI,<br />

381) und können, so hofft der Erzähler, zum "Denkmal deutschen<br />

Geistes" werden (VI,417). Dichtung zugleich als Ersatz für die


79<br />

Wirklichkeit und als ihr Gegenstück - beides erklärt, warum der<br />

Widerspruch: "die erste große Dichtung aus dem Kreis he<strong>im</strong>ischer<br />

Heldensage, die trotz verzehrendem Roste der Zeit unversehrt<br />

der Nachwelt erhalten war" (VI,4.17) für <strong>Scheffel</strong> nur ein scheinbarer<br />

i s t . Geschichte als Historie und Geschichte als Erzählung<br />

nehmen dieselbe zeitlos menschliche Thematik ,auf und geraten<br />

somit gar nicht in Konflikt.<br />

Ekkehards Geschichten sind deshalb dadurch charakterisiert, daß<br />

sie an der historischen Wahrheit nicht überprüfbar sind: "Es<br />

i s t unbekannt, ob dies derselbe Ekkehard war, <strong>von</strong> dem unsere<br />

Geschichte erzählte" (VI,4.28). Alle Versuche, die Erzählwelt in<br />

ihrem Realitätsgehalt zu bezweifeln, tragen deshalb nicht, weil<br />

sie deren Eigengesetzlichkeit unterschätzen: "Aber wer der Geschichte,<br />

die wir jetzt glücklich zu Ende geführt, aufmerksam<br />

folgte, weiß das besser" (VI, 4-28). Denn der Raum dieser Geschichte<br />

als Erzählung befand sich <strong>von</strong> Anfang an in "einem Lande der<br />

Fabel", genauso wie Praxedis in Griechenland diese Geschichte<br />

weitererzählen wird (VI,4-29). Als Geschichte aus der Geschichte<br />

ordnet sich diese Erzählung ein in einen unaufhörlichen Traditionsstrom<br />

<strong>von</strong> Geschichten, "und neue Geschichten haben die a l ­<br />

ten in Vergessenheit gebracht" (VI,4.30) - so wie alle Werke<br />

<strong>Scheffel</strong>s in irgend einer Weise Geschichten sind: t~k.ke.ha/id, <strong>im</strong><br />

Untertitel "Eine Geschichte aus dem 10. Jahrhundert"; Junipe/iut,<br />

die "Geschichte eines Kreuzfahrers"; tiugideo, "Eine alte Geschichte".<br />

Selbst der unvollendet gebliebene Wartburgroman<br />

sollte "Eine Geschichte aus der Zeit des Sängerkriegs auf der<br />

Wartburg" werden. Sogar die Zueignung des 7/iompete/i verweist<br />

auf die "Geschichte <strong>von</strong> dem jungen Spielmann Werner und der<br />

schönen Margareta" (1,4).<br />

2. Dichter und Realität<br />

Es verwundert nicht, daß jemand, der solche Geschichten erzählt,<br />

seine eigene Dichterrolle in ein grundsätzliches Verhältnis<br />

zur Umwelt setzt. An seine Mutter schreibt <strong>Scheffel</strong> 18 56:<br />

"Die Welt, die keine Vorstellung da<strong>von</strong> hat, daß die naturgemäße<br />

und einzig ersprießliche Stellung des Künstlers darin<br />

besteht, keine Steüung zu haben, das heißt: keinem äußeren<br />

die freie schaffende Arbeit des Geistes hemmenden Zwang


80<br />

unterworfen zu sein, verlangt <strong>von</strong> einem Mann, der an Gründung<br />

eines häuslichen Herdes denkt, eine sociale Position,<br />

T i t e l , Rang und Gott weiß was noch. Ich selber habe bis jetzt<br />

mit ängstlicher Vorsicht mir Alles vom Hals gehalten, was<br />

nach Derartigem aussah, und wußte wohl warum." (1)<br />

Wenn auch diese Äußerung durch die Enttäuschung über das Scheitern<br />

seiner Verlobungspläne ausgelöst i s t , so bleibt doch der<br />

Grundton für <strong>Scheffel</strong>s weiteres Leben erhalten. Immer sieht er<br />

sich "<strong>im</strong> doppelten Geschirr eines Geschäftsmannes und eines<br />

2<br />

Poeten" und dabei "in die doppelte Hetzjagd einer großen,<br />

schriftstellerischen Arbeit und höfisch geselligen Lebens" ge-<br />

3 '<br />

zwängt . Allerdings betrachtet <strong>Scheffel</strong> seine Dichterstellung<br />

als "contre Coeur" erworben^. Aus dieser Haltung heraus hat<br />

<strong>Scheffel</strong> es Zeit seines Lebens abgelehnt, auch nur "proforma<br />

5<br />

ein Amt" anzunehmen . Mit zunehmendem Alter verschärft sich<br />

dieser Gegensatz, so daß zwischen beiden Lebenshaltungen kein<br />

Ausgleich mehr möglich i s t :<br />

v"Es i s t ein großer Irrtum, wenn man glaubt, den Dichter oder<br />

Historiker durch Ankettung an ein Staatsamt zu fördern; man<br />

muß ihn f r e i forschen und arbeiten lassen, wie es der Gegenstand<br />

verlangt. Wenn ich ein wohlversorgter Bibliothekar oder<br />

Archivmann wäre, so wäre ich eben kein produktiver Schriftsteller<br />

mehr. Hier heißt es: entweder - oder." (6)<br />

<strong>Scheffel</strong>s Suche nach sozialer Freiheit in der Dichterrolle und<br />

sein Scheitern daran sind jedoch nicht einfach individualpsychologisch<br />

zu bedauern. Man hat die Genese des freien und damit<br />

aus den sozialen Bindungen gelösten Schriftstellers als den da-<br />

7<br />

zu gehörigen Hintergrund <strong>im</strong> Auge zu behalten .<br />

<strong>Scheffel</strong> löst dieses zeittypische Problem des freien Schriftg<br />

stellers auf dem bürgerllichen Markt auf sehr eigenständige,<br />

doppelte Weise. Zum ersten schlüpft <strong>Scheffel</strong> in die anachronistische<br />

Rolle des Sänger-Dichters "Magnus vom finstern Grunde"<br />

aus der T/tau Auentiune. (111,89-96). Die Stilisierung <strong>von</strong> Magnus<br />

' Dichterleiden zur Rolle des sozialen Außenseiters unter<br />

der Maske des Gehe<strong>im</strong>nisvollen (Beiname!) macht diesen zum<br />

Mahner und Zeitkritiker: "Verbuhlte Stadt, golddurstiger<br />

Menschenhaufen, / Es geht an euch!" (111,89). Die "heilige Einsamkeit"<br />

als seine natürliche Lebensform läßt den Dichter die<br />

Welt aus anderer Perspektive sehen: als Mann der unteren Sphären<br />

(Beiname!) sieht er die Welt gleichzeitig <strong>von</strong> unten wie


81<br />

<strong>von</strong> oben (111,90: "Ameisenhaufen"). Die Welt des Marktes und des<br />

<strong>bürgerlichen</strong> Handels findet in merkwürdig archaischen Wendungen<br />

Eingang (Kaufherr, Kaufweib, Kaufmannsdiener, Marktgeschäfte).<br />

Ihr kontrastiert sich die <strong>von</strong> Magnus auf den Schild gehobene<br />

"Ritterkunst" (111,93). Dieses Signal einer vor<strong>bürgerlichen</strong> Gesellschaftsordnung<br />

i s t indes der Gegenwart nicht mehr gewachsen.<br />

Die Wirklichkeit der Zeit fordert <strong>im</strong> Rollenlied das Verschwinden<br />

des Sängers. Der Nutzen der Dichtung als Kunst wird dabei<br />

als Gebrauchsgegenstand gemessen oder vielmehr "gewogen" und zu<br />

leicht<br />

befunden:<br />

"Zeuch ab, mein schlanker Magnus,<br />

Dein Mäntlein reicht nicht hin,<br />

Wir brauchen Samt und Scharlach,<br />

Verbrämt mit Hermelin.<br />

Zeuch ab, mein schlanker Magnus,<br />

Dein Wämslein i s t zu eng,<br />

Wir brauchen Gugelzipfen<br />

Mit Glöcklein und Gespräng.<br />

Zeuch ab, mein schlanker Magnus,<br />

Dein Täschlein i s t zu leer ..<br />

Wir brauchen's <strong>von</strong> Byzantern<br />

Und Lilientalern schwer.<br />

Zeuch ab, mein schlanker Magnus,<br />

Und schweig <strong>von</strong> deiner Kunst!<br />

Wir haben dich gewogen ...<br />

Was wiegt eine Handvoll Dunst?" (111,93)<br />

Die 'vermarktete' Welt mißt mit dem ihr eigenen Maß - sie wiegt.<br />

Sie wiegt den Sänger/Dichter und meint damit seine Kunst zu<br />

wiegen. Im Re<strong>im</strong>zusammenfall <strong>von</strong> "Kunst" und "Dunst" werden Werte<br />

kombiniert, mit deren Hilfe man das Schweigen des Dichters<br />

fordern kann. <strong>Scheffel</strong> selbst wird dieses Schweigen später als<br />

selbstgewählte Entscheidung ausgeben. Die Bedrohung des machtlosen<br />

Sänger-Dichters Magnus schlägt jedoch um in eine pathetische<br />

Geste, eine Vision, man könne die feindliche Welt "in<br />

Maulwurfsweise" (111,94-) unterlaufen. Der Tag der Abrechnung<br />

i s t für Magnus nicht mehr fern.<br />

"Wer mich nicht kannte, lernt mich heut noch kennen,<br />

.. Das Jagdwams fällt, in Stahl starrt Mann und Roß ..<br />

Ein Landgewalt'ger w i l l den Platz berennen,<br />

Ich bin sein Dienstmann und sein Kampfgenoß!" (111,94)<br />

Das Aushöhlen und Unterlaufen bürgerlicher Lebensstrukturen


82<br />

und Marktmechanismen durch die grandiose Drohung mit den Formeln<br />

vorstaatlicher Gewaltanwendung trägt indes nicht mehr.<br />

Die zweite Möglichkeit, den eigenen Dichteranspruch auf die<br />

Wirklichkeit zu beziehen, gewinnt <strong>Scheffel</strong> in Anlehnung an das<br />

Vorbild Schillers. Dieser Rückgriff gerade auf Schiller mutet<br />

auf den ersten Blick merkwürdig an, scheint er doch ein nicht<br />

mehr tragbares klassizistisches Dichtungsverständnis in die<br />

o<br />

Gegenwart zu transportieren . Doch <strong>Scheffel</strong>s persönlich formul<br />

i e r t e Erfahrung,<br />

"daß dieselbe Welt, die vor Schillerenthusiasmus fast<br />

närrisch war, noch <strong>im</strong>mer den Künstler nicht als einen sicher<br />

in ihr fußenden Mann betrachtet" (10),<br />

kommt der historische Zufall der so prächtig begangenen Jahrhundertfeier<br />

<strong>von</strong> Schillers Geburtstag 1859 zu Hilfe. An dieser<br />

Diskrepanz <strong>von</strong> pathetisch gefeierter Dichterhuldigung und dem<br />

Unverständnis gegenüber den Zeitgenossen reflektiert <strong>Scheffel</strong><br />

die<br />

eigene Literatenrolle:<br />

"Von Schillerfeiern weiß ich Nichts, da ich den Zweckessen,<br />

Dilettantenmusiken u. Vorträgen gelehrter Philister über<br />

das Undefinirbare einer Dichtersprache nicht Freund bin u.<br />

zu gut weiß, daß trotz alles ästhetischen Enthusiasmus die<br />

Nation heute noch wie ehedem ihre Künstler <strong>im</strong> Dreck stecken<br />

läßt, wenn sie nicht zufällig aus eigener Kraft sich durchgeschunden<br />

zur Geltung - oder - tod sind." (11)<br />

In dieser Mißachtung der sozialen Stellung des <strong>Dichterberuf</strong>s<br />

macht<br />

<strong>Scheffel</strong><br />

"die bittere Erfahrung, daß trotz allen Schillerfesten und<br />

SchillerStiftungen, trotz allem schönen Gerede und Schwärmen<br />

für die Kunst, der Künstler selber in Deutschland <strong>im</strong>mer noch<br />

zu den Leuten <strong>von</strong> verdächtiger sozialer Position geordnet<br />

wird." (12)<br />

Aus dieser verachteten sozialen Position kann der Dichter aber<br />

auch eine Stellung außerhalb realer Standesbeschränkungen ableiten.<br />

Diese 'freie' Stellung verschafft ihm dann Privilegien,<br />

die gesellschaftliche und poetische Folgen zugleich haben:<br />

"Der Poet hat a l l e r l e i Vorrechte, die sich andere Leute<br />

nicht herausnehmen dürfen: er redet Kaiser und Könige mit<br />

Du an, und man n<strong>im</strong>mt's ihm nicht übel." (13)<br />

Auch bei <strong>Scheffel</strong> liegt der Verdacht nahe, daß der Dichter seinen<br />

Beruf nicht nur um des Dichtens willen, sondern ganz be-


83<br />

wüßt auch als einen gesellschaftlichen Stand ann<strong>im</strong>mt. Dieser<br />

Beruf i s t dann allerdings keine Folge seiner poetischen Produktion<br />

mehr; er wird jetzt vielmehr die Voraussetzung für diese.<br />

Ein Dichter kann dann auch sein, wer nichts produziert als<br />

seine eigene Dichterpersönlichkeit:<br />

"Meine richtige Position bleibt vorerst die, durch eigene<br />

Arbeit künstlerisch an meiner eignen Vollendung thätig zu<br />

sein. Vielleicht kommt Etwas <strong>im</strong> Schlaf." (14-)<br />

Die eigene Person geht schließlich <strong>im</strong> Selbstbewußtsein des <strong>Dichterberuf</strong>s<br />

auf, weil (noch nicht vorhandene) dichterische Produktion<br />

und Poesieanspruch identisch werden. So fordert der<br />

29jährige(!) <strong>Scheffel</strong> in seinem Testament:<br />

"Auf den Ort, wo ich begraben werde, s o l l man, wenn's in<br />

welschen Landen i s t , einen einfachen Stein mit der Inschrift<br />

Josefus Victor <strong>Scheffel</strong>, poeta, setzen." (1$)<br />

Auf diese Weise sorgt der noch unbekannte Dichter schon für<br />

seinen eigenen poetischen Nachruhm vor. Noch der alte <strong>Scheffel</strong><br />

unterschreibt als längst berühmter Dichter 1884- einen zwar<br />

läppischen, aber eben gere<strong>im</strong>ten Geburtstagsspruch mit voller<br />

Berufsbezeichnung als "Gemeindepoet" (IX,237). Seinem Dichterkollegen<br />

Paul Heyse, auch er ja <strong>im</strong> Bewußtsein dichterischer<br />

Bedeutsamkeit, konnte <strong>Scheffel</strong> schon sehr früh offen gestehen,<br />

wie identisch ihm <strong>Dichterberuf</strong> und Selbstbewußtsein sind:<br />

"- denn <strong>im</strong> innersten Herzen s i t z t mir die Kunst u. nur die<br />

Kunst u. die wirft Bücher u. Folianten u. Gelehrsamkeit u.<br />

allen Plunder epigonischer Zeiten fröhlich zur Kammer hinaus<br />

u. ruft 'Hurrah, ich bin, weil ich bin!'" 16)<br />

Damit, so könnte man sagen, reagiert <strong>Scheffel</strong> auf eigene Weise<br />

auf das Cogito, e./igo tum des Descartes.<br />

Für den Verfasser des ersten Nachrufes 1886 war dann offens<br />

i c h t l i c h , daß der verstorbene Dichter <strong>im</strong> Gegensatz zu vielen<br />

anderen Schriftstellern der Zeit ein recht poetisches Verhältnis<br />

zur Wirklichkeit hatte:<br />

"Er war kein Honorarverdiener, kein Zeilenschreiber, ihm war<br />

die Muse keine Milchkuh, die ihn mit Butter versorgte, wie<br />

sie so manche unsrer jetzt lebenden Dichte./i auffassen, er<br />

sprach nur, wenn der Geist in ihm ihn reden trieb." (17)<br />

Einem so handfesten Umgang mit der Poesie als einer "Milchkuh"<br />

hatte sich nicht nur <strong>Scheffel</strong> verweigert. Auch Wilhelm Büschs


SA<br />

Balduin Bähiam (1887) i s t dabei als satirisch gegebene Hintergrundsfigur<br />

zu denken, dessen Dichtversuche nicht bloß an der<br />

Wirklichkeit leiden, sondern handgreiflich scheitern. <strong>Scheffel</strong><br />

selbst i s t , wie "nur wenig Auserwählten", "die Kunst wahres<br />

1 8<br />

Herzensbedürfnis" . Dieses "Herzensbedürfnis" i s t f r e i l i c h fest<br />

<strong>im</strong> Leben angesiedelt. Schon die Zueignung des 7/iompe.£e./i hatte<br />

die eigene Kunst gegen die der Zeitgenossen abgesetzt und dort<br />

das Lebensferne und Leblose dieser Dichtung k r i t i s i e r t , während<br />

sie für sich Best<strong>im</strong>mungen wie "rotwangig", "lerchenfröhlich und<br />

gesund" (1,6) in Anspruch nahm. Auch seine Arbeit am Lkkeka/id<br />

kann <strong>Scheffel</strong> auf die Telegrammformel bringen: "Ekkehard wird<br />

1 9<br />

gesund und kräftig mit ächter Alpenpoesie zu End geführt" .<br />

Solchen Vorstellungen <strong>von</strong> echter, kräftiger und lebensvoller<br />

Dichtung läuft natürlich die Ablehnung <strong>von</strong> Planung, Flegelhaftigkeit<br />

und Rationalität parallel. Schon für den 7/lompate/i proklamiert<br />

<strong>Scheffel</strong> das Wachsen des Gedichts statt des Baus auf Grund<br />

gelehrter Studien (1,4-). In diesem Sinn g i l t auch jede K r i t i k<br />

nur dann als ernstzunehmendes Urteil, wenn es dem eigenen Erleben<br />

entspricht:<br />

"Was an Lob und Tadel bemerkt wird, läßt mich sehr ruhig, da<br />

ich nichts Neues daraus erfahre und übel berathen wäre, wenn<br />

ich mich nach Einfällen anderer, die ebenso subjektiv sind<br />

wie meine eigenen, ängstlich richten wollte." (20)<br />

Aber bald gerät <strong>Scheffel</strong> in Widerspruch zu seinen subjektiven<br />

Behauptungen durch seine tatsächliche Arbeitsweise. Die früher<br />

abgelehnte 'objektive' Wissenschaft .als unpoetische Rationalität<br />

dient ihm jetzt zum Aufbau einer Synthese <strong>von</strong> Wissenschaft und<br />

Kunst:<br />

"denn Wissenschaft und Kunst sind in gewissem Sinn eint,<br />

beide sind geistige. Tat, befriedigendes Leben, und ich würde<br />

streben, entweder in der Wissenschaft künstlerisch oder in<br />

der Kunst wissenschaftlich, d. h. den ewigen Grundsätzen des<br />

Schönen zu wirken." (21)<br />

Wirklichkeit dringt dabei insofern in <strong>Scheffel</strong>s Dichtungen ein,<br />

als die Wissenschaft der Gegenwart selbst zum Gegenstand des<br />

Di cht f.- s werden kann. In seinen vor 1850 entstandenen und die<br />

Philosophie parodierenden Studentengedichten (IX,69-73) benutzt<br />

<strong>Scheffel</strong> diese Wissenschaft als zitierbares Material. Abstrahierte<br />

Begriffe aus der idealistischen Philosophie werden in


8$<br />

Allegorien gekleidet und in AlltagsVokabular einmontiert. Die<br />

dadurch erzeugten komischen Effekte relativieren nicht nur den<br />

zeitgenössischen Wissenschaftsjargon; <strong>im</strong> Gedicht "Elegie" (IX,71)<br />

bildet <strong>Scheffel</strong> mit dieser Mischung aus absolut gesetzten Begrifflichkeiten<br />

und der Umgangssprache eine eigene Sprachschicht.<br />

22<br />

Beide Ebenen verfremden sich gegenseitig . In gleicher Sprachmanier<br />

bietet sich aber auch die humorvolle Gegenposition an,<br />

der Versuch nämlich, der verkünstelten Rationalität eine pr<strong>im</strong>itive<br />

Aktivität in der Wirklichkeit entgegenzusetzen. Der Säufer<br />

s t e l l t seine Wirtshausbesuche als Mittel gegen die Schlechtigkeit<br />

der Zeiten hin. Durch die Mischung zweier Sprechebenen<br />

wird der banale Akt des Rausches überhöht:<br />

"Dies erwägend lenkt der Denker<br />

Seine Schritte stumm zur Schenke,<br />

Und ertrinkt <strong>im</strong> trüben Pathos<br />

Ob der Zeit chaot'schem W<strong>im</strong>meln.<br />

Und begrifflich säuft er weiter,<br />

Und wenn er <strong>im</strong> schiefen Gang dann<br />

Basislos und krumm herumwankt,<br />

Spiegelt sich in ihm das Weltall!" (IX,71)<br />

Saufpoesie - so verstanden - reagiert als Wirklichkeit auf übertriebene<br />

Sprachabstraktionen. Als Gegenbeispiel dieser Tendenz<br />

kann das Tischlied zur Philologen- und Schulmännerversammlung<br />

<strong>von</strong> 186$ in Heidelberg dienen. Unter gewaltigem Aufwand an angesammelten<br />

Sprachformeln berichtet ein sprechendes Faß über die<br />

Trinkgewohnheiten aller Zeiten als "Kultur- und Sprachgeschichte"<br />

(IV,60). Nutzlose Wissenschaftsbruchstücke werden hier <strong>von</strong><br />

<strong>Scheffel</strong> zur Legit<strong>im</strong>ation seines Wirklichkeitsanspruchs <strong>von</strong><br />

Poesie aufgewendet: das Faß "dekliniert sich selbst" in gotisch<br />

und althochdeutsch (IV,62)! Der Zweck des Gedichts rechtfertigt<br />

sich in der Selbstbestätigung des Dichters: "... Ich b i t t 1 nur<br />

um die Note gut / In Sp/iache und Geschichte." (IV,63).<br />

In beiden Möglichkeiten, die eigene Realität in das Gedicht<br />

einzulassen, liegt schon der Grenzbereich eingeschlossen, in<br />

dem die Realität als Dichtung erlebt, wie diese rezeipiert und<br />

sogar durch sie ersetzt werden kann. So wie <strong>Scheffel</strong> nach 184-8<br />

an seinen Jugendfreund Schwanitz schreibt, er habe den Glauben<br />

2 3<br />

an "die Poesie der Revolution verloren" , so i<br />

Romantik als Kunst- und Lebensprinzip zugleich<br />

n<br />

m<br />

auch die<br />

+<br />

* Man hat mit


86<br />

einigem Recht auf die "Fragwürdigkeit einer aufs Literarische<br />

schielenden Lebensbewältigung" hingewiesen, wenn die Poesie zum<br />

p r<br />

"Lebenssurrogat" verkomme . Uberträgt man nämlich diese poetische<br />

Betrachtungsweise auf die Beurteilung der Realität, so entsteht<br />

eine Pose realen Nachvollzugs poetischer Erfahrungen. Wie<br />

Goethe und die Romantiker hat auch <strong>Scheffel</strong> sein Italienerlebnis:<br />

"Welschland hat den großen Reiz, daß man ?.e.(Le.n lernt, [. . .J<br />

2 6<br />

- und daß man daß Denken dabei nicht vergißt." Freilich i s t<br />

diese angebliche Lebenserfahrung nur ein reproduziertes Kunsterlebnis.<br />

In der Folge sind Realitätserfahrung und Kunstverständnis<br />

überhaupt nicht mehr zu trennen.<br />

Bei seinen historischen Romanstudien versetzt sich <strong>Scheffel</strong><br />

nicht etwa in die Vergangenheit, sondern lebt in ihr: "Ich habe<br />

indeß wieder ganz in den Tiefen des Xten und sodann des X l l l t e n<br />

27<br />

Jahrhunderts gelebt" . Das Eintauchen ins Erlebnis der Quellen<br />

führt be<strong>im</strong> älteren <strong>Scheffel</strong> zwar zur inneren Ruhe, aber nicht<br />

mehr zum Dichten. So schreibt er 1866 dem Mitdichter Paul Heyse:<br />

"Bei mir i s t ziemlich s t i l l e . Ich habe die Poesie <strong>im</strong> Erlebnis<br />

2 8<br />

gesucht statt in der Production"<br />

Dahinter steckt die Durchschlagskraft einer Wirklichkeitserfahrung,<br />

der die poetische Rolle nicht mehr gewachsen i s t . <strong>Scheffel</strong>s<br />

lebenslanger Traum "<strong>von</strong> real einfachem Leben" (1,13) wäre<br />

nun höchstens biographisch interessant, wenn sich in seiner Verwirklichung<br />

nicht literarische Mechanismen abzeichneten. Die<br />

Erkenntnis,<br />

"daß Einsamkeit nur eine Schule fürs Leben i s t , nicht das<br />

Leben selbst, und daß wertlos verderben muß, wer in der<br />

gr<strong>im</strong>men Welt <strong>im</strong>merdar nur müßig in sich hineinschauen w i l l , "<br />

diese Erkenntnis g i l t für Ekkehard (VI, 4-24-) » aber nicht für<br />

<strong>Scheffel</strong>. So wie Ekkehards Dichtrruhm erst beginnt, als er<br />

schon längst zu dichten aufgehört hat (VI,4-26f), so ergeht es<br />

auch <strong>Scheffel</strong>. Daß sein eigentliches Lebensziel <strong>im</strong>mer schon ein<br />

anderes als das poetische gewesen i s t , gibt <strong>Scheffel</strong> in einem<br />

Brief an seinem Geburtstag(!) 1863 preis:<br />

"Wenn ich mein Leben f r e i gestalten könnte, würde ich ein<br />

abgeschiedenes Häuslein <strong>im</strong> Gebirge oder an einem See bewohnen,<br />

und die Städte nur ausnahmsweise betreten." (29)<br />

Dieses Ziel verwirklicht <strong>Scheffel</strong> in Radolfszell. "Hier in


87<br />

Radolfszell war er alles: Landwirt, Weinbergbesitzer, Jäger und<br />

30<br />

Fischer, nur nicht Dichter" . Der Besuch Herbert <strong>von</strong> Bismarcks,<br />

des Sohn des Reichskanzlers, g i l t dem Gutsbesitzer <strong>Scheffel</strong> und<br />

31<br />

setzt der Radolfszeller Einsiedelei noch 1877 Glanzlichter auf .<br />

Für die Dichtung bleibt <strong>Scheffel</strong> wenig Zeit; sie wird <strong>von</strong> anderen<br />

Dingen, so z. B. der Schaffung <strong>von</strong> materiellen Sicherheiten<br />

für seinen Sohn überlagert:<br />

"Meine Arbeit der letzten Jahre, dem freudig heranblühenden<br />

Sohn einen künftigen Besitz herzurichten, der wenigstens<br />

zeitweise dem Leben frische Luft zuführt, i s t darum der<br />

Kunst nicht zustatten gekommen, wenn sie auch guten Erfolg<br />

hatte." (32)<br />

Der Bauer <strong>Scheffel</strong> merkt allmählich, daß es mit seiner Dichtkunst<br />

nicht mehr weit her i s t :<br />

"Die Ehren der Welt haben keinen großen Eindruck gemacht, <strong>im</strong><br />

rauhen Getrieb des realen Lebens, das ich durch Ansiedelung<br />

am Untersee und ungesegneten Betrieb <strong>von</strong> Weinbau und Landwirtschaft<br />

bös kennen lernte, nehmen auch die Musen keine<br />

dauernde He<strong>im</strong>statt mehr und so merke ich allmälig, daß der<br />

Zenith lang schon überschritten i s t und v i e l Gutes kaum mehr<br />

nachfolgen wird." (33)<br />

Schon zwei Jahrzehnte früher hatte er erkannt: "Aber zu einem<br />

gesunden Leben scheint die Poesie keine tägliche Nothwendigkeit<br />

3Z.<br />

zu sein" . Das war nach dem Abschluß der T/tau Avantiu/ie. geschrieben<br />

und <strong>Scheffel</strong>s Musen haben sich daran gehalten. Die<br />

Poesie i s t nicht nur "keine tägliche Nothwendigkeit" mehr,<br />

sondern die Musen kehren überhaupt nicht mehr bei ihm ein.<br />

Die darin vorweggenommenen Einsiedelei-Gedanken, die <strong>Scheffel</strong><br />

als Gutsherr unter den Radolfszeller Bauern auslebt, kann man<br />

3 5<br />

natürlich als eine Form der Wirklichkeitsflucht deuten . Aber<br />

so einfach i s t das poetische Bewußtsein nicht zu verdrängen.<br />

<strong>Scheffel</strong>s Briefe, in denen sonst <strong>im</strong>mer über die Dichterstellung<br />

in der Welt reflektiert worden war, werden in dieser Zeit zu<br />

Küchenzetteln, in denen sich die Auseinandersetzung mit der<br />

Umwelt auf banalste Weise abspielt: "Es steht Alles gut u. aussichtsreich.<br />

Ich schikke nächstens 2 Sakk Kartoffeln."<br />

Doch als Dichter w i l l sich <strong>Scheffel</strong> noch <strong>im</strong>mer betrachtet wissen.<br />

Die Dingwelt habe nur, so behauptet er, "der dichterischen<br />

37<br />

St<strong>im</strong>mung zur Zeit/!/ ein Bein gestellt" . Dabei w i l l <strong>Scheffel</strong><br />

nicht wahrhaben, daß seine Poesie zunächst <strong>von</strong> Privatem über-


88<br />

lagert wird und damit ihren Öffentlichkeitscharakter vollständig<br />

verliert. Insofern i s t es kaum noch ironisch zu verstehen, was<br />

der Kater Hiddigeigei <strong>im</strong> 7/iompete/i eins prophezeiht hatte:<br />

"Seinen Hausbedarf an Liedern<br />

Schafft ein jeder selbst sich-heute." (1,150)<br />

Abgeleitet i s t diese Ansicht übrigens aus dem Vormärz-Liberalismus,<br />

wie <strong>Scheffel</strong> über seine eigenen dichterischen Versuche<br />

an seinen Studienfreund Eggers schon 1845 bekennt:<br />

"Die traurige Wahrheit, <strong>von</strong> der Gervin/=Gervinus_7 <strong>im</strong> letzten<br />

Semester sprach, daß es leider in unserer Zeit mit der Poesie<br />

so weit gekommen, daß jeder sich seinen riausieda/if daran<br />

selber schaffe, hat sich auch an mir erprobt." (38)<br />

Vor 1848 mag das noch wenig ernst gemeint sein. Sicherlich toternst<br />

meint es <strong>Scheffel</strong> in seinem Testament vom 24. März 1857,<br />

in dem er sich zu einer möglichen Veröffentlichung seines<br />

dichterischen Nachlasses äußert: "keine Gedichte; - es i s t ein<br />

3 grt<br />

Unsinn, solche zu machen - anders als zum Hausgebrauch" .<br />

Dichtung, so i s t zu schließen, hält der Wirklichkeit nicht<br />

stand, wenn sie sich mit dem ureigensten Poetischen begnügt.<br />

Erst wenn das Dichterische in die Nähe des Alltäglichen rückt,<br />

erhält es eine neue Qualität:<br />

"Nur ein würz'ger Bratenduft noch<br />

Schwebte l i e b l i c h durch die Stube,<br />

Gleich dem Liede, drin der tote<br />

Sänger bei der Nachwelt fortlebt." (I,16)<br />

Die Nähe des Poetischen zum Kulinarischen bleibt kein Einzelfall.Gültig<br />

i s t beides noch <strong>im</strong> Vergleich mit dem bewahrten<br />

Eigenwert des jeweils anderen. Zu einem seiner Gedankensprüche<br />

verkürzt s t e l l t <strong>Scheffel</strong> sogar die völlige Identität her, wenn<br />

er die Hausfrauen<br />

ermahnt:<br />

"Ein gut Gericht<br />

Ist auch ein Gedicht!" (IX,252)<br />

In dem Liedern des Vogt <strong>von</strong> Tenneberg (111,48-50) hat <strong>Scheffel</strong><br />

diese Tendenz zum Verbauern des Poesiebewußtseins ironisch dargestellt.<br />

Die sonderbare Kauzgestalt des Vogt <strong>von</strong> Tenneberg<br />

hat zwar alle offensichtlichen Attribute des Dichters abgelegt,<br />

bleibt aber mit der Dichterrolle des lyrischen Ichs verknüpft:


89<br />

"Ich bin der Vogt <strong>von</strong> Tenneberg,<br />

Den Minne nie befangen,<br />

Im Lindenwipfel streck ich mich<br />

Und laß die Beine hangen." (111,48)<br />

Die kompromißlose Weiberfeindschaft, die den Tenneberger mit<br />

<strong>Scheffel</strong> verbindet, wird jetzt ebenso wie die Ich-Rolle und<br />

das Präsens aufgegeben. Der Vogt hat sich mittlerweile in<br />

einer ganz anderen Form niedergelassen:<br />

"Das war der Vogt <strong>von</strong> Tenneberg,<br />

Den Liebe nie umfangen.<br />

Mit Weib und Kind selbsiebent kommt<br />

Vergnügt er jetzt gegangen." (111,49)<br />

Er muß jetzt seine Kinder hüten statt zu singen; wo einst seine<br />

baumelnden Beine hingen, hängen jetzt Windeln:<br />

"Im Lindengrün zum Trocknen jetzt<br />

Gewaschne Windeln hangen" (111,49).<br />

Von den Rückständen des Poetischen <strong>im</strong> Tenneberger i s t mittlerweile<br />

nichts mehr geblieben als ein Wiegenlied-Singen:<br />

"Und s t i l l e ward es, mäusleinstill<br />

Im Wipfel und am Stamme.<br />

Er singt nur, wenn der Dienst es w i l l<br />

Zur Ablösung der Amme:<br />

'Wigen wagen, gugen gagen,<br />

Ach mir tagen sanfte Plagen,<br />

Schreier, Schreier, kleiner Schreier, schweig,<br />

ich w i l l ja gern dich wagen! 1 " (111,50)<br />

Im 'Wagnis' des Kinderwiegens und Wiegenlied-Singens r e l a t i ­<br />

viert sich auch die heroische Haltung des poetischen Weiberfeinds.<br />

Aus dem ironisch gesehenen Unbehausten wird der behäbige<br />

Familienvater.<br />

Genauso, nur ernster ins Repräsentative und Endgültige s t i l i ­<br />

siert <strong>Scheffel</strong> sein eigenes Häuslichwerden:<br />

"Selbstverständlich kehren auch die Musen bei einem Mann,<br />

der um Markt- und Holzpreise Sorge zu tragen hat, nicht mehr<br />

v i e l ein; seit 3 Jahren ruht meine Dichtung und die Feder<br />

revidirt Rechnungen. Alles Schl<strong>im</strong>me trägt aber einen Ke<strong>im</strong><br />

des Guten in sich, und wie ich lächle, wenn <strong>im</strong> Garten die<br />

Rosen erfrieren und der Kohl gedeiht, so muthet es mich<br />

seltsam an, daß bei dieser poesielosen Wirthschaft die Verhältnisse<br />

vorwärts gehen und mir <strong>im</strong> vorigen Jahr gestattet<br />

haben ein kleines Grundstück am Bodensee zu erwerben, auf<br />

dem ich - zu stillem Studiren und Schaffen - ein bescheidenes<br />

Landhäuslein zu bauen gedenke. Da die Tage sich folgen


90<br />

aber sich nicht gleichen, hoffe ich dort in Ruhe und Weltabgeschiedenheit<br />

mich <strong>von</strong> den schweren Eindrücken dieser letzten<br />

3 Jahre an leichtem Spiel dichterischer Gedanken zu erholen.<br />

In die große Welt tauge ich nicht mehr. (39)<br />

In dieser zentralen Stelle werden die Versuche, zwischen dichterischer<br />

Rolle und der Durchschlagskraft der Dingwelt zu vermitteln,<br />

so recht deutlich. Im Bild vom Gedeihen des Kohls be<strong>im</strong><br />

Erfrieren der Rosen akzeptiert <strong>Scheffel</strong> seinen Rückzug aus der<br />

Poesie, allerdings nicht ohne Vorbehalt. Ist doch gerade der<br />

Rückzug in die Idylle dadurch motiviert, einen ungestörten Ort<br />

zum Dichten zu finden! Die Formulierung vom "Studiren und<br />

Schaffen" wird zur flugs als A l i b i eingestreuten Floskel (in<br />

Gedankenstrichen!). Doch verrät das Adjektiv ( " s t i l l " ) sich<br />

selbst als das, was es i s t : ein Nicht-Dichten. Die ehemaligen<br />

Dämonen der Poesie sind längst zum "leichten Spiel dichterischer<br />

Gedanken" geworden; sie haben mit dem ehemaligen Dichter leichtes<br />

Spiel. Insofern i s t der Widerspruch also erklärbar, wenn<br />

auch nicht auflösbar.<br />

Der alternde <strong>Scheffel</strong> gibt sich über den Wert seiner Festbeiträge<br />

und Huldigungsgedichte allerdings noch der Illusion hin,<br />

er könne sein Dichtertum dort wieder aufnehmen, wo er es liegengelassen<br />

habe. Um ein <strong>von</strong> ihm früher geprägtes Bild abzuwandeln:<br />

für <strong>Scheffel</strong> heißt es, den besoffenen Pegasus noch einmal zu<br />

satteln:<br />

"daß, nachdem ich so lange <strong>im</strong> Kampf mit widrigen Verhältnissen<br />

und der ökonomischen Wucht des Lebens als Dichter brach gelegen,<br />

jetzt f l o t t und f r e i das Roß Pegasus mit goldenen<br />

Schwingen wieder Einkehr hält be<strong>im</strong> alten Meister." (4-0)<br />

Daß das Verstummen der Poesie nicht auf die juristischen Schwierigkeiten<br />

<strong>Scheffel</strong>s mit seinen Nachbarn um die Fischereirechte<br />

oder auf die "ökonomische Wucht des Lebens" a l l e i n zurückgeht,<br />

sondern einen Teil seines Dichtens ausmacht, läßt sich schon<br />

an einem Brief des jungen <strong>Scheffel</strong> an seine Schwester belegen:<br />

"Mit Worten sing ich keine Lieder mehr. Wenn die Nachtigall<br />

blind wird, hat das Singen ein End; und wenn der Mensch mit<br />

Spitzbuben und schlechten Bauern stabhaltend das Dasein abwickelt<br />

und zwischen beiden Polen, Amtshaus und Wirtshaus,<br />

sich bewegt, so hat das Singen gleichfalls ein End." (4-1)<br />

Schon <strong>im</strong> 7/iompe.te/i hatte der Verfasser der Zueignung eine Neigung<br />

verspürt, "die Feder samt dem / Tintenfaß an die Wand zu


91<br />

werfen" (1,5). Doch damals bedurfte er der Poesie noch. Jetzt<br />

aber glaubt er zu erkennen, "daß Alles Irdische u. auch die<br />

Poesie, der schönste Sch<strong>im</strong>mer, nichtig i s t " ^ . Erst <strong>im</strong> Alter<br />

kann die Kunst wieder als Trösterin gegen die Drangsale der<br />

Wirklichkeit eingesetzt werden: "Vielleicht tröstet die Kunst!"^<br />

3. <strong>Scheffel</strong> - ein Realist?<br />

Ist <strong>Scheffel</strong> also ein Dichter des Realismus? Etliche Beobachtungen<br />

scheinen dafür zu sprechen. Im Lk.ke.ka/id beispielsweise<br />

hat der geschichtliche Stoff eine Funktion übernommen, wie sie<br />

der realistischen Programmatik entspricht:<br />

"In allen Gebieten schlägt die Erkenntnis durch, wie unsägl<br />

i c h unser Denken und Empfinden unter der Herrschaft der<br />

Abstraktion und der Phrase geschädigt worden; da und dort<br />

Rüstung zur Umkehr aus dem Abgezogenen, Blassen, B e g r i f f l i ­<br />

chen zum Konkreten, Farbigen, Sinnlichen, statt müßiger<br />

Selbstbeschauung des Geistes Beziehung auf Leben und Gegenwart,<br />

statt Formeln und Schablonen naturgeschichtliche Analyse,<br />

statt der Kritik schöpferische Produktion" (V,7).<br />

Einer der entschiedensten Programmatiker des Realismus, Gustav<br />

Freytag, hat dies erkannt^.<br />

Zum zweiten könnte man sich auf <strong>Scheffel</strong> selbst berufen, der sich<br />

für seinen Ekkeha/id ein scheinbar sehr handfestes realistisches<br />

Erzählprinzip<br />

zurechtgelegt hat:<br />

"ich gedenke aus jener rohen, werdenden, starken deutschen<br />

Zeit ein paar Bursche herauszufischen, die sich ganz natürl<br />

i c h und wohlconservirt ausnehmen sollen. Romantik wird<br />

jedenfalls nicht getrieben, dafür i s t mein gegenwärtiges<br />

Leben in der Atmosphäre des Kuhstalls Garantie." (45)<br />

Die Ablehnung der Romantik durch <strong>Scheffel</strong> entspricht ja sowohl<br />

den LiteraturvorStellungen der Jungdeutschen als auch denen des<br />

programmatischen Realismus. Umso erstaunlicher i s t es, daß<br />

gerade Theodor Fontane, dessen Programmschrift Unse/ie ly/iische<br />

und epische Poesie seit 7 84 8 ein Jahr vor dem zitierten <strong>Scheffel</strong>brief<br />

erschienen i s t , bei seinem Lob des Lkke.hu/id an <strong>Scheffel</strong><br />

eben dieses Romantische k r i t i s i e r t : "An einigen Stellen romant<br />

i s i e r t <strong>Scheffel</strong> mehr, als mir wünschenswert erscheint"^.<br />

An Begriff und Funktion des epischen Humors kann einleuchtend<br />

gezeigt werden, inwieweit <strong>Scheffel</strong>s literargeschichtliche Po-


92<br />

sition vom Realismus als einer Epochenbezeichnung abweicht,<br />

ohne sich auf Hilfsbegriffe - etwa /lomantische./i Realismus -<br />

zurückziehen zu müssen, die mehr verschleiern als erklären. Für<br />

den Poetischen Realismus i s t gezeigt worden, welch zentrale<br />

Funktion dem epischen Humor als einer Denk- und zugleich Erzähl-<br />

4.7<br />

kategorie zukommt^ . Auch <strong>Scheffel</strong> betrachtet ja einen spezifischen<br />

Humor als Gütezeichen seines Werkes und als eine der<br />

Wurzeln seines Schaffens. <strong>Scheffel</strong> hat den Urgrund seines Humors<br />

aus einer Melancholie abgeleitet, die aus seiner Reaktion auf<br />

die politischen Verhältnisse nach 184-8 herrühren s o l l :<br />

"Das Anschauen und Selbsterleben vieler schiefer und confuser<br />

Verhältnisse <strong>im</strong> öffentlichen und Privatleben, an denen seit<br />

184-8 unser Vaterland so reich i s t , gaben dieser Poesie eine<br />

ironische Be<strong>im</strong>ischung, und die Komik i s t eine umgekehrte<br />

Form innerer Melancholie." (4.8)<br />

Auffällig i s t zunächst, daß <strong>Scheffel</strong> zwischen Ironie und Komik<br />

genau unterscheidet (und-Beiordnung!) und gleichzeitig seine<br />

Komik als eine. Form der Melancholie ausgibt. Schon mit dieser<br />

Begriffsbest<strong>im</strong>mung i s t offensichtlich, wie wenig <strong>Scheffel</strong>s<br />

Humor - den Begriff selbst unterschlägt er an dieser Stelle<br />

nicht zufällig - mit dem Humor des Poetischen Realismus, etwa<br />

bei Gottfried Keller, zu tun hat. Als politisch ausgelöste<br />

Stilhaltung, nicht als realistisches Erzählprinzip dient der<br />

Humor <strong>Scheffel</strong>s vor allem dazu, geschichtliche Ereignisse mit<br />

der Gegenwart zu kontrastieren.<br />

Im Lkkeka/id z. B. unterlegt der Erzähler einem Vogel menschliche<br />

Empfindungen. Aber erst in der Parallelisierung dieses<br />

an sich unbedeutenden Details mit der Haupthandlung - ein<br />

'Realist' würde dergleichen nicht einführen - ergibt sich der<br />

humoristische<br />

Eindruck:<br />

"Der Star war aber tiefer gebildet. Er konnte außer dem gere<strong>im</strong>ten<br />

Klingklang auch das Vaterunser hersagen. Der Star<br />

war auch hartnäckig und konnte seine Grillen haben, so gut<br />

wie eine Herzogin in Schwaben." (V,17)<br />

Man hat auf die Doppelgesichtigkeit dieser Erzähltechnik und<br />

IQ<br />

"den dunklen Hintergrund" dieses Humors hingewiesen^" . Freilich<br />

genügt es nicht, die Verharmlosung dieses Humors in "ein<br />

schmunzelndes Behagen am Philistertum" zu konstatieren^. Der<br />

melancholische Hintergrund, auf dem die humorige Wirkung auf-


93<br />

s i t z t , macht diesen Mechanismus auch erzähltechnisch zwiespältig.<br />

So empfand <strong>Scheffel</strong> selbst einerseits "eine Art historische<br />

Pietät", wenn er versuchte, mit seinen Figuren sein "leicht-<br />

51<br />

fertiges Spiel zu treiben" . Der humoristische Zugriff scheitert<br />

also an der Seriosität des Stoffes. Andererseits bringt<br />

eben diese humoristische Stilhaltung zu seinem eigenen Erstaunen<br />

erst den humoristischen Dichter <strong>Scheffel</strong> hervor: "- es steckt<br />

noch ein ganz anderer Kerl in mir, ein Humorist, ein ganz mo-<br />

52<br />

derner unterhaltender Gesell" .<br />

Spürt man dem Urgrund dieses Humors nach, bei dem Ernsthaftigkeit<br />

der Themenwahl und humoristische Behandlung in Widerstreit<br />

liegen - anders als <strong>im</strong> Poetischen Realismus! -, dann t r i f f t man<br />

schon bald hinter einer biographisch begründeten "Anlage zur<br />

53<br />

Melancholie" auf ein Strukturprinzip <strong>im</strong> Werk <strong>Scheffel</strong>s. Die<br />

Melancholie bleibt bei ihrem totalen Anspruch als Lebensprinzip<br />

naturgemäß nicht auf eine menschliche Eigenschaft beschränkt.<br />

In seinen Reisebildern spricht <strong>Scheffel</strong> mehrfach <strong>von</strong> der "Melancholie<br />

der Gegend" (VII,60):<br />

"Der Fels starrt ihn an,/". . .] - er verfällt auch aufs Barokke<br />

und treibt Unsinn, steckt seinen Hut auf eine-Stange,<br />

läßt einen Teil seinem Sohn den Apfel vom Kopf schießen -<br />

f. ..] Man nenne das Menlancholie, man nenne es Katzenjammer<br />

- aber man spreche nicht <strong>von</strong> Despotismus oder Tyrannei."<br />

(VII,61)<br />

In der Figur des Landvogts Geßler aus Schillers UHkelm l a l l ,<br />

auf den hier angespielt i s t , bleibt die Melancholie noch <strong>im</strong><br />

Grenzbereich <strong>von</strong> P o l i t i k und Poesie. In einem nächsten Schritt<br />

kann dann die Melancholie sehr weit <strong>von</strong> politischen Ereignissen<br />

abgezogen und sogar auf die unbelebte Natur übertragen werden.<br />

Das zeigt, zwar in sich schon wieder ironisch, die Episode über<br />

einen Felsblock in einer wilden Schlucht:<br />

"Ich bin überzeugt, daß dieselben Ursachen, die den germanischen<br />

Menschen in seiner Teufelsnatur zu Geßlerschen Taten<br />

trieben, auch den Fels in die Tiefe stürzten. Die Melanchol<br />

i e wirkt sehr g e w a l t i g . .J Er seufzt schweigend, löst<br />

sich los <strong>von</strong> seinen Banden und stürzt sich - ein Opfer der<br />

Melancholie - talabwärts, und hat er etwa das Heidekraut<br />

erdrückt, oder sprudelt das Reußwasser nach wie vor höhnisch<br />

an ihm vorüber, so bricht das alte Herz und stirbt." (VII,62)<br />

An der Natur werden menschliche Verhaltensmechanismen ablesbar,<br />

die man nur auf eine erkenntnistheoretisch ernsthafte Ebene zu


94<br />

heben braucht, um sich an Stifters "sanftes Gesetz" in seiner<br />

Vorrede zu den Bunten Ste.ine.n <strong>von</strong> 1853 erinnert zu fühlen.<br />

Freilich liegen <strong>Scheffel</strong> so bewußte Ausdeutungen fern. Ironie<br />

und Selbstironie entsprechen eher der Stillage, in der sich<br />

sein Humor ausprägt. In der Zueignung zum 7nompe.te.n wundert<br />

sich der Wirt Don Pagano über seinen dichtenden Gast. Dieser<br />

kommt ihm als ein "sonderbarer / Kauz und sonderbar sein Handwerk"<br />

vor (1,3). Für den Wirt als poetisch Unverständigen f a l ­<br />

len Unvernünftigkeit und Nutzlosigkeit, Irrsinn und <strong>Dichterberuf</strong><br />

nicht nur syntaktisch zusammen. Der Erzähler läßt diese Ansicht<br />

nicht nur unwidersprochen, sondern scheint sie sogar<br />

zu<br />

akzeptieren:<br />

"Also sprach er.- Dieser Fremde<br />

War ich selber;" (1,3)<br />

Als Figur, an der sich Ironie und Selbstironie bis zur Parodie<br />

des Dichterstandes brechen, fungiert <strong>im</strong> 7 nompeten. der Kater<br />

Hiddigeigei. Er besitzt nicht nur dichterische Originalität und<br />

ein übersteigertes Selbstwertgefühl als eine "selbstbewußte,<br />

epische Charakterkatze" (1,5). Er dichtet auch als verkörperte<br />

Parodie selber Parodien, in denen die Kritik der zeitgenössischen<br />

Literaturproduktion zum Gegenstand des Dichtens werden<br />

kann. Für das Verständnis der Funktion dieses Katers kann ein<br />

Vergleich mit <strong>Scheffel</strong>s Vorbild und literarischen Parallelgestalten<br />

nützlich sein, man denke an Ludwig Tiecks Den gestiefe.1-<br />

te Katen. (1797), an E.T.A. Hoffmanns Lelensansiahten de.s Katens<br />

flunn (1819/21) und an Gottfried Kellers Spiegel, das Kätzche.n<br />

(1856). Während Hoffmanns Kater Murr mit seinem gescheiterten<br />

Bildungsgang gleichwertig neben den genialisch-romantischen<br />

Musiker Kreisler zu stehen kommt^, dient <strong>Scheffel</strong>s Kater Hiddigeigei<br />

nur als parodistische Kontrastfigur zur Rolle des Dichters<br />

selbst. Die Eigenständigkeit der Katzenfigur, man denke<br />

an Kellers Kätzchen Spiegel, wo die Geschichte ebenfalls um der<br />

Titelgestalt willen erzählt wird, i s t bei <strong>Scheffel</strong> aufgegeben.<br />

Dichter und Kater schleichen einsam auf dem Dach hin und her;<br />

der Kater wertet wie der Dichter die menschliche Dichtung als<br />

Katzenjammer. Hinter der ironischen Tiermaske steigert sich die<br />

Polemik gegen die Menschen insgesamt zu beißender Schärfe.<br />

Enthalten doch die Katerlieder des 7nompeten eine Parodie der


95<br />

menschlichen Welt, deren Eigenheiten nur locker in die Welt der<br />

Katzen transponiert worden s i n d ^ . Auch <strong>Scheffel</strong>s dichtender<br />

Kater schwärmt "für das Wahre und Gute und Schöne" und lernt<br />

"die Welt verachten" (1,1$2); die "Menschheit" g i l t ihm als<br />

ein "harmlos Volk" (1,1$3). Doch <strong>im</strong> Unterschied zum Kater Murr<br />

bleibt Hiddigeigeis Persönlichkeitsstruktur und seine Biographie<br />

außer Betracht. In der Verachtung des Mittelmäßigen und der<br />

Tendenz zum Verstummen i s t <strong>Scheffel</strong>s Position, wenn auch in parodistischer<br />

Verzerrung, aufgenommen (I,156f). In den Liedern<br />

Hiddigeigeis wird das Dichterische so ins Egozentrische gewendet,<br />

daß die Katerfigur hinter der Dichterrolle des Sänger-<br />

Ichs vollständig verschwindet:<br />

"Eigner Sang erfreut den Biedern,<br />

Denn die Kunst ging längst ins Breite,<br />

Seinen Hausbedarf an Liedern<br />

Schafft ein jeder selbst sich heute.<br />

Drum der Dichtung leichte Schwingen<br />

Strebt' auch ich mir anzueignen;<br />

Wer wagt's, den Beruf zum Singen<br />

Einem Kater abzuleugnen?<br />

Und es kommt mich minder teuer,<br />

Als zur Buchhandlung zu laufen<br />

Und der andern matt' Geleier<br />

Fein in Goldschnitt einzukaufen." (1,1$0<br />

Der "Beruf zum Singen" des Katers i s t nirgends ernst gemeint,<br />

wenn er Katzenmusik und Dichtung in einen Topf wirft. Die l y r i ­<br />

sche Produktion auf sich selbst zu beschränken, für "seinen<br />

Hausgebrauch" zu dichten, entspricht nicht schlecht der Gebrauchspoesie<br />

innerhalb der zeitgenössischen Lyrikproduktion.<br />

Wenn diese Lyrik "ins Breite" geht, so bezieht sie sich als<br />

veröffentlichte Literatur nur noch auf sich selbst: ein beliebig<br />

steigerbares Mengenwachstum t r i t t der Funktionsänderung<br />

der Lyrik als Verbrauchsgegenstand zur Seite. Hiddigeigeis<br />

Spott gegen das "matt' Geleier" und den "Goldschnitt" sucht<br />

eine zweite, wenn man so w i l l konstruktive Seite <strong>im</strong> Katerlied<br />

selbst als Beispiel für neues unverbrauchtes Dichten, das dann<br />

allerdings ein parodistisches und parodierendes sein muß.<br />

An diesem Punkt i s t die Differenz zur realistischen Erzählkunst<br />

ganz offensichtlich. Während etwa in Kellers Spiegel, das<br />

Kätzchen ein "Märchen" in mittlerer Stillage mit gedämpftem


96<br />

Humor um seiner selbst willen "erzählt" wird, t r i t t <strong>Scheffel</strong>s<br />

Kater als Randfigur, stellvertretend für die niedere Stilebene,<br />

aus dem Versepos heraus. Die Rollensprache Hiddigeigeis bleibt<br />

auf Dichterbetrachtungen außerhalb des Handlungsablaufs beschränkt.<br />

Die vorrealistische Stilmischung des 7/iompe.te/i hindert<br />

noch die epische Integration <strong>von</strong> Katerfigur und Dichterbewußtsein<br />

in die erzählte Fiktion.


97<br />

IV. DICHTER UND POLITIK<br />

1. Rhetorik und Mythos. <strong>Scheffel</strong>s politisches Selbstverständnis<br />

<strong>Scheffel</strong>s politische Haltung g i l t den Interpreten gern als eine<br />

für das Verständnis seines Werks nebensächliche Komponente.<br />

<strong>Scheffel</strong>s Beteiligung an der deutschen Revolution <strong>von</strong> 184-8 erscheint<br />

so als ein Mißgriff ohne weitere Folgen, sein verspätetes<br />

Bekenntnis zum Neuen Reich als Korrektur einer jugendlichen<br />

Verirrung. Ist <strong>Scheffel</strong> also ein unpolitischer, d. h. politisch<br />

uninteressierter und <strong>von</strong> den Zeitereignissen unbeeinflußter<br />

Dichter gewesen? Etliche uneindeutige politische Aussagen oder<br />

widersprüchliche Äußerungen mögen zu der Vermutung geführt<br />

haben, <strong>Scheffel</strong> habe die politischen Ereignisse nach 184.8<br />

1<br />

"kühler" als leidenschaftlichere Naturen" verkraftet . Andererseits<br />

hat man <strong>Scheffel</strong>s politisches Engagment mit ein paar Be-<br />

2<br />

griffen festzunageln versucht .<br />

Die politischen Anschauungen des Studenten <strong>Scheffel</strong> <strong>im</strong> Vormärz<br />

hat sein Biograph Proelß zusammengefaßt. Danach war <strong>Scheffel</strong><br />

"Anhänger jener liberalen Partei in Baden, welche damals ohne<br />

revolutionäre Gelüste und auf friedlichem Wege <strong>im</strong> Sinne vernunftgemäßer<br />

Freiheit ein geordnetes Verfassungsleben und<br />

die Wiederherstellung eines nach außen mächtigen deutschen<br />

Reiches" erstrebte." (3)<br />

Die beschönigende Tendenz dieser Deutung aus der Zeit des<br />

Kaiserreichs i s t deutlich. Sie wäre genauso einfach zu widerlegen<br />

durch einen Brief <strong>Scheffel</strong>s an seinen Studienfreund<br />

Friedrich Eggers in Berlin, in dem <strong>Scheffel</strong> einen Vormärzradikalen<br />

empfiehlt, dieser sei "ein durchaus tüchtiger Bursche<br />

und trotz seines Adels auf der äußersten Linken stehend"^".<br />

Geht man indes auf <strong>Scheffel</strong>s erste "journalistisch-politische<br />

Äußerung" in einem Flugblatt vom März 184-8 zurück^, so klärt<br />

sich das Bild etwas. Die Verfasser dieses Blattes wenden sich<br />

<strong>im</strong> Zusammenhang der Paulskirchendiskussion gegen den Plan, dem<br />

König <strong>von</strong> Preußen die Führungsrolle in Deutschland<br />

zuzugestehen.<br />

Vom Absolutismus, der Regierungsform <strong>von</strong> Gottes Gnaden,<br />

spricht <strong>Scheffel</strong> als "<strong>von</strong> einem romantischen Phantom" , bezieht<br />

also seine politische Kritik zurück auf seine Kunstkritik!


