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Technikentwicklung und Unternehmensorganisation - ISF München

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Daniel Bieber, Gerd Möll<br />

<strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Unternehmensorganisation</strong><br />

Zur Rationalisierung<br />

von Innovationsprozessen<br />

in der Elektroindustrie<br />

Campus Verlag<br />

Frankfurt / New York<br />

Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />

http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890


<strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong><br />

Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />

http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890


Veröffentlichungen aus dem<br />

Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung e.V.<br />

<strong>ISF</strong> <strong>München</strong><br />

Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />

http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890


Die Erarbeitung wesentlicher Teile dieses Bandes wurde von der<br />

Stiftung Volkswagenwerk gefördert (Az.II/62914).<br />

Die Erstellung der Buchfassung erfolgte im Rahmen der Arbeiten<br />

des Sonderforschungsbereichs 333 der Universität <strong>München</strong>,<br />

"Entwicklungsperspektiven von Arbeit", Teilprojekt B 3.<br />

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme<br />

Bieber, Daniel:<br />

<strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong> : zur<br />

Rationalisierung von Innovationsprozessen in der<br />

Elektroindustrie / Daniel Bieber ; Gerd Möll. -<br />

Frankfurt/Main ; New York : Campus Verlag, 1993<br />

(Veröffentlichungen aus dem Institut für Sozialwissenschaftliche<br />

Forschung e.V., <strong>ISF</strong> <strong>München</strong>)<br />

ISBN 3-593-34732-6<br />

NE: Möll, Gerd:<br />

Die Veröffentlichungen werden herausgegeben vom Institut<br />

für Sozialwissenschaftliche Forschung e.V. (<strong>ISF</strong>), <strong>München</strong>.<br />

Copyright © 1993 bei <strong>ISF</strong>, <strong>München</strong>.<br />

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt.<br />

Jede Verwertung ohne Zustimmung des Instituts ist unzulässig. Das gilt<br />

insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen<br />

<strong>und</strong> die Einspeicherung <strong>und</strong> Verarbeitung in elektronischen Systemen.<br />

Vertrieb: Campus Verlag, Heerstraße 149,6000 Frankfurt 90.<br />

Druck <strong>und</strong> Bindung: Druckerei Novotny, Starnberg.<br />

Printed in Germany.<br />

Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />

http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890


Vorwort<br />

I.<br />

Dieser nunmehr einer breiteren Öffentlichkeit vorgestellte Text hat eine<br />

Geschichte, auf die hier kurz eingegangen werden soll. Er entstand<br />

zunächst im Kontext eines in Frankfurt gemeinsam mit Gerhard Brandt<br />

begonnenen Forschungsprojektes, das unter dem Titel "Organisatorische<br />

<strong>und</strong> technologische Innovationspotentiale in der verwissenschaftlichten<br />

Industrie <strong>und</strong> ihre gesellschaftlichen Implikationen" von der Stiftung<br />

Volkswagenwerk in den Jahren 1987-1989 gefördert wurde. Daneben haben<br />

auch Überlegungen in diesen Text Eingang gef<strong>und</strong>en, auf die die Autoren<br />

in ihrer neuen Arbeitsumgebung gleichsam mit der Nase gestoßen<br />

wurden. Dennoch ist diese Arbeit noch stark den "Frankfurter" Traditionen<br />

der industriesoziologischen Forschung verhaftet, was uns freilich nicht<br />

gehindert hat, die gr<strong>und</strong>legenden Engführungen sowohl der Frankfurter<br />

wie auch konkurrierender Ansätze zu diskutieren.<br />

Diese Arbeit knüpft an Überlegungen an, die eine Arbeitsgruppe am<br />

Fachbereich Gesellschaftswissenschaften der Johann Wolfgang Goethe-<br />

Universität <strong>und</strong> im Institut für Sozialforschung seit Ende 1984 entwickelt<br />

hat. Zu dieser Gruppe gehörten neben Gerhard Brandt <strong>und</strong> den Autoren<br />

Eckart Teschner, Ingo Braun <strong>und</strong> Helge Peukert. Die "Entdeckung" der<br />

Fragestellung <strong>und</strong> die Erkenntnis, daß sich von einer Auseinandersetzung<br />

mit der Organisations- <strong>und</strong> Innovationsforschung wichtige Impulse für die<br />

Industriesoziologie im allgemeinen <strong>und</strong> für eine Weiterentwicklung <strong>und</strong><br />

gegebenenfalls eine Revision des Subsumtionstheorems im besonderen<br />

erwarten lassen, gehen auf Gerhard Brandt zurück. Ihm war vor allem<br />

daran gelegen, gesellschaftstheoretische Fragestellungen im Rahmen der<br />

Projektarbeit zu verfolgen. Nach dem Tode Gerhard Brandts haben wir<br />

uns allerdings stärker auf die Aufarbeitung der Literatur zur Organisations-<br />

<strong>und</strong> Innovationsforschung sowie auf die Beschäftigung mit empirischen<br />

<strong>und</strong> methodischen Problemen der Erfassung von Innovationspotentialen<br />

in der Elektroindustrie konzentriert. Nicht zuletzt aus diesem Gr<strong>und</strong><br />

Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />

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tragen wir allein die Verantwortung für diese Arbeit, über deren letztlich<br />

vorläufigen Charakter wir uns keinerlei Illusionen hingeben.<br />

Der vorliegende Text wurde von den Autoren gemeinsam verfaßt <strong>und</strong><br />

stellt eine gründlich überarbeitete Fassung des Abschlußberichts unseres<br />

Forschungsvorhabens dar. Diesen haben wir im August 1990 der Stiftung<br />

Volkswagenwerk vorgelegt. Die hier präsentierten Ergebnisse beruhen<br />

zum Teil auf Vorarbeiten, die wir in den Jahren 1988-1990 geleistet haben.<br />

Daß wir nun, da wir in anderen Arbeitszusammenhängen stehen, das eine<br />

oder andere "ganz anders" machen würden, ist nicht zuletzt das Verdienst<br />

der Kollegen, die uns am Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung in<br />

<strong>München</strong> <strong>und</strong> am Lehrstuhl Technik <strong>und</strong> Gesellschaft in Dortm<strong>und</strong><br />

auszuhalten haben <strong>und</strong> die, soweit das die alltägliche Belastung in diesen<br />

Institutionen zuläßt, die Zeit fanden, sich mit unseren Überlegungen auseinanderzusetzen.<br />

Hervorzuheben sind hier - in alphabetischer Reihenfolge<br />

- Norbert Altmann, Reinhard Bachmann, Manfred Deiß, Volker<br />

Döhl, Burkart Lutz, Thomas Malsch, Ulrich Mill, Dieter Sauer, Barbara<br />

Weißbach <strong>und</strong> Hans-Jürgen Weißbach.<br />

II.<br />

Das Projekt, über dessen Ergebnisse wir hier berichten, hätte sicher zu einem<br />

besseren Abschluß gebracht werden können, wäre Gerhard Brandt<br />

nicht im November 1987 gestorben. Die Fortsetzung der Forschungsarbeit<br />

<strong>und</strong> die Erstellung dieses Buchs waren freilich nur möglich, da sich in einem<br />

wirklich erstaunlichen Maße gezeigt hat, daß - obwohl die Zeiten immer<br />

härter werden - kollegiale Zusammenarbeit <strong>und</strong> professionelle Solidarität<br />

auch unter Sozialwissenschaftlern noch nicht ganz ausgestorben sind.<br />

Unser Dank gilt vor allem dem Ökonomen Gerd Fleischmann, der spontan<br />

bereit war, die im Rahmen der Interdisziplinären Arbeitsgruppe Technikforschung<br />

(IATF) mit Gerhard Brandt begonnene Zusammenarbeit<br />

mit uns fortzusetzen. Wer weiß, was ohne diese nicht nur institutionelle<br />

Unterstützung aus diesem Projekt <strong>und</strong> den Autoren dieses Berichts geworden<br />

wäre.<br />

Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />

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Verpflichtet sind wir auch den Mitarbeitern unseres Projekts. Ihre Vorarbeiten<br />

waren bei der Durchdringung des empirischen Materials eine große<br />

Hilfe. Klaus-Jürgen Drick <strong>und</strong> Michael Ertel danken wir für ihre Unterstützung<br />

bei der Erstellung der Branchenanalyse der Elektrotechnischen<br />

Industrie, Heiner Köhnen <strong>und</strong> Willi Konrad für ihre Vorarbeiten zu den<br />

Kapiteln über neue Formen der Unternehmenskooperation <strong>und</strong> der <strong>Unternehmensorganisation</strong><br />

in der Elektro- <strong>und</strong> Elektronikindustrie.<br />

Unterstützung, Anregung <strong>und</strong> Solidarität, die sich nicht im gr<strong>und</strong>- <strong>und</strong> inhaltslosen<br />

Schulterklopfen erschöpften, wurde uns auch von anderen<br />

Kollegen der Fachbereiche Gesellschaftswissenschaften <strong>und</strong> Wirtschaftswissenschaften<br />

der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt zuteil.<br />

Zu erwähnen sind hier insbesondere Gerd Bender, Reinhard Breßler<br />

<strong>und</strong> Thomas Heimer, denen wir wichtige Anregungen <strong>und</strong> Hinweise verdanken.<br />

Für die Förderung unseres Forschungsvorhabens danken wir nochmals der<br />

Stiftung Volkswagenwerk <strong>und</strong> namentlich Frau Dr. Helga Junkers.<br />

Danken möchten wir den Kolleginnen vom <strong>ISF</strong> <strong>München</strong>, <strong>und</strong> zwar Karla<br />

Kempgens, die die unzähligen Tabellen <strong>und</strong> Schaubilder in eine für die<br />

Druckfassung geeignete Form gebracht hat, <strong>und</strong> Christa Hahlweg, die die<br />

umfangreiche Arbeit der Endkorrektur <strong>und</strong> der buchtechnischen Fertigstellung<br />

des Manuskripts übernommen hat.<br />

III.<br />

Wir möchten diese Gelegenheit nutzen <strong>und</strong> unsere Verpflichtung all jenen<br />

gegenüber zum Ausdruck bringen, die uns in einer schweren Zeit ermuntert<br />

haben, die Arbeit an der gemeinsam mit Gerhard Brandt entwickelten<br />

Fragestellung fortzusetzen.<br />

Zuallererst ist hier Frau Angelika Brandt zu nennen, die, obwohl selbst<br />

mit einer äußerst schwierigen Situation konfrontiert, die Ruhe fand, uns<br />

Mut zu machen.<br />

Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />

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Wichtig war uns auch die Solidarität <strong>und</strong> Unterstützung, die wir von Gerd<br />

Bender, Reinhard Breßler, Gerd Fleischmann, Ludwig von Friedeburg,<br />

Lothar Hack, Irmgard Hack, Klaus Hermann, Thomas Heimer, Heiner<br />

Köhnen, Willi Konrad, Steffen Koolmann, Renate Rotisseau, Rudi<br />

Schmiede, Wilhelm Schumm <strong>und</strong> Heinz Steinert erfahren haben. Wenn<br />

wir uns heute als Mitglieder der scientific Community betrachten dürfen,<br />

so haben wir dies nicht zuletzt all diesen Menschen zu verdanken, die angesichts<br />

einer wahrlich schwer aushaltbaren Situation zu uns gestanden<br />

haben.<br />

<strong>München</strong>/Dortm<strong>und</strong>, im September 1992<br />

Daniel Bieber<br />

Gerd Möll<br />

Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />

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Inhalt<br />

Vorwort 1<br />

Verzeichnis der Abbildungen 9<br />

Verzeichnis der Tabellen 10<br />

Teil A<br />

Desiderate der industriesoziologischen Forschung<br />

Einleitung 15<br />

1.1 Gr<strong>und</strong>annahmen <strong>und</strong> Engführungen der Industriesoziologie<br />

15<br />

1.2 Organisation <strong>und</strong> Innovation als Thema der Industriesoziologie<br />

24<br />

1.3 Der Beitrag der Regulationsschule zur Erklärung<br />

wissenschaftlich-technischen Wandels 26<br />

1.4 <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> systemische Rationalisierung 28<br />

1.5 Die strukturelle Bedeutung der Elektroindustrie 34<br />

1.6 Ein kurzer Aufriß der Argumentation 38<br />

TeilB<br />

Was kann die Industriesoziologie von der Organisations<strong>und</strong><br />

Innovationsforschung lernen?<br />

2. Veränderte Bedingungen von Unternehmensstrategien<br />

<strong>und</strong> ihre Reflexion in der wissenschaftlichen Diskussion 45<br />

2.1 Aktuelle Unternehmensprobleme <strong>und</strong> ihre Interpretation<br />

durch die Industriesoziologie 46<br />

2.2 Zur Entwicklung des "Theorems der reellen Subsumtion"<br />

bei Gerhard Brandt 51<br />

3. Annäherungen an das Thema "Innovation in der Industrie" 69<br />

3.1 Objektbezogener Innovationsbegriff 69<br />

3.2 Prozessualer Innovationsbegriff 75<br />

Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />

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3.3 Das Innovationsproblem in der Organisationsforschung<br />

79<br />

3.4 Zur historischen Entwicklung des Innovationsproblems<br />

in der Industrie 95<br />

3.5 Bedingungen unternehmerischer FuE-Strategien 105<br />

3.6 Integrationsversuch industriesoziologischer <strong>und</strong><br />

innovationstheoretischer Sichtweisen: die zentralen<br />

Risiken kapitalistischer Produktion 113<br />

4. "Systemische Rationalisierung" - Eine adäquate Antwort<br />

der Industriesoziologie auf neue Herausforderungen? 118<br />

TeilC<br />

Branchenanalyse der Elektro- <strong>und</strong> Elektronikindustrie<br />

5. Die ökonomische Struktur der Elektro- <strong>und</strong> Elektronikindustrie<br />

147<br />

5.1 Abgrenzung der Branche 147<br />

5.2 Die Bedeutung der Elektroindustrie 151<br />

5.3 Die Bedeutung der Mikroelektronik: Halbleiter<br />

<strong>und</strong> Software 154<br />

5.4 Produktions- <strong>und</strong> Absatzstruktur 171<br />

5.5 Konzentrationsgrad, Unternehmens- <strong>und</strong> Betriebsstruktur<br />

173<br />

5.6 Außenhandel 177<br />

5.7 Produktionsfaktoren in der Elektroindustrie 178<br />

5.8 Branchenwirtschaftliche Entwicklung 181<br />

5.9 Beschäftigungs- <strong>und</strong> Qualifikationsstruktur 193<br />

Wissenschaftlich-technologisches Innovationspotential<br />

in der Elektro- <strong>und</strong> Elektronikindustrie 197<br />

6.1 Probleme des Umgangs mit dem vorliegenden<br />

statistischen Material 197<br />

6.2 Forschung <strong>und</strong> Entwicklung in der Elektroindustrie 207<br />

6.3 Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungspotentiale im Branchenvergleich<br />

210<br />

6.4 Das Verhältnis von Investitionen <strong>und</strong> FuE-Aufwendungen<br />

in der Elektroindustrie 213<br />

Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />

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6.5 Finanzierungsformen von Forschung <strong>und</strong> Entwicklung 219<br />

6.6 Interne <strong>und</strong> externe FuE-Aufwendungen 219<br />

6.7 Konzentration der FuE-Aufwendungen 221<br />

6.8 Die Bedeutung der Gr<strong>und</strong>lagenforschung als Moment<br />

der FuE-Aufwendungen 226<br />

6.9 Beschäftigungsstruktur in Forschung <strong>und</strong> Entwicklung<br />

der Elektroindustrie 228<br />

6.10 Innovationsaufwendungen 232<br />

6.11 Zusammenfassung wichtiger Ergebnisse der innovationsbezogenen<br />

Branchenanalyse 239<br />

TeilD<br />

Strategien <strong>und</strong> Strukturen innovativer Unternehmen -<br />

Drei Forschungshypothesen <strong>und</strong> erste Schritte zu ihrer<br />

empirischen Überprüfung<br />

Neue Formen der <strong>Unternehmensorganisation</strong> 251<br />

7.1 Funktionale versus divisionale Organisationsstruktur<br />

251<br />

7.2 Modifikation divisionaler Unternehmensstrukturen<br />

255<br />

7.3 Dezentralisierung versus Zentralisierung 256<br />

7.4 Dezentralisierung industrieller Innovationspotentiale<br />

264<br />

Die Innovation von Innovationsprozessen -<br />

oder: Zeit ist Geld 267<br />

8.1 Sequentieller versus simultaner Innovationsprozeß 267<br />

8.2 Der Faktor "Zeit" im Innovationsprozeß 269<br />

8.3 "Simultaneous Engineering" 272<br />

8.4 Simultaneous Engineering <strong>und</strong> Zulieferer 277<br />

8.5 Simultaneous Engineering <strong>und</strong> Werkstoffe 279<br />

8.6 Expertensysteme in der Produktentwicklung 286<br />

8.7 Problemfelder simultaner Innovationsprozesse 288<br />

8.8 Rationalitätskonfigurationen im Innovationsprozeß 292<br />

8.9 Resümee 295<br />

Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />

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9. Externe Arrangements zur Minimierung von Unternehmensrisiken<br />

297<br />

9.1 Kooperationen 302<br />

9.2 Risiken externer Kooperationen 319<br />

9.3 Joint-ventures 322<br />

9.4 Externes Unternehmenswachstum 326<br />

9.5 Risiken externen Unternehmenswachstums 335<br />

9.6 Probleme externer organisationaler Arrangements<br />

für die Interessenvertretung 336<br />

9.7 Resümee 340<br />

Teil E<br />

Geht der Industriesoziologie die Arbeit aus?<br />

10. Innovation, Organisation <strong>und</strong> Industriesoziologie -<br />

Ein Resümee 351<br />

10.1 Zweifel am traditionellen Rationalisierungsverständnis<br />

der Industriesoziologie 351<br />

10.2 Umbruch industrieller Organisationsstrukturen 355<br />

10.3 <strong>Technikentwicklung</strong> als Handlungsparameter 357<br />

10.4 Organisation <strong>und</strong> Innovation 359<br />

10.5 Ein neuer Innovationstyp? 362<br />

10.6 Bedeutungsverlust der Fertigung in der verwissenschaftlichten<br />

Industrie? 366<br />

10.7 Zur Entwicklung der sozialwissenschaftlichen Technikforschung<br />

369<br />

10.8 Gesamtgesellschaftliche Aspekte der zunehmenden<br />

Bedeutung organisierter Innovation in der Industrie 373<br />

Literatur 379<br />

Das Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung e.V. <strong>München</strong> 402<br />

Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />

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Verzeichnis der Abbildungen<br />

Abb. 2.1:<br />

Abb. 3.1:<br />

Abb. 3.2:<br />

Abb. 3.3:<br />

Abb. 3.4:<br />

Abb. 5.1:<br />

Abb. 5.2:<br />

Abb. 5.3:<br />

Abb. 5.4:<br />

Abb. 5.5:<br />

Abb. 5.6:<br />

Abb. 5.7:<br />

Abb. 5.8:<br />

Abb. 6.1:<br />

Abb. 6.2:<br />

Abb. 7.1:<br />

Abb. 7.2:<br />

Abb. 7.3:<br />

Abb. 7.4:<br />

Abb. 8.1:<br />

Das Verhältnis von Markt- <strong>und</strong> Zeitökonomie 48<br />

Organische <strong>und</strong> mechanistische Organisationsstrukturen 84<br />

Grad der Unsicherheit in verschiedenen Subsystemen<br />

der Unternehmung 86<br />

Unsicherheitsgrade verschiedener Innovationstypen 109<br />

Unterschiedliche FuE-Strategien 111<br />

Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungsausgaben, Umsatz <strong>und</strong><br />

Beschäftigung bei Plessey 158<br />

Anwendungsbereiche der Mikroelektronik 159<br />

Durchschnittliches reales Wachstum der Produktion<br />

(1977-1986) 172<br />

Umsatz <strong>und</strong> Beschäftigung der elf größten<br />

Elektrounternehmen der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland<br />