98<br />

"Die gerechten und wahrlich nicht unbescheiden vorgetragenen<br />

7<br />

Volkswünsche" scheinen ein demokratisches Prinzip auf den<br />

Schild zu heben, wenn dem preußischen König das Vetorecht gegen<br />

das Nationalparlament abgestritten wird. Die Trennung, die<br />

<strong>Scheffel</strong> zwischen preußischem König und preußischem Volk ("Kein<br />

Deutschland ohne Preußen") macht, weist auf die Struktur seiner<br />

politischen Zielvorstellungen hin: der "Kampf gegen den Absoluo<br />

tismus" bleibt <strong>im</strong> Grunde der 'Romantik' verhaftet, gegen deren<br />

partikularistische Relikte <strong>Scheffel</strong> sich wendet. Noch fallen -<br />

nicht nur in <strong>Scheffel</strong>s jugendlicher Begeisterung - in jenen<br />

Tagen die nationale Einheit und die freiheitlichen Verfassungsvorstellungen<br />

zusammen. Als <strong>Scheffel</strong> in die direkte Nähe des<br />

Geschehens gerät, entsteht bei ihm sofort eine gewisse Skepsis<br />

gegen das Frankfurter Honoratiorenparlament, dessen freiheitlicher<br />

Auftrag <strong>im</strong>mer mehr in ein legalistisches Fahrwasser gerät.<br />

Im seit März 184-8 tagenden Frankfurter Vorparlament hatte<br />

<strong>Scheffel</strong> sogar schon republikanische Forderungen verwirklicht<br />

gesehen, wie er an seinen Vater am 5. April 184-8 <strong>von</strong> Frankfurt<br />

aus<br />

schreibt:<br />

"Die Versammlung hat mich übrigens nicht ganz befriedigt;<br />

sie war ja ihrer ganzen Zusammensetzung nach eine entschieden<br />

revolutionäre, und doch hat sie so erschrecklich gesetzlich<br />

getan, [. . .J. So v i e l i s t mir hier klar geworden,<br />

daß die Re.pu(L£ik unsere Zukunft sein muß; die republikanische<br />

Partei wird wohl <strong>im</strong> Anfang auch noch einen konstitutionellen<br />

Kaisen herausdoktern und doktrinieren, allein alle, hier waren<br />

darin einig, daß <strong>von</strong> jetzt an der neue Staat nur auf demokratischer<br />

Basis aufgebaut werden könne, ob die Republik schon<br />

heute proklamiert werden solle oder abgewartet." (9)<br />

Dieser Verbalradikalismus mit seinem Traum einer "Republik als<br />

unserer Zukunft <strong>im</strong> Herzen"^ best<strong>im</strong>mt denn auch die Art, wie<br />

<strong>Scheffel</strong> Hecker einschätzt, als dieser noch nicht das Haupt der<br />

Frankfurter Demokraten, sondern oppositioneller Abgeordneter<br />

der<br />

zweiten badischen Kammer war:<br />

"Auf der äußersten Linken, eigentlich als selbständige Partei,<br />

steht ganz allein der Abgeordnete Hecker. Er i s t der Löwe<br />

der Opposition, aber zugleich schon über die sonstige Opposition<br />

hinausgeschritten. Er w i l l alle die Fragen, die das<br />

Programm unserer politischen und sozialen Zukunft bilden,<br />

ohne Rückhalt, ohne Scheu vor Hindernissen <strong>im</strong> gegenwärtigen<br />

Staatsleben r e a l i s i e r t wissen; - geht's nicht, so soll's<br />

brechen. /*. . . ] . Er i s t wie <strong>von</strong> der Umgestaltung der p o l i t i ­<br />

schen, so auch <strong>von</strong> der der sozialen Zustände lebendig


99<br />

durchdrungen; darum i s t er <strong>von</strong> der ganzen Kammer a l l e i n der<br />

Mann des ulenten Standes; Hecker i s t durch und durch<br />

Republikaner und sieht <strong>im</strong> konstitutionellen Staat nur den<br />

Ubergang zur reinen Demokratie, darum und wegen seiner sozialen<br />

Richtung steht er öfter, wenn's auch in der Kammer nicht<br />

gerade hervortritt, <strong>im</strong> Widerspruch mit dem mehr doktrinären<br />

Konstitutionalismus der übrigen Opposition und deren Organ<br />

den. Deutschen Zeltung (11).<br />

Diese republikanisch-demokratischen Anschauungen des frühen<br />

1 2<br />

<strong>Scheffel</strong> gelten allerdings mit gewissen Einschränkungen . Zwar<br />

heißt es bei <strong>Scheffel</strong>: "Das konstitutionelle Königtum i s t eine<br />

1 3<br />

Fiktion" , der Konstitutionalismus wird also in die Nähe der<br />

abgelehnten Romantik gestellt; doch die Republik an dessen<br />

Stelle bleibt ebenfalls eine romantische Fiktion, die mit der<br />

republikanischen Unreife des Volkes begründet wird:<br />

"Die Republik muß erst geistiges Eigentum des ganzen Volkes<br />

werden, ehe sie real und wirklich werden kann. /'. . .J. Vom<br />

Polizeistaat plumpt man nicht auf einmal in die Republik<br />

hinein." (U)<br />

So wie sich <strong>Scheffel</strong> <strong>im</strong> Literarischen gegen die Romantik abgrenzt,<br />

so auch in seinen politischen Vorstellungen: sowohl der<br />

politische als auch der poetische Realismus <strong>Scheffel</strong>s bleiben<br />

aber auf programmatische Äußerungen beschränkt.<br />

Daß sich <strong>Scheffel</strong> schon <strong>im</strong> Vorfeld der Frankfurter Verfassungsdiskussionen<br />

<strong>von</strong> der Position der Demokraten und Republikaner<br />

<strong>im</strong>mer mehr absetzt, hat er selbst mit dem Verhalten der 'Radikalen'<br />

begründet:<br />

"Meine Zuneigung zu einer demokratischen und freien Gestaltung<br />

unserer Zustände und mein Haß gegen alle Romantik in der<br />

Politik kommen nur der tiefen sittlichen Indignation gegen<br />

die Herren gleich, die sich auch als Apostel der Freiheit<br />

stempeln wollen, denen sie aber nicht <strong>im</strong> Herzen, sondern <strong>im</strong><br />

Magen s i t z t ! " (15)<br />

Tritt so der postulierte Realismus (des Magens) gegen den Idealismus<br />

(des Herzens) zurück, wenn es ernst wird, so bleibt doch<br />

genügend ideales Denken übrig, wenn es g i l t , die nationale Einheit<br />

zu propagieren:<br />

"An der Revolution in Baden habe ich keinen Anteil genommen,<br />

nicht weil ich keine Revolution wünschte, sondern weil ich<br />

eine ganz andere Organisation des deutschen Reichsverfassungskampfs<br />

anstrebte, und weil ich mit dem Neckarbundsgesindel,<br />

welches bei uns <strong>im</strong> Namen der deutschen Freiheit sein Schindluder<br />

trieb, nichts gemein haben wollte.


100<br />

Nach meiner Ansicht mußte eine irgend über den Horizont<br />

unserer kleinen Lumpenblätter hinausreichende P o l i t i k dahin<br />

zielen, die 28 verfassungstreuen Regierungen waffen- und<br />

kampfbereit zu machen; den inneren Hader ruhen zu lassen,<br />

als Ersatz/!/ dagegen <strong>von</strong> der Regierung die Rüstung der ungeheuren<br />

und frischen Volkskräfte zum Kampf gegen den Absolutismus<br />

verlangen. Und das war ziemlich <strong>im</strong> Zuge. Ich habe, eh'<br />

es bei uns losging, nicht in den Bierkneipen gewühlt, sondern<br />

in gebildeteren Kreisen; - alles betrachtete Preußen als unsern<br />

natürlichen Feind, - und <strong>im</strong> Bund mit Württemberg, Hessen<br />

p.p. hätten wir mit den Pickelhauben noch ein Wort reden<br />

können." (16)<br />

In der Rückschau nach dem Sieg der Reaktion unter preußischer<br />

Führung taucht die Komik als umgekehrte Form <strong>von</strong> <strong>Scheffel</strong>s<br />

innerer Melancholie wieder auf, nicht ausdrücklich genannt, aber<br />

als rhetorisches Mittel verkleidet, das gegen die politische<br />

Enttäuschung gesetzt werden kann. Interessant bleibt, daß sich<br />

die politischen Anschauungen in die literarische Darstellungsform<br />

fast unmerklich umwandeln: der programmatisch-realistische<br />

Griff auf die "frischen Volkskräfte" gibt da<strong>von</strong> ebenso Zeugnis<br />

wie der burschikose Ton, mit dem über politische Ereignisse<br />

gesprochen wird ("Schindluder").<br />

Die Tätigkeit <strong>Scheffel</strong>s als Gesandtschaftssekretär des Staatsrechtlers<br />

Karl Theodor Welcker, des liberalen Abgeordneten in<br />

Baden und Mitherausgebers des berühmten Staats lexikons, des<br />

Bundestagsgesandten und Abgeordneten der Frankfurter Paulskirche,<br />

wollen wir nicht so stillschweigend übergehen wie vorgeschla-<br />

1 7<br />

gen . Gerade an der Parallele zu Welckers direkter politischer<br />

Einflußnahme lassen sich <strong>Scheffel</strong>s politisch-rhetorische Bekundungen<br />

verdeutlichen. Die Schwierigkeiten Welckers als Mitglied<br />

des 'revolutionären 1 Vorparlaments wie zugleich als Delegierter<br />

1 8<br />

am 'reaktionären' Bundestag sind dargestellt . In Welcker<br />

spiegelt sich vielleicht noch ausgeprägter als in anderen Liberalen<br />

das Dilemma des Konstitutionalismus. Als Vorkämpfer der<br />

badischen Opposition <strong>im</strong> Landtag und als Fürsprecher der Souveränitätsrechte<br />

des Volkes läßt sich Welcker <strong>im</strong> Jahre 184.8 <strong>von</strong><br />

der verstörten Regierung für den reaktionären Bundestag in Dienst<br />

nehmen. Man hat diesen und andere Gesinnungswechsel als die<br />

1 9<br />

"Biegsamkeit der Grundbegriffe" interpretieren wollen . Doch<br />

i s t Welckers Abrücken <strong>von</strong> revolutionär-demokratischen Vorstellungen<br />

stellvertretend für den Liberalismus zu sehen: die 'Radi­


101<br />

Mächte. Außerdem g i l t ihm der wenn auch reaktionäre Bundestag<br />

als das einzige funktionierende gesamtdeutsche Organ. Sich unter<br />

diesem Vorbehalt für die antinationalen Zwecke des Partikularismus<br />

einspannen zu lassen, hat Welcker anscheinend in Kauf genommen.<br />

Von Seiten der schwankenden Regierungen wird er ganz<br />

bewußt für die Sache des Ancien Reg<strong>im</strong>e benutzt, um der Revolution<br />

die ant<strong>im</strong>onarchische Spitze zu nehmen und ihre Energien auf<br />

das nationale Einigungswerk abzulenken. Eine solche Integration<br />

des gemäßigten Gegners zur Abwehr der radikaleren, um die demokratische<br />

Bewegung zu spalten, propagiert der badische Außenminister<br />

:<br />

"Ein populärer Name g i l t jetzt alles. Darum erwähle man<br />

Männer, die sich Gehör in Deutschland verschaffen können, zu<br />

Bundestagsgesandten! Mögen sie früher geredet und geschrieben<br />

haben, was sie wollen, wenn sie nur <strong>von</strong> Grund der Seele<br />

deutsch sind, Kenntnisse haben und gut geartet sind. Sie werden<br />

andere Männer werden, sobald sie als Organe der Regierung<br />

mitzuwirken haben. Dann wird der Zauberschlag vollbracht sein,<br />

und das deutsche Volk sich wieder mit Vertrauen um die Bundeslade<br />

scharen.- Welcker i s t ein solcher populärer Mann. Er<br />

hängt mit Leib und Seele an Deutschland und i s t durch und<br />

durch bundesstaatlich gesinnt, ein Mann, der weiß, daß Recht<br />

und Gesetzlichkeit die Grundlage der Freiheit i s t . " (20)<br />

Es fällt daher ein eigentümliches Licht auch auf <strong>Scheffel</strong>, wenn<br />

er gerade jetzt "Gesandtschaftsattache" Welckers am Deutschen<br />

21<br />

Bundestag wird . Welckers Gesinnungswandlungen und die des<br />

Liberalismus sind aber noch nicht zu Ende. Als heftiger Gegner<br />

eines erblichen Kaisertums und als eifriger Verfechter einer<br />

großdeutschen Einigungslösung wendet sich Welcker, als Österreich<br />

sich eine Verfassung oktroyiert, <strong>von</strong> seinen Auffassungen<br />

urplötzlich ab. Noch "während der Nacht" ändert er seine Meinung<br />

und s t e l l t am nächsten Morgen in der Nationalversammlung persönl<br />

i c h den Antrag,<br />

"die ganze Verfassung, wie sie nach geendigter erster Lesung<br />

mit den Zusätzen der Regierung vorliegt, ein bloc anzunehmen<br />

und dem König Friedrich Wilhelm IV. <strong>von</strong> Preußen die Kaiserkrone<br />

anzubieten." (22)<br />

Spätestens an dieser Stelle beginnen die politischen Ansichten<br />

zwischen Welcker und <strong>Scheffel</strong> zu differieren. Trotz seiner Verehrung<br />

der Person Welckers bekundet <strong>Scheffel</strong> diese Divergenz<br />

eindeutig:


102<br />

"In Frankfurt hab ich manches <strong>von</strong> parlamentarischen Kämpfen<br />

miterlebt, und <strong>von</strong> dem wackern alten Welcker, wiewohl meine<br />

politische Ansicht nicht mit der seinigen Hand in Hand geht,<br />

v i e l gelernt." (23)<br />

Auf Betreiben Welckers, doch mit dem inneren Vorbehalt, "keinem<br />

2 /<br />

Menschen etwas da<strong>von</strong> mitzuteilen" , hatte <strong>Scheffel</strong> nach bestandenem<br />

Doktorexamen die Redaktion der nationalen und fortschrittlichen,<br />

aber antiradikalen Vatenländisehen Blatten, fän Baden<br />

übernommen. <strong>Scheffel</strong> wird dort Chefredakteur mit der Absicht,<br />

2 5<br />

"mein Scherflein zur politischen Verständigung beizutragen" .<br />

Es i s t festgestellt worden, daß <strong>Scheffel</strong> sich dabei stark dem<br />

Einfluß seines Freundes Ludwig Häusser, eines überzeugten An-<br />

26<br />

hängers der kleindeutschen Partei, angepaßt hat . <strong>Scheffel</strong>s<br />

politische Leitartikel in dieser Zeitung, die nach dem ersten<br />

Jahrgang eingegangen i s t , kreisen vor allem um die Frage nach<br />

dem Oberhaupt des neu zu gründenden deutschen Reiches, namentl<br />

i c h , ob der König <strong>von</strong> Preußen dazu geeignet i s t (X,7ff). Dieser<br />

wird ganz als konstitutioneller Monarch begriffen, der seine<br />

Wahl zum Reichsoberhaupt als Ausdruck der Volkssouveränität gar<br />

nicht ablehnen dürfe und könne. Trotz der Enttäuschung über die<br />

tatsächlich erfolgte Ablehnung bleibt die Drohung erhalten, die<br />

Revolution mit dem Endziel einer Republik können weitergehen.<br />

In der Verbindung <strong>von</strong> "Einheit und Freiheit der Nation" sieht<br />

<strong>Scheffel</strong><br />

den Kompromiß, bei dem die gemäßigte, d. h. die konservativ-konstitutionelle<br />

Partei gesiegt und ihren Teil der<br />

Forderungen durchgesetzt hat:<br />

"die Rechte hat bei der Erbauung der Spitze der Reichsverfassung<br />

den Sieg da<strong>von</strong> getragen und ihren erblichen Kaiser<br />

durchgesetzt; die Linke hat zu demokratischen Grundlagen der<br />

Verfassung manchen wichtigen Quaderstein herbeigeschafft."<br />

(X,22)<br />

Das höchste Ziel i s t jetzt für <strong>Scheffel</strong> die nationale Einheit;<br />

wo es um eine freiheitliche Verfassungsdiskussion geht, bleibt<br />

sie nebulös und rhetorisch ("manch wichtigen Quaderstein"). An<br />

dieser Stelle entsteht der politische Mythos, die nationale<br />

Einheit sei das einzige Ziel der Bewegung <strong>von</strong> 184-8 gewesen. Die<br />

Alternativen der Märzrevolution heißen für <strong>Scheffel</strong> nun nicht<br />

mehr " flonanchie oden Republik, sondern deutsches Panlament<br />

oder Republik." (X,34)- ? Der Zusammentritt der Nationalversammlung<br />

wird nachträglich <strong>im</strong> Sinn dieser politischen Mythosbildung aus-


103<br />

schließlich national interpretiert:<br />

"Darum ging auch aus dem einmütigen Willen des deutschen<br />

Volkes die Nationalversammlung hervor, die zu Frankfurt tagt,<br />

der Ausdruck der angestrebten Einheit, und das Volk gab ihr<br />

die Aufgabe, die Verfassung für das künftige Deutschland zu<br />

schaffen und uns f r e i und kräftig zu machen." (X,68)<br />

Der Einheitsbestrebung nach innen, der die freiheitliche Komponenten<br />

abhanden gekommen i s t , folgt der Nationalismus nach außen<br />

auf dem Fuß. Jetzt geht es nur mehr um Deutschlands Stellung in<br />

der Welt: "die Hauptsache i s t , daß wir nach außen unsere gebührende<br />

Stellung erringen, dann kommt das weitere <strong>von</strong> selbst" (X,<br />

69). Mit der erreichten nationalen Einheit sollen sich dann alle<br />

anderen Probleme <strong>von</strong> alleine lösen: "so i s t damit auch unvermerkt<br />

und ohne allen Lärm auf Rednertribünen oder Volksversammlungen<br />

ein Teil der sogenannten sozialen Fragen gelöst" (X,69).<br />

Solchermaßen i s t es nur konsequent, wenn sich <strong>Scheffel</strong> gegen<br />

weitergehende soziale Veränderungsversuche und gegen die d i l e t ­<br />

tantischen Urasturzpläne seines ehemaligen Verbindungsbruders<br />

Karl Blind zur Wehr setzt:<br />

"Das sind meistenteils Leute, die den ganzen Charakter der<br />

Märzrevolution verkehren, die <strong>von</strong> der nationalen Seite derselben<br />

nichts wissen oder nichts wissen wollen und meinen,<br />

mit dem einseitigen Geschrei nach Freiheit und abermals<br />

Freiheit und nach Abschaffung <strong>von</strong> allem, was abzuschaffen i s t<br />

und <strong>von</strong> einigem weiteren sei uns a l l e i n geholfen. (X,69)<br />

Folgerichtig steht <strong>Scheffel</strong> <strong>im</strong> Mai 184-9 be<strong>im</strong> Ausbruch dieser<br />

Umsturzversuche auf der Seite der Bürgerwehr, die an der Niederschlagung<br />

der Aufstände maßgeblichen Anteil hat:<br />

"in der Nacht vom 13. Mai war ich als Bürgerwehrmann <strong>im</strong> Zeughaus<br />

und habe etwas Pulver und Blei gegen die Mitbegründer<br />

der neuen Zustände verschossen. Wie aber der Landesausschuß<br />

einrückte und die neue Wirtschaft anfing, fühlte ich mich zu<br />

souverän, um mich <strong>von</strong> Blind, Steinmetz, Stay beherrschen zu<br />

lassen, oder für sie Soldat zu werden; packte daher meine<br />

Reisetasche und nahm meine Mappe und ging fort." (27)<br />

An den Mythos einer nationalen Erhebung, den die Reaktion abgewürgt<br />

hat, heftet sich sogleich die rhetorische Floskel des<br />

Rückzugs, der auch ein poetischer i s t . Weil <strong>Scheffel</strong> den Glauben<br />

2 8<br />

an die "Poesie der Revolution" verloren hat , zieht er sich<br />

zurück. Der Mythos aber bleibt erhalten. Verwandelt in Gestalt<br />

eines literarischen Kulturpess<strong>im</strong>ismus feiert er Auferstehung in


104<br />

<strong>Scheffel</strong>s kulturhistorischer Studie Aus de.m tiauensteine.i<br />

Schwa/izLoald <strong>von</strong> 1852. Die politische Unfähigkeit und der begrenzte<br />

Horizont der Schwarzwaldbauern werden zu erstrebenswerten<br />

Qualitäten:<br />

"der Mechanismus des konstitutionellen Systems, wo nicht<br />

seine f=des Bauern/ Interessen, sein Stand als solcher repräsentiert<br />

sind, i s t ihm fremd." (VII,170)<br />

Nicht nur, "daß der Hauensteiner zu den revolutionären Bewegungen<br />

in Baden sich durchaus negativ verhält"; der Verfasser<br />

<strong>Scheffel</strong> findet das sogar "erklärlich" (VII,171). Dem Leser<br />

bleibt dann nur noch übrig, "über das Verhältnis bäuerlicher<br />

Reaktion zur Revolution die geeigneten Glossen zu machen" (VII,<br />

171). Die bäuerlichen Revolutionen unterscheiden sich grundlegend<br />

<strong>von</strong> den <strong>bürgerlichen</strong>:<br />

"Der Bauer, wenn er störrisch wird, revolutioniert <strong>im</strong>mer nur<br />

nach rückwärts, d. h. er w i l l auf einen Zustand zurückgehen,<br />

der vor dem jetzigen, ihm unbequehmen vorhanden war, /..._/;<br />

er, w i l l die gute. alte. Ze.it, während er für moderne Prinzipien<br />

keine Hand rührt." (VII,185)<br />

Diese Bauernrevolutionen legit<strong>im</strong>ieren gleichzeitig <strong>Scheffel</strong>s<br />

Kulturkonservatismus und sind deshalb so interessant, weil sich<br />

an ihnen angeblich die allgemeine Geschichtsentwicklung ablesen<br />

läßt: "So geht die Bauernhistorie ihren eigenen Gang, unabhängig<br />

<strong>von</strong> der Weltgeschichte <strong>im</strong> großen" (VII,189). Freilich i s t dafür<br />

eine dialektische Umkehrung nötig: in der Monumentalisierung<br />

dieser Bauernmentalität lebt der politische Mythos <strong>Scheffel</strong>s<br />

kulturkritisch<br />

fort.<br />

In dieser Perspektive auf untere Schichten, die in solchen<br />

Äußerungen des Großbürgers <strong>Scheffel</strong> durchscheint, i s t ein beträchtliches<br />

Stück politischer Rhetorik enthalten. Diesen Antrieb,<br />

politische und soziale Fragestellungen rhetorisch anzugehen,<br />

hatte schon der jugendliche <strong>Scheffel</strong>. Der 20jährige<br />

schreibt an seine Mutter als Student aus Berlin:<br />

"Alles i s t <strong>im</strong> Festtagsschmuck, und die Sonne scheint darauf,<br />

als gab es gar kein Elend. Wenn man aber die Berichte über<br />

das Umsichgreifen <strong>von</strong> Armut, Verbrechen und Prostitution in<br />

Berlin l i e s t , wonach man ungefähr 100 000 Leute als vollständig<br />

bankerotten Teil der Berliner Gesellschaft bezeichnen<br />

kann, welcher lebt ohne zu wissen, wie er in der nächsten<br />

Woche seinen Unterhalt haben wird, da sieht sich die Sache<br />

mit andern Augen an." (29)


105<br />

Die heftige Sozialkritik und Großstadtfeindlichkeit bleibt nicht<br />

bloß sehr global und wirkt recht h i l f l o s . In ihr steckt auch<br />

eine sprachliche Stilisierung ins Dramatische. Tonfall und<br />

Rhetorik machen zwar deutlich, wie fern dem in materieller<br />

Sicherheit lebenden Bürgersohn <strong>Scheffel</strong> solche Probleme <strong>im</strong> Grunde<br />

stehen. Sein Anliegen i s t ihm dennoch ein soziales, wenn auch<br />

<strong>im</strong> Umkreis literarischer Erfahrungen - man denke an die zahllosen<br />

Verarbeitungen des schlesischen WeberaufStands <strong>von</strong> 1844<br />

oder an Bettina <strong>von</strong> Arn<strong>im</strong>s aufsehenerregende Schrift Dies Buch<br />

gehö'/it dem<br />

Hört ig!<br />

In gleicher Weise ruhen <strong>Scheffel</strong>s politische Wunschvorstellungen<br />

auf literarischen Vorgaben auf, in denen politische Rhetorik<br />

und Geschichtsmythos verknüpft sind. Als Beispiel hierfür kann<br />

das Gedicht "Frommer Wunsch" <strong>von</strong> 1846 dienen:<br />

"Hoch oben <strong>im</strong> Kyffhäuser ruht<br />

Der Kaiser festgebannt,<br />

Und mit ihm in der Tiefe schläft<br />

Noch schier das ganze Land.<br />

Noch fliegen, die einst hier gekrächzt,<br />

Die Raben überall<br />

Und müh'n sich als Nachtwächter ab<br />

Gen jeden Sonnenstrahl.<br />

Als ich des Berges Höh 1 erklomm,<br />

Da war's gar s t i l l rungsum,<br />

Und wie ich nach dem Kaiser r i e f ,<br />

Der Kaiser, der blieb stumm.<br />

Ach, hätt' ein Riesenhorn ich hier,<br />

Wie's nie ein Ochse trug,<br />

Dann blies ich unaufhörlich fort<br />

Mit vollem Atemzug.<br />

Ach, könnt' ich wie der Kriegsgott Mars<br />

Stark wie zehntausend schrei'n,<br />

Dann schrie' ich n<strong>im</strong>mermüden Munds<br />

Von hier ins Land hinein.<br />

Ein mancher Schläfer würde dann<br />

Vom Schlummer aufgeschreckt.<br />

Der alte Rotbart selber würd'<br />

Am End' noch aufgeweckt.<br />

Und wären sie versammelt a l l<br />

Die Schläfer ringsumher:<br />

Dann wollt' ich, daß ich Flügel hätt'<br />

Und eine Lerche war'!


106<br />

Dann flog* mit schmetterndem Gesang<br />

Dem Zuge ich voran<br />

Und kündete dem Vaterland<br />

Des Tags Erwachen an!" (lX,36f)<br />

Die Barbarossasage, wie sie spätestens seit den Befreiungskriegen<br />

in der politischen Lyrik zum nationalen Mythos geworden war,<br />

i s t offensichtlich ein weiteres Mal zur Vorlage politischen<br />

Wunschdenkens herangezogen worden. Friedrich Rückert, Ferdinand<br />

Freiligrath, Hoffmann <strong>von</strong> Fallersleben, Georg Herwegh, Ernst<br />

Moritz Arndt und Emanuel Geibel, um nur die bekanntesten zu<br />

nennen, sind <strong>Scheffel</strong> mit Gedichten zu diesem Stoff vorange-<br />

30<br />

gangen*' .<br />

<strong>Scheffel</strong>s Rekurs auf die Barbarossasage baut aus der politischen<br />

Vormärzlyrik eine Aura aus Versatzstücken auf. Die Initiative<br />

ergreift sogleich ein lyrisches Ich, das <strong>im</strong> Gegensatz zum schlafenden<br />

Kaiser vor Aktivität strotzt. Diese Initiative beschränkt<br />

sich jedoch auf einen einzigen Ton: "Ach, könnt' ich", dessen<br />

konjunktivische Aussagen auch inhaltlich i r r e a l bleiben. Diese<br />

Äußerungen überspielen schon mit der dritten Strophe die Symbolfunktion<br />

Barbarossas: als Aussagen sind sie nicht nur laut,<br />

31<br />

sondern auch pathetisch . Der Herold wird schließlich zum<br />

Kaiserrufer und zugleich zum Kriegsrufer ("Kriegsgott Mars").<br />

Erst die letzte Strophe kündigt das Ziel dieses Rufens an; sie<br />

verweist auf eine metaphorische Dichotomie <strong>von</strong> Tag und Nacht,<br />

deren Endpunkt der Sprecher setzt. Sein Wunsch "Des Tags Erwachen"<br />

zeigt, wie undeutlich dieses Sprechen i s t . Erst <strong>von</strong> da<br />

her entpuppt sich der Titel des Gedichts als vielsagend und sich<br />

selbstdeutend: der Wunsch bleibt metaphorisch ausgegeben und<br />

rhetorisch so stark an literarische Traditionen gebunden, daß<br />

die Aussage dahinter verschwindet.<br />

<strong>Scheffel</strong>s politische Gedichte der Vormärzzeit lassen in der<br />

Aufnahme des Mythos und seiner rhetorischen Präsentation<br />

wenigstens den politischen Hintergrund erahnen, der sich aber<br />

auf verhülltere Weise literarisch niederschlagen kann:<br />

"Ich bin oft so herzlich froh, daß hinter der Gedankenwelt<br />

<strong>von</strong> 184-8 auch noch eine andere l i e g t , in der es, bei der<br />

Erinnerung, die gar oft jetzt über mich kommt, hellauf tönt<br />

mit Sang und Klang und frischem Jugendleben." (32)<br />

Rechnet man mit einer solchermaßen vom Politischen gereinigten


107<br />

Lyrik, dann bleiben politische Inhalte nur noch mit Mühe aus<br />

historischen oder exotischen Motiven zu entschlüsseln. Anastasios<br />

der Byzantiner singt in der 7/iau Avantlu/ia einen "Trauergesang<br />

um die Eroberung Konstantinopels durch die lateinischen<br />

Kreuzfahrer i . J. 1204" (111,86-89): die <strong>im</strong> historischen Bereich<br />

angesiedelte Zeitkritik des 1859 entstandenen Gedichts<br />

("Neue Ära" in Preußen!) läßt den aktuellen politischen<br />

eigentlich nur noch durch die Zugehörigkeit zum Zyklus der<br />

Bezug<br />

7/iau Avantiu/ie. durchscheinen. Aber auch dann i s t jeder Zeitbezug<br />

noch extrem verborgen. Eine Kritik an der Reaktionsmentalität<br />

und der Zensur sind fast nicht mehr zu erkennen:<br />

"Kirchhofstill war's in den Landen,<br />

Der Erfolg galt für das Recht;<br />

Stummer Dienst war nur gelitten,<br />

Freien Sinn schlug Haft und Bann,<br />

Wer nicht Sklave, nicht verschnitten,<br />

Galt nicht für den rechten Mann." (111,88)<br />

2. Der ewige Student. Von der Burschenschaft zum Stammtisch<br />

Man könnte nun leicht auf den Gedanken kommen, an <strong>Scheffel</strong>s<br />

Burschenschafts- und Studentenliedern seine politischen<br />

Kommentare direkt abzulesen. Dies i s t aber nur in beschränktem<br />

Maß legit<strong>im</strong>. Man hat nämlich dabei <strong>im</strong> Auge zu behalten, daß<br />

gerade die aussagekräftigsten und politisch scheinbar aufschlußreichsten<br />

Lieder erst weit nach <strong>Scheffel</strong>s Studentenzeit<br />

und oft noch v i e l später aus der Erinnerung verfaßt worden<br />

3 3<br />

sind . Diese Endfassungen gehen allerdings meist auf Entwürfe,<br />

lose Blätter oder mündliche Vorformen der Studentenzeit zurück.<br />

Das Gedicht "Der Ichthyosaurus", das erst 1854 veröffentlicht<br />

wird, aber einer früheren Entstehungsepoche aus <strong>Scheffel</strong>s Studentenzeit<br />

entstammt, lebt aus der Inadäquanz <strong>von</strong> naturwissenschaftlichen<br />

Fachbegriffen und forschem Studentenjargon, oft<br />

in den Re<strong>im</strong>verbindungen:<br />

"Es rauscht in den Schachtelhalmen,<br />

Verdächtig leuchtet das Meer,<br />

Da schw<strong>im</strong>mt mit Tränen <strong>im</strong> Auge<br />

Ein Ichthyosaurus daher.


108<br />

Ihn jammert der Zeiten Verderbnis,<br />

Denn ein sehr bedenklicher Ton<br />

War neuerlich eingerissen<br />

In der Liasformation:<br />

'Der Plesiosaurus, der Alte,<br />

Er jubelt in Saus und Braus,<br />

Der Pterodactylus selber<br />

Flog neulich betrunken nach Haus.<br />

Der Jguanodon, der Lümmel,<br />

Wird frecher zu jeglicher Frist,<br />

Schon hat er am hellen Tage<br />

Die Ichthyosaura geküßt.<br />

Mir ahnt eine Weltkatastrophe,<br />

So kann es ja länger nicht gehn:<br />

Was s o l l aus dem Lias noch werden,<br />

Wenn solche Dinge geschehn?'<br />

So klagte der Ichthyosaurus,<br />

Da ward es ihm kreidig zumut;<br />

Sein letzter Seufzer verhallte<br />

Im Qualmen und Zischen der Flut.<br />

Es starb zu derselbigen Stunde<br />

Die ganze Saurierei,<br />

Sie kamen zu t i e f in die Kreise,<br />

Da war es natürlich vorbei.<br />

Und der uns hat gesungen<br />

Dies petrefaktische Lied,<br />

Der fand's als fossiles Albumblatt<br />

Auf einem Kropolith." (IV,10f)<br />

Die komische Wirkung fast schon als Sprachparodie entsteht<br />

durch die Verlagerung der Erzählperspektive in ein vermenschlichtes<br />

Tier der Vorzeit, das sich 'kritisch' mit seiner eigenen<br />

Urzeit-Gegenwart auseinandersetzt. Die naturwissenschaftliche<br />

Fortschrittsgläubigkeit des 19. Jahrhunderts wird <strong>im</strong><br />

Ichthyosaurus und seinem Kulturpess<strong>im</strong>ismus parodiert. Das faktische<br />

Aussterben der Saurier unterlegt dem sprechenden Vorzeitlebewesen<br />

ein ironisiertes Endzeitgerde. Da in ihm der<br />

ernsthafte Gegenstand der Naturgeschichte und die s t i l i s t i s c h<br />

unpassende Behandlung auseinanderdriften, entsteht ein studentisches<br />

Ulklied. Sein Gebrauchswert liegt in der Identifikationsmöglichkeit<br />

des Sängers/Lesers begründet. Denn der an und<br />

für sich sinnlose Inhalt des Sauriermonologs gewinnt erst in<br />

der Übertragung auf die Bedingungen des Studentenlebens einen<br />

Sinn. Studentische Sitten werden auf Urtiere übertragen (der


109<br />

betrunkene Pterodactylus; der Juguanodon, der "am hellen Tage"<br />

küßt), beziehen sich jedoch über das Lied auf die studentische<br />

Sangesgemeinschaft zurück. Erst dort wird die Identifikation<br />

möglich. Die Kulturkritik des alten Ichthyosaurus geht vom<br />

Gegenbild des Studenten, <strong>von</strong> der Lebensform des Philisters aus.<br />

Der Pess<strong>im</strong>ismus, der aus der Klage des philiströsen Urtiers<br />

spricht, findet sein Gegenstück in der studentischen Lebensform.<br />

Die lustige Ungeniertheit des parodierenden Liedes kann<br />

so zur positiven Antwort auf die pess<strong>im</strong>istisch gesehene Zeit<br />

werden.<br />

Die wohl bekanntesten Studentenverse <strong>Scheffel</strong>s <strong>von</strong> 1876(!), die<br />

<strong>Scheffel</strong>s Studentenideologie kompr<strong>im</strong>iert enthalten, zeigen f r e i ­<br />

l i c h unter ihrer gezwungenen Heiterkeit die Brüchigkeit dieses<br />

Studentenideals<br />

an:<br />

"Nicht rasten und nicht rosten,<br />

Weisheit und Schönheit kosten,<br />

Durst löschen, wenn er brennt,<br />

Die Sorgen versingen mit Scherzen:<br />

- Wer's kann, der bleibt <strong>im</strong> Herzen<br />

Zeitlebens ein Student!" (IX,195)<br />

Hier verbinden sich alle Versatzstücke der Scheffeischen Dichtungsideologie<br />

mit dem Studentenlied: das ewige Wandern als<br />

Angst vor dem Festsitzen; Weisheit und Schönheit als Ideale,<br />

die jedoch nur gekostet und nicht genossen werden; der Alkohol<br />

und die humorige Poesie als Ausdruck der "Sorgen" und zugleich<br />

als Therapie gegen sie. Diese Konstituenten des Studentenlebens<br />

werden nun als Versatz stücke und zugleich, auch als Regeln für<br />

das gesamte weitere Leben betrachtet ("zeitlebens"). Das Kennzeichen<br />

für ein echtes Studentsein i s t kein sozialer Status<br />

oder ein Abschnitt <strong>im</strong> Leben des Bürgers, sondern liegt <strong>im</strong> Herzen<br />

beschlossen - eine grundlegende, vom Lebensalter unabhängige<br />

Eigenschaft! Auch wenn der Bürger selber zum Philster geworden<br />

i s t , kann er sich innerlich weiterhin als Student fühlen. Die<br />

Einschränkung des Gedichts, daß es sich dabei um ein kaum erreichbares<br />

Ideal handelt, i s t verräterisch, weil es den Wunschtraum<br />

des Spießbürgers als nicht realisierbar enthüllt: "Wer's<br />

kann"! Deshalb auch bilden die miteinander re<strong>im</strong>enden Verse nicht<br />

bloß zufällige Kombinationen, sondern verknüpfen tiefere Schichten<br />

des Scheffeischen Studentenbildes. So wie Weisheit und


110<br />

Schönheit nur <strong>im</strong> "nicht rosten", also <strong>im</strong> Wandern begriffen werden<br />

können, genauso hängt die Sängerrolle am "Herzen" und<br />

"Scherzen", also am Humor. Die (kausale?) Verbindung <strong>von</strong> studentischem<br />

Leben und Trinkfreudigkeit liegt ebenso auf der Hand<br />

wie die Vermutung, daß sich das Studentsein "zeitlebens" nur in<br />

der Pflege eines studentischen Dursts manifestiert!<br />

<strong>Scheffel</strong>s politische Haltung dieser Zeit wäre dann nur an der<br />

engen Verknüpfung <strong>von</strong> studentischen und burschenschaftlichen<br />

Denkweisen mit der literarischen Formenwelt abzulesen. Es steht<br />

zu vermuten, daß die Verbindungen <strong>von</strong> <strong>Scheffel</strong>s Dichtungen zu<br />

den politischen Ereignissen der Zeit über die studentische Rezeption,<br />

also ihren Gebrauchs- und Verbrauchszusammenhang laufen.<br />

<strong>Scheffel</strong>s frühe Lyrik i s t in ihrer Trinkfreude und Corpsverherrlichung<br />

auf spezifische Burschenschaftsgewohnheiten und<br />

Studentensitten ausgerichtet. Diese Rezeptionsbasis geht sicherl<br />

i c h , etwa in der Gaudeamus-Lyrik, in die Themen, die (mündliche)<br />

Vortragsform, den eigenartigen Humor und bis in die<br />

Sprachverwendung ein.<br />

Für <strong>Scheffel</strong> definiert sich <strong>im</strong> Studentenleben wie in seinen<br />

3L<br />

Verbindungsmitgliedschaften das Gegenbild zum Philister in<br />

zwei Richtungen: einmal hebt die hervorgekehrte Wissenschaftlichkeit<br />

den jungen Akademiker aus der Bürgermasse heraus, zum<br />

anderen führt er als Student einen bewußt dargebotenen unsoliden<br />

> 3 5<br />

Lebenswandel mit "Ulk, Nachtwandel, Unfug usw." Gerade dies<br />

letztere i s t dabei oft zum Hauptkennzeichen des Studentischen<br />

geworden. Es i s t also nur beschränkt ironisch gemeint, wenn<br />

<strong>Scheffel</strong> berichtet, einige Verbindungsbrüder betrachteten<br />

"als Mittelpunkt und Hauptzweck der Verbindung bloß die<br />

Kneipe und die durch den vielseitigen Umgang daselbst hervorgebrachte<br />

Charakterausbildung." (36)<br />

Der Kampf gegen den Typus des verhaßten Philisters bleibt jedoch<br />

das Kernstück des studentischen Verbindungslebens. <strong>Scheffel</strong> berichtet<br />

an Schwanitz über eine solche Zusammenkunft:<br />

"Einer trat ganz pompös auf, sprach <strong>von</strong> der Herrlichkeit des<br />

wahren Studentenlebens und brachte ein Pereat allen Philistern.<br />

Dann kam die Definition ungefähr so: Philister aber i s t jeder,<br />

der nicht weiß, was er w i l l . Jeder, der etwas w i l l ,<br />

muß auch etwas Höheres, über ihm Stehendes wollen, und dies<br />

Höhere kann nichts anderes sein, als der Gott, wie ^ i r ihn<br />

festhalten und glauben; - wer etwas anderes will,, als diesen,


111<br />

strebt nach etwas, das keinen Inhalt hat und unmöglich i s t , er<br />

weiß also in Wirklichkeit nicht, was er w i l l , ergo - - ! Dann<br />

wurde noch v i e l über deutsche Freiheit und Gemütlichkeit und<br />

Tapferkeit p.p. gepaukt." (37)<br />

Die antiphiliströse Attitüde darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen,<br />

daß allen Korpsstudenten später selbst einmal das<br />

Schicksal des verhaßten Philisters winkt. Der Versuch, den Geist<br />

des studentischen Lebens in das bürgerliche Leben des Philistertums<br />

hinüberzuretten, best<strong>im</strong>mt deshalb auch die Intention der<br />

3 8<br />

Studentenlieder <strong>Scheffel</strong>s . Für den zum Philister gewordenen<br />

Korpsstudenten gibt es dann die Möglichkeit, in den Studentenliedern<br />

<strong>Scheffel</strong>s auch <strong>im</strong> <strong>bürgerlichen</strong> Leben noch die Erinnerung<br />

zu bewahren und sich in ihrem Absingen weiterhin als Anti­<br />

Philister zu fühlen. Diese Rezeptionsgruppe und in ihrem Sog<br />

eine spezifische Schicht des akademisch gebildeten Bürgertums<br />

i s t sicherlich für den Verkaufserfolg und die Gebrauchsfunktion<br />

39<br />

der <strong>Scheffel</strong>gedichte <strong>von</strong> tragender Bedeutung .<br />

Da <strong>Scheffel</strong>s Studentenlieder ja erst nachträglich aus dieser<br />

liebgewordenen Erinnerung entstehen, bildet sich fast automatisch<br />

ein Kreislauf erinnerungsseliger Bestätigung zwischen<br />

Autor, Text und Leser. Die 'Gattung' des Abschiedslieds umfaßt<br />

dann <strong>im</strong> Abschied <strong>von</strong> der geliebten Stadt Heidelberg ungesagt<br />

auch das Ende der studentischen Lebensform. In der lyrisierenden<br />

Umgebung des berühmten "Alt Heidelberg, die feine" - es steht <strong>im</strong><br />

7'/lompeta/i - wird dieser Zusammenhang deutlich:<br />

"Alt Heidelberg, du feine,<br />

Du Stadt an Ehren reich,<br />

Am Neckar und am Rheine<br />

Kein' andre kommt die gleich.<br />

Stadt fröhlicher Gesellen,<br />

An Weisheit schwer und Wein,<br />

Klar ziehn des Stromes Wellen,<br />

Blauäuglein blitzen drein.<br />

Und kommt aus lindem Süden<br />

Der Frühling übers Land,<br />

So webt er dir aus Blüten<br />

Ein sch<strong>im</strong>mernd Brautgewand.<br />

Auch mir stehst du geschrieben<br />

Ins Herz gleich einer Braut,<br />

Es klingt wie junges Lieben<br />

Dein Name mir so traut.


112<br />

Und stechen mich die Dornen,<br />

Und wird mir's drauß zu kahl,<br />

Geb' ich dem Roß die Spornen<br />

Und r e i t ' ins Neckartal." (1,18)<br />

Jung-Werner wird nämlich <strong>im</strong> Anschluß an dieses Lied dem Pfarrherrn<br />

<strong>von</strong> seinen juristischen Studien erzählen; zwei Seiten<br />

später folgt <strong>im</strong> gleichen Kontext die Geschichte vom trinkfreudigen<br />

Zwerg Perkeo; zum Vortrag seines Heidelberg-Lieds trinkt<br />

Werner zudem "Einen Schluck des roten Weines" (1,18). Die Beschreibung<br />

Heidelbergs stützt sich vorerst scheinbar auf rein<br />

topographische Tatsachen, als gelte es, einen gere<strong>im</strong>ten Fremdenführer<br />

zu erstellen. Erst der Ich-Bezug der vorletzten Strophe<br />

macht deutlich, wofür die Stadt Heidelberg steht: als Ersatz<br />

für eine "Braut" und ein "junges Lieben". Gegen die stechenden<br />

"Dornen" und die feindliche Umwelt wird die Stadt und mit ihr<br />

die ungenannte Studentenerinnerung zum Objekt eines fluchtartigen<br />

Rückzugs.<br />

In einem gattungstypologisch weniger eingebundenen Gedicht, dem<br />

"Abschiedslied des Unentwegten" <strong>von</strong> 184-5 (IX,20f), wird dieser<br />

Hintergrund noch deutlicher. Im Abschiedsgesang des Korpsstudenten<br />

werden typisch studentische Haltungen und Eigenschaften<br />

syntaktisch an das politisch Oppositionelle gebunden:<br />

"Ich ulk' nicht mehr in euch /=Straßen7 herum,<br />

St<strong>im</strong>m' nicht mehr die Marseillaise an<br />

[...]<br />

Was s o l l ich mit euch Kneipen allen?<br />

Vollendet sind ja schon die Wahlen,<br />

[...]<br />

Wo bei B i l l i a r d , Domino und Whist<br />

Die Opposition so tätig i s t . " (IX,20)<br />

Erst <strong>im</strong> Abschied vom Studentenleben macht das <strong>Scheffel</strong>gedicht<br />

die politischen Implikationen sichtbar. Erst dort, <strong>im</strong> Kreislauf<br />

vom Bürger zum Bürger, wird das Ende und Ziel des Studentenlebens<br />

zugegeben:<br />

"Bemoostes Sektionsmitglied zieh' ich aus,<br />

Behüt dich Gott, du Bürgerhaus,<br />

Vollendet i s t mein Gelehrtenlauf,<br />

Jetzt geht der Student in den Bürger auf!" (IX,20)<br />

Der &ngc/ic Ausschuß in Heidelberg i s t deshalb biographisch wie<br />

literarisch wichtig nicht nur als Anreger und Rezipient für<br />

<strong>Scheffel</strong>s Trink- und Qaudß.amus-Lieder ^; er verkörpert geradezu


113<br />

den Ubergang der Studentenkneiperei in das Stammtischwesen des<br />

gesetzten Bürgers. Dieser Enge/ie in jener Zeit war <strong>von</strong> seiner<br />

Zusammensetzung her nicht nur l i b e r a l - f r e i h e i t l i c h angehaucht,<br />

sondern hatte <strong>im</strong> Kern aus einer badischen 'Flüchtlingskolonie 1<br />

<strong>von</strong> Enttäuschten und Resignierten nach 184-8 bestanden . "Die<br />

Gemeinsamkeit des Geschicks" und die "Ferienst<strong>im</strong>mung, welche<br />

42<br />

bald über die Geister des Mißgeschicks die Oberhand gewann" ,<br />

umschreiben mit der St<strong>im</strong>mung des Kreises zugleich die beiden<br />

wichtigsten Best<strong>im</strong>mungen für <strong>Scheffel</strong>s lyrische Produktion jener<br />

Tage.<br />

In den Umkreis eines solchen Rezeptions- und Produktions Zirkels<br />

läßt sich <strong>Scheffel</strong>s Trinkphilosophie einordnen, allerdings nicht<br />

4 3<br />

<strong>im</strong> Sinne einer literaturgeschichtlichen Typologie , sondern in<br />

ihrem Bezug zur politischen Situation. Die Lieder vom Rodenstein<br />

<strong>im</strong> Qaude.am.iLS (IV,42-52) etwa deuten die Figur des Ritters um;<br />

das r i t t e r l i c h e Abenteuer wird ein <strong>im</strong>merwährendes Suchen nach<br />

neuen Trinkmöglichkeiten:<br />

"Das i s t der Herr <strong>von</strong> Rodenstein,<br />

Auf Rheinwein w i l l er pirschen." (IV,42)<br />

Für den Ritter, der seine Besitzungen nach und nach vertrunken<br />

hat, i s t das Trinken zum einzigen Lebensinhalt geworden. Das<br />

Trinken als Lebensbewältigung nach Enttäuschungen weitet sich<br />

zur Totalität; es kann <strong>im</strong> Singen <strong>von</strong> Trinkliedern zu einer unendlichen<br />

Kontinuität anwachsen, wie der "Und wieder"-Anschluß<br />

der Rodensteinlieder beweist. Ihre Nutzanwendung leiten diese<br />

Trinklieder daraus ab, daß der Rodensteiner sich zum nachahmenswerten<br />

Vorbild erhebt:<br />

"Und alles, was <strong>im</strong> Odenwald<br />

Sein' Durst noch nicht g e s t i l l t ,<br />

Das folgt ihm bald" (IV,49).<br />

Schließlich wird sogar die Zeit selbst eine durstige: "Schon<br />

naht die durstige Maiweinzeit" (IV,51). Diese Trinkfröhlichkeit<br />

und die Kraftpose gegen das antialkoholische Philistertum legen<br />

den Verdacht nahe, daß zum adäquaten Verständnis der Gedichte<br />

neben der Kenntnis der Melodien auch die Aufführungssituation<br />

in einer angeheiterten St<strong>im</strong>mung mitgedacht werden muß. Gleiches<br />

g i l t für die politischen Implikationen, die nur indirekt sichtbar<br />

werden, weil sie sich beispielsweise schon aus dem Selbst-


1U<br />

Verständnis der Produktions- und Rezeptionsgemeinschaft des<br />

£nge./izn ergeben. Der politische Anachronismus des Rodensteiners<br />

"0 römisch Reich, du bist nicht mehr,<br />

Doch r e i t 1 ich noch zu deiner Ehr!-<br />

- Der Rodenstein zieht um." (IX,4-1)<br />

bezieht noch am Rande die politische Diskussion um die Gestaltung<br />

des Reiches mit ein. Daß solches keinesfalls zu intensiv<br />

politisch interpretiert sein muß, belegt etwa der Nachweis, daß<br />

manches dieser Rodensteingedichte<br />

"den Protest des Schmezer 1 sehen Kreises [=£.nge./ie./i] gegen<br />

die frühe Polizeistunde des strengen Polizeireg<strong>im</strong>ents während<br />

jener reaktionären Epoche zu drastischem Ausdruck brachte."<br />

(U)<br />

<strong>Scheffel</strong> hat noch ausführlicher, dann allerdings ohne die politische<br />

Anspielung, diese Trinkfreudigkeit zu einem 'philosophischen<br />

1 System ausgeweitet. Im 1/lompata/i erzählt Jung-Werner<br />

dem Pfarrherrn, er habe sich längere Zeit in Heidelberg bei<br />

seinem alten Freund Perkeo, "des Kurfürsts Hofnarr" (1,21),<br />

aufgehalten:<br />

"Der hatt' aus des Lebens Stürmen<br />

Zu kontemplativer Trinkung<br />

Sich hieher zurückgezogen,<br />

Und der Keller war Asyl ihm." (1,21)<br />

Das Leben des Zwerges Perkeo dreht sich um das große Heidelberger<br />

Faß. Es i s t ihm ein "Wunder unsrer Tage", ein "Kunstwerk<br />

deutschen Denkens", es g i l t ihm geradezu als Liebesersatz (I,<br />

21: "'s war, als sei er ihm vermählt"). Perkeo, Jung-Werner -<br />

denn dieser deutet erzählend Perkeos Geschichte - und mit ihnen<br />

der Erzähler singen dem Faß ihr "Schlummerlied" (1,22). In bewußter<br />

Abgrenzung <strong>von</strong> der Welt dort "oben" führt das Trinken<br />

den Zwerg "Auf die Gründe aller Dinge; zur Wahrheit". Im Trunk<br />

findet er "Weltanschauung" und die wahre "Forschung": "Solchen<br />

Zweck erstrebend, trink' ich" (1,22). Die Welt wird ihm zu<br />

einem phantastischen Weinkeller, in dem die Fässer wie die<br />

Planeten um ihn kreisen. Damit i s t ihm sein Trinken nicht mehr<br />

nur "Kosmogonisch" (1,22), sondern sogar ein "schöpferisches<br />

Trinken" (1,23). Jung-Werner, der Held, schließt sich dem Zwerg<br />

an; eigentlich i s t er es, der dem Alkoholismus Perkeos durch<br />

seine Interrpetation erst die 'philosophische' D<strong>im</strong>ension gibt!


115<br />

Das Ziel und Ende dieses "philosoph 1 sehen Frühtrunks" (1,23)<br />

ist so einleuchtend wie banal - ein Vollrausch. Im Rausch verändert<br />

sich dann die Wirklichkeit, und zwar so, wie man sie<br />

gerne sehen würde und wie sie tatsächlich nicht ist:<br />

"Aber wie <strong>im</strong> Mittagsscheine<br />

Ich heraustrat, schien die Welt mir<br />

Etwas seltsam anzuschauen.<br />

Rosig sch<strong>im</strong>merten die Lüfte,<br />

Engel hört 1 ich musizieren." (1,23)<br />

Scheint die ironische Erzählung Jung-Werners die Hintergründe<br />

der politischen Enttäuschung <strong>Scheffel</strong>s durch humoristische<br />

Relativierung in Frage zu stellen - als <strong>Scheffel</strong> 184-9 das<br />

Perkeomotiv für ein Qaude.amus-Trinklied wieder aufn<strong>im</strong>mt, läßt<br />

er die Maske, die <strong>im</strong> Gattungsvorbehalt<br />

des 7/iompe.te./t noch<br />

steckt, fallen: die Perkeorolle wird zur Ichrolle. Die Eigenschaften<br />

"feuchtfröhlich und gescheut" (IV,59) werden nicht nur<br />

identische Eigenschaften; auch die <strong>Scheffel</strong>eigene Ubersetzung<br />

der antiken Sentenz in vino vaiita* zeigt in der Satzstellung,<br />

worauf es dem Dichter ankommt: "Die Wahrheit liegt <strong>im</strong> Weine"<br />

(IV,59). Dem Säufer "strahlte inneres Licht", sein Trinken wird<br />

ihm zur gigantischen Leistung und zur Heldentat (IV,60: "Also<br />

ich arm* Gezwerge den Riesen Durst bezwang").<br />

Welche Möglichkeiten in dieser Rolle des projizierten Ich-<br />

Bezuges stecken, zeigt ein bekanntes Traumgedicht <strong>Scheffel</strong>s:<br />

"Mir träumt', der H<strong>im</strong>mel samt der Erd'<br />

Sollt' eine Bowle sein;<br />

Dazwischen flöss' das weite Meer<br />

Und sei voll lauter Wein." (IX,34)<br />

Die Trinkersehnsucht nach freier Zeche und die Hoffnung, am<br />

nächsten Morgen kein Kopfweh zu verspüren, überdeckt nicht<br />

die Intention des Gedichts: der Weltbewältigung durch das Trinken.<br />

Der Träumer trinkt nicht gegen den Durst, sondern für sein<br />

"durstig Herz" (IX, 34-). Den direkten politischen Bezug gewinnt<br />

diese Trinkphilosophie wieder, wenn die alkoholische Lebensform<br />

exklusiv für das Bürgertum reserviert werden s o l l . Im<br />

Gedicht "Verschiedene Ansichten" <strong>von</strong> 184-8 wird den politisch<br />

trüben Ansichten des ersten und zweiten Standes das Trinken als<br />

'sozialer' Wert gegenübergestellt:


116<br />

"Es war ein Mann vom dritten Stand,<br />

Der Mann war nicht so arrogant,<br />

Er sprach: Die Welt i s t wunderschön,<br />

Ju, ja wunderschön,<br />

Dieweil Wirtshäuser drinnen stehn:<br />

Herr Wirt! Einen Schoppen!" (IX,46)<br />

In dem 184-9 entstandenen Gedicht "Der wahre deutsche Kaiser"<br />

löst <strong>Scheffel</strong> die aktuelle Frage nach dem Reichsoberhaupt für<br />

die Gesamtnation ganz einfach; ein wahrer deutscher Kaiser zeichnet<br />

sich durch Trinkfestigkeit aus:<br />

"Herr Wenzeslaus <strong>von</strong> Böhe<strong>im</strong>, der war ein wackrer Mann,<br />

Er saß be<strong>im</strong> Rheinweinfas«e vom frühsten Morgen an" (IX,61).<br />

Im Kaiser, der sich lieber als "Privatmann" um den Wein als um<br />

die Politik kümmert, i s t der persönliche Bezug der Ich-Rolle nur<br />

schwach übertüncht, wenn es ironisch einschränkend heißt: "- Und<br />

wenn ich Kaiser werde, so mach 1 ich's ebenso!" (IX,61).<br />

Unter der Maske <strong>von</strong> Rollen können so literarische Formen zur<br />

Literarisierung <strong>von</strong> Lebenswirklichkeit herhalten. Die Originalität<br />

* <strong>Scheffel</strong>s ergibt sich dann aus seiner Respektlosigkeit<br />

vor dem politischen Ereignis, das vom Leser/Hörer/Sänger zwar<br />

nicht zum Gebrauch als Trinklied, aber zum Verständnis als politisches<br />

Gedicht <strong>im</strong>mer mitrezipiert werden muß. Man braucht den<br />

L 5<br />

biographischen Bezug <strong>Scheffel</strong>s zum Trunk nicht übertreiben ,<br />

aber selbst eine Min<strong>im</strong>alinterpretation muß es bezeichnend finden,<br />

wie Politisches dadurch ironisiert und l i t e r a r i s i e r t wird, daß<br />

es in einen Kontext mit dem Trinken gebracht wird. Aus der Lebenslage<br />

des Trinkers aus Enttäuschung wird in der literarischen<br />

Situation fast zwangsläufig das politische Trinklied. Die<br />

schwärzeste Parodie dieser Art i s t das Gedicht "Es lebe die<br />

Bierrepublik!" <strong>von</strong> 1848:<br />

"Der Bierstaat, nur der Bierstaat sei es!<br />

In ihm liegt unser Heil a l l e i n :<br />

Und ganz Europa wird ein freies,<br />

Ein permanentes Lichtenhain!<br />

Man säuft als wie ein Kannibale,<br />

Im Katzenjammer kommt das Glück:<br />

Das i s t die neue soziale<br />

Die veilchenblaue Republik!" (IX,47f)<br />

Am weitesten i s t die Pervertierung des Politischen ins Alkoholische<br />

allerdings in dem Gedicht "Vom Kommissari und seinem Sekretär"<br />

getrieben, das sich auf <strong>Scheffel</strong>s Tätigkeit als Gesand-


117<br />

schaftssekretär Welckers bezieht:<br />

"War einst ein Koramissari,<br />

Der soff bei Tag und Nacht.<br />

Der hatt' ein' Sekretari,<br />

Der's ebenso gemacht.<br />

Depeschen, Brief und Akten<br />

Macht'n ihnen wenig Müh,<br />

Sie kneipten und tabakten<br />

Oft bis zum Morgen früh.<br />

Und soff der Kommissari<br />

'mal ein paar Glas zu v i e l ,<br />

So war dem Sekretari<br />

Ein Rausch ein Kinderspiel.<br />

Und lag der Kommissari<br />

Des Morgens noch <strong>im</strong> Tran,<br />

So fing der Sekretari<br />

Schon wieder zu frühstücken an.<br />

Wo war der Kommissari,<br />

Der so v i e l saufen kunnt ? ?<br />

Wo war der Sekretari?<br />

Sie war'n be<strong>im</strong> - Deutschen Bund!" (IX,4-6)<br />

Der realpolitische Anlaß der Gesandtschaft geht neben den humor<br />

i s t i s c h geschilderten Sauftouren der beiden Politiker fast<br />

völlig unter, so daß er nur noch als Pointe Verwendung findet:<br />

das Saufen re<strong>im</strong>t sich mit dem Deutschen Bund. Die politischen<br />

Bestrebungen, an denen <strong>Scheffel</strong> selbst einmal teilhatte, werden<br />

zugunsten eines Lachers <strong>im</strong> nachhinein diskreditiert.<br />

3. Vom Deutschen Bund zum Deutschen Reich<br />

<strong>Scheffel</strong>s Stellung innerhalb der politischen Situation der Zeit<br />

i s t , wie schon gezeigt wurde, kein bloß individuelles Schicksal.<br />

Mit Begriffen wie politisch-ästhetischer Masochismus^ i s t ebenso<br />

wenig anzufangen wie mit dem verfälschenden Urteil, <strong>Scheffel</strong><br />

habe sich in dieser Zeit <strong>im</strong>mer "auf Seiten der siegreichen Re-<br />

4.7<br />

aktion" befunden . Der Rückzug <strong>Scheffel</strong>s aus der Politik nach<br />

1848 i s t ein programmatischer. Insofern hat die Annahme der<br />

Assessorenstelle in Säckingen sinnbildhafte Funktion. Mit dem<br />

Rückzug in die äußerste Provinz verlegt sich <strong>Scheffel</strong> zugleich<br />

auf ein poetisches sich Erinnern best<strong>im</strong>mter Werte, die aus ihrem


118<br />

Gegensatz zur P o l i t i k ihre Qualität erhalten:<br />

"erinnerte mich, daß der Mensch auch noch andere Nahrung<br />

finden kann als P o l i t i k , erinnerte mich, daß es auch noch<br />

Kunst und Waldeinsamkeit gibt." (48)<br />

In Säckingen kann die Resignation nicht literarisch ausgedrückt,<br />

aber ausgelebt werden. An seine Mutter schreibt <strong>Scheffel</strong> 1850:<br />

"Hie und da komm ich mir schrecklich einsam vor. Mein Salon,<br />

Amtsstube und Wirtshaus sind die drei Punkte, um die sich<br />

mein Leben bewegt." (49)<br />

Solchermaßen empfand sich <strong>Scheffel</strong> in ganz und gar unetablierter<br />

Stellung, vom reaktionären Staat verfolgt und <strong>von</strong> seinen persönlichen<br />

Enttäuschungen erdrückt. Von da her ließen sich Vergleiche<br />

zum v i e l angepaßteren und kleindeutsch-preußischen Geibel ziehen<br />

sowie vor diesem Hintergrund Wertungen um Konventionalität und<br />

Konformität des politischen Standorts überprüfen^. Für <strong>Scheffel</strong><br />

verdichtet sich die Resignation nach 1848 zu einem grundsätzlichen<br />

Pess<strong>im</strong>ismus, der ihn zeitlebens hindern wird, als Vorreiter<br />

preußischer und nationaler Reichsbegeisterung aufzutreten. Er<br />

51<br />

"sieht mit einer gewissen Apathie der Zukunft entgegen" , wobei<br />

er seine eigene St<strong>im</strong>mung stellvertretend für die allgemein<br />

nationale n<strong>im</strong>mt: "Daher i s t die St<strong>im</strong>mung des Volkes die einer<br />

52<br />

dumpfen Resignation" .<br />

Charakteristisch für diese Jahre i s t der Versuch <strong>Scheffel</strong>s,<br />

sich <strong>von</strong> allem, was <strong>im</strong> weitesten Sinn an P o l i t i k erinnern könnte,<br />

zurückzuziehen. Das hindert <strong>Scheffel</strong> aber nicht, die politischen<br />

Ereignisse zeitkritisch zu kommentieren. Daß er sich die p o l i t i ­<br />

sche Situation Deutschlands <strong>im</strong> Jahre 1866 aus einem Versagen<br />

der Parteiungen <strong>von</strong> 1848 erklärt, mag <strong>im</strong>merhin überraschen:<br />

"1. Die radikal republikanische Putsch- und Krakehl-Partei.<br />

2. Die l i b e r a l parlamentarisch-gothaisch-preußisch-spitzliche.<br />

3. Die alten Metternichschen Diplomaten, die 1850 sich auf<br />

der Dresdner Konferenz umarmten, als der alte Bundestag<br />

wieder hergestellt war; so kommt an den Bankerott als Nummer:<br />

4. Die preußische Militärpartei mit der blutig eisernen Bruderhand<br />

und der Ladestock-Parlamentsfuchtel. [•••]<br />

Dieser Bankerott wird übrigens mit dem <strong>von</strong> Altdeutschland<br />

nahezu identisch sein.<br />

Einstweilen reguliert man sein Haus und behält keine<br />

fremden Depositen." (53)<br />

Daß gerade die Zeit der politischen Resignation die poetisch<br />

produktive Zeit <strong>Scheffel</strong>s gewesen i s t , legt einen psychologi-


119<br />

sehen Schluß nahe, ohne f r e i l i c h in eine plumpe Kausalität zu<br />

verf a l l e n ^ .<br />

Wie geht nun die Politik aus dieser Gegenhaltung <strong>Scheffel</strong>s in<br />

sein Werk ein? Während des französisch-österreichischen Krieges<br />

in Italien 1859 schreibt <strong>Scheffel</strong> an seinem unvollendet gebliebenen<br />

Wartburgroman das Kapitel der Thüringer vor Akkon, also<br />

die entscheidende Eroberungsschlacht der Kreuzzüge. Ähnliches<br />

g i l t für das Romanfragment 1/ie.ne. <strong>von</strong> Splt<strong>im</strong>.be.ng, das <strong>im</strong> oberitalienischen<br />

Raum spielen sollte. <strong>Scheffel</strong>s großdeutsche Haltung<br />

in der Zeit der kleindeutschen Lösungen - Preußen hält sioh ja<br />

aus taktischen Gründen aus dem Italienischen Krieg heraus -<br />

schlägt sich auch in der Ansiedelung seiner fragmentarischen<br />

'deutschen' historischen Romane und der Tn.au Aventiune in<br />

Österreich nieder. In die gleiche Richtung geht <strong>Scheffel</strong>s These,<br />

der Österreicher Heinrich <strong>von</strong> Ofterdingen sei der Verfasser des<br />

deutschen Nibelungenliedes. Die vermittelnde Funktion Heinrichs<br />

<strong>von</strong> Ofterdingen in der Tnau Aventiune zwischen den 'nationalen'<br />

Stammesunterschieden mit dem Ziel einer gesamtdeutschen Synthese<br />

in Mittelalter und Gegenwart i s t offenkundig:<br />

"Indem er dort /=Heinrich v. Ofterdingen auf der Wartburg/<br />

mit dem Nibelungenlied als höchster Leistung seinen Gegnern<br />

die Spitze bietet, einer Dichtung, welche einen nordischdeutschen<br />

Stoff mit den Elementen süddeutscher Geschichte versetzt<br />

und in süddeutsch frischer Weise behandelt zeigt, v o l l ­<br />

bringt er eine schöne Tat idealer Versöhnung des Gegensatzes<br />

<strong>von</strong> Nord und Süd <strong>im</strong> Deutschthum <strong>von</strong> damals, <strong>von</strong> der sich mit<br />

Fug der moderne Dichter eine verklärende Rückwirkung auf das<br />

Deutschland seiner eigenen Zeit hatte erträumen dürfen." (55)<br />

An die "freundlich gemeinte Doppelarbeit" am J.un ipenus mit Anton<br />

<strong>von</strong> Werner (11,10), bei der die nationale Spaltung in Nord und<br />

Süd durch das Werk gleichsam poetisch aufgehoben wird, sei erinnert<br />

.<br />

Trotzdem bleibt <strong>Scheffel</strong> politischer Pess<strong>im</strong>ist. Daraus l e i t e t<br />

er seinen Hang zu politischen Prophetien ab, wenn er z. B. 1850<br />

vermutet, "daß alles bis jetzt Aufgetauchte nur der Vorbote eines<br />

56<br />

großen europäischen Generalkrachs" sei . <strong>Scheffel</strong> sieht schon<br />

bald nach 1848 ein, daß sich die deutsche Einheit real nicht<br />

durch Verfassungsdiskussionen wie in der Frankfurter Paulskirche<br />

verwirklichen lassen wird. So hat er


120<br />

"die Gewißheit, daß unser Reichsadler dereinst noch mit Ehren<br />

über Altdeutschland flattern kann, aber erst, wenn wir Jungen<br />

auf den Schlachtfeldern mit unserm Herzblut das Vaterland gerettet<br />

haben." (57)<br />

Der Machtzuwachs Preußens seit den 50er Jahren und dessen M i l i ­<br />

tarismus i s t für <strong>Scheffel</strong> keine akzeptable Lösung der deutschen<br />

Frage; allerdings sieht er, daß er mit dieser Meinung in einer<br />

Minderheit i s t . Unter dem Eindruck des preußischen Sieges 1866<br />

muß <strong>Scheffel</strong> eingestehen, daß die St<strong>im</strong>mung in Deutschland zugunsten<br />

Preußens gewaltig wächst:<br />

"Wenn sich die Deutschen gefallen lassen, zu nichts zu taugen<br />

als zum ... prrräsentiert das Gewehr! so sind sie ihrer<br />

Zukunft wert." (58)<br />

Auch dem Ausbruch des Krieges mit Frankreich 1870 begegnet<br />

<strong>Scheffel</strong> <strong>im</strong> Gegensatz zur allgemeinen Kriegseuphorie der Zeit<br />

mit einem "eigenen, mit Mißtrauen und Vorsicht vermischten Mut";<br />

als einer der wenigen äußert er Zweifel am Sinn einer solchen<br />

Auseinandersetzung: "Ich bin Pess<strong>im</strong>ist und sehe aus dem ganzen<br />

Krieg lediglich Unheil für die zivilisatorischen Aufgaben Euro-<br />

59<br />

pas" . Bei diesem Krieg " i s t der Teufel über Nacht losgeworden"<br />

und "kein Enthusiasmus möglich", schreibt er in den Tagen des<br />

Kriegsausbruchs ausgerechnet an Anton <strong>von</strong> Werner, den Kriegs-<br />

60<br />

und Staatsmaler Preußens<br />

Solche kritischen Töne bleiben aber <strong>im</strong>mer zurückgebunden auf<br />

die Gegensätzlichkeit des Kriegshandwerks zur eigenen poetischen<br />

Betätigung. So verzeichnet <strong>Scheffel</strong><br />

"ein unhe<strong>im</strong>liches Bangen vor einem aus dem siegreichen Krieg<br />

herausgewachsenen Militärkoloß, der für Gedeihen und Selbständigkeit<br />

des deutschen Cultusitedens verhängnisvoll werden"<br />

müsse. Der Hinweis auf den Verfall des "Culturlebens" bezieht<br />

die politische Lage natürlich auf die eigene dichterische Situation.<br />

Hatte doch <strong>Scheffel</strong> gleich zu Kriegsbeginn festgestellt,<br />

(61)<br />

daß die Kriegs- und Soldatenlieder, die man aus seinem Munde<br />

erwartete, nicht seine Sphäre seien: "Kriegslieder ziemen nur<br />

einem, der selber die Zündnadel trägt, mir wenigstens liegt<br />

62<br />

nichts in der St<strong>im</strong>mung" . Der Umkehrung ± m ursprünglichen Verhältnis<br />

<strong>von</strong> Kriegsereignis und poetischer Produktion, die dahinter<br />

steckt, geht <strong>Scheffel</strong> nach dem für Deutschland siegreichen<br />

Ende des Krieges genauer nach. Das Versagen seiner Schaffens-


121<br />

kraft begründet er mit dem kompromißlosen Gegensatz dieser beiden<br />

Prinzipien, wobei sich die Poesie als der schwächere Teil erwiesen<br />

hat:<br />

"Seit dem Krieg 1870 u. dessen fortdauernden, in Süddeutschland<br />

nicht sehr freudig zu spürenden Wirkungen hat die Poesie<br />

keine Einkehr bei mir gehalten - wo die Kanonen sprechen i s t<br />

kein Ort für den Gesang." (63)<br />

Sein Verstummen als Dichter mit dem Krieg zu begründen i s t für<br />

<strong>Scheffel</strong> nicht neu. Schon ein Jahr zuvor hatte er sich ähnlich<br />

geäußert, allerdings eine kleine Hoffnung offen gelassen:<br />

"Ich habe ein zu scharfes Auge für die Leiden des Krieges,<br />

die auch den Siegern nicht vorenthalten bleiben, so daß mir<br />

eine ungetrübte Freude und der Ausdruck in poetischer Form<br />

nicht möglich wird. Vielleicht s t e l l t sich später aus a l l den<br />

Eindrücken etwas Anderes zusammen. Noch sind wir nicht am<br />

Ende ..." (64)<br />

Mit seiner Dichtung war <strong>Scheffel</strong> allerdings am Ende. Der Hoffnung<br />

auf das 'Zusammenstellen' <strong>von</strong> Poesie i s t er, f r e i l i c h in<br />

anderer Form, nämlich mit der Herausgabe seiner früher geschriebenen<br />

Gedichte und durch das Vorwort- und Widmungsschreiben zu<br />

allen möglichen Gelegenheiten gerecht geworden.<br />

Nur ganz allmählich wandelt sich <strong>Scheffel</strong>s Einstellung zum<br />

neuen Kaiserreich. Er erkennt, daß der Bismarckstaat die ersehnte<br />

Einheit, wenn auch auf andere Weise, verwirklicht hat.<br />

Die Aussöhnung <strong>Scheffel</strong>s mit dem Deutschen Reich i s t vor allem<br />

eine Aussöhnung mit den Spitzen des Reiches, mit Bismarck und<br />

dem deutschen Kaiser, weniger mit der preußischen Vorherrschaft<br />

in Deutschland und ihrer militärisch-wirtschaftlichen Unterdrückung<br />

der Bundesstaaten. Die späten Huldigungen an Kaiser<br />

und Reich (in dieser Reihenfolge!) würden <strong>Scheffel</strong> in die Nähe<br />

des Geibelschen Nationalpathos s t e l l e n ^ , betrachtete man sie<br />

i s o l i e r t und nicht als Endpunkt dieser Entwicklung. <strong>Scheffel</strong>s<br />

Verherrlichung des Reiches in dieser späten Lebensphase machen<br />

deshalb auch eher den Eindruck <strong>von</strong> mühsam abgerungenen Pflichtarbeiten.<br />

<strong>Scheffel</strong> gelingt eine poetische Rechtfertigung des<br />

nationalen Vormachtanspruchs nur dann, wenn er einen ganz konkreten<br />

Anlaß zugewiesen bekommt. Der 16. Versammlung deutscher<br />

Architekten und Ingenieure in Karlsruhe 1872 dichtet <strong>Scheffel</strong><br />

einen Festgruß (IX,179-181), in dem Spruchhaftes und Festlich-<br />

Repräsentatives mit dem nationalen Grundton zusammenfallen. In


122<br />

dieser Auftragsarbeit wird die "deutsche Technik" (IX,179) gefeiert,<br />

die allerdings für die Zwecke der nationalen Einheit beansprucht<br />

werden kann:<br />

"Dem Bau de/i Zukunft! - bis die Schranken fallen<br />

Leg' Süd wie Nord vorplanend Ehre ein:<br />

Zwei Preisaufgaben s t e l l f ich heut euch allen<br />

Und wer sie löst, mag Baudirektor sein:<br />

Architektur: des deutschen Reichstags Hallen,<br />

Ingenieurs: die Brücken übern Main!" (IX,181)<br />

So wie der nationale Ton den möglichst handfesten Anlaß eines<br />

Gelegenheitsgedichts braucht, genauso benötigt <strong>Scheffel</strong> den<br />

handfesten persönlichen Bezug auf die Zeitlage, wenn er repräsentativ<br />

Nationales dichten w i l l . "Dem deutschen Reichskanzler<br />

Fürsten Otto v. Bismarck" sendet er zu dessen Geburtstag am<br />

1. April 1885 ein Gedicht, in dem die Schlagworte des Kriegsund<br />

Soldatenjargons als humorig-gemütliches Gere<strong>im</strong>e und als<br />

Re<strong>im</strong>geklingel zu lesen sind:<br />

"Viel Feind, v i e l Ehr 1 ,<br />

Ein Held hat's schwer,<br />

Doch Sieg nach Krieg<br />

Und Dank nach Zank<br />

Und Ruhm, der blüht<br />

In Nord und Süd,<br />

Freut um so mehr!" (IX,239)<br />

Doch selbst hier spricht <strong>Scheffel</strong> <strong>im</strong> Gegensatz zu seiner sonstigen<br />

poetischen Gewohnheit die gefeierte Person <strong>im</strong> Gedicht nicht<br />

direkt an.<br />

Auch die studentische Flucht in Bieratmosphäre und Ulk existiert<br />

nicht mehr. "Zum 4-Ojährigen Stiftungsfest der Burschenschaft<br />

1euton La" in Jena, deren Mitglied er gewesen i s t , versucht<br />

<strong>Scheffel</strong> noch einmal, die studentische Erinnerung dichterisch<br />

aufleben zu lassen. Den Studenten des Zweiten Kaiserreichs kann<br />

er nun f r e i l i c h ein festes Ziel vor Augen stellen. Aus dem a l ­<br />

ten Studentenideal zwischen Bildungsanspruch und Trinkerei i s t<br />

jetzt eine nationale Inpflichtnahme durch'den Staat geworden:<br />

"Vereint am Reiche weiterbauen,<br />

Ist des heut'gen Hannes Pflicht!" (IX,241)<br />

"Deutsch <strong>im</strong> Herzen" (IX,249) haben diese Studenten zu sein, es<br />

genügt nicht mehr, das studentische "zeitlebens" mit sich <strong>im</strong><br />

Herzen zu tragen (IX,195)!


123<br />

Schließlich erkl<strong>im</strong>mt <strong>Scheffel</strong> doch noch den Gipfel nationaler<br />

und reichsbegeisterter Lyrik mit seinem Kaiserjubel; eingeholt<br />

sind die Floskeln militärisch-sakraler Hymnik:<br />

"Erweckt durch Blitz und Kampfgefahr<br />

Und treuer, deutscher Helden Tod,<br />

Sah sieghaft hier der Kaiser-Aar<br />

Des Reiches blutig Morgenrot." (IX,250)


125<br />

V. DICHTER UND BÜRGERLICHE GESELLSCHAFT<br />

1. Der Bürgerdichter<br />

Mit dem Bürgertum, aus dem er stammt und für das er gedichtet<br />

hat, lebt <strong>Scheffel</strong> auf gespanntem Fuß. Mit einem einfachen E t i ­<br />

kett bezeichnet erscheint <strong>Scheffel</strong> sicherlich als "Standesdichter<br />

des gebildeten Bürgertums" und als "Prophet des Philister-<br />

1 2<br />

tums" , ja sogar als "Ehrenbürger vom Dienst" . Aber selbst die<br />

Aussage, <strong>Scheffel</strong> sei der "Lieblingsdichter der wilhelminischen<br />

Zeit" gewesen, sagt, <strong>von</strong> den Auflagenhöhen seiner Bücher einmal<br />

abgesehen, nicht v i e l . Untersucht man das Bürgertum in seinen<br />

Beziehungen zu seinen dichtenden Bürgern^, so ergibt sich ein<br />

Zirkel <strong>von</strong> Produktion und Rezeption, in dem erfüllte Lesererwar-<br />

5<br />

tungen wieder neue Lesererwartungen produzieren . <strong>Scheffel</strong>s Bestreben,<br />

durch seine Literatur "weitere Kreise" (V,5), d. h.<br />

die "Mehrzahl der Nation" (V,6) zu erreichen, läßt sich allein<br />

mit den üblichen didaktischen Absichten der Geschichtsdichtung<br />

nicht rechtfertigen. Vielmehr i s t diese Intention <strong>Scheffel</strong>s in<br />

einer gemeinsamen Basis des Dichters mit dem gebildeten Bürger,<br />

einer gemeinsam aufgerufenen "Stabilität des <strong>bürgerlichen</strong> Bewußtseins"<br />

zu suchen^.<br />

Welche Rolle der Dichter innerhalb dieses Bürgertums zugewiesen<br />

erhält und wie er mit ihr zurechtkommt, erhellen schlaglichtartig<br />

die Schillerfeiern <strong>von</strong> 1859. Zu Schillers 100. Geburtstag<br />

feiert das deutsche Bildungsbürgertum den Klassiker als unverlierbaren<br />

Besitz und als Verklärung der enttäuschten politischen<br />

Hoffnungen. Die Gründung eines deutschen Nationalvereins und<br />

der italienisch-französische Krieg gegen Österreich <strong>im</strong> gleichen<br />

Jahr geben den Feierlichkeiten die nationale Note. Auch <strong>im</strong> Hause<br />

<strong>Scheffel</strong> n<strong>im</strong>mt man die Gelegenheit zur Schillerfeier wahr, wie<br />

die Mutter berichtet:<br />

"Im Wohnz<strong>im</strong>mer war eine schöne Schillerbüste nach Dannecker<br />

aufgestellt und Blattpflanzen überdachten dieselbe als grünendes<br />

Zelt <strong>von</strong> seltener Pracht und Schönheit. Im Besuchsz<strong>im</strong>mer<br />

lasen wir zuerst Schiller 1 sehe Gedichte verschiedener Art -<br />

und sie kamen allen wunderbar neu und schön vor. Als nun so<br />

die St<strong>im</strong>mung vorbereitet war, zündete Mathilde eine Menge<br />

Lämpchen um die Büste an. Das ganze Z<strong>im</strong>mer war mit Blumen,


126<br />

Licht und Grün erfüllt - so daß die überraschten und gerührten<br />

Gäste manche he<strong>im</strong>liche Thräne weinten. Graue Haare und süße<br />

Jugenderinnerung, das giebt ein wunderbares Gemisch <strong>von</strong><br />

St<strong>im</strong>mung. Fräulein Lufft trug schöne selbsterfundene Festworte<br />

vor und bekränzte dabei den lieben Dichter mit Lorbeer.<br />

Es war ein feierlicher schöner Anblick.- Sodann machte Schiller<br />

selbst die Tafelordnung. Ich hatte nämlich 18 schöne<br />

Sprüche aus seinen Werken ausgewählt, dieselben auf gleich<br />

große Zettel geschrieben und in der Mitte schief durchschnitten.<br />

Die eine Hälfte legte ich auf den Teller, die andere<br />

bot ich den Gästen zum Ziehen an. Dann mußten sie suchen, wo<br />

sich ihr Spruch ergänzte und das war ihr Platz. Es wurde bei<br />

diesem Fest-Abendessen beinah <strong>von</strong> der patriarchalischen Einfachheit<br />

unseres Hauses etwas abgewichen."<br />

Es gibt nämlich ein Festessen mit "Rheinlachs" und "prächtigen<br />

Krebsen". Nach einer o f f i z i e l l e n Tischrede des Kammerpräsidenten<br />

geht die Feier weiter:<br />

"Wir Anderen setzten die Schillerhuldigung in anmuthigerer<br />

Weise fort - theils in Improvisationen, theils in ungere<strong>im</strong>ter<br />

aber <strong>im</strong>mer herzlicher und für den großen Dichter warmfühlender<br />

Rede. Es war eine St<strong>im</strong>mung in der Gesellschaft, wie<br />

ich sie nie erlebt - bis lang nach Mitternacht wurde ununterbrochen<br />

gelesen, vorgetragen, aus dem Stegreif gedichtet,<br />

Toaste ausgebracht mit dem Puschglas und nie riß der Faden<br />

und nie sank das Gespräch in den Werkeltagston herab. Das war<br />

Schiller's Geist selber, der dies Wunder vollbrachte. Am f o l ­<br />

genden Abend sahen wir mit mehreren Gästen den Fackelzug und<br />

die Festfeiar auf dem Marktplatz, die großartig und würdig<br />

war. Ein mächtiges Gefühl durchschauerte mich, als die Polytechniker,<br />

die Männer der Zukunft - 800 an der Zahl - mit<br />

Fackeln anrückten, die große schwarzrothgoldene Fahne voran<br />

und dann die Banner aller Einzelstaaten; sie schwenkten diese<br />

Zeichen der Größe, der leider unterdrückten, aber erwachenden<br />

Größe unseres Vaterlandes vor dem nun gefundenen Zeichen der<br />

Einheit - vor Schiller. Dann warfen sie unter Reden und Gesang<br />

die Fackeln alle zu einer lodernden Flamme zusammen, auch die<br />

Bürger thaten dasselbe, so daß ein Brand <strong>von</strong> wenigstens<br />

2000 Fackeln vor der Büste aufglühte, die in unbeschreiblicher<br />

Verklärung in die Nacht hinaus sah." (7)<br />

Der Sohn, wie Schiller ein Dichter, empfindet f r e i l i c h anders.<br />

<strong>Scheffel</strong>s Identifkation mit Schiller unterscheidet sich grundlegend<br />

vom Enthusiasmus der nationalen Feiern durch die Betonung<br />

einer Gemeinsamkeit der beiden Dichter über die Zeiten hinaus.<br />

<strong>Scheffel</strong>s Verhältnis zum We<strong>im</strong>arer Hof i s t nämlich nicht nur <strong>von</strong><br />

einem epigonalen Abstand zum Klassiker Schiller geprägt. Für<br />

<strong>Scheffel</strong> wird Schillers Leben vielmehr zum Exempel für den<br />

Widerspruch innerhalb der <strong>bürgerlichen</strong> Gesellschaft, die Klassiker<br />

zu vergöttern, den lebenden Künstler aber gering zu schätzen.


127<br />

An seinen Gönner, den Großherzog Carl Alexander <strong>von</strong> Sachsen-<br />

We<strong>im</strong>ar-Eisenach, Schirmherr der neugegründeten Schillerstiftung<br />

zur Unterstützung notleidender zeitgenössischer Dichter, schreibt<br />

<strong>Scheffel</strong>:<br />

"Die Schillerfeste haben der ganzen Nation an den Geschicken<br />

ihres Poeten gezeigt, daß auch die Geister ersten Ranges <strong>im</strong><br />

Lauf ihrer Entwicklung in Bahnen gerathen können, wo es an<br />

einem Faden hängt, ob sie in Zwang und Verkümmerung elend<br />

einsumpfen oder aber - in neuer und reiner Atmosphäre die<br />

Flügel des Genius regen und entfalten sollen. /.../ Königliche<br />

Hoheit! Dieser Jammer wiederholt sich trotz aller<br />

Schillerstiftungen und Schillerfonds noch täglich, und daß<br />

er sich wiederholen kann, i s t ein schweigender aber begründeter<br />

Vorwurf für allen Festenthusiasmus, der da glaubt, Deutschland<br />

sei bereits das gelobte Land der Künste." (8)<br />

Der sozialen Ausgesetztheit, in der sich <strong>Scheffel</strong> gegenüber dem<br />

Bürgertum empfindet, widerspricht allerdings sein tatsächliches<br />

Ansehen und der Erfolg seiner Werke. Worin liegen die Ursachen<br />

bei diesem merkwürdigen Auseinanderklaffen <strong>von</strong> Selbst- und<br />

Fremdeinschätzung? Läßt sich der Erfolg eines Schriftstellers<br />

nicht bloß quantitativ am Buchabsatz messen, sondern auch als<br />

Befriedigung der "individuellen Teilnahme- und Selbstbestätigungso<br />

wünsche einer unbekannten Leserschaft" begreifen , so sucht man<br />

1 0<br />

Formen einer "nationalen Selbstvergewisserung" zu Lebzeiten<br />

<strong>Scheffel</strong>s vergebens. Im Unterschied etwa zur Propheten- und<br />

Heroldsrolle Geibels war <strong>Scheffel</strong>s Erfolg gerade auf seine<br />

provinziell-resignative Zurückgezogenheit (£kke.haid) , ein humoriges<br />

Behagen (Trinklieder) oder die sent<strong>im</strong>entale Idylle {7/iompe.te./i)<br />

gegründet. Nicht zufällig macht die <strong>im</strong> Jahre 1867 erschienene<br />

Ausgabe der v i e l früher gedichteten Qaude.amus-Lieder Schef-<br />

1 1<br />

f e i zum "volkstümlichsten Dichter Deutschlands" . Die Schizophrenie,<br />

gerade der resignative Rückzug des Dichters bestätige<br />

sein dauerndes Streben nach bürgerlicher Anerkennung, i s t nur<br />

dann zu erklären, wenn man den Rückzug <strong>Scheffel</strong>s aus der Poesie<br />

als Teil seiner Dichterrolle betrachtet, so wie sie auch <strong>von</strong><br />

seiner Leserschaft als seinem Werk zugehörig akzeptiert worden<br />

i s t . Der Rückzug des Dichters <strong>von</strong> der Poesie und sein Erfolg be<strong>im</strong><br />

Publikum verlaufen gleichsam umgekehrt proportional:<br />

"Deshalb spann er sich in eine ziemlich verdrossene Weltabgeschiedenheit<br />

ein und hielt nur noch s c h r i f t l i c h den Verkehr<br />

mit der Außenwelt aufrecht, während seine Werke Jahr für Jahr<br />

in vielen tausend Stücken seinen Namen in die Weite trugen."(12)


128<br />

<strong>Scheffel</strong> selbst formuliert anders. Für ihn steht den "unruhigen,<br />

glorreichen, aber windhetzenden Bahnen des dichterischen selbständigen<br />

Schaffens" das "Idyll und s t i l l e bürgerliche Ruheleben"<br />

1 3<br />

gegenüber . Das Bürgertum, das i s t zugleich das verhaßte Philistertum<br />

und eine gebildete Gesellschaftsschicht, die dem Dichter<br />

die begehrte soziale Reputation gewährt. Noch als junger<br />

Mann untern<strong>im</strong>mt <strong>Scheffel</strong> mit dem damals schon bekannten Kulturhistoriker<br />

W.H. Riehl eine Rheinwanderung, bei der man die<br />

potentiellen Leser in Augenschein n<strong>im</strong>mt, noch bevor ein Werk<br />

überhaupt geschrieben i s t :<br />

"<strong>Scheffel</strong> fragte verwundert, wen ich denn eigentlich besuchen<br />

wolle. Ich erwiderte, das wisse ich selbst nicht genau, ich<br />

kenne keinen Menschen in Boppard, nicht einmal dem Namen nach;<br />

es sei eben die ge.diide.te. Qese.ttschaft, es seien die Honoratioren<br />

<strong>von</strong> Boppard, denen unser Besuch gelte." (14)<br />

Im Schoß einer solchen Gesellschaft kann dann sehr v i e l später<br />

eine Literatur entstehen und gedeihen, die den Lesern wie auf<br />

den Leib geschrieben i s t .<br />

2. Der Dichterfürst<br />

Erscheint <strong>Scheffel</strong> auf diese Weise als der "Idealfall des bür-<br />

1 5<br />

gerlichen Unbürgers" , so deshalb, weil die Rolle des Bürgerdichters<br />

ihr Gegenstück schon in sich trägt. E. Lämmert hat in<br />

seinem Aufsatz über den Dichterfürsten diese "Stilisierung des<br />

Dichters zum Uberbürger" und damit zum "Unbürger" herausgearbeit<br />

e t ^ . Wird nämlich die fast "ideologische Einheit <strong>von</strong> Künstler<br />

1 7<br />

und Publikum" <strong>im</strong>mer weiter ins Extrem getrieben, so i s t bald<br />

der Punkt erreicht, an dem der Dichter aus der <strong>bürgerlichen</strong><br />

Lebens- und Rezeptionsgemeinschaft ausbricht. Innerhalb der<br />

Texte <strong>Scheffel</strong>s war dieser Tendenz schon längst Vorschub geleistet<br />

worden - man denke an <strong>Scheffel</strong>s Polarität <strong>von</strong> Höhe und<br />

Tiefe, die man nur auf den gesellschaftlichen Bereich zu übertragen<br />

braucht, um grundsätzliche Differenzen zwischen dem Dichter<br />

auf der Höhe und seinem <strong>bürgerlichen</strong> Publikum in der Tiefe<br />

zu haben. Wenn man w i l l , kann man in der Mittelalterthematik<br />

des Lkkehand stoffliche Ansätze für solche "Formen bürgerlicher<br />

1 8<br />

Dichter-Nobilitierung" erkennen. "Uberall naive, starke Zu­


129<br />

die poetische Fiktion des Lkke.kan.d, sondern <strong>im</strong>pliziert ja auch<br />

die Stilisierung <strong>von</strong> Werk und Dichter ins Mittelalterliche und<br />

d. h. in Richtung auf aristokratische Lebensformen.<br />

Daß der mittelalterliche Stoff des Lkke.ka.id eine solche Betrachtungsweise<br />

zuläßt, beweist die Tatsache, daß <strong>Scheffel</strong> noch <strong>von</strong><br />

dem literarischen und dem Verkaufserfolg seines Romans auf ein<br />

aristokratisches Interesse an seinen Arbeiten und an seiner Person<br />

gestoßen i s t . <strong>Scheffel</strong>s Plan eines Wartburgromans als Auftragsarbeit<br />

für den Großherzog <strong>von</strong> Sachsen-We<strong>im</strong>ar-Eisenach z i e l t<br />

genau auf diesen Punkt, an*dem die Gemeinsamkeit zwischen Fürst<br />

und bürgerlichem Dichter ihren Ausgang n<strong>im</strong>mt. Zwar i s t <strong>Scheffel</strong><br />

1 9<br />

aus "seinem elementaren Unabhängigkeitstrieb" auf die Versuche<br />

des Großherzogs, ihn mit seinem Dichtungsauftrag in Pflicht zu<br />

nehmen, nur mit großer Zurückhaltung eingegangen. Eine feste<br />

Ehren- und Repräsentationsstellung, vergleichbar derjenigen des<br />

20<br />

Münchner Dichterkreises um König Max II. , lehnt <strong>Scheffel</strong> ab.<br />

Mit dem Hinweis auf die Unverträglichkeit <strong>von</strong> freiem <strong>Dichterberuf</strong><br />

und höfischer Stellung erläutert er dem Wartburgkommandanten<br />

Arnswald, dem Freund der Familie <strong>Scheffel</strong> und Vertrauten<br />

des Großherzogs, seine Position:<br />

"Ich bin als Poet in der sonderbaren Lage, dadurch am meisten<br />

gefördert zu sein, daß man mich jeden Dienstverhältnisses<br />

enthebt, f...] Ich würde meinen, für die Poesie angestellt<br />

zu sein, wenn ich eine dauernd bindende Position annähme,<br />

und das würde mir alle Freude am Schaffen beunruhigen." (21)<br />

Doch erklärt <strong>Scheffel</strong> sich bereit, unter dem Eindruck des soeben<br />

fertiggestellten Sängerkriegfreskos Moritz <strong>von</strong> Schwinds<br />

auf der Wartburg einen historischen Roman <strong>im</strong> S t i l seines Lkkekand<br />

als Auftragsarbeit anzufertigen. Dieser Wartburgroman wird<br />

nie vollendet werden; nur die ursprünglich als lyrische Einlagen<br />

geplanten Gedichte hat <strong>Scheffel</strong>, mit einem Vorwort und der Widmung<br />

an den Großherzog, gleichsam als Ersatz als Gedichtsammlung<br />

Tnau Aventlune veröffentlicht. Als Gegenleistung läßt ihm der<br />

Großherzog durch Arnswald den Professorentitel anbieten.<br />

Spätestens an dieser Stelle beginnt eine Gesinnungsgemeinschaft<br />

zwischen dem politischen Herrscher und dem <strong>bürgerlichen</strong> Dichter<br />

sich aufzubauen. Daß <strong>Scheffel</strong> diese Ehrung durch den Fürsten<br />

ablehnt, wird schon nicht mehr nur mit der Unvereinbarkeit <strong>von</strong><br />

Amt und <strong>Dichterberuf</strong> begründet, sondern mit der Frage nach der


130<br />

Reaktion der <strong>bürgerlichen</strong> Öffentlichkeit:<br />

"Die böse Welt hätte Grund zu boshaftem Gerede. Mir persönl<br />

i c h aber i s t , so lang ich mit schriftstellerischen Arbeiten<br />

beschäftigt bin, jede Beziehung zu einem öffentlichen Amte<br />

eine Quelle <strong>von</strong> Befangenheit, f...] Und einem Amte gebe ich<br />

mich mit ebenso ungetheilter Dienstbereitwilligkeit hin wie<br />

den Arbeiten der Musen. Vereinigen aber läßt sich Beides -<br />

wenn man Beides ernst n<strong>im</strong>mt - ebenso wenig, als man Schiffskapitän<br />

und Vorstand einer landwirthschaftlichen Anstalt zugleich<br />

sein kann. Dies i s t <strong>von</strong> mir keine vorgefaßte Meinung,<br />

sondern das Resultat meiner Lebenserfahrung." (22)<br />

Man sieht, wie die bisher strikte Ablehnung aller Ehrenbeweise<br />

sich aufzulösen beginnt.<br />

Nach seiner Verheiratung und damit <strong>im</strong> Stande bürgerlicher Gesetztheit<br />

wird sich <strong>Scheffel</strong> auch nicht mehr sträuben, den Hof-<br />

23<br />

r a t s t i t e l anzunehmen . Aber trotz dieser aus der <strong>bürgerlichen</strong><br />

Gesellschaft herausgehobenen Position bleibt ein Minderwertigkeitsgefühl<br />

bestehen, als Bürger am Fürstenhof in dauerndem<br />

2/<br />

Rechtfertigungszwang zu stehen .<br />

Mit dem historisch-literarischen Zufall, daß <strong>Scheffel</strong>s Fürstendienst<br />

ausgerechnet am We<strong>im</strong>arer Hof stattfindet, i s t zugleich<br />

der Fragenkomplex des Epigonentums angeschnitten. Goethes<br />

klassisches und Geibels zeitgenössisches Vorbild des Fürstendiensts<br />

lassen sich für <strong>Scheffel</strong> so direkt nicht nachvollziehen.<br />

Ob die Fürstengunst für <strong>Scheffel</strong>s Erfolg entscheidend oder sogar<br />

2 5<br />

hinderlich war , spielt dabei keine Rolle, höchstens der innere<br />

Widerstand <strong>Scheffel</strong>s, sich zu eng und ausschließlich an seinen<br />

Mäzen zu binden. Im Unterschied zum Opportunismus zeitgenössischer<br />

Dichterkollegen plagen <strong>Scheffel</strong> poetische Skrupel, als<br />

er eines dieser verlockenden Angebote ablehnt:<br />

"Alles mit sammt dem Gehalt i s t be<strong>im</strong> Teufel, und ich bin<br />

eigentlich ein sehr leichtsinniger, dummer Kerl, daß ich -<br />

den Seifenblasen der Poesie zu lieb, solche Opfer bringe,<br />

die mir Niemand dankt und die Mehrzahl noch dazu gänzlich<br />

verkennt." (26)<br />

Aber weniger der Fürstendienst i s t es, der <strong>Scheffel</strong> bedrückt,<br />

als die Angst, daß die bürgerliche Öffentlichkeit dies als<br />

Fürstendienerei auslegen könnte:<br />

"Sonntag war ich bei Großherzog und auf seinen Befehl be<strong>im</strong><br />

academischen Essen, als der Universität octroyirter Gast,<br />

der oben zum Hof gesetzt wurde. Dies hat mich genirt. [. .<br />

Ich finde es nicht recht, auf diese Weise ausgezeichnet zu


131<br />

werden, die alle Andern vor den Kopf stossen muß und mir -<br />

<strong>von</strong> vorneherein alle die Hofleute, mit Ausnahme Arnswalds,<br />

zu Feinden macht." (27)<br />

Vor allem wendet sich <strong>Scheffel</strong> gegen solche ungerechtfertigte<br />

Gunstbeweise seines Großherzogs, solange sie nur seine soziale<br />

und materielle Stellung betreffen. Sein dichterisches Selbstbewußtsein<br />

i s t dagegen ungebrochen, wenn sich die fürstliche Anerkennung<br />

darauf bezieht:<br />

"Nach We<strong>im</strong>ar und der Wartburg gehe ich dann auch nicht, weil<br />

ich nicht als ein Gnade und Protection Suchender dort fungiren<br />

w i l l , sondern als ein für Geschichte und Poesie des<br />

Landes Verdienter." (28)<br />

"Im Dienste der Herrschenden, ihr Herold und Verklärer" i s t<br />

<strong>Scheffel</strong> insoweit, als er sein dichterisches Formeninventar der<br />

Fürstenhuldigung anpaßt. "Das glückhafft Schiff", ein "Kaisergruß<br />

auf Mainau", gedruckt 1887, hat die Hochzeit der badensischen<br />

Prinzessin <strong>Viktor</strong>ia zum Anlaß und Gegenstand. Ein allegorisches<br />

Bodenseeschiff mit jubelnden Jungfrauen landet auf der<br />

Insel Mainau. Für Ort und Personal der Hochzeitsfeier i s t der<br />

berühmte Bodenseedichter <strong>Scheffel</strong> gerade der richtige Mann. Seine<br />

Dichtung als Schmuck <strong>von</strong> festlichen und repräsentativen Veranstaltungen<br />

verschönt den rauhen Alltag durch Poesie, so wie<br />

ausnahmsweise Blumensträuße "in der Geschütze Mund" gepflanzt<br />

worden sind (11,137). Großherzog und Großherzogin <strong>von</strong> Baden sind<br />

anwesend; Ihr Familienglück wird <strong>von</strong> <strong>Scheffel</strong> identisch gesetzt<br />

mit der staatlich-politischen Wohlfahrt des Landes. Das Herrschaftsideal<br />

i s t <strong>im</strong> Festakt verwirklicht (11,14-0: "Das i s t verwirklicht<br />

jetzt und Gegenwart"). Den Höhepunkt der Feierlichkeit<br />

aber bildet die Anwesenheit des Kaisers, des höchsten Verwandten<br />

der Gefeierten, dessen Erwähnung als Steigerung bis zum<br />

Schluß aufgespart worden i s t . Nicht "mild" und "hell" wie be<strong>im</strong><br />

Landesfürstenpaar und ihrer Tochter vollzieht sich diese Huldigung:<br />

der Kaiser wird "in Ehrfurcht" begrüßt (II,HO). Statt<br />

"glückauf!" ruft man dem Kaiser zu: "Heil Kaiser Dir! Willkommen<br />

Majestät!" (11,141). Diese Differenzierung in der Huldigung<br />

zeigt die Intention des Scheffeischen Festgedichts an. Das<br />

Fürstenlob bleibt repräsentativer Schmuck der Familienfeier und<br />

i s t noch keine poetische Rechtfertigung der Fürstenherrschaft<br />

<strong>im</strong> Deutschen Reich, wie man es <strong>von</strong> der Gattung erwarten könnte.<br />

29


132<br />

Der "Prolog für die Festvorstellung <strong>im</strong> Stadttheater zu Mühlhausen<br />

i . E.Asaß!/ am 19. November 1884" (II,U3-152) s t e l l t in<br />

fünf lebenden Bildern Szenen aus der Reg<strong>im</strong>entskommandantur des<br />

Erbprinzen Wilhelm vor. "Ein ungewohnter Festglanz füllt die<br />

Räume" (11,14$)» denn das Militär hat für seine Festlichkeit<br />

einen poetischen Rahmen gewählt:<br />

"Soldaten sind's, die an des Friedens Künsten<br />

Sich heut erfreuen und am Bühnenspiel:<br />

Den Musen lauscht ein kriegrisch Publikum."(II,14$)<br />

Den Höhepunkt bildet allerdings erst das vierte Bild, das <strong>von</strong><br />

den Beziehungen und den Leistungen badischer Reg<strong>im</strong>enter <strong>im</strong> Krieg<br />

<strong>von</strong> 1870/71 handelt. "In f e i e r l i c h bewegtem Ton" (11,151), wie<br />

die Regieanweisung lautet, wird die nationalchauvinistische<br />

Selbstdarstellung auf die Ebene einer badischen Offiziersfeier<br />

heruntergeholt. Nur dadurch i s t das Nationale überhaupt erwähnenswert,<br />

als sich damit die Leistung des 112. Reg<strong>im</strong>ents <strong>im</strong> Krieg<br />

mit Frankreich beweisen läßt: "Die Hundertzwölfer waren auch dabei!"<br />

(11,151). Symptomatisch i s t , daß das "Hurra dem Kaiser und<br />

dem deutschen Reich!" (11,152) dem Kaiser als oberstem Kriegsherrn<br />

g i l t , aber nicht das Ende der Ehrung ausmacht: "die sieggekrönte<br />

Germania" reicht nicht ihm, sondern dem badischen Prinzen<br />

und Reg<strong>im</strong>entskommandeur Wilhelm "einen Lorbeerzweig" (11,152).<br />

So gesehen fungieren diese Huldigungsgedichte eher als Beweise<br />

für die persönliche Zuneigung <strong>Scheffel</strong>s zu seinen Gönnern, etwa<br />

der "Festgruß zur Vorfeier des Geburtstags des Fürsten Carl Egon<br />

<strong>von</strong> Fürstenberg" <strong>von</strong> 1858 (IX,125f), das "Festlied zum fünfzigsten<br />

Geburtstag des Großherzogs Friedrich <strong>von</strong> Baden" vom 9. September<br />

1876 (lX,199f) und der "Jubiläumsgruß" zu de ssen 25jährigem<br />

Regierungsjubiläum am 24. April 1877 (IX,2I5f). Kennzeichnend<br />

i s t jeweils, daß die poetische Form als dekorative Verkleidung<br />

<strong>von</strong> Feierlichkeiten verwendet wird. Uberhaupt scheint das Fest<br />

als Medium der SelbstdarStellung Themenstellung, Sprechebene und<br />

Huldigungsformeln so weit vorzugeben, daß die persönliche Handschrift<br />

des Dichters sich weitgehend verwischt.<br />

Aber auch in solch marginalen Auftragsarbeiten findet jene schon<br />

behandelte Polarität <strong>von</strong> Höhe und Tiefe Eingang, aus der die<br />

30<br />

"Verachtung der <strong>bürgerlichen</strong> Welt" spricht. Denn in der "zeit-<br />

31<br />

genössischen Angleichung <strong>von</strong> Fürst und Dichter" s t i l i s i e r t


133<br />

sich der Dichter auf realgesellschaftlich nicht erreichbare Höhen,<br />

<strong>von</strong> denen aus er in eine poetisch verklärte Gemeinschaft mit dem<br />

Fürstentum e i n t r i t t . Diese Gemeinschaft manifestiert sich für<br />

<strong>Scheffel</strong> in scheinbaren Äußerlichkeiten:<br />

"Der Poet hat a l l e r l e i Vorrechte, die sich andere Leute nicht<br />

herausnehmen dürfen; er redet Kaiser und Könige mit Du an,<br />

und man n<strong>im</strong>mt's ihm nicht übel." (32)<br />

So gesehen sind es nicht bloß Marotten, wenn sich <strong>Scheffel</strong> als<br />

Student und in seinen Briefen an den &nge./ie.n gern als Fle.l*te./i<br />

3-OAe.ph.u./> vom dil/i/ian A/>t bezeichnet und bezeichnen läßt; wenn er<br />

ernsthaft mit dem Gedanken spielt, sich die Burg Schwaneck in<br />

Pullach bei München zu kaufen. Von dieser letzteren anti<strong>bürgerlichen</strong><br />

Aktion kommt <strong>Scheffel</strong> allerdings bald ab, denn, so<br />

schreibt er an seine Mutter, "es würde meinem <strong>bürgerlichen</strong> Charakter<br />

eine sonderbare Färbung geben, wenn ich eine moderne Burg<br />

33<br />

bewohnen und besitzen wollte" . Die Verlockungen der feudalen<br />

Lebensform werden gerade noch durch den "<strong>bürgerlichen</strong> Charakter"<br />

aufgefangen!<br />

Die <strong>im</strong> Hintergrund stehende öffentliche Meinung, die <strong>Scheffel</strong>s<br />

Träume auf den Boden der <strong>bürgerlichen</strong> Tatsachen zurückholt, i s t<br />

trotzdem nicht gehindert, dem <strong>bürgerlichen</strong> Dichter einen dichterfürstlichen<br />

Anspruch zuzugestehen. Der <strong>Scheffel</strong>verehrung i s t<br />

es gelungen, <strong>Scheffel</strong>s Volkstümlichkeit zu propagieren und<br />

gleichzeitig seine Neigungen zum poetischen Feudalismus zu tolerieren.<br />

Sie pflegt noch <strong>im</strong> Jahre 1926 "<strong>Scheffel</strong>s Andenken in<br />

zweiundvierzig Denkmalstätten - Standbildern, Büsten, Plätzen,<br />

Straßen, ja Burgen selbst!" y * 9 also in Ehrungen, die <strong>im</strong> allgemeinen<br />

nur Füsten zuteil werden. Diese Anerkennung eines dichterfürstlichen<br />

Status wird dann gerade mit <strong>Scheffel</strong>s Volkstümlichkeit<br />

begründet!<br />

Die aristokratische Selbsterhöhung des Dichters meint als eine<br />

typische Zeiterscheinung der Gründerzeit ja auch einen realgesellschaftlichen<br />

Anspruch. Der Dichterfürst, getragen <strong>von</strong> der<br />

Verehrung eines geringgeschätzten Bürgertums, repräsentiert in<br />

seiner Person die gesellschaftliche Struktur der Kaiserzeit in<br />

den Nobilitierungsbestrebungen des Bürgertums zu einer <strong>bürgerlichen</strong><br />

Feudalgesellschaft. Dennoch muß <strong>Scheffel</strong> auch mit abweichenden<br />

Reaktionen seiner Leser rechnen. Auf die Verleihung


134<br />

des erblichen Adels zu seinem 50. Geburtstag erhält <strong>Scheffel</strong><br />

ein Gedicht aus Washington, unterzeichnet <strong>von</strong> einem Robert<br />

Reitzel, "Sprecher der freien Gemeinde", der in der Zitatparodie<br />

<strong>von</strong> frühen <strong>Scheffel</strong>gedichten den burschikosen Antiphilister<br />

<strong>Scheffel</strong> dem verächtlich gewordenen Fürstendiener gegenüberstellt<br />

<strong>Scheffel</strong> war, wie er bekennt, <strong>von</strong> dieser Art der Reaktion seiner<br />

Lesergemeinde schwer getroffen:<br />

"Der Pfarr' <strong>von</strong> Asmannshausen spricht:<br />

Die Welt i s t t i e f entartet,<br />

Doch daß der <strong>Joseph</strong>us sich adeln läßt,<br />

Das hätt' ich nicht erwartet.<br />

Ist das des fahrenden Schülers Art,<br />

Daß, wenn er alt geworden,<br />

Er sich das Kamisol besteckt<br />

Mit einem Fürstenorden?<br />

Ist das nicht schlichten Namens Hohn,<br />

Den Du mit Ruhm getragen,<br />

Daß sie Dir ihn mit einem <strong>von</strong><br />

Zuletzt zu schänden wagen?<br />

Welch Wälschland i s t ' s , das diesmal Dir<br />

Den freien Sinn verdorben,<br />

In welchem Kapua i s t Dir<br />

Alemann'scher Stolz erstorben?<br />

Steigt Dir das Blut nicht ins Gesicht,<br />

Wenn sie an Uhland mahnen?<br />

Hat freies Wort nicht mehr Gewicht,<br />

Als Lob <strong>von</strong> Untertanen?<br />

Wohl bringt man Dir den Willekum<br />

Vom Rhein- und Donaustrande,<br />

Doch überm Meer, da schütteln wir<br />

Das Haupt ob Deiner Schande.<br />

Der Meister <strong>Joseph</strong>us bleibt uns hold<br />

Im Engern wie <strong>im</strong> Weitern,<br />

Jedoch der Herr <strong>von</strong> <strong>Scheffel</strong> wird<br />

An unsern Küsten scheitern." (35)<br />

Daß das Streben des Dichters in höhere poetische und soziale<br />

Sphären durch das deutsche Bürgertum (! Amerika-Auswanderer<br />

184-8) nicht abgebremst wird, liegt nicht zum mindesten in der<br />

Förderung, die der Dichter <strong>von</strong> seiten des Fürsten erhält. Anfangs<br />

i s t es noch der Dichter <strong>Scheffel</strong>, der dem Großherzog die<br />

Teilhabe an seiner Poesie untertänig anbietet:<br />

"und wenn es mir je einstmals gelingen sollte, ein fröhliches,<br />

farbenfrisches Wartburgbild aus den Zeiten, da Minnelied u.


135<br />

gewappneter Männer Schritt durch jene Hallen tönten, zu schaffen,<br />

so bin nicht ich der, der es zeichnet, sondern es i s t der<br />

künstlerische Sinn Euer Königl. Hoheit, der es in mir wachgerufen."<br />

(36)<br />

Doch bald schon erhebt die politische Macht einen realen Anspruch<br />

auf die Poesie und den Dichter: "Deshalb auch i s t es mir eine<br />

liebe Nothwendigkeit geworden, Sie als mir gehörend zu betrach-<br />

37<br />

ten", schreibt der Großherzog an <strong>Scheffel</strong> . Diese - <strong>von</strong> Seiten<br />

des Dichters - nicht mehr ganz f r e i w i l l i g e Gemeinsamkeit mit<br />

dem Fürsten w i l l den Mangel auf beiden Seiten kompensieren, den<br />

38<br />

politischen be<strong>im</strong> Dichter und den poetischen be<strong>im</strong> Fürsten . In<br />

dieser idealen Gemeinschaft <strong>von</strong> Fürst und Dichter setzt sich<br />

schon bald der materielle Besitzanspruch des Fürsten durch, der<br />

39<br />

<strong>Scheffel</strong> als "meinen gefeierten Dichter" beansprucht . Mehr<br />

noch: wenn der König <strong>von</strong> Württemberg sich zu <strong>Scheffel</strong> über dessen<br />

Lkkaka/id äußert: "Es i s t sehr schön <strong>von</strong> Ihnen, daß Sie mir<br />

meinen Hohentwiel besungen haben! "^, wird deutlich, daß der<br />

fürstliche Herrschaftsanspruch sich auch auf die Poesievorlage<br />

erstreckt. So i s t es nur konsequent, wenn aus den Anregungen<br />

des Fürsten für die Auftragsarbeiten in der Gattung des lyrischen<br />

Festspiels nach und nach dessen Mitarbeit wird:<br />

"Mein Sohn wird, so Gott w i l l , Mitte September mit seiner<br />

jungen Gattin seinen Einzug auf der Wartburg halten. Wir<br />

möchten diesen Einzug auf eine der Wartburg würdige Art<br />

feiern/ Ich rufe deshalb Ihre Muse und Ihr Herz an um Beistand.<br />

Ich denke mir dies folgender Maaßen: /". . .7" (4-1)<br />

So formuliert der Großherzog einen weiteren Huldigungsauftrag<br />

an seinen Dichter <strong>Scheffel</strong>; oder noch deutlicher:<br />

"So dachte, so denke ich mir den Plan und wie auch der einfachste<br />

Mensch den Dichter zum Dichten begeistern kann, indem<br />

er ihm irgend eine Blume in günstigem Augenblick hinreicht,<br />

so möchte ich beides gefunden haben: Zeitpunkt und Blume, denn<br />

den rechten Dichter, das weiß ich am besten, den habe ich gefunden."<br />

(42)<br />

Als <strong>Scheffel</strong> nach kaum mehr als einer Woche(!) das Festspiel<br />

übersendet, kann er die Vollendung <strong>von</strong> Text und Aufführung getrost<br />

dem Fürsten als seinem Mitdichter überlassen: "Die Anordnung<br />

und Ausführung des Schlußtableau stelle ich ganz den näher<br />

43<br />

eingehenden Anordnungen Ew. Kön. Hoheit anhe<strong>im</strong>."^<br />

Dichter, Thematik und Werk haben ihre "Unabhängigkeit" verloren,<br />

gerade wenn sie so heftig beschworen wird wie durch den Groß-


136<br />

herzog:<br />

"In Unabhängigkeit würden Sie mir abgehören, wenn auch durch<br />

Namen und hoffentlich That eng mir verbunden und gern würden<br />

unsere Geister in dem Namen/=Wartburg und Wartburgroman_7 einen<br />

Vereinigungspunkt finden, in welchem wir durch Vorliebe und<br />

gegenseitige Erkennung uns längst begegneten." (44)<br />

Seine Auftragsdichtung bis hin zur Enteignung seines poetischen<br />

Produkts durch den Fürsten schlägt bei <strong>Scheffel</strong> deshalb unversehens<br />

um in eine kritische Distanz, die den Dichter seine<br />

falsche sozial-poetische Integration gewahr werden läßt. Klarsichtig<br />

durchschaut <strong>Scheffel</strong> die politische Verschleierungsfunktion<br />

dieses Mäzenatentums seines Großherzogs:<br />

"Es wird mit der alten Gloria der Burg/=Wartburg7 einiger<br />

Humbug getrieben, damit die Leute die Misere der Gegenwart<br />

nicht betonen. /". . .] Baden und We<strong>im</strong>ar haben gegen die Frankfurter<br />

Anträge und Reformpläne gest<strong>im</strong>mt und sind damit demaskirt<br />

als das, was sie in Wahrheit sind: preußische Provinzen<br />

- Gegner Deutschlands. Das wäscht keine Kunst der<br />

Welt ab. Und wenn Preußen seinen längst beschlossenen und<br />

bald nicht mehr vermeidlichen Kampf mit den anderen Deutschen<br />

anhebt, werden die beiden kunstsinnigen Großherzöge mit ihren<br />

Truppen unter schwarzweißer Fahne gegen die anderen zu Felde<br />

ziehen." (45)<br />

3. Der Wanderdichter<br />

In der mentalen Struktur des Bürgers als Dichter i s t nicht nur<br />

die Tendenz zum Dichterfürsten angelegt, sondern auch eine andere<br />

Lebens- und Dichterrolle, nämlich die des Wanderers. Spez<br />

i e l l bei <strong>Scheffel</strong> i s t diese Dicht- und Lebensform des Wanderns<br />

schon <strong>im</strong>mer angelegt gewesen in der Rolle des ewigen Studenten<br />

und fahrenden Schülers, wobei das Vorbild mittelalterlicher Vaganten<br />

und Spielleute nachwirkt. Ins bürgerliche Leben i s t diese<br />

Rolle als die eines naturgenießenden Wanderers eingepaßt durch<br />

ihre antibürgerliche Stellung innerhalb der Bürgerwelt. Den verhaßten<br />

Philistern bleibt der fahrende Schüler "antibürgerlich<br />

<strong>im</strong> Rahmen des Bürgerlichen"^, weil er die Sehnsüchte und Wunschträume<br />

dieser Gesellschaft in sich trägt, obwohl er vorgibt,<br />

sich <strong>von</strong> ihr absetzen zu wollen. Das Befremden des Bürgers über<br />

47<br />

das <strong>Zeitalter</strong> der Eisenbahn^" n<strong>im</strong>mt die Beschleunigung a l l e r


137<br />

Lebensverhältnisse <strong>im</strong> Bild des Wanderers auf, der die Bewegung<br />

des <strong>Zeitalter</strong>s zwar mitmacht, sie aber auf ein vorindustrielles<br />

und individuumorientiertes Maß zurückschraubt.<br />

Schon die biographische Studie <strong>Joseph</strong> Stöckles <strong>von</strong> 1888 hatte<br />

<strong>Scheffel</strong> gleichsam als Verkörperung dieser Lebensform, als einen<br />

"Dichter des fröhlichen Wanderns und harmlosen Genießens" ge-<br />

L 8<br />

deutet 4 und <strong>im</strong> Wandermotiv ein Strukturmerkmal gesehen, das<br />

Gesamtwerk und Leben <strong>Scheffel</strong>s durchzieht. In gewisser Weise<br />

lassen sich <strong>Scheffel</strong>s Werk- und Lebensgeschichte tatsächlich als<br />

eine Geschichte <strong>von</strong> Wanderungen begreifen. Im "Lied fahrender<br />

Schüler" des Qau.de.amat (IV, 34) werden die Vagantenlieder aus den<br />

Cas<strong>im</strong>ina (Lu/iana nicht nur als Motto z i t i e r t , sondern prägen die<br />

Gedichtstruktur mit. Allerdings i s t die Vagantenfigur ihrer<br />

sozialen Funktion als Kulturträger und Mobilitätsmotor innerhalb<br />

der mittelalterlichen Gesellschaft enthoben und <strong>von</strong> Scheff<br />

e l in eine zeitlose und existentielle Lebensform gewendet:<br />

"Fahrende Schüler, unstete Kind,<br />

Sänger und Spieler, wirblige Wind." (IV,34)<br />

Zugleich spielt die Rolle wie so oft bei <strong>Scheffel</strong> ins Humoristische;<br />

die Tavernenpoesie der Ca/<strong>im</strong>ina Ha/iana i s t ja dem Wandermotiv<br />

schon inhärent. Auch <strong>Scheffel</strong>s fahrende Schüler sind <strong>im</strong><br />

Grunde auf den Weinkeller des Pfarrherrn aus, erwandern also nur<br />

den<br />

Wein.<br />

Auch <strong>im</strong> berühmtesten Lied <strong>Scheffel</strong>s, seinem Frankenlied (lV,35f),<br />

wird die Wandererfigur in eine vorindustrielle, metaphorisch<br />

'mittelalterliche' Szenerie eingebettet:<br />

"Wohlauf, die Luft geht frisch und rein,<br />

Wer lange s i t z t , muß rosten;<br />

Den allersonnigsten Sonnenschein<br />

Läßt uns der H<strong>im</strong>mel kosten.<br />

Jetzt reicht mir Stab und Ordenskleid<br />

Der fahrenden Scholaren,<br />

Ich w i l l zu guter Sommerzeit<br />

Ins Land der Franken fahren!" (IV,35<br />

Was man dabei leicht übersieht: noch weiter als be<strong>im</strong> vorigen<br />

Gedicht wird <strong>von</strong> der Bindung an ein historisch konkretes Vagantentum<br />

abstrahiert zugunsten einer traulich-naturhaften Volksliedatmosphäre.<br />

Trotzdem bleiben hinter der Wanderseligkeit die<br />

Rollenbest<strong>im</strong>mungen der 'mittelalterlichen' Lebensweise der<br />

"Scholaren" erhalten. Das hindert das lyrische Ich f r e i l i c h


138<br />

nicht, <strong>im</strong> Natureingang mit ähnlichem Konjunktivgebrauch wie bei<br />

Eichendorff zum romantischen Uber-Wanderer zu werden: "Ich<br />

wollt', mir wüchsen Flügel" (IV,35). Das Wandern, hier schon als<br />

Begründung gegen das "Rosten" der (<strong>bürgerlichen</strong>) Umwelt gewendet,<br />

i s t bedingt durch die St<strong>im</strong>ulanz einer ebenfalls wandernden<br />

Umgebung:<br />

"Wallfahrer ziehen durch das Tal<br />

Mit fliegenden Standarten." (IV,35)<br />

Der Wanderer paßt sich einer universalen Lebensform des Wanderns<br />

an.<br />

Noch weiter vom ursprünglichen historischen Bezug auf vorindus<br />

t r i e l l e Lebensverhältnisse i s t das Gedicht "Ausfahrt" (IV,64.)<br />

entfernt. Als Motto vor die Gedichtfolge AUA dem Ue.ite./ie.n ges<br />

t e l l t , paßt es in seiner Allgemeinheit auf alle diese Lieder<br />

und verkörpert so eine Art Grundprinzip des Wanderlieds:<br />

"Berggipfel erglühen,<br />

Waldwipfel erblühen<br />

Vom Lenzhauch geschwellt;<br />

Zugvogel mit Singen<br />

Erhebt seine Schwingen,<br />

Ich fahr' in die Welt.<br />

Mir i s t zum Geleite<br />

In lichtgoldnem Kleide<br />

Frau Sonne bestellt;<br />

Sie wirft meinen Schatten<br />

Auf blumige Matten,<br />

Ich fahr' in die Welt.<br />

Mein Hutschmuck die Rose,<br />

Mein Lager <strong>im</strong> Mose,<br />

Der H<strong>im</strong>mel mein Zelt:<br />

Mag lauern und trauern,<br />

Wer, w i l l , hinter Mauern,<br />

Ich fahr' in die Welt." (IV,64)<br />

Das Wandern i s t hier nicht allein als eine Beziehung <strong>von</strong> Ich und<br />

Naturausdruck best<strong>im</strong>mt. Der Refrain, in die Welt zu fahren,<br />

fordert zum Ausbruch au* der Stadt auf, der modernen Industriestadt<br />

des 19. Jahrhunderts, die noch in ihrer vor<strong>bürgerlichen</strong><br />

Erscheinungsform ("Mauern") Eingang findet. Dieser Natureingang<br />

als Aufbruch- und Ausbruchst<strong>im</strong>mung läßt sich bis in S t i l i s t i s c h e<br />

L 9<br />

hinein fassen . Die Natur kann geradezu be<strong>im</strong> Wandern mitgenommen<br />

werden, die Rose wird an den Hut gesteckt, das Moos wird<br />

zum Lager, der H<strong>im</strong>mel zum Zelt des Wanderers.