(1987) 176<br />

Konjunkturelle Entwicklung der Elektroindustrie<br />

(1978- 1987) 184<br />

Entwicklung der Nettoproduktion (preisbereinigt) 189<br />

Bruttoanlageinvestitionen <strong>und</strong> Produktion in der<br />

Elektrotechnischen Industrie 190<br />

Umsatzrendite (nach Steuern) <strong>und</strong> Investionsquote<br />

in der Elektro- <strong>und</strong> Elektronikindustrie 191<br />

Behandlung von Abgrenzungsproblemen zur Definition<br />

von FuE in den OECD-Richtlinien 200<br />

Nominale <strong>und</strong> reale FuE-Aufwendungen bei Bosch 203<br />

Funktionale Organisationsstruktur 253<br />

Divisionale Organisationsstruktur 254<br />

Traditionelle Organisationsstruktur bei Siemens 257<br />

Modifizierte Organisationsstruktur bei Siemens 259<br />

Ergebniswirkungen von Zeiten <strong>und</strong> Kosten bei<br />

unterschiedlicher Produktlebensdauer 270<br />

Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />

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Abb. 8.2: Methode des Simultaneous Engineering 274<br />

Abb. 9.1: Größere Kooperationen in der Halbleiterindustrie 310<br />

Abb. 9.2:<br />

Verschiedene Formen des Technologietransfers<br />

bei mikroelektronischen Komponenten 318<br />

Verzeichnis der Tabellen<br />

Tab. 5.1:<br />

Tab. 5.2:<br />

Stellung <strong>und</strong> Entwicklung der Elektrotechnischen<br />

Industrie in Relation zum Verarbeitenden Gewerbe 152<br />

Wichtige Industriezweige nach ausgewählten<br />

Indikatoren (1986) 154<br />

Tab. 5.3: Anwendungsbereiche der Mikroelektronik 160<br />

Tab. 5.4:<br />

Tab. 5.5:<br />

Tab. 5.6:<br />

Ausgaben für Datenverarbeitung in der B<strong>und</strong>esrepublik<br />

Deutschland (1986-1993) 165<br />

Der Markt für Software in der B<strong>und</strong>esrepublik nach<br />

Software-Arten 165<br />

Der Markt für Software in der B<strong>und</strong>esrepublik nach<br />

Software-Anbietern 168<br />

Tab. 5.7: Produktionsstruktur der Elektroindustrie 171<br />

Tab. 5.8: Außenhandelsverflechtungen 178<br />

Tab. 5.9:<br />

Anteil der Löhne am Produktionswert in<br />

ausgewählten Industriezweigen (1987) 179<br />

Tab. 5.10: Kapitalintensität ausgewählter Branchen 180<br />

Tab. 5.11: Investitionsentwicklung 183<br />

Tab. 5.12:<br />

Investitionsquoten ausgewählter Bereiche der<br />

Elektro- <strong>und</strong> Elektronikindustrie 185<br />

Tab. 5.13: Investitionsquoten in der Subbranche Bauelemente 187<br />

Tab. 5.14:<br />

Tab. 5.15:<br />

Rentabilität in der Elektrotechnischen Industrie <strong>und</strong><br />

im Verarbeitenden Gewerbe 192<br />

Beschäftigungsstruktur in der Elektro- <strong>und</strong><br />

EDV-Industrie (Angestelltenanteil) 194<br />

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Tab. 5.16: Beschäftigungsstruktur der Siemens AG 194<br />

Tab. 5.17:<br />

Tab. 5.18:<br />

Tab. 5.19:<br />

Tab. 6.1:<br />

Tab. 6.2:<br />

Tab. 6.3:<br />

Tab. 6.4:<br />

Tab. 6.5:<br />

Tab. 6.6:<br />

Tab. 6.7:<br />

Tab. 6.8:<br />

Tab. 6.9:<br />

Tab. 6.10:<br />

Tab. 6.11:<br />

Anteil der Angestellten an den Beschäftigten<br />

in der Elektroindustrie <strong>und</strong> im Verarbeitenden<br />

Gewerbe 195<br />

Anteil der Universitäts- <strong>und</strong> Fachhochschulabsolventen<br />

an den Beschäftigten in der Elektroindustrie 195<br />

Anteil der Facharbeiter an den gewerblichen<br />

Arbeitnehmern in der Elektroindustrie 196<br />

FuE-Aufwand von Unternehmen der Elektroindustrie<br />

nach Größenklassen 208<br />

FuE-Gesamtaufwendungen in der Gesamtwirtschaft<br />

<strong>und</strong> in ausgewählten Branchen 211<br />

FuE-Beschäftigte im Verarbeitenden Gewerbe <strong>und</strong><br />

in ausgewählten Branchen in Prozent des Verarbeitenden<br />

Gewerbes 212<br />

Vergleich der Aufwendungen für FuE <strong>und</strong> für<br />

Investitionen in der Elektroindustrie inkl.<br />

Büromaschinen- <strong>und</strong> EDV-Industrie 214<br />

Vergleich der Aufwendungen für Investitionen,<br />

Beteiligungen <strong>und</strong> FuE bei der Siemens AG 217<br />

Eigenfinanzierte FuE-Aufwendungen ausgewählter<br />

Branchen 220<br />

Interne <strong>und</strong> externe FuE-Aufwendungen der<br />

Unternehmen ausgewählter Branchen 222<br />

FuE-Aufwendungen der Unternehmen der Elektrotechnik<br />

nach Beschäftigtengrößenklassen 223<br />

FuE-Aufwendungen ausgewählter Unternehmen der<br />

Elektroindustrie 224<br />

Anteil der Gr<strong>und</strong>lagenforschung an den internen<br />

FuE-Aufwendungen in der Elektro- <strong>und</strong> Elektronikindustrie<br />

227<br />

FuE-Beschäftigtengruppen in Unternehmen<br />

des Verarbeitenden Gewerbes <strong>und</strong> der Elektro<strong>und</strong><br />

Elektronikindustrie 229<br />

Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />

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Tab. 6.12:<br />

Tab. 6.13:<br />

Tab. 6.14:<br />

Tab. 6.15:<br />

Tab. 6.16:<br />

Tab. 6.17:<br />

Tab. 6.18:<br />

Tab. 6.19:<br />

Kennzahlen zum FuE-Personal im Verarbeitenden<br />

Gewerbe <strong>und</strong> in der Elektro- <strong>und</strong> Elektronikindustrie<br />

230<br />

Anteil der Angestellten im FuE-Bereich<br />

in der Elektroindustrie 231<br />

Innovationsaufwendungen im Verarbeitenden<br />

Gewerbe 233<br />

Anteil von FuE-Kosten an den Innovationsaufwendungen<br />

in der Elektroindustrie <strong>und</strong> dem<br />

Investitionsgüter produzierenden Gewerbe 234<br />

Anteil der FuE-Aufwendungen an den Innovationskosten<br />

der Elektroindustrie 235<br />

Anteil der experimentellen Entwicklung an den<br />

Innovationsaufwendungen in der Elektroindustrie <strong>und</strong><br />

dem Investitionsgüter produzierenden Gewerbe 236<br />

Anteil von Forschung an den Innovationsaufwendungen<br />

der Elektroindustrie <strong>und</strong> dem Investitionsgüter<br />

produzierenden Gewerbe 237<br />

Anteil der Innovationsaufwendungen für<br />

unterschiedliche Innovationsarten in der<br />

Elektrotechnischen Industrie 238<br />

Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />

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Teil A<br />

Desiderate der industriesoziologischen<br />

Forschung<br />

Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />

http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890


Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />

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1. Einleitung<br />

"Mit Gr<strong>und</strong> kann daher behauptet werden, daß die industriesoziologische<br />

Forschung sich aufgr<strong>und</strong> ihrer Festlegungen<br />

bislang gegenüber Veränderungen ihres Gegenstandsbereichs<br />

immunisiert, sofern sie ihr Gegenstands<strong>und</strong><br />

Problemverständnis berühren, ohne sich der verheerenden<br />

Folgen bewußt zu werden, die sich daraus längerfristig<br />

für den Bestand der Disziplin ergeben."<br />

(Brandt 1984, S. 205)<br />

1.1 Gr<strong>und</strong>annahmen <strong>und</strong> Engführungen der Industriesoziologie<br />

Nicht nur in der ökonomischen <strong>und</strong> politologischen Diskussion, sondern<br />

auch in der Industriesoziologie gilt es fast schon als Allgemeinplatz, daß<br />

das bislang vorherrschende Modell industrieller Massenproduktion in eine<br />

Krise geraten ist (vgl. Piore, Sabel 1984; Kern, Schumann 1984; Aglietta<br />

1979; Hirsch, Roth 1986). Auch Autoren, die weiterhin von der Dominanz<br />

industriell-kapitalistischer Massenproduktion ausgehen, konstatieren einen<br />

einschneidenden Wechsel vorherrschender Rationalisierungsstrategien,<br />

<strong>und</strong> zwar in Richtung auf eine "systemische Rationalisierung" (Altmann<br />

u.a. 1986; Baethge, Oberbeck 1986; ähnlich Child 1985). Gemeinsam<br />

ist den genannten Ansätzen, daß sie, wenn auch mit sehr unterschiedlichen<br />

Begründungen, eine Krise oder gar das Ende der "tayloristischen Syndromatik"<br />

(Bechtle, Lutz 1989) konstatieren <strong>und</strong>, wiederum unter Rückgriff<br />

auf sehr unterschiedliche Argumentationsmuster, den Übergang zu neuen<br />

Formen der Organisation gesellschaftlicher Arbeit postulieren.<br />

Weitere Gemeinsamkeiten lassen sich, zumindest für den engeren Bereich<br />

der Industriesoziologie, auf der Ebene unausgewiesener (weil den Autoren<br />

selbstverständlicher) Gr<strong>und</strong>annahmen festhalten. So wird in aller Regel<br />

von der vorherrschenden Stellung des Prozesses der unmittelbaren Produktion<br />

in Industrieunternehmen ausgegangen. Nur vereinzelt finden die<br />

sogenannten "indirekt produktiven Funktionen" in der materiellen Produktion<br />

die Aufmerksamkeit der industriesoziologischen Forschung (vgl.<br />

Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />

http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890


Asendorf 1979; Malsch, Weißbach, Fischer 1982; Jürgens, Malsch, Dohse<br />

1989). Auch diejenigen Arbeitsprozesse, die in der Industrie - fernab der<br />

unmittelbaren Produktion - in der Verwaltung ablaufen, werden erst neuerdings<br />

von einem Gegenstand der Angestellten- zu einem Gegenstand<br />

der Industriesoziologie (Baethge, Oberbeck 1986). Aus unserer Sicht entscheidender<br />

ist aber der Umstand, daß die Frage der Erzeugung von wissenschaftlich-technischen<br />

Produkt- <strong>und</strong> Prozeßinnovationen 1<br />

in der industriesoziologischen<br />

Diskussion über die Veränderungen von Unternehmensstrukturen<br />

nahezu vollkommen ausgeblendet bleibt. Um Mißverständnissen<br />

vorzubeugen: In der Tat hat sich die Industriesoziologie der<br />

Frage der Entstehung von Technik angenommen (vgl. u.a. Lutz 1989). Dabei<br />

standen aber meist Probleme der Auswahl von Produktionstechnologien<br />

<strong>und</strong> deren Implementation in den Prozeß der unmittelbaren Produktion<br />

im Vordergr<strong>und</strong> (Döhl 1989; Hirsch-Kreinsen 1989). Unberücksichtigt<br />

blieben in diesen Arbeiten die Erzeugungsprozesse technologischer<br />

Innovationen wie Produktneuerungen oder gr<strong>und</strong>legende wissenschaftlichtechnische<br />

Entwicklungen, die beispielsweise die Basis für computergesteuerte<br />

Maschinen darstellen. Wenn wir also von "weißen Flecken" auf<br />

der Landkarte industriesoziologischen Wissens in bezug auf die Technik<br />

sprechen, meinen wir immer den Prozeß der - vergleichsweise produktionsfernen<br />

- Erzeugung von wissenschaftlich-technischem Wissen, das -<br />

wenn auch zunehmend auf die Belange der unmittelbaren Produktion bezogen<br />

(s. Kapitel 8) - oftmals nur vermittelt über lange Handlungsketten in<br />

die industrielle Produktion Eingang findet.<br />

Die These, die in dieser Arbeit ein Stück weit entwickelt werden soll, behauptet<br />

dagegen, daß die Unternehmen auch im Vergleich zur Optimie-<br />

1 Die Soziologie verfügt im Gr<strong>und</strong>e über keinen Innovationsbegriff, der dem<br />

Stand der Entwicklung angemessen wäre. Entweder haftet dem soziologischen<br />

Begriff der Innovation ein Moment von Zufälligkeit an, das im Zeitalter der industriellen<br />

Großforschung mit ihren weitreichenden Planungshorizonten geradezu<br />

anachronistisch anmutet (Nowotny 1987). Oder man hat einen Innovationsbegriff,<br />

der - an Schumpeter angelehnt - als Innovation das gekonnte Zusammenführen<br />

bekannter Techniken in neuen Produkten ansieht. Insbesondere<br />

in einigen Bereichen der Elektro-, vor allem aber innerhalb der Elektronikindustrie<br />

sind viele innovative Produkte ohne einen gewissen Anteil an (Gr<strong>und</strong>lagen-)<br />

Forschung gar nicht zu entwickeln (bspw. I&K-Technologien). Zur Kritik<br />

dieses Verständnisses von Innovation, das auch Schumpeter nicht gerecht wird,<br />

vgl. Coombs u.a. 1987; zu unserem eigenen Innovationsbegriff s. Kapitel 3.<br />

Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />

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ung des materiellen Produktionsprozesses einen immer größeren Aufwand<br />

für die Produktion technologischer Innovationen <strong>und</strong> deren Rationalisierung<br />

treiben. Damit reagiert das Management auf den Umstand,<br />

daß für das Überleben von Unternehmen am Markt nicht mehr ausschließlich<br />

eine effiziente Organisation der materiellen Produktion ausreichend<br />

ist, sondern daß dafür zunehmend auch die Fähigkeit ausschlaggebend<br />

wird, technologische Innovationen hervorzubringen. Wir begreifen<br />

also die Rationalisierung des unmittelbaren Arbeitsprozesses nur als eine<br />

Strategie unter anderen, mit denen Unternehmen versuchen, sich gegenüber<br />

einer zunehmend turbulenten Umwelt zu behaupten <strong>und</strong> diese nach<br />

Möglichkeit unter Kontrolle zu bringen. Indem wir somit gleichsam den<br />

Primat der unmittelbaren Produktion in Frage stellen (freilich ohne uns<br />

modischen Thesen wie der vom "Ende der Arbeitsgesellschaft" (Offe) oder<br />

der von einem Übergang in die "Informationsgeseilschaft" (Bell) anzuschließen),<br />

ziehen wir die genannten Gr<strong>und</strong>annahmen derjenigen Positionen<br />

in Zweifel, die in der Diskussion um die Strukturveränderungen kapitalistischer<br />

Industriegesellschaften <strong>und</strong> Entwicklungstendenzen von Arbeit<br />

den Ton angeben.<br />

Dafür lassen sich mindestens zwei Argumente anführen: Erstens halten<br />

wir industriesoziologische Erklärungsansätze für unzureichend, die Rationalisierungsprozesse<br />

der unmittelbaren Produktion ohne Berücksichtigung<br />

der Organisation des Gesamtunternehmens <strong>und</strong> der zwischenbetrieblichen<br />

Arbeitsteilung untersuchen. Will man derartige Prozesse analysieren, so<br />

erscheint "eine Ausweitung unseres Diskurses, <strong>und</strong> zwar zunächst auf die<br />

Betriebs- <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong> als Entstehungszusammenhang<br />

betrieblicher Strategien des Arbeitskräfteeinsatzes" (Brandt 1987, S. 207)<br />

sinnvoll zu sein. Angesichts des Standes der Rationalisierung in den Kernbereichen<br />

(groß-)industrieller Produktion reicht es aber nicht länger aus,<br />

bei der Analyse von Rationalisierungsstrategien ausschließlich die Ebene<br />

ins Blickfeld zu nehmen, die für gewöhnlich mit Industriearbeit gleichgesetzt<br />

wird. Hält man sich etwa an den Rationalisierungsbegriff, wie er in<br />

Teilen der Organisationssoziologie bzw. der Organisationsforschung verwandt<br />

wird, muß man nämlich die Frage aufwerfen, ob Rationalisierung<br />

sich ausschließlich auf die unmittelbare Produktion bezieht.<br />

"Veränderungen des Arbeitsprozesses sind (in der Organisationssoziologie)<br />

nur ein Faktor neben anderen, beispielsweise den Variationen des be-<br />

Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />

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trieblichen Leistungsspektrums, den Änderungen der Produktpalette, der<br />

Neudefinition von Marktzuständigkeiten, usw." (Engfer 1989, S. 31).<br />

Damit steht der in der Industriesoziologie immer noch dominierende Rationalisierungsbegriff<br />

zur Disposition, der sich wesentlich auf Prozesse der<br />

unmittelbaren Produktion, verstanden als konkrete Arbeit an einem materiellen<br />

Produkt, bezieht. Von vergleichbarer Bedeutung dürfte allerdings<br />

auch die Annahme sein, daß Rationalisierungsmaßnahmen, die gar nicht<br />

auf den Arbeitsprozeß gerichtet sind, auf die Organisation der Arbeitsplatzebene<br />

durchschlagen (können). Daraus leiten wir die Forderung einer<br />

intensiveren Auseinandersetzung (der Industriesoziologie) mit den Wirkungen<br />

<strong>und</strong> Rückwirkungen subsystemübergreifender Rationalisierung<br />

ab. 2<br />

Zweitens halten wir es für dringend erforderlich, einen "technologischen<br />

Determinismus der zweiten Generation" zu überwinden, als dessen Charakteristikum<br />

es gelten kann, zwar den "gesellschaftlich endogenen Charakter<br />

der Technik" zu betonen (Lutz, Schmidt 1977), letztlich aber Technik<br />

als gegeben zu unterstellen, die dann je nach Interessenlage des Anwenders<br />

oder dem Ergebnis der innerbetrieblichen Auseinandersetzungen<br />

in bestimmter Weise angewandt wird. Es geht also darum, den allgemein<br />

geteilten Anspruch, über bloße Technikfolgenforschung hinauszukommen,<br />

ernst zu nehmen <strong>und</strong> sich deshalb auch der Frage zuzuwenden, wie im industriellen<br />

Kontext die wissenschaftlich-technische Entwicklung vorangetrieben<br />

wird, die dann zu den Folgen beiträgt, die bislang den bevorzugten<br />

Gegenstand industriesoziologischer Neugier darstellten (Lutz 1987; 1983).<br />

Beim derzeitigen Stand der Forschung <strong>und</strong> im begrenzten Rahmen dieser<br />

Arbeit war es allerdings nicht möglich, bis zur Analyse von Arbeitsprozessen<br />

in denjenigen Unternehmensabteilungen vorzudringen, deren Hauptaufgabe<br />

in der Produktion verwertbarer wissenschaftlich-technischer Innovationen<br />

zu sehen ist. Uns kam es deshalb zunächst nur darauf an, einige<br />

2 "Blickt man über die engen Grenzen des unmittelbaren Produktionsprozesses<br />

hinaus, so zeigt sich, daß die bisher vorzugsweise betrachteten Veränderungen<br />

in eine umfassende Veränderung der Organisationsweise von Industrieunternehmen<br />

eingebettet sind" (Voskamp, Wittemann, Wittke 1989, S. 11). Aussagen<br />

dieses Typs findet man in industriesoziologischen Beiträgen häufiger. In der Regel<br />

bleiben sie jedoch - wie auch in diesem Fall - für den weiteren Fortgang der<br />

Analyse von Rationalisierung ziemlich folgenlos.<br />

Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />

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der organisationsstrukturellen Rahmenbedingungen zu diskutieren, die die<br />

Arbeit in diesen Abteilungen bis zu einem gewissen Grade vorstrukturieren.<br />

Zudem schien es uns wichtig, den Veränderungen der <strong>Unternehmensorganisation</strong><br />