139<br />

Daß dem Bild dieser "Mauern" ein ganz best<strong>im</strong>mtes Gegenbild <strong>von</strong><br />

Freiheit entspricht, zeigt das 184-6 entstandene Lied "Abfahrt"<br />

aus dem Zyklus Lie.de.si einet fah/ienden Schü£e/it:<br />

"Nun s o l l es auf die Wand'rung geh'n,<br />

Studieren hab ? ich satt;<br />

Leb* wohl! Das Scheiden fällt nicht schwer,<br />

Du hochgelahrte Stadt!" (IX,25)<br />

Der Abschied vom studentischen Leben, dessen Funktion schon gezeigt<br />

wurde, t r i t t zum Ausbruch aus der Stadt. Dagegen setzt<br />

der Wanderer jetzt eine neue Form des Studierens:<br />

"Feldflasche du, voll würz'gen Weins,<br />

Du sei mein einzig Buch,<br />

In dem ich noch studieren w i l l<br />

Mit manchem tiefen Zug." (IX,26)<br />

Das Wandern wird l e t z t l i c h sogar zum "Glaubensbekenntnis", wie<br />

der Titel des folgenden Gedichts lautet (IX,26). Das Gedicht<br />

"Auf der Heerstraß'" (IX,27f) benennt konkret und humoristisch,<br />

welche Form <strong>von</strong> Freiheit gemeint i s t . Der Wanderer zieht auf<br />

"freier Heerstraß'" (I£,27); Natur und lustiges Wandervolk<br />

gliedern sich in die WanderSt<strong>im</strong>mung ein - nur eins,<br />

"Das passet nicht ins Frei'!<br />

- - Das i s t die hochwohlweise und<br />

Gestrenge Polizei." (50)<br />

<strong>Scheffel</strong> hat, als Dichter ein "Lebenswanderer mit der Muse <strong>im</strong><br />

51<br />

Gepäck" , die Bedeutung dieser Wanderideologie ausführlich<br />

kommentiert und in seinen Lebenszusammenhang eingebettet. Schon<br />

der 18jährige bemerkt: "das Reisen um zu /leiten hat wenig<br />

52<br />

Nutzen" . "Meine Wanderlust i s t noch nicht eingeschlafen",<br />

53<br />

raeint er; sie wird ihm "wieder neue Kraft und Luft geben" . Die<br />

erfrischende Wirkung des Wanderns gegen die Frustrationen der<br />

Normalität und des Alltags g i l t erst recht in den Zeiten p o l i t i ­<br />

scher Enttäuschung nach 1848. Dann wird das Wandern zur Flucht<br />

aus der Wirklichkeit:<br />

"und wie ich sah, mit welchen Mitteln bei uns restauriert<br />

ward, da wurde es mir so unendlich schwül und eng zu Mute,<br />

daß ich's in dieser Atmosphäre nicht mehr aushalten konnte.<br />

Da nahm ich abermals den Wanderstab." (54)<br />

Die Rolle des Wanderers wird bald zu seinem Markenzeichen, durch<br />

5 5<br />

das sich <strong>Scheffel</strong> definiert: "ein fahrender Schüler wie ich" .


UO<br />

Mit dem ,selbstinterpretierenden Etikett des Lebenswanderers paart<br />

sich fast zwangsläufig das Selbstmitleid, wie es in einem Brief<br />

<strong>Scheffel</strong>s<br />

<strong>von</strong> 1851 heißt:<br />

"Sind nun schon 6 Jahre, seit ich bei dir in Jena eingezogen,<br />

- und ich bin noch derselbe fahrende Schüler, ohne Ruhe, ohne<br />

Stellung, mit unbefriedigtem Drang ins Weite" (56).<br />

An Paul Heyse adressiert kostet <strong>Scheffel</strong>, sozusagen aus dem<br />

Zwang seiner Rolle heraus, seine Isoliertheit <strong>im</strong> eigenen poetischen<br />

Vokabular aus, wobei er sich ins Existentielle s t i l i s i e r t :<br />

"ich meinerseits habe nur die eine Entschuldigung, daß ich<br />

nach mancherlei gesellschaftlicher Position und Einkettung<br />

wieder ein fah/ie.nde./i geworden (-omnia f u i , n i h i l expedit) -<br />

ein streifender gyrovager Heerstraßenbeschreiter, der, die<br />

Reisetasche umgehängt, den dürren Ast in der Hand, hinauszieht,<br />

der Sonne u. guten Herbergen entgegen, aventiuregewärtig,<br />

nicht ohne Staub und Durst der Natur wärmende<br />

Lebenshauche ablauschend." (57)<br />

Trotzdem erkennt <strong>Scheffel</strong> den fundamentalen Unterschied zwischen<br />

seiner Rolle und dem Herumziehen der mittelalterlichen Vaganten.<br />

Den Großherzog erinnert er daran,<br />

"daß ich selber einst wie ein mittelalterlicher Sänger unbefangen<br />

auf Ihrer Burg aus und eingegangen bin, ohne zu erwägen,<br />

daß das neunzehnte Jahrhundert in seinen sozialen Verhältnissen<br />

und Ordnungen einen fahrenden Dichter mit andern<br />

Augen betrachtet als die Vorzeit." (58)<br />

Der Anachronismus des Fahrenden <strong>im</strong> 19. Jahrhundert hindert ihn<br />

f r e i l i c h nicht, das Wandern wenn schon nicht als tragfähige<br />

Lebensform, so doch als Medium dichterischer Inspiration zu verwenden:<br />

"Aber der Schreibtisch hat noch keine Anziehungskraft<br />

für mich und es drängt mich <strong>im</strong>mer wieder zum Laufen und Berg-<br />

59<br />

steigen" . Als Therapie kann das Wandern den seelisch belasteten<br />

Künstler sogar wieder zur Kunst zurückführen, wie <strong>Scheffel</strong><br />

behauptet:<br />

"Des Gemüthes Bekümmerniß zu verwinden, den Geist sich selbst,<br />

der Betrachtung der Herrlichkeit Gottes in der Welt, und<br />

damit der Kunst zurückzugeben, i s t kein besser Mittel, denn<br />

Wandern." (60)<br />

Daß das Wandern den Rückweg zur Kunst offenhalte, i s t aber oft<br />

nur ein Vorwand für den kaum mehr dichtenden <strong>Scheffel</strong>. Er wandert<br />

meistens aus medizinischen Gründen, denn, so schreibt er<br />

61<br />

dem Arzt Erismann, "sonst vertrocknet Leib und Seele" , oder


U1<br />

aus psychischen Gründen: "sobald das Geblüt träge werden w i l l ,<br />

62<br />

nehme ich Stock und Reisetasche und thue einen Marsch" . Sogar<br />

als körperliche und seelische Abmagerungskur kann das Wandern<br />

benutzt werden:<br />

"Ich habe während der ganzen Kriegszeit ausgehalten, meine<br />

Schuldigkeit getan, bin aber so gedankenarm u. corpulent und<br />

faul geworden, daß ich mir zur Erholung in diesem Sommer die<br />

Strapazen großer Wanderungen auferlegt u. auch glücklich die<br />

Taille wieder zu erträglichem Durchmesser herabgemindert<br />

habe." (63)<br />

Mit der medizinischen Heilkraft geht eine Funktion des Wanderns<br />

einher, bei der die Erholung nach der poetischen Produktion mit<br />

der Inspiration fü/i neue dichterische Versuche zusammenfällt.<br />

So schreibt <strong>Scheffel</strong> 1855 an Schwanitz, nachdem er sich am<br />

Lkkehand "auf den Hund gearbeitet" hat:<br />

"Krampf <strong>im</strong> Arm und Reizbarkeit <strong>im</strong> Kopf, daß ich manchmal zusammenschaudere<br />

und zittere wie ein Espenlaub <strong>im</strong> Wind. Aber<br />

ich weiß die Medizin - und sag wahrscheinlich bald einmal den<br />

Büchern und der Studierstube Valet und wandere hinaus in die<br />

weite Welt; <strong>im</strong> frischen Leben s i t z t zudem eine tiefere und<br />

lautere Quelle der Erkenntnis, als in allem zusammengesuchsten<br />

gelehrten Zeug." (64.)<br />

Der rein biographische Aspekt der Wanderrolle <strong>Scheffel</strong>s wäre nun<br />

nicht so wichtig, wenn er nicht direkt in den literarischen Produktionsprozeß<br />

eingegangen wäre. Als Ideal des Dichtungsvorgangs<br />

schwebt <strong>Scheffel</strong> eine Situation vor, in der Wandern und Dichten<br />

zusammenfallen; das Dichten s o l l sogar während des Wanderns vor<br />

sich<br />

gehen:<br />

"oft pack ich Morgens meine Tasche und ziehe hinaus .... ohne<br />

zu wissen, was ich den Tag über arbeiten w i l l . f. ..] Wie ein<br />

Jäger <strong>von</strong> der Jagd gehe ich Abends ungern he<strong>im</strong> ohne ein Lied<br />

als Beute <strong>im</strong> Sack zu haben ... und ich lerne mich selbst <strong>von</strong><br />

einer neuen, mehr an Geibel anstreifenden Seite kennen, die<br />

ich bisher nicht viel beachtet habe. In der Studierstube der<br />

Stadt oder mit Unterbrechungen geselligen Lebens wäre solch<br />

ein Arbeiten nicht möglich." (6$)<br />

Im Gedicht "Dem Improvisator Hermann" <strong>von</strong> 1869 (IX,173f) schafft<br />

es ein Wortspiel, daß der Aufbruch des Fahrenden und der Aufruf<br />

zum Dichten tatsächlich identisch werden:<br />

"Liebreich i s t sein Benehmen,<br />

Sein Vortrag ein Akkord,<br />

Doch w i l l er Abschied nehmen,<br />

Ruft alle Welt: Jahn.' loit!" (IX,173)


U2<br />

Die daraus fast zwangsläufig resultierende Vereinzelung des Wanderers<br />

als Dichter erhebt die Welterfassung durch das Wandern<br />

bald ins Metaphysische:<br />

"Wer Gott und Welt w i l l recht verstehn,<br />

Durchstreift Gebirg und Tal" (IX,223).<br />

Insofern i s t der Anklang an Eichendorffs bekanntes Wanderlied<br />

aus dem 7 augenichtt symptomatisch: die Wanderschaft des Fahrenden<br />

wird in eine Bewegung des Kosmos eingebettet, die so romantisch<br />

wie anachronistisch i s t . Das Wandern bleibt die einzige<br />

Möglichkeit, sich seiner Umgebung richtig einzufügen.<br />

"Wer warm in warmem Neste<br />

Mit Weib und Brut sich pflegt,<br />

Der wähnt, die Welt steh' feste,<br />

Weil er sich nicht bewegt.<br />

Und doch geht alles Leben<br />

Bergan, bergab in wildem Lauf,<br />

Und muß, wer stirbt, noch schweben<br />

Gruftabwärts erst, dann h<strong>im</strong>melauf." (IX,164-)<br />

Doch i s t auch hier mit der Aufnahme des romantischen Motivs -<br />

man denke an Eichendorffs Gedicht die beiden Qetetten, an dessen<br />

vorgestellte doppelte Lebensform hier angespielt sein könnte -<br />

dem Bewußtsein des fortgeschrittenen Jahrhunderts Rechnung getragen.<br />

Freilich i s t die Lösung <strong>Scheffel</strong>s, dem <strong>von</strong> Eichendorff<br />

dargestellten Spießerdasein zu entkommen, reichlich banal: dem<br />

beschleunigten durch eigene Bewegung (<strong>im</strong> Wandern) zu entkommen<br />

zu<br />

versuchen!<br />

Romantik t r i v i a l i s i e r t ? Schon <strong>im</strong> Lkkekaid hatte <strong>Scheffel</strong> die<br />

blaue Blume des Novalis, das Bild universaler poetischer Erkenntnis,<br />

den Ziegen zum Fressen angeboten (VI, 384-). Jetzt wird<br />

daraus eine handliche Metapher:<br />

"Der Mann vom Sängerorden,<br />

Des Fahrens niemals müd,<br />

Weiß, wo <strong>im</strong> kältsten Norden<br />

Die blaue Blume blüht:<br />

Er schaut <strong>von</strong> hohen Warten,<br />

Wo träges Blut zu Eis gerinnt,<br />

Die Welt als Gottes Garten<br />

Und sich als Gottes freies Kind." (IX 9 164.)<br />

Mit der Wanderrolle i n f i z i e r t , wie es naheliegt, <strong>Scheffel</strong> auch<br />

sein Epigonentum. Die Geistesverwandtschaft mit Petrarca festigt<br />

<strong>Scheffel</strong> dadurch, daß dieser als Wanderer gesehen wird:


U3<br />

"Und ich weiß nicht, ob viele Leser das <strong>von</strong> andern über den<br />

Mann <strong>von</strong> Vaucluse /^PetrarcaJ gefällte harte Urteil billigen,<br />

wenn sie ihn, den Alpenstock in der Rechten und die Bekenntnisse<br />

des heiligen Augustinus in der Reisetasche, den Mont<br />

Ventoux hinauf- und hinabsteigen sehen" (VIII, 14-3).<br />

Dieser zentrale Stellenwert der Wanderrolle in <strong>Scheffel</strong>s Werk<br />

hat massiv die Rezeption <strong>Scheffel</strong>s als eines Wanderdichters begünstigt^.<br />

Diese Wanderideologie wird nicht nur begeistert<br />

übernommen, sondern <strong>von</strong> den Interpreten als die angemessenste<br />

Form für die Textbetrachtung internalisiert . Im Grunde hatte<br />

dies schon der erste Rezensent der T/tau Avantlu/ie. festgestellt:<br />

"Auch Herr <strong>Scheffel</strong> gehört noch diesen poetischen Zugvögeln<br />

an, indem er eine ferne He<strong>im</strong>ath sucht und die Gegenwart verläßt."<br />

(68)<br />

Kritisch und gewollt komisch i s t <strong>Scheffel</strong>s Lebensentwicklung als<br />

Wandel seiner Wanderrolle beschrieben worden: vom fahrenden<br />

Schüler zum fahrenden Dichter, der ein fahriger geworden i s t .<br />

Der Psychiater Möbius hat 1906 auf das Abgründige der "Ruhelosigkeit<br />

und Wandersucht" <strong>Scheffel</strong>s hingewiesen:<br />

"<strong>Scheffel</strong> i s t fast <strong>im</strong>mer unterwegs, und hätte er kein Geld<br />

gehabt, so wäre er ein Vagabund geworden, wie so mancher<br />

seiner Leidensgenossen es wird." (70)<br />

Erweitert man diese individualpathologische Deutung auf die gesellschaftliche<br />

Situation, so läßt sich die personale Wanderrolle<br />

<strong>Scheffel</strong>s in der Tat als Versuch werten, die Mobilität<br />

der Studentenzeit und deren antiphiliströse Haltung in das bürgerliche<br />

Leben wenigstens für die Wanderzeiten hinüberzuretten.<br />

Insofern ist <strong>Scheffel</strong>s Wanderleidenschaft ein "Mittel der Selbsttherapie",<br />

ein Versuch, Leben und Dichtung "poetisch zu kompen-<br />

sieren"<br />

71<br />

Aber gehen wir noch einmal zurück auf die Funktion des Wanderns<br />

in <strong>Scheffel</strong>s Dichtungen. Das Wandermotiv kann, etwa in den<br />

Liebesliedern Jung-Werners <strong>im</strong> 7/iompata/i, stellvertretend für<br />

Liebesentsagung stehen. Sogar das berühmteste Lied des Versepos<br />

73<br />

arbeitet kaum versteckt mit dieser Metaphorik . Die Entsagung<br />

der Liebenden wird sprachlich in einen Aufbruch zur Wanderschaft<br />

umgesetzt:<br />

"Die Wolken fliehn, der Wind saust durch die Blätter,<br />

Ein Regenschauer zieht durch Wald und Feld,<br />

Zum Abschiednehmen just das rechte Wetter,<br />

69


1U<br />

Grau wie der H<strong>im</strong>mel steht vor mir die Welt.<br />

Doch wend' es sich zum Guten oder Bösen,<br />

Du schlanke Maid, in Treuen denk' ich dein!<br />

Behiiet dich Gott! es war' zu schön gewesen,<br />

Behüet dich Gott, es hat nicht sollen sein!" (1,150)<br />

Die Wortwahl a l l e i n belegt die Teilhabe der Natur an dieser<br />

Wanderschaft des Helden. Der konjunktivische Refrain schließlich<br />

deutet darauf hin, daß das Wandern eigentlich nie zum Stillstand<br />

gekommen war. Ruhe und Frieden sind i r r e a l , eine Fiktion gewesen.<br />

Ganz ähnlich, nur in die Kunstfigur Heinrichs <strong>von</strong> Ofterdingen<br />

eingekleidet, wird in dessen "Abschied <strong>von</strong> der Stiraburg" (III,<br />

96f) der Aufbruch dargestellt. Auch hier wandern Natur und Gott<br />

mit:<br />

"Ich fahr' auf neuen Straßen ...<br />

Der Strom und Wellen wandern ließ,<br />

Der wird mich nicht verlassen." (111,97)<br />

Seine Arbeitsmethode, Stoff und Inspiration erwandern zu können<br />

(oder zu müssen), hat <strong>Scheffel</strong> programmatisch formuliert <strong>im</strong> Vorwort<br />

zur Novelle Junipe/iut. Der Erzählraum der Novelle entwickelt<br />

sich aus einem Landschaftsbild, das erwandert worden i s t . Stofffindung<br />

und -bearbeitung sind das Ergebnis "bewegter Wanderjahre",<br />

in denen es <strong>Scheffel</strong> vergönnt war, diese Landschaft als "Paradies<br />

des Wanderers" kennenzulernen (11,7). Zur Legit<strong>im</strong>ation und<br />

historischen Verklärung seiner Arbeitsweise beruft er sich auf<br />

den Geschichtsschreiber Aventinus, der fordert, man solle Kulturgeschichte<br />

"durchfahren", "besuchen und besichtigen und überhaupt<br />

seine besseren Gedanken wandernd" schweifen lassen ( l l , 7 f ) .<br />

<strong>Scheffel</strong>, "die Reisetasche des Fahrenden umgehangen", hat sich<br />

natürlich an diesen Vorschlag gehalten und "manch eynen Winkel<br />

durchloffen und durchkrochen" (11,8). Als "rudernder Talwegfahrer"<br />

hat er "auf jenen Pfaden" einige "solcher Gänge" getan<br />

(11,8). "Auf seinen Wanderungen" trägt er natürlich die<br />

Ca/<strong>im</strong>lna duiana, "der fahrenden Schüler lateinisches Liederbuch",<br />

bei sich (11,9). Von diesem Rückgriff in die vorindus<br />

t r i e l l e Wanderschaft aus erklärt sich auch die häufige Kritik<br />

<strong>Scheffel</strong>s an "des Dampfrosses Schnauben" (11,10).<br />

Man mag nun glauben, daß der biographisch nachweisbare Aufwand<br />

an Reisen und V/ander fahr ten das Ergebnis, eine dünne Erzählung<br />

<strong>von</strong> mehreren Dutzend Seiten, nicht lohne. An dieser Stelle er-


U5<br />

hält das Wandern nämlich ein so starkes Eigengewicht, daß es<br />

seiner Motivation, als Inspirationsantrieb für die dichterische<br />

Produktion zu dienen, nicht mehr bedarf. Allmählich wird Scheff<br />

e l das Wandern zum Selbstzweck, aus dem keine Werke mehr entstehen;<br />

das Wandern kann das Dichten restlos ersetzen:<br />

"Wenn das Fußwandern nicht für sich genug Arbeit gäbe, so<br />

hätte ich reizender Motive zu dichterischer Arbeit viele<br />

gefunden." (74)<br />

Daß <strong>Scheffel</strong> die Gefahr einer solchen 'Entartung' des Wanderns<br />

für sich als Dichter deutlich gesehen hat, zeigt das Gedicht<br />

"Irregang" aus der T/tau Avantiu/ia (111,69-71). Die Figur des<br />

Dorfmusikanten und fahrenden Spielmanns "<strong>im</strong> Faschingsnarrenkleid<br />

/ Mit Schall durchs Land gezogen" (111,69) t r i t t diesmal in<br />

einer Er-Rolle auf. <strong>Scheffel</strong> vermeidet den direkten Bezug des<br />

lyrischen Ichs auf den Autor wie bei der Figur Heinrichs <strong>von</strong><br />

Ofterdingen. Das Weiterwandern des Sängers wird zum Erzählmotiv<br />

und zur Handlungskontinuität ("Und als"-Anschlüsse). Erst "auf<br />

den Höhen" findet Irregang seine Ruhe; hier i s t er "zur rechten<br />

Stelle" (111,71). Doch der Ruhepunkt beweist die Vergeblichkeit<br />

dieses Wanderns, denn es i s t "Irregangs letzter Irregang":<br />

"Ich glaube, den Wandrer <strong>im</strong> Narrenkleid<br />

Hat Schnee und Sturmnacht begraben;<br />

Verschneit, verweht ... verweht, verschneit!<br />

Er wollt's nicht anders haben.<br />

Du weidlicher Meister Irregang,<br />

Sag an, wo bist du geblieben?<br />

... Die Flocken fliegen in wirbelndem Drang,<br />

Stäuben zusamm ... und zerstieben ..." (111,71)<br />

Hier erst gibt sich der Ich-Erzähler als sarkastisch-fatalistischer<br />

Kommentator zu erkennen: "Er wollt's nicht anders haben".<br />

Negativen Einschlag bekommen die fahrenden Schüler auch in<br />

<strong>Scheffel</strong>s Wartburgromanfragment. Dort treten sie nur noch als<br />

7 5<br />

"fahrende Leute" , als Diebesgesindel und Wandervögel auf,<br />

ein Volk, das<br />

"hinauszieht in die Welt, mit Kunst, Gunst und Dunst sich<br />

durchschlagend, f...] Manch einem aber war auch bei sehnlichem<br />

Begehr der Rückkehr durch früheren Frevel die He<strong>im</strong>ath für<br />

<strong>im</strong>mer verschlossen und er mußte geächtet und f/iiadatotgatagt<br />

durch fremde Lande dahinfahren bis an sein selig End." (76)<br />

<strong>Scheffel</strong>s alter Freund Paul Heyse legt den Finger auf die Wunde,<br />

wenn er <strong>Scheffel</strong>s Wanderideologie mit seinem gutgemeinten Rat-


U6<br />

schlag auf die banale Häuslichkeitsideologie des gesetzten Bürgers<br />

zurückführt:<br />

"Daß ein Zug der Melancholie auf Deiner Stirn sich eingegraben,<br />

der fast nicht mehr schwinden w i l l , habe ich leider<br />

schmerzlich wahrgenommen. Dein fahrendes Leben trägt wohl die<br />

Hauptschuld. Es i s t ganz lustig, die Welt an sich vorübergehn<br />

zu lassen; aber man muß feststehn, wenn auch nicht<br />

s t i l l e . Deine Unstäte, wenn sie noch so bunt und ersprießlich<br />

Bilder und Menschen in Dir spiegelt, muß Dir doch zuletzt<br />

unhe<strong>im</strong>lich sein. Eine gute Frau thäte Dir noth." (77)<br />

Die Lebensform des Wanderdichters i s t aus Heyses Perspektive<br />

f r e i l i c h umgekehrt, wenn nicht mehr <strong>Scheffel</strong> wandert, sondern<br />

die Umwelt sich um ihn bewegt.<br />

Unbeeindruckt da<strong>von</strong> proklamiert der älter gewordene <strong>Scheffel</strong><br />

78<br />

zwar <strong>im</strong>mer noch seine "unzerstörbare Wanderlust" , jetzt aber<br />

79<br />

mit einem " I d y l l " als Ziel . Im Gedicht "Die Herberge am See"<br />

<strong>von</strong> 1860 kehrt der müde Fahrende he<strong>im</strong>, allerdings vorerst nur<br />

in eine "Taberne" (111,73). Hier i s t er "bekümmernisledig", es<br />

könnte "nicht wohliger sein"( 111,73). Hatte der Wanderer früher<br />

nur Hut und Stock, so besitzt er nun schon "eine bretterne Lade"<br />

und hat ein "Bänklein" zum Niedersetzen zur Verfügung. Seine<br />

Ideologie eines Fahrenden hat der zur Ruhe Gekommene aber nicht<br />

etwa aufgegeben, sondern zeigt sie gerade jetzt programmatisch<br />

vor:<br />

"Hoch weht ob den weißen Gestaden<br />

Der fahrenden Schüler Panier." (111,74)<br />

Ins Religiöse gewendet gipfelt die Wanderideologie in den Beigptatmcn<br />

<strong>im</strong> Gedicht "Ausfahrt"(!).So paradox es klingt, der Ich-<br />

Sprecher bricht hier zur Wanderung auf, um sich niederzulassen:<br />

"Landfahriges Herz, in Stürmen geprüft,<br />

Im Weltkampf erhärtet und oftmals noch<br />

Zerknittert <strong>von</strong> schämigem Kleinmut<br />

Aufjauchze in Dank<br />

Dem Herrn, der dich sicher geleitet!<br />

Du hast eine Ruhe, ein Obdach gefunden,<br />

Hier magst du gesunden,<br />

Hier magst du die ehrlich empfangenen Wunden<br />

Ausheilen in friedsamer S t i l l e . " (11,77)<br />

Dies sinnbildhafte Ende seiner Wanderschaft hatte <strong>Scheffel</strong><br />

f r e i l i c h schon in Italien vorausgesehen:<br />

"so weiß ich doch ganz gut, daß der fahrende Schüler auch<br />

einmal ans Ende der Fahrt kommen muß - an jenes Ende, wo die


U7<br />

Welt mit Brettern vernagelt i s t /"bretterne Lade!/, und der<br />

fahrende Schüler sich zum sitzenden Meister umzugestalten<br />

hat." (80)<br />

Denn das Ziel seines Wanderns war <strong>im</strong>mer die Ruhe, die "die v i e l -<br />

81<br />

gewanderte und vielgeprüfte Seele" zeitlebens gesucht hat<br />

Sinnbildlich ausgedrückt bedeutet dies, den Wanderstab in die<br />

Erde zu stoßen,<br />

"Daß er in neuem Blatt und Laub<br />

Ein Schattendach mir spende." (IV,77)<br />

In selbstquälerischer Trauer schlägt dieses vergebliche, absehbar<br />

ziellose Wandern <strong>im</strong> Gedicht "Dahe<strong>im</strong>" (111,111-113) um. Für<br />

Heinrich <strong>von</strong> Ofterdingen wie für seinen Dichger i s t die Wanderschaft<br />

längst eine Plage geworden. Der ehemals fröhliche Wanderer<br />

i s t hier der "Ritter Unstern" (111,111), die freudige Weltund<br />

Lebensgemächtigung i s t ins Gegenteil umgeschlagen: "Verfahrner<br />

Leute Fahrtgewinn heißt Leid!" (111,112). In allegorischer<br />

Gestalt treten die Begleiter der Wanderschaft auf: der<br />

"Nachbar Zeitversaum", "Jungfräulein Reue, sein geliebtes<br />

Kind", "Frau Langeweile mit dem Gähnemunde" und "Frau Schwermut<br />

mit dem aschenfahlen Haar". Ein wirkliches Ziel wäre es, "fahrtmüde<br />

Knochen" auszuruhn und Balsam in die Wunden zu gießen (III,<br />

112). Doch der gute Vorsatz (111,113: "So klang mein Lied") i s t<br />

nicht durchzuhalten. Frau Aventiure, die "Närrin" und doch die<br />

"alte Freundin", ruft den Sänger, so daß dieser nicht widerstehen<br />

kann. Der Dichter n<strong>im</strong>mt sein Leid bewußt in Kauf, obwohl<br />

er es als "Not" und als "Traumbild" durchschaut. Dieses Wandern<br />

als ein "irrfahrtwärts" Ziehen begrüßt der Dichter mit Hoffnung<br />

und Skepsis zugleich:<br />

"Auf und hinaus! bringt Roß und Schwert und Zither!<br />

Geliebtes Traumbild, Dank, daß du mich rufst!<br />

Nun folg' ich dir als treuster deiner Ritter,<br />

Vergessend aller Not, die du je schufst.<br />

Dürr sind des regelrechten Lebens Kränze,<br />

Die blaue Blume blüht nur <strong>im</strong> Gedörn;<br />

Auf und hinaus! ... <strong>im</strong> sturmdurchbrausten Lenze<br />

Fahr ich hinaus und suche meinen Stern." (111,113)<br />

Damit wird ganz deutlich, daß die Lebensform des Wanderns für<br />

<strong>Scheffel</strong> zum Bild der gesamten Menschheit geworden i s t : "Wir<br />

sind aber alle nur Pilger auf diesem Planeten und gehen schließ-<br />

8 2<br />

lieh denselben Weg" . Deshalb g i l t ihm der Tod als "die letzte


U8<br />

große Wanderung" . Diese Wanderung aber zu Fuß anzutreten<br />

sollte ihm schwer werden. Einen Monat vor seinem Tod schreibt<br />

<strong>Scheffel</strong> an Anton <strong>von</strong> Werner: "Seit October bin ich keinen<br />

8 L<br />

Schritt mehr gegangen, fahre aber täglich aus" .<br />

4


U9<br />

VI. DICHTER UND PUBLIKUM<br />

1. Schweigen als poetische Leistung<br />

<strong>Scheffel</strong>s produktive Phase als Dichter i s t mit der Herausgabe<br />

der Gedichtsammlung T/iau Ave.ntlun.e. <strong>im</strong> Jahre 1863 abgeschlossen.<br />

Der Wartburgroman, als dessen lyrische Beigaben diese Gedichte<br />

ursprünglich erscheinen sollten, blieb schon Fragment. Alles<br />

später Erschienene, wie die Gaudzamut-Lieder (1868) oder einige<br />

der Reisebilder, sind schon in den 4-Oer und 50er Jahren verfaßt<br />

worden. Von da an bringt es <strong>Scheffel</strong> nur noch zu gelegentlichen<br />

lyrischen Versuchen, einigen weisen "Sprüchen" sowie zu Festspielen<br />

für repräsentative Feiern. Allerdings macht man es sich<br />

zu leicht mit dem Urteil, <strong>Scheffel</strong>s Verstummen nach dem £kke.ha/id<br />

liege <strong>im</strong> biographisch-pathologischen Versagen seiner dichterischen<br />

Schaffenskraft begründet. Auch mit der Vermutung, dem<br />

Lyriker <strong>Scheffel</strong> habe die Gattung des Romans einfach nicht gelegen<br />

, kommt man nicht weiter. Erstaunlich i s t vielmehr die<br />

Tatsache, daß <strong>Scheffel</strong> noch dann, als er schon seit Jahren<br />

nichts mehr dichtete, <strong>im</strong> Bewußtsein der meisten zeitgenössischen<br />

Leser als produktiver Dichter g i l t . Zahllose Ehrungen und Huldigungen<br />

beziehen sich auf diese vermeintlich noch aktive Dichtungskraft<br />

<strong>Scheffel</strong>s. <strong>Scheffel</strong>s repräsentative Festgedichte, die<br />

<strong>im</strong>mer wieder erneuerten Vorworte zahlloser Neuauflagen, Zueignungen,<br />

Stammbucheintragungen und Widmungen überdeckten für die<br />

Öffentlichkeit das Versiegen der Neuproduktion. Zur rechten<br />

Zeit, bei großherzoglichen Jubiläen oder bei einer Universitätsfeier,<br />

produziert (sich) <strong>Scheffel</strong> wieder.<br />

Mit der Erklärung, <strong>Scheffel</strong>s "traurige Erfahrungen" <strong>im</strong> Verlegerstreit<br />

um den &kke.ha/id hätten zum Verstummen des Dichters geführt,<br />

übern<strong>im</strong>mt man eine Behauptung <strong>Scheffel</strong>s: sonst "würde ich<br />

noch mehrere solcher kulturhistorischen Romane aus der älteren<br />

2<br />

Geschichte verfaßt haben!" Erst sehr v i e l später i s t "der<br />

merkwürdige Umstand" aufgefallen, "daß dieses Schwinden der<br />

poetischen Leistungsfähigkeit mit der körperlichen Gesundung<br />

zusammenfällt" . Hier i s t jedoch darauf hinzuweisen, daß bei<br />

<strong>Scheffel</strong> solche Verstummenstendenzen nicht erst <strong>im</strong> Alter auf


150<br />

Grund besonderer Schicksalsschläge auftauchen, sondern als l a ­<br />

tenter Grundzug seines Wesens und seines Werkes <strong>im</strong>mer schon vorhanden<br />

sind, auch wenn <strong>Scheffel</strong> selbst seinen Verlegerstreit<br />

als Begründung heranzieht:<br />

"Solche und andere Erfahrungen werden dazu beitragen, mir,<br />

der ich keine hörnene Siegfriedshaus besitze, die Schrifts<br />

t e l l e r e i gründlichst zu verleiden; denn die Feder des Poeten<br />

fortwährend mit der des Advokaten vertauschen zu müssen<br />

und schließlich mit dem eigenen Herzblut andere Leute fett<br />

machen, i s t nicht sehr heiter." (4)<br />

Denn schon in seiner Jugend spielte <strong>Scheffel</strong> mit dem Gedanken,<br />

"in Gottes Namen seine Leier an den Nagel hängen" zu wollen^,<br />

während er gleichzeitig beschwichtigt: "Die Laute hängt noch<br />

nicht an der Wand"^. Die Drohung, das Dichten einzustellen,<br />

bleibt aber dauernd in der Luft. Nach dem schwächlichen Anfangserfolg<br />

seines Lk.ke.tia/id hatte <strong>Scheffel</strong> angekündigt:<br />

"Ich w i l l mich in Studien über die Geschichte des XVI. Jahrhunderts<br />

vergraben, und noch einmal Etwas Ernstes, Großes in<br />

Angriff nehmen; wenn ich damit auch nicht durchschlage, so<br />

häng ich die ganze Schriftstellerei an den Nagel und beruhige<br />

mich über die Mitgift an Geist, die der-Mensch mit auf die<br />

Welt bekommen, und ernähre mich mit irgend einer Handarbeit.<br />

Am End i s t doch Alles e i t e l . " (7)<br />

Prophetisch hatte schon Fontane <strong>Scheffel</strong>s Lkkeha/id als eine<br />

g<br />

"Einzelleistung" vermutet . <strong>Scheffel</strong> selbst hat sein Verstummen<br />

nicht als einen persönlichen Mangel, sondern als Ausdruck einer<br />

epigonischen Zeit verstanden. An Ludwig Uhland schreibt er 1854:<br />

"In unserer Epigonenzeit, wo in allen Gebieten der Kunst so<br />

nah' ans Höchste schon gearbeitet i s t , s t e l l t man sich b i l l i g<br />

die Frage, ob nicht das Schweigen Gold, das andere nur S i l ­<br />

ber sei?" (9)<br />

Ist <strong>Scheffel</strong>s Verstummen also ein Teil seines Dichterbewußtseins?<br />

Schon Richard M. Meyer hat, allerdings nur andeutungsweise,<br />

auf <strong>Scheffel</strong>s "Helden des Schweigens" und sein "Lob der<br />

1 0<br />

S t i l l e " hingewiesen . Diesen Zusammenhängen s o l l <strong>im</strong> folgenden<br />

11<br />

etwas nachgegangen werden. "II silenzio diverrebbe mortale" ,<br />

schreibt schon der junge <strong>Scheffel</strong> seiner Schwester aus Italien.<br />

Diese Behauptung verkürzt einen Gedankengang, der auch die<br />

Selbstdefinition des <strong>Dichterberuf</strong>s b e t r i f f t . Eine ähnliche Best<strong>im</strong>mung<br />

liegt nämlich auch dem letzten Lied Heinrichs <strong>von</strong><br />

Ofterdingen zugrunde, der seinem Dichten dadurch Mut zuspricht,


151<br />

daß er an seinen Zweifeln zu verzweifeln droht:<br />

"... Der Lieder größtes steht noch unbeendet ...<br />

Ich geh zugrunde - oder ich vollbring 1 s!" (111,119)<br />

Dieser scheinbare Gegensatz kann jedoch gleich vom Ofterdinger<br />

aufgelöst werden. Lieder brauchen nur noch gefunden, nicht mehr<br />

selbst erfunden zu werden:<br />

"Dort oder nie find' ich die großen Lieder,<br />

Hier schweigt mein Mund ... das Singen schafft ihm Weh."<br />

(111,119)<br />

In ähnlicher Weise i s t auch für den Kater Hiddigeigei <strong>im</strong> 7/iompe.te/i<br />

das poetische Schweigen nicht als Passivität, sondern als<br />

Willensakt zu werten. So wie für Heinrich <strong>von</strong> Ofterdingen i s t<br />

das Schweigen für den Kater eine poetische Aktion, wenn er der<br />

Menschheit seine dichterischen Werke verweigert:<br />

"Mögen sehn sie, wie sie f s treiben!<br />

- Hiddigeigeis Lehrgedichte<br />

Werden ungesungen bleiben." (1,157)<br />

In diesem Zusammenhang i s t die Rolle des Erdmanns <strong>im</strong> 7 /iompe.te./i<br />

(1,107-110) beachtenswert. <strong>Scheffel</strong> begreift hier das Verstummen<br />

und den Rückzug des s t i l l e n Mannes nicht als dessen Unfähigkeit<br />

zur Weltbewältung, sondern als rationalen Entschluß,<br />

nachdem dieser die Welt durchschaut habe. Allmählich versteinert<br />

der Schweiger in seiner Erdhöhle. "War ein stolzes Menschenkind<br />

einst", heißt es <strong>von</strong> ihm, und "höhnisch schier klang mir<br />

sein Lachen" (1,107). Für den s t i l l e n Mann i s t das menschliche<br />

Leben identisch mit Haß geworden (1,108: "Leben Menschen, Menschen<br />

hassen"). Anfangs singt er noch "schöne Lieder". Im Verstummen<br />

aber sieht er die Möglichkeit, seine Liedkunst noch zu<br />

steigern:<br />

"Erdmann, schöne Lieder weiß ich,<br />

Doch das schönste hab' ich noch nicht<br />

Dir verraten, das heißt Schweigen." (1,109)<br />

Nach diesem letzten Wort verwandelt sich der Schweigende in<br />

Stein und n<strong>im</strong>mt damit eine Zwischenstellen zwischen Lebenden<br />

und<br />

Toten ein:<br />

"Schweigend s i t z t er nun seit Jahren<br />

Dort am Fels, - i s t nicht gestorben,<br />

Lebt auch nicht, es wandelt langsam<br />

Sich der s t i l l e Mann in Stein um." (1,109)


152<br />

Auch wenn Jung-Werner, der Held des 7/iompe.te./i, noch an eine<br />

12<br />

Wiedererweckung des s t i l l e n Mannes glaubt - das extrem hermetische<br />

System dieser Isolation i s t nur <strong>von</strong> innen, also in der<br />

Selbstdarstellung zu durchbrechen. Diese Aufgabe versuchen die<br />

LLe.de./i de.* Stit£e.n flanne.4 (1,158-161) zu erfüllen, in denen<br />

Schweigsamkeit und Einsamkeit zusammenfallen. Hier g i l t das<br />

Schweigen als der Höhepunkt jeglichen Erkenntnisprozesses:<br />

"Und am Ende der Erkenntnis<br />

Steht ein ahnungsvolles Schweigen." (1,159)<br />

Das Schweigen i s t jedoch keine Negation oder Verweigerung einer<br />

Aussage. Wie die damit Hand in Hand gehende Versteinerung i s t<br />

auch das Verstummen des Mannes ein Willensakt. Alles geschieht<br />

"trotzig s t i l l " (IX,90). Daraus entsteht nämlich eine neue positive<br />

Konstruktivität, ein Gegenmodell zur äußeren Welt:<br />

"Altes Sein und Denken<br />

Auseinander fällt,<br />

Mußt dir selber schenken<br />

Eine neue Welt.<br />

Bau' sie dir tief innen,<br />

Bau f sie hell und weit -<br />

Strömen und verrinnen<br />

Laß die alte Zeit!" (IX,90)<br />

Jung-Werner hat bei seinem Besuch anscheinend vom s t i l l e n Mann<br />

gelernt. Denn auch in Werners Liedern spielt das Motiv des Verstummens<br />

eine zentrale Rolle. Allerdings i s t bei ihm der Anlaß,<br />

die Liebe zu Margareta, noch deutlich als Grund des Verstummens<br />

zu erkennen, während <strong>im</strong> VerachtungsSystem des s t i l l e n Mannes<br />

alle psychologisch erfaßbaren Gründe rationalisiert sind. Für<br />

Werner leistet die Musik Ersatz für die versagende Sprache:<br />

"Als ich zum erstenmal dich sah,<br />

Verstummten meine Worte,<br />

Es löste a l l mein Denken sich<br />

In schwellende Akkorde." (1,143)<br />

Die Grenzen der Sprache liegen <strong>im</strong> Ausdruck, also in ihrer<br />

Funktion als Kommunikationsmittel (1,143: "Kann dir nicht saeren,<br />

was ich w i l l " ) ; als postitcke. Aussage ("Summen") erfüllt sie<br />

jedoch weiterhin und in höherem Maße ihre Funktion:<br />

"Die Sprache i s t ein edel Ding,<br />

Doch hat sie ihre Schranken;


153<br />

Ich glaub', noch <strong>im</strong>mer fehlt's am Wort<br />

Für die feinsten und tiefsten Gedanken.<br />

Schad't nichts, wenn auch ob Dem und Dem<br />

Die Reden a l l verstummen,<br />

Es hebt sich dann <strong>im</strong> Herzensgrund<br />

Ein wunderbares Summen." (1,145)<br />

<strong>Scheffel</strong>s eigene Position modifiziert beide Verstummensmöglichkeiten<br />

und verbindet sie miteinander. Am deutlichsten zeigt sich<br />

diese<br />

Haltung in seinen Spruchweisheiten:<br />

"Die Welt treibt's arg,<br />

Sei s t i l l und stark!" (IX,256)<br />

Auffällig i s t hier die Kombination <strong>von</strong> Stille-Sein und S t i l l e -<br />

Halten. Geht es doch dabei nicht mehr bloß um das Dichten, sondern<br />

um ein Zusammenbinden zweier Lebenshaltungen, die <strong>im</strong> Wortsinn<br />

nichts miteinander zu tun haben müssen. Ein anderer Spruch<br />

zeigt dies noch deutlicher:<br />

"Ernsthaft streben,<br />

Heiter leben,<br />

Vieles schauen,<br />

Wenigen trauen -<br />

Deutsch <strong>im</strong> Herzen,<br />

Tapfer und s t i l l ,<br />

Dann mag kommen,<br />

Was da w i l l . " (IX, 249)<br />

Auch hier zeigt das Zusammenstehen des Stummseins mit anderen<br />

Lebenseigenschaften und Verhaltensweisen den besonderen Charakter<br />

dieser S t i l l e an. Es i s t keine passive Dulderhaltung, sondern<br />

die bewußte Annahme des Schweigens als ethische Haltung ("tapfer")<br />

In poetischerer und weniger didaktischer Form als der Spruchweisheit<br />

zeigt das 1860 entstandene Gedicht "Die Herberge am<br />

See", inwiefern das Schweigen des Dichters eine Leistung, ein<br />

poetischer Willensakt geworden i s t . Die Verse handeln vom sich<br />

Niederlassen und Ausruhen der Fahrenden; noch bleibt die Position<br />

des Dichter/Sängers aus dem Spiel. Daß aber in diesem Zyklus<br />

<strong>im</strong>mer vom Sänger die Rede i s t , zeigt auch das folgende Gedicht<br />

"Kahnfahrt": auch dort schon t r i t t der Wanderer mit seiner<br />

Zither in der Natur auf, die schweigt (111,75: " S t i l l beredter<br />

Pracht"). Für unser Gedicht (III,73f) kann dieses Oxymoron ein<br />

guter Hinweis sein; denn die letzte Strophe der "Herberge am<br />

See" läuft auf die bekannten und v i e l zitierten Verse hinaus,


154<br />

die - so verkürzt - einen ursprünglichen Widerspruch zusammenbinden<br />

:<br />

" S t i l l liegen und einsam sich sonnen,<br />

Ist auch eine tapfere Kunst." (111,74)<br />

Der Ich-Bezug des Gedichts i s t in den beiden letzten Versen ausgeschaltet,<br />

eine Bezug auf das lyrische Ich bleibt also ganz bewußt<br />

wie eine Frage offen. Dem Liegen und sich Sonnen sind mit<br />

" s t i l l " und "einsam" zwei Adverbien(I) zugeordnet, die darauf<br />

hinweisen, daß es sich <strong>im</strong> Grunde <strong>im</strong> Un-Tätigkeiten handelt. Insofern<br />

kann dann auch die Kunst eine "tapfere" sein. In der Vorstudie<br />

seines Tagebuchs vom 3. April 1860 hatte <strong>Scheffel</strong> diese<br />

1 3<br />

Verszeile noch als "feine Kunst" beschrieben . Die Umformung<br />

des Adjektivs in der endgültigen Fassung weist auf eine stärkere<br />

Tathaftigkeit der Kunst hin: <strong>Scheffel</strong>s Kunstbegriff erhebt den<br />

nicht mehr dichtenden Dichter erst recht zum Täter! Das verräterische<br />

"auch" aber gibt die letzte Erklärung. Denn nun s t e l l t<br />

sich weniger die Frage nach den anderen Künste, die es "auch"<br />

gibt, sondern umgekehrt: <strong>Scheffel</strong>s Kunst i s t jetzt einzig und<br />

a l l e i n das Stillhalten und Schweigen geworden, das sich aus der<br />

bewußten Aktion des Dichters legit<strong>im</strong>iert!<br />

In <strong>Scheffel</strong>s spätesten Gelegenheitsgedichten i s t diese Programmatik<br />

bis zur Unkenntlichkeit verkürzt. Sie i s t nur noch daran zu<br />

erkennen, daß man beobachtet, wo<strong>von</strong> in den Gedichten nicht die<br />

Rede i s t . Der Prozeß des Dichtens, der sonst fast <strong>im</strong>mer ein bevorzugter<br />

Gegenstand des Gedichts war, wird jetzt völlig ausgeklammert.<br />

<strong>Scheffel</strong>s Interesse für die einfache und t r i v i a l e<br />

Dingwelt kehrt seine früheren Anschauungen einer Verachtung der<br />

Normalität radikal um. Im Gedicht "Radolfszell" <strong>von</strong> 1873 beispielsweise<br />

s t e l l t die Entsagung innerhalb der Stadtmauern die<br />

Wanderseligkeit der frühen Jahre und die Flucht aus diesen<br />

Mauern geradezu auf den Kopf:<br />

"0 Rdadolfszell, due altes Nest<br />

Mit deinen Wackenmauern,<br />

Wie lernt man hier aufs allerbest<br />

Entsagen dem Brüten und Trauern!" (IX,182)<br />

Das Interesse des lyrischen Ichs beschränkt sich jetzt auf Weinbau,<br />

Seelandschaft und Angeln:


155<br />

"Vergnüglich s i t z t man am Strande fest<br />

Und vergißt den Koffer zu packen.<br />

0 Radolfszell, du altes Nest<br />

Mit deinen Mauerwacken!" (IX,183)<br />

Das bisher verhaßte Festsitzen g i l t <strong>Scheffel</strong> nun als "vergnügl<br />

i c h " , der Wanderschaftsaufbruch als Kofferpacken wird vergessen<br />

oder besser - verdrängt; das "alte Nest", vor 20 oder 30 Jahren<br />

<strong>von</strong> <strong>Scheffel</strong> noch als Sch<strong>im</strong>pfwort gebraucht, wird jetzt zum<br />

höchsten Lob!<br />

Wie sich also die Wanderideologie <strong>Scheffel</strong>s ins Gegenteil, zum<br />

Lob des Festsitzens verkehrt hat, genauso wendet sich die Lebensform<br />

des Dichters <strong>Scheffel</strong> vollständig um: der schweigende Dichter,<br />

an und für sich ein Widerspruch, wird nun zum Inbegriff<br />

der wahren poetischen Anschauung der Dinge. 'Philosophisch 1 abgesichert<br />

war diese Schweigeideologie <strong>Scheffel</strong>s schon durch das<br />

Reisebild £in Gang zu/i gnoßen Kan.taute in den Alpen den. Dauphine<br />

<strong>von</strong> 1857, in dem <strong>Scheffel</strong> sein Interesse an der Lebensweise der<br />

zu lebenslangem Schweigen verpflichteten Kartäusermönche s c h i l ­<br />

dert. Der direkte biographisch-pathologische Bezug i s t dabei zu<br />

vernachlässigen: bei einer<br />

seiner<br />

1<br />

Kopfkongestionen 1<br />

wurde der<br />

flüchtige <strong>Scheffel</strong> auf dem Weg dorthin aufgegriffen, wobei er<br />

angab, er wolle in den Orden eintreten! Das Reisebild setzt mit<br />

dem Bericht <strong>von</strong> einer Rhüneüberschwemmung ein; <strong>Scheffel</strong> hat deshalb<br />

"traurige Dinge" erleben müssen. Das Hochwasser wird zum<br />

Sinnbild einer "Zeit allgemeiner Katastrophe" auf dem Hintergrund<br />

einer desorientierten Welt (VIII,80). Zu diesen "trüben Bildern"<br />

stehen die Mönche der Kartause mit ihrem "unwandelbaren Schweigen"<br />

in scharfem Kontrast (VIII,83). Ihre Isolation durch das Schweigen<br />

wird <strong>Scheffel</strong> zum Symbol des Rückzuges aus einer schlechten<br />

Welt:<br />

"nichts mehr wissen <strong>von</strong> dem, was draußen die Gemüter bewegt,<br />

/. ..] nichts <strong>von</strong> der Organisation der Arbeit und der sozialen<br />

Frage, /". . ._7 und nichts <strong>von</strong> der neuen Gottheit des Tages,<br />

genannt cnedit mo&ilien." (VIII,91)<br />

Die Mönchseinsamkeit wird als Idylle gegen die Undurchschaubarkeit<br />

der ökonomischen und sozialen Ordnungen des 19. Jahrhunderts<br />

ausgespielt mit der Frage, "ob sie so unrecht haben?" Und Scheff<br />

e l erzählt am Morgen nach seiner Übernachtung <strong>im</strong> Kloster <strong>von</strong><br />

seinem Traum, in dem es ihm vorgekommen sei, "als wäre ich sei-


1 56<br />

ber bald reif für den weißen Kartäuserhabit" (VIII,92). So w i l l<br />

das Schweigen des Dichters neben den poetischen auch die sozialen<br />

Probleme der Gegenwart lösen.<br />

2. <strong>Scheffel</strong> und seine Leser<br />

Wie reagieren die Leser auf einen schweigenden Dichter? Die<br />

schon angedeutete Tatsache, daß <strong>Scheffel</strong>s Rückzug aus der l i t e ­<br />

rarischen Öffentlichkeit seinem Ansehen als volkstümlicher<br />

Schriftsteller keinen Abbruch tut, verweist auf ein merkwürdig<br />

intensives Verhältnis <strong>Scheffel</strong>s zu seinen Lesern, dem <strong>im</strong> folgenden<br />

nachgegangen werden s o l l . Schon eine der ersten Besprechungen<br />

des £kke.ha/id hatte nicht etwa auf die poetische Machart des<br />

Romans abgehoben, sondern war einem vermuteten Lesepublikum<br />

schon<br />

<strong>im</strong> voraus auf der Spur:<br />

"Für den Lesepöbel, der nur an dem Stofflichen seine Freude<br />

hat und weniger poetisch ergözt oder historisch belehrt als<br />

phantastisch beschäftigt seyn w i l l , wird es f r e i l i c h <strong>im</strong>merhin<br />

weniger ein Buch seyn. Auf solchen Pöbel, wenn er auch noch<br />

so sehr die Majorität bildet, darf aber keine Rücksicht genommen<br />

werden. Der Schriftsteller hat, was man auch <strong>von</strong> Popularität<br />

sagen mag, <strong>im</strong>mer nur das, nicht zwar speciell und<br />

fachmäßig, aber allgemein gebildete Publikum in 1 s Auge zu<br />

fassen, und für dieses wird es dem Ekkehard nicht an Anziehendem<br />

fehlen. /*. . .7 Die ganze Darstellung i s t so, daß sich<br />

ihrer jeder <strong>im</strong> weiteren Sinn Gebildete erfreuen kann; für<br />

den höher Gebildeten liegt überdieß in der historischen Dokumentirung<br />

noch ein besonderer Reiz." (14-)<br />

Hinter dem begrifflich vagen Differenzierungsversuch des sogenannten<br />

Bildungsbürgertums steckt schon die Erklärung, die den<br />

später ungeheuren Erfolg <strong>Scheffel</strong>s begründet. Das Identifikationsangebot,<br />

das demnach vom £kkeha/id ausgeht, bietet dem Leser<br />

mehr als s<strong>im</strong>plen Romangenuß. Gerade <strong>im</strong> Absetzen vom stofflichen<br />