<strong>und</strong> ihren Rationalisierungseffekten wenigstens ansatzweise<br />

auf die Spur zu kommen, da diese in der westdeutschen Industriesoziologie<br />

bislang kaum eine Rolle spielen.<br />

Nach unserem Eindruck scheint in weiten Teilen der Organisationstheorie<br />

<strong>und</strong> der Industriesoziologie bei der Frage nach dem Verhältnis zwischen<br />

Veränderungen der Unternehmens- bzw. Betriebsorganisation <strong>und</strong> der<br />

Arbeitsorganisation bis vor kurzem eine unausgesprochene Nullhypothese<br />

vorgeherrscht zu haben. Demnach wäre sowohl die Organisation der unmittelbaren<br />

Produktion als auch generell die Arbeitsplatzebene vom Wandel<br />

der <strong>Unternehmensorganisation</strong> mehr oder weniger unabhängig. Wir<br />

gehen im Unterschied dazu von der Annahme aus, daß ein derartiger<br />

Wandel, mittelbar oder unmittelbar, auch die Ebene der Arbeitsorganisation<br />

tangiert.<br />

Zunächst verweist ein Umbau der <strong>Unternehmensorganisation</strong> auf eine<br />

Veränderung der strategischen Orientierung des Unternehmens, die potentiell<br />

für alle Arbeitsprozesse von Belang sein kann. Dabei können sich<br />

unternehmensorganisatorische Maßnahmen der Ausdifferenzierung <strong>und</strong><br />

Integration von Funktionen <strong>und</strong> Funktionsbereichen auf Form <strong>und</strong> Umfang<br />

der in den unterschiedlichen Abteilungen verbleibenden oder hinzukommenden<br />

Arbeitsaufgaben <strong>und</strong> -inhalte auswirken <strong>und</strong> damit bis auf<br />

den einzelnen Arbeitsplatz durchschlagen. 3<br />

Spürbar werden Veränderungen<br />

der <strong>Unternehmensorganisation</strong> für die Beschäftigten darüber hinaus<br />

etwa in den Fällen, in denen Umsetzungen <strong>und</strong> der Abbau von Arbeitsplätzen<br />

erfolgen oder Produktionsprozesse derart aufgespalten werden,<br />

daß einzelne Betriebe die Fähigkeit verlieren, vollständige Produkte<br />

bzw. Anlagen herzustellen (s. Kapitel 7 <strong>und</strong> 9). Zwar hat die westdeutsche<br />

Industriesoziologie die Entwicklung von Qualifikationsanforderungen, von<br />

Strukturen der Arbeitsorganisation <strong>und</strong> des Technikeinsatzes für viele<br />

Branchen auf der Ebene einzelner Betriebe untersucht. Die Einflüsse or-<br />

3 Allerdings setzt der Nachweis dieser Wirkungskette im Einzelfall detaillierte<br />

empirische Forschung voraus, die wir im Rahmen dieser Arbeit nicht leisten<br />

konnten (s. aber Kapitel 7).<br />

Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />

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ganisationsstruktureller Veränderungen auf die Gestaltung der Arbeitsorganisation<br />

geraten ihr jedoch erst neuerdings in das Blickfeld. 4<br />

So ist in den letzten Jahren etwa darauf hingewiesen worden, daß der<br />

westdeutschen Industriesoziologie eine Managementsoziologie fehlt:<br />

"Diese Lücke behindert uns in einer Periode gr<strong>und</strong>legenden Wandels, in<br />

der veränderte Verwertungsbedingungen <strong>und</strong> Interpretationen die Suche<br />

nach adäquaten Produktionskonzepten stimulieren, in besonderem Maße"<br />

(Kern, Schumann 1984, S. 26).<br />

Dieser Aussage kann ohne Schwierigkeiten zugestimmt werden (vgl. auch<br />

Dohse 1986; Deutschmann 1989; Brandt 1984). Allerdings ist nach unserem<br />

Eindruck die konstatierte Lücke sehr viel größer, als Kern <strong>und</strong> Schumann<br />

annehmen. Obwohl sie das Fehlen einer Managementsoziologie<br />

immer wieder beklagt haben, wurden, soweit wir sehen, weder von ihnen<br />

noch im engeren Umkreis des SOFI in Göttingen Anstrengungen unternommen,<br />

diesem Mangel durch eigene Forschung abzuhelfen. Dies kann<br />

kaum verw<strong>und</strong>ern, wenn man berücksichtigt, daß Kern <strong>und</strong> Schumann an<br />

der Zentralität des Produktionsprozesses festhalten <strong>und</strong> der Ertrag von eigenständigen<br />

Forschungen über "das" Management für die Analyse von<br />

Arbeitsprozessen unsicher ist. Wenn, so läßt sich vermuten, Kern <strong>und</strong><br />

Schumann das Management für einen wichtigen Forschungsgegenstand<br />

halten, dann nur deshalb, weil sie der Überzeugung sind, der Rekurs auf<br />

dort stattfindende Auseinandersetzungen zwischen "Traditionalisten" <strong>und</strong><br />

4 Natürlich hat die Industriesoziologie sich schon immer auch mit Organisationsstrukturen<br />

beschäftigt. Sie beschränkte ihre Analyse dann jedoch meist auf den<br />

Bereich der Arbeitsorganisation in Produktion <strong>und</strong> Verwaltung. Erst in jüngster<br />

Zeit erforschen Industriesoziologen intensiver die Implikationen von Veränderungen<br />

der <strong>Unternehmensorganisation</strong> für die Arbeitsorganisation. So etwa das<br />

Automobilprojekt des Wissenschaftszentrums Berlin (WZB) (Jürgens, Malsch,<br />

Dohse 1989), das den starken Einfluß von konzernspezifischen Faktoren auf die<br />

Regulierungsformen von Arbeit in der unmittelbaren Produktion herausgearbeitet<br />

hat, oder das Projekt über Montageautomation, das unlängst am <strong>ISF</strong> abgeschlossen<br />

wurde <strong>und</strong> den Auswirkungen von Maßnahmen der Reorganisation<br />

multinationaler Konzerne auf die Organisation der Montagearbeit nachgeht<br />

("simulierte Fabrik") (Tokunaga u.a. 1991; Moldaschl 1991; Düll, Bechtle 1991).<br />

Als Beispiele für die wachsende Bereitschaft von Industriesoziologen, den Zusammenhang<br />

von Unternehmens- <strong>und</strong> Arbeitsorganisation zum Thema ihrer<br />

Forschung zu machen, können auch diejenigen Ansätze gelten, die sich mit der<br />

zwischenbetrieblichen Arbeitsteilung auseinandersetzen (vgl. verschiedene Beiträge<br />

in Altmann, Sauer 1989; Kern, Säbel 1989).<br />

Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />

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"Modernisten" über die richtige Produktionsphilosophie könne zur Erklärung<br />

von Rationalisierungsstrategien beitragen. Letztlich interessiert sie<br />

das Management also nur als (mit-)verursachende Variable von Veränderungen<br />

auf der Ebene der Arbeitsorganisation. Dagegen läßt sich festhalten,<br />

daß eine auch nur oberflächliche Auseinandersetzung mit den in der<br />

Management- <strong>und</strong> Organisationstheorie vorliegenden Ansätzen für die<br />

traditionelle Industriesoziologie insofern einen gewissen Erkenntniszuwachs<br />

erbracht hätte, als dort wie selbstverständlich davon ausgegangen<br />

wird, daß die Beschäftigung mit den Unwägbarkeiten des Produktions<strong>und</strong><br />

Arbeitsprozesses nur eine von vielen Aktivitäten des Managements<br />

darstellt (Staehle 1985; Räsänen 1986). 5<br />

Nach unserer Einschätzung können etwa diejenigen Anstrengungen des<br />

Managements, die auf eine, wie auch immer geartete, Reorganisation des<br />

Gesamtunternehmens <strong>und</strong> seiner Beziehungen zur Unternehmensumwelt<br />

abzielen, 6<br />

von der industriesoziologischen Forschung nicht länger vernachlässigt<br />

oder als exogene Variable behandelt werden. Die aktuellen<br />

Restrukturierungen der Betriebe, Unternehmen <strong>und</strong> Konzerne erfolgen<br />

vor dem Hintergr<strong>und</strong> steigender Flexibilitäts- <strong>und</strong> Innovationsanforderungen,<br />

die sich entgegen den Vorstellungen so mancher Industriesoziologen<br />

nicht ausschließlich durch Maßnahmen auf der Ebene der materiellen<br />

Produktion, sondern vor allem durch neuartige organisatorische Arrangements<br />

- wie z.B. veränderte Formen der Integration der innovativen Abteilungen<br />

- erfüllen lassen.<br />

Wenn es auch überzogen ist, "Wissenschaft <strong>und</strong> Technologie als erste Produktivkraft"<br />

(Habermas 1968) zu thematisieren <strong>und</strong> diese in einen Gegensatz<br />

zur gleichsam "normalen", materiellen Arbeit zu rücken, so wird doch<br />

in solchen Ansätzen immerhin noch zur Kenntnis genommen, daß in fortgeschrittenen<br />

kapitalistischen Gesellschaften der Erzeugung neuen wissenschaftlich-technischen<br />

Wissens große Bedeutung zukommt. Die Vertre-<br />

5 Auch in der im anglo-amerikanischen Sprachraum geführten Labour-Process-<br />

Debate finden sich Hinweise, daß "das Management" nicht ausschließlich mit<br />

der Organisation des unmittelbaren Produktionsprozesses befaßt ist (Friedman<br />

1987, S. 103).<br />

6 Immerhin Aktivitäten, die (nicht nur) für die beteiligten Manager Arbeit darstellen<br />

(vgl. Teulings 1986) <strong>und</strong> deren Analyse durchaus Beiträge zu einer Soziologie<br />

der Arbeit liefern könnte - würde sich diese umfassender definieren, als<br />

sie dies zur Zeit noch für sinnvoll hält.<br />

Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />

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ter der Unternehmensinteressen sind eben nicht, wie in der Industriesoziologie<br />

häufig stillschweigend unterstellt, vor allem mit den widerspenstigen<br />

Bestrebungen der Arbeiter in der unmittelbaren Produktion, sondern<br />

auch mit dem Management von Technologie beschäftigt.<br />

Das Management von Technologie bedeutet nicht einfach die Berücksichtigung<br />

neuer Technologien bei der (Re-)Organisation von Arbeits- <strong>und</strong><br />

Fertigungsstrukturen. Technologiemanagement umfaßt darüber hinaus<br />

strategische <strong>und</strong> operative Entscheidungen über Forschung <strong>und</strong> Entwicklung<br />

(FuE), Produktgestaltung, Marketing <strong>und</strong> Personalentwicklung<br />

(Dodgson 1989; Loveridge, Pitt 1990; Müller 1985). Zu den sichtbaren Ergebnissen<br />

derartiger Aktivitäten zählen u.a. die Beschleunigung von FuE-<br />

Prozessen, die Veränderung von intra- <strong>und</strong> interorganisatorischen Innovationsverläufen<br />

im Hinblick auf die stärkere Einbeziehung marktnaher Bereiche<br />

<strong>und</strong> der Fertigung oder der Aufbau transnationaler FuE-Netzwerke.<br />

Nimmt man das Gesagte ernst, so ergeben sich Konsequenzen, die für die<br />

Industrie-, aber auch für die Wissenschafts- <strong>und</strong> Industriesoziologie von<br />

Belang sind: Zum einen ist eine allein auf den unmittelbaren Arbeitsprozeß<br />

bezogene Analyse von Rationalisierungsstrategien in Industrieunternehmen<br />

unzureichend, bezieht sie nicht auch diejenigen Funktionen in<br />

ihre Analyse ein, denen zu Zeiten beschleunigten technologischen Wandels<br />

eine Schlüsselrolle bei der Bewältigung verschärfter Konkurrenzanforderungen<br />

zukommt. Zum anderen wird eine Wissenschafts- <strong>und</strong> Techniksoziologie<br />

defizitär, die sich auf den Erzeugungszusammenhang neuer<br />

Technologien konzentriert <strong>und</strong> dabei übersieht, daß zunehmend Anwendungskontexte,<br />

d.h. auch Fragen der Produktionsorganisation, bei der Erzeugung<br />

dieser Technologien eine entscheidende Rolle spielen. Wir gehen<br />

im folgenden davon aus, daß eine systematische Analyse der Veränderungen,<br />

die die <strong>Unternehmensorganisation</strong> im Zusammenhang mit der ökonomischen<br />

<strong>und</strong> wissenschaftlich-technischen Entwicklung erfährt, wichtige<br />

Einsichten in die Entwicklungsdynamik der verwissenschaftlichten industriellen<br />

Produktion erwarten läßt. Zugleich aber unterstellen wir, daß die<br />

Kenntnis der organisationsstrukturellen Einbindung wichtiger Teile der<br />

gesellschaftlichen Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungspotentiale in industriellkapitalistische<br />

Kontexte unser Wissen darüber erweitern kann, wie der<br />

Prozeß der Generierung neuer Technologien funktioniert.<br />

Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />

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Da man, ohne einem negativ gefärbtem technologischem Determinismus<br />

zu verfallen, davon ausgehen muß, daß einmal mit Erfolg in die soziale<br />

Realität implementierte Techniken (<strong>und</strong> Technologien) sich nicht ohne<br />

weiteres wieder aus ihr entfernen lassen (Winner 1977), ist es sinnvoll, die<br />

(nicht nur in der Industriesoziologie) vorherrschende Konzentration der<br />

Analyse auf den "stage of application" um die Perspektive des "stage of<br />

origination" neuer Technologien (Robins, Webster 1985, S. 20) zu erweitern.<br />

Dies scheint vor allem notwendig, damit die (Industrie-)Soziologie<br />

nicht stets vor "vollendete Tatsachen" (Hack 1988) sich gestellt sieht. 7<br />

Wenn wir die Analyse der Generierung technologischer Innovationen<br />

nicht der (neuerdings modischen) "Technik-Soziologie" überlassen, sondern<br />

als originären, aber bislang vernachlässigten Zweig der Industriesoziologie<br />

ansehen, so trägt dies dem (dort vernachlässigtem) Umstand<br />

Rechnung, daß zur Erzeugung neuer Technologien menschliche Arbeit<br />

notwendig ist, die in zunehmendem Maße industriell organisiert wird.<br />

Immerhin sind in der jüngeren Vergangenheit auch von seiten der Industriesoziologie<br />

Analysen vorgelegt worden, die sich bemühen, das "wechselseitige<br />

Begründungsverhältnis" der "Industrialisierung der Wissenschaft"<br />

<strong>und</strong> der "Verwissenschaftlichung der Industrie" zu erhellen (Hack, Hack<br />

1985). Allerdings ist das große Verdienst dieser Studien zugleich ihre zentrale<br />

Schwäche. Wird zwar zum ersten Mal in der Geschichte der (westdeutschen)<br />

Industriesoziologie thematisiert, worin die Relevanz der FuE-<br />

Abteilungen zu sehen ist, die absolut <strong>und</strong> relativ einen immer größeren<br />

Stellenwert in Unternehmen der science based industries haben; <strong>und</strong> wird<br />

7 So selbstverständlich, wie sich dem heutigen Betrachter die technologischen<br />

Artefakte präsentieren, sind sie ja nicht zu dem geworden, was sie nun sind. Im<br />

Prozeß der Entwicklung von technischen/technologischen Artefakten wurden<br />

neben den letztlich erfolgreichen Strategien immer auch Nebenwege eröffnet<br />

bzw. abgeschnitten, die aus der (wissenschaftlichen) Versenkung geholt zu haben,<br />

das Verdienst von Technikhistorikern ist. Neben den bekannten Studien<br />

über die Entwicklung der Kernkraftindustrie in der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland,<br />

die zeigen, daß es nicht vorrangig technologische Gründe waren, die in<br />

letzter Konsequenz zum "Schnellen Brüter" geführt haben (Radkau 1983), sind<br />

hier auch Studien zu nennen, die für vergleichsweise "harmlosere" Alltagstechnologien<br />

die historisch vorhandenen alternativen Entwicklungspfade der sozialwissenschaftlichen<br />

Diskussion (wieder) erschließen, z.B. für Kühlschränke<br />

(Cowan-Schwartz 1985), Fahrräder (Pinch, Bijker 1984), das Telefon (Rammert<br />

1989) <strong>und</strong> Glühbirnen (Hughes 1979) (vgl. für einen Teil der Produktionstechnologie<br />

Noble 1978; Hirsch-Kreinsen 1989; für die Entwicklung der Mikrobiologie<br />

Yoxen 1981).<br />

Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />

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von den Autoren auch mit einer Fülle von empirischem Material belegt,<br />

daß die Arbeit in den industriellen FuE-Abteilungen einem Prozeß der<br />

Industrialisierung unterliegt, der sich nicht einfach auf die in der Sphäre<br />

der materiellen Produktion bewährten Rationalisierungsstrategien stützen<br />

kann, so bleibt doch eigentümlich dunkel, worin nun die "Verwissenschaftlichung<br />

der Produktion" bestehen soll. Im Gr<strong>und</strong>e handelt es sich, folgt<br />

man der Argumentation der Autoren, auch gar nicht um ein wechselseitiges<br />

Begründungsverhältnis, sondern eher um ein sehr einseitiges, da in<br />

den Labors der großindustriellen Forschungsorganisationen Tatsachen geschaffen<br />

werden, die lediglich ihrer "Vollendung" (Hack 1988) harren. Allerdings<br />

ist diese Schwäche in der Argumentation erklärbar, da - wie die<br />

Autoren selbst nachweisen - die Erzeugung wissenschaftlich-technischen<br />

Wissens anderen "Gesetzmäßigkeiten" folgt als die Umsetzung dieses Wissens<br />

in die "unmittelbare Produktion". Die Fortschritte in Wissenschaft<br />

<strong>und</strong> Technik bedingen eben nicht in direkter <strong>und</strong> eindeutiger Weise Veränderungen<br />

auf der Ebene der materiellen Produktion. Nach unserem<br />

Eindruck deutet sich jedoch eine Entwicklung dergestalt an, daß im Rahmen<br />

wissenschaftlich-technischer Arbeitsprozesse - räumlich <strong>und</strong> zeitlich<br />

von der Sphäre der unmittelbaren Produktion geschieden - wichtige Vorentscheidungen<br />

darüber fallen, wie die Arbeitsprozesse dort zu organisieren<br />

sind. Gleichwohl bestehen immer noch Spielräume, deren "Breite" zu<br />

erheben Gegenstand empirischer Forschung sein sollte (vgl. Ortmann,<br />

Windeler 1989).<br />

1.2 Organisation <strong>und</strong> Innovation als Thema der Industriesoziologie<br />

Uns geht es im folgenden nicht darum, eine Analyse der Arbeitsprozesse<br />

in Unternehmen der industriellen Produktion oder in Dienstleistungsunternehmen<br />

vorzulegen. Wir wollen vielmehr zeigen, welche organisationsstrukturellen<br />

Veränderungen sich in Unternehmen abzeichnen, die der<br />

Durchführung wissenschaftlich-technischer Innovationsvorhaben immer<br />

größere Aufmerksamkeit widmen <strong>und</strong> dabei das Innovationsgeschehen in<br />

zunehmendem Maße (wieder) in übergreifende Rationalisierungsstrategien<br />

einbeziehen.<br />

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Vor allem in den als verwissenschaftlicht geltenden Industriezweigen<br />

(Chemie, Elektro) sind die Unternehmen angesichts veränderter ökonomischer<br />

Rahmenbedingungen gehalten, nicht nur die Effizienz <strong>und</strong> Flexibilität<br />

ihrer Produktion zu steigern, sondern verstärkt auch aktiv an der<br />

technologischen Entwicklung selbst teilzunehmen. Der hieraus resultierende<br />

Zwang zum Auf- <strong>und</strong> Ausbau eigener Innovationspotentiale setzt<br />

sie in die Lage, wissenschaftlich-technische Neuerungen nicht nur als Kontextbedingung,<br />

sondern auch als Handlungsparameter zu begreifen. Damit<br />

wird der Prozeß der Erzeugung neuer Produkte <strong>und</strong> Verfahren für die<br />