Reiz, wie ihn der "Lesepöbel" sucht, gelingt es dem Leser, den<br />

Anspruch auf eine auch sozial höhere Position mitzumachen: die<br />

Ablehnung des £kke.ha/id würde ja das f r e i w i l l i g e Ausscheiden aus<br />

diesem Kreis der "höher Gebildeten" bedeuten.<br />

Man könnte sich an Gustav Freytag erinnert fühlen, der an seinen<br />

Verleger schreibt, der £kke.r\aid sei nicht "für's große Publikum",<br />

1 5<br />

"wohl aber für unsereinen" . Auch hier klingt der Versuch an,<br />

mit dem Dichter und dem Roman eine Art negative Identifikations-


157<br />

gemeinschaft aufzubauen, mit deren Hilfe man sich gegen ein anders<br />

orientiertes Publikum abschotten kann. Durch diese stark<br />

formende Gemeinschaft in Produktion und Rezeption i s t <strong>Scheffel</strong><br />

16<br />

"der geborene Erzähler für engere Kreise" . In diesem engeren<br />

Kreis, dem sich jeder beliebige Leser selbst zuordnen darf, wird<br />

zugleich ein Rezeptionsstandard geprägt, der nicht an soziale<br />

Bedingungen geknüpft i s t . Der Erfolg <strong>Scheffel</strong>s i s t auch dadurch<br />

best<strong>im</strong>mt, daß sich sein Publikum eben nicht ausschließlich nach<br />

soziologischen Stratifikationsmerkmalen, sondern genauso nach<br />

seinem funktionalen Verhalten zur Lektüre richtet. Schon dem<br />

ersten Rezensenten des Lkkeka/id i s t diese quasi sozial unabhängige<br />

Rezeptionsmöglichkeit aufgefallen:<br />

"Das vorliegende Werk dürfte unter anderen Lesern besonders<br />

auch solchen zu empfehlen seyn, die sich den Sommer über in<br />

den schönen Badeorten oder Landhäusern am Bodensee aufzuhalten<br />

pflegen. Diese können manche müßige Stunde auf sehr<br />

angenehme Weise mit der Leetüre eines Buches zubringen, das<br />

<strong>von</strong> der Vergangenheit der herrlichen Landschaft handelt, die<br />

sie <strong>von</strong> Säntis bis Hohentwiel hier täglich vor Augen haben."<br />

(17)<br />

Der Gebrauchszusammenhang, in den der Roman auf diese Weise gerät,bleibt<br />

nicht ohne Rückwirkung auf den Dichter. <strong>Scheffel</strong>s<br />

Verhältnis zur literarischen Kritik i s t gerade <strong>von</strong> dieser Spannung<br />

zwischen hohem Poesieanspruch und unterhaltendem Gebrauchswert<br />

seiner Produkte geprägt. Während <strong>Scheffel</strong> sich einerseits<br />

sarkastisch über die Literaturkritik als einer die Dichterleichen<br />

sezierenden Alten und über die Literaturgeschichte als einem<br />

"Zucht- und Arbeitshaus, das die deutsche Kritik statt eines<br />

Pantheons den Poeten zu erbauen pflegt" (VIII,129) äußert, definiert<br />

er andererseits sein intendiertes Publikum über den Gebrauchswert<br />

seiner Dichtungen. In verschiedenen Vorworten zum<br />

7/iompe.ie./i erläutert <strong>Scheffel</strong> genauer, wie er sich seine idealen<br />

Leser vorstellt. Zur zweiten Auflage (lX,135ff) nennt er<br />

"lust'ge Brüder bei weingoldnen Flaschen"; seinen 7/iompe.te.n.<br />

finde man "in alten Weidmannstaschen" und "bei des Landschaftsmalers<br />

Staffelei". Als weitere erwünschte Leser sind noch die<br />

"Pfarrherrn" und "eine Braut" genannt (IX,135). Die Rezipienten<br />

auch der Trinklieder und des 7/iompe.te./i sollen also mit dem Kreis<br />

identisch sein, aus dem sie hervorgehen. Der Jäger als Wanderer<br />

und der Landschaftsmaler als Künstler verweisen auf geistige


158<br />

Verwandte des Dichters - "unsereinen", wie schon Gustav Freytag<br />

bemerkt hatte. Der vereinzelte Pfarrherr i s t biographisch belegbar<br />

(Pfarrer Schmezer, das geistige Zentrum des £nge./ie.n) ; er<br />

fällt überdies als Leser des harmlosen 7/iompe.te./i funktional mit<br />

der Gruppe der Frauen zusammen. Diese Rezeptionsgruppe der<br />

Frauen t r i t t bei <strong>Scheffel</strong> erst <strong>im</strong> Vorwort zur 100. Auflage 1882<br />

ausführlicher in Erscheinung. Wichtig i s t wohl auch die Reihenfolge<br />

in der Anrede, wenn <strong>Scheffel</strong> seinen Dank ausspricht:<br />

"Nun dank' ich den Frauen und Jungfrauen a l l<br />

Und a l l den guten Gesellen,<br />

Die in der He<strong>im</strong>at jahraus jahrein<br />

Sich neu den Trompeter bestellen;" (IX,228)<br />

In der Hand der Frauen erhalten die <strong>Scheffel</strong>werke eine neue<br />

Qualität. Der wiederholte Kauf zum Verschenken oder Zerlesen<br />

deutet auf Rezeptionsformen hin, für die die Erklärungsversuche<br />

über das Lesepublikum a l l e i n nicht genügen. Der <strong>Scheffel</strong>text als<br />

Ware, als Geschenkartikel, als Bilderbuch oder als Hauszierrat -<br />

der literarische Erfolg scheint oft über Vermittlungswege zu<br />

laufen, denen man mit der reinen Text- und Datenanalyse nicht<br />

auf die Spur kommt (vgl. Kap. VII).<br />

Der Anerkennung durch die literarische Kritik hatte für den<br />

Erstling <strong>Scheffel</strong>s nur eine geringe Resonanz bei der Mehrzahl<br />

der Leser entsprochen. So konnte die Diskrepanz zwischen den<br />

positiven Rezensionen und dem schleppenden Verkauf des 7'/lompete/t<br />

<strong>Scheffel</strong> in Erstaunen versetzen: "Unbegreiflich i s t mir übrigens,<br />

wie bei diesen Zeichen der Anerkennung <strong>von</strong> allen Seiten erst<br />

1 8<br />

$00 Exemplare verkauft sind" . Die Anlaufzeit, die der Anfänger<br />

<strong>Scheffel</strong> benötigt, um sich einen Namen als Dichter zu machen,<br />

i s t vielleicht auch verantwortlich für die mangelnde Beachtung,<br />

die ihm die zeitgenössische Literaturgeschichtsschreibung entgegenbringt<br />

:<br />

"In der Literatur habe ich keine Illusionen mehr. Von einer<br />

Anerkennung kann ich, trotz einiger Symptome <strong>von</strong> Bekanntsein,<br />

noch nicht sprechen. Es i s t mir z.B. dieser Tage ein Werk<br />

<strong>von</strong> /"Robert/ Prutz, die deutsche Literatur <strong>von</strong> 184-8 - 1 860,<br />

zu Händen gekommen, wo viele neuere Schriftsteller, Heyse,<br />

Lingg, sogar J. Grosse, ausführlich besprochen sind. Meiner<br />

i s t dabei nicht mit einer Silbe Erwähnung gethan. Dies würde<br />

mich nicht befremden, da ich den Gegensatz süddeutschen Wesens<br />

zu der nordischen Frostigkeit recht gut kenne; was uns<br />

anzieht, stößt dort ab. Zu einer Kränkung wird die Sache aber<br />

dadurch, daß in einem Anhang alle Titel der 48 - 60 erschie-


159<br />

nenen, der Besprechung nicht für werth erachteten Werke, darunter<br />

auch die meinigen, angeführt sind." (19)<br />

Die literarische Geringschätzung, die mit der mangelnden Anerkennung<br />

auch gemeint i s t , dieser Unterschied zwischen Beachtung<br />

und Bekanntsein beschäftigt <strong>Scheffel</strong> <strong>im</strong>mer wieder. Erneut wird<br />

die Qualitätsfrage seiner Dichtungen aber auch dann an der voraussichtlichen<br />

Reaktion des Publikums festgemacht. So schreibt<br />

<strong>Scheffel</strong> über die wahrscheinliche Aufnahme der Tn.au. Aventiune.<br />

an seine Mutter:<br />

"Was das Buch Aventiure b e t r i f f t , so bin ich jetzt über<br />

dessen Schicksal <strong>im</strong> Klaren. Es wird bei einem kleinen - aus<br />

Künstlern, nicht zünftig beschränkten Gelehrten - und f r e i<br />

in das Leben schauenden Frauen bestehenden Kreise eine freundliche<br />

Beachtung finden, aber sehr langsam und geräuschlos<br />

weiter bekannt werden. Feuilletonkritik, vornehmer Pöbel,<br />

Wirtshauspolitiker u.s.w. werden es links liegen lassen ...<br />

leider auch viele redliche brave Leute, die den s.g. Mittelstand<br />

bilden und sonst gern etwas Schönes lesen. Diese aber<br />

haben vor allem Mittelalterlichen eine Gespensterfurcht und<br />

können sich meinen Standpunct, der die Alten so treu wie<br />

möglich in ihrer eigenen Denk- und Fühlweise zu schildern<br />

versucht, nicht klar machen. Für diese Sorte, die das große<br />

Publikum bildet, und die es als eine Art Beleidigung auffaßt,<br />

wenn man Etwas bringt, das sie nicht vollkommen verstehen,<br />

muß ich einmal Etwas in ganz anderer Tonart verfassen." (20)<br />

<strong>Scheffel</strong>s Anpassung an den Publikumsgeschmack und die Lesererwartung<br />

i s t die autorspezifische Kehrseite eines innigen Identifikationsverhältnisses.<br />

Auch der schließliche Erfolg des Tnompeizn<br />

i s t hauptsächlich einer außerliterarischen Initiative zu<br />

verdanken. So scheint <strong>Scheffel</strong> die weitreichenden sozialen Beziehungen<br />

seiner Familie be<strong>im</strong> Verteilen der Rezensionsexemplare<br />

geschickt ausgenutzt zu haben:<br />

"Dann aber vermittelte seine gesellschaftliche Stellung in<br />

Heidelberg, wo Häusser und Julius Braun und viele andere<br />

seiner persönlichen Freunde beträchtlichen Einfluß besaßen,<br />

seiner heiteren Dichtung den nicht zu unterschätzenden Vort<br />

h e i l , in der Professorengemeinde einer deutschen Universitätsstadt<br />

Aufsehen zu erregen. Die allgemein bestätigte<br />

persönliche Liebenswürdigkeit des jungendlichen <strong>Scheffel</strong> kam<br />

hierbei noch dem Dichter zu Gute." (21)<br />

So kann <strong>Scheffel</strong> auch seinen mit den üblichen Startschwierigkeiten<br />

kämpfenden Roman in ungebrochenem Selbstvertrauen an die<br />

Öffentlichkeit bringen. An seinen Freund und Verleger Adolf<br />

Bonz schreibt er über den £kkehand:


160<br />

"Diese Arbeit wird, wie ich je-tzt, nachdem sie ruhig vor mir<br />

liegt, gleich einem unparteiischen Dritten sagen kann, ein<br />

bedeutendes Aufsehen machen, v i e l angefochten werden (<strong>von</strong> den<br />

Fachmännern, die glauben, daß sie ein Monopol aufs germanistische<br />

Altertum hätten und <strong>von</strong> mannigfachen Philistern) aber<br />

noch mehr verteidigt und jedenfalls wird das Endresultat das<br />

sein, daß es in der Geschichte des deutschen historischen Romans<br />

eine Epoche bezeichnet." (22)<br />

Nachdem sich spätestens bis Mitte der 60er Jahre beide Hauptwerke<br />

<strong>Scheffel</strong>s durchgesetzt hatten, i s t der Verkaufserfolg der<br />

Gaude.amut-Lieder in ganz anderen Bahnen verlaufen. In Studentenund<br />

Stammtischkreisen konnten nach 184-8 die zum richtigen Zeitpunkt<br />

(1868) herausgegebenen Lieder auf eine gefeierte Aufnahme<br />

rechnen. Eine der ersten Besprechungen versteigt sich sogar zu<br />

der Vermutung, der wissenschaftliche Fortschritt des Jahrhunderts<br />

in allen Lebensbereichen spiegle sich exemplarisch in<br />

2 3<br />

<strong>Scheffel</strong>s studentischen Liedern ! <strong>Scheffel</strong> hat diesen populären<br />

Erfolg mit Freude zur Kenntnis genommen, gleichzeitig aber Sorge<br />

empfunden, daß diese Volkstümlichkeit mit der Mißachtung seiner<br />

ernsteren und mit höherem Anspruch gedichteten Werke erkauft<br />

werde. Das belegt eine Episode, die er Anton <strong>von</strong> Werner, dem<br />

Illustrator der Ausgabe, berichtet:<br />

"was wir aber hier Vergnügliches in Wort und Bild geschaffen,<br />

das wird volksthümlich werden; - wie ich neulich zu Basel <strong>im</strong><br />

Bären saß, wurde ich <strong>von</strong> einem jungen Mediziner erkannt und<br />

der Gesellschaft als der Verfasser des Pfahl&aumannt vorges<br />

t e l l t , der jüngst in den Fliegenden Blättern erschienen,<br />

worauf sofort wieder die bekannte Kneiperei losging, ohne<br />

daß nach meinen andern Werken und meinem fortgeschrittenen<br />

Schwabenalter gefragt wurde." (24.)<br />

Gegen diese Saufpoesie und die so handgreiflich gewordene Wirkungsgeschichte<br />

wendet sich Karl Gutzkow auf oberlehrerhafte<br />

Weise, weil er darin eine Schädigung der akademischen Jugend<br />

sieht. Darüber hinaus i s t Gutzkow einer der wenigen Zeitgenossen,<br />

die <strong>Scheffel</strong> grundsätzlich ablehnen:<br />

"Und in der akademischen und, wie die <strong>Scheffel</strong>feier zeigte,<br />

in der polytechnischen Sphäre i s t das 'deutsche Lied' so <strong>im</strong><br />

&nge./in wie <strong>im</strong> b)e.lte./in (sagen wir es offen heraus) geradezu<br />

zum grunzenden Schwein geworden, ob auch Universitäten und<br />

Großherzogthümer ihm huldigen! Die Verbindung hausbackener<br />

Stubengelehrsamkeit mit der Poesie der Flasche kann nur verderblich<br />

auf unsere akademische und Gymnasialjugend wirken."<br />

(25)<br />

Solche <strong>im</strong> Chor der Verehrer und Bewunderer der 70er Jahre


161<br />

übrig gebliebenen echten Kritiker werden, vor allem wenn sie<br />

das Richtige treffen, <strong>von</strong> <strong>Scheffel</strong> auf die neue deutsche Art<br />

abgefertigt, wie er an Anton <strong>von</strong> Werner schreibt:<br />

"Die Kerls behaupten ich sei ein Hofschmeichler und Kriecher<br />

geworden und lügen und verläumden so kräftig, daß ich hie<br />

und da mit einem kräftigen Vorstoß Einen übers Maul haue.<br />

. . . der ganzen Bande aber eine so gründliche Verachtung erweise,<br />

daß sie noch lange fortstänkern werden.<br />

So i s t tüchtiger Leistung Schicksal: mit steigender Anerkennung<br />

bei den Braven auch steigende Anfechtung und Verlästerung<br />

bei der Unfähigkeit und der Bagage." (26)<br />

Bis zu seinem Lebensende wird sich <strong>Scheffel</strong> unverstanden fühlen,<br />

obwohl ihn mittlerweile die Wogen des literarischen und<br />

ökonomischen Bucherfolgs zum deutschen Klassiker erhoben haben.<br />

3. Der erklärbare Erfolg<br />

Die gewaltig steigenden Auflagen der <strong>Scheffel</strong>werke <strong>im</strong> letzten<br />

Viertel des 19. Jahrhunderts sind schon bald mit dem siegreichen<br />

Ende des Krieges <strong>von</strong> 1870/71 und der Reichsgründung in Verbin-<br />

27<br />

dung gebracht worden ; genauere Zusammenhänge konnten aber nur<br />

erahnt werden. Schon Proelß hatte vermutet,<br />

"daß das nach dem großen Krieg gegen Frankreich so bedeutend<br />

gesteigerte Nationalbewußtsein <strong>von</strong> <strong>Scheffel</strong>s Dichtungen wie<br />

<strong>von</strong> denen keines anderen Dichters der Zeit sich angemuthet<br />

fühlte." (28)<br />

Man hat gemeint, nach 1871 hätten sich die verschiedensten<br />

Rezeptionsgruppierungen zu einem nationalen Rezeptionsvolk zu-<br />

29<br />

sammengeschlossen . Eggert hat für <strong>Scheffel</strong>s gestiegene Popularität<br />

dieser Zeit ein neues "Lebensgefühl" verantwortlich<br />

gemacht , das mit einer "Ubergangsphase" des historischen Ro-<br />

31<br />

mans zwischen 1870 und 1875 zusammenfalle .<br />

Jedenfalls i s t <strong>Scheffel</strong> schon zu seinen Lebzeiten ein deutscher<br />

Klassiker geworden, anders als Schiller oder Goethe aber ein<br />

Klassiker des breiten Lesepublikums. Bei <strong>Scheffel</strong>s Tod sollen<br />

der Lkke.ka/id 90, Qaudeamut $0 und der 7/lompete/t etwa 14-0 Auflagen<br />

gehabt haben. Die reinen Auflagenziffern besagen noch<br />

nicht v i e l , schon eher die Tatsache, daß für 1886 eine Gesamtauflage<br />

der Scheffeischen Werke <strong>von</strong> einer halben Million Exem-<br />

32<br />

plaren errechnet worden i s t . Für das Jahr 1902 sind durch


162<br />

die <strong>Scheffel</strong>-Jahrbücher genauere Angaben zur Hand:<br />

"Der 7 /iompete/i <strong>von</strong> Säkkingen hat in der Oktav-Ausgabe die<br />

254.» in der Großoktavausgabe die 4-.» und in der Quartausgabe,<br />

dem Prachtwerk Anton v. Werners, die 3. Auflage erlebt.-<br />

Lkketia/id hat in der Kleinoktavausgabe die 182., in<br />

der zweibändigen Großoktavausgabe die 8. Auflage erreicht.-<br />

Das ewig junge Qaudeamut steht in der Kleinoktavausgabe in<br />

der 64.., in der Großoktavausgabe und in der Quartausgabe in<br />

der 2. Auflage.- Der £unipe./iut hat es auf 8, T/iau Aventiu/ie<br />

auf 18, die Be/igptaImen haben es in der Kleinoktavausgabe<br />

auf 6, in der Quartausgabe auf 4-» Hugideo, der lange in der<br />

zweiten Auflage stecken geblieben war, hat es jetzt auf 9,<br />

die Ualde.intamke.it auf 5 Auflagen gebracht.- Von den Prosawerken<br />

stehen die Reitelilde/i und die Cpitteln in der 2.,<br />

das humorstrotzende Qedenkbuch. in der 3. Auflage, während<br />

die nachgelassenen Tün-f. Dicktungen die 2., die Qedichte aut<br />

dem Nachlaß die 4-.» und der Band Aut He<strong>im</strong>at und T/iemde noch<br />

die 1. Auflage aufweist.- Im Ganzen sind die Werke <strong>Scheffel</strong>s<br />

in nicht weniger als 580 Auflagen und 20 Ausgaben verbreitet."<br />

(33)<br />

Der Öffentlichkeitscharakter dieses Verkaufserfolgs läßt sich<br />

erst recht ermessen, wenn man ein vom Biographen Proelß mitgeteiltes<br />

Kuriosum betrachtet. Im Verlag Adolf Bonz<br />

"steht eine Schnellpresse <strong>von</strong> recht stattlichen D<strong>im</strong>ensionen,<br />

auf welcher <strong>von</strong> der Begründung des Geschäfts bis heute kein<br />

anderer Autor als <strong>Scheffel</strong> gedruckt worden i s t , ohne daß sie<br />

je einen Tag gerastet hätte." (34)<br />

Der Verfasser zieht auch gleich den zutreffenden Schluß vom<br />

Verkaufserfolg zum Dichterruhm <strong>Scheffel</strong>s:<br />

"Welch ungeheure Macht eines Dichtergeistes, welche weite,<br />

breite Wirkung auf das Volksgemüth s t e l l t uns diese Zahl vor<br />

Augen - und wenn Einer mit Engelszungen redete, er könnte<br />

uns den Einfluß <strong>Scheffel</strong>s und die Liebe seiner Nation für<br />

seine Werke nicht gewaltiger verkünden, als diese trockene<br />

Ziffer!" (35)<br />

Im Jahrbuch des <strong>Scheffel</strong>bundes <strong>von</strong> 1903 i s t eine andere, nicht<br />

weniger erstaunliche Relation errechnet worden. Die bisher verkauften<br />

Exemplare werden auf die Bevölkerung Deutschlands umgelegt,<br />

was dann bedeuten würde: "auf je 100 Köpfe kam ein Band<br />

<strong>Scheffel</strong>" 3 6 !<br />

Diese offensichtliche Volkstümlichkeit <strong>Scheffel</strong>s schlägt sich<br />

in scheinbar ganz abwegigen Rezeptionsmöglichkeiten nieder, <strong>von</strong><br />

denen eine stellvertretend vorgestellt werden s o l l , weil sie<br />

symptomatischen Charakter hat. In seinem 1898 in München erschienenen<br />

Buch


163<br />

"Der Angelsport. Das Wissenswerteste aus demselben nebst Anleitungen<br />

zum Gebrauch der Angelgeräte sowie Beschreibungen<br />

der verschiedensten Angelmethoden besonders der Flugangel,<br />

der Grundangel, der Spinnangel und der Schleppangel<br />

n<strong>im</strong>mt ein gewisser H. Stork senior <strong>Scheffel</strong> als Angler in Beschlag.<br />

Die Bekanntheit des Dichters wird benutzt, um das Interesse<br />

des Käufers für das eigene Buch anzufeuern und die<br />

doch prosaische Tätigkeit des Angelns durch poetischen Aufputz<br />

zu erhöhen. <strong>Scheffel</strong> wird für die Verbreitung des Angelsports<br />

und den Absatz des eigenen Buches eingespannt, aber so, daß der<br />

Dichter <strong>Scheffel</strong> nur noch als beiläufiges Attribut erscheint,<br />

das dem Angler <strong>Scheffel</strong> aufgesetzt wird:<br />

"Wie <strong>im</strong> Herzen des ganzen deutschen Volkes der Dichter, so<br />

wird der liebenswürdige Angler <strong>von</strong> der Seehalde fortleben<br />

auch in der Erinnerung der biederen Bewohner des Schmiechthales,<br />

welches ich nochmals zu sehen hoffe, um am Lieblingsplätzchen<br />

<strong>Scheffel</strong>s, am Mühlenschuss, unter schattigen Bäumen<br />

die Bilder der Vergangenheit an mir vorüberziehen zu<br />

lassen." (37)<br />

Eine andere Schicht der populären Rezeption wären die Parodien,<br />

Travestien und Nachempfindungen der <strong>Scheffel</strong>werke und des spezifischen<br />

<strong>Scheffel</strong>stils, entweder aus kritischer Verspottung<br />

oder aus dem Bedürfnis heraus, sich an den Sog der Beliebtheit<br />

<strong>Scheffel</strong>s anzuheften. Die S che. f feie, i fast als Epochenstil des<br />

späten 19. Jahrhunderts für die aufgewärmte Biedermeieridylle<br />

oder die antiquarische Quellenaufbereitung in Romanform wäre<br />

eine eigene Untersuchung wert, in der sich Mechanismen der<br />

Trivialisierung <strong>von</strong> Sprachformeln und Denkschemata aufzeigen<br />

ließen. Ähnliches g i l t für die zahllosen <strong>Scheffel</strong>standbilder<br />

und -denkmäler, Gedenktafeln und Erinnerungsstätten, die abgeo<br />

o<br />

sehen <strong>von</strong> Breitners Zusammenstellung <strong>von</strong> 1912 noch nicht<br />

systematisch erfaßt sind und einer ikonographischen Betrachtung<br />

wert<br />

wären.<br />

Kann dieser Erfolg <strong>Scheffel</strong>s erklärt werden? Im Unterschied zu<br />

3 9 LO<br />

Vermutungen und Ausflüchten oder eingängigen Spekulationen<br />

s o l l zusammenfassend versucht werden, die erstaunliche Wirkungsgeschichte<br />

<strong>Scheffel</strong>s unter besonderer Berücksichtigung des<br />

ikkehaid zu erhellen. <strong>Scheffel</strong> i s t an der Epochengrenze zwischen<br />

Biedermeier und Realismus auf eine merkwürdige Iiterargeschichtliche<br />

Situation gestoßen, in der seine Texte jeweils gleich.-


164<br />

zeitig unterschiedliche Lesarten anbieten konnten. Nach 184-8<br />

und während der 50er Jahre des 19. Jahrhunderts i s t mit einem<br />

breiten Feld biedermeierlicher Lesererwartung unter der Oberfläche<br />

des realistischen Literaturbetriebs zu rechnen^. Für<br />

diese 'konservative' Leserschicht konnten <strong>Scheffel</strong>s ReiteHitde/i<br />

das Heine-Vorbild nahtlos <strong>im</strong>itieren, seine politischen Gedichte<br />

den Traditionen der Vormärz-Lyrik folgen, der 7/tompete/i sich<br />

der biedermeierlichen Versidylle problemlos einfügen. Speziell<br />

der Ekkeha/id paßt in die seit der Mitte der 50er Jahre stetig<br />

4.2<br />

ansteigende Produktion historischer Romane 4 . Auch die Tatsache,<br />

daß <strong>Scheffel</strong>s erster und einziger Roman gleich in der renommierten<br />

Meidinger-Reihe erscheinen konnte , mag den Bekanntheitsgrad<br />

des Autors gefördert haben.<br />

Wichtiger aber als Erklärung für den Erfolg des Ekkeha/id über<br />

die Jahrzehnte hinweg i s t das Angebot zur mehrfachen, epochenund<br />

schichtenspezifischen Rezeption, das <strong>von</strong> diesem Roman ausgeht.<br />

Dem programmatischen Realismus nach 184-8 konnte der tkkekaid,<br />

nicht nur wegen des realitätssüchtigen Vorworts, als<br />

Musterbeispiel dienen; zugleich erfüllte er die Vorstellungen<br />

der historischen Romane der Scott-Nachfolge, regionale Kultur<br />

und Geschichte als Formen der Wirklichkeit in sich aufzunehmen.<br />

An die Dorfgeschichte, an Berthold Auerbach, Willibald Alexis<br />

und Theodor Fontane wäre hierbei zu erinnern, die für ihr Werk<br />

einen vergleichbaren Zugang zur Wirklichkeitsdarstellung intendiert<br />

haben.<br />

Für die Zeitgenossen nach 1871 konnte der Lkkekaid gerade wegen<br />

seiner Zeitferne als allgemein gültiges Exempel der geschichtlichen<br />

Best<strong>im</strong>mung des Reiches gelesen werden. Hier t r i f f t der<br />

&kkeha/id auf die professoralen Geschichtsromane <strong>von</strong> Georg Ebers,<br />

Felix Dahn u. a., in denen die Geschichtswissenschaft sich gerade<br />

<strong>im</strong> Roman mehr oder weniger repräsentativ zur Schau s t e l l t<br />

(Anmerkungen!). Der Held des Ekkeha/id paßt zudem ins gründerzeitliche<br />

Bild des Individuums mit großen Gesten und pathetischen<br />

Redeformen; Geschichte wird als handgreifliches, personenzentriertes<br />

und raonumentalisiertes Menschheitsdrama (Karl May!)<br />

inszeniert. Der Ubergang zur He<strong>im</strong>atkunst, der sich aus der<br />

regionalgeschichtlichen Thematik des Romans fast <strong>von</strong> selbst anbietet,<br />

kann sich mühelos vollziehen. Mit seinem Kostümrealis-


165<br />

mus steht der Lk.ke.rta/id über die He<strong>im</strong>atkunstbewegung bis weit ins<br />

20. Jahrhundert hinein geradezu programmatisch für einen reaktionären<br />

Literaturbegriff, dessen Wucherungen bis in die Blut-und-<br />

Boden-Ideologie weit vor dem Dritten Reich vordringen 4 4 .<br />

Diese anti-modernistische, gegen die avantgardistische oder nur<br />

nicht-konservative Kunst gerichtete Komponente der Ekkeha/td-<br />

Rezeption i s t zum letztenmal deutlich an der Festschrift zum<br />

100. Geburtstag <strong>Scheffel</strong>s 1926 abzulesen. Die "Huldigung deutscher<br />

Dichter und Schriftsteller", als die sich die Sammlung<br />

<strong>von</strong> Antworten auf die Frage nach dem Schönen <strong>im</strong> Ekkeha/id versteht,<br />

reicht <strong>von</strong> Hermann Bahr, für den der Lkkeka/id einfach<br />

"unsterblich" und "ewige Kunst" i s t 4 ^ bis zu Hugo <strong>von</strong> Hofmannsthal,<br />

der <strong>im</strong> Lkkeka/id "sein Bescheidenes", aber zugleich auch das<br />

"Große der geistigen Zusammenhänge" erkennen w i l l ^ , oder Stefan<br />

Zweig, der darin "Heiterkeit aus klarem Gemüt und gleichzeitig<br />

LI<br />

ganz ernstem deutschen Sinn" abliest 4 . <strong>Scheffel</strong> g i l t sowohl als<br />

zeitlos und klassisch, als auch als der deutscheste Dichter.<br />

Diese v n Widerspruch als einen nur scheinbaren aufzulösen hat sich<br />

Börries <strong>von</strong> Münchhausen in dem eingangs zitierten neuen Jahrbuch<br />

des <strong>Scheffel</strong>bundes vorgenommen. Er versucht, <strong>Scheffel</strong>s<br />

Ewigkeitswert als Dichter durch eine selektive Rezeption des<br />

angeblich Uberdauernden und Erträglichen zu erhärten:<br />

"<strong>Scheffel</strong> lebt in Kopf und Herz der Nachwelt nicht als der<br />

Bierkartenpoet, nicht als der Trompetersänger, nicht als der<br />

Bratenbarde gelehrter Gesellschaften, sondern ausschließlich<br />

als der Dichter des Ekkehard und einer Handvoll ewiger Lieder."<br />

(LS)<br />

Dieser rein poetische Wert, der den Publikumserfolg scheinbar<br />

verschmäht und sich auf die elitäre Isolation individuellen<br />

Kunstgenusses zurückzieht, braucht aber dann doch die populäre<br />

und materielle Basis:<br />

"Und der Mann, der den stärksten Bucherfolg seiner Zeit hatte,<br />

der Mann, der ein Vierteljahrhundert lang der dichterische<br />

Geist Deutschlands war, der Mann war ein Deuttcke/i." (L9)<br />

Der nationale Wert <strong>im</strong> Schlepptau des ökonomischen Erfolgs i s t<br />

spätestens hier vollständig mit kulturkonservativer Bedeutung<br />

aufgeladen.<br />

Im gleichen Jahr wie diese beiden Huldigungsschriften erscheint<br />

eine Prachtausgabe <strong>von</strong> ein paar bedeutungslosen Briefen Schef-


166<br />

fels, bibliophil gedruckt, in rotes Leder gebunden und in l i m i ­<br />

tierter Auflage. Die Intention dieser Ausgabe, die das banalste<br />

Schriftstück durch repräsentative Gestaltung zum Dichterdenkmal<br />

erheben möchte, entspricht der der beiden anderen Schriften:<br />

gegen die zeitgenössische Literatur mit ihren "Modeströmungen,<br />

Schlagwörtern und sonstigen Vorurteilen" wird zu Felde gezogen<br />

und die gute alte Zeit und "eine nah bevorstehende <strong>Scheffel</strong>-<br />

Renaissance" beschworen^. Die <strong>Scheffel</strong>rezeption wird zum aggressiv-konservativen<br />

Vorwand, gegen die Literatur der eigenen<br />

Zeit ein Dichterbild zu setzen, das für sich ein ungetrübtes<br />

Einssein mit der Tradition proklamiert und behauptet, <strong>im</strong> Namen<br />

einer schweigenden Mehrheit zu sprechen: denn das "entspricht<br />

51<br />

heute wiederum einem verlangenden Sehnen weiter Kreise" .<br />

Schon wenige Jahre später wird die institutionalisierte <strong>Scheffel</strong>verehrung<br />

zum "Bewahrer und Erwecker volks- und stammesverbunde-<br />

52<br />

nen Geistes" und der <strong>Scheffel</strong>bund zum Volksbund umgetauft. Im<br />

<strong>Scheffel</strong>bund waren ja schon seit seiner Gründung vor der'Jahrhunderwende<br />

politisch konservativste Literaturtendenzen <strong>im</strong> Sinne<br />

5 3<br />

einer angeblich richtigen <strong>Scheffel</strong>-Nachfolge gepflegt worden .<br />

Jetzt aber wird aus dem volkstümlichen Dichter endgültig ein<br />

völkischer.<br />

Das schlechte Abschneiden <strong>Scheffel</strong>s nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

scheint dem ehemaligen Publikumserfolg in umgekehrter Proportionalität<br />

zu entsprechen. <strong>Scheffel</strong>s Werk g i l t heute als "konsumchic",<br />

als "schön angepaßt und vollkommen ungefährlich"^4.


167<br />

VII. DER ILLUSTRIERTE DICHTER<br />

1. Die i l l u s t r i e r t e Prachtausgabe<br />

Auf welch verschlungenen Pfaden die.Textrezeption vor sich gehen<br />

kann, s o l l eine Analyse der Illustrationen zu den <strong>Scheffel</strong>werken<br />

zeigen. Damit wird zugleich ein Bereich angeschnitten, den die<br />

traditionelle Wirkungsgeschichte <strong>von</strong> geschriebener Literatur mit<br />

ihren Auflageziffern, Rezensionsauswertungen und Verbreitungsstatistiken<br />

nicht erfassen kann. Erst in jüngster Zeit werden<br />

die Beziehungen zwischen literarischem Text, seiner Bebilderung<br />

i<br />

und dieser Wirkung auf den Leser untersucht .<br />

Die hier i s o l i e r t dargebotenen Illustrationen verfälschen f r e i ­<br />

l i c h den Funktionszusammenhang der großformatigen, luxuriösrepräsentativen<br />

Prachtausgabe, in den sie gehören. Die sozialgeschichtlichen<br />

Bedingungen, unter denen die Prachtausgabe um<br />

2<br />

die Mitte des 19. Jahrhunderts entsteht, sind erkannt . Als typische<br />

Erscheinungen der Gründerzeit heben sich diese Prachtausgaben<br />

<strong>von</strong> den schon <strong>im</strong>mer üblichen Literaturillustrationen<br />

durch ihr spezifisches Formenarsenal und ihre besonderen Intentionen<br />

ab. Die "kolossale Entwicklung dieses Zweiges der<br />

Literatur" konnten schon die Zeitgenossen "nicht ohne Staunen<br />

3<br />

betrachten" . Speziell für die zweite Hälfte des Jahrhunderts<br />

kann der literargeschichtliche Zugriff auf Text und Historie<br />

unter der Perspektive der Literaturillustration geradezu grundsätzlich<br />

erfaßt werden 4 .<br />

Die wichtigste Funktion literarischer Prachtausgaben, nämlich<br />

die Erzeugung und Aufrechterhaltung eines sozial gestuften Lesepublikums<br />

<strong>im</strong> <strong>Zeitalter</strong> massenhaft verbreiteter Lesestoffe,<br />

hängt eng zusammen mit den neu entdeckten technischen Möglichkeiten<br />

der Bildreproduktion (Lichtdruck) und der sich gegen-<br />

5<br />

seitig beeinflußenden Realitätsmalerei und Fotografie . Der<br />

optischen Vermittlung auch <strong>von</strong> Literatur stehen mit neuen Medien<br />

und Bildtechniken Kanäle zur Verfügung, die mit der konventionellen<br />

Textanalyse nicht zu verstehen sind. Bis zu solchen Erfindungen<br />

und technischen Innovationen war das Lebende Bild des


168<br />

Literatur in handgreiflich erfaßbare, optische Darstellungsformen<br />

umzusetzen 6 . Auch für die <strong>Scheffel</strong>texte sind solche Lebenden<br />

Bilder überliefert, jetzt aber als Werbeträger für die I l l u s t r a ­<br />

tionen, wie <strong>Scheffel</strong> selber berichtet: "Samstag 6ten war colossale<br />

Reclame für die T/tau Avent Lüne, fünf lebende Szenen, <strong>von</strong><br />

7<br />

Dietz arrangirt, mit allem möglichen Pathos und Goldgrund."<br />

Die über die reine Verbildlichung der Texte hinausgehende gesellige<br />

Funktion der Lebenden Bilder zeigt sich daran, daß die<br />

Tableaux kein vorillustrativer Ersatz für Abbildungen sind,<br />

sondern diese selbst <strong>im</strong> gesellschaftlichen Kreis noch einmal<br />

nachspielen können:<br />

"In Stuttgart war ein Ball der Künstlergesellschaft Bergwerk,<br />

- die ganze Gesellschaft, gegen 200 Personen, waren<br />

Gestalten und Costüme aus dem 7/iompete/i, 6 große Bilder nach<br />

Deinen Compositionen wurden dargestellt, dann der Festzug<br />

<strong>von</strong> Allen, es fehlte Keiner, Fludribus, der Kutscher Anton,<br />

der ganze römische Klerus, Ritterdamen und Hauensteiner ...<br />

auch die Quadrillen waren vom Trompeter in der Mitte mit<br />

Margareta dominirt..." (8)<br />

Lesefunktion, Lesepublikum oder Käuferschichten der Scheffeischen<br />

Prachtausgaben genauer zu best<strong>im</strong>men, bereitet wegen der<br />

Breite der Genrestreuung {Qaude.am.ut für Studenten und Stammtische,<br />

£kkeha/id für historisch Interessierte, 7 /iompete/i für<br />

junge Mädchen usw.) einige Probleme. Die hohen Preise der Prachtausgaben<br />

(für <strong>Scheffel</strong>werke etwa das 25-fache der Normalausgabe)<br />

und die konkurrierenden billigeren Leseausgaben lassen nicht<br />

bloß vermuten, daß "solche Editionen kaum zu Lektürezwecken geo<br />

kauft" wurden . In den nachgehefteten Blättern der i l l u s t r i e r t e n<br />

2-un ipe/iut-Ausgabe <strong>von</strong> 1867 wird ausdrücklich für eine <strong>von</strong> den<br />

Texten abgelöste Verwendung der Illustrationen geworben:<br />

"Diese Bilder eignen sich überdieß wie kaum etwas Anderes<br />

zur Ausschmückung <strong>von</strong> Räumen, welche zur Pflege heiterer<br />

Geselligkeit best<strong>im</strong>mt sind." (10)<br />

Schon ernsthaftere Zeitgenossen haben diese unliterarische Verwendung<br />

<strong>von</strong> Literatur durch "sogenannte gebildete Damen" k r i t i ­<br />

siert, die diese Werke<br />

"nie gelesen haben, die sich aber einbilden, ein solches<br />

Werk zu kennen und geistig zu besitzen, wenn es verziert mit<br />

bunten Bildern als Staubfänger auf ihrem Sofatisch l i e g t . "<br />

(11)


169<br />

Aber nur scheinbar genügt es, wenn durch die prachtvolle Ausstattung<br />

<strong>von</strong> Texten "eine unbezwingliche Lust zum Besitzen er-<br />

12<br />

weckt" wird . Merkwürdigerweise sichert dieser nur materielle<br />

Besitz <strong>von</strong> Dichtung gleichzeitig den Anspruch auf den geistigen.<br />

Mit dem Erwerb der literarischen Prachtausgabe proklamiert der<br />

Käufer, an der Literatur als einer "der allerwichtigsten Factoren<br />

in der Erziehung und Bildung des Kunstgefühles" teilzuha-<br />

1 3<br />

ben . Generell erschließen sich <strong>von</strong> daher gesellschaftliche<br />

Verwendungszusammenhänge <strong>von</strong> Literatur, wenn die Prachtausgaben<br />

manchem als "Bilderbücher für große Kinder" gelten, die man<br />

"auf den Weihnachtstisch unter den Christbaum oder zum Durchblättern<br />

für 'Besuch* in das Salonz<strong>im</strong>mer" legt'' 4 .<br />

Implizit wird auf diese Weise auch über literaturgeschichtliche<br />

Wertungsfragen diskutiert, etwa welche Autoren sich zu i l l u ­<br />

strierten Ausgaben eignen und welche nicht, oder über die Frage<br />

der Stilhöhe, ob sich 'niedere' literarische Gattungen durch<br />

den hohen S t i l einer Illustration ins Repräsentative erheben<br />

lassen. Wie sehr diese Form <strong>von</strong> Buchpräsentation publikumsorientiert<br />

i s t und wie sehr scheinbare Geschmacksfragen politisch<br />

akzentuiert sind, zeigt die Diskussion um die geeignete Schriftform,<br />

wenn es heißt: "Seinen Schiller w i l l das deutsche Volk<br />

auch in deutscher Sprache lesen"'' ^!<br />

Die hier vorgestellten Illustrationen zu den Dichtungen <strong>Scheffel</strong>s<br />

beanspruchen in a l l diesen Aspekten exemplarische Geltung,<br />

weil ihr Produzent eine der repräsentativsten Gestalten der<br />

Epoche genannt werden darf. Anton <strong>von</strong> Werner (1843-1914) ragt<br />

aus der Masse geschäftsmäßiger Buchillustratoren auch insofern<br />

hervor, als seine Karriere bis zum Schlachtenmaler des neuen<br />

Reiches in den Illustrationen zu <strong>Scheffel</strong>s Werken seinen Ausgangspunkt<br />

hat. Werners Selbstdarstellung^ 6<br />

und sein Kunstanspruch<br />

(vgl. sein berühmtes Reichsgründungsgemälde) machen ihn<br />

geradezu zum Paradigma des reichsdeutschen Kunstbetriebs zwischen<br />

1871 und dem Ersten Weltkrieg. Daß Anton <strong>von</strong> Werner als<br />

1 7<br />

einer der Protagonisten der Panoramamalerei g i l t , s t e l l t auch<br />

seine <strong>Scheffel</strong>-Illustrationen in kunstgeschichtliche Zusammenhänge<br />

<strong>von</strong> nationaler Repräsentanz und autoritärer Herrschaftsordnung,<br />

denen hier nicht weiter nachgegangen werden kann, deren<br />

1 8


170<br />

2. Die Illustrationen Anton <strong>von</strong> Werners<br />

2-u.n<br />

ipeius<br />

<strong>Scheffel</strong>s J-un ipe/ius, Geschichte, eines K/ieuzfah/ieis i s t ebenso<br />

wie seine T/iau Avent iu/ie ein Teil des nach Erscheinen des Ekkehard<br />

1855 geplanten und nie vollendeten Wartburgromans. Die zu<br />

umfassende Anlage des Projekts und sein baldiges Verstummen veranlaßten<br />

<strong>Scheffel</strong> dazu, diesen Handlungsteil als selbständige<br />

Erzählung herauszugeben. Seit 1866 arbeitete Anton <strong>von</strong> Werner<br />

1 9<br />

an den Illustrationen zum Junipe/ius . Schon früher hatte Werner<br />

mehr oder weniger planvoll einzelne Gedichte der 7/iau Av&htiuie<br />

i l l u s t r i e r t . Erst durch <strong>Scheffel</strong>s Engagement für eine adäquate<br />

Bebilderung waren Werners Zeichnungen aus ihrer marginalen<br />

Bedeutung zur Gleichrangigkeit mit dem Text aufgewertet<br />

worden:<br />

"Der Erfolg und die Anerkennung wird zwar langsam aber sicher<br />

kommen .. ich empfehle als praktischer Mann dem Herausgeber<br />

dringend .. eine Mappe anfertigen zu lassen, worauf in<br />

passender Ornamentik und Ausstattung eine Frau Aventiure oder<br />

sonst etwas Bezeichnendes .. auch z. B. ein Minnesänger in<br />

der Weise, wie Ihr einstiger Entwurf zum Titelblatt des<br />

Buches - ersichtlich i s t . . . Die Welt kauft doppelt und dreifach,<br />

wenn man ihr Alles handgerecht und mundgerecht macht."<br />

(20)<br />

Die vorliegende Ausgabe in Quartformat <strong>von</strong> 1867 in violettem<br />

Leinen mit gepreßten ReliefOrnamenten und Titel in Goldprägung<br />

i s t das erste gemeinschaftliche Werk <strong>Scheffel</strong>s mit dem damals<br />

noch unbekannten Zeichner und Maler Anton <strong>von</strong> Werner, der damit<br />

zum bekannten <strong>Scheffel</strong>-Illustrator werden sollte. Trotz <strong>Scheffel</strong>s<br />

Kalkulationen mit dem Publikumsgeschmack i s t der Erfolg<br />

des Buches anfangs bescheiden: "Der Juniperus bricht sich, wie<br />

ich <strong>von</strong> vielen Seiten höre, Bahn mit 'Hochachtung', aber wenig<br />

'Verkauf'" 2 1 .<br />

Die gleichrangige Arbeitsgemeinschaft, die <strong>Scheffel</strong> seinem<br />

Illustrator indirekt angeboten hatte, n<strong>im</strong>mt dieser auf; sie<br />

findet <strong>im</strong> Titelblatt der i l l u s t r i e r t e n Ausgabe ihren ersten<br />

Niederschlag: "Juniperus. Geschichte eines Kreuzfahrers erzählt<br />

<strong>von</strong> J. V. <strong>Scheffel</strong>, i l l u s t r . v. A. v. Werner." In den nachgehefteten<br />

Reklameblättern der Oktavausgabe (Stuttgart 1871)


171<br />

werden andere i l l u s t r i e r t e Prachtausgaben und Fotografie-Mappen<br />

<strong>von</strong> Werner zu <strong>Scheffel</strong>s Werken angepriesen als "<strong>von</strong> denselben<br />

Verfassern"!<br />

Das Titelblatt des 2.unipe./ius (Abb. 1) i s t ganzfarbig (alle<br />

anderen Titelbilder Werners höchstens dreifarbig), was mit dem<br />

Kaufpreis (bis 25 Mark und mehr, einfache Oktavausgabe gebunden<br />

1 bis 2 Mark!) und der Repräsentationsfunktion dieser ersten<br />

Ausgabe zusammenhängt. Der T i t e l i s t leicht nach rechts verschoben;<br />

durch die Farbintensität und die ausgearbeitete Konturenzeichnung<br />

(Ornamentstab rechts nur noch schematisch!) liegt<br />

das kompositionelle Schwergewicht links <strong>von</strong> der Mitte. Es i s t<br />

gruppiert um die fast seitenhohe I n i t i a l e J, <strong>von</strong> der aus die<br />

Ornamentik ausgeht: oben in der Kapitalschrift des Titels, darunter<br />

die Rundinitiale des Untertitels, unten durch den Lianenschwung<br />

um das auslaufende J nach rechts, und an der rechten<br />

Seite durch den nur noch angedeuteten Ornamentstab. Dabei wird<br />

die zum Ornament gewordene I n i t i a l e zum Rahmen um Titel und<br />

Verfasser umgeformt. Der eigentliche T i t e l "Juniperus" als Name<br />

und individuelle Kennzeichnung des Helden löst sich zu einem<br />

Teil des Rahmens auf. Mit der neuen I n i t i a l e G wird die "Geschichte<br />

eine.* Kreuzfahrers" zum neuen T i t e l .<br />

Autor und Zeichner werden nicht nur grammatikalisch (Geschichte<br />

... erzählt <strong>von</strong> i l l u s t r . <strong>von</strong>...), sondern auch graphisch<br />

als eingerahmter Teil des Titels zusammengestellt. Die Verlagsbezeichnung<br />

bleibt kennzeichnenderweise außerhalb dieses Rahmens<br />

.<br />

Der bildliche, farbliche und figürliche Schwerpunkt des Blattes<br />

und damit der inhaltliche Bezug auf den Text liegt f r e i l i c h<br />

außerhalb des Rahmens links <strong>von</strong> der I n i t i a l e , allerdings eingebunden<br />

in die Ornamentstruktur des J. Spiegelbildlich zum Titel<br />

umfaßt das ausgeschmückte J durch geschweiften unteren Bogen<br />

und oberen Querstrich, beides in Form <strong>von</strong> Schlangen oder Drachenköpfen,<br />

die halbseitengroße Figur eines Kreuzritters. In<br />

Analogie zu mittelalterlichen, an den Sockel gebundenen Gewändeund<br />

Portalfiguren steht der Ritter mit Rüstung, Schild und<br />

Phantasiewappen mit beiden Beinen fest auf dem unteren Schlangenkopf,<br />

dabei eng ornamental gebunden an die 'Wand' des breiten<br />

J. Durch die Fahne, die eine Lanze i s t , tut sich allerdings


172<br />

noch eine zweite Analogie auf: die heroische Siegerpose der aufgestützten<br />

Lanze und des Fußes auf dem Kopf des Untiers i s t<br />

ikonographisch dem Hl. Georg zugeordnet. Die Bilddarstellung<br />

bestätigt also den Befund der ornamentalen Komposition. Durch<br />

'Unterdrückung' des individuellen Titels und Hervorhebung des<br />

allgemeineren Untertitels, der Geschichte irgendeines Kreuzfahrers,<br />

wird die semantische und ikonographische Beziehung <strong>von</strong><br />

"Kreuzfahrer" und "Kreuzritter" (Kreuz auf dem Gewand!) in der<br />

Georgspose hergestellt. Die Scheffeische Erzählung wird demnach<br />

in zwei Aspekten zurechtgerückt, einmal durch Proklamierung der<br />

Gleichrangigkeit und Gleichwertigkeit <strong>von</strong> Erzähler und Zeichner,<br />

als durch Verwischung der Entstehungschronologie <strong>von</strong> Text und<br />

Bild, zum anderen durch Verschiebung der Erzählintention und<br />

des Erwartungshorizonts des Betrachters: aus der persönlichen<br />

Abenteuergeschichte des in der He<strong>im</strong>at durch unerfüllte Liebe<br />

22<br />

enttäuschten Helden, der quasi zufällig "Kreuzfahrer" wird ,<br />

macht Werner durch die Analogie <strong>von</strong> Georgspose und Untertitel<br />

eine Erzählung aus dem christlichen und militant-religiösen<br />

Mittelalter! Verstärkt wird diese verschobene Bildwirkung durch<br />

die historisierende Ornamentzeichnung, die mittelalterliche<br />

Handschriftenmalerei <strong>im</strong>itiert. Als erstem und als einzigem farbigem<br />

Blatt kommt dem Titelblatt damit eine entscheidende, die<br />

Lesererwartung vorstrukturierende Funktion zu.<br />

Die erste Zeichnung nach diesem Titelblatt (Abb. 2) überrahmt<br />

auf einer halben Seite das Vorwort <strong>Scheffel</strong>s. Das Bild in der<br />

oberen Blatthälfte und der Text in der unteren werden <strong>von</strong> dünnen<br />

Holzstangen eingerahmt, die das Bild halbkreisförmig und den<br />

Rahmen als ganzen rechteckig schließen - ein Motiv, das aus der<br />

romantisierenden, 'altdeutschen' Dürer-Rezeption abgeleitet i s t<br />

und seine Verweisfunktion dadurch offenbart, daß es <strong>im</strong> Rahmen<br />

aller ganzseitigen Bilder leitmotivartig wieder auftaucht. Im<br />

Halbkreisbogen sitzen sich Autor und Illustrator nun leibhaftig<br />

und gleichrangig gegenüber. Beide evozieren die Vorwortsituation,<br />

den ersten textlichen Rahmen der Erzählung. Die gedoppelte<br />

Rahmenstruktur des J.unipe/iu* wird damit noch verschachtelter.<br />

Die Rahmenerzählung wird nochmals in den historisch-wissenschaftlichen<br />

Rahmen <strong>von</strong> <strong>Scheffel</strong>s Vorwort und seinen Anmerkungen<br />

gespannt. Analog dazu arbeitet Anton <strong>von</strong> Werner. Auch bei ihm


173<br />

entspricht dem Rahmen um seine Zeichnung die Erzählsituation,<br />

die mit dem Titelblatt und <strong>Scheffel</strong>s Anmerkungen in eine zweite<br />

Rahmenstruktur eingebettet i s t . Werner treibt diese doppelten<br />

Rahmenformen aber noch weiter, indem er sie ornamental verdoppelt.<br />

Die rahmenden Teile wie Vorwort und Anmerkungen werden in<br />

ihrer bildlichen Darstellung nochmals gerahmt, ebenso alle ganzseitigen<br />

Bilder <strong>im</strong> Text. Gleiches g i l t auch für die Rahmenfunktion<br />

des Titelblattes. Typischerweise fehlt diese Rahmung an der<br />

Stelle, an der die Erzählsituation errichtet wird. Im Gegenteil:<br />

durch den fließenden Übergang <strong>von</strong> Bild in Initiale und Text wird<br />

gerade die <strong>von</strong> <strong>Scheffel</strong> geschaffene Trennung aufgehoben.<br />

Die Bildgestaltung dieses 3-unLpe./iu.4-Vorworts i s t in sich dreischichtig<br />

aufgebaut. Im Vordergrund, an den Schnittpunkten <strong>von</strong><br />

Halbbogensegment und Rechteck, stehen sich die Attribute <strong>von</strong><br />

Dichter und Maler parallel gegenüber. Zwischen ihnen spannt sich<br />

das Spruchband mit der Aufschrift "Vorwort". Die Überschrift<br />

wird dadurch aus dem Text in die Zeichnung hineingezogen, beide<br />

damit enger verknüpft; als geschriebenes und zugleich gezeichnetes<br />

Wort vermittelt es zwischen den Attributen <strong>von</strong> Dichter und<br />

Maler. Ahnliches geschieht durch die Schrifttype, durch die der<br />

gesamte Text als Illustration ausgegeben wird - die Grenzen <strong>von</strong><br />

Bild und Geschriebenem sollen sich in der Anschauung verwischen.<br />

Im Mittelgrund, mit den Beinen in das Spruchband ragend, sitzen<br />

sich Dichter und Maler symmetrisch gegenüber, beide übrigens mit<br />

intendierter Portraitähnlichkeit. Beide werden jedoch in verschiedene<br />

Richtungen s t i l i s i e r t . <strong>Scheffel</strong> i s t als Dichter darges<br />

t e l l t , jedoch nicht dichtend, sondern vorlesend und mit der<br />

Rechten gestikulierend - eine Geste, die in Dichterdenkmälern<br />

auftaucht und die belegt, daß die Prachtausgabe ja ebenfalls als<br />

graphisches Dichterdenkmal gedacht i s t . überhaupt i s t <strong>Scheffel</strong>,<br />

und das st<strong>im</strong>mt mit seiner archivalischen Produktionsweise überein,<br />

den schweinsledernen Folianten zugeordnet. Dieser ' r e a l i s t i ­<br />

schen' und zugleich kostümhaften Darstellung entspricht auch<br />

seine Kleidung (Gelehrtentalar), Körperbau und Brillenform. Anton<br />

<strong>von</strong> Werner hingegen hat sich selber mit idealistischer Tendenz<br />

dargestellt. In Walther-<strong>von</strong>-der-Vogelweide-Haltung s i t z t<br />

er, sinnend auf den Dichter hörend, auf seinen Zeichenblock gestützt.<br />

In Gesichtsausdruck, Haartracht und Kleidung fehlt die


174<br />

realistische Komponente wie bei <strong>Scheffel</strong>; v i e l eher i s t an<br />

klassizistische Schillerbildnisse oder an eine vage romantizistische<br />

'altdeutsche' Kostümierung angeknüpft. Auf dem Zeichenblock<br />

(übrigens h e l l , <strong>Scheffel</strong>s Buch dunkel!) hat Werner signiert.<br />

An dieser Stelle i s t , verstärkt durch die Lichtführung,<br />

die Gleichwertigkeit <strong>von</strong> Dichter und Zeichner des Titelblatts<br />

sogar zugunsten des Malers verschoben, der sicherlich die schönere<br />

Gestalt sein s o l l . Unwillentlich aber bleibt doch das<br />

Ubergewicht <strong>Scheffel</strong>s deutlich. Nicht nur, daß es sich in der<br />

Illustration um ein auf das Sp/iuchband ge.4ch/i ie.ß.e.ne.4 Vortoo/tt<br />

handelt - der abgebildete Maler muß auch dem rezitierenden Dichter<br />

zuerst zuhören, während dieser agiert. Inwieweit die Vorwortsituation<br />

die beiden Verfasser in den Vordergrund rückt und<br />

die eigentliche Handlung in den Hintergrund drängt, zeigen die<br />

dunkel gehaltenen Figuren: alle drei sind nicht nur schlecht beleuchtet<br />

und weniger sorgfältig ausgeführt, sondern auch durch<br />

eine doppelte Schranke in den Hintergrund verwiesen. An ihren<br />

Kappen wird ein Motiv erkennbar, das in den Illustrationen des<br />

öfteren wiederkehrt und also stellvertretend für die zu erzählende<br />

Geschichte steht.<br />

Dominierend und antithetisch bleiben die beiden Hauptgestalten<br />

sich gegenüber, <strong>Scheffel</strong> mit bürgerlicher Kleidung, Gelehrtentalar<br />

und Folianten, dargestellt als historisch-archivalisch<br />

Arbeitender, Dichtung in der Deklamation repräsentierend; Anton<br />

<strong>von</strong> Werner als idealischer und genialischer, dem E i n f a l l frei<br />

nachschaffender Künstler. <strong>Scheffel</strong> i s t dabei realistisch, d. h.<br />

in Kleidung und Attributen 'richtig' dargestellt, denn <strong>im</strong> Vorwort<br />

zur Novelle geht es ihm selbst um die Lösung der "kulturhistorischen<br />

Fragen" (11,9). Werner, <strong>Scheffel</strong>s "kunstgeübter<br />

Freund", hatte dabei nur eine dienende Funktion erhalten:<br />

"diese Gestalten b i l d l i c h zu erfassen und, wie <strong>im</strong> Mittelalter<br />

einer geschriebenen Dichtung ein reicher Miniaturenschmuck<br />

zugekommen wäre" (11,10),<br />

den Erzählvorgang ornamental und dekorativ auszumalen.<br />

Daß endlich eine Gleichrangigkeit beider Produzenten unter Vernachlässigung<br />

des Gegenstandes herauskommt, i s t aber nicht nur<br />

dem persönlichen Geltungsbedürfnis Werners anzulasten. Sie i s t<br />

vielmehr bedingt durch "die <strong>von</strong> ernsten St<strong>im</strong>mungen bewegte


175<br />

Zeit", in der das Vorwort und die Illustrationen 1866 entstanden<br />

sind. So erhält die i l l u s t r a t i v e Gegenüberstellung <strong>von</strong> Wortund<br />