Entwicklung unternehmerischer Strategien immer wichtiger. Hierbei steht<br />

das Management vor dem Problem, einerseits den Besonderheiten von<br />

schlecht vorstrukturierbaren <strong>und</strong> einer äußeren Kontrolle schwer zugänglichen<br />

Tätigkeiten von Wissenschaftlern <strong>und</strong> Ingenieuren Rechnung zu tragen,<br />

ohne andererseits ihre Ökonomisierung, Planung <strong>und</strong> Steuerung im<br />

Interesse der Unternehmensziele zu gefährden.<br />

Unsere Arbeit geht deshalb der Frage nach, mit welchen organisatorischen<br />

Mitteln Unternehmensleitungen versuchen, innovatorische Kapazitäten zu<br />

mobilisieren, ohne dabei Steuerungs- <strong>und</strong> Kontrollpotentiale einzubüßen,<br />

<strong>und</strong> macht dabei die gesamte <strong>Unternehmensorganisation</strong> zum Thema. Bei<br />

der Aufarbeitung der organisations- <strong>und</strong> innovationstheoretischen Literatur<br />

<strong>und</strong> bei einer Analyse der Unternehmensberichterstattung konnten wir<br />

feststellen, daß sich eine Tendenz zur Integration aller Unternehmensfunktionen<br />

als Moment einer umfassenden Rationalisierung abzeichnet,<br />

von der auch die innovativen Bereiche betroffen sind. Mit der Absicht, die<br />

Entwicklungszeiten neuer Produkte <strong>und</strong> Verfahren zu verkürzen, greifen<br />

die Unternehmen zu neuartigen organisatorischen Regelungen <strong>und</strong> modernen<br />

Informations- <strong>und</strong> Kommunikationstechnologien, die die überkommenen<br />

Grenzziehungen zwischen funktionalen Unternehmensbereichen<br />

aufzuweichen beginnen. In Umrissen deutet sich damit auch ein<br />

Wandel im Ablauf von Innovationsprozessen an, der durch eine stärkere<br />

Überlappung einzelner Innovationsphasen gekennzeichnet ist ("reziproke<br />

Interdependent, s. Kapitel 8). Darüber hinaus ist in Unternehmen, die in<br />

einer technologisch <strong>und</strong> ökonomisch turbulenten Umwelt agieren (müssen),<br />

durchgängig ein Trend zur umfassenden Restrukturierung ihrer Aufbauorganisation<br />

zu identifizieren, der Tendenzen einer Dezentralisierung<br />

mit einer Stärkung der Kontrollpotentiale an der Unternehmensspitze<br />

verbindet (s. Kapitel 7). Schließlich ist auch erkennbar, daß die Unternehmen,<br />

<strong>und</strong> unter ihnen vor allem die größeren, zum Zwecke der Kosten<strong>und</strong><br />

Risikominimierung in verstärktem Maße auf "externe" Innovationspo-<br />

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tentiale <strong>und</strong> -arrangements zurückgreifen. Durch die verschiedensten<br />

Formen der Kooperation, Beteiligung <strong>und</strong> Akquisition werden von den betreffenden<br />

Unternehmen die Grenzen der eigenen Organisation transzendiert<br />

<strong>und</strong> diese damit selbst zum Gegenstand von Strategien. Neben den<br />

Veränderungen interner Organisationsstrukturen sind somit auch die<br />

brancheninternen <strong>und</strong> branchenübergreifenden Kooperations- <strong>und</strong> Konkurrenzbeziehungen<br />

<strong>und</strong> die damit verb<strong>und</strong>enen organisationsstrukturellen<br />

Veränderungen (s. Kapitel 9) zu untersuchen.<br />

Es ist freilich nicht damit zu rechnen, daß diese Veränderungen industrieller<br />

Organisationsstrukturen, die mit einem einschneidenden Wandel der<br />

betrieblichen Beschäftigungs- <strong>und</strong> Qualifikationsstrukturen einhergehen<br />

(s. Abschnitt 5.9) sich linear <strong>und</strong> störungsfrei durchsetzen werden. Zu<br />

vermuten ist vielmehr, daß ihre Durchsetzung mit vielfältigen Widerständen<br />

<strong>und</strong> Störungen verb<strong>und</strong>en ist ("etwa dem organisatorischen Konservativismus",<br />

vgl. Child u.a. 1987) <strong>und</strong> daß sich dabei in Abhängigkeit von<br />

branchen- <strong>und</strong> unternehmensspezifischen Bedingungen außerordentlich<br />

divergierende Entwicklungsmuster herausbilden.<br />

Insgesamt dürfte nur durch die Einbeziehung des gesamten Kontextes der<br />

<strong>Unternehmensorganisation</strong> - das schließt die Berücksichtigung der Dimension<br />

der Unternehmensstrategie als vermittelnde Variable zwischen<br />

den sozio-ökonomischen Einflußfaktoren <strong>und</strong> der Ebene der Organisationsstruktur<br />

mit ein - eine zulängliche Interpretation von Veränderungen<br />

in betrieblichen Teilbereichen möglich sein. Wir begreifen die gegenwärtig<br />

in der verwissenschaftlichten Industrie zu registrierende Umstrukturierung<br />

<strong>und</strong> Rationalisierung der <strong>Unternehmensorganisation</strong> als eine Antwort auf<br />

die doppelte Herausforderung durch veränderte ökonomische Rahmenbedingungen<br />

<strong>und</strong> den wissenschaftlich-technischen Wandel. Die Stärkung<br />

des Anpassungs- <strong>und</strong> Innovationspotentials der Unternehmen wird dabei<br />

zu einer primären Zielgröße.<br />

1.3 Der Beitrag der Regulationsschule zur Erklärung wissenschaftlich-technischen<br />

Wandels<br />

Zwar hat die Industriesoziologie, <strong>und</strong> namentlich die westdeutsche, den<br />

Kontext der <strong>Unternehmensorganisation</strong> <strong>und</strong> die Problematik eines sich<br />

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verschärfenden Zwangs zur Produktion wissenschaftlich-technischer Innovationen<br />

bislang weitgehend vernachlässigt (vgl. Hack 1984). Außerhalb<br />

der engen Grenzen der Disziplin lassen sich aber Versuche feststellen, diesen<br />

Problemen Rechnung zu tragen.<br />

Innerhalb der sozial- <strong>und</strong> wirtschaftswissenschaftlichen Literatur scheinen<br />

am ehesten Konzepte der französischen Regulationsschule geeignet zu<br />

sein, diese Defizite zu beheben <strong>und</strong> sowohl organisationsstrukturelle Veränderungen<br />

wie die Verwissenschaftlichung der Produktion als Momente<br />

der industriell-kapitalistischen Entwicklung zu interpretieren <strong>und</strong> aufeinander<br />

zu beziehen. In den Kategorien dieser Schule können technologische<br />

<strong>und</strong> organisatorische Innovationen als Ausdruck der Krise eines bestimmten<br />

Akkumulationsregimes <strong>und</strong> der diesem korrespondierenden Regulationsformen<br />

<strong>und</strong> zugleich als mögliche Antworten auf diese Krise, als<br />

Vorboten eines neuen Akkumulationsregimes <strong>und</strong> neuer Regulationsformen<br />

begriffen werden.<br />

Akzeptiert man, wenn auch unter Vorbehalt, diese Konzepte, so ist die aktuelle<br />

Situation kapitalistischer Gesellschaften durch eine tiefgreifende<br />

Krise des fordistischen Akkumulationsmodells geprägt. Diese äußert sich<br />

darin, daß überkommene Formen der Massenproduktion angesichts neuartiger<br />

Marktanforderungen an Grenzen gestoßen sind. Die heute zu beobachtende<br />

Tendenz der fortschreitenden Verwissenschaftlichung der industriellen<br />

Produktion, die auf einer Inkorporation der wissenschaftlichtechnischen<br />

Entwicklung in die Unternehmensstruktur beruht, <strong>und</strong> die<br />

damit einhergehenden organisationsstrukturellen Veränderungen können<br />

durchaus als Momente einer Transformation des Industriekapitalismus interpretiert<br />

werden. Ob sich freilich neben den notwendigen technisch-wissenschaftlichen<br />

<strong>und</strong> organisationsstrukturellen Bedingungen der Lösung<br />

der Strukturkrise entwickelter kapitalistischer Industriegesellschaften auch<br />

die hinreichenden Bedingungen sozio-ökonomischer Art herausbilden, ist<br />

entscheidend vom Wandel <strong>und</strong> der Wandlungsfähigkeit des überkommenen<br />

Sozial- <strong>und</strong> Wirtschaftssystems abhängig. Manches spricht dafür, daß<br />

sich gegenwärtig Veränderungen dieser Art auf breiter Front vollziehen,<br />

auch wenn sich die auf gesamtgesellschaftlicher Ebene herausbildenden<br />

neuartigen Regulationsweisen bzw. institutionellen Arrangements von<br />

Land zu Land <strong>und</strong> von Ebene zu Ebene unterscheiden. So ist auf der Makroebene<br />

mit konkurrierenden Formen der Wirtschaftspolitik, auf der<br />

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Branchenebene mit unterschiedlichen Strukturen (z.B. im Hinblick auf die<br />

Bedeutung der Großunternehmen), auf der Unternehmensebene mit disparaten<br />

Ausprägungen der <strong>Unternehmensorganisation</strong> zu rechnen.<br />

Mögen die Arbeiten der Regulationsschule auch einen groben Interpretationsrahmen<br />

für die uns interessierende Fragestellung abgeben, so ist doch<br />

nicht zu übersehen, daß ihre Analysen in vielen Punkten noch immer tentativ<br />

<strong>und</strong> skizzenhaft bleiben <strong>und</strong> häufig nicht über metaphorische Umschreibungen<br />

hinauskommen. Selbst von Vertretern dieser Schule wird<br />

verschiedentlich eingeräumt, daß der Rolle von Wissenschaft <strong>und</strong> Technik<br />

für die Entwicklung industriell-kapitalistischer Gesellschaften innerhalb<br />

des Regulationsansatzes noch keineswegs die notwendige Aufmerksamkeit<br />

zuteil geworden ist <strong>und</strong> erklärungskräftigere Konzepte als Desiderat anzusehen<br />

sind (vgl. Boyer 1988). Auch nach unserem Eindruck fehlt es nach<br />

wie vor an überzeugenden makro-ökonomischen Konzepten zur Erklärung<br />

des wissenschafthch-technischen Wandels <strong>und</strong> an geglückten Versuchen,<br />

diesbezügliche Entwicklungen auf gesamtgesellschaftlicher Ebene <strong>und</strong><br />

Veränderungen auf der Meso- <strong>und</strong> Mikroebene der Unternehmens- bzw.<br />

Arbeitsorganisation theoretisch zu vermitteln (vgl. Bieber, Brandt, Möll<br />

1987).<br />

1.4 <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> systemische Rationalisierung<br />

Immerhin finden sich in den Arbeiten verschiedener Regulationstheoretiker<br />

durchaus Hinweise, die unsere Annahmen über die Restrukturierung<br />

der <strong>Unternehmensorganisation</strong> stützen können. So wird etwa darauf aufmerksam<br />

gemacht, daß sich die strategische Orientierung <strong>und</strong> damit die<br />

Gesamtorganisation von Unternehmen in einem tiefgreifenden Wandel<br />

befinden. Aglietta, der Spiritus rector der Regulationsschule, vertritt beispielsweise<br />

die Auffassung, daß die Organisation der Großunternehmen<br />

im Neo-Fordismus den Charakter eines "globalen Systems" annimmt, das<br />

durch die Integration aller Unternehmensteile als Zielgröße der Rationalisierung<br />

gekennzeichnet ist (Aglietta 1979, S. 257) <strong>und</strong> zu einer "sternförmigen"<br />

Organisationsstruktur des Unternehmens führe. Diese Umstrukturierung<br />

der <strong>Unternehmensorganisation</strong> vollziehe sich auf der Basis von<br />

modernen Automations- <strong>und</strong> Informationstechnologien, die auch bei flexi-<br />

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len <strong>und</strong> dezentralen Organisationsformen die Möglichkeit zentraler Kontrolle<br />

gewährleisten. Überlegungen zu einer qua technisch-organisatorischer<br />

Maßnahmen angestrebten Integration der verschiedenen Unternehmensfunktionen<br />

<strong>und</strong> der damit verb<strong>und</strong>enen Konsequenzen für unternehmerische<br />

Kontrollstrategien werden auch von Roobeek (1987) angestellt:<br />

"Instead of concentrating control on the labour process, now control will be<br />

intensified along the whole chain from the research link to the marketing<br />

link" (Roobeek 1987, S. 145).<br />

Damit vertritt sie eine Auffassung von Rationalisierung, die über das hinaus<br />

geht, was in der neueren westdeutschen Industriesoziologie als "neuer<br />

Rationalisierungstyp" oder als "systemische Rationalisierung" (Altmann<br />

u.a. 1986; Baethge, Oberbeck 1986) bezeichnet wird <strong>und</strong> die unserer Vorstellung<br />

von systemischer bzw. integrativer Rationalisierung nahekommt<br />

(s. Kapitel 4). Nach unserem Eindruck werden nämlich die vorliegenden<br />

Entwürfe zur systemischen Rationalisierung der industriellen Wirklichkeit<br />

- zumindest in technologisch fortgeschrittenen Branchen - insofern nicht<br />

gerecht, als sie den Bereich der Erzeugung (gr<strong>und</strong>legend) neuer Technologien<br />

<strong>und</strong> dessen Relevanz für die Unternehmensstrategie, <strong>Unternehmensorganisation</strong><br />

<strong>und</strong> die Restrukturierung ganzer Branchen weitgehend<br />

ausblenden.<br />

Kapitalistische Rationalisierungsstrategien richten sich heute nicht in isolierter<br />

Weise ausschließlich auf Arbeitsprozesse in der unmittelbaren Produktion<br />

oder in der Zirkulation, sondern beziehen sich auf den Prozeß der<br />

Verwertung insgesamt. Ein solcher sich auf alle Momente des Verwertungsprozesses<br />

beziehender Typus systemischer oder integrativer Rationalisierung<br />

kann durchaus die Kombination traditioneller (tayloristischer<br />

oder fordistischer) Formen der Organisation der unmittelbaren Arbeit mit<br />

neuen Formen der Unternehmens- <strong>und</strong> Betriebsorganisation implizieren.<br />

Dabei sind neue, flexibel einsetzbare (Fertigungs-)Technologien offensichtlich<br />

mit traditionellen Formen der Arbeitsorganisation ebenso zu vereinbaren<br />

(vgl. Lutz, Hirsch-Kreinsen 1987), wie in vielen Fällen gr<strong>und</strong>legend<br />

neue Formen der <strong>Unternehmensorganisation</strong> mit traditionellen Fertigungsverfahren<br />

kompatibel sind. Es spricht jedenfalls einiges für unsere<br />

These, daß die Rationalisierung der unmittelbaren Produktion weder das<br />

einzige oder auch nur das wichtigste Mittel ist, mit dem das Unternehmen<br />

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seine Unabhängigkeit von Umweltbedingungen bewahren kann, noch daß<br />

das Management gegenwärtig bevorzugt mit der Reorganisation des Arbeitsprozesses<br />

beschäftigt ist. Diese Auffassung wird auch von Coombs<br />

vertreten:<br />

"There is some evidence that whilst management teams may not use production<br />

technology in a post-Fordist way, they may be developing new attitudes to their<br />

markets, and to the need for more flexibilityin overall corporate behaviour.<br />

These attitudes may reflect an acceptance of that part of the broader post-Fordist<br />

diagnosis which centres on segmentation of markets, more rapid and radical<br />

change in markets, and a consequent emphasis on innovation and flexibility<br />

whilst maintaining effeciency" (Coombs 1988, S. 29 f.; Hervorhebungen von uns<br />

- DB/GM).<br />

Wir vermuten also, daß Veränderungen auf der Ebene des unmittelbaren<br />

Produktionsprozesses nur angemessen als Moment integrativer Rationalisierungsstrategien<br />

zu verstehen sind. In dieser Perspektive besitzen beispielsweise<br />

"neue Produktionskonzepte" nur insoweit Diffusionschancen,<br />

als sie für die Steigerung der Anpassungs- <strong>und</strong> Innovationsfähigkeit der<br />

Unternehmen geeignet erscheinen. Das bedeutet allerdings nicht notwendigerweise<br />

eine generelle Aufwertung der Fertigungsarbeit, da die Herstellung<br />

innovativer Produkte häufig auch auf Basis traditioneller (tayloristischer)<br />

Formen der Arbeitsorganisation bzw. mit einem geringen Anteil<br />

qualifizierter Arbeitskräfte an der Fertigungsbelegschaft möglich ist.<br />

Die Lage stellt sich in den Unternehmen des sog. High-Tech-Sektors, zu<br />

dem viele Unternehmen der Elektroindustrie zu zählen sind, so dar, daß<br />

übergreifende Rationalisierungsstrategien entwickelt <strong>und</strong> durchgesetzt<br />

werden, die weit über eine bloße Reorganisation der Fertigung hinausreichen.<br />

Zunehmend werden auch die innovativen Abteilungen von Zulieferanten<br />

stärker in die Pflicht genommen, ohne daß dies zu einem Verlust<br />

an technischer Kompetenz in den Zentren der Kapitalakkummulation führen<br />

muß. Damit werden hoch formalisierte Organisationsformen, die die<br />

8 Damit unterscheiden wir uns vom Münchner Ansatz betrieblicher Autonomiestrategien<br />

(Altmann, Bechtle 1971; Bechtle 1980) in doppelter Weise. Zum<br />

einen sehen wir den Betrieb im Prozeß der Kapitalverwertung als Instanz der Sicherung<br />

von Autonomie nicht als zentral an, sondern das gesamte Unternehmen<br />

(so neuerdings auch Düll, Bechtle 1988 <strong>und</strong> Altmann u.a. 1986). Zum anderen<br />

stellt sich die Frage nach dem Stellenwert des unmittelbaren Produktionsprozesses<br />

im Zeitalter der "permanenten Innovation" anders als in der Phase fordistischer<br />

Massenproduktion.<br />

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Tätigkeiten des Unternehmens einer starr sich durchhaltenden vertikalen<br />

<strong>und</strong> horizontalen Arbeitsteilung unterwerfen <strong>und</strong> die ausdifferenzierten<br />

Unternehmensfunktionen in ein hierarchisch gegliedertes Kontrollsystem<br />

einbeziehen, zunehmend in Frage gestellt <strong>und</strong> tendenziell durch neue, weniger<br />

starre Organisationsformen abgelöst. Insbesondere in der Elektro<strong>und</strong><br />

Elektronikindustrie ist eine Tendenz zu Organisationsstrukturveränderungen<br />

auszumachen, die weit über die eigenen Unternehmensgrenzen<br />

hinausreichen. 9 Zwar lassen sich auch für frühere Phasen der Entwicklung<br />

industrieller (Groß-)Unternehmen Versuche einer durchgreifenden Reorganisation<br />

der Unternehmensstruktur nachweisen - so etwa die im Zusammenhang<br />

mit dem Übergang zu großen, diversifizierten Unternehmen<br />

der Massenproduktion stehende Durchsetzung einer divisionalen <strong>Unternehmensorganisation</strong><br />

(Beniger 1986; Chandler 1962) oder die erstmalige<br />

Integration von Forschung <strong>und</strong> Entwicklung in die Organisation des Unternehmens<br />

(Dennis 1987) -, diese gewinnen aber unter dem Druck verkürzter<br />

Produktlebenszyklen (Vernon 1966) heute eine neue Qualität. Auf<br />

das engste verknüpft sind sie <strong>und</strong> die ihnen korrespondierenden Unternehmensstrategien<br />

mit der Entwicklung technisch-wissenschaftlicher<br />

Neuerungen, sei es, daß diese von den Unternehmensleitungen genutzt<br />

<strong>und</strong> gefördert oder auch aus eigenen Stücken vorangetrieben werden, sei<br />

es, daß diese nur als von außen gesetzter Zwang wirksam werden.<br />

Im Anschluß an Brandt läßt sich feststellen, daß sich der "technologische<br />

Kapitalismus" 10<br />

(Karpik 1977; Kellner 1989) vom traditionellen Industrie-<br />

9 So heißt es in der Zusammenfassung einer Studie von Poutrel <strong>und</strong> Queisser<br />

über Entwicklungstendenzen europäischer Großunternehmen: "In diesen neu<br />

strukturierten Industrie- <strong>und</strong> Dienstleistungsunternehmen werden Synergien<br />

hauptsächlich durch Mobilität <strong>und</strong> Managementfähigkeiten, durch den Austausch<br />

von Technologie <strong>und</strong> Information zwischen den verschiedenen Einheiten<br />

des dezentralisierten "Network" entstehen; kennzeichnend für die neuen, risikominimierenden<br />