Bildproduzenten als zweier Kunstaspekte ein und derselben<br />

Sache politische Signalfunktion. "Die freundliche Doppelarbeit<br />

des Dichters und des Malers" (Reihenfolge!) überwindet poetisch<br />

und malerisch den deutschen Bruderzwist durch ein <strong>von</strong> beiden<br />

gleichwertig produziertes Kunstwerk als einen Beweis,<br />

"daß ehrliche deutsche Herzen Nichts wissen und Nichts wissen<br />

wollen <strong>von</strong> Haß, Trennung und Bruderzwist und daß hier ein<br />

Mann vom Oberrhein und ein Mann <strong>von</strong> der Oder in guter Kameradschaft<br />

zusammengearbeitet haben an einem Werke deutscher<br />

Kunst." (11,10)<br />

Der Beginn der eigentlichen Novellenhandlung setzt mit einer<br />

traditionellen Erzählsituation ein. Unter einem best<strong>im</strong>mten Vorwand,<br />

man denke an Boccaccios De.came./ione. oder Goethes U.nte./ika£iungen,<br />

treffen sich die deutschen Kreuzritter und erzählen; <strong>im</strong><br />

Augenblick i s t der Held Juniperus an der Reihe. Die I l l u s t r a ­<br />

tion, diagonal über das Blatt reichend und mehr als die Hälfte<br />

der Seite einnehmend, verbildlicht diesen Moment (Abb. 3). Erzähler<br />

und Zuhörer sitzen unter einer dreibogig geöffneten Halle<br />

und werden <strong>von</strong> draußen beleuchtet. Das Licht fällt auf den Erzähler,<br />

die Zuhörer ihm gegenüber sind <strong>im</strong> Schatten gehalten. Auffällig<br />

sind sogleich die Korrespondenzen sowohl zum Titelblatt<br />

als auch zur Vorwort-Illustration. Wie bei dieser s i t z t der<br />

Erzähler links, ebenfalls gestikulierend, aber erzählend, nicht<br />

deklamierend; die Zuhörer wie der Zeichner dort sinnend und<br />

lauschend, einer sogar in ähnlicher Kleidung und mit aufgestütztem<br />

Kopf. Allerdings sind jetzt die Verhältnisse innerhalb der<br />

Erzählung umgekehrt: diesmals erzählt ein idealer Jüngling<br />

(lange Haare), alte und bärtige Gestalten hören ihm zu. Der Erzähler<br />

i s t aus der Mitte nach links verschoben und Bedeutung<br />

signalisierenden Bildzeichen zugeordnet. Auffällig i s t , daß der<br />

Erzähler in zweifacher Relation zu seinen Zuhörern steht. Im<br />

Gegensatz zur Erwartung sitzt er nicht über den Zuhörern; v i e l ­<br />

mehr blicken die Zuhörer, einige stehen sogar, auf den Erzähler<br />

herab. Denn dieser i s t ja als erzähltes und zugleich erzählendes<br />

Ich nicht <strong>im</strong> Besitz der klassischen Erzählerüberschau und dessen<br />

Allwissenheit; so i s t er weder durch die Erzählerhöhe <strong>von</strong> seinen<br />

Zuhörern abgehoben noch durch die gleiche Ebene (Sitzhöhe,


176<br />

Alter, Lichteinfall!) an sie gebunden. Der Leser als Bildbetrachter<br />

blickt f r e i l i c h <strong>von</strong> unten auf den Erzähler und muß dessen<br />

erzählkompetentere, höhere Position anerkennen. Der Erzähler<br />

als Person i s t wiederum eng verschlungen mit der Pflanzenornamentik<br />

der I n i t i a l e unter ihm. Auf den Bogen des J der I n i t i a l e<br />

(vgl. Titelblatt!) setzt er seine Füße; das Wappenschild <strong>im</strong><br />

Pflanzenwerk entspricht dem Fahnenwappen des Kreuzritters auf<br />

dem Titelblatt. Verwoben in die ornamental auslaufenden Akanthusblätter<br />

sind noch ein Rüstungshelm und ein Taubenpaar, letzteres<br />

auf das Liebesmotiv der Handlung hinweisend.<br />

Der Gesamteindruck der Illustration läuft nun aber unserer Beschreibungsrichtung<br />

genau entgegen, bestätigt aber diese neue<br />

Erzähler/Betrachter-Relation. Aus der rein ornamentalen Pflanzenverschlingung<br />

erwächst, auch formal fest integriert, das doppelte<br />

Taubenmotiv als Liebeszeichen. Von diesem ausgehend und sich verbreiternd<br />

auf die doppelte Seitenbreite sind einerseits Schild<br />

und Helm als individuelles Signum des Helden bzw. als Zeichen<br />

des ritterlichen Kampfes (vgl. das trivial-romantische Mittelalterbild:<br />

Minne und Aventiure) eingebunden, andererseits entsteht<br />

daneben aus den gleichen Pflanzengewächs die I n i t i a l e .<br />

Daß diese z/uoächtt, läßt sich deutlich sehen: der rein pflanzliche<br />

Bogen des J f entpflanzlicht 1 sich nach oben <strong>im</strong>mer mehr!<br />

In ganzer Breite entwächst der Ornamentik nun der Erzähler, der<br />

mit den Hüften und Füßen noch <strong>im</strong> Pflanzenwerk steckt und <strong>von</strong><br />

der Initiale eingerahmt wird. Die Zuhörer sind nur noch Aufsatz,<br />

nicht mehr konstituierendes Element der Erzählsituation. Diese<br />

entsteht, so dürfen wir interpretieren, in der Tiefe aus vorbegrifflichen<br />

Anfängen über emblematische Bildzeichen bis zur<br />

eigentlichen Erzählung. Wie weit diese Deutung mit dem Dichtungsverständnis<br />

<strong>Scheffel</strong>s übereinst<strong>im</strong>mt, zeigt ein Blick in das<br />

£/c/ce.ha/id-\lorwort, wo der Erzähler seine Aufgabe <strong>im</strong> "Verdichten"<br />

solcher Gestalten sieht. In seinen Formulierungen steckt ebenf<br />

a l l s diese Bewegung <strong>von</strong> unten nach oben und zu <strong>im</strong>mer größerer<br />

Deutlichkeit: vom Erzähler heißt es da, es "wachsen ihm Gestalten<br />

empor, erst <strong>von</strong> wallendem Nebel umflossen, dann klar und<br />

durchsichtig" (V,9) .<br />

Die übrigen ganzseitigen Bilder der 3-unipe/iut-Ausgabe sind alle<br />

in gleichförmige Rahmen eingefügt (Abb. 4). Dieser rechteckige


177<br />

Rahmen mit Halbbogenausschnitt n<strong>im</strong>mt in der Ornamentierung sowohl<br />

das Initialenmotiv des Titelblattes als auch das Bogen-<br />

Motiv der Vorwort-Illustration wieder auf. Alle ganzseitigen gerahmten<br />

Bilder sind mit einer Titelunterschrift versehen, obwohl<br />

sie sich, wie eine Abdeckprobe ergibt, auch ohne diese Erklärung<br />

auf die Erzählung beziehen lassen. Sieht man <strong>von</strong> einem<br />

lockeren emblematischen pictura-subscriptio^-Bezug ab, so erhalten<br />

diese Untertitel durch Format und herauslösenden Rahmen die<br />

Funktion, die Bilder zu verselbständigen, die Eigenwertigkeit<br />

der Illustration zu betonen und die Zeichnungen vom Text abzulösen.<br />

Das Buch kann also auch, wie ein Versuch beweist, ohne<br />

Kenntnis der Novelle als Bilderbuch gelesen werden! Unter dieser<br />

Perspektive erscheinen nicht die Bilder, sondern der Text als zusätzliche<br />

und unter Umständen überflüssige Beigabe. Nicht umsonst<br />

sind als Illustrationen dramatische, d. h. handlungsreiche<br />

oder heroische Szenen gewählt. Insgesamt sechs dieser "Haupt-<br />

2 3<br />

Charakterbilder" sind übrigens <strong>von</strong> <strong>Scheffel</strong> selber vorgegeben<br />

Allerdings setzt Anton <strong>von</strong> Werner die dramatische Szene in ein<br />

barockes Kompositionsprinzip um (doppelte Diagonale durch das<br />

Boot in Stromrichtung und zwischen den beiden Felsen!), indem<br />

er Dramatik personalisiert. In <strong>Scheffel</strong>s seitenlanger Naturschilderung<br />

(II,45ff) geht Juniperus funktional fast unter;<br />

bei Werner i s t er mit seinem Boot ins Zentrum gerückt: Diethelm,<br />

der ja gleichberechtigt das Gottesurteil mitmacht, i s t fast<br />

nicht zu erkennen (hinter dem rechten Felsen angedeutet!). Der<br />

sich ins Schicksal ergebende Held <strong>Scheffel</strong>s (Arme über der<br />

Brust verschränkt) i s t bei Werner in Erregung aufgelöst, 'manieristisch'<br />

beleuchtet (Kniesicht) und verdreht. Die I l l u s t r a ­<br />

tion folgt also einer eigenen Aussageintention, nicht dem Erzählprinzip<br />

der<br />

Novelle.<br />

Eine eigene Illustration Werners i s t den gelehrten Anmerkungen<br />

des Juni/?e./iu4 vorgesetzt (Abb. 5). Im Lkkeka/id waren solche Anmerkungen<br />

als Fußnoten noch in den Text integriert oder zumindest<br />

darauf bezogen. Im Jan ipz/iuA bilden sie eine getrennte Abteilung,<br />

eine eigene historische Abhandlung, die nur in lockerer<br />

Beziehung zum Text steht. Bestanden die


178<br />

Das Blatt n<strong>im</strong>mt die schon bekannten Bildmotive Werners in ihrer<br />

Verweisungsfunktion wieder auf, so das Rankenwerk und den Rundbogen<br />

<strong>im</strong> Rechteckrahmen. Auch das Spruchband mit der Aufschrift<br />

"Anmerkungen" i s t parallel zu dem des Vorworts gestaltet. Darunter<br />

s i t z t als Zeichen der Weisheit und Gelehrsamkeit eine<br />

Eule auf einem aufgeschlagenen Buch. Ansonsten aber i s t der<br />

Rahmen leer und nur flächig gefüllt, was ein bezeichnendes Licht<br />

auf die Bedeutung dieser Anmerkungen wirft. Eher könnte man<br />

da<strong>von</strong> ausgehen, daß das Rahmenmotiv durch die Leere in sich<br />

Portalfunktion erhält. Auch das Spruchband über dem Tor und die<br />

Eule als Türhüter sprechen dafür; das Raumfüllsel dahinter<br />

deutet Formen des Orientalismus an und erinnert nicht <strong>von</strong> ungefähr<br />

an eine eiserne Tür. Das Anmerkungsblatt wird damit für<br />

den Buchleser zum Portal zur Gelehrsamkeit, wodurch das nur Erfundene<br />

vom wirklich Gefundenen säuberlich getrennt werden.<br />

Gaude.amu.4<br />

<strong>Scheffel</strong>s Gaudeamu*-Gedichte wurden mit dem Untertitel "Lieder<br />

aus dem Engern und Weitern" in Buchform zuerst 1868 veröffentl<br />

i c h t . Zu bedenken i s t jedoch, daß es sich dabei fast ausnahmslos<br />

um Gedichte und Lieder handelt, die seit 184-8 entstanden<br />

und zum Teil in verschiedenen Blättern (anonym als 'Volkslieder'<br />

oder als Kommersgesänge) schon gedruckt waren. Unsere Prachtausgabe,<br />

die zweite, vermehrte Auflage <strong>von</strong> 1877 i s t "Mit 111/V<br />

Holzschnitt-Illustrationen u. Vignetten und einem Titelbild in<br />

Tondruck <strong>von</strong> Anton <strong>von</strong> Werner" ausgestattet, der daran seit<br />

1867 gearbeitet hat . Rotes Leinen i s t in Schwarz und Gold geprägt,<br />

der Titel selbst in Gold auf Schwarz auf rotem Leinendeckel,<br />

der Buchschnitt natürlich in Gold.<br />

Das ganzseitige T i t e l b i l d in drei Farben (schwarz, rot, blau)<br />

ruft die schon vom Hunipe./iu.A bekannten Bildmotive Werners neu<br />

auf (Abb. 6). Ein doppelter Rahmen in Holz<strong>im</strong>itation mit Rundbogenausschnitt<br />

umspannt das Bild einer fröhlichen Kahnpartie<br />

vor dem Heidelberger Schloß. Um den <strong>von</strong> Pflanzen umrankten Rahmen<br />

winden sich Spruchbänder mit T i t e l - und Verfasserangabe.<br />

Beide Bänder sowie der doppelte Rahmen geben dem Bild Tiefe,<br />

indem sie es vom Betrachter distanzieren. So entsteht der Eindruck<br />

nicht eines Bildes, sondern einer Guckkasten-Bühne, also


179<br />

eines freien Raumes hinter dem Rahmen. Diese Tendenz wird noch<br />

verstärkt durch die Schrägstellung des Bootes zu einer Art<br />

Schrankenwirkung, die die Breite des dahinter liegenden Flusses<br />

nochmals vom Hintergrund des Schlosses abgrenzt.<br />

<strong>Scheffel</strong>s eigene Vorstellungen für das Titelblatt waren anders<br />

orientiert<br />

gewesen:<br />

"Ersinnen Sie dazu den Genius der Lieder, als Knaben mit dem<br />

Wunderhorn, oder studentisch frisch, in Heidelberger Landschaft,<br />

mit den passenden Attributen, älteren und jüngeren<br />

Leuten Eins aufspielend ... Die charakteristische erste<br />

Illustration." (25)<br />

Werners Illustration indes erinnert statt der studentischen Romantik<br />

<strong>Scheffel</strong>s in einer Art Synkretismus die Vergangenheit<br />

pauschal. Nach dreißig Jahren werden die Freuden <strong>von</strong> Wein, Weib,<br />

Gesang, Kunst(-Geschichte) und Geselligkeit geballt zurückgerufen.<br />

Daß dabei einiges historisch verschoben wird, i s t bezeichnend<br />

(Anwesenheit singender Damen, girlandengeschmücktes<br />

Boot). Der gesellige Kreis der Revolutionszeit und nach 184-8<br />

wird <strong>von</strong> Anton <strong>von</strong> Werner auf ein idealisiertes <strong>Scheffel</strong>bild<br />

h i n s t i l i s i e r t . Das erhöht sitzende, mit Gitarre ausgestattete<br />

und mit deklamatorischer Geste auf <strong>Scheffel</strong> deutende Mädchen<br />

als dessen Muse hat mit dem Dichter Blickonktakt; <strong>Scheffel</strong><br />

steuert das Ganze zielbewußt. Alle anderen Bootsfahrer sehen nur<br />

begeistert (und <strong>von</strong> hinten) zur Muse auf, mit zwei Ausnahmen:<br />

der Pfeifenraucher vorn hat parallel dazu Blickkontakt mit seinem<br />

Hund, der <strong>im</strong> Hintergrund dunkel gehaltene Mann - übrigens<br />

als einziger mit Hut statt mit Studentenmütze - hält Blickkontakt<br />

mit dem Betrachter, zieht diesen also mit hinein ins Bild<br />

und distanziert ihn zugleich durch sein unbeteiligtes Lächeln.<br />

<strong>Scheffel</strong>, der Steuermann, der die Geschicke lenkt, orientiert<br />

sich bei seiner Fahrt an seiner Muse, nicht an der Örtlichkeit.<br />

Er hält sein Boot direkt auf Heidelberg zu. Durch die Beziehung<br />

<strong>von</strong> Burschenschaftsherrlichkeit und Altheidelberg (Schloß, nicht<br />

Stadt!) s t i l i s i e r t sich das Bild ins Nationale, jedoch Unbürgerliche.<br />

Die unbeschwerten Studenten (Mützen, Pfeife, Weinpokal,<br />

Girlanden) reihen sich um die germanisch blonde Muse vor der<br />

Kulisse des urdeutschen Heidelberg.<br />

Aber Werner inszeniert noch ein Weiteres. Zwischen Bild und<br />

unterem Rahmen spannt er ein Bildband mit dem schemenhaften,


180<br />

aber mehrfach wiederholten Reichsadler. Die Abbildung des volkstümlich<br />

Deutschen wird so <strong>im</strong> Rahmen des Reichsdeutschen gedeutet.<br />

Damit aber verschieben sich in dieser verfälschenden Aktualisierung<br />

die Zeitbezüge. Die frühe f demokratisch'-deutsche<br />

Geselligkeitspoesie des Qaudeamu* wird hineingezogen in die<br />

reichsdeutsch-nationalstaatliche Repräsentationspoesie der 70er<br />

Jahre. Beide Poesie- und Lebensformen verhalten sich so zueinander<br />

wie das anonyme Flugblatt mit Scheffeischen Trinkliedern<br />

zur Prachtausgabe des QaiLde.amu.4.<br />

Die Illustration zum Widmungsgedicht <strong>Scheffel</strong>s für die Sammlung<br />

(Abb. 7) folgt ebenfalls mit geringen Variationen dem<br />

schon bekannten Bildaufbau Werners. Hinter der Mauer mit der<br />

Aufschrift "Widmung", zugleich als Titel des Gedichts gedacht,<br />

s i t z t eine Runde mittlerer und älterer Herren in geselligem,<br />

feuchtfröhlichem Kreis. Das sie umrankende Pflanzenwerk hat<br />

seinen Ursprung links unten - in der Signierung Anton <strong>von</strong> Werners.<br />

In Wernerscher Manier sind dort <strong>von</strong> unten nach oben aufsteigend<br />

zwei Figuren eingebunden; einmal ein trommelnder Narr<br />

und über ihm aufsteigend die Allegorie des Frühlings, ein Knabe,<br />

der auf einem Tablett die Zeichen und Früchte des Frühlings<br />

hinaufreicht - wohl zu Pfarrer Schmezer, der in diesem Kreis<br />

der beste Maiwein-Brauer war und diese Ingredienzien gut gebrauchen<br />

konnte. Von diesem, verbunden durch die jeweils ausgestreckten<br />

Arme und das Weinglas, l e i t e t eine sitzende Figur<br />

zu <strong>Scheffel</strong> über. Diese Anordnungen beschreiben nicht schlecht<br />

die wichtigsten Aspekte der Scheffeischen Trinkpoesie in interpretationsrelevanter<br />

Reihenfolge. Auf Humor (Narr) und Frühlingsbegeisterung<br />

(Knabe) aufbauend vermittelt sich diese Poesie<br />

wenn nicht schon durch den Alkohol, so doch durch den dadurch<br />

erzeugten geselligen Kreis. Die Anordnung zeigt auch ungewollt,<br />

daß diese Art der Dichtung für <strong>Scheffel</strong> eine vermittelte sein<br />

muß (<strong>im</strong> Unterschied zum Erzähler des Jun Lpe/iut) ; sie i s t es<br />

auch historisch in ihrer Epigonalität. <strong>Scheffel</strong>s Figur a l l e i n<br />

t r i t t optisch aus dem geselligen Kreis heraus mit Ausnahme des<br />

Pfarrers, der aber durch die Bowle nach unten gebunden bleibt.<br />

<strong>Scheffel</strong> selbst wendet sich als einziger (wie der Unbekannte<br />

des Titelblatts!) durch Blick und Gestik an den Betrachter,<br />

bietet diesem aber die Untersicht an. Eine Handbewegung lädt in


181<br />

den Kreis ein oder s t e l l t ihn doch vor. Dabei s i t z t <strong>Scheffel</strong> auf<br />

der Mauer, wobei ihm einige Blätter aus der Hand auf die Seite<br />

des Betrachters fallen. Diese Uberwindung der optischen Distanzierung<br />

macht inhaltlich eines deutlich: <strong>Scheffel</strong> dichtet nicht<br />

mehr spontan, sondern er z i t i e r t Geschriebenes. Das Alter der<br />

Anwesenden und ihre rundlichen Figuren (vgl. <strong>Scheffel</strong> hier und<br />

auf dem Titelblatt!) dienen als Hinweis, wieweit die gesellige<br />

Situation der Jugendzeit nur noch gewaltsam geweckt, durch Aufgeschriebenes<br />

erinnert und durch Alkohol angestachelt werden<br />

muß. Aus der Studentenkneiperei i s t ein Altherrenstammtisch,<br />

aus der <strong>Scheffel</strong>muse, dem genial loci des Titelblattes, i s t als<br />

Inspiration die Waldmeisterbowle geworden!<br />

<strong>Scheffel</strong> hatte die Schwierigkeit, seine planlos zusammengekommenen<br />

studentischen Gelegenheitsgedichte systematisch zu ordnen,<br />

durch die Einteilung in fünf Abteilungen gelöst. Anton <strong>von</strong> Werner<br />

folgt dieser Einteilung, die an Systematische' Gliederungen<br />

zeitgenössischer Gedichtanthologien erinnert, mit seinen<br />

Vorsatzblättern für jede dieser Abteilungen. "Naturgeschichtl<br />

i c h " rankt Pflanzen und Fabeltiere als Schemen um die T i t e l ­<br />

schrift. In "Culturgeschichtlich" (Abb. 8) sammelt Werner die<br />

Bildungs- und Bildwerte der archäologischen 'Kulturgeschichte'.<br />

Ägyptische, assyrische und griechische Motivanklänge werden<br />

ornamental locker gebunden. Der malerische Eindruck, das St<strong>im</strong>mige<br />

der Motivformen täuschen jedoch über die Heterogenität der<br />

Einzelelemente nicht hinweg. Die Aussage der Blattes entspricht<br />

so in ihrer Allgemeinheit und Unverbindlichkeit genau dem Bildt<br />

i t e l .<br />

Freier und origineller arbeitet Werner bei den übrigen Abteilungen.<br />

Den Rodensteiner (Abb. 9) läßt er auf seinem Pferd<br />

lachend durch einen umrankten Reifen, der zugleich Rahmen i s t ,<br />

springen; das cholerische Temperament des Rodensteiners sprengt<br />

jeden Rahmen. Der T i t e l , gleichsam als Bauchbinde, umschließt<br />

als Spruchband den Kreis. Wieweit die reine Ornamentalisierung<br />

<strong>von</strong> Formen und Motiven allerdings führen kann, zeigt der darunter<br />

aufgehängte Davidstern mit Korkenzieher! Er wird funktionslos,<br />

rein ornamental gebraucht, nämlich als Pendant zur geschwungenen<br />

Peitschenschnur oben. Die vage 'altdeutsche' Verkleidung<br />

macht die Illustrierung endgültig zur angewandten


182<br />

Kostümkunde<br />

Werners.<br />

Die Illustrationen zu den naturwissenschaftlichen Gedichten sind<br />

als breit ausgeführte Initialen angelegt, die in einzelne B i l ­<br />

der auswuchern. Die Illustration zum Gedicht "Der Ichthyosaurus"<br />

(IV,10; Abb. 10) bildet auf den einzelnen Ästen eines<br />

Phantasiebaumes der Urzeit die Szenen ab, die in den Strophen<br />

jeweils beschrieben werden: etwa die beiden betrunkenen Saurier<br />

oder ganz unten ihre sich küssenden Artgenossen. Größer und nach<br />

rechts gerückt erscheint der Held des Gedichts, der sich über<br />

den Zeitverfall beklagende Ichthyosaurus. Die harmlos-komische<br />

Szenenreihung folgt der Scheffeischen Strophenfolge in genau<br />

stufigem<br />

Bildaufbau.<br />

<strong>Scheffel</strong>s Gedicht "Die Teutoburger Schlacht" <strong>von</strong> 1848 (IV,29)<br />

schildert den Kampf der Römer und Germanen als Raufhändel trunksüchtiger<br />

und urwüchsiger<br />

Gestalten:<br />

"Als die Waldschlacht war zu Ende,<br />

Rieb Fürst Hermann sich die Hände,<br />

Und um seinen Sieg zu weih'n,<br />

Lud er die Cherusker ein<br />

Zu 'nein großen Frühstück." (IV,31)<br />

Die letzte Strophe jedoch spricht schon 184-8 <strong>von</strong> dem damals<br />

aktuellen Plan, dem angeblichen Nationalhelden Arminius an der<br />

Stelle seines Triumpfes über die Römer ein Denkmal zu errichten.<br />

26<br />

<strong>Scheffel</strong>s Kommentar zu diesem Projekt weist zwar humoristisch,<br />

aber mit kritischem Blick auf die wahren Proportionen der Finanzierung<br />

hin:<br />

"Und zu Ehren der Geschichten<br />

Will ein Denkmal man errichten.<br />

Schon steht das Piedestal,<br />

Doch wer die Statue bezahl',<br />

Weiß nur Gott <strong>im</strong> H<strong>im</strong>mel." (IV,31)<br />

Anton <strong>von</strong> Werner benutzt diesen Denkmalsentwurf für eine der<br />

wenigen ganzseitigen Zeichnungen <strong>im</strong> QaudeamuA (Abb. 11). Das<br />

Denkmal i s t ja inzwischen (1875) fertiggestellt. Hermann in<br />

heroischer Siegerpose, hell vom Licht angestrahlt, wird <strong>von</strong><br />

schwarzen Vögeln (Adler?)umkreist. Hell sticht das Denkmal <strong>von</strong><br />

seiner dunklen Umgebung ab, aus der es hoch herausragt. Dräuende<br />

Wolken am Horizont wagen sich aber nicht bis zum Helden<br />

empor, auch der schwarze Vogel bleibt unter den Füßen des<br />

Standbilds. <strong>Scheffel</strong>s ironische Eingliederung der Gegenwart


183<br />

in einen quasi-historischen Bericht wird fast 30 Jahre später<br />

nicht bloß todernst genommen; er wird als repräsentative Form<br />

der geschichtlichen Deutung akzeptiert, seiner ironischen Distanzierung<br />

entkleidet und in die nationale Monumentalität erhoben<br />

.<br />

Ganz anders sind die Zeichnungen zu den fröhlichen Trink- und<br />

Wanderliedern, etwa zu dem berühmten "Wanderlied" (IV,35), aufgebaut<br />

(Abb. 12). Eine Gruppe <strong>von</strong> wandernden Scholaren i s t zur<br />

Einsiedelei gekommen. Derweil der Einsiedler rechts hinten mit<br />

einer Bäuerin schäkert, dringen die Wanderer in den ausschnittweise<br />

zu sehenden Weinkeller ein. Die Einsiedelei, <strong>von</strong> <strong>Scheffel</strong><br />

und Werner ihres religiösen Charakters entkleidet, wird zur<br />

idyllischen Sommerfrische. Der h l . Kilian, laut Wanderlied der<br />

Schirmherr der Winzer(!), hält die I n i t i a l e des Gedichts: Heiliger<br />

und Wein gehen zusammen.<br />

Das "Festlied zur Gründungsfeier der Universität Straßburg" <strong>von</strong><br />

1872 (IX,181) arbeitet mit dem Wortschatz und dem Bedeutungsinventar<br />

des neugegründeten Reiches. Das Gedicht i s t deshalb<br />

besonders interessant, weil seine Entstehung und die I l l u s t r a ­<br />

tion z e i t l i c h zusammenfallen. Die Gründung der deutschen Universität<br />

als politischer Akt <strong>im</strong> neueroberten Elsaß i s t für<br />

<strong>Scheffel</strong> der Anlaß zu einer heiteren Allegorese. Straßburg erscheint<br />

als Studentin, als "Der Hochschulen jungjüngste Schwester",<br />

die^ noch <strong>im</strong> ersten Semester steht. Nur knapp werden in<br />

der zweiten Strophe berühmte Straßburger als berühmte Deutsche<br />

erwähnt; schon bald geht <strong>Scheffel</strong> zum Elsässer Wein über, um<br />

be<strong>im</strong> Anstoßen und Trinken ausführlicher zu verweilen. Für ihn<br />

i s t die Gründungsfeier nur der Anlaß, einen Toast auszubringen.<br />

Aus Straßburg i s t "Neustraßburg" (IX,182) geworden, die Spuren<br />

nichtdeutscher Vergangenheit werden einfach weggetrunken:<br />

"Was sonst noch zu Argentoratum<br />

Einst Römer - und andre gemacht,<br />

Dem sei als entschwundenem Fatum<br />

Ein sühnend Glas Lethe gebracht!" (IX,181)<br />

Anton <strong>von</strong> Werner konstruiert anders (Abb. 13). Zwar verwendet<br />

er die <strong>im</strong> Gedicht genannten Figuren, erreicht aber a l l e i n durch<br />

die Anordnung einen anderen Eindruck. Zwei Personengruppen sind<br />

durch die Silhouette des Straßburger Münsters <strong>im</strong> Hintergrund<br />

und durch eine Lücke <strong>im</strong> Vordergrund getrennt, so daß beide zu-


184<br />

einander ausgerichtet sind. Links s i t z t Vater Rhein, auf einem<br />

Weinfaß lehnend und den anstürmenden Studenten und dem Münster<br />

mit dem Weinpokal zuprostend; neben ihm Erwin <strong>von</strong> Steinbach,<br />

auf den Grundriß seines Münsters gestützt und mit der anderen<br />

Hand auf dieses zeigend; schräg hinter ihm Gutenberg, mit der<br />

einen Hand auf seine Druckerpresse gestützt, mit der anderen<br />

<strong>im</strong> Bart sinnend auf die Studenten schauend; dahinter und darüber<br />

schließlich Tristan (stellvertretend für Gottfried <strong>von</strong> Straßburg)<br />

in weitem, gebauschtem Mantel, den Arm deutend auf die<br />

Studenten hin ausgestreckt. Von rechts stürmen unterdessen Studenten<br />

mit gezogenem Degen, altdeutschem Trinkhorn und der<br />

Reichsfahne begeistert auf diese Figuren zu. Wie hier studentisches<br />

und zugleich bürgerliches Bildungsgut mit der neuen<br />

Reichsidee verwoben sind, i s t deutlich. Reichsfahne mit Adler,<br />

der Reichsadler auf dem Wappen links unter der I n i t i a l e , die<br />

gezogenen<br />

Degen und der Hurra-Patriotismus der Herbeistürmenden<br />

signalisieren die aggressiv-nationale Tendenz. Zugleich aber<br />

wird der Umgang mit den abgebildeten Bildungsgütern, die mit<br />

dem Universitätsgedanken verbunden sind, augenfällig. In <strong>Scheffel</strong>s<br />

Gedicht kommen sie als sinnlos-stoffhubernde historische<br />

Details vor ('Geschichte' Straßburgs!). In Werners Illustration<br />

liegen Bücher und Schriften wirr durcheinander am Boden, eins<br />

da<strong>von</strong> i s t stellvertretend gekennzeichnet als SImpHzLAA<strong>im</strong>ut,<br />

wohl ein Hinweis auf die Deutschheit Gr<strong>im</strong>melshausens. Das B i l ­<br />

dungsgut liegt unbeachtet da, wichtiger i s t den Studenten das<br />

Trinkhorn und der Ritt auf dem Weinfaß oder das Schwenken des<br />

Reichsadlers. Der Student rechts mit B r i l l e , in Portaitähnlichkeit<br />

mit dem jungen <strong>Scheffel</strong>, reitet auf einem Krokodil, das<br />

vermutlich sinnbildlich für den Münchner Dichterkreis Da* K/io-<br />

27<br />

kodil steht , und ein bezeichnendes Licht auf den literarischen<br />

Geschmack der abgebildeten Studenten wirft.<br />

Eine andere Einstellung zeigt die Illustration Werners zum<br />

Festlied auf Hebels 100. Geburtstag (IV,101; Abb. U). Hier<br />

hängt sich <strong>Scheffel</strong> an den Ruhm seines Vorbilds an, indem er<br />

ihn bedichtet. <strong>Scheffel</strong> berichtet in alemannischer Mundart <strong>von</strong><br />

einem Besuch <strong>im</strong> H<strong>im</strong>mel, wo ihn Hebel beauftragt habe, seine Anhänger<br />

auf Erden zu grüßen. Dadurch s t i l i s i e r t sich <strong>Scheffel</strong><br />

zum Stellvertreter und Wortführer Hebels auf Erden. Werners<br />

Schlußillustration zu diesem Gedicht und zum ganzen Qaade.ama/>(\)


185<br />

hatte <strong>Scheffel</strong> selber vorgeschlagen:<br />

"der Hebel i s t notwendig, wegen der großen, sonst leerstehenden<br />

Textmasse, - wie Sie das Motiv fassen wollen, i s t<br />

natürlich Sache des malerischen Gefühls und wenn Ihnen die<br />

Luftfahrt des Mannes in der Joppe/*=<strong>Scheffel</strong>\J mit 2 Engeln<br />

behagt, so könnte dies als Schlußsituation Gedicht und Buch<br />

komisch abschließen" (28).<br />

Gemeint i s t die Szene, in der die Engel <strong>Scheffel</strong> auf die Erde<br />

zurückbringen:<br />

"Gli druf hen d f Engel mi am Chrage gno,<br />

Und chlip und chlap! se bini wo 'ni g'si b i . " (IV,109)<br />

Wie sieht es aber bei Werner aus? Zum Hochruf auf Hebel zeichnet<br />

er gerade umgekehrt, wie die Engel an <strong>Scheffel</strong> ziehen und<br />

zerren, als wollten sie ihn in die Höhe heben. Ein ungewollter<br />

Lapsus? Denn es sieht doch so aus, als handle es sich hier,<br />

humoristisch und stellvertretend natürlich, um die H<strong>im</strong>melfahrt<br />

des Dichters <strong>Scheffel</strong> noch zu Lebzeiten.<br />

Den 7 nompeten <strong>von</strong> Säkkingen<br />

Die i l l u s t r i e r t e Prachtausgabe des 7 nompeten i s t anscheinend<br />

zur rechten Zeit auf den Markt gebracht worden. Werner arbeitete<br />

seit 1873 an den Zeichnungen der erstmals 1853 erschienenen<br />

Dichtung, und <strong>Scheffel</strong> forderte schon Ostern 1869: "Es i s t<br />

Zeit, daß die i l l u s t r i r t e Ausgabe kommt, da schon die 9. gewöhn-<br />

29<br />

liehe ausgegeben wird" . Kurz nach dem Weihnachtsgeschäft kann<br />

<strong>Scheffel</strong> Werner dann 1874 melden: "Der i l l u s t r i r t e Trompeter<br />

30<br />

i s t überall ein gern gesehenes Prachtgeschenk" .<br />

Die zweite Auflage der Quartausgabe <strong>von</strong> 1879 i s t in rotes Preßleinen<br />

gebunden, mit goldenen Ornamenten verziert und natürlich<br />

mit Goldschnitt versehen. Kleinere Bilder und Vignetten sind <strong>im</strong><br />

Text mit Rahmenornamenten verziert, die seitengroßen Bilder<br />

sind jeweils mit einem Schutzblatt ausgestattet. Dieser Kunstanspruch<br />

dokumentiert sich auch darin, daß sich die Kleinbilder<br />

und<br />

Vignetten als Federzeichnungen, die Großbilder als separate<br />

graphische Kunstleistungen mit dem Anspruch <strong>von</strong> Radierungen<br />

präsentieren. Auch darin liegt eine Wertung, welche Szenen<br />

einer solchen großflächigen und 1 künstlerischen' Illustration<br />

für würdig gefunden werden.<br />

Das zweifarbige Titelblatt in rot und schwarz (Abb. 15) hat


186<br />

Portalfunktion. Es läßt keinen freien Zugang zur Geschichte,<br />

sondern behindert ihn, indem es ihn interpretiert. Nur mit diesem<br />

Beiwerk i s t der rechte Weg zum rechten Verständnis des<br />

Textes zu erlangen. Das Bild Säckingens, des Ortes der Handlung,<br />

seine Landschaft und Umgebung sind nur durch diesen Rahmen,<br />

nur durch seine Interpretation, teilweise sogar verdeckt,<br />

auf jeden F a l l weit <strong>im</strong> Hintergrund und ziemlich klein und nur<br />

skizzenhaft zu sehen. Der Hauptgegenstand wird in den Raum zurückgeschoben<br />

und kann nur <strong>von</strong> weitem unverbindlich (Postkarte!)<br />

betrachtet werden. Die Nebensache, das Beiwerk wird zur Hauptsache.<br />

Der Portaldurchgang wird deshalb fast ganz <strong>von</strong> den<br />

Spruchbändern mit der textlichen Information verstellt. Auch<br />

hier wieder waltet Werners Tendenz der ornamentalen Verschiebung<br />

der Schwergewichte. In der Größe der Schrifttypen und <strong>von</strong><br />

seiner Position überragt die Ortsbezeichnung "Säkkingen" die<br />

eigentliche Hauptgestalt des Trompeters. Außerdem hat der I l l u ­<br />

strator Werner durch die ornamentale Verteilung der Schriftzüge<br />

den Dichter in den Hintergrund, zumindest in die Ecke gedrängt<br />

("Ein Sang vom Oberrhein i l l u s t r i r t <strong>von</strong> A.v.Werner"!).<br />

Die an den Spruchbändern befestigten Gegenstände, Jung-Werners<br />

Trompete und die beiden Wappen (<strong>von</strong> Säckingen und vom Freiherrn)<br />

kehren leitmotivisch in vielen Zeichnungen wieder. Sie decken<br />

nicht nur die 'reale 1 Information, die Ansicht Säckingens, möglichst<br />

zu, sondern verweisen auf einen besseren, nämlich symbolisch-ikonographischen<br />

Zugang zum Text. In diesem Sinn i s t<br />

das ornamentalarchitektonische Br<strong>im</strong>borium des Bildes durchaus<br />

als Aussage mit spezifischer Funktion zu werten. Das Portal,<br />

mit ihm sein Inhalt und Gegenstand, gerinnt zur Würdeform, zur<br />

festlichen Inszenierung, deren direkter Zutritt dem Betrachter<br />

vorerst noch - bis zum Umblättern - verbaut i s t . Der Zuschauer<br />

wird Interpret, wenn er sich die Geschichte durch die Betrachtung<br />

des Rahmens deutet. Dazu trägt auch das Katermotiv bei,<br />

das auf den Kater Hiddigeigei als humoristische Figur verweist,<br />

hier aber in klassischer Würdeform gebraucht wird. Es findet<br />

sich wieder in den Statuen auf dem Fries auf den auslaufenden<br />

Blendsäulen, fast unkenntlich auf den Kapitellen dieser Säulen<br />

und dann nochmals als Katzenkopfmedaillon auf den unteren Säulenschäften.<br />

Gleichzeitig s t e l l t Werner damit die Katerepisoden


187<br />

<strong>im</strong> Versepos wie in seiner bildnerischen Darstellung an den Rand<br />

und betrachtet sie als Rahmenfigur der Haupthandlung.<br />

Der Sprenggiebel mit der ornamental ausgefüllten Kartusche s t e l l t<br />

die Würdeformen aus Neorenaissance und -barock als Leerformeln<br />

vor, genau wie das nur schmückende Relieffries und die Kandelaberarchitektur<br />

der Portalpfeiler. In solcher Scheinarchitektur<br />

werden die divergentesten Bauformen unhistorisch, aber 'organisch'<br />

ineinander verschlungen. Bedeutung erhalten sie durch<br />

Montage <strong>von</strong> Zusammenhängen, etwa die Anspielung auf Rokokoformen,<br />

die 'galante' Signale für die Liebesthematik des Versepos<br />

aussenden. Nicht zufällig blickt der Betrachter <strong>von</strong> unten auf<br />

das Portal, aber durch dieses <strong>von</strong> oben auf Säckingen: die harmlose<br />

Geschichte <strong>Scheffel</strong>s läßt sich leicht überschauen, ihre<br />

künstlerische, d. h. symbolische Deutung gelingt erst in der<br />

Umsetzung in säkularisierte Würdeformen. Nicht umsonst dominieren<br />

Bauformen und Architekturmotive solch repräsentativer Provenienz<br />

.<br />

Als Würdeform um die harmlose Erzählhandlung des 7/iompe.£e./i fungieren<br />

auch die übrigen Großbilder der Prachtausgabe. Das erste<br />

Bild zeigt Jung-Werner <strong>im</strong> verschneiten Wald auf seiner Trompete<br />

blasend (Abb. 16), scheinbar nur mit sich selbst und seiner<br />

Kunst beschäftigt, so wie er ja auch die Mitte des Blattes einn<strong>im</strong>mt.<br />

Der aus dem Hintergrund herantretende Pfarrherr führt<br />

mit seiner Person den erzählerischen Faden der Geschichte fort.<br />

Er weist auf die folgende Episode hin und verknüpft so Bild und<br />

Geschehen strukturell nach vorn. Hier wie in allen Freiluft-<br />

Bildern scheint die ornamentale Rahmenstruktur aufgegeben, doch<br />

i s t sie nachgeholt <strong>im</strong> Naturarrangement und gleichsam unmerklich<br />

dem Bild unterschoben. Werner steht nämlich dergestalt zwischen<br />

den Bäumen, daß der Raum um ihn herum frei i s t , rechts und links<br />

die Stämme ihn rahmen und die Baumkronen sich über ihm wölben.<br />

Das Naturportal übern<strong>im</strong>mt hier die Funktion des Architekturportals.<br />

Auch jetzt i s t die technisch geschickte Tiefenwirkung<br />

des Bildes zu beachten. Sowohl die Kronen der Bäume und die in<br />

den Hintergrund gestaffelten Stämme verweisen wie auch der den<br />

Fortgang der Geschichte best<strong>im</strong>mende Pfarrherr auf Tiefen des nur<br />

scheinbar vordergründigen Geschehens. Mag das Versepos auch<br />

flach sein, durch Werners Illustrationen wird es künstlerisch


188<br />

und erzählerisch vertieft.<br />

Das nächste Bild, Jung-Werner be<strong>im</strong> Pfarrherrn (Abb. 17), i s t <strong>im</strong><br />

Aufbau dem vorhergehenden sehr ähnlich. Die InterieurZeichnung<br />

löst die Schwierigkeit, eine Erzählsituation innerhalb des erzählten<br />

Geschehens abzubilden. Die dargestellte Szene reduziert<br />

das Bild auf Erzähler und Zuhörer. Interessant i s t , da-ß 'die<br />

Nebenepisoden, etwa die Eskapaden des Katers Hiddigeigei, die<br />

Geschichte des Zwerges Perkeo vor dem Faß oder das Erlebnis mit<br />

dem s t i l l e n Mann in der Erdmännleinhöhle nicht mit Großbildern<br />

bedacht werden. Diese zeichnerische Bewertung entspricht dem<br />

7/iompe.te./i <strong>Scheffel</strong>s, dem die Einschübe und Episoden ja ebenfalls<br />

als Füllsel gelten, vergleichbar dem "Büchlein der Lieder". Sie<br />

sind wichtig für die Erzählstruktur des Epos und als Motivation<br />

für das Verhalten Jung-Werners: seine Reise-, Wander- und Trinklust<br />

durch "Alt Heidelberg du feine" und Perkeo, seine Resignation<br />

und Melancholie durch den s t i l l e n Mann, Erzählerdistanzierung<br />

und -ironie durch den Kater Hiddigeigei. Für den Verlauf<br />

der Liebesgeschichte als Bildergeschichte haben sie keinen<br />

Funktionswert. Insofern hat das an sich inhaltsleere Bild be<strong>im</strong><br />

Pfarrherrn strukturelle Funktion zur Verknüpfung dieser nebensächlichen<br />

Episoden; gleichzeitig verweist es wie das vorige<br />

Bild schon weiter auf die nächste Illustration: das Mädchen<br />

links <strong>im</strong> Hintergrund i s t Signal wie der Pfarrherr <strong>im</strong> ersten<br />

Bild.<br />

Es erstaunt nicht, wenn das nächste Bild, das erste Zusammentreffen<br />

Jung-Werners mit Margareta (Abb. 18), die beiden Protagonisten<br />

wiederum einrahmt. Nicht <strong>von</strong> ungefähr bilden die Gebäude<br />

rechts und links sowie <strong>im</strong> Hintergrund (darüber!) eine Art<br />

architektonischen Rahmen, der sich um einen menschlichen fügt;<br />

beide Figuren sind <strong>von</strong> anderen eingerahmt, der Platz des Baldachins<br />

hinter und zwischen ihnen i s t nicht zufällig. Auch hier<br />

fällt wieder die Verweisfunktion des Bildes auf, die Möglichkeit,<br />

erzählerische Kontinuität in die Reihung <strong>von</strong> Szenen durch<br />

Vorausweisungen in das Bild einzubringen (Festzug). Der Umzug<br />

erhält so verbindende Funktion zwischen den beiden statischen<br />

Bildern vorher und nachher, die sich auch kompositionell entsprechen<br />

(Anordnung der Figuren, Lichteinfall): hier erzählt<br />

der Freiherr <strong>im</strong> Lehnstuhl und Margareta hört zu, dort erzählt


189<br />

Werner, der Pfarrherr <strong>im</strong> Lehnstuhl hört zu (Armhaltung der beiden<br />

<strong>im</strong> Lehnstuhl!).<br />

Das folgende Bild, die Vorstellung Werners be<strong>im</strong> Freiherrn, i s t<br />

gleichsam die Zusammenziehung der beiden vorigen Bilder in ikonographischer<br />

Hinsicht (Abb. 19). Dabei i s t ausgelassen, d. h.<br />

nur in Kleinzeichnungen und Vignetten eingegangen, daß Werner<br />

durch sein nächtliches Trompetenkunststück vor dem Schloß für<br />

Aufmerksamkeit gesorgt hat. Diese romantische St<strong>im</strong>mung i s t nun<br />

nicht, wie es ein Leichtes gewesen wäre, großformatig ausgeschlachtet;<br />

<strong>im</strong> Gegenteil i s t bewußt auf romantische St<strong>im</strong>mung<br />

verzichtet worden - ja wo sie auftaucht, wird sie zugunsten der<br />

würdevollen Liebesgeschichte unterdrückt. Bei diesem Bild i s t<br />

die Konstellation der beiden vorigen modifiziert wieder aufgenommen.<br />

Werner und Margareta stehen sich gegenüber, diesmal aber<br />

in.Beziehung aufeinander (Blickkontakt, Weinanbieten). Gleiches<br />

g i l t für den Freiherrn und seine Tochter (diese diesmal stehend,<br />

helle Beleuchtung). Auch hier i s t die Rahmenfunktion wieder<br />

deutlich erkennbar: Werner a l l e i n i s t eingerahmt vom Kamin, über<br />

dessen Rahmung er aber mit Kopf und Arm hinauswächst; um alle<br />

drei Figuren i s t ein weiterer Rahmen gespannt. Er reicht <strong>von</strong> der<br />

linken Kaminsäule und dem davor stehenden kandelaberartigen<br />

Ständer zur Pfeilerarchitektur am Möbel rechts hinter dem Freiherrn;<br />

überwölbt wird dies nicht nur durch die Decke, sondern<br />

zusätzlich durch das herabhängende Hirschgeweih (das keine andere<br />

Funktion hat: kein Leuchter, da Kerzen fehlen!)<br />

Das vorausdeutende Motiv i s t auch hier schnell gefunden. Es i s t<br />

das Weinglas, das Margareta anbietet bzw. das der Freiherr in<br />

der Hand hält. Auch <strong>im</strong> folgenden Bild, der Aufführung des Mailieds<br />

(Abb. 20), hält der Freiherr ein Weinglas in der Hand,<br />

während Margareta der Klosterschwester gerade eines anbietet.<br />

Die hier beschriebene Frühlings Situation i s t nach zwei Seiten<br />

hin beziehungsreich. Zum einen holt sie das Anfangsbild, Werners<br />

Trompetenspiel <strong>im</strong> verschneiten Wald, herein und korrigiert<br />

es <strong>im</strong> Sinne der fortgegangenen Handlung. Zum anderen verweist<br />

sie kompositionell und inhaltlich auf die folgende Illustration,<br />

die Aufführung des Festkonzerts (Abb. 21). Beide Bilder beschreiben<br />

eine festliche Situation, beide die Artikulierung <strong>von</strong><br />

Kunst, hier in freier Natur, in ungezwungener Haltung und zwangloser,<br />

auch ständisch freier Umgebung (vgl. anwesende Personen!);


190<br />

dort das feierlich-steife höfische Festkonzert in festlichem<br />

Rahmen (Pavillon) mit geladenen, sozial gefilterten Gästen; hier<br />

zwei Aufführende und viele Zuhörer, dort viele Aufführende und<br />

wenige Zuhörer.<br />

Beide Bilder lassen zugleich auch die Kunstauffassung Werners<br />

und <strong>Scheffel</strong>s durchscheinen. In beiden Bildern i s t der eigentliche<br />

Held, Jung-Werner, der wahre Künstler, in den Hintergrund<br />

gedrängt. In beiden Fällen drängen sich, humoristisch betrachtet<br />

und satirisch gezeichnet, Wichtigtuer und lächerliche Dilettanten<br />

vor: einmal der Lehrer, der sein Mailied in Heldentenorpose vorträgt,<br />

während Werner sich bescheiden <strong>im</strong> Hintergrund (=am rechten<br />

Rand) hält; zum zweiten der geniale Monumentalkünstler Fludribus,<br />

der sich komischerweise an den Pauken produziert. Dennoch<br />

dirigiert der richtige Künstler, Jung-Werner, in beiden Fällen.<br />

Zusätzlich sind beide Wichtigtuer in ironisch gemeinte Rahmen<br />

gefaßt: der sich produzierende Lehrer auf dem Steinsockel (Denkmal!)<br />

zwischen dünnen Stämmchen, Fludribus umrahmt <strong>von</strong> der k l e i ­<br />

nen Kaminarchtektur des Pavillons unter dem Wappen des Freiherrn<br />

(vgl. Kamin um Werner <strong>im</strong> vorigen Bild). Diese Rahmenformen als<br />

Xürdeformen wollen zu solchen Inhalten nicht recht passen. Dadurch<br />

interpretieren sie sich selbst und die dahinter stehende<br />

Kunstauffassung, wobei nur die zweite der Intention <strong>Scheffel</strong>s<br />

entspricht: die Mailied-Aufführung i s t bei <strong>Scheffel</strong> durchaus unkomisch<br />

gemeint.<br />

Bei Fludribus, der ja auch noch der eklektische Maler der a l l e ­<br />

gorischen Fresken des Pavillons i s t , setzt die Kritik Anton <strong>von</strong><br />

Werners als Maler an. Er verurteilt den Totalitätsanspruch des<br />

Künstlers Fludribus, der sein Malzeug zum Konzert mitgebracht<br />

hat. Seine sinnleere, aber pompöse Musik (Pauke) wirft ein bezeichnendes<br />

Licht auf seine heroisch-antikisierenden Fresken.<br />

Beides relativiert sich gegenseitig. Demgegenüber steht der bescheidene,<br />

ohne repräsentative Ansprüche auftretende Jung-Werner,<br />

der wahre Künstler, dessen Leistung für sich selber spricht und<br />

der doch die Fäden in der Hand hat (als Komponist und Dirigent<br />

beider Konzerte). Beide Wichtigtuer sind nur Dilettanten, denen<br />

es nicht um die Kunst, sondern um SelbstdarStellung geht. Dabei<br />

integriert sich der Lehrer, weil er seinen Beitrag als eingebundene<br />

Gesellschaftsunterhaltung versteht und ja auch nicht mehr


191<br />

w i l l als die Anerkennung dieser Gruppe. Fludribus setzt sich absolut<br />

durch den Verlust <strong>von</strong> Gesellschaft und durch den Totalitätsanspruch<br />

seiner Kunst und seiner selbst als Künstler.<br />

Das Trompetenmotiv in beiden Bildern gibt auch den Anknüpfungspunkt<br />

zur folgenden Abbildung (Abb. 22). Sie s t e l l t eine Szene<br />

dar, in der Jung-Werner Margareta mit seiner in der Laube l i e ­<br />

gengelassenen Trompete überrascht. Auffällig a l l e i n schon <strong>von</strong><br />

ihrer Größe i s t hier die Rahmenarchitektur. Die schweren Würdeformen<br />

wie Portalbogen, Kartusche mit Wappen, Sockel und Blendpfeilerarrangement<br />

werden nur durch die niederhängenden Pflanzengirlanden<br />

und die lebhaften Puttenpaare (Liebesmotiv Amor!)<br />

i d y l l i s i e r t und 'erleichtert'. Hier wird die Rahmenform selbst<br />

zum Liebesmotiv. Gleiches g i l t auch für den Kater (<strong>im</strong> Bild<br />

rechts vorn und als Reittier für die Putten vor den Blendpfeilern),<br />

der zusätzlich als Erzählerhinweis die Funktion poetischer,<br />

<strong>im</strong> idyllischen Epos humoristischer Distanz übern<strong>im</strong>mt.<br />

Uber das Katzenmotiv mit seiner doppelten Funktion läßt sich<br />

auch die Portalmotivik genauer best<strong>im</strong>men. Durch das Portal i s t<br />

dem Betrachter ein Blick in die dunkel gehaltene Laube (vgl.<br />

Architektur hell!) gewährt, in der Margereta (hell!) die Mitte<br />

einn<strong>im</strong>mt. Das an sich unbedeutende Trompetenblasen wird erst<br />

wichtig durch das Hinzukommen Werners. Dieser aber steht erst<br />

noch <strong>im</strong> Hintergrund außerhalb der Laube. Der Blick des Betrachters<br />

auf den erstaunten Helden i s t also ein zweifach vermittelter:<br />

einmal durch die Würde voraussetzende und gleichzeitig distanzierende<br />

Portalrahmung, zum anderen durch das Portal des<br />

Laubeneingangs. Das Trompetenblasen wird so zum zentralen Liebessinnbild;<br />

diese Trompete taucht als Vignette zum Kapitelende<br />

nochmals auf, wo sie <strong>von</strong> Englein getragen wird (Putten des Portalrahmens!)<br />

und einen humoristisch-'sakralen' Schlußpunkt<br />

setzt.<br />

Das 10. Stück des 7'/iompete./i, Jung-Werners Besuch be<strong>im</strong> s t i l l e n<br />

Mann in der Erdmännleinhöhle, wird vom Illustrator nicht durch<br />

ein großformatiges Bild gewürdigt. Als Nebenepisode wird es ins<br />

Vignettenhafte und Ornamentale herabgedrückt. Anton <strong>von</strong> Werner<br />

i d y l l i s i e r t die Zwergengestalten ins Kleinformatige, ohne die<br />

pathologischen Parallelen zwischen <strong>Scheffel</strong>, Jung-Werner und dem<br />

s t i l l e n Mann (Rückzugstendenz, Verstummen, Unverständnis der


192<br />

Welt) zu kennzeichnen, wie es der Text tut.<br />

Ausführlich hingegen wird in den beiden nächsten Bildern der Beginn<br />

des Volksaufstandes geschildert, wobei die zeitgeschichtlich-politische<br />

Realität nur dekorativ ins Geschehen einfließt.<br />

Das Bild <strong>von</strong> der Volksverhetzung (Abb. 23) kontrastiert zur<br />

Mailied-Aufführung und verzichtet dabei auf jede politische<br />

Stellungnahme, wie sie naheliegen könnte. Waren dort alle Stände<br />

zu friedlich-idyllischem Zweck zusammengekommen, so zeigt hier<br />

schon der Ausdruck der Gesichter und die Geräte (statt Weingläser<br />

und Musikinstrumenten) die gegenteiligen Absichten an.<br />

Der Anführer steht hervorgehoben auf einem Baumstumpf (vgl.<br />

Lehrer auf Steinsockel!), er deutet mit fast der gleichen Bewegung<br />

wie der Mailiedsänger, allerdings nicht wie dieser ziellos<br />

in die Luft, sondern konkret aufs Schloß.<br />

Auf dem Höhepunkt der äußeren Handlung i s t die Figur des Katers<br />

Hiddigeigei eingeschoben, allerdings nicht als Liebesmotiv,<br />

sondern als Zeichen der Allwissenheit und des episch-poetischen<br />

Überblicks. Aus seiner Höhenstellung warnt der Kater wie die<br />

Gänse des römischen Kapitols die Verteidiger des Schlosses vor<br />

dem Überfall. Die historisch belegte Szene wird damit bewußt<br />

humoristisch gebrochen und verhindert das Abkippen des komischen<br />

Epos in die ernste Erzählung. So i s t die Schlacht ja auch nur<br />

deshalb eingeführt, damit sich Jung-Werner in ihr bewähren kann<br />

und verwundet wird, so daß Margareta wiederum ihn pflegen kann.<br />

Das dazu gehörige Bild zeigt Margareta am Bett des verwundeten<br />

Geliebten (Abb. 24-). Wieder i s t der Zugang für den Betrachter<br />

und für Margareta zweifach vermittelt: einmal durch den diesmal<br />

malerisch gehaltenen Ornamentalrahmen, der nur in der Kartusche<br />

mit Wappen architektonische Formen ann<strong>im</strong>mt, andererseits<br />

durch Werners abgeschlossenes, durch die Vorhänge Portalfunktion<br />

annehmendes Bett. Margareta schiebt den Vorhang zur Seite, ein<br />

Motiv, daß <strong>im</strong> folgenden Bild die Figuren des architektonischen<br />

Rahmens übernehmen. Margareta i s t also gleichsam zu einer zweiten<br />

Rahmenfigur geworden. Zentrum des Bildes und des Betrachterinteresses<br />

i s t Werner, aber nur in Beziehung zu Margareta, seinem<br />

'Rahmen'. Mit der vorigen Illustration i s t das Bild zweifach<br />

verknüpft: einmal in der Umkehrung <strong>von</strong> Rahmen und Bildzentrum<br />

(Margareta mit der Trompete in der Laube!), zum anderen durch


193<br />

den Vorgang des interessierten Schauens, auch hier wieder in<br />

seiner Umkehrung. Dort i s t Margareta in sich versunken, hier i s t<br />

es Jung-Werner.<br />

Durch den zurückgeschobenen Bettvorhang wird wiederum auf das<br />

folgende Bild vorausgedeutet (Abb. 25). Die Darstellung der<br />

Liebe, das Zeigen der Zuneigung, spiegelt sich deutlich in der<br />

Rahmenarchitektur. Für die Szene zwischen Jung-Werner und Margareta<br />

in der Laube waren würdevolle, aber doch einfache Renaiscanceformen,<br />

für die ruhige Abbildung des schlafenden Werner<br />

sogar nur malerische Schmuckformen verwendet worden. Hier jedoch<br />

greift Anton <strong>von</strong> Werner auf das gesamte verfügbare Inventar<br />

barocker Würde- und Prachtformen zurück, etwa in den beiden faunartigen<br />

Pfeilergestalten oder dem gesprengten Segmentgiebel als<br />

Portalabschluß. Auch die Portalform i s t durch einen dreistufigen<br />

Zugang zum Bildgeschehen nochmals gesteigert.<br />

Die <strong>im</strong> Grunde einfache und harmlose Szene des sich küssenden<br />

Paares wird durch solche Prachtformen ins Würdige s t i l s i e r t ,<br />

ja beinahe sakralisiert. Der (<strong>im</strong> Bild gar nicht dargestellten)<br />

Leidenschaft der Liebe entspricht die Bewegung der traditionell<br />

unbeweglichen Pfeilerfiguren, der bewegten Bauformen (Sprenggiebel)<br />

und der turnenden Engel. Der drappierte Vorhang interpretiert<br />

sich aus dem Verweisungsmotiv des vorigen Blattes. Nicht<br />

etwa aus Prüderie sollen die Liebenden dem Blick verborgen werden.<br />

Vielmehr deuten ziehende Engel und schmunzelnde Faune<br />

darauf hin, daß der Blick f r e i gemacht werden s o l l für den Betrachter.<br />

Hiddigeigei als allwissender Erzählerfreund und Mitakteur<br />

hat hier Vorreiterfunktion für den Betrachter; er schaut<br />

schon gespannt auf die Szene.<br />

Er, die Engel und der scheinbar funktionslos daliegende Hut<br />

Jung-Werners verweisen wiederum auf das folgende Bild, die Werbung<br />

um Margareta (Abb. 26). Dort s i t z t der Kater <strong>im</strong> Hintergrund<br />

auf der Bank, Werner hält ostentativ seinen Hut in der<br />

Hand. Die Hutverweisung deutet strukturell das Bild vor, das<br />

trotz dieses Hinweises auf Höflichkeit oder Förmlichkeit nochmals<br />

durch einen Untertitel verdeutlicht werden muß. Die Szene<br />

bezieht sich außerdem auf Werners erste Vorstellung be<strong>im</strong> Freiherrn<br />

zurück. So wie Werner damals sich selbst angeboten hatte,<br />

so w i l l er jetzt etwas vom Freiherrn. Beide Figuren haben noch


194<br />

<strong>im</strong>mer dieselbe Haltung (Standpunkt), doch ihre Umgebung hat sich<br />

'umgekehrt 1 : der Ofen steht rechts statt links, der Schrank<br />

links statt rechts, das Licht fällt <strong>von</strong> links statt <strong>von</strong> rechts<br />

(Werner dunkel, Freiherr hell statt umgekehrt; Kater hinten statt<br />

vorne) .<br />

Die Titelbilder zum "Büchlein der Lieder", die hier eingeschoben<br />

sind, passen die tragenden Motive an die lyrische Form an. Während<br />

für dramatische und epische Szenen und Erzählhandlungen<br />

Portale und Torrahmenformen reserviert bleiben, werden die l y r i ­<br />

schen Einlagen innerhalb des Satzspiegels mit ornamentierten<br />

Bilderrahmen <strong>im</strong> Wortsinn umgeben (Abb. 27). Das Gedicht wird so<br />

zum Gedenkspruch, zum Poesiealbumvers, wird Ornament unter Ornamenten,<br />

die Information der Schrift gerinnt fast zur Schriftform<br />

als Schmuck des Rahmens. Die Abbildung zu Hiddigeigeis Katerliedern<br />

t r i v i a l i s i e r t (noch mehr) <strong>Scheffel</strong>s distanzierende<br />

Poeten- und Parodiefigur zur gitarrespielenden, vermenschlichten<br />

Katze. Die Selbstparodie des Dichters, die Zeitkritik als<br />

Poesiekritik, geht dabei verloren. Gleiches g i l t auch für die<br />

Figur des s t i l l e n Mannes, der zwischen Schneewittchenzwergen<br />

i d y l l i s i e r t angesiedelt wird (Abb. 28). Die schon oben angedeutete<br />

pathologische Tendenz wird zugunsten des märchenhaften und<br />

harmlosen Gesamteindrucks unterschlagen.<br />

Das letzte der großformatigen Bilder, Jung-Werner und Margareta<br />

be<strong>im</strong> Papst -(Abb. 29)> z i e l t auf Repräsentation des festlichen<br />

und würdevollen Schlusses. Die glückliche Lösung durch das Eingreifen<br />

des Papstes n<strong>im</strong>mt die an sich unwichtige private Liebesgeschichte<br />

in die politische Weltlage hinein; der Papst kümmert<br />

sich persönlich um die Liebenden. Die Würdeform der Renaissance,<br />

eine Art figu/ia pyiamidalz der Akteure, hebt die Szene als<br />

Schlußbild auf eine versöhnliche Ebene. Der Papst handelt als<br />

Mensch und Ehestifter, religiöse Tendenzen werden ganz bewußt<br />

vermieden.<br />

Dagegen fehlt es nicht an antiklerikalen Spitzen, so der fette<br />

schäkernde Prälat und die hexenhafte Nonne <strong>im</strong> Mittelgrund. Die<br />

traditionsreiche Dreieckszene bedarf keines Rahmens mehr, sie<br />

i s t hoheits- und würdevoll genug. Zugleich bleibt sie reduziert<br />

auf die Stiftung eines Ehe- und Liebesverhältnisses; die eigentliche<br />

Schwierigkeit, der Standesunterschied zwischen Jung-Werner


195<br />

und Margareta, wird so nebenher gelöst.<br />

Der Illustrator Anton <strong>von</strong> Werner indes verweist ganz bewußt<br />

darauf: das wohlbekannte Trompetenmotiv als Schlußvignette i s t<br />

<strong>von</strong> sinnbildlicher Qualität (Abb. 30). Die Trompete Jung-Werners<br />

steht nicht mehr f r e i <strong>im</strong> Raum; das Attribut des nun adeligen<br />

Musikanten wird nicht nur reich geschmückt durch die Fahne, sondern<br />

auch fest aufgehängt. Diese Bildtatsache kann nun zwei Bedeutungen<br />

haben: einmal wird die Trompete nicht mehr benutzt,<br />

sie hat ja, wie zu lesen, ihren Zweck, eine adelige Frau zu erringen,<br />

erfüllt; zum anderen i s t sie jetzt als Wandschmuck eingebunden<br />

in ein fest installiertes Ornament-Ensemble an der<br />

Wand. Sie i s t Teil eines Schmuckrahmens, nicht mehr <strong>von</strong> dieser<br />

Ornamentalbasis zu lösen. Vielleicht ungewollt spiegeln sich in<br />

dieser Schlußvignette auch <strong>Dichterberuf</strong> und Illustratorintention.<br />

Das Werk als solches wird gebunden an seine Verpackung; erst mit<br />

dieser i s t es adäquat rezipierbar. Das an sich sekundäre Element<br />

der Illustration hat sich auf eine gleichrangige Ebene mit dem<br />

eigentlichen Werk gehoben.<br />

Das Nachblatt (Abb. 31) interpretiert noch deutlicher, da es<br />

völlig unabhängig vom Erzählgang existiert. Der historische<br />

Grabstein Werner Kirchhofers, der für den Dichter der Anlaß für<br />

den 7/iompe.te./i war, wird auch für den Zeichner zum historischen<br />

Denkmal. Dabei übersieht Anton <strong>von</strong> Werner aber zweierlei. Einmal<br />

<strong>im</strong>itiert>er die historisierende Arbeitsweise <strong>Scheffel</strong>s, indem er<br />

dessen Technik nachahmt, zum anderen kehrt er sie in seiner Nachahmung<br />

um: für <strong>Scheffel</strong> war ja gerade der reale Grabstein der<br />

Ausgangspunkt seiner Fiktion gewesen, für Anton <strong>von</strong> Werner i s t<br />

er der Schlußpunkt. So i s t der Grabstein als Schlußstein nicht<br />

nur sent<strong>im</strong>entales Fle.me.nto moii für den Leser, sondern Realitätsinstanz<br />

zur Legit<strong>im</strong>ierung der historischen Wahrhaftigkeit des<br />

Werkes. Die Erfindung der Geschichte wird an die ehemals reale<br />

Existenz des Helden gebunden und damit der unverbindlichen f i k ­<br />

tiven Spielerei die 'wissenschaftliche' Existenzberechtigung<br />

verschafft.<br />

Auch hier wird übrigens deutlich, daß das Faktum, der Grabstein,<br />

nicht für sich a l l e i n sprechen kann. Er muß erklärend eingerahmt<br />

werden, allerdings nicht architektonisch. Vielmehr wird<br />

diesmal der steinerne Gegenstand lebendig eingerahmt, rechts<br />

durch Tier und Strauch, links durch Menschen. In solchem Bild


196<br />

i s t die historisch-lebendige Forschung a l s <strong>Scheffel</strong>-Wernersche<br />

Kunstanschauung auf den Begriff gebracht. Der Wanderer a la<br />

<strong>Scheffel</strong> läßt sich <strong>von</strong> einem Ortskundigen den Grabstein als<br />

Sehenswürdigkeit erklären und denkt sich seinen Teil dabei.<br />

Daraus kann ein 1 iompe.te.1 <strong>von</strong> Säkkingen entstehen.<br />

3. Bild statt Text. Bildbetrachtung als Literaturrezeption<br />

Die Neigung, den Illustrator <strong>von</strong> Literatur dem Dichter als Mitproduzenten<br />

gleichrangig an die Seite zu stellen, hatte angezeigt,<br />

welch grundlegende Bedeutung den Abbildungen für die Rezeption<br />

der <strong>Scheffel</strong>werke zukommt. Der Punkt, an dem die I l l u ­<br />

stration den Text nicht nur überwiegt, sondern sogar auf ihn<br />

verzichten kann, i s t dann bald in Sicht. <strong>Scheffel</strong>s Lk.ke.naid hat<br />

es nie zu einer i l l u s t r i e r t e n Prachtausgabe gebracht, obwohl<br />

31<br />

Anton <strong>von</strong> Werner seit 1875 Studien dazu trieb und die Vorarbeiten<br />

schon weit fortgeschritten waren. <strong>Scheffel</strong> lobt Werners<br />

Entwürfe ausdrücklich als sehr gelungen:<br />

"Deine Entwürfe zum i l l u s t r i r t e n Lkkekaid sind umsichtig und<br />

practisch und führen den Hauptinhalt übersichtlich vor. Gern<br />

hätte ich bezüglich des Formats eine Andeutung, welche <strong>von</strong><br />

den Motiven die großen Blätter bilden sollen." (32)<br />

Im Januar 1881 i s t Anton <strong>von</strong> Werner "mit den Skizzen schon am<br />

letzten Capitel angelangt" und <strong>Scheffel</strong> prophezeit ihm, die<br />

Ausgabe werde "ein dauernd <strong>im</strong> Bücherschatz der Deutschen b l e i -<br />

3 3<br />

bendes Werk" . Drei Jahre später i s t <strong>Scheffel</strong> skeptischer:<br />

"Sollte ich noch erleben, daß Dein Cyclus <strong>von</strong> Ekkehardcompositionen<br />

vollendet wird, so wird mir das ein freudiger Tag<br />

sein." (34)<br />

Daß mit <strong>Scheffel</strong>s Tod 1886 die so weit fortgeschrittenen Pläne<br />

nicht vollendet worden sind, zeigt, wie hoch die Beteiligung<br />

des Dichters selbst am Illustrationsvorgang eingeschätzt werden<br />

muß. Diese gleichsam authentischen <strong>Scheffel</strong>-Illustrationen,<br />

die noch durch Zust<strong>im</strong>mung oder sogar Mitarbeit des Dichters abgesegnet<br />

worden sind, lassen jedoch den Spielraum offen, Szenen<br />

aus <strong>Scheffel</strong>s Werk als Vorlage für eigene Bilder und Zeichnungen<br />

zu verwenden, ohne den Anspruch zu erheben, den gesamten Text<br />

i l l u s t r i e r e n zu wollen. So konnte der Münchner Bruckmann-Verlag


197<br />

(unter anderen!) schon 1879 eine Mappe mit 16 Kartons in Lichtdrucken<br />

nach Gemälden (!) zu <strong>Scheffel</strong>s tkkekaid herausbringen:<br />

"Ekkehard wird <strong>von</strong> Unberufenen i l l u s t r i r t , mit denen ich in<br />

keiner Beziehung stehe<br />

1) <strong>von</strong> Jenny in Hamburg. Lichtdruck <strong>von</strong> Jacoby in Neuendorf<br />

bei Coblenz,<br />

2) <strong>von</strong> den Pilotyschülern in München - große Formate, manier<br />

i r t e Effecte, keine historische Auffassung, Firma Flüggen<br />

u. Comp." (35)<br />

<strong>Scheffel</strong>s harsche Kritik an der gesamten Münchner Historienmalerei<br />

t r i f f t auch so renommierte Künstler wie den Münchner<br />

Mönchsmaler Eduard Grützner, für den das Klostermilieu des<br />

Lkkeka/id eigentlich doch die ideale Stoffvorlage hätte abgeben<br />

sollen. Da schäkert ein lustiger Grütznermönch, durch die Unterschrift<br />

gekennzeichnet als Kellermeister Rud<strong>im</strong>ann, mit der Magd<br />

Kerhildis <strong>im</strong> Weinkeller; Ekkehard kommt aus dem Hintergrund hinzu<br />

und stört die sent<strong>im</strong>entale Szene. Das Textgeschehen i s t zum<br />

Vorwand und zur Vorlage eines gemütvollen Genrebildes geworden.<br />

Diese selbständig erscheinenden Bildmappen als Bilderbücher mit<br />

nur bescheidenen Beschriftungen vereinzeln die Bildmotive endgültig.<br />

Sie sind die Konsequenz auch der Wernerschen I l l u s t r a -<br />

tions- und Repräsentationskunst. Der ursprünglich zugrunde<br />

liegende Text i s t nicht mehr nötig, wenn entscheidende Szenen,<br />

Höhepunkte und St<strong>im</strong>mungen optisch leichter zugänglich gemacht<br />

werden können. Der historische Roman Lkkeka/id verliert auf diese<br />

Weise nicht nur den <strong>von</strong> ihm erhobenen wissenschaftlichhistorischen<br />

Anspruch, sondern auch seinen erzählerischen Charakter.<br />

Die Textdeutung durch die Übertragung in das Bildmedium<br />

zerreißt die erzählerische Kontinuität. Die Bilder sind in der<br />

Reihenfolge vertauschbar und dann tatsächlich als Wandschmuck<br />

zu verwenden. Aus der auf Tischen ausliegenden Prachtausgabe,<br />

die <strong>im</strong>merhin noch ein Buch war, i s t der abgelöste und nur noch<br />

ästhetisierend ornamental auffaßbare Wandschmuck geworden.<br />

Daß diese Ablösung des Bildes vom Text, seine Verselbständigung<br />

und Ornamentalisierung <strong>von</strong> Seiten des Illustrators ausgeht, i s t<br />

allerdings nur die Hälfte der Wahrheit. <strong>Scheffel</strong> selbst hat<br />

diese Tendenz befördert. Seine letzte Dichtung, die Ualdeintamke.it<br />

<strong>von</strong> 1880, kehrt den üblichen Produktionsvorgang bei der<br />

i l l u s t r i e r t e n Ausgabe vollständig um. Zu zwölf landschaftlichen


198<br />

St<strong>im</strong>mungsbildern eines unbedeutenden Malers verfaßt <strong>Scheffel</strong><br />

nachträglich seine Dichtung. Der Dichter <strong>Scheffel</strong> i s t hier<br />

zweit-, ja nach dem Radierer sogar drittrangig geworden:<br />

"Waldeinsamkeit. Zwölf landschaftliche St<strong>im</strong>mungsbilder <strong>von</strong><br />

Julius Marak. Radiert <strong>von</strong> Eduard Willmann. Mit begleitender<br />

Dichtung <strong>von</strong> <strong>Joseph</strong> Victor <strong>von</strong> <strong>Scheffel</strong>.<br />

So lautet der T i t e l . Die Poesie wird zu einer Art gere<strong>im</strong>ter<br />

Bildbeschreibung ohne jeglichen Inhalt.<br />

In einem letzten Projekt des schon seit einigen Jahren verstummten<br />

Dichters <strong>Scheffel</strong> und des Reichsmalers Anton <strong>von</strong> Werner,<br />

dem Festgedicht zum Jubiläum der Universität Heidelberg<br />

<strong>von</strong> 1886, arbeiten beide noch einmal zusammen. Doch findet<br />

<strong>Scheffel</strong>s erinnerungsdurstige Re<strong>im</strong>erei in seinem Todesjahr in<br />

der Illustration Werners (Abb. 32) keine Entsprechung mehr.<br />

Unter dem Motto des Psalms "Dies i s t der Tag, den der Herr gemacht<br />

hat" s t e l l t <strong>Scheffel</strong> sich vor und sein zur Feier des Tags<br />

"Vom heil'gen Geist" erleuchtetes "Altheidelberg" vor (IX,242).<br />

Das Lob der kurfürstlichen Tradition und ein ins Kostümhafte<br />

veräußerlichter Universitäts- und Bildungsgedanke bilden ein<br />

dichtes Konglomerat um den Festbegriff. Erst in der vorletzten<br />

der acht Strophen kommt <strong>Scheffel</strong> auf den Kern seiner Verse:<br />

"Der Geist i s t ' s , der das Rechte weist,<br />

Der Wahrheit schafft und Leben,<br />

Der starke, freie, deutsche Geist,<br />

Der uns das Reich gegeben!" (IX,243)<br />

"Ein brausend Hoch" bringt <strong>Scheffel</strong> aus auf "Altheidelberg, du<br />

Feine" (IX,243), er kehrt also vom Vaterlands-Hurra zurück zu<br />

den alten <strong>Scheffel</strong>motiven, die sein berühmtes Heidelberg-Lied<br />

aus dem 7/iompe.ie/i angesagt hatte.<br />

Anton <strong>von</strong> Werner hingegen zeichnet nur die nationale Dreieinigkeit<br />

<strong>von</strong> Kaiser, Militär und Wissenschaft. Das Arsenal des<br />

nationalen Pathos, der mittelalterliche Kaiser mit dem Lorbeerkranz<br />

als einem Heiligenschein, der Fahnenwald und die begeistert<br />

fackelschwingenden Studenten best<strong>im</strong>men die grell erleuchtete<br />

Szene. Das Hurra g i l t der Apotheose des Kaisers. Der künstlerische<br />

Anspruch, der den künstlerischen Wert rechtfertigte, i s t<br />

längst geschwunden. Der Gegenstand der Illustration i s t repräsentativer<br />

Fundus der Reichsverehrung; die Zeichnung wird


199<br />

Huldigung, die Universitätsfeier zum Vorwand. Der Zeichner und<br />

Maler hat den Dichter längst übertrumpft.


200<br />

ANMERKUNGEN<br />

Für genauere Angaben der abgekürzt zitierten Literatur wird<br />

auf das Literaturverzeichnis verwiesen. Alle Hervorhebungen in<br />

Zitaten sind, wenn nicht anders angegeben, original.<br />

EINLEITUNG<br />

1 Fontane, J.V.v.<strong>Scheffel</strong>: Ekkehard, in: Werke XXI/1, S. 250<br />

2 E. v. Sallwürck, Jos. <strong>Viktor</strong> v. <strong>Scheffel</strong>, S. 70<br />

3 Vgl. Lechner, J.V.v.<strong>Scheffel</strong> Werk und Publikum, bes. S. K6ff<br />

4 Ruhemann, <strong>Scheffel</strong>. Leben und Dichten, S. 14<br />

5 Man durchblättere die Jahrbücher des <strong>Scheffel</strong>bundes Nickt<br />

/tagten und nicht /tobten/ der Jahre 1891-1906<br />

6 B.V.Münchhausen, in: Jahrbuch des <strong>Scheffel</strong>bundes. Neue Folge.<br />

Band 1, S. 81<br />

7 H.R.Jauß, Literaturgeschichte als Provokation<br />

8 Münchhausen S. 80: "Lehre der fünf Stufen der Neuheit":<br />

1. Stufe: Verletzende Neuheit des Produzierten<br />

;<br />

2. Stufe: Reizvoll neu;<br />

3. Stufe: Nullpunkt zwischen alt und neu,<br />

eine Art Zeit- und S t i l l o s i g -<br />

keit;<br />

4. Stufe: Unmodern;<br />

5. Stufe: Das Historischwerden des Phänomens<br />

9 Münchhausen S. 8<br />

10 Münchhausen S. 10<br />

11 Münchhausen S. 12<br />

12 Vgl. Der Deutsche <strong>Scheffel</strong>bund. Bewahrer und Erwecker volksund<br />

stammesverbundenen Geistes, ein Wegbereiter junger<br />

deutscher Dichtung<br />

13 Lobe, <strong>Scheffel</strong>, eine fränkische Fehlanzeige, S. 236.- Lobe<br />

fragt z. B. danach, "was <strong>von</strong> <strong>Scheffel</strong> heute geblieben i s t "<br />

(S. 236). Sein Aufsatz führt ihn auf die Suche nach Texten,<br />

die "noch heute mit Vergnügen zu lesen" sind (S. 245). Das<br />

Ergebnis muß erwartungsgemäß niederschmetternd sein.<br />

U Lobe S. 253<br />

15 Lobe S. 243<br />

16 Lobe S. 235.- Einige dieser Kriterien sind zudem zu pauschal,<br />

als daß sie greifen könnten. Lobes Kriterien sind: "einfallslose<br />

Direktheit", "undifferenziertes Problemlösungsverhalten"<br />

(S. 241), monotones Versgeklingel, abgegriffenes Vokabular,<br />

Betulichkeit, anbiedernd, ungehemmte Epigonie (S. 255f);


201<br />

<strong>Scheffel</strong> habe heute(!) den Zeitgeist nicht mehr auf seiner<br />

Seite (S. 257); er mache das Historische mundgerecht (S.<br />

260).<br />

17 Lobe S. 256<br />

18 Sengle, Biedermeierzeit I I , S. 703<br />

19 Alberti, Der Lieblingsdichter des neuen Deutschland, S. 270<br />

20 Lechner S. 152<br />

21 Lechner S. 74<br />

22 Eggert, Studien zur Wirkungsgeschichte des deutschen historischen<br />

Romans 1850 - 1875, S. 16<br />

23 Eggert S. 12<br />

24. Martini, Deutsche Literatur <strong>im</strong> <strong>bürgerlichen</strong> Realismus 184-8 -<br />

1898, S. 5U<br />

25 Martini S. 5U<br />

26 Sengle I I , S. 704<br />

27 Proelß, <strong>Scheffel</strong>s Leben und Dichten, S. 50<br />

28 Proelß S. 21<br />

.29 Proelß S. 21<br />

30*Brief an Eggers vom 17. Oktober 1847, Eggers-Briefe S. 55<br />

31 Brief <strong>Scheffel</strong>s, z i t . nach Proelß S. 30<br />

32 Brief vom 23. Januar 1844, Elternhaus-Briefe S. 37<br />

33 Brief vom 22. Februar 1844» ebd. S. 51<br />

34 Brief vom 11. April 1848, ebd. S. 181<br />

35 Brief an Eggers vom 17. Oktober 1847, Eggers-Briefe S. 57f<br />

36 Brief vom 29. J u l i 1846, Elternhaus-Briefe S. 167<br />

37 Ebd. S. 168<br />

38 Wilhelm Zentner <strong>im</strong> Vorwort der Elternhaus-Briefe S. XXVII<br />

39 Brief an Eggers vom 26. Januar 1845, Eggers-Briefe S. 18<br />

40 Proelß S. 55<br />

41 Proelß S. 42<br />

42 Alle Zitate <strong>im</strong> Text beziehen sich auf die zugrunde gelegte<br />

beste Ausgabe <strong>von</strong> Franke (s. Literaturverzeichnis). Die<br />

römischen Ziffern bezeichnen den Band, die arabischen die<br />

Seitenzahl.- Ohne hier textkritische Fragen erörtern zu<br />

wollen, muß doch die Benutzung der Franke-Ausgabe gerechtfertigt<br />

werden; sie wird aus zwei Gründen bevorzugt. Einmal<br />

beansprucht Franke selbst für seine Ausgabe "authentische<br />

Geltung" (S.3), wobei er auf Erstdrucke bzw. auf die eigene<br />

Sichtung des Nachlasses zurückgreift. Zum zweiten sind die<br />

leichter zugänglichen Ausgaben (z. B. <strong>von</strong> Proelß) nicht<br />

vollständig und auch nicht ganz zuverlässig. Franke kann<br />

z. B. der Proelß-Ausgabe "hunderte <strong>von</strong> Fehlern und Druckversehen"<br />

nachweisen (S. 3)\


202<br />

43 Brief an Schwanitz vom 27. Februar 1848, Schwanitz-Briefe<br />

S. 104<br />

44 Brief an Schwanitz vom 29. Februar 1848, ebd. S. 105<br />

45 Ebd. S. 106<br />

46 Ebd. S. 110<br />

3J7 Ebd. S. 107<br />

48 Brief an den Vater vom 8. Juni 1848, Elternhaus-Briefe S. 188<br />

49 Trotz etlicher Differenzen: "In Frankfurt hab ich manches <strong>von</strong><br />

parlamentarischen Kämpfen miterlebt, zbd <strong>von</strong> den wackern<br />

alten Welcker, wiewohl meine politische Ansicht nicht mit<br />

der seinigen Hand in Hand geht, v i e l gelernt" (Brief an<br />

Eggers vom 27. Januar 1849, Eggers-Briefe S. 70). In einem<br />

Brief an seinen Vater vom 18. Juni 1848 wird <strong>Scheffel</strong> deutlicher:<br />

"Er steht nur etwas zuviel auf der rechten Seite,<br />

was mir besonders darum leid i s t , weil er fatale A l l i i e r t e<br />

hat, z. B. den preußischen Adel, Herrn <strong>von</strong> Radowitz und<br />

Herrn <strong>von</strong> Vincke" (Elternhaus-Briefe S. 187).<br />

50 "An der Revolution in Baden haben ich keinen Anteil genommen",<br />

schreibt <strong>Scheffel</strong> an Schwanitz (vom 28. J u l i 1848,<br />

Schwanitz-Briefe S. 129)<br />

51 Brief an Schwanitz vom 26. Oktober 1849, ebd. S. 133 *<br />

52 Ebd. S. 133f<br />

53 Brief an Eggers vom 17. Oktober 1849, Eggers-Briefe S. 74<br />

54 "Hie und da komm ich mir schrecklich einsam vor. Mein Salon,<br />

Amtsstube und Wirtshaus sind die drei Punkte, um die sich<br />

mein Leben bewegt." (Säckingen-Briefe S. 100)<br />

55 Brief an Schwanitz vom 11. Januar 1849, Schwanitz-Briefe<br />

S. 126<br />

56 Brief <strong>Scheffel</strong>s, z i t . nach dem Vorwort der Italien-Briefe<br />

S. X.- Bei Paul Heyse und den Dichtern des Münchner Dichterkreises<br />

finden sich bemerkenswerte Parallelen zur künstlerischen<br />

Inspirationsfunktion <strong>von</strong> Italienfahrten, vgl.<br />

Krausnik, Paul Heyse und der Münchener Dichterkreis<br />

57 "<strong>Joseph</strong>'s Feder werden Sie an seinem Humor erkennen", schreibt<br />

die Mutter <strong>Scheffel</strong>s an Schwanitz, um <strong>Scheffel</strong>s Beiträge <strong>von</strong><br />

denen des Mitautors Häusser zu unterscheiden ( z i t . nach<br />

Proelß S. 197)<br />

58 Vgl. 11,9: "Es war damals, wie der Geschichtsschreiber<br />

Stalin sagt, nach Beilegung so manchen Streites in Deutschland<br />

ein heiteres Ritterleben in Hof- und Reichsfesten, als<br />

die Nachricht <strong>von</strong> der Einnahme Jerusalems durch Saladin 1187<br />

alles aufschreckte und den Kaiser, der in seiner Jugend<br />

schon eine Kreuzfahrt gemacht hatte, antrieb, durch Wiedereroberung<br />

der heiligen Stadt das Werk seines Lebens zu krönen<br />

. "<br />

59 Auf die Namensähnlichkeit Carl Alexanders mit Goethes Karl<br />

August wird ausdrücklich angespielt (III,8)!<br />

60 Brief an die Mutter vom 24. November 1863, Wandern/Weilen-<br />

Briefe S. 70


203<br />

61 Brief an Anton <strong>von</strong> Werner vom 19. -Juli 1870, Werner-Briefe<br />

S. 111<br />

62 Brief an den Verleger Adolf Bonz vom August 1870, z i t , nach<br />

Proelß S. 6^1<br />

63 Ebd. S. 641<br />

64 <strong>Scheffel</strong> scheint der Friedensschluß wichtiger zu sein als<br />

die Kaiserproklamation: "wurde die Kaiserproklamation sehr<br />

kühl aufgenommen ... Das Glockengeläut und Schießen veranlaßte<br />

zur Annahme, Paris sei genommen, als man hörte, nein,<br />

aber der Kaiser verkündet, war etwas wie Enttäuschung auf den<br />

Gesichtern. Um so aufrichtiger war der allgemeine Jubel bei<br />

der Capitulation <strong>von</strong> Paris, ein wahres Illuminirfieber bei<br />

gesetzten Leuten ... man begrüßte den nahen Frieden ..."<br />

(Brief an Werner vom 16. Februar 1871, Werner-Briefe S. 116)<br />

65 "Fürst Bismarck war mir mehr als freundlich, ich war zwe<strong>im</strong>al<br />

bei dem Gewaltigen zu Tisch und liebe ihn und die Seinigen<br />

in ihrer Eigenart." (Brief an Werner vom 22. Juni<br />

1877, ebd. S. 166)<br />

66 Brief an Werner vom 16. Februar 1871, ebd. S. 144<br />

I. DICHTER UND DICHTUNG<br />

1 Vgl. Eggert S. 177, der herausarbeitet, daß "die meisten<br />

historischen Romane jener Jahre aus der Perspektive des objektiven<br />

Erzählers geschrieben sind". Der Erzähler trete<br />

hinter den erzählten Gegenstand zurück, was für den Lkkeka/id<br />

nur in sehr beschränktem Maße z u t r i f f t .<br />

2 Vgl.: "Wer f s /*.../ nicht allzu genau n<strong>im</strong>mt"; "unserer alten<br />

Mutter Erde" (V,13); "unsere Geschichte" (V,U); "Es gibt<br />

Tage, wo der Mensch/".../" (V,15)<br />

3 Lechner S. 4-3<br />

4. So Karl Gutzkow über den 7/iompe.te./i (Unterhaltungen am häusl.<br />

Herd S. 1U).<br />

5 Brief an die Mutter vom 4. April 1853, Italien-Briefe S. 87<br />

6 Trompeter/Ekkehard-Briefe S. 45, Anmerkung 76<br />

7 "Wer aber <strong>von</strong> solchen Erscheinungen he<strong>im</strong>gesucht wird, dem<br />

bleibt nichts übrig, als sie zu beschwören und zu bannen."<br />

(V,10)<br />

8 Brief an Eggers vom 29. Februar 1856, z i t . nach Kremser,<br />

Studien über <strong>Scheffel</strong> S. 21<br />

9 Brief an den Großherzog <strong>von</strong> Sachsen-We<strong>im</strong>ar-Eisenach vom<br />

5. Dezember 1859, Großherzog-Briefe S. 39<br />

10 Brief an Müller vom 20. April 1854, Müller-Briefe S. 522<br />

11 Brief vom 23. J u l i 1863, Briefe an Schweizer Freunde S. 75<br />

12 Brief der Mutter an Arnswald vom April 1856, Schwanitz-<br />

Briefe S. 211<br />

13 Brief an Eisenhart 1859, z i t . nach Kobell, <strong>Scheffel</strong> und<br />

seine Familie S. 35


204<br />

14 Brief an Eggers vom 29. Februar 18 56, z i t . nach Kremser S. 21<br />

15 Vgl. Sengle II, S. 257ff zur Best<strong>im</strong>mung des Biedermeier<br />

16 Brief an Salomon Hirzel vom 28. J u l i 1857, in: Gustav Freytag<br />

an Salomon Hirzel und die Seinen, S. 52<br />

17 "Jenes süße, schöpfungsalte<br />

Lied der ersten jungen Liebe.<br />

Zwar ein Lied noch ohne Worte;<br />

Doch sie ahnten seinen Inhalt" (I,98f)<br />

18 Lechner S. 20<br />

19 IX,120.- Hervorhebung <strong>von</strong> mir<br />

20 Brief an Werner vom 6. August 1885, Werner-Briefe S. 209<br />

21 IX,135: "Zunftbereich des Kalten und Verständ 1 gen";<br />

"Wo Zahl und Formel herrscht"<br />

22 Brief vom 28. August 1855, Trompeter/Ekkehard-Briefe S. 50<br />

23 Brief an Heyse vom 16. Dezember 1854, Heyse-Briefe S. 16<br />

24 Pflicht/Neigung-Briefe S. 76<br />

25 Für den uninformierten, d. h. nicht literarisch eingeweihten<br />

Kellermeister Rud<strong>im</strong>ann beginnt die "neue Ära" erst mit der<br />

Verhaftung Ekkehards: "Die Heidenwirtschaft mit dem Virgilius<br />

hat ein Ende" (VI,347).<br />

26 "wenn ihm/=Ekkehard/ auch innerlich die Kunst für ewig versagt<br />

i s t " (VI,271), behauptet Gunzo und weist damit für den<br />

Leser auf Ekkehards echtes Dichtertum voraus.<br />

27 Lechner S. 173f bringt dafür zahlreiche Belegstellen bei<br />

28 Brief an die Mutter vom 16. Dezember 1845, Elternhaus-Briefe<br />

S. 124<br />

29 Vgl. VI,376: "Im Bild der Dichtung s o l l das arme Herz sich<br />

dessen freuen"; "denn mein Herz i s t wohlgemutex<br />

zu singen in der Einsamkeit"<br />

30 Wie Hinck, Epigonendichtung und Nationalidee S. 274 für<br />

Geibel f e s t s t e l l t<br />

31 Brief an den Vater vom 28. August 1855, Trompeter/Ekkehard-<br />

Briefe S. 50<br />

32 Rüge, <strong>Scheffel</strong>s Frau Aventiure S. 14<br />

33 Brief vom 27. Mai 1861, z i t . nach Proelß S. 568<br />

34 6. Epistel vom 24. März 1850, Säckingen-Briefe S. 63<br />

35 <strong>Scheffel</strong> <strong>im</strong> Lichte seines hundertsten Geburtstags S. 54<br />

36 Ebd. S. 31<br />

37 Gutzkow, Trompeter, in: Unterhaltungen am häuslichen Herd,<br />

S. 144<br />

38 Vgl. Sengle, Biedermeierzeit I und II<br />

39 J.B., in: Frankfurter Museum, 2. Jahrgang, 1856, S. 181<br />

40 Brief an Adolf Freiherr <strong>von</strong> Leutrum-Ertingen nach dem<br />

29. September 1855, Trompeter/Ekkehard-Briefe S. 82


205<br />

41 Brief an Hirzel vom 28. J u l i 1857, Hirzel-Briefe S. 52<br />

42 Vgl. Mulert, <strong>Scheffel</strong>s Ekkehard als historischer Roman, S. 90;<br />

lobend: Bus, die Geschichte <strong>im</strong> Erzählwerk <strong>Scheffel</strong>s, S. 48<br />

43 Lechner S. 59<br />

44 Windfuhr, der Epigone, S. 192<br />

45 Iser/Schalk (Hg), Dargestellte Geschichte, S. 72f und S. 25<br />

46 Ebd. S. 74<br />

47 Brief an Landpfarrer Faber vom 14. August 1855, Trompeter/<br />

Ekkehard-Briefe S. 79<br />

48 Brief an Adolf Freiherr <strong>von</strong> Leutrum-Ertingen nach dem<br />

29. September 1855, ebd. S. 82<br />

49 Vgl. Proelß S. 313; Boerschel, <strong>Scheffel</strong> und Emma He<strong>im</strong>,<br />

S. 124; Bus S. 47f; Lechner S. 100<br />

50 Vgl. VI,363: "Aber den Sennen war's recht, und den Bergen<br />

auch, und niemand tat Einsprache."<br />

51 Schlaffer, Dichtergedicht <strong>im</strong> 19. Jahrhundert, S. 307<br />

52 Windfuhr S. 189-195<br />

53 Lechner S. 25<br />

54 Lechner S. 1<br />

55 Brief der Mutter <strong>Scheffel</strong>s, z i t . nach Proelß S. 507<br />

56 Brief an die Mutter vom 15. Januar 1854, Trompeter/Ekkehard-<br />

Briefe S. 3<br />

57 Vgl. <strong>Scheffel</strong>jahrbuch 1903, S. 106-114; Proelß S. 267<br />

58 Lechner S. 19<br />

59 Zuletzt Lechner S. 18-21<br />

60 Lechner S. 12<br />

61 Brief an die Mutter vom 7. August 1859, Pflicht/Neigung-<br />

Briefe S. 80<br />

62 Mostar (Hg), Friederike Kempner, der schlesische Schwan<br />

63 Lämmert, Dichterfürst, S. 44-0<br />

64 Windfuhr S. 197<br />

65 Zit. <strong>im</strong> <strong>Scheffel</strong>jahrbuch 1904, S. 66: Brief an Uhland vom<br />

8. Januar 1854<br />

66 Zu den Cpigonzn vgl. Selbmann, Theater <strong>im</strong> Roman S. 159ff<br />

67 Sengle II, S. 631<br />

68 Brief an die Mutter vom St. Stephanstag 1852, Italien-<br />

Briefe S. 64<br />

69 Brief an die Mutter vom 11. und 12. Juni 1852, ebd. S. 17<br />

70 Vgl. Eggert S. 202<br />

71 Brief an Heyse vom 29. April 1861, Heyse-Briefe S. 60<br />

72 Brief an den Großherzog vom 14. September 1858, Großherzog-<br />

Briefe S. I6f.- Zu Paul Heyse jetzt: Ausstellungskatalog


206<br />

München 1981: Paul Heyse, Münchner Dichterfürst <strong>im</strong> <strong>bürgerlichen</strong><br />

<strong>Zeitalter</strong><br />

73 Meyer, deutsche Literatur <strong>im</strong> 19. Jahrhundert, S. 302<br />

74- Zit. aus dem Nachlaß nach Kremser S. 29<br />

75 Vgl. Schlaffer S. 330<br />

76 Brief an den Vater vom 17. September 1844, Elternhaus-Briefe<br />

S. 83<br />

77 Brief an Häusser, z i t . nach Proelß S. 254<br />

78 Lechner S. 29<br />

II. DICHTER UND GESCHICHTE<br />

1 Es kann natürlich nicht angehen, <strong>Scheffel</strong>s Roman daran zu<br />

messen, "inwieweit der Lkketta/id den Anforderungen entspricht,<br />

die an einen historischen Roman zu stellen sind" (Mulert S.1),<br />

Die Schlußfolgerung, "<strong>Scheffel</strong> i s t in Widerspruch mit den<br />

Gesetzen der Einheit, der Wahrscheinlichkeit, der Notwendigkeit<br />

und damit den Gesetzen der Wahrheit und Schönheit geraten"<br />

(ebd. S. 66), läßt sich mit der gleichen Berechtigung<br />

ins Positive wenden. Man s t e l l t dann die "Einordnung der geschichtlichen<br />

Fakta in den Subjektivismus" lobend heraus und<br />

folgert: "Der ELkketiaid erfüllt die Grundforderungen, die an<br />

einen historischen Roman gestellt werden, in hohem Maße"<br />

(Bus S. 73).<br />

2 Vgl. dazu Iser/Schalk; jetzt: Steinecke, Romantheorie und<br />

Romankritik in Deutschland I<br />

3 Eggert S. 30f<br />

4 Auflagenzahlen z. B. ebd. S. 27<br />

5 Wolfgang Menzels Literaturblatt 1855, S. 283: "Ganz abgesehen<br />

"da<strong>von</strong>, ob das vorliegende Werk allen Forderungen, die<br />

man an ein solches machen könnte, ganz genügt, muß die<br />

Manier in Schutz genommen werden."<br />

6 Ebd. S. 281<br />

7 Morgenblatt für gebildete Leser Nr. 45 vom 4. November 1855,<br />

S. 1073<br />

8 Ebd. S. 1075<br />

9 Ebd. S. 1075<br />

10 Fontane, Ekkehard, S. 251<br />

11 Ebd. S. 250<br />

13 Ebd. S. 250<br />

14 Ebd. S. 251<br />

15 Zit. nach Kremser S. 10<br />

16 Eggert S. 55<br />

17 Gustav Freytag an Hirzel vom 28. J u l i 1857, Hirzel-Briefe<br />

S. 52


207<br />

18 Leitner, Angewandte Geschichte, S. 16<br />

19 Vgl. VI, 4-28: "Ande/ie haben behauptet, es seien mehrere des<br />

Namens Ekkehard <strong>im</strong> Kloster Sankt Gallen gewesen, und der<br />

den Walthari dichtete, sei nicht der nämliche, der die Herzogin<br />

Hadwig des Lateins unterwies. Aber wer der Qe^ckickte,<br />

die wir jetzt glücklich zu Ende geführt, aufmerksam folgte,<br />

weiß die* (Lette/t." (Hervorhebung <strong>von</strong> mir)<br />

20 Iser/Schalk S. 22<br />

21 Vgl. Mulert S. 40<br />

22 Das Schmücken des Weihnachtsbaums <strong>im</strong> Mittelalter; Essen mit<br />

Messer und Gabel; die Herzogin mit der Küchenschürze in der<br />

Küche be<strong>im</strong> Plätzchenbacken usw.<br />

23 Iser/Schalk S. 32<br />

24 Z. B. V,13 2 "Denksteine stürmischer Vorgeschichte unsrer<br />

alten Mutter Erde"; "mag's ein denkwürdiger<br />

Tag gewesen sein"; "das i s t schon lange her";<br />

"es i s t Graß gewachsen über /".../";<br />

V,14: "Gedächtnis an die fröhliche Jugendzeit"<br />

25 Vgl. V,14: "Zur Zeit, da unsere Geschichte anhebt" und VI,<br />

428: "Hier endet unsere Geschichte"<br />

26 Anfangs V,14* "nur die Berge stehen noch <strong>im</strong>mer" und am<br />

Schluß VI,430: "Der hohe Twiel hat noch vieles erleben<br />

müssen f...J Jetzo ist's s t i l l auf jenem Gipfel"<br />

27 V,5: "Buch" - VI,431: "BÜchkein";<br />

V,9* "wachsen ihm Gestalten empor" mit der direkten Aufforderung<br />

zum Dichten - VI,431: "standen die Gestalten" ebenf<br />

a l l s mit dieser Aufforderung;<br />

beide Male enthält die Leseranrede eine captat io (Lenevo tentiae,<br />

nämlich V,11: Hroswitha-Zitat - VI,431: "Gehab' dich<br />

wohl und bleib ihm fürder gewogen!"<br />

28 Brief an den Vater vom 29. J u l i 1846, Elternhaus-Briefe<br />

S. N 1 67<br />

29 Brief an die Mutter vom 24. April 1854, Trompeter/Ekkehard-<br />

Briefe S. 11<br />

30 Brief an Landpfarrer Faber nach dem 14. August 1855, ebd.<br />

S. 79<br />

31 Ebd. S. 79<br />

32 Brief an den Vater vom 28. August 1855, ebd. S. 50<br />

33 Brief an Wilhelm Meyer-Ott vom 30. November 1854, Briefe an<br />

Schweizer Freunde S. 45<br />

34 Ebd. S. 45<br />

35 Vgl. Proelß S. 327<br />

36 Vgl. 11,8: "Auch/*!/ der erklärte Widersacher bläßlicher Romantik<br />

und unfreier Rückwärtsgelüste vermag kaum ein t i e f ­<br />

ernstes Gefühl abzuweisen."<br />

37 <strong>Scheffel</strong> <strong>im</strong> Lichte seines 100. Geburtstags S. 13 und S. 22<br />

38 Vgl. Leitner S. 12


208<br />

39 Brief an Eduard Dössekel vom 29. Dezember 1863, Briefe an<br />

Schweizer Freunde S. 82<br />

40 Brief an E.L.Rochholz vom 18. Januar 1868, ebd. S. 173<br />

4.1 1/ie.ne. <strong>von</strong> Spii<strong>im</strong>&e/ig (unvollendet) S. 2<br />

42 Vgl. Eggert S. 54<br />

43 Lämmert S. 44-3<br />

44 Brief an die Mutter vom 9. Januar 1853, Italien-Briefe S. 70f<br />

45 Meyer S. 311<br />

46 Brief an Heyse vom 17. Januar 1856, Heyse-Briefe S. 21<br />

47 Brief an den Vater vom 28. August 1855, Trompeter/Ekkehard-<br />

Briefe S. 50<br />

48 Brief an Werner vom 28. Februar 1866, Werner-Briefe S. 28<br />

49 Martini S. 445<br />

50 Vgl. den Brief an den Großherzog vom 24. Januar 1860, Großherzog-Briefe<br />

S. 59<br />

51 Proelß S. 136<br />

52 Brief an Schwanitz vom 24. Februar 1855, Schwanitz-Briefe<br />

S. 205<br />

53 Brief an Schwanitz vom 26. Januar 1850, ebd. S. 137<br />

54 Auch dies i s t nicht untypisch für die Zeit, man vgl. das<br />

Bismarckbild Fontanes, das dessen Romane wie ein gehe<strong>im</strong>es<br />

Muster durchzieht! (zuletzt: Müller-Seidel, Fontane S. 42ff)<br />

55 Brief an Werner vom 1. Januar 1877, Werner-Briefe S. 159<br />

56 Vgl. Poschinger, Bismarck und <strong>Scheffel</strong>, S. 204<br />

57 Brief an Werner vom 22. Juni 1877, Werner-Briefe S. 166.-<br />

Ein gewisser Vorbehalt in der Formulierung i s t allerdings<br />

unüberhörbar.<br />

III. DICHTER UND WIRKLICHKEIT<br />

1 Brief an die Mutter vom 26. Oktober 1856, Mein-Glück-Briefe<br />

S. 24<br />

2 Brief an Eisenhart <strong>von</strong> 1859, z i t . nach Kobell S. 35<br />

3 Brief an Louise <strong>von</strong> Kobell, ebd. S. 38<br />

4 Brief an die Mutter vom 22. Oktober 1858, Pflicht/Neigung-<br />

Briefe S. 55<br />

5 Brief an August Corrodi vom 23. Mai 1856, z i t . nach <strong>Scheffel</strong>jahrbuch<br />

1903, S. 12<br />

6 Brief an Schwanitz vom 17. J u l i 1863, Schwanitz-Briefe S. 231<br />

7 Lämmert S. 447<br />

8 Haferkorn, Entstehung der bürgerlich-literarischen I n t e l l i ­<br />

genz und des Schriftstellers, bes. S. 195ff


209<br />

9 Der Versuch 'kapitalistische 1 Widersprüche um die Mitte des<br />

19. Jahrhunderts über das Vorbild Schillers zu lösen, findet<br />

seine Parallele <strong>im</strong> Arbeitsbegriff Gottfried Kellers in dessen<br />

Q/iünen rie.in/iich, vgl. Selbmann S. 187<br />

10 Brief an die Mutter vom 6. April 1860, Wandern/Weilen-<br />

Briefe S. 17<br />

11 Brief an Emma He<strong>im</strong> vom 22. November 1859, z i t . nach Boerschel<br />

S. 217<br />

12 Brief an den Großherzog, <strong>im</strong>merhin der Schirmherr der<br />

Schillerstiftung, vom 7. Oktober 1860, z i t . nach Rüge S. 111<br />

13 Brief an Frau Engerth vom 17. Dezember 1853, z i t . nach<br />

Boerschel S. 139<br />

14 Brief an die Mutter vom 18. November 1856, Mein-Glück-Briefe<br />

S. 34<br />

15 Abgedruckt in: Trompeter/Ekkehard-Briefe S. 56<br />

16 Brief an Heyse vom 17. Januar 1856, Heyse-Briefe S. 21f<br />

17 Alberti, der Lieblingsdichter des neuen Deutschland, S. 271<br />

18 Brief an den Großherzog vom 9. J u l i 1859, Großherzog-Briefe<br />

S. 34<br />

19 Telegramm an die Eltern vom 2. September 1854, Trompeter/<br />

Ekkehard-Briefe S. 25<br />

20 Brief an den Vater vom 28. August 1855, ebd. S. 50<br />

21 Brief an die Mutter vom 9. Januar 1853, Italien-Briefe S. 70f<br />

22 IX,22: "Nur des Nichts Sumpfblüten blühen"; "Balsam der<br />

Vermittlung"; "Erz des Begriffes" usw.<br />

23 Brief an Schwanitz vom 11. Januar 1849, Schwanitz-Briefe<br />

S. 126<br />

24 Brief an Eggers vom 17. Oktober 1847, Eggers-Briefe S. 57f<br />

25 Hinck S. 275, allerdings auf Geibel gemünzt<br />

26 Brief an Ludwig Häusser, z i t . nach Proelß S. 254<br />

27 Brief an Müller vom 11. August-;1861 , Müller-Briefe S. 540<br />

28 Brief an Heyse vom 29. Januar 1866, Heyse-Briefe S. 72<br />

29 Brief vom 16. Februar 1863, z i t . nach Proelß S. 585<br />

30 Ruhemann S. 324<br />

31 Vgl. Poschinger S. 205<br />

32 Brief an den Großherzog vom 31. Dezember 1883, Großherzog-<br />

Briefe S. 128<br />

33 Brief an Dössekel vom 4. Dezember 1882, Briefe an Schweizer<br />

Freunde S. 216<br />

34 Brief an die Mutter vom 4- September 1863, Wandern/Weilen-<br />

Briefe S. 65<br />

35 Lechner S. 131ff und S. 142ff<br />

36 Brief an Emma He<strong>im</strong> vom 26. August 1881, z i t . nach Boerschel<br />

S. 357


210<br />

37 Brief an Werner vom 23. Juni 1867, Werner-Briefe S. 52<br />

38 Brief an Eggers vom 16. Mai 184-5, Eggers-Briefe S. 36<br />

38a Mein-Glück-Briefe S. 41<br />

39 Brief an den Großherzog vom 6. Januar 1872, Großherzog-<br />

Briefe S. 1l6f<br />

40 Brief an Eisenhart vom 29. Dezember 1873, als dieser Scheff<br />

e l <strong>im</strong> Auftrag des bayerischen Königs Ludwig II. den Max<strong>im</strong>iliansorden<br />

übersendet; z i t . nach Kobell S. 83<br />

41 Brief an die Schwester vom 2. Februar 1851, Säckingen-Briefe<br />

S. 103<br />

42 Brief, z i t . nach Boerschel S. 161<br />

43 Brief an Werner vom 6. August 1885, Werner-Briefe S. 209<br />

44 Wenn Freytag an seinen Verleger Hirzel schreibt, daß Scheff<br />

e l "in der Einleitung gegen gewisse Grenzbotenansichten<br />

polemisirt", aber durch den Roman selbst den "wahren Hintergrund"<br />

dieser Ansichten glänzend bestätige - Brief Freytags<br />

an Hirzel vom 28. J u l i 1857, Hirzel-Briefe S. 52.- <strong>Scheffel</strong><br />

w i l l ja ganz <strong>im</strong> Sinne der realistischen Theorie durch den<br />

historischen Roman zur "<strong>von</strong> poesie verklärter Anschauung<br />

der Dinge" (V,5) kommen!<br />

45 Brief an Müller vom 20. April 1854, Müller-Briefe S. 522<br />

46 Fontane, Ekkehard S. 252<br />

47 Immer noch grundlegend: Preisendanz, Humor als dichterische<br />

Einbildungskraft<br />

48 Trompeter/Säckingen-Briefe, Anmerkung 76<br />

49 Lechner S. 9<br />

50 Martini S. 318<br />

51 Bezüglich des Lkke.tia.idi Brief an Landpfarrer Faber nach dem<br />

14. August 1855, Trompeter/Ekkehard-Briefe S. 79<br />

52 Brief an Heyse vom 17. Januar 1856, Heyse-Briefe S. 22<br />

53 Meyer S. 303<br />

54 Vgl. Selbmann S. 108ff<br />

55 "Katerschlachtlied" (1,150); "Katerheldengreis" (1,151);<br />

"Katzenjammer", "Katzenschmerz" (1,152); "Katertraum" (I,<br />

152); "Dach der Dächer" (1,154) usw.<br />

IV. DICHTER UND POLITIK<br />

1 Meyer S. 308<br />

2 Martini S. 315: "Politisch neigte er zum süddeutsch-republikanischen<br />

Demokratismus idealistisch-romantischer Prägung.<br />

Erst die Reichsgründung versöhnte ihn mit Preußen."<br />

3 Proelß S. 349<br />

4 Brief an Eggers vom 18. Oktober 1847, Eggers-Briefe S. 64


211<br />

5 Abgedruckt bei: Franke, Vorwort der <strong>Scheffel</strong>-Ausgabe 1,20<br />

6 Ebd. S. 21<br />

7 Ebd. S. 21<br />

8 Brief an Schwanitz vom 28. J u l i 1849, Schwanitz-Briefe S. 129<br />

9 Elternhaus-Briefe S. 176f<br />

10 Brief an Schwanitz vom 24. Mai 1848, Schwanitz-Briefe S. 116<br />

11 Brief an Schwanitz vom 27. Februar 1848, ebd. S. 102f<br />

12 Wie Bürkle anhand bisher unveröffentlichen Materials herausgearbeitet<br />

hat, so z. B. in dem nicht datierten Faszikel<br />

"Die politische Entwicklung in Parallele mit der religiösen.<br />

Die Staatsform der Zukunft" (Bürkle S. 124)<br />

13 Bürkle S. 124<br />

14 Bürkle S. 125<br />

15 Brief an Schwanitz vom 29. Februar 1848, Schwanitz-Briefe<br />

S. 108<br />

16 Brief an Schwanitz vom 28. J u l i 1849, ebd. S. 129<br />

17 Proelß S. 95<br />

18 Vgl. Wild, Karl Theodor Welcker<br />

19 Wild S. 250<br />

20 Zit. nach Wild S. 228<br />

21 Wild S. 263<br />

22 Wild S. 309<br />

23 Brief an Eggers vom 27. Januar 1849, Eggers-Briefe S. 70<br />

24 Brief an die Mutter vom 11. April 1848, Elternhaus-Briefe<br />

S. 179<br />

25 Brief an die Mutter vom 26. Mai 1848, ebd. S. 184<br />

26 Proelß S. 119<br />

27 Brief an Schwanitz vom 28. J u l i 1849, Schwanitz-Briefe<br />

S. 131.- Vgl. auch Proelß S. 105<br />

28 Brief an Schwanitz vom 11. Januar 1849, Schwanitz-Briefe<br />

S. 126<br />

29 Brief an die Mutter vom 29. Mai 1846, Elternhaus-Briefe<br />

S. 152<br />

30 Zur Nachwirkung Barbarossas jetzt: Schreiner, Die Staufer<br />

in Sage, Legende und Prophetie, in: Die Zeit der Staufer<br />

I I I , S. 249 ff<br />

31 IX,36f: "Mit vollem Atemzug"; "wie ich nach dem Kaiser<br />

r i e f " ; "Riesenhorn"; "stark wie zehntausend<br />

schrei f n"; "n<strong>im</strong>mermüden Munds"; "mit schmetterndem<br />

Gesang" usw.<br />

32 Brief an Schwanitz vom 26. Januar 1850, Schwanitz-Briefe<br />

S. 138<br />

33 Vgl. Proelß S. 36


212<br />

34 <strong>Scheffel</strong>s Verhältnis zu den Burschenschaften: mittlerweile<br />

i s t geklärt, daß <strong>Scheffel</strong> aktiver Burschenschaftler, oftmals<br />

sogar die treibende Kraft und Gründungsmitglied bei Burschenschaftsneugründungen<br />

und -trennungen gewesen i s t , so z.B.<br />

bei der Alemania" und "Palatina" <strong>im</strong> Sommer 184-5, und bei der<br />

Umbildung zur "Frankonia" ein Jahr später. Gerade für Scheff<br />

e l i s t die Nähe zu demokratisch und republikanisch gesinnten<br />

Gruppierungen nachweisbar. Der radikalere Neckarbund,<br />

unter seinen Mitgliedern <strong>Scheffel</strong>s Kommilitone und späterer<br />