Strukturen sind dann nicht mehr straff organisierte Hierarchien,<br />

sondern lose verb<strong>und</strong>ene Unternehmensbereiche, die als Konzernverb<strong>und</strong><br />

aktiv sind" (Ifo-Schnelldienst 1990, S. 5).<br />

10 Dieser Begriff findet sich bei Karpik, der zwischen historisch unterschiedlichen<br />

Formen des Kapitalismus unterscheidet, die durch die je spezifische Kombination<br />

von Industrie <strong>und</strong> Wissenschaft gekennzeichnet seien. Als wichtigstes Kennzeichen<br />

des "technologischen Kapitalismus", der seit den 60er Jahren in den<br />

technologisch fortgeschrittenen Großunternehmen der Chemischen, Pharmazeutischen<br />

<strong>und</strong> Elektroindustrie, mittlerweile aber auch in kleinen <strong>und</strong> mittleren<br />

Unternehmen im High-Tech-Bereich sichtbar werde, gilt Karpik zufolge die<br />

hohe Innovationsrate der Produkte durch die planmäßige <strong>und</strong> kombinierte Nutzung<br />

von wissenschaftlichem Wissen <strong>und</strong> technologischen Erfindungen.<br />

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kapitalismus insofern unterscheidet, als sich in ihm technisch-wissenschaftliche<br />

Innovationen sowohl als Kontextbedingung wie auch als Handlungsparameter<br />

der von den Unternehmensleitungen betriebenen Umstellung<br />

von Unternehmenspolitik <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong> geltend<br />

machen <strong>und</strong> in der einen wie in der anderen Bedeutung eine Schlüsselrolle<br />

übernehmen (Brandt 1987). Ob ein Unternehmen in der industriellen<br />

Produktion reüssiert, hängt nämlich zunehmend von seiner Fähigkeit ab,<br />

die wissenschaftlich-technische Entwicklung zu bestimmen. Auch wenn<br />

hochgradig riskante Entwicklungen im Bereich von Basistechnologien zu<br />

einem beträchtlichen Teil von staatlichen (vgl. das Mega-Chip-Projekt<br />

oder Jessi) oder suprastaatlichen Institutionen gefördert werden (EG: Eureka,<br />

Esprit, Pace, Brite, Prometheus etc.), gehörte - jenseits aller Diskussionen<br />

um "Demand-Pull" oder "Technology-Push" als agens movens der<br />

technologischen Entwicklung - die Implementation neuer Produkt- <strong>und</strong><br />

Prozeßtechnologien immer schon zu den Aufgaben privater Unternehmungen.<br />

So konnte schon vor geraumer Zeit festgehalten werden, daß "der<br />

Stand industrialisierter Rationalität ein Stadium erreicht hat, in dem technologisches<br />

Wissen betrieblich produziert wird" (Bahr 1970, S. 42 f.).<br />

Neu ist <strong>und</strong> wichtiger scheint uns zu sein, daß der technische Fortschritt<br />

für Unternehmen zu einem eigenständigen Handlungsparameter aufrückt<br />

<strong>und</strong> sich dies auch in der Ressourcenverteilung im Unternehmen niederschlägt:<br />

"In der Tat ist der Forschungswettbewerb in allen expansiven Produktionsweisen<br />

weit wichtiger geworden als etwa die Preiskonkurrenz. Es<br />

sind die Laboratorien, die darüber entscheiden, wer sich den größten Umsatzanteil<br />

erringt" (Mohler 1968, S. 330). So sind in der Elektrotechnischen<br />

Industrie insgesamt, aber auch in einzelnen Unternehmen (z.B. Siemens),<br />

die FuE-Aufwendungen im Verhältnis zu den Sachinvestitionen überproportional<br />

<strong>und</strong> kontinuierlich gestiegen <strong>und</strong> Hegen bei den führenden Unternehmen<br />

seit den 70er Jahren deutlich über den Ausgaben für Investitionen<br />

(s. Abschnitt 6.4). Zwar wird ein Großteil der im Ausland getätigten<br />

Investitionen ebenso wie der Aufkauf ausländischer Unternehmen von<br />

der amtlichen 11 <strong>und</strong> halbamtlichen 12 Statistik nur unscharf erfaßt. Dennoch<br />

kann wohl davon ausgegangen werden, daß sich im veränderten Verhältnis<br />

von FuE-Aufwendungen <strong>und</strong> den Aufwendungen für Sachinvestitionen<br />

ein einschneidender Strukturwandel widerspiegelt. Dies gilt um so<br />

11 Etwa der des Statistischen B<strong>und</strong>esamtes.<br />

12 Etwa der des Zentralverbandes Elektrotechnik <strong>und</strong> Elektronikindustrie.<br />

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mehr, als insbesondere im Bereich der science based industries verschiedene<br />

Formen der Kooperation von Unternehmen stets auch, mitunter sogar<br />

vorrangig, vorangetrieben werden, um die Risiken technologischer Innovationen<br />

zu minimieren <strong>und</strong> die Erträge durch möglichst globale <strong>und</strong><br />

schnelle Vermarktung zu optimieren.<br />

Gerade große Unternehmen verfolgen inzwischen Innovationsstrategien,<br />

die mittels vertikaler Integration den Zugang zu wissenschaftlich-technischen<br />

Potentialen anderer Länder bzw. Unternehmen eröffnen (Internationalisierung<br />

der Forschung) bzw. die - im technologischen Bereich<br />

immer unsichere - Kooperation auf eine sichere Basis stellen sollen (s.<br />

Kapitel 9). Sofern es sich um internationale Kooperationen handelt, geht<br />

diesem Prozeß in der Regel zunächst ein starkes Wachstum der Exporte,<br />

daran anschließend eine Internationalisierung der Produktion voraus<br />

(Oesterheld, Wortmann 1988, S. 4). Allerdings muß davon ausgegangen<br />

werden, daß die Bedeutung der hauptsächlich mit der Erzeugung neuer<br />

Technologien betrauten Unternehmensfunktionen nicht nur quantitativ,<br />

sondern auch qualitativ zunimmt, in der Elektroindustrie vor allem wegen<br />

der für einige Bereiche charakteristisch engen Verknüpfung von Produkt<strong>und</strong><br />

Prozeßinnovation <strong>und</strong> dem relativ hohen Gewicht der Gr<strong>und</strong>lagenforschung<br />

13 (s. Abschnitt 6.8).<br />

Daß die Bedeutung der innovativen Unternehmensfunktionen zunimmt<br />

<strong>und</strong> die Erzeugung neuer Produkte <strong>und</strong> neuer Technologien zu einem zentralen<br />

Moment von Wettbewerbsstrategien aufgerückt ist, wird auch an<br />

den gravierenden Veränderungen der industriellen Sozialstruktur deutlich.<br />

Das Verhältnis von Wissenschaftlern <strong>und</strong> Ingenieuren einerseits <strong>und</strong> Beschäftigten<br />

in Produktion <strong>und</strong> industrieller Dienstleistung andererseits<br />

verschiebt sich in vielen Branchen zugunsten der erstgenannten Berufsgruppen.<br />

Zum einen sinkt dort die Zahl der in der Produktion beschäftigten<br />

Arbeitskräfte aufgr<strong>und</strong> fortschreitender Rationalisierung relativ, mitunter<br />

auch absolut ab. 14<br />

Zum anderen nimmt umgekehrt der Anteil der<br />

13 Sony gibt beispielsweise 25 % seines FuE-Etats (1989 1,01 Mrd. Dollar = 6 %<br />

vom Umsatz) für sog. "precompetitive research" aus (vgl. Business Week 25.6.90,<br />

S. 28). Siemens gibt in seinem Geschäftsbericht für 1989 einen Anteil von 7 %<br />

der FuE-Aufwendungen für "anwendungsnahe Gr<strong>und</strong>lagenforschung" an.<br />

14 Dieser Trend in der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland wird überlagert bzw. verschärft<br />

durch den wachsenden Anteil der Auslandsproduktion, wobei oftmals<br />

zunächst Low-Tech-Produkte <strong>und</strong> -Produktionen ins Ausland verlagert werden.<br />

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Wissenschaftler <strong>und</strong> Ingenieure an den Beschäftigten absolut <strong>und</strong> relativ<br />

zu. Diese Tendenzen treten in der Elektro- <strong>und</strong> Elektronikindustrie verschärft<br />

zutage, wo, vor allem im Investitionsgütersektor, neben den Prozeß<br />

der unmittelbaren Produktion vielfältige Arbeitsprozesse treten, die häufig<br />

integraler Bestandteil industrieller Produktion (i.e.S.) sind. 15<br />

In wichtigen<br />

Bereichen der Elektroindustrie ist der Markterfolg nicht mehr ausschließlich<br />

von der (ehedem mit dem Produkt identischen) Hardware, sondern<br />

auch von der Qualität der mitgelieferten <strong>und</strong>/oder ins Produkt inkorporierten<br />

("embedded") Software (s. Abschnitt 5.3.2) sowie von industriellen<br />

Dienstleistungen abhängig. Aus diesem Gr<strong>und</strong> werden zunehmend hochqualifizierte,<br />

zu einem erheblichen Prozentsatz akademisch ausgebildete,<br />

Arbeitskräfte in der Elektroindustrie beschäftigt, <strong>und</strong> zwar nicht ausschließlich<br />

im Bereich von FuE, sondern auch in der Produktion, in produktionsnahen<br />

Bereichen wie Qualitätssicherung <strong>und</strong> Instandhaltung sowie<br />

im Vertrieb. Sowohl dieser Wandel in den Beschäftigtenstrukturen als<br />

auch die veränderten Relationen bei den Ausgaben für Sachinvestitionen<br />

<strong>und</strong> FuE sprechen für die These, daß wir es heute mit einer neuen, von<br />

der Industriesoziologie noch nicht hinreichend erhellten Form industrieller<br />

Wirklichkeit zu tun haben.<br />

1.5 Die strukturelle Bedeutung der Elektroindustrie<br />

Ausgehend von der Erfahrung, daß die industrielle Produktion gegenwärtig<br />

einem gr<strong>und</strong>legenden Wandel unterliegt, haben wir in dieser Arbeit<br />

Veränderungen der Organisationsstruktur in der verwissenschaftlichten<br />

Industrie untersucht. Daß wir uns dabei in erster Linie auf die Elektro<strong>und</strong><br />

Elektronikindustrie beziehen, ist kein Zufall. Diesem Industriezweig<br />

(kam <strong>und</strong>) kommt für die sozio-ökonomische Entwicklung in zweifacher<br />

15 "Stärker noch als im Bereich des allgemeinen Maschinenenbaus gilt für den Bereich<br />

der Elektrotechnik <strong>und</strong> auch der modernen Systemtechnologien, daß 'Produkte'<br />

nicht nur abstrakt gefertigt, sondern montiert <strong>und</strong> installiert, gewartet<br />

<strong>und</strong> repariert (Service-Abkommen) werden müssen, was bei Kraftwerken <strong>und</strong><br />

Schaltanlagen, Signalsystemen <strong>und</strong> Computernetzen, Nachrichtenübertragungsanlagen<br />

<strong>und</strong> MSR-Installationen Bestandteil der Sicherung der Funktionsfähigkeit<br />

der Anlagen <strong>und</strong> Installationen ist. 'Gewährleistung' ist hier häufig integraler<br />

Bestandteil der industriellen Produktion, wenn man dem 'Produktions'-Begriff<br />

eine zeitgemäße Bedeutung (gültig seit dem Beginn des Jahrh<strong>und</strong>erts etwa)<br />

geben will" (Hack 1988, S. 159).<br />

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Hinsicht eine Schlüsselrolle zu. Zum einen hat er, was hier nicht weiter<br />

ausgeführt werden soll (s. Kapitel 5), ein enormes ökonomisches Gewicht<br />

in der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland; er wird vom Umsatz <strong>und</strong> vom Beschäftigungsvolumen<br />

her zu den vier Kernbereichen der Volkswirtschaft<br />

gezählt. Zum anderen, <strong>und</strong> das erscheint uns hier wichtiger, ist die Elektro-<br />

<strong>und</strong> Elektronikindustrie von Anfang an eine "science based industry"<br />

(s. Abschnitt 3.4), d.h., sie war <strong>und</strong> ist in hohem Maße von der Entwicklung<br />

der Wissenschaft <strong>und</strong> Technologie abhängig. Nach Schulz-Hanßen<br />

"steuert die Elektroindustrie mit ihren Produkt-Technologien in einem<br />

weit überdurchschnittlichen Maße zum gesamtwirtschaftlichen technischen<br />

Fortschritt bei, wenn sie nicht sogar als der intensivste Förderer des technischen<br />

Fortschritts im Industrialisierungsprozeß (...) anzusprechen ist."<br />

Dabei kommt ihr eine Rolle zu, "deren Gewicht zunimmt, je weiter der gesamte<br />

Entwicklungsprozeß fortgeschritten ist. Die Erklärung für die überragende<br />

Stellung der Elektroindustrie im Industrialisierungsprozeß liegt in<br />

der naturwissenschaftlich-forschungsbezogenen <strong>und</strong> technischen Basis dieses<br />

Industriezweiges" (Schulz-Hanßen 1970, S. 242).<br />

Die entscheidenden Basisinnovationen in der Schwachstrom-, der Starkstromtechnik,<br />

der Entwicklung der Funktechnik <strong>und</strong> der elektronischen<br />

Datenverarbeitung waren schon in historisch frühen Phasen der industriellen<br />

Entwicklung durch einen hohen Input an wissenschaftlichem <strong>und</strong><br />

technischem Wissen gekennzeichnet. Dieser Trend wird heute noch dadurch<br />

verstärkt, weil sich Produktinnovationen der Elektroindustrie in<br />

vielen Bereichen nur durch den Rückgriff auf Forschungen vorantreiben<br />

lassen, die in eher traditioneller Sichtweise dem Feld der anwendungsfernen<br />

Gr<strong>und</strong>lagenforschung zugeordnet wurden. Zu nennen sind hier u.a.<br />

Atomtechnologien, die Mikroelektronik 16<br />

<strong>und</strong> die Satellitentechnik. Interessant<br />

ist die Elektro- <strong>und</strong> Elektronikindustrie deshalb vor allem unter<br />

dem Gesichtspunkt der wachsenden Bedeutung von Wissenschaft für den<br />

weiteren Gang der ökonomischen Entwicklung. Insbesondere die gr<strong>und</strong>legenden<br />

Innovationen wie die Erzeugung von Strom <strong>und</strong> die Mikroelektronik<br />

gelten als Auslöser von neuen Stadien in der ökonomischen Entwicklung.<br />

So wird häufig die Elektrotechnik als Auslöser der zweiten, die Mi-<br />

16 "Apart from the scale of the innovation and the scale of its impact, the technology<br />

of semiconductor electronics is distinguished by its very great dependence<br />

of science. Perhaps more than any other innovation, modern electronics owes its<br />

existence to science; it is truly an innovation based on science" (Braun, Macdonald<br />

1982, S. 1; Hervorhebungen von uns - DB/GM).<br />

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kroelektronik als Auslöser der dritten Phase der Industrialisierung oder<br />

gar der "dritten industriellen Revolution" begriffen (Ruppert 1983, S. 30, S.<br />

36). 17<br />

Die wissenschaftlich-technische Entwicklung wird heute in großem Umfang<br />

direkt im industriellen Kontext vorangetrieben. Bereits die technische<br />

Gr<strong>und</strong>lage der modernen Mikroelektronik, der Transistor, wurde im Rahmen<br />

großindustrieller Forschungsorganisation (bei dem US-amerikanischen<br />

Telekommunikationsunternehmen AT&T) entwickelt (Braun, Macdonald<br />

1982; Halfmann 1984). Dabei führt die Tatsache, daß die Wissenschaft<br />

den Unternehmen nicht mehr wie noch zu Marx' Zeiten als "Gratisproduktivkraft"<br />

zur Verfügung steht, 18 sondern trotz (bzw. wegen) hoher<br />

Unsicherheiten große Bestandteile des Unternehmenskapitals bindet,<br />

dazu, daß auch die Arbeit in den Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungsabteilungen<br />

"industrialisiert" wird (Hack, Hack 1985).<br />

Zugleich aber scheint für die Elektroindustrie, zumindest für einige ihrer<br />

Teilbereiche, auch aus technologischen Gründen eine simultane Bearbeitung<br />

bzw. eine enge Verknüpfung von Produkt- <strong>und</strong> Prozeßinnovation unabweisbar<br />

zu werden. Diese Entwicklung ist in der Elektroindustrie zumindest<br />

weiter fortgeschritten als beispielsweise im Maschinenbau (vgl.<br />

Häusler 1990) oder in der Automobilindustrie. Nicht zuletzt aus diesem<br />

Gr<strong>und</strong> ist es sinnvoll, sich über neuartige Formen der Gestaltung von Innovationsprozessen<br />

in derjenigen Branche zu unterrichten, die in dieser<br />

Hinsicht eine Vorreiterrolle einnimmt.<br />

Darüber hinaus kommt der Elektro- <strong>und</strong> vor allem der Elektronikindustrie<br />

Schlüsselbedeutung für den weiteren Prozeß der Rationalisierung zu.<br />

Trotz der Vielfalt divergierender Positionen, die die westdeutsche Indu-<br />

17 Es ist hier nicht der Ort, auf die Probleme einer derartigen Definition der verschiedenen<br />

industriellen Revolutionen einzugehen. Sinnvoller erscheint uns, von<br />

verschiedenen Phasen der (kapitalistischen) Industrialisierung zu sprechen (vgl.<br />

Hack 1988, S. 15 ff.).<br />

18 Marx war sich da im übrigen nicht so sicher, wie es die einschlägigen, immer<br />

wieder zitierten Ausführungen im "Kapital" nahelegen. "So zeigt sich bei der näheren<br />

Betrachtung des Kapitals, daß es einerseits eine bestimmte historische<br />

Entwicklung der Produktivkräfte voraussetzt - unter diesen Produktivkräften<br />

auch die Wissenschaft -, andererseits sie vorantreibt <strong>und</strong> forciert" (Marx 1953, S.<br />

587).<br />

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striesoziologie der 70er <strong>und</strong> 80er Jahre geprägt hat, läßt sich Einigkeit in<br />

bezug auf die entscheidende Bedeutung neuer Informations- <strong>und</strong> Kommunikationstechnologien<br />

feststellen. Ob eine weitreichende Subsumtion<br />

lebendiger Arbeit unter das Kapital durch neue "Organisationstechnologien"<br />

(Brandt u.a. 1978), ob "Neue Produktionskonzepte" durch neue Produktionstechnologien<br />

(Kern, Schumann 1984) oder ob schließlich ein<br />

"Neuer Rationalisierungstyp" mit Tendenzen einer zwischenbetrieblichen<br />

Vernetzung (Altmann u.a. 1986) postuliert werden, stets spielen die Resultate<br />

von Innovationsanstrengungen in der Elektro- <strong>und</strong> Elektronikindustrie<br />

unter den erklärenden Variablen eine zentrale Rolle. Um so erstaunlicher<br />

ist es, daß in der industriesoziologischen Forschung die Elektro- <strong>und</strong><br />

Elektronikindustrie bislang kaum untersucht worden ist. Im Frankfurter<br />

Institut für Sozialforschung (IfS) wurden zu Beginn der 80er Jahre zwei<br />

Studien durchgeführt, die sich auch mit der Rationalisierungsentwicklung<br />

der Elektroindustrie beschäftigten (Benz-Overhage u.a. 1982; Teschner,<br />

Hermann 1981), im Göttinger SOFI wurde, wie vielfach angemerkt worden<br />

ist, die Elektroindustrie bspw. in den Arbeiten von Kern, Schumann<br />

(1970; 1984) nicht zu den industriellen Kernsektoren gezählt; erst in jüngster<br />