Revolutionsführer Carl Blind, i s t beispielsweise durch Abspaltung<br />

aus der "Alemania" hervorgegangen.(vgl. Proelß<br />

S. 54).<br />

35 Brief an Schwanitz vom 13. J u l i 1845, Schwanitz-Briefe S. 18<br />

36 Ebd. S. 18<br />

37 Brief an Schwanitz vom 15. Januar 1846, ebd. S. 43<br />

38 Vgl. Lechner S. 106<br />

39 Vgl. Lechner S. 153-156<br />

40 Vgl. Falck, die Gesellschaft des Heidelberger "Engeren"<br />

41 Vgl. Proelß S. 128<br />

42 Proelß S. 115<br />

43 Proelß S. 59: "einerseits die <strong>von</strong> der Romantik zu sent<strong>im</strong>entalen<br />

Bläßlingen abgeschwächten Gestalten des seinem Wesen<br />

nach so urkräftigen und derben Mittelalters und der altersgrauen<br />

Vorzeit, nach dem Muster des (Je intchioetgen, realparodistisch<br />

umzugestalten, und andererseits: die niedrigsten<br />

und urwüchsigsten Gebilde der organischen Welt <strong>im</strong> Sinne<br />

des Zechhumors mit menschlichen Gelüsten und Empfindungen zu<br />

begaben."<br />

44 Proelß S. 303<br />

45 Etwa durch Vermutungen über einen Zusammenhang einer Geisteskrankheit<br />

<strong>Scheffel</strong>s mit dem Alkoholismus (vgl. Möbius, Uber<br />

<strong>Scheffel</strong>s Krankheit, S. 20).<br />

46 So Lobe S239: "<strong>Scheffel</strong> delektierte sich noch <strong>im</strong> eigenen<br />

Scheitern genüßlerisch resignierend am ihm Unfaßbaren."<br />

47 Eggert S. 67<br />

48 Brief an Eggers vom 17. Oktober 1849, Eggers-Briefe S. 75<br />

49 Brief an die Mutter vom 17. Dezember 1850, Säckingen-Briefe<br />

S. 100<br />

50 Vgl. unausgesprochen Hinck S. 279<br />

51 Brief an Rudolf Häusler vom 10. Oktober 1866, Briefe an<br />

Schweizer Freunde S. 149<br />

52 Brief an Häusler vom J u l i 1867, ebd. S. 165<br />

53 Brief an Erismann vom Juni 1866, Erismann-Briefe S. 27f<br />

54 So Zentner in der Einleitung zu den Elternhaus-Briefen (S.<br />

XXXXVII): <strong>Scheffel</strong> sei gerade deshalb Dichter geworden,<br />

ioei£ er sich aus der P o l i t i k zurückgezogen habe


213<br />

55 Proelß S. 486<br />

56 Brief an Schwanitz vom 26. Januar 1850, Schwanitz-Briefe<br />

S. 137 und weiter: "Der deutsche Napoleon i s t wenigstens<br />

noch nicht dagewesen."<br />

57 Brief an Schwanitz vom 11. Januar 1849, ebd. S. 126<br />

58 Brief an Erismann vom 28. November 1866, Erismann-Briefe<br />

S. 29<br />

59 Brief an Erismann vom 28. J u l i 1870, ebd. S. 41<br />

60 Brief an Werner vom 19. J u l i 1870, Werner-Briefe S. 111<br />

61 Zit. nach Proelß S. 641<br />

62 Ebd. S. 641<br />

63 Brief an Emma He<strong>im</strong> vom 19. November 1871, z i t . nach Boerschel<br />

s. 324<br />

64 Brief an Louise <strong>von</strong> Kobell vom 30. Oktober 1870, z i t . nach<br />

Kobell S. 77<br />

65 Vgl. Hinck S. 272<br />

V. DICHTER UND BÜRGERLICHE GESELLSCHAFT<br />

1 Lobe S. 257<br />

2 Lobe S. 241<br />

3 Eggert S. 172<br />

4 Den Begriff des Bürgertums, so problematisch er sein mag,<br />

differenziere ich ausdrücklich hier nicht. Vgl. in diesem<br />

Zusammenhang: Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit<br />

5 Eggert S. 93<br />

6 Vgl. Lechner S. 49<br />

7 Brief der Mutter, z i t . bei Proelß S. 504ff<br />

8 Brief an den Großherzog vom 5. Dezember 1859, Großherzog-<br />

Briefe S. 39f<br />

9 Lämmert S. 44-7 in Fortführung der Jaußschen These <strong>von</strong> der<br />

Ablesbarkeit des Horizontwandels an der Publikumsreaktion<br />

(vgl. Jauß S. 177)<br />

10 Lämmert S. 451<br />

11 Sallwürck S. 78<br />

12 Sallwürck S. 88<br />

13 Brief an die Mutter vom 24. August 1858, Pflicht/Neigung-<br />

Briefe S. 50<br />

14 Riehl, Eine Rheinfahrt mit <strong>Scheffel</strong>, S. 226<br />

15 Lechner S. 8<br />

16 Lämmert S. 453<br />

17 Schlaffer S. 326


214<br />

18 Lämmert S. 453<br />

19 Proelß S. 423<br />

20 Vgl. Krausnik<br />

21 Brief an Answald, z i t . nach Proelß S. 498f.- Daß <strong>Scheffel</strong><br />

nur beunruhigt i s t , den Widerspruch zwischen dem Anspruch<br />

des freien Schriftstellers und den Entfremdungsbedingungen<br />

des Marktes auf Grund seiner wirtschaftlich gesicherten<br />

Stellung also nicht mitreflektiert, i s t offensichtlich.<br />

22 Brief an Answald, z i t . nach Proelß S. 584f<br />

23 Proelß S. 617<br />

24 Proelß berichtet, unter <strong>Scheffel</strong>s Papieren habe sich ein<br />

Konzept gefunden, "in welchem er sich gegen den Vorwurf<br />

rechtfertigte, daß er sich in die Sphäre des We<strong>im</strong>arschen<br />

Hofes gedrängt habe, in die er als Bürgerlicher nicht gehöre."<br />

(Proelß S. 555)<br />

25 Vgl. Lechner S. 149<br />

26 Brief an Eisenhart vom 27. Dezember 1856, z i t . nach Kobell<br />

S. 41<br />

27 Brief an die Mutter vom 21. August 1858, Pflicht/Neigung-<br />

Briefe S. 50<br />

28 Brief an die Mutter vom 17. Oktober 1858, ebd. S. 52 '<br />

29 So Lobe S. 253<br />

30 Schlaffer S. 302<br />

31 Lämmert S. 441<br />

32 Brief an Frau Engerth vom 17. Dezember 1853, z i t . nach<br />

Ruhemann S. 139<br />

33 Brief an die Mutter vom 4. September 1863, Wandern/Weilen-<br />

Briefe S. 66<br />

34 <strong>Scheffel</strong> <strong>im</strong> Lichte seines 100. Geburtstags S. 5<br />

35 Von <strong>Scheffel</strong> mitgeteilt in einem Brief an Schwanitz vom<br />

9. April 1976, Schwanitz-Briefe S. 248f<br />

36 Brief an den Großherzog vom 18. November 1857, Großherzogbriefe<br />

S. 6, zur Auftragsarbeit des Wartburgromans<br />

37 Brief des Großherzogs an <strong>Scheffel</strong> vom 6. März 1859, Großherzog-Briefe<br />

S. 33<br />

38 Brief des Großherzogs an <strong>Scheffel</strong> vom 11. Januar 1859,<br />

Großherzog-Briefe S. 30: "Dichten kann ich nicht, aber<br />

fühlen kann ich die Kunst"<br />

39 Brief des Großherzogs an <strong>Scheffel</strong> vom 18. März 1873, Großherzog-Briefe<br />

S. 26<br />

40 Zit. nach: Oberbreyer, <strong>Scheffel</strong>'s Adel und Orden, in:<br />

<strong>Scheffel</strong>jahrbuch 1891, S. 93<br />

41 Brief des Großherzogs an <strong>Scheffel</strong> vom 10. Juni 1872, Großherzog-Briefe<br />

S. 119<br />

42 Brief des Großherzogs an <strong>Scheffel</strong> vom 15. Juni 1872, ebd.<br />

S. 121


215<br />

43 Brief an den Großherzog vom 23. Juni 1872, ebd.- S. 123<br />

44 Brief des Großherzogs an <strong>Scheffel</strong> vom 6, Februar 1858, ebd.<br />

S. 11<br />

45 Brief an die Mutter vom 14. September 1863, Wandern/Weilen-<br />

Briefe S. 65<br />

46 Lechner S. 53<br />

47 Vgl. zu diesem Komplex: Schivelbusch, Eisenbahnreise<br />

48 Stöckle, Ich fahr ? in die Welt, <strong>im</strong> Untertitel seines Buches<br />

49 Vgl.: Ä/iblühen, £iglühen, Zugvogel erhebt seine Schwingen,<br />

Sonne zum Qe.te.ite. bestellt usw.<br />

50 IX,28, bei <strong>Scheffel</strong> gesperrt gedruckt. Dabei i s t zu beachten,<br />

daß der Begriff der Polizei noch die gesamte staatliche<br />

Gewalt umfaßt, z. B. auch <strong>Scheffel</strong>s Beruf als Verwaltungsjurist<br />

eingeschlossen i s t , l e t z t l i c h also die Gesamtheit<br />

des Philistertums innerhalb der <strong>bürgerlichen</strong> Gesellschaft<br />

gemeint i s t !<br />

51 Hinck S. 274<br />

52 Brief an den Vater vom 22. Februar 1844» Elternhaus-Briefe<br />

S. 50<br />

53 Brief an die Eltern vom 3. September 1844» ebd. S. 80<br />

54 Brief an Eggers vom 17. Oktober 1849, Eggers-Briefe S. 76<br />

55 Brief an die Mutter vom 19. August 1851, Säckingen-Briefe<br />

S. 129<br />

56 Brief an Schwanitz vom 17. Oktober 1851, Schwanitz-Briefe<br />

S. 179<br />

57 Brief an Heyse vom 26. Oktober 1860, Heyse-Briefe S. 51<br />

58 Brief an den Großherzog vom 27. Juni 1863, Großherzog-Briefe<br />

S. 95<br />

59 Brief an die Mutter vom 30. Oktober 1861, Wandern/Weilen-<br />

Briefe S. 37<br />

60 Brief an den Großherzog vom 15. Juni 1860, Großherzog-<br />

Briefe S. 66<br />

61 Brief an Erismann vom 22. Mai 1863, Erismann-Briefe S. 17<br />

62 Brief an Erismann vom 25. Januar 1866, ebd. S. 25<br />

63 Brief an Emma He<strong>im</strong> vom 6. September 1871, z i t . nach Boerschel<br />

S. 322<br />

64 Brief an Schwanitz vom 24. Februar 1855, Schwanitz-Briefe<br />

S. 205<br />

65 Brief an die Mutter vom 7. August 1859» Pflicht/Neigung-<br />

Briefe S. 80<br />

66 Zusammengestellt bei Lechner S. I68f<br />

67 Vgl. Leitner S. 26f<br />

68 Wolfgang Menzels Literaturblatt 1864» S. 341<br />

69 Stöckle S. 58


216<br />

70 Möbius S. 16<br />

71 Lobe S. 252<br />

73 I,U9f: bei den RosenJ'stehn" die Dornen; "Zum Schluße<br />

kommt das Voneinander^/i/i" ; ein stumrgepriif ter müder Uandß/i^mann";<br />

"da führte mich der U&g zu die hinan" usw. (Hervorhebung<br />

<strong>von</strong> mir)<br />

74 Brief an Werner vom 20. Mai 1868, Werner-Briefe S. 84<br />

75 Wartburgroman S. 51<br />

76 Ebd. S. 54<br />

77 Heyse-Briefe S. 49<br />

78 Brief an den Großherzog vom 6. Januar 1872, Großherzog-<br />

Briefe S. 1l6f<br />

79 Brief an Dössekel vom 5. September 1867, Briefe an Schweizer<br />

Freunde S. 168<br />

80 Brief an die Mutter vom 9. Januar 1853, Italien-Briefe S. 69<br />

81 Brief an E. Rothpietz vom 18. Mai 1873, Briefe an Schweizer<br />

Freunde S. 196<br />

82 Brief an Schwanitz vom 8. J u l i 1884, Schwanitz-Briefe S. 257<br />

83 Brief an Emma He<strong>im</strong> vom 15. Dezember 1857, z i t . nach Boerschel<br />

S. 160<br />

84 Brief an Werner vom 1. März 1886, Werner-Briefe S. 216<br />

VI. DICHTER UND PUBLIKUM<br />

1 Proelß S. 530<br />

2 Zernin, Erinnerungen an <strong>Scheffel</strong>, S. 13.- <strong>Scheffel</strong> fühlte<br />

um seinen Anteil am Gewinn betrogen, als der Berliner Verleger<br />

Otto Janke den pleitegagangenen Meidinger-Verlag und<br />

mit ihm die Rechte am Lkkeka/id erwarb und nicht bereit war,<br />

<strong>Scheffel</strong> an neuen Auflagen - und Gewinnen - angemessen zu<br />

beteiligen.<br />

3 Franke, Vorwort S. 50<br />

4 Brief an Müller vom 24. August 1861, Müller-Briefe S. 542<br />

5 Brief an die Mutter vom 26. Oktober 1856, Mein-Glück-Briefe<br />

S. 26<br />

6 Brief an Heyse vom 25. Februar 1860, Heyse-Briefe S. 49<br />

7 Brief an die Mutter vom 29. September 1855, Trompeter/Ekkehard-Briefe<br />

S. 64<br />

8 Fontane, Ekkehard S. 250: "Was Scott voraus hat, i s t die<br />

schöpferische Fülle; eine Erzählung, wie <strong>Scheffel</strong> sie einmal<br />

geschrieben, schrieb Scott in seiner glänzendsten Zeit<br />

in drei Monaten."<br />

9 Brief an Uhland vom 8. Januar 1854, z i t . nach: <strong>Scheffel</strong>jahrbuch<br />

1904, S. 66


217<br />

10 Meyer S. 305<br />

11 = Schweigen wäre todbringend: Brief an die Schwester vom<br />

10. Oktober 1856, Mein-Glück-Briefe S. 24<br />

12<br />

, f<br />

Bis die Fülle der<br />

Erkenntnis<br />

Und die Lieb' den Steinbann sprengt." (1,110)<br />

13 Zit. nach Rüge S. 90<br />

14 Morgenblatt für gebildete Leser S. 1075<br />

15 Freytag an Hirzel vom 28. J u l i 1857, Briefe an Hirzel S. 52<br />

16 Meyer S. 307<br />

17 Menzels Literaturblatt 1855, S. 283<br />

18 Brief an die Mutter vom 12. August 1855, Trompeter/Ekkehard-<br />

Briefe S. 45<br />

19 Brief an die Mutter vom 4- November 1862, Wandern/Weilen-<br />

Briefe S. 52<br />

20 Brief an die Mutter vom 29. September 1863, ebd. S. 68<br />

21 Proelß S. 298f<br />

22 Zit. nach Kremser S. 10<br />

23 Braun, Literaturbilder der Gegenwart 1869, S. 1225<br />

24 Brief an Werner vom 27. Mai 1867, Werner-Briefe S. 50<br />

25 Gutzkow, Zur Gymnasialreform 1878, S. 140<br />

26 Brief an Werner vom 25. April 1879, Werner-Briefe S. 185<br />

27 Vgl. Boerschel S. 283f<br />

28 Proelß S. 650<br />

29 Lechner S. 154<br />

30 Eggert S. 171<br />

31 Eggert S. 204<br />

32 Vgl. Meyer S. 305f<br />

33 <strong>Scheffel</strong>jahrbuch 1902, S. 57f<br />

34 Proelß S. 658<br />

35 Proelß S. 658<br />

36 <strong>Scheffel</strong>jahrbuch 1903, S.119.- Genauere Zahlen finden sich<br />

bei Lechner S. 146-148:<br />

7/iompe.tei: 1. Aufl. = 1854; 2. Aufl = 1859; 11. Aufl. =<br />

1870; 25. AufL = 1873; 100. Aufl. = 1882;<br />

200. Aufl. = 1892; 322. Aufl. = 1921.<br />

Bis 1907 sind das 369300 Exemplare<br />

£kke.hasid: 1. Aufl. = 1 855; 2. Aufl. = 1862; 3. Aufl. = 1865;<br />

16. Aufl. = 1876; 90. Aufl. = 1890; 200. Aufl.<br />

= 1903/4.<br />

Bis 1907 ergeben sich ca. 329400 Exemplare<br />

Qaude.amu*: 1. Aufl. = 1868; 2. Aufl. = 1869; 10. Aufl. =<br />

1872; 20. Aufl. = 1875; 50. Aufl. = 1887;<br />

60. Aufl. = 1897.


218<br />

Bis 1907 ca. 90200 Exemplare. Dazu kommen noch<br />

Flugblattdrucke u. ä. sowie die nicht nachweisbare<br />

mündliche Verbreitung.<br />

Für das Jahr 1906 kommt Lechner auf eine Gesamtauflage der<br />

Werke <strong>Scheffel</strong>s <strong>von</strong> 911200 Exemplaren.<br />

37 Stork, Angelsport S. 285<br />

38 Breitner S. 13-17 sowie 139ff, dessen anregend kommentierende<br />

Bibliographie in ihrer Machart bis heute unübertroffen i s t !<br />

39 Lechner S. H6: "Die Gründe dafür/"=der Erfolg des Lkke.ka/id]<br />

zu erörtern, maße ich mir nicht an."<br />

4.0 Vgl. Fetzer, der verzögerte Erfolg<br />

41 Vgl. Sengle I, S. 257ff<br />

42 Eggert S. 26<br />

4-3 Eggert S. 31.- Be<strong>im</strong> Lkkcka/id i s t deshalb zu bedenken, daß<br />

die Erstauflage für das Debütwerk <strong>Scheffel</strong>s nicht wie üblich<br />

etwa 1000 Exemplare betrug, sondern wegen des zu erwartenden<br />

Reihenabsatzes gleich 10000 Stück. Der angeblich so<br />

schleppende Absatz des Lkke-ka/id (Fetzer S. 28) darf also<br />

nicht an der Zeitspanne bis zur 2. Auflage gemessen werden!<br />

Dazu kommen noch die Streitigkeiten um und mit dem Roman,<br />

der unter die Konkursmasse des <strong>von</strong> Otto Janke übernommenen<br />

Meidingerverlags f i e l und auch <strong>von</strong> da her an einem 'normalen'<br />

Absatz gehindert war (vgl. Eggert S. 4-0).<br />

4-4- Vgl. Müller-Seidel, Literatur und Ideologie<br />

4.5 <strong>Scheffel</strong> <strong>im</strong> Lichte seines 100. Geburtstags S. 21<br />

46 Ebd. S. 31<br />

LI Ebd. S. 119<br />

LS <strong>Scheffel</strong>jahrbuch 1926, S. 6<br />

L9 Ebd. S. SL<br />

50 Köhler-Briefe S. I<br />

51 Ebd. S. I<br />

52 <strong>Scheffel</strong>bund, Bewahrer und Erwecker volks- und stammesverbundenen<br />

Geistes<br />

53 Material dazu: Breitner S. 179ff<br />

5L So Lobe S. 235<br />

VII. DER ILLUSTRIERTE DICHTER<br />

1 Für einen anderen Bereich: vgl. Ott/Walliczek, Bildprogramm<br />

und Textextstruktur; auch: Hess, Allegorie und Historismus<br />

2 Vgl. Realismus und Gründerzeit S. 182ff<br />

3 Börsenblatt des dt. Buchhandels 1883 Nr. L3, S. 801<br />

L Vgl. Hess, Bildersaal des Mittelalters<br />

5 Vgl. Katalog: Photographie <strong>im</strong> 19. Jahrhundert


219<br />

6 Vgl. Selbmann S. 1l6ff<br />

7 Brief an Werner vom 11. März 1869, Werner-Briefe S. 103<br />

8 Brief an Werner vom 16. Februar 1880, ebd. S. 189f<br />

9 Realismus und Gründerzeit S. 183<br />

10 Nachblätter zur J-unipe.n.u.A-Ausgabe, ohne Seitenzählung<br />

11 Börsenblatt 1881 Nr. 270, S. 5311<br />

12 Grenzboten 35. Jahrgang, Nr. 1 (1876), S. 330<br />

13 Börsenblatt 1883 Nr. 259, S. 5028<br />

14 Deutsche Buchhändler-Akademie, 1. Band, 1884, S. 636<br />

15 Ebd. S. 640<br />

16 Vgl. seine Memoiren <strong>von</strong> 1913 mit dem T i t e l "Erlebnisse und<br />

Eindrücke"<br />

17 Jetzt: Oettermann, Panorama S. 204-210<br />

18 Vgl. Hess, Panorama und Denkmal<br />

19 Werner-Briefe S. VII<br />

20 Brief an Werner vom 3. Januar 1865, Werner-Briefe S. 25f<br />

21 Brief an Werner vom 24. Juni 1868, ebd. S. 89<br />

22 <strong>Scheffel</strong> erwähnt nur einmal <strong>im</strong> Rahmenteil seiner Novelle,<br />

daß der Held mit einem "Hilf Sankt Georg!" in die Schlacht<br />

geht (11,11)<br />

23 Brief an Werner vom 28. Februar 1866, Werner-Briefe S. 28<br />

24 Ebd. S. VIII<br />

25 Brief an Werner vom 27. April 1867, ebd. S. 43<br />

26 Vgl. Ein Jahrhundert Hermannsdenkmal 1875 -1975<br />

27 An dessen Sitzungen hat <strong>Scheffel</strong> wohl mehrfach teilgenommen.<br />

Vgl. auch <strong>Scheffel</strong>s Freundschaft mit Paul Heyse und <strong>Scheffel</strong>n<br />

"Krokodil"-Zitat <strong>im</strong> Widmungsgedicht IX,214f<br />

28 Brief an Werner vom 29. August 1867, Werner-Briefe S. 56f<br />

29 Brief an Werner <strong>von</strong> Ostern 1869, ebd. S. 107<br />

30 Brief an Werner vom 9. Januar 1874, ebd. S.138.- Die I.Aufl.<br />

der Be./igp^a<strong>im</strong>zn wird also wohl zum Jahresende 1873 erschienen<br />

sein<br />

31 Vgl. Anton <strong>von</strong> Werner, Erlebnisse und Eindrücke, S. 144<br />

32 Brief an Werner vom 12. Januar 1875, Werner-Briefe S. 141<br />

33 Brief an Werner vom Januar 1881, ebd. S. 192<br />

34 Brief an Werner vom 12. Februar 1884, ebd. S. 206<br />

35 Brief an Werner vom 6. Januar 1874, ebd. S. 138


221<br />

ZEITTAFEL<br />

16. Februar 1826 <strong>Joseph</strong> <strong>Viktor</strong> <strong>Scheffel</strong> als Sohn des Ingenieurs<br />

und Majors Philipp Jakob <strong>Scheffel</strong> und dessen<br />

Ehefrau <strong>Joseph</strong>ine geb. Krederer in Karlsruhe<br />

geboren.<br />

1843<br />

1843/44<br />

1 844/45<br />

1845/46<br />

1846/47<br />

März 1848<br />

1849<br />

Ende 1849<br />

Dezember 1851<br />

Man 18 52<br />

Mai 18 53<br />

Abschluß des Karlsruher Gymnasiums als Pr<strong>im</strong>us.<br />

Zwei Semester Studium der Rechte in München.<br />

Teilnahme am kulturellen und politischen Leben<br />

der Stadt. Erste Alpenwanderungen.<br />

Zwei Semester Studium in Heidelberg. Intensives<br />

Burschenschafts- und Verbindungsleben.<br />

Dazwischen Wanderungen in die Umgebung.<br />

Studium in Berlin. Wanderungen in Thüringen.<br />

Auseinandersetzung mit Philosophie und b i l ­<br />

dender Kunst. Erste Lieden einet ^ahnenden<br />

Qete l len .<br />

Letzte Studiensemester in Heidelberg. Examensvorbereitungen.<br />

Burschenschaftsleben.<br />

Beteiligung an der liberal-demokratisehen Bewegung.<br />

Zeitweilig Sekretär des Bundestagsgesandten<br />

und Abgeordneten Karl Theodor<br />

Welcker. Mit Welcker Teilnahme am Frankfurter<br />

Vorparlament und an der Nationalversammlung.<br />

Reisen mit Welcker nach Lauenburg und Wien,<br />

die jedoch erfolglos enden. Staatsexamen in<br />

Karlsruhe. Enttäuschung über das Scheitern<br />

der Nationalversammlung.<br />

Promotion. Praktikum am Heidelberger Oberamt.<br />

Beteiligung als Bürgerwehrmann be<strong>im</strong> Ausbruch<br />

der Revolution. Wanderungen nach Oberitalien<br />

und in den Schwarzwald.<br />

Assessorenstelle"am Bezirksamt in"Säckingen.<br />

Säckingen. E p ittetn und der Aufsatz Aua dem<br />

HauenaI e in ei Sckwanzwa Id . Wanderungen nach<br />

Graubünden und Tirol.<br />

Sekretär be<strong>im</strong> Hofgericht in Bruchsal.<br />

Urlaub. Reise nach Italien zur Ausbildung als<br />

Maler. Florenz, Pisa. Längerer Aufenthalt in<br />

Rom. Mal- und Zeichenunterricht. Mit der<br />

deutschen Künstlerkolonie in den Albaner<br />

Bergen. Reise über Rom, Neapel, Capri, Sorrent.<br />

Zweifel am Malerberuf. Dort Beginn der l i t e ­<br />

rarischen Tätigkeit, den Inompeten <strong>von</strong> Säkkingen.<br />

Einige Lieder, die später in den Gaudeamus<br />

aufgenommen wurden.<br />

He<strong>im</strong>kehr. Gescheiterte LiebesbeZiehungen. Vergebliche<br />

Werbung um seine Kusine Emma He<strong>im</strong>.<br />

Entschluß, Privatdozent werden zu wollen.


222<br />

Weihnachten 1853 Veröffentlichung des 7/iompete/i. Beginn mit<br />

Quellen- und Archivstudien zur mittelalterlichen<br />

Geschichte.<br />

März 1854<br />

Frühjahr 1855<br />

Mai 1855<br />

Winter 1855/56<br />

1857<br />

Oktober 1856<br />

Oktober 1857<br />

März 1859<br />

Mai 1860<br />

März 1861<br />

J u l i 1863<br />

Beginn des Ekkehard. Studienaufenthalt in<br />

St. Gallen, <strong>im</strong> Hegau und auf dem Hohentwiel.<br />

Bewerbung um die Professur für Deutsche Literatur<br />

am Eidgenössischen Polytechnikum in<br />

Zürich. Vergeblich, die Stelle erhält F.T.<br />

Vischer.<br />

Veröffentlichung des Ekkehard. Plan für einen<br />

historischen Roman Irene <strong>von</strong> Spit<strong>im</strong>berg, angeregt<br />

durch die Freundschaft mit dem Maler<br />

Anselm Feuerbach.<br />

Mit Feuerbach Venedigreise und Bibliotheksstudien.<br />

Fluchtartige Reise wegen Choleraausbruch<br />

ins Kastell Toblino in Südtirol.<br />

Kränkelnd - und depressiv in Karlsruhe. Veröffentlichung<br />

des Reisetagebuchs als Qedenkbuch<br />

üben, stattgehabte Einlagerung auf Kasteit<br />

Jobtino. Kopf- und Augenleiden. Reise nach<br />

Südfrankreich.<br />

Veröffentlichung der Reiseeindrücke als Reisebild<br />

Ein lag am Quett de/i Vaucluse. Fieberanfall.<br />

Kur in Bad Rippoldsau. Kontakte zum<br />

Münchner Dichterkreis. Aussicht auf eine<br />

Stelle in München.<br />

Umzug nach München. Die nachgereiste Schwester<br />

Marie stirbt kurz nach ihrer Ankunft an Typhus.<br />

Depressionen und Selbstvorwürfe. Reise nach<br />

Paris und in die Normandie.<br />

Bibliothekar an der fürstlichen Hofbibliothek<br />

<strong>von</strong> Fürstenberg in Donaueschingen. Katalogisierung<br />

der Bestände. Druck des Katalogs.<br />

Beginn der Novelle Juniperus.<br />

Ausscheiden aus dem Bibliotheksdienst. Studienwanderfahrten.<br />

Auftrag des Großherzogs <strong>von</strong><br />

Sachsen-We<strong>im</strong>ar-Eisenach, einen Wartburgroman<br />

zu schreiben. Besuch und Aufenthalt auf der<br />

Wartburg. Aufenthalt <strong>im</strong> Chiemgau und auf<br />

Frauenchiemsee. Zahlreiche Gedichte entstehen.<br />

Reise ins Salzkammergut und durch die Alpen.<br />

Vollendung des Wartburgromans erweist sich als<br />

unmöglich. Gehirnentzündung. Aufenthalt in<br />

der Schweizer Heilanstalt Brestenberg. Gedichte<br />

für die Sammlung 7 tau Avent iure.<br />

Genesung. Reisen an den Niederrhein und in<br />

die Schweiz. Depressive St<strong>im</strong>mung.<br />

Vollendung der 7/tau Aventiure . Aufenthalt<br />

in Pienzenau <strong>im</strong> Mangfalltal (Oberbayern). Von<br />

dort aus Oberland- und Alpenwanderungen mit<br />

Ludwig Steub.


223<br />

Winter 1863/64<br />

August 1864<br />

Februar 1865<br />

Sommer 1866<br />

Mai 1867<br />

Januar 1 869<br />

1872<br />

1876<br />

1878<br />

seit 1881<br />

1886<br />

Werbung um die bayerische<br />

Caroline <strong>von</strong> Malsen.<br />

Diplomatentochter<br />

Heirat. Hochzeitsreise nach Oberitalien.<br />

Aufenthalt in Seon.<br />

Tod der Mutter. Wanderungen.<br />

Scheitern der Ehe, Trennung.<br />

Sohn Victor geboren. Veröffentlichung der<br />

Liedersammlung Qau.de.amu.4.<br />

Tod des Vaters. Entführung des eigenen Sohnes<br />

<strong>von</strong> München nach Karlsruhe. Beginn der Zusammenarbeit<br />

und Freundschaft mit Anton <strong>von</strong><br />

Werner. Veröffentlichung der Novelle J.un Lpe/tu*,<br />

9. April 1886 Tod in Karlsruhe<br />

Ankauf eines Grundstücks in Radolfzell für<br />

den Bau des Landsitzes "Seehalde"<br />

Ankauf der Halbinsel Mettnau und des Mettnauschlößchens.<br />

Zahlreiche Ehrungen zum 50. Geburtstag.<br />

Persönlicher und erblicher Adel.<br />

Veröffentlichung der Waldeinsamkeit,<br />

Weitergehender Rückzug aus dem öffentlichen<br />

Leben. Landwirt und Gutsbesitzer.<br />

Feier des 60. Geburtstags in Heidelberg. Versöhnung<br />

mit der Gattin.


225<br />

LITERATURVERZEICHNIS<br />

1. Zur Problemstellung<br />

Hartmut"Eggert: Studien zur Wirkungsgeschichte des deutschen<br />

historischen Romans 1850 - 1875. Frankfurt 1971. (=Studien<br />

zur Philosophie und Literatur des neunzehnten Jahrhunderts<br />

Band 14).<br />

Jürgen Habermas: Strukturwandel der Öffentlichkeit. Untersuchungen<br />

zu einer Kategorie der <strong>bürgerlichen</strong> Gesellschaft.<br />

5. Aufl. Neuwied 1971 .<br />

Hans J. Haferkorn: Zur Entstehung der bürgerlich-literarischen<br />

Intelligenz und des Schriftstellers <strong>im</strong> Deutschland zwischen<br />

1750 und 1800, in: Literaturwissenschaft und Sozialwissenschaften<br />

3: Deutsches Bürgertum und literarische Intelligenz<br />

1750 - 1800. Stuttgart 1974. S. 113-275.<br />

Günter Hess: Allegorie und Historismus. Zum 1 Bildgedächtnis'<br />

des späten 19. Jahrhunderts, in: Verbum et Signum. 1. Band.<br />

Beiträge zur mediävistischen Bedeutungsforschung, Hrsg. <strong>von</strong><br />

Hans Fromm, Wolfgang Harms, Uwe Ruberg. München 1975. S. 555-<br />

591 .<br />

Ders.: Panorama und Denkmal. Erinnerung als Denkform zwischen<br />

Vormärz und Gründerzeit, in: Literatur in der sozialen Bewegung.<br />

Aufsätze und Forschungsberichte zum 19. Jahrhundert.<br />

Hrsg. <strong>von</strong> Alberto Martino. Tübingen 1977. S. 130-206.<br />

Ders.: Bildersaal des Mittelalters. Zur Typologie i l l u s t r i e r t e r<br />

Literaturgeschichte <strong>im</strong> 19. Jahrhundert, in: Deutsche Literatur<br />

<strong>im</strong> Mittelalter. Kontakte und Perspektiven. Hugo Kuhn zum<br />

Gedächtnis. Hrsg. <strong>von</strong> Christoph Cormeau. Stuttgart 1979.<br />

S. 500-546.<br />

Paul Heyse. Münchner Dichterfürst <strong>im</strong> <strong>bürgerlichen</strong> <strong>Zeitalter</strong>.<br />

Katalog der Ausstellung der Bayer. Staatsbibliothek 1981.<br />

München 1981.<br />

V/alter Hinck: Epigonendichtung und National idee. Zur Lyrik<br />

Emanuel Geibels, in: ZfdPh 85 (1966). S.267-284.<br />

Wolfgang Iser/Fritz Schalk (Hrsg.): Dargestellte Geschichte in<br />

der europäischen Literatur des 19. Jahrhunderts. Frankfurt<br />

1971. (=Studien zur Philosophie und Literatur des neunzehnten<br />

Jahrhunderts Band 7).<br />

Ein Jahrhundert Hermannsdenkmal 1875 -1975. Hrsg. <strong>von</strong> Günther<br />

Engelbert. Detmold 1975. i=Sonderveröffentlichungen des naturwissenschaftlichen<br />

und historischen Vereins für das Land Lippe<br />

Band 23).<br />

Hans Robert Jauß: Literaturgeschichte als Provokation. 2.Aufl.<br />

Frankfurt 1970.<br />

Michael Krausnik: Paul Heyse und der Münchener Dichterkreis.<br />

Bonn 1974. (-Abhandlungen zur Kunst-, Musik- und Literaturwissenschaft<br />

Band 165).


226<br />

Eberhard Lämmert: Der Dichterfürst, in: Dichtung, Sprache,<br />

Gesellschaft. Akten des IV. Internationalen Germanistenkongresses<br />

1970 in Princeton. Hrsg. <strong>von</strong> Victor Lange und Hanns-<br />

Gert Roloff. Frankfurt 1971. (=Beihefte zum Jahrbuch für<br />

Int. Germanistik 1). S. 439-455.<br />

Fritz Martini: Deutsche Literatur <strong>im</strong> <strong>bürgerlichen</strong> Realismus<br />

1848 - 1898. 2., durchges. Aufl. Stuttgart 1964.<br />

Richard M. Meyer: Die deutsche Literatur des Neunzehnten Jahrhunderts.<br />

Berlin 1912.<br />

Walter Müller-Seidel: Theodor Fontane. Soziale Romankunst in<br />

Deutschland. Stuttgart 1975.<br />

Ders.: Literatur und Ideologie. Zur Situation des deutschen<br />

Romans um 1900, in: Dichtung, Sprache, Gesellschaft (s. unter<br />

Lämmert). S. 593-601.<br />

Stephan Oettermann: Das Panorama. Die Geschichte eines Massenmediums.<br />

Frankfurt 1980.<br />

Norbert H. Ott/Wolfgang Walliczek: Bildprogramm und Textstruktur.<br />

Anmerkungen zu den 1 Iwein ? -Zyklen auf Rodeneck und in<br />

Schmalkalden, in: Deutsche Literatur <strong>im</strong> Mittelalter (s. unter<br />

Hess). S. 473-500.<br />

"In unnabhahmlicher Treue". Photographie <strong>im</strong> 19. Jahrhundert -<br />

ihre Geschichte in den deutschsprachigen Ländern. Ausstellungskatalog<br />

Köln 1979.<br />

Wolfgang Preisendanz: Humor als dichterische Einbildungskraft.<br />

Studien zur Erzählunst des poetischen Realismus. München 1963.<br />

(=Theorie und Geschichte der Literatur und der schönen Künste<br />

Band 1).<br />

Realismus und Gründerzeit. Hrsg. <strong>von</strong> Max Bucher u. a. Band 1.<br />

Stuttgart 1976.<br />

Wolfgang Schivelbusch: Geschichte der Eisenbahnreise. Zur<br />

Industrialisierung <strong>von</strong> Raum und Zeit <strong>im</strong> 19. Jahrhundert. Frankfurt,<br />

Berlin, Wien 1979 (=Ullstein-Materialien Anthropologie).<br />

Heinz Schlaffer: Das Dichtergedicht <strong>im</strong> 19. Jahrhundert. Topos<br />

und Ideologie, in: Jahrbuch d. dt. Schiller-Gesellschaft 10<br />

(1966). S. 297-335.<br />

Klaus Schreiner: Die Staufer in Sage, Legende und Prophetie, in":<br />

Die Zeit der Staufer III. Ausstellungskatalog Stuttgart 1977.<br />

S. 249-262.<br />

Rolf Selbmann: Theater <strong>im</strong> Roman. Studien zum Strukturwandel des<br />

deutschen Bildungsromans. München 1981. ( = Münchner Universitätssehriften<br />

23).<br />

Friedrich Sengle: Biedermeierzeit. Deutsche Literatur <strong>im</strong><br />

Spannungsfeld zwischen Restauration und Revolution 1815 - 1848.<br />

Band I bis III. Stuttgart 1971-1980.<br />

Hartmut Steinecke: Romantheorie und Romankritik in Deutschland.<br />

Die Entwicklung des Gattungsverständnisses <strong>von</strong> der Scott-<br />

Rezeption bis zum programmatischen Realismus. Band 1. Stuttgart<br />

1975.<br />

Karl Wild: Karl Theodor Welcker, ein Vorkämpfer des älteren<br />

Liberalismus. Heidelberg 1913.


227<br />

Manfred Windfuhr: Der Epigone. Begriff, Phänomen und Bewußtsein,<br />

in: Archiv f. Begriffsgeschichte 4 (1959). S. 182-209.<br />

2. Ausgaben und Briefe<br />

<strong>Joseph</strong> Victor <strong>von</strong> <strong>Scheffel</strong>s Werke. Hrsg. <strong>von</strong> Johannes Franke.<br />

10 Bände. Leipzig (1917).<br />

Irene <strong>von</strong> Spil<strong>im</strong>berg. Unvollendeter Roman <strong>von</strong> Josef <strong>Viktor</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Scheffel</strong>. Für den Deutschen <strong>Scheffel</strong>bund aus dem Nachlaß des<br />

Dichters hrsg. und eingel. <strong>von</strong> Friedrich Panzer. Karlsruhe 1930.<br />

<strong>Scheffel</strong>s Wartburgroman. I.Teil: Wartburggeschichten. Für den<br />

Deutschen <strong>Scheffel</strong>bund aus dem Nachlaß des Dichters hrsg. <strong>von</strong><br />

Friedrich Panzer. Karlsruhe 1937.<br />

Juniperus. Geschichte eines Kreuzfahrers erzählt <strong>von</strong> J.V.<br />

<strong>Scheffel</strong>, i l l u s t r . v. A. v. Werner. Stuttgart 1867.<br />

Gaudeamus! Lieder aus dem Engern und Weitern <strong>von</strong> <strong>Joseph</strong> Victor<br />

<strong>von</strong> <strong>Scheffel</strong>. Mitt 111 Holzschnitt-Illustrationen u. Vignetten<br />

und einem Titelbild in Tondruck <strong>von</strong> Anton <strong>von</strong> Werner. 2., verm<br />

Aufl. Stuttgart 1877.<br />

Der Trompeter <strong>von</strong> Säkkingen. Ein Sang vom Oberrhein <strong>von</strong> <strong>Joseph</strong><br />

Victor <strong>von</strong> <strong>Scheffel</strong>. I l l u s t r i r t <strong>von</strong> Anton <strong>von</strong> Werner. 2. Aufl.<br />

Stuttgart 1879.<br />

Bilder zu <strong>Scheffel</strong>'s Ekkehard <strong>von</strong> J.Benczur u. a. München o.<br />

J. (1879).<br />

Festschrift zum Jubiläum der Universität Heidelberg <strong>von</strong> <strong>Joseph</strong><br />

Victor <strong>von</strong> <strong>Scheffel</strong>. Mit einer Illustration <strong>von</strong> Anton <strong>von</strong><br />

Werner. Stuttgart 1886.<br />

Elternhaus-Briefe: <strong>Joseph</strong> Victor <strong>von</strong> <strong>Scheffel</strong>. Briefe ins<br />

Elternhaus 1843 - 1849/ Im Auftr. d. Dt. <strong>Scheffel</strong>bundes eingel.<br />

u. hrsg. v. Wilhelm Zentner. Karlsruhe 1926.<br />

Säckin.^en-Briefe: <strong>Scheffel</strong> in Säckingen. Briefe ins Elternhaus<br />

1850 - 1851. Im Auftr. d. Dt. <strong>Scheffel</strong>bundes eingel. u.<br />

hrsg. v. Wilhelm Zentner. Karlsruhe 1927.<br />

Italien-Briefe: <strong>Scheffel</strong> in Italien. Briefe ins Elternhaus<br />

1852 -1853. Im Auftr. d. Dt. <strong>Scheffel</strong>bundes eingel. u. hrsg.<br />

v. Wilhelm Zentner. Karlsruhe 1929.<br />

Trompeter/Ekkehard-Briefe: Vom Trompeter zum Ekkehard. <strong>Scheffel</strong>s^<br />

Briefe ins Elternhaus 1853/55. Im Auftr. d. Dt. <strong>Scheffel</strong>bundes<br />

eingel. u. hrsg. v. Wilhelm Zentner. Karlsruhe 1934.<br />

Mein-Glück-Briefe: "Mein Glück w i l l mir nicht glücken". <strong>Scheffel</strong>s<br />

Briefe ins Elternhaus 1856/57. Für d. Dt. <strong>Scheffel</strong>bund <strong>im</strong><br />

Reichswerk Buch und Volk eingel. u. hrsg. v. Wilhelm Zentner.<br />

Karlsruhe 1939.<br />

Pflicht/Neigung-Briefe: Zwischen Pflicht und Neigung. <strong>Scheffel</strong><br />

in Donaueschingen. Briefe ins Elternhaus 1857/59. Für den<br />

Volksbund f. Dichtung vorm. <strong>Scheffel</strong>bund eingel. u. hrsg. v.<br />

Wilhelm Zentner. Karlsruhe 1946.


228<br />

Wandern/Weilen-Briefe: Wandern und Weilen. <strong>Scheffel</strong>s Briefe ins<br />

Elternhaus 1860 - 1864-. Hrsg. u. e r l . v. Wilhelm Zentner. Karlsruhe<br />

1951.<br />

Köhler-Briefe: Vom jungen <strong>Scheffel</strong>. Briefe an seinen Studienfreund<br />

Rudolf Köhler. Mit einer Einführung v. Theodor Hampe.<br />

We<strong>im</strong>ar 1926.<br />

Eggers-Briefe: Eine Studienfreundschaft. <strong>Scheffel</strong>s Briefe an<br />

Friedrich Eggers 1844/1849. Im Auftr. d. Dt. <strong>Scheffel</strong>bundes<br />

eingel. u. hrsg. v. Dr. Gerda Rüge. Karlsruhe 1936.<br />

Erismann-Briefe: Briefe J. V. v. <strong>Scheffel</strong>s an Dr. A. Erismann<br />

in Brestenberg. Mit 4 Bildern hrsg. v. R. Bosch. Aarau 1926.<br />

Schwanitz-Briefe: Josef Victor v. <strong>Scheffel</strong>s Briefe an Karl<br />

Schwanitz. (Nebst Briefen der Mutter <strong>Scheffel</strong>s.) (1845 - 1886).<br />

Leipzig 1906.<br />

Briefe J. V. v. <strong>Scheffel</strong>s an Schweizer Freunde. Mit Porträt<br />

<strong>Scheffel</strong>s <strong>im</strong> Lichtdruck hrsg. v. Adolf Frey. Zürich 1898.<br />

Großherzog-Briefe: Briefwechsel zwischen <strong>Joseph</strong> <strong>Viktor</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Scheffel</strong> und Carl Alexander, Großherzog <strong>von</strong> Sachsen-We<strong>im</strong>ar-<br />

Eisenach. Im Auftr. d. Dt. <strong>Scheffel</strong>bundes hrsg. v. Conrad<br />

Höfer. Karlsruhe 1928.<br />

Heyse-Briefe: Briefwechsel zwischen <strong>Joseph</strong> <strong>Viktor</strong> <strong>von</strong> <strong>Scheffel</strong><br />

und Paul Heyse. Für d. Dt. <strong>Scheffel</strong>bund hrsg. v. Conrad Höfer.<br />

Karlsruhe 1932.<br />

Müller-Briefe: Otto Müller: <strong>Joseph</strong> <strong>Viktor</strong> v. <strong>Scheffel</strong> und Otto<br />

Müller 1854 - 1861, in: PMLA 53 Nr. 2 (1938). S. 519-544.<br />

Werner-Briefe: Briefe <strong>von</strong> Josef Victor <strong>von</strong> <strong>Scheffel</strong> an Anton<br />

<strong>von</strong> Werner 1863 - 1886. Mit Anmerkungen vers. u. hrsg. v. d.<br />

Empfänger. Stuttgart 1915.<br />

3. Ausgewählte Rezensionen<br />

(Julius Braun:) Literaturbilder der Gegenwart X: <strong>Joseph</strong> Victor<br />

<strong>Scheffel</strong>, in: Münchener Propyläen, I. Jahrgang Nr. 52 (1869).<br />

S. 1225-1228.<br />

Theodor Fontane: <strong>Joseph</strong> <strong>Viktor</strong> <strong>von</strong> <strong>Scheffel</strong>: Ekkehard, in:<br />

Literarische Essays und Studien. 1. Teil. München o. J.<br />

(-sämtliche Werke Band XXI/1). S. 250-252.<br />

J. B...s, in: Frankfurter Museum Nr. 23, II. Jahrgang vom<br />

7. Juni 1856. S. 180-182.<br />

Gustav Freytag an Salomon Hirzel und die Seinen. Mit einer<br />

Einleitung <strong>von</strong> Alfred Dove. Als Handschrift für Freunde gedruckt.<br />

0. 0. 0. J. S. 52f.<br />

Karl Gutzkow: Der Trompeter <strong>von</strong> Säckingen, in: Unterhaltunger.<br />

am häuslichen Herd. Dritter Band Nr. 9(1855). S. 144.<br />

Ders.: Zur Gymnasialreform, in: Deutsche Revue, Jahrgang II,<br />

Heft 4 (Januar 1 878 ). S. 134-140.<br />

Wolfgang Menzels Literaturblatt Nr. 30 vom 15. Aoril 1854.<br />

S. 117f.


229<br />

Dass. Nr. 71 vom 5. September 1855. S. 281-283.<br />

Dass. Nr. 86 vom 26. Oktober 1864. • S. 341-343.<br />

Morgenblatt für gebildete Leser Nr. 45 vom 4. November 1855.<br />

S. 1073-1076.<br />

Konrad Alberti: Der Lieblingsdichter des neuen Deutschland, in:<br />

Schorers Familienblatt, 7. Band (1886). S. 269-271.<br />

4. Bibliographien<br />

Anton Breitner: <strong>Joseph</strong> <strong>Viktor</strong> <strong>von</strong> <strong>Scheffel</strong> und seine Literatur.<br />

Prodromos einer <strong>Scheffel</strong>-Bibliographie. Bayreuth 1912.<br />

Ernst Carlebach: <strong>Joseph</strong> Victor v. <strong>Scheffel</strong>. Erstausgaben -<br />

<strong>Scheffel</strong>literatur. Zu seinem 100. Geburtstag am 16. Februar<br />

1926. Antiquarisches Verzeichnis Nr. 341. Heidelberg 1926.<br />

5. Erinnerungen und andere Quellen<br />

Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel 1881, Nr. 270. S. 5311<br />

Dass. 1883, Nr. 43. S. 801<br />

Dass. 1883, Nr. 259. S. 5028<br />

Rosalie Braun-Artaria: Von berühmten Zeitgenossen. Lebenserinnerungen<br />

einer Siebzigerin. 3., unv. Aufl. München 1918.<br />

Deutsche Buchhändler-Akademie, 1. Band. We<strong>im</strong>ar 1884. S. 636<br />

R. Falck: Die Gesellschaft des Heidelberger "Engeren". Nach<br />

Privatmitteilungen <strong>von</strong> <strong>Scheffel</strong> und seinen Freunden. Berlin<br />

1 880.<br />

Die Grenzboten, 35. Jahrgang, Nr. 1 (1876). S. 330.<br />

Louise <strong>von</strong> Kobell: Josef Victor <strong>von</strong> <strong>Scheffel</strong> und seine Familie.<br />

Nach Briefen und mündlichen Mittheilungen. Schwetzingen-Heidelberg<br />

und Wien 1901.<br />

Gerhart Herrmann Mostar: Friederike Kempner, der schlesische<br />

Schwan. Das Genie der unfreiwilligen Komik. 5. Aufl. München<br />

1972. (=dtv 292).<br />

W.H.Riehl: Eine Rheinfahrt mit <strong>Viktor</strong> <strong>Scheffel</strong>, in: ders.:<br />

Kulturgeschichtliche Charakterköpfe. Aus der Erinnerung gezeichnet.<br />

2. Aufl. Stuttgart 1892. S. 207-236.<br />

H. Stork senior: Der Angelsport. Das Wissenswerteste aus demselben<br />

nebst Anleitungen zum Gebrauch der Angelgeräte sowie<br />

Beschreibungen der verschiedensten Angelmethoden besonders<br />

der Flugangel, der Grundangel, der Spinnangel und der Schleppangel.<br />

Als Anhang: Angler-Fahrten. Dr. Victor <strong>von</strong> <strong>Scheffel</strong> als<br />

Angler. Im Selbstverlage des Verfassers. München 1898.<br />

Anton <strong>von</strong> Werner: Erlebnisse und Eindrücke 1870 - 1890. Berl<br />

i n 1913.<br />

Gebhard Zernin: Erinnerungen an Dr. Josef Victor <strong>von</strong> <strong>Scheffel</strong>.<br />

Erlebtes und Erfahrenes. 2. verb. Aufl. Darmstadt/Leipzig 1887.


230<br />

6. <strong>Scheffel</strong>-Literatur<br />

Ernst Boerschel: Josef <strong>Viktor</strong> <strong>von</strong> <strong>Scheffel</strong> und Emma He<strong>im</strong>. Eine<br />

Dichterliebe. Mit Briefen u. Erinnerungen. Berlin 1906.<br />

Hermann Bürkle: <strong>Joseph</strong> Victor <strong>von</strong> <strong>Scheffel</strong> als Politiker (1826-<br />

1886). Diss. Frankfurt 1925.<br />

Lotte Bus: Die Geschichte <strong>im</strong> Erzählwerk <strong>Joseph</strong> <strong>Viktor</strong> <strong>von</strong> <strong>Scheffel</strong>s.<br />

Diss. masch. München 1944.<br />

Günther Fetzer: Der verzögerte Erfolg. <strong>Joseph</strong> Victor <strong>von</strong> Scheff<br />

e l und sein Publikum, in: Badische He<strong>im</strong>at 1976, Heft 1. S. 27-<br />

35.<br />

Werner Kremser: Studien über <strong>Joseph</strong> <strong>Viktor</strong> <strong>von</strong> <strong>Scheffel</strong>. Aus<br />

dem bisher unerschlossenen Nachlaß des Dichters. Salzburg 1913.<br />

Manfred Lechner: <strong>Joseph</strong> Victor <strong>von</strong> <strong>Scheffel</strong>. Eine Analyse seines<br />

Werks und seines Publikums. Diss. München 1962.<br />

Ingrid Leitner: Angewandte Geschichte. Untersuchung zu <strong>Scheffel</strong>s<br />

Archaismen. Mag.-Arb. (ungedr.) München 1973.<br />

Jochen Lobe: <strong>Viktor</strong> <strong>von</strong> <strong>Scheffel</strong>, eine fränkische Fehlanzeige,<br />

in: Poetisches Franken hrsg. v. Wolfgang Buhl. Würzburg 1971.<br />

S. 235-260.<br />

P.J.Möbius: Uber <strong>Scheffel</strong>s Krankheit. Halle 1907.<br />

S.G.Mulert: <strong>Scheffel</strong>s Ekkehard als historischer Roman. Ästhetisch-kritische<br />

Studie. Münster 1909.<br />

Friedrich Panzer: <strong>Scheffel</strong>s Romanentwurf "Irene <strong>von</strong> Spil<strong>im</strong>berg",<br />

in: Sitzungsberichte d. Heidelberger Akademie d. Wiss. phil.-<br />

hist. Kl., Jahrgang 1930/31. 6. Abhandlung.<br />

Heinrich <strong>von</strong> Poschinger: Fürst Bismarck und <strong>Viktor</strong> v. <strong>Scheffel</strong>,<br />

in: Deutsche Revue XXVI (2), Mai 1901. S. 202-205.<br />

Johannes Proelß: <strong>Scheffel</strong>s Leben und Dichten. Berlin S. 1887.<br />

Gerda Rüge: <strong>Scheffel</strong>s Frau Aventiure, in: Neue Heidelberger<br />

Jahrbücher 1935. S. 6-126.<br />

Alfred Ruhemann: <strong>Joseph</strong> <strong>Viktor</strong> <strong>von</strong> <strong>Scheffel</strong>. Sein Leben und<br />

Dichten. Stuttgart 1887.<br />

Edmund <strong>von</strong> Sallwürck: Jos. <strong>Viktor</strong> v. <strong>Scheffel</strong>. (Leipzig 1920).<br />

<strong>Joseph</strong> Stöckle: Ich fahr' in die Welt. <strong>Joseph</strong> Victor <strong>von</strong> Scheff<br />

e l , der Dibhter des fröhlichen Wanderns und harmlosen Genießens.<br />

Paderborn 1888.<br />

7. Sonstige Schriften<br />

Nicht rasten und nicht rosten! Jahrbücher des <strong>Scheffel</strong>bundes.<br />

1891, 1892/93, 1894, 1895, 1896, 1898, 1899, 1900, 1902, 1903,<br />

1904, 1906.<br />

<strong>Scheffel</strong>. Jahrbuch des Deutschen <strong>Scheffel</strong>bundes. Der Jahrbücher<br />

des <strong>Scheffel</strong>bundes neue Folge. Band 1. Hrsg. v. Börries Frhr.<br />

v. Münchhausen. Karlsruhe 1926.


231<br />

<strong>Joseph</strong> Victor <strong>von</strong> <strong>Scheffel</strong> <strong>im</strong> Lichte seines hundertsten Geburtstages.<br />

Eine Huldigung deutscher Dichter und Schriftsteller.<br />

Hrsg. vom <strong>Scheffel</strong>-Museum in Mattsee-Salzburg. 1. u. 2. Aufl.<br />

Stuttgart 1926.<br />

Der Deutsche <strong>Scheffel</strong>bund. Bewahrer und Erwecker volks- und<br />

stammesverbundenen Geistes, ein Wegbereiter junger deutscher<br />

Dichtung. 0. 0. 1932.


233<br />

ABBILDUNGEN<br />

Abb. Nr. zu Seite:<br />

1 Titelblatt zu Junipe/ius 171<br />

2 Vorwort 172<br />

3 Erzählbeg i nn 175<br />

4 Das Strom - Ordal 176<br />

5 Anmerkung en 177<br />

6 Titelblatt zu Qaudeamus 178<br />

7 Widmung 180<br />

8 Culturgeschichtlich 181<br />

9 Die Lieder vom Rodenstein 181<br />

10 Der Ichthyosaurus 182<br />

11 Hermannsdenkmal 182<br />

12 Wanderlied 183<br />

13 Festlied zur Gründungsfeier der<br />

Universität Straßburg 183<br />

U Festlied auf Hebels 100. Geburtstag 184<br />

15 Titelblatt zu Den. 7 n.ompe.te./i <strong>von</strong> Säkkingen 185<br />

16 1 . B ild: Jung-Werner <strong>im</strong> Wald 187<br />

17 2. Bild: Jung-Werner be<strong>im</strong> Pfarrherrn 188<br />

18 3. Bild: Jung-Werner und Margareta 188<br />

19 5. Bild: Jung-Werner be<strong>im</strong> Freiherrn 189<br />

20 6. Bild: Mailied 189<br />

21 7. Bild: Festkonzert 189<br />

22 8. Bild: Jung-Werner und Margareta in<br />

der Laube 191<br />

23 9. Bild: Volksaufstand 192<br />

24 11 . Bild: Jung-Werner verwundet 192<br />

25 12. Bild: Liebesszene 193<br />

26 13. Bild: Die Werbung 193<br />

27 Büchlein der Lieder 194<br />

28 Lieder des s t i l l e n Mannes 194<br />

29 16. Bild: Jung-Werner und Margareta be<strong>im</strong> Papst 194<br />

30 Schlußvignette: Jung-Werners Trompete 195<br />

31 Grabstein Werner Kirchhofers 195<br />

32 Jubiläum der Universität Heidelberg 198


Abbildung 1 235


236 Abbildung 2<br />

ivn mit lii111>?l<strong>im</strong>f11iit>cr 3i1)öiil)i*il roid) i\cfoi^nctcii 'KV<br />

IUVUMI ^v••:• »ui, in tvtkit biiit^'iu^tiiMitcn ^afnlt<br />

{\\V\ku Mo (ilkiiicn /"N-inuMjmvKl^r tvr iKliuiihtjcu Vllpon<br />

liaiilHiidiiii<strong>im</strong>oiii,<br />

-Wichum, wo ^cl Ijoljo 'Kantvit<br />

iiitu-ii-tl)liil)c Awiitnuivu ii^di £t1)iiiff)din\ii Ij<strong>im</strong>üMoiilt, uwo<br />

ivi iiluii U'n ilioltHhuo r, ivmi fouittoidK •WtKl'ciicn<br />

ciitft ivu ^olvii iiiio-> w\i ( N 'niipl)iHii liiiD Vliiinioiiitcii<br />

I>I11 iin111clICH llnium-:- hilivkn, JUMUIKU IHM tmuini<br />

inuüiiniiti'u «*ltiII• vin De-:* r dmmy\nu\ 1 tV'-> I111r» i>cit<br />

iiui!ui>\UiitKi! .^olivii^iu^'ii CUT nu*if;cn x\ural»criK, in<br />

Den ^ tiiMiiiV'lüi'U'ii ivr jiniivuihiiicIlcuiVii To ihm, tvv<br />

n'iihii utr.it) üito (Saiiilunl) niiD tv-> au-> tvn


Abbildung 3 237<br />

u füljler Wartenueranba be* ÄÜo--<br />

ftcrv auf ^era, Marmel fafjeu<br />

<strong>im</strong> >l)re be* Wrn eilf()uubert<br />

uub ueuu^ia, etlidje beutfdje<br />

AUou^faljvov vittevlidjeit 3tan--<br />

bes an* bom .s>eere, bas ^aubcuaf<br />

^nbroia, bcv ^lilbc Don<br />

£i)üviiia,eii bom iirofjeu fdnuerfällia,<br />

-uub eiu()er}iel)enben ^ilßevijeer feine*<br />

C he<strong>im</strong>s be* Ataifer jyriebrid) «Notl)bart N norauseileub,<br />

wn ^ruubufium über 'Dieer uor|>tolemais s flefüfyrt<br />

hatte. W bem legten grofjen 9)iauerftuvin vevunmbet<br />

waren fie }u pflege uub JOeiluua, au* bem Vager uad)<br />

be* Marmel n>o()lbefeftia,ter litftfvifdjev (vinfamfeit iun--<br />

bvadjt roovben. (viu Jeber trug feilt Seiitjcidjen<br />

<strong>von</strong> fauleniid)em (tteroaffen ober ^aubaefdjofj aned)ifd)eu<br />

ivener* am Körper. Ivolj ungeheurer ?tnftrenauna,<br />

irar jener 2türm am 8onuabeub uad) bem<br />

jyefte CUjrifti Jöunmelfafjrt ein fieglofer geblieben.<br />

Unter beu tljüringifdje«, rl;eiulänbifd)en unb<br />

i


238 Abbildung 4


Abbildung 5


240 Abbildung 6


Abbildung 7<br />


242<br />

Abbildung 8


Abbildung 9


244 Abbildung 10


Abbildung 11 245


248 Abbildung 14<br />

..?ht \>iiniHtfl luoiit mit* ficdjt bc 'J.Korgciiovn<br />

..^\u ftdvdnciu ( S >1 an^ uub idticr u<strong>im</strong>ieiljia, juntlc:<br />

,/3o ijdjv c 8d)i. er diiuuit au n-> 'ro Öciindb . .<br />

i)M) nii Taiil! . . Ter A.vbel feignet eud)! . ."<br />

. . 8o ijd) mi<br />

v<br />

Md)t, iljv liebi \.Vvc i'-sduH'k.<br />

t'tfnb* ovbli<br />

d)nallo!<br />

v<br />

|MJ[ uub paff uub puff!<br />

Uub iio'nciuol! . . UHMUIO Wliivli an ucviuiiiuit,<br />

(*« jdjaM uiit:<br />

Tor<br />

N<br />

AK eilt er v» c b c l Ijod)!<br />

Uub ()od) fi vwinietl), > allemauund) VanM


Abbildung 15


Abbildung 19<br />

2 5 3


256<br />

Abbildung 22


Abbildung 27 261


Abbildung 28<br />

•Aus K'r^r^nvuuilctu-Aylilc<br />

infam iruinMe oeiue Bahnen,<br />

Stillos l^cvy uiio iiiiperyiat!<br />

Piel erfeunen, Mieles ahnen<br />

!l>ir)t Ou, IPUS Dir Keiner üiat.<br />

!Po in ftiirmifdiem


Abbildung 29


264 Abbildung 30<br />

^ V ^ .... • .v .v. ^ ^ -V .\» ^ •<br />

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