Zeit wird dort eine Studie zur Rationalisierungsdynamik der Elektroindustrie<br />

durchgeführt (Voskamp, Wittemann, Wittke 1989), <strong>und</strong> auch<br />

im Münchner <strong>ISF</strong> gibt es bislang nur zwei Untersuchungen, die sich auf<br />

die Elektroindustrie bzw. auf Prozesse der Montageautomation in diesem<br />

Kernbereich industrieller Produktion beziehen (Altmann u.a. 1982; Tokunaga<br />

u.a. 1991; Moldaschl 1991; Düll, Bechtle 1991). 19<br />

Daß die Elektro- <strong>und</strong> Elektronikindustrie allerdings keine Branche im eigentlichen<br />

Sinne ist, sondern in sehr unterschiedliche Subbranchen mit unterschiedlichen<br />

Innovationsverläufen <strong>und</strong> Produktionsprozessen zerfällt,<br />

ist ein Umstand, der uns während der Arbeit an unserer Branchenanalyse<br />

(Kapitel 5 <strong>und</strong> 6) immer deutlicher wurde. Wichtig erscheint uns auch ein<br />

anderes Ergebnis dieser Analyse: Obwohl sich das von uns ursprünglich<br />

anvisierte Ziel, Innovationspotentiale auf dem Aggregationsniveau von<br />

Daten über die sehr heterogene Branche der Elektroindustrie zu ermit-<br />

19 Ist somit die Elektroindustrie im Gegensatz zum (Werkzeug-)Maschinenbau<br />

oder der Automobilindustrie weitgehend "terra incognita" innerhalb der industriesoziologischen<br />

Forschung (Voskamp, Wittemann, Wittke 1989), so gilt das<br />

erst recht, wenn man sich nicht länger mit einer Erforschung der Rationalisierungsprozesse<br />

in der materiellen Produktion bescheiden möchte (vgl. Heisig u.a.<br />

1985).<br />

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teln, nur sehr begrenzt hat realisieren lassen, können die dabei gewonnenen<br />

Erkenntnisse als Bestätigung unserer zentralen These einer absolut<br />

<strong>und</strong> relativ wachsenden Bedeutung der innovativen Potentiale im Rahmen<br />

der Unternehmensaktivitäten angesehen werden. Eine Überprüfung weitergehender<br />

Annahmen <strong>und</strong> Hypothesen auf Branchenebene scheint dagegen<br />

durch (zu) viele Unsicherheiten belastet. Notwendig wären hier<br />

Fallstudien in einzelnen Unternehmen unterschiedlicher Größe <strong>und</strong> mit<br />

unterschiedlichen Schwerpunkten in den einzelnen Subbranchen der Elektroindustrie.<br />

Wo es uns möglich war <strong>und</strong> aus Gründen der Darstellung<br />

sinnvoll schien, haben wir deshalb auf Informationen über einzelne Unternehmen<br />

zurückgegriffen, die über die Wirtschaftsberichterstattung allgemein<br />

zugänglich sind. Damit wären wir an dem Punkt angelangt, einen<br />

kurzen Überblick über Organisation <strong>und</strong> Inhalt dieser Arbeit zu geben.<br />

1.6 Ein kurzer Aufriß der Argumentation<br />

Angeleitet von der Annahme, daß den Industrieunternehmen als intermediärer<br />

Instanz gesellschaftlicher Organisation - zumal unter den absehbaren<br />

Bedingungen weitgehender Deregulierung der Güter- <strong>und</strong> Arbeitsmärkte<br />

- zentrale Bedeutung für eine gelingende oder nicht gelingende<br />

Transformation des überkommenen Modells der Massenproduktion bzw.<br />

des traditionellen Industriekapitalismus in Richtung auf einen "technologischen<br />

Kapitalismus" zukommt, stehen zwei Fragenkomplexe im Zentrum<br />

dieser Arbeit:<br />

(1) Gibt es Anhaltspunkte dafür, daß Technik <strong>und</strong> Wissenschaft (bzw.<br />

technische <strong>und</strong> wissenschaftliche Arbeit) nicht nur auf gesamtgesellschaftlicher<br />

Ebene zur Gr<strong>und</strong>lage der Produktivkraftentwicklung werden, sondern<br />

auch zum vorrangigen Gegenstand der Unternehmensaktivitäten aufrücken?<br />

(2) Wenn diese Annahme zutreffend sein sollte: mit welchen organisationsstrukturellen<br />

Problemen <strong>und</strong> Veränderungen ist dann die forcierte<br />

Schaffung <strong>und</strong> Nutzung innovativer Potentiale verb<strong>und</strong>en?<br />

Um zu einer Klärung dieser Fragen zu kommen, soll zunächst in Teil B -<br />

in knapper Form - dargestellt werden, wie die aktuellen Unternehmens-<br />

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probleme in den Arbeiten der neueren Industriesoziologie verhandelt<br />

werden (Abschnitt 2.1). Dies wird ergänzt durch einen längeren Exkurs<br />

über die Entwicklung des "Subsumtionsansatzes" bei Gerhard Brandt. Hier<br />

wird begründet <strong>und</strong> aufgezeigt, warum durch eine Organisationsanalyse<br />

von Unternehmen der verwissenschaftlichten Industrie sowie durch eine<br />

Analyse industrieller Innovationspotentiale die Industriesoziologie aus erkenntnishemmenden<br />

Engführungen herausgeführt werden könnte (Abschnitt<br />

2.2).<br />

Wegen der zentralen Bedeutung, die in dieser Arbeit dem Begriff der Innovation<br />

zukommt, folgt eine Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen<br />

Innovationsbegriffen, wie sie in der Innovations- <strong>und</strong> Organisationsforschung<br />

geläufig sind (Abschnitt 3.1 <strong>und</strong> 3.2). Anschließend beschäftigen<br />

wir uns eingehender mit organisationstheoretischen <strong>und</strong> wirtschaftswissenschaftlichen<br />

Arbeiten zur Innovationsthematik im engeren Sinne, um zu<br />

erhellen, wie sich diese aus der Perspektive einzelner Unternehmen darstellt<br />

(Abschnitt 3.3). Da die theoretische Beschäftigung mit Fragen der<br />

organisierten technologischen Innovation eine Reaktion auf reale Problemstellungen<br />

sein dürfte, gehen wir im folgenden auf die historische<br />

Entwicklung des Innovationsproblems in der verwissenschaftlichten Industrie<br />

ein (Abschnitt 3.4 <strong>und</strong> 3.5). Allerdings sind wir nicht der Auffassung,<br />

daß Unternehmen über der Beschäftigung mit der Innovationsproblematik<br />

die traditionell vorherrschenden Anforderungen der Effizienz <strong>und</strong> Flexibilität<br />

vernachlässigen (können). Nach unserer Einschätzung zeichnet sich<br />

die gegenwärtige Situation gerade durch den Zwang aus, diese tendenziell<br />

widersprüchlichen Anforderungskomplexe gleichzeitig zu bearbeiten. In<br />

Auseinandersetzung mit dem englischen Industriesoziologen <strong>und</strong> Organisationstheoretiker<br />

John Child entwickeln wir deshalb die These, daß sich<br />

in der industriellen Praxis eine integrative Bearbeitung der Ineffizienz-,<br />

Flexibilitäts- <strong>und</strong> Innovationsrisiken abzeichnet (Abschnitt 3.6).<br />

Vor dem Hintergr<strong>und</strong> dieser These unternehmen wir schließlich unter Bezug<br />

auf die neuere industriesoziologische Diskussion zur "systemischen<br />

Rationalisierung" den Versuch, einen Rationalisierungsbegriff zu formulieren,<br />

in dessen Zentrum nicht länger allein der materielle Produktionsprozeß<br />

steht, sondern der auch die darüber hinausgehenden bzw. auf andere<br />

Unternehmensfunktionen (insbesondere die der Innovationsbewältigung)<br />

gerichteten Rationalisierungsanstrengungen umfaßt (Kapitel 4).<br />

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Ein weiterer Schwerpunkt unserer Arbeit besteht in einer Branchenanalyse<br />

der Elektrotechnischen Industrie, von der wir uns einen genaueren<br />

Überblick über die ökonomische Entwicklung <strong>und</strong> das Innovationspotential<br />

dieser Branche erhoffen (Teil C). Dabei taucht das Problem auf, daß<br />

die dafür notwendigen Daten häufig nur auf einem sehr hohen Aggregationsniveau<br />

zugänglich sind, was Strukturinterpretationen außerordentlich<br />

erschwert. Das gilt vor allem für die vorliegenden Informationen über das<br />

Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungspotential. Immerhin läßt sich aus den vorfindlichen<br />

Datenreihen eine Bestätigung unserer These vom Bedeutungszuwachs<br />

von Forschung <strong>und</strong> Entwicklung in der Industrie entnehmen. Es<br />

gibt deutliche Hinweise darauf, daß, zumindest in der von uns untersuchten<br />

Elektro- <strong>und</strong> Elektronikindustrie, die Fähigkeit zur wissenschaftlich<br />

induzierten Innovation von Produkten <strong>und</strong> (Produktions-)Prozessen für<br />

den ökonomischen Erfolg an Bedeutung gewonnen hat <strong>und</strong> die Erzeugung<br />

<strong>und</strong> Kontrolle von wissenschaftlichem <strong>und</strong> technologischem Wissen zu<br />

zentralen Größen sowohl in der Zielhierarchie als auch im Wettbewerb<br />

von Unternehmen avanciert sind. Darüber hinausgehende Hinweise auf<br />

Organisationszusammenhänge auf der Unternehmensebene sind so aber<br />

kaum zu erhalten. Unser Versuch, diese Defizite durch den Rückgriff auf<br />

allgemein zugängliche Informationen der Wirtschafts- <strong>und</strong> Unternehmensberichterstattung<br />

auszugleichen <strong>und</strong> auf diese Weise zu genaueren<br />

Einschätzungen über Struktur <strong>und</strong> Organisation von Forschung <strong>und</strong> Entwicklung<br />

in Industrieunternehmen zu kommen, liegt zwar nahe, kann jedoch<br />

nur als erster Schritt angesehen werden <strong>und</strong> intensive Fallstudien in<br />

einzelnen Unternehmen nicht ersetzen.<br />

Um die organisationsstrukturellen Implikationen der zunehmenden Bedeutung<br />

wissenschaftlich-technischer Innovationsaktivitäten im Rahmen<br />

des veränderten Anforderungsprofils an die Unternehmen zu ermitteln,<br />

behandeln wir in Teil D folgende Fragen:<br />

(1) Welche Motive stehen hinter den gegenwärtig zu beobachtenden Umstrukturierungen<br />

auf der Ebene der <strong>Unternehmensorganisation</strong> <strong>und</strong> welche<br />

Organisationsformen bilden sich dabei heraus (Einleitung von Teil D<br />

<strong>und</strong> Kapitel 7)?<br />

(2) Welche organisatorischen Veränderungen zeichnen sich bei der<br />

Durchführung von wissenschaftlich-technischen Innovationsvorhaben in<br />

der Industrie ab (Kapitel 8)?<br />

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(3) In welcher Weise manifestiert sich das Bemühen der Unternehmen zur<br />

simultanen Bewältigung von Innovations-, Nachfrage- <strong>und</strong> Ineffizienzrisiken<br />

in unternehmensübergreifenden Strategien <strong>und</strong> organisatorischen Arrangements<br />

(Kapitel 9)?<br />

Im letzten Teil (Teil E) fassen wir die wichtigsten Überlegungen <strong>und</strong> Ergebnisse<br />

dieser Arbeit zusammen <strong>und</strong> versuchen, einen Ausblick auf weiterführende<br />

Forschungsfragen zu geben.<br />

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TeilB<br />

Was kann die Industriesoziologie<br />

von der Organisations- <strong>und</strong><br />

Innovationsforschung lernen?<br />

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2. Veränderte Bedingungen von Unternehmensstrategien<br />

<strong>und</strong> ihre Reflexion in der wissenschaftlichen<br />

Diskussion<br />

Ausgangspunkt der folgenden Überlegungen zum Wandel überkommener<br />

Formen der Unternehmens-, Betriebs- <strong>und</strong> Arbeitsorganisation im Bereich<br />

der industriellen Produktion ist die Frage, welche Problemkonstellationen<br />

für die betreffenden Unternehmen gegenwärtig im Vordergr<strong>und</strong><br />

stehen. Wir wählen damit bewußt eine stärker managementorientierte<br />

Perspektive, da sie den Blick auf mögliche Ursachen aktueller Rationalisierungs-<br />

<strong>und</strong> Reorganisationsmaßnahmen eröffnen kann. Bei der Klärung<br />

dieser Frage beziehen wir uns auf die Ergebnisse neuerer Arbeiten der<br />

Industriesoziologie <strong>und</strong> der Organisationsforschung. Während sich die Industriesoziologie<br />

bislang bevorzugt mit der Rationalisierung von Arbeitsprozessen<br />

in der unmittelbaren Produktion auseinandergesetzt hat <strong>und</strong><br />

sich bei der Analyse fast zwangsläufig auf die Ebene der Arbeitsorganisation<br />

konzentrierte, 1<br />

richtete sich der Blick der Organisationsforschung,<br />

soweit sie sich mit Rationalisierungsprozessen in Industrieunternehmen<br />

befaßte, stärker auf den gesamten Bereich der <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />

Deshalb werden von dieser Disziplin betriebliche Problemfelder <strong>und</strong> -lösungen<br />

diskutiert, die von Industriesoziologen oftmals vernachlässigt werden.<br />

Zu denken ist hier insbesondere an das Problem der Organisation<br />

wissenschaftlich-technischer Innovationsprozesse. Indem hier ansatzweise<br />

versucht wird, diese beiden Sichtweisen miteinander zu kombinieren, sollen<br />

traditionelle Grenzziehungen überschritten <strong>und</strong> ein zulänglicheres Bild<br />

der Bedingungen des industriellen Rationalisierungsgeschehens gewonnen<br />

werden.<br />

1 Eine Ausnahme stellt das am WZB durchgeführte international vergleichende<br />

Projekt über die Automobilindustrie dar, das versucht, am Beispiel internationaler<br />

Konzerne Veränderungen der Arbeitsorganisation mit Veränderungen der<br />

<strong>Unternehmensorganisation</strong> in Verbindung zu bringen (vgl. Jürgens, Malsch,<br />

Dohse 1989, S. 82 ff.; Dohse 1986). Interessant ist dabei wiederum, daß die Autoren<br />

auch die betrieblichen Funktionsbereiche untersuchen, die normalerweise<br />

in der Industriesoziologie weniger Aufmerksamkeit finden, im Zusammenhang<br />

mit systemischen Rationalisierungskonzepten aber an Bedeutung gewinnen: Instandhaltung,<br />

Qualitätssicherung <strong>und</strong> Logistik (vgl. Bieber, Sauer 1991).<br />

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2.1 Aktuelle Unternehmensprobleme <strong>und</strong> ihre Interpretation<br />

durch die Industriesoziologie<br />

In zahlreichen Studien der neueren industriesoziologischen Forschung<br />

stehen die arbeitsbezogenen Auswirkungen derjenigen Unternehmensstrategien<br />

im Mittelpunkt, die mit Hilfe von neuen Organisations-, Fertigungs<strong>und</strong><br />

Steuerungstechnologien auf die Vermittlung zwischen potentiell widersprüchlichen<br />

Anforderungen an die betrieblichen Produktionsprozesse<br />

zielen. Diese rivalisierenden Anforderungen lassen sich näher bestimmen<br />

als Zielkonflikt zwischen der Ökonomisierung <strong>und</strong> der Flexibilisierung des<br />

Produktionsapparates <strong>und</strong> des Arbeitseinsatzes.<br />

In Arbeiten des Frankfurter Instituts für Sozialforschung wurde versucht,<br />

dieses Spannungsverhältnis unter Rückgriff auf die Konzepte der Zeitbzw.<br />

Produktionsökonomie <strong>und</strong> der Wert- bzw. Marktökonomie zu erfassen.<br />

Mit dieser, auf die Arbeiten Sohn-Rethels zurückgehenden, kategorialen<br />

Unterscheidung sollten ursprünglich zwei alternative Formen "gesellschaftlicher<br />

Synthesis" bezeichnet werden, die durch unterschiedliche<br />

Formen der "Kommensuration" von lebendiger <strong>und</strong> vergegenständlichter<br />

Arbeit charakterisiert sind.<br />

"Während die Marktökonomie den gesellschaftlichen Zusammenhang der<br />

in privaten Unternehmen geleisteten Teilarbeiten über den Warentausch<br />

sicherstellt, ist die Produktionsökonomie darauf angelegt, den gesellschaftlichen<br />

Charakter des Arbeitsprozesses durch eine unmittelbare 'Kommensuration'<br />

von lebendiger <strong>und</strong> vergegenständlichter Arbeit, von menschlichen<br />

Arbeitsleistungen <strong>und</strong> Maschinenleistungen zu gewährleisten"<br />

(Brandt u.a. 1977, S. 4).<br />

Diese kategoriale Unterscheidung hat im Laufe der Zeit mehrere Revisionen<br />

erfahren (Abb. 2.1). 2<br />

So wurde in der ersten Reformulierung der<br />

Begriffe die Hoffnung auf die systemsprengende Macht zeitökonomischer<br />

Vergesellschaftung ad acta gelegt, aber die Produktions- <strong>und</strong> Zeitökonomie<br />

weiterhin als Ausdruck einer eigenständigen Entwicklungslogik begriffen,<br />

die zwar nicht unabhängig von den Bedingungen der Kapitalverwertung<br />

besteht, jedoch tendenziell mit der Logik des Marktes bzw. der<br />

2 Zu den am Frankfurter IfS vorgenommenen Revisionen des auf Sohn-Rethel<br />

zurückgehenden Konzepts "reeller Subsumtion" vgl. Brandt 1981; zur Entwicklung<br />

des Theorems bei Brandt selbst s. Abschnitt 2.2.<br />

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Marktökonomie kollidiere (Brandt u.a. 1978). Dieser Auffassung zufolge<br />

ist die Zeitökonomie als Ökonomie der reellen Subsumtion des Arbeitsprozesses<br />

unter den Verwertungsprozeß eine vom Prinzip der Marktökonomie<br />

unabhängige <strong>und</strong> selbständige Einflußgröße, die zum dominierenden<br />

Strukturprinzip des Produktionsprozesses aufgerückt ist.<br />

Demgegenüber kann jedoch festgehalten werden, daß hinter den Zwängen<br />

zur zeitlichen Optimierung des Einsatzes der verschiedenen Produktionsfaktoren<br />

der Zwang steht, den in den produzierten Waren enthaltenen<br />

Wert (inkl. des Mehrwerts) auf Absatzmärkten zu realisieren. Und dieser<br />

Realisierungszwang macht sich innerhalb des Produktionsprozesses als<br />

Ökonomisierungs- oder, wenn man so will, als Zeitdruck geltend. Folglich<br />

kann man nicht von einer eigenständigen Logik des Produktionsprozesses<br />

unter den Bedingungen kapitalistischer Warenproduktion ausgehen. Die<br />

potentiell divergierenden Erfordernisse in puncto Ökonomisierung <strong>und</strong><br />

Marktreagibilität, die im historischen Verlauf in durchaus unterschiedlicher<br />

Relation zueinander stehen können, verdanken sich somit nicht unterschiedlichen<br />

Gesetzmäßigkeiten, sondern gehen beide zurück auf den in<br />

kapitalistischen Ökonomien konstitutiven Zwang zur Verwertung des in<br />

Produktionsmitteln <strong>und</strong> Arbeitskraft verauslagten Werts. Im übrigen kann<br />

man festhalten, daß Sohn-Rethel (1970, S. 179) in seiner Konstruktion des<br />

Widerspruchs zwischen Markt- <strong>und</strong> Zeitökonomie <strong>und</strong> bei der Begründung<br />

seiner These einer systemsprengenden Dominanz der Zeit- über die<br />

Marktökonomie "übersehen" hatte, daß diese sich im Rahmen der Marxschen<br />

Theorie, auf die er sich berief, nur schwer verorten lassen. Marx<br />

hatte nämlich die These, daß sich "schließlich alle Ökonomie in Ökonomie<br />

der Zeit auflöst", unter der Bedingung formuliert, daß "gemeinschaftliche<br />

Produktion vorausgesetzt" werden könne (vgl. Marx 1953, S. 89).<br />

Nach unserem Eindruck dienen die Konzepte Zeit- <strong>und</strong> Marktökonomie<br />

in neueren Arbeiten des Instituts für Sozialforschung nicht mehr zur<br />

Kennzeichnung unterschiedlicher Vergesellschaftungsprinzipien, sondern -<br />

gesellschaftstheoretisch weniger anspruchsvoll - nur noch zur Benennung<br />

des Gegensatzes unterschiedlicher Anforderungskomplexe an die Unternehmen<br />

(Benz-Overhage u.a. 1982; Kündig 1984). Damit geht eine Abkehr<br />

von Vorstellungen einher, die der Zeitökonomie eine Dominanz über die<br />

Marktökonomie zuschreiben (Abb. 2.1). Produktionsökonomische Anforderungen,<br />

die sich auf die betriebliche Kostenstruktur <strong>und</strong> dabei insbesondere<br />

auf die kosten- <strong>und</strong> zeitminimierende Integration von Teilbereichen<br />

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<strong>und</strong> Teilprozessen des Produktionsablaufs beziehen, behielten zwar ihre<br />

Bedeutung. Die marktökonomischen Erfordernisse, bei denen es sich im<br />

wesentlichen um die Flexibilität <strong>und</strong> Anpassungsfähigkeit der Fertigungsprozesse<br />

an Veränderungen auf den Absatzmärkten handelt, gewännen<br />

demgegenüber jedoch an Gewicht.<br />

In den Versuchen, die Kategorien Markt- <strong>und</strong> Zeitökonomie, verstanden<br />

als widersprüchliche Anforderungskomplexe, mit der sogenannten Fordismus-Diskussion<br />

(vgl. Hirsch, Roth 1986) in Verbindung zu bringen,<br />

deutet sich das Bestreben an, mit ihrer Hilfe zur Beschreibung <strong>und</strong> Analyse<br />

historischer Entwicklungslinien kapitalistischer Gesellschaften beizutragen<br />

(Bieber, Brandt, Möll 1987). Demnach wäre der Fordismus, als ein<br />

auf Massenproduktion <strong>und</strong> Massenkonsum beruhendes Akkumulationsregime,<br />

durch die Dominanz der Prinzipien der Zeitökonomie gegenüber<br />

denen der Marktökonomie charakterisiert. Die auf den Fordismus folgende<br />

Formation, das neo- oder auch post-fordistische Akkumulationsregime,<br />

würde im Unterschied dazu durch die "Revitalisierung" der Marktgegenüber<br />

der Zeitökonomie geprägt sein. Für die Unternehmen impliziere<br />

diese Verschiebung den erhöhten Zwang zur Flexibilisierung ihres<br />

Produktionsapparates bei gleichzeitiger Nutzung von Produktivitätspotentialen,<br />

wie sie die zeitökonomische Strukturierung des Produktionsprozesses<br />

ermögliche. Die Erfüllung dieser gegensätzlichen Anforderungen<br />

werde durch die Fortschritte im Bereich neuer Informations-, Steuerungs<strong>und</strong><br />

Organisationstechnologien maßgeblich begünstigt.<br />

Der mit dieser These umschriebene Sachverhalt wird von den Ergebnissen<br />

neuerer industriesoziologischer Arbeiten bestätigt (vgl. Kern, Schumann<br />

1984; Altmann u.a. 1986). Es besteht offenbar Konsens darüber, daß neben<br />

dem "verschärften Wettbewerb um verbleibende Marktanteile, der zu<br />

einem härteren Konkurrenzkampf auf der Preisebene führt", die "flexible<br />

Reaktion <strong>und</strong> Anpassung an komplexere <strong>und</strong> ständig wechselnde<br />

Marktanforderungen" zu den zentralen Herausforderungen an die Unternehmen<br />

gehört (Sauer 1988, S. 333). Zwar seien Ökonomisierungs- <strong>und</strong><br />

Flexibilisierungsanforderungen schon immer, wenn auch in von Branche<br />

zu Branche <strong>und</strong> von Produkt zu Produkt unterschiedlicher Intensität, eine<br />

wesentliche Kontextbedingung von Unternehmensstrategien gewesen. Die<br />

gegenwärtige Situation zeichne sich jedoch durch die Intensivierung <strong>und</strong><br />

das simultane Auftreten dieser Erfordernisse aus.<br />

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Die Flexibilisierungsanforderungen lassen sich danach unterscheiden, ob<br />

sie quantitativer oder qualitativer Art sind. Während es bei quantitativer<br />

Flexibilität um die Anpassung der Produktionsmenge an die Schwankungen<br />

der Nachfrage geht, sehen sich die Unternehmen im Hinblick auf<br />

qualitative Flexibilität einem ganzen Katalog von Anforderungen gegenüber.<br />

Gefordert werden von ihnen u.a. folgende Fähigkeiten (vgl. ebd.;<br />

Schumann 1986):<br />

Ausweitung der Produktpalette,<br />

Erhöhung der Variantenvielfalt,<br />

Verkürzung von Innovationszyklen,<br />

Steigerung der Qualität,<br />

Berücksichtigung differenzierter K<strong>und</strong>enwünsche.<br />

Es kennzeichnet die industriesoziologische Forschung, daß sie den Konsequenzen<br />

dieser Anforderungen bevorzugt auf der Ebene des unmittelbaren<br />

Produktionsprozesses nachgeht. Dabei verweisen einige der aufgeführten<br />

Erfordernisse darauf, daß ihre Bewältigung keineswegs zu den primären<br />

oder alleinigen Aufgaben des Fertigungsbereichs gehört. Die Rede ist<br />

hier von den Aktivitäten, mit denen Unternehmen befaßt sind, für die die<br />

Fähigkeit zur wissenschaftlich induzierten Innovation von Produkten <strong>und</strong><br />

Fertigungsverfahren zu einer unverzichtbaren Erfolgsbedingung geworden<br />

ist. Wenn die Verfügung über theoretisches Wissen <strong>und</strong> die Erzeugung<br />

<strong>und</strong> Kontrolle der wissenschaftlich-technischen Entwicklung zu zentralen<br />

Größen sowohl in der Zielhierarchie von Unternehmen als auch im Unternehmenswettbewerb<br />

avancieren, gerät ein Bereich ins Blickfeld, der von<br />

der Industriesoziologie normalerweise ausgeblendet wird: die Durchführung<br />

von wissenschaftlich-technologischen Innovationsvorhaben in Industrieunternehmen.<br />

3<br />

Es war Gerhard Brandt, der Mitte der 80er Jahre innerhalb der Industriesoziologie<br />

die Auffassung vertreten <strong>und</strong> einen Gutteil zu ihrer Durchset-<br />

3 Zu den wenigen Ausnahmen gehören die Arbeiten von Hack (Hack, Hack 1985;<br />

Hack 1988) <strong>und</strong> Rammert (1988).<br />

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zung beigetragen hat, angesichts veränderter Verwertungsbedingungen<br />

käme der <strong>Technikentwicklung</strong> nicht länger die Rolle einer letztlich eben<br />

doch exogenen, weil jeweils gegebenen Größe zu, sondern es komme vielmehr<br />

darauf an, sie als Handlungsparameter unternehmerischer Strategien<br />

zu fassen. Bis es dazu kam, war ein sehr weiter Weg zurückzulegen,<br />

der im folgenden in Umrissen nachgezeichnet werden soll. 4<br />

2.2 Zur Entwicklung des "Theorems der reellen Subsumtion" bei<br />

Gerhard Brandt<br />

Gerhard Brandt eröffnete im September 1985 seinen Beitrag zur Horkheimer-Konferenz<br />

mit den Sätzen:<br />

"Der Fall, um den es geht, scheint, so wie die Dinge liegen, abgeschlossen<br />

<strong>und</strong> entschieden zu sein. Und auch der Anlaß dieser Konferenz sollte nicht<br />

davon abhalten, sich das abschließende Urteil einzugestehen. Das mit dem<br />

Namen Max Horkheimer <strong>und</strong> dem des Instituts für Sozialforschung verb<strong>und</strong>ene<br />

Projekt einer materialistischen Gesellschaftstheorie muß als gescheitert<br />

gelten" (Brandt 1986a, S. 279).<br />

Er wußte zu diesem Zeitpunkt, daß das Projekt einer Theorie der reellen<br />

Subsumtion, das auch mit seinem Namen verb<strong>und</strong>en war, in den Augen<br />

vieler Sozialwissenschaftler ebenfalls als gescheitert galt - <strong>und</strong> er wußte<br />

dies nicht erst seit 1985. Nichtsdestotrotz hat Brandt in diesem Beitrag den<br />

Horkheimer der "Notizen" (Horkheimer 1974) zum Kronzeugen einer<br />

"subsumtionstheoretischen Fassung der Kritik der Politischen Ökonomie"<br />

gemacht. Hielt er also weiterhin an der Notwendigkeit einer Subsumtionstheorie<br />

fest, so ließen ihn doch zahlreiche kritische Einwände nicht unbeeindruckt.<br />

Zwar können wir im folgenden diese Einwände nicht umfassend<br />

würdigen, möchten aber dennoch den Versuch wagen, die Überlegungen<br />

zu rekonstruieren, die Brandt zum Anlaß nahm, von traditionellen Fas-<br />

4 Das folgende Kapitel beruht weitgehend auf einem Vortrag, den wir auf dem<br />

"Symposium für Gerhard Brandt" im Juli 1988 vorgetragen haben. Ziel dieser<br />

Veranstaltung war es, sich aus Sicht verschiedener Autoren mit der "Entwicklungsdynamik<br />

des modernen Kapitalismus" (so der Titel) <strong>und</strong> den Leistungen<br />

<strong>und</strong> Defiziten des Subsumtionsansatzes auseinanderzusetzen. Die Beiträge dieser<br />

Veranstaltung wurden von Wilhelm Schumm herausgegeben (Schumm<br />

1989).<br />

Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />

http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890


sungen des Subsumtionstheorems Abstand zu nehmen. Soweit wir sehen,<br />

beziehen sich seine Versuche einer neuerlichen Revision auf (1) den Status<br />

des Subsumtionstheorems selbst, (2) die mit ihm verb<strong>und</strong>ene Fixierung<br />

auf materielle Produktionsprozesse <strong>und</strong> (3) die Annahme einer mehr oder<br />

weniger bruchlosen Durchsetzung der kapitalistischen Entwicklungslogik.<br />

Die Probleme des Subsumtionstheorems führten ihn u.a. zu einer Auseinandersetzung<br />

mit der "labour process debate", der Regulationsschule <strong>und</strong><br />

der Organisationsforschung. Die Beschäftigung mit diesen sehr disparaten<br />

Strängen der Theoriebildung erbrachte zwar keine Lösung für eines der<br />

Hauptprobleme der Subsumtionstheorie - die Vermittlung zwischen Theorie<br />

<strong>und</strong> Empirie -, resultierte aber in der Entwicklung von Fragestellungen,<br />

die bislang in der industriesoziologischen Diskussion weitgehend vernachlässigt<br />

werden.<br />

Das am Frankfurter Institut für Sozialforschung unter maßgeblicher Mitwirkung<br />

von Brandt entwickelte "Theorem der reellen Subsumtion der Arbeit<br />

unter das Kapital", meist kurz "Subsumtionstheorem" genannt, hat<br />

weit über den engen Kreis der Mitarbeiter des Instituts hinaus industriesoziologische<br />

Forschung in der B<strong>und</strong>esrepublik beeinflußt. Dieser Ansatz,<br />

der unmittelbar <strong>und</strong> mittelbar ("Markt- <strong>und</strong> Produktionsökonomie" (Sohn-<br />

Rethel)) an zentrale Kategorien der Kritik der Politischen Ökonomie anknüpft,<br />

erfreute sich unter Industriesoziologen <strong>und</strong> Gesellschaftstheoretikern<br />

bis in die 80er Jahre hinein großer Reputation. Insbesondere die Begriffe<br />

der "Markt- <strong>und</strong> Produktionsökonomie" haben Eingang in viele industriesoziologische<br />

Studien gef<strong>und</strong>en (vgl. Altmann u.a. 1982; Sauer 1983,<br />

S. 66; Kern, Schumann 1984, S. 20), auch wenn damit keine Übernahme<br />

des theoretischen Bezugsrahmens "der Frankfurter" verb<strong>und</strong>en war (vgl.<br />

Kern 1982; Altmann u.a. 1982, S. 311; etwas skeptischer Lutz, Hirsch-<br />

Kreinsen 1987, S. 160).<br />

Dennoch war das Theorem der reellen Subsumtion der Arbeit unter das<br />

Kapital stets Gegenstand lebhafter Diskussionen. Es gehörte vor allem<br />

durch die Leistungslohnstudie (Schmiede, Schudlich 1976) <strong>und</strong> die sog.<br />

"Computerstudien" (Brandt u.a. 1978; Benz-Overhage u.a. 1982) für einige<br />

Zeit zum mainstream industriesoziologischer Theoriebildung <strong>und</strong> Forschung.<br />

Inzwischen haben die Auseinandersetzungen um das Subsumtionstheorem<br />

- entgegen der Wahrnehmung Rammerts (1988, S. 30) - jedoch<br />

eher den Charakter von Nachhutgefechten. Zutreffend ist wohl die Einschätzung<br />

Malschs, daß die Thesen, die im Anschluß an das Subsumtions-<br />

Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />

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theorem entwickelt wurden, "sich auf dem Rückzug befinden oder in einen<br />

Gärungsprozeß übergegangen sind, der noch andauert" (Malsch 1987a, S.<br />

78). Warum das Subsumtionstheorem in der soziologischen Diskussion<br />

heute eine eher randständige Position einnimmt, kann in diesem Kontext<br />

nicht eingehend erörtert werden. Es scheint jedoch nicht abwegig, einen<br />

gewissen Trendbruch im politischen Bewußtsein (nicht nur) der Sozialwissenschaftler<br />

zu konstatieren (vgl. Brandt 1983). Neben diesem Umschwung<br />

im "Überbau" sind es jedoch vor allem Strukturveränderungen<br />

auf der Ebene der gesellschaftlichen Produktion <strong>und</strong> Reproduktion, die<br />

zentrale Annahmen des Theorems der reellen Subsumtion in Frage stellen<br />

<strong>und</strong> zu einem teilweisen Umbau seines "Paradigmakerns" zwingen.<br />

Bevor wir jedoch die Entwicklung rekonstruieren, die Brandt ein solches<br />

Anliegen immer dringender erscheinen ließ, sind zunächst einige Stärken<br />

des Subsumtionstheorems zu benennen.<br />

In der "labour process debate" (vgl. Thompson 1983; Hildebrandt, Seltz<br />

1987; Knights, Willmott 1990) <strong>und</strong> in der westdeutschen Industriesoziologie<br />

ist unumstritten, daß Harry Braverman (1974/1977) das Verdienst zukommt,<br />

den "unmittelbaren Arbeitsprozeß", der innerhalb der materialistischen<br />

Theorie seit Marx' "Kapital" kaum noch eine Rolle gespielt hatte,<br />

erneut in das Zentrum der marxistischen Diskussion gerückt zu haben.<br />

Damit konnten auf der Ebene der gesellschaftlichen Arbeit, die noch immer<br />

die Basis der Reproduktion kapitalistischer Gesellschaften darstellt<br />

<strong>und</strong> eine weit über den Produktionsprozeß hinausweisende Bedeutung hat<br />

(Baethge, Kern, Schumann 1988), gesellschaftliche Formbestimmungen<br />

dingfest gemacht werden. Dagegen hatte die b<strong>und</strong>esrepublikanische Industriesoziologie<br />

in den 50er <strong>und</strong> 60er Jahren den Arbeitsprozeß <strong>und</strong> sogar<br />

das Arbeiterbewußtsein gründlich analysiert, beide aber als vor allem<br />

durch die technische Entwicklung bestimmt begriffen. Hoffnungen <strong>und</strong> Befürchtungen<br />

hinsichtlich der Entwicklung des Arbeitsprozesses resultierten<br />

somit aus Spekulationen über den weiteren, gesellschaftlich "exogen" begründeten<br />

Gang des technischen Fortschritts.<br />

Die erste Computerstudie (Brandt u.a. 1978) <strong>und</strong> die Leistungslohnstudie<br />

(Schmiede, Schudlich 1976) stellen innerhalb der westdeutschen Industriesoziologie<br />

erste Versuche dar, den Arbeitsprozeß daraufhin zu befragen,<br />

inwiefern sich hier spezifische gesellschaftliche Formbestimmungen geltend<br />

machen, also an ihm selbst nachzuweisen, daß er als Verwertungspro-<br />

Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />

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zeß organisiert ist. Diese Leistung ist um so höher einzuschätzen, als das<br />

Werk Sohn-Rethels, das für die Frankfurter Subsumtionstheorie die Folie<br />

der Argumentation bildete, sich auf den Arbeitsprozeß eher unter dem<br />

Gesichtspunkt einer Denkformenanalyse einläßt. Braverman hätte sich<br />

also eher als Gewährsmann der Subsumtionstheorie angeboten als Sohn-<br />

Rethel, denn dieser mußte erst "vom Kopf auf die Füße gestellt" werden,<br />

wobei er, wie aus der englischen Neuausgabe von "Intellectual and Manual<br />

Labour" (Sohn-Rethel 1978) ersichtlich, durchaus mitgeholfen hat. Und<br />

eben darin ist ein weiteres Verdienst der Vertreter der Subsumtionstheorie<br />

zu sehen: Sie haben zu einer Zeit, da andere, woran sie heute ungern<br />

erinnert werden, noch eine gewisse Revolutionssemantik pflegten, den in<br />

der marxistischen Diskussion virulenten Hoffnungen auf eine letztlich<br />

durch die Logik der Produktivkraftentwicklung induzierte Umwälzung der<br />

kapitalistischen Produktionsverhältnisse die Gr<strong>und</strong>lage entzogen. Allerdings,<br />

so muß man zugeben, sind sie als Kritiker eines "revolutionstheoretischen<br />

Überschusses" in der Marxschen Theorie regelmäßig bei einer "negativen<br />

Revolutionstheorie" gelandet, die ex ante die Vergeblichkeit<br />

emanzipatorischer Anstrengungen aus den Strukturbedingungen kapitalistischer<br />

Verwertung deduziert (vgl. Brandt, Papadimitriou 1990, S. 208 f.; 5<br />

Breuer 1977).<br />

Hatte Sohn-Rethel, <strong>und</strong> mit ihm unzählige andere, noch geglaubt, die<br />

stofflichen Bedingungen des Produktionsprozesses widersprächen seiner<br />

Natur als Verwertungsprozeß, ja wären mit diesem unverträglich, argumentieren<br />

"die Frankfurter" genau umgekehrt. Sie insistieren darauf, daß<br />

der Arbeitsprozeß, wenn nicht die kapitalistische Gesellschaft als solche,<br />

den Imperativen der Kapitalverwertung subsumiert sei. Damit ist nun keineswegs,<br />

wie immer wieder unterstellt wurde, eine bruchlose <strong>und</strong> totale<br />

Subsumtion aller sozialen Tatbestände unter das Kapital postuliert worden<br />

- auch wenn die Logik der Argumentation einen solchen Schluß mitunter<br />

nahelegt. Zwar kann hier nicht im einzelnen auf die Revisionen des Subsumtionstheorems<br />

eingegangen werden (vgl. hierzu Brandt 1981), es soll<br />

aber gezeigt werden, wie Brandt sich gegen derlei totalisierende <strong>und</strong> gera-<br />

5 Die Beiträge der Kolloquienreihe "Industriesoziologischer Technikbegriff' sind<br />

leider nie publiziert worden. Zitiert wird deshalb die von Brandt <strong>und</strong> Papadimitriou<br />

überarbeitete Fassung in Brandt 1990, S. 189 ff., die sich in mehreren<br />

Punkten von der als grauer Literatur zirkulierenden Fassung unterscheidet.<br />

Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />

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dezu apokalyptische Interpretationen der gesellschaftlichen Entwicklung<br />

abzusichern gedachte.<br />

Damit sind wir bereits bei der Kritik, die am Subsumtionstheorem geübt<br />

wurde. Diese bezieht sich sowohl auf theoretische wie auf empirische<br />

Aspekte. Als theoretisch unausgereift gelten beispielsweise der Begriff abstrakter<br />

Arbeit <strong>und</strong> das daraus abgeleitete Konzept der "Abstraktifizierung".<br />

Diese, so wird behauptet, könnten den Ambivalenzen der realen<br />

Entwicklung des Arbeitsprozesses nicht gerecht werden. Empirisch-methodische<br />

Kritik bezieht sich im wesentlichen auf die Frage, ob handfeste<br />

empirische Forschung durch das Subsumtionstheorem überhaupt sinnvoll<br />

angeleitet werden könne. War zunächst eher die Einschätzung vorherrschend,<br />

daß die empirischen Ergebnisse in mehr oder weniger verkürzter<br />

Weise aus den theoretischen Vorklärungen abgeleitet wurden - mitunter<br />

stand der Vorwurf mangelnder Neugier im Raum -, so wird in jüngster<br />

Zeit sogar ein Widerspruch zwischen theoretischen Vorannahmen <strong>und</strong><br />

empirischen Resultaten postuliert (Bergmann u.a. 1986, S. 30).<br />

Von den Frankfurter Vertretern des Subsumtionstheorems wurde der<br />

Vorwurf einer problematischen Ineinssetzung von theoretischen Annahmen<br />

<strong>und</strong> vordergründigen empirischen Evidenzen im Gr<strong>und</strong>e frühzeitig<br />

akzeptiert, ohne daß jedoch dieser Einsicht entscheidende Konsequenzen<br />

auf theoretischer Ebene gefolgt wären. Dennoch blieben die empirischen<br />

Bef<strong>und</strong>e der Leistungslohnstudie <strong>und</strong> der beiden Computerstudien mindestens<br />

bis zum Erscheinen der radikale Trendbrüche postulierenden Analysen<br />

von Piore <strong>und</strong> Sabel sowie Kern <strong>und</strong> Schumann im Rahmen des mainstreams<br />

industriesoziologischer Forschung, wenn sie diesen nicht mitbestimmten.<br />

Die These eines zunehmenden Bedeutungsverlustes menschlicher<br />

Arbeit im Produktionsprozeß, die These der zunehmenden zeitökonomischen<br />

Durchstrukturierung der Produktion <strong>und</strong> die These einer zunehmenden<br />

Abstraktifizierung der Arbeit konnten zu Zeiten der "fordistischen<br />

Rationalisierung" offensichtlich ausreichende empirische Evidenz<br />

mobilisieren, um nicht gleich als vollkommen fehlgeleitet angesehen werden<br />

zu müssen. Solange sich jedenfalls eine Vielzahl von empirischen Phänomenen<br />

mittels subsumtionstheoretischer Vorannahmen schlüssig interpretieren<br />

ließ, bestand kein Gr<strong>und</strong>, das Theorem der reellen Subsumtion<br />

in seiner traditionellen Form gr<strong>und</strong>legend in Frage zu stellen: Zunächst<br />

stand eher eine Ausweitung seines Geltungsanspruchs auf den Bereich der<br />

Wissenschaft <strong>und</strong> der Technik auf der Tagesordnung.<br />

Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />

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Bevor nun näher darauf eingegangen wird, soll hier, wiederum sehr verkürzt,<br />

eine Richtung der Theoriebildung <strong>und</strong> Forschung diskutiert werden,<br />

die in den Augen Gerhard Brandts <strong>und</strong> vieler anderer Autoren für die<br />

Entwicklung des Subsumtionstheorems von erheblicher Bedeutung ist.<br />

Die im angelsächsischen Sprachraum im Anschluß an Braverman (1974)<br />

geführte "labour process debate" mußte bei den Vertretern des Subsumtionstheorems<br />

für eine produktive Verunsicherung sorgen. Schließlich hatte,<br />

so die allgemein geteilte Einschätzung (vgl. Littler 1982, S. 26; Coombs<br />

1985, S. 187), Braverman auf den Begriff der "real Subordination of labour<br />

<strong>und</strong>er capital" nur verzichtet, weil die englische Übersetzung der Marxschen<br />

"Resultate des unmittelbaren Produktionsprozesses" noch nicht vorgelegen<br />

hatte. Da sich die Vertreter des Subsumtionstheorems mittlerweile<br />

auf Braverman berufen (Benz-Overhage u.a. 1982, S. 85; Schmiede,<br />

von Greiff 1985), lassen sich die in der Kritik an diesem Autor entwickelten<br />

Gegenpositionen cum grano salis auch auf das Subsumtionstheorem<br />

<strong>und</strong> die aus ihm abgeleiteten Aussagen zur Entwicklung des Arbeitsprozesses<br />

beziehen. Dies wollen wir nun in der gebotenen Knappheit tun, uns<br />

dabei allerdings nicht auf den Fortgang der "labour process debate" konzentrieren<br />

(vgl. dazu Littler 1987; Wood 1986; Lappe 1986), sondern uns<br />

ausschließlich auf die für Brandt exemplarische Bedeutung dieser Diskussion<br />

beschränken. An ihr nämlich wollte er zeigen, "wie man sich eine offene,<br />

eine nichtfestgelegte materialistische Industriesoziologie vorzustellen<br />

hat" (Brandt 1984, S.211).<br />

Mit Littler (1982) <strong>und</strong> Burawoy (1978; 1979) argumentiert Brandt, daß die<br />

Stärke der auf den Arbeitsprozeß konzentrierten Analysen Bravermans<br />

durch eine "Abstraktion von allen weiteren Bezügen ökonomischer, politischer<br />

<strong>und</strong> ideologischer Art erkauft" sei (Brandt 1984, S. 211), womit<br />

sowohl die Subjektivität der unmittelbaren Produzenten als auch das darin<br />

angelegte, wenn auch vielfach weitgehend ohnmächtige Widerstandspotential<br />

aus der Analyse kategorial ausgeblendet werde. Auch die von Braverman<br />

behauptete Entwicklung einer sich stetig verstärkenden Trennung von<br />

Disposition <strong>und</strong> Ausführung im Arbeitsprozeß <strong>und</strong> die Abstraktion von<br />

"inneren Widersprüchen <strong>und</strong> Grenzen der vom Management verfolgten<br />

Kontrollstrategien" (ebd.) wird von Brandt hier sehr kritisch beurteilt. So<br />

bezog er in der Auseinandersetzung mit den Arbeiten der "labour process<br />

debate" den gegen Braverman gewandten Vorwurf des "impliziten Funktionalismus"<br />

(Littler 1982) auf die traditionellen Versionen des Subsumti-<br />

Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />

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onstheorems zurück. Dieser besteht im Paradox, einerseits eine unversöhnliche<br />

Widerspenstigkeit des Lohnarbeiters gegen die Autorität des<br />

Kapitals anzunehmen, andererseits aber den Klassenkonflikt auf der<br />

Ebene des Arbeitsprozesses weitgehend zu vernachlässigen oder diesen,<br />

wo er doch ins Blickfeld gerät, stets als zugunsten des Kapitals vorentschieden<br />

anzusehen (vgl. ebd., S. 27 f.). Zudem hat die "labour process debate"<br />

gezeigt, daß die Reorganisation des Arbeitsprozesses nicht allein als<br />

Resultat bewußt betriebener Strategien der Unternehmensleitungen, sondern<br />

auch als Resultat von Auseinandersetzungen verschiedener Gruppen<br />

im Unternehmen zu verstehen ist. Dieser Bef<strong>und</strong> kann wiederum gegen<br />

Braverman <strong>und</strong> damit gegen vereinfachende Versionen des Subsumtionstheorems<br />

gewandt werden. Ist die Vorstellung einer nahezu unumschränkten<br />

Herrschaft des Kapitals im Unternehmen hinfällig, so kommt den Bemühungen<br />

um eine Sicherung der Leistungs- <strong>und</strong> Kooperationsbereitschaft<br />

naturgemäß eine höhere Aufmerksamkeit zu (vgl. Burawoy 1979).<br />

Wichtig ist, daß Brandt mit der Aufnahme zentraler Momente der "labour<br />

process debate" Ebenen der Analyse erschließt, die (nicht nur) in Frankfurt<br />

bis dahin aus industriesoziologischen Analysen weitgehend ausgeblendet<br />

blieben: die Dialektik von Anpassung <strong>und</strong> Widerstand, von Kontrolle<br />

<strong>und</strong> Konsens. Damit scheint er von der dem Frankfurter Subsumtionstheorem<br />

innewohnenden "Logik der Vollendung" abzurücken.<br />

Das wird auch dort deutlich, wo Brandt (1983) eine "Metaphysik der reellen<br />

Subsumtion" kritisiert, die diejenigen Friktionen <strong>und</strong> Widersprüche<br />

vernachlässige, die bei der Integration der heterogenen stofflichen Voraussetzungen<br />

in den kapitalistischen Produktionsprozeß notwendigerweise<br />

auftreten. Diese "Metaphysik der reellen Subsumtion" zeichne sich dadurch<br />

aus, daß sie, ohne sich hinreichend der Gefahr empirischer Widerlegung<br />

auszusetzen, zu schnell <strong>und</strong> unter Vernachlässigung "entgegenwirkender<br />

Ursachen" von der Entwicklungslogik kapitalistischer Gesellschaften<br />

auf deren tatsächliche Entwicklungsdynamik schließen zu können<br />

glaube. Aus einer durchaus sinnvollen Arbeitshypothese bzw. einer idealtypischen<br />

Konstruktion werde so leicht eine apriorische Gewißheit, die<br />

empirische Forschung letztlich überflüssig mache. Mag man auch in den<br />

Publikationen der Frankfurter Industriesoziologen genügend Belege für<br />

derlei vereinfachende Interpretationen finden, so läßt sich doch bei Brandt<br />

selbst recht früh eine Distanzierung von der Vorstellung einer eindimensionalen<br />

<strong>und</strong> unilinearen Entwicklungslogik feststellen, die zu Recht von<br />

vielen Kritikern des Subsumtionstheorems immer wieder moniert wurde.<br />

Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />

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So hat er beispielsweise durchaus nicht nur Stefan Breuer <strong>und</strong> Klaus-<br />

Dieter Oetzel im Auge, wenn er festhält, daß "die Frankfurter nicht immer<br />

der ihnen angestammten Neigung widerstanden (haben), sich eine totalisierte<br />

<strong>und</strong> apokalyptische Version der Subsumtionstheorie zu eigen zu<br />

machen, <strong>und</strong> die reelle Subsumtion der Arbeit unter das Kapital als einen<br />

stetig fortschreitenden <strong>und</strong> sich vollendenden Prozeß zu begreifen"<br />

(Brandt 1984, S. 201).<br />

Bei den Versuchen der Modifikation <strong>und</strong> Präzisierung subsumtionstheoretischer<br />

Annahmen standen nach unserer Auffassung vor allem zwei<br />

Aspekte im Vordergr<strong>und</strong>: Zum einen wurden die Aussagen zum Verhältnis<br />

von Markt- <strong>und</strong> Zeitökonomie mehrfach reformuliert, zum anderen<br />

sind erhebliche Anstrengungen unternommen worden, einen Begriff von<br />

"Technik" zu entwickeln, der sozialwissenschaftlichen Ansprüchen genügt.<br />

Auf den ersten Aspekt wurde bereits eingegangen (s. Abschnitt 2.1; vgl.<br />

auch Brandt 1981, S. 40 ff.). An dieser Stelle sollen nun die Brandtschen<br />

Überlegungen zur Entwicklung eines Technikbegriffs rekonstruiert werden,<br />

die für den Fortgang seiner theoretischen Arbeiten von erheblicher<br />

Bedeutung waren.<br />

Bereits die erste Computerstudie (Brandt u.a. 1978, S. 46 ff.) hatte versucht,<br />

einen materialistischen Technikbegriff zu entwickeln, der es erlaubt,<br />

Technik als gesellschaftlich-historisches Projekt <strong>und</strong> nicht als gesellschaftsneutralen<br />

Sachverhalt zu erfassen, d.h. als gesellschaftlich "endogen"<br />

zu thematisieren (vgl. Lutz, Schmidt 1977). Allerdings wird die Analyse<br />

hier noch auf das Verhältnis von Arbeitsorganisation <strong>und</strong> kapitalistischer<br />

Technologie <strong>und</strong> auf die darin angelegten Abstraktionsprozesse zentriert.<br />

Die theoretischen Anstrengungen verbleiben somit zunächst auf der<br />

Ebene der Anwendung der Technologie im Arbeitsprozeß. Indem Brandt<br />

u.a. die EDV-Technologie als Organisationstechnologie bestimmen, postulieren<br />

sie eine technologisch induzierte Aufhebung der überkommenen<br />

Trennung von Technisierung <strong>und</strong> Organisierung als jeweils alternative,<br />

analytisch zu trennende Rationalisierungsstrategien. Durch die Entwicklung<br />

des betrieblichen Informatisierungsprozesses rücke die Organisationstechnologie<br />

zum Steuerungsorgan des produktiven Gesamtarbeiters<br />

auf <strong>und</strong> werde so zum Träger kapitalistischer Vergesellschaftung.<br />

In einem neueren Aufsatz versuchen Brandt <strong>und</strong> Papadimitriou (1983),<br />

den Geltungsanspruch des Subsumtionstheorems über den Bereich der<br />

Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />

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materiellen Arbeit hinaus auszudehnen - <strong>und</strong> damit nicht nur die Anwendung,<br />

sondern auch den Prozeß der Erzeugung wissenschaftlicher Erkenntnisse<br />

<strong>und</strong> neuer Technologien zu thematisieren. Im Anschluß an eine<br />

Defizitanalyse, die den gängigen, instrumentellen Technikbegriff des Marxismus<br />

<strong>und</strong> weiter Teile der westdeutschen Industriesoziologie einer kritischen<br />

Würdigung unterzieht, werden einige Thesen in bezug auf die Entwicklung<br />

von Wissenschaft, Technik <strong>und</strong> menschlicher Arbeit formuliert.<br />

Dabei wird auch das Frankfurter Institut nicht vom Vorwurf der Nutzung<br />

eines "instrumentellen Technikbegriffs" freigesprochen:<br />

"Gemeinsam zu sein scheint diesen Lösungsversuchen bei allen Differenzen<br />

wiederum, daß 'kapitalistische Technik' als kapitalistisch angewandte<br />

Technik verstanden wird, als eine Technik also, die für Zwecke der Kapitalverwertung<br />

instrumentalisiert wird, selbst aber einer von diesen Zwekken<br />

unabhängigen Eigenlogik folgt. Das gilt auch für das Frankfurter Institut,<br />

dessen metaphorischer Sprachgebrauch nicht darüber hinwegtäuschen<br />

kann, daß analytisch auch weiterhin zwischen ökonomischen Zwekken<br />

<strong>und</strong> technischen Mitteln unterschieden wird" (Brandt, Papadimitriou<br />

1983, S. 140).<br />

Die Autoren legen zwar großen Nachdruck darauf, daß kapitalistische Gesellschaften<br />

notwendig auf systemfremde Substratbedingungen rekurrieren<br />

müssen - neben der menschlichen Arbeit auch Wissenschaft <strong>und</strong> Technik;<br />

sie betonen aber zugleich, daß diese einem Prozeß zunehmender reeller<br />

Subsumtion unterworfen seien. Dieser bezieht sich nicht nur auf die Arbeitsbedingungen<br />

der Wissenschaftler, denen allerdings von seiten des<br />

Kapitals notgedrungen eine relative Autonomie zugestanden wird, sondern<br />

auch, sieht man einmal von seinen formativen Phasen ab, auf die<br />

Entwicklung des Wissenschaftssystems selbst. Und auch die Arbeitsbedingungen<br />

der Wissenschaftler <strong>und</strong> Ingenieure unterscheiden sich, so Brandt<br />

<strong>und</strong> Papadimitriou, nur so lange von denen der Arbeiter in der unmittelbaren<br />

Produktion, wie eine durchgängige Algorithmisierbarkeit ihrer Arbeit<br />

nicht möglich ist <strong>und</strong> dadurch ihre vollständige Subsumtion zunächst<br />

verhindert wird. Die Argumentation mündet schließlich in die These ein,<br />

der Prozeß wissenschaftlicher Erkenntnis selbst sei "bis in seine Struktur<br />

hinein der Steuerung durch Verwertungsimperative unterworfen" <strong>und</strong> externe<br />

<strong>und</strong> interne Regulative seien "aufgr<strong>und</strong> der offenen Struktur dieses<br />

Prozesses in unauflöslicher Weise miteinander" verb<strong>und</strong>en. Damit sei die<br />

gängige Unterscheidung von Produktivkräften <strong>und</strong> Produktionsverhältnissen<br />

nicht länger haltbar. Darüber hinaus werde diese durch den Umstand<br />

Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />

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hinfällig, daß die wissenschaftlich-technische Arbeit zunehmend zur Basis<br />

der Kapitalverwertung aufrücke. Technik <strong>und</strong> Wissenschaft, so argumentieren<br />

Brandt <strong>und</strong> Papadimitriou in Anlehnung an eine Formulierung Habermas'<br />

(1968, S. 79 ff.), werden zur ersten "Produktivkraft", was seinen<br />

Ausdruck in Gestalt einer "technischen Wertform" finde, die an die Stelle<br />

der auf abstrakter Arbeit beruhenden Wertform trete. Der Begriff der<br />

"technischen Wertform", der auf Bahr (1973) zurückgeht, sollte für Brandt<br />

vor allem die Funktion haben, an der von vielen Kritikern der Marxschen<br />

Arbeitswertlehre (wie eben z.B. Habermas) vernachlässigten kapitalistischen<br />

Formbestimmtheit von Wissenschaft <strong>und</strong> Kapital festhalten zu können<br />

(vgl. Brandt 1984, S. 213).<br />

Die von Wolfgang Krohn <strong>und</strong> Werner Rammert auf dem Dortm<strong>und</strong>er Soziologentag<br />

1984 vorgetragene Kritik an diesem Aufsatz (Krohn, Rammert<br />

1985) hat Brandt zum Anlaß genommen, in einem Ende des Jahres 1985 in<br />

Bielefeld gehaltenen Vortrag "zum Technikbegriff der materialistischen<br />

Theorietradition" (Brandt 1985) einige Modifikationen des Frankfurter<br />

Theorie- <strong>und</strong> Forschungsprogramms vorzunehmen. Dieser Vortrag beinhaltet<br />

den Versuch, den Entwurf eines materialistischen Begriffs der Technik,<br />

der im Gr<strong>und</strong>e einer Logik der Vollendung folgt, da er den heterogenen<br />

Substratbedingungen kapitalistischer Produktion tendenziell jede Eigenständigkeit<br />

abspreche, "in entscheidenden Punkten zu überdenken <strong>und</strong><br />

zu revidieren" (S. 16). Zunächst gibt Brandt den Kritikern des Subsumtionstheorems<br />

recht, die eine Vernachlässigung politischer <strong>und</strong> sozio-kultureller<br />

Handlungsorientierungen monieren. Auch die von Krohn <strong>und</strong><br />

Rammert (1985) gegen das Subsumtionstheorem erhobenen Einwände, es<br />

handele sich um ein Modell, das (1) "keine systematischen Grenzen" kapitalistischer<br />

Vergesellschaftung kenne, (2) Interdependenzbeziehungen zwischen<br />

Industrie <strong>und</strong> Forschung ausschließlich als Subsumtionsbeziehungen<br />

thematisiere <strong>und</strong> (3) sich "die analytisch relevante Frage (schenke), wie<br />

die Interdependenz zwischen Erkenntnis <strong>und</strong> Ökonomie ohne Leistungsverlust<br />

organisierbar ist" (S. 427), werden von Brandt akzeptiert. Damit<br />

gibt er die den traditionellen Fassungen des Subsumtionstheorems eigene<br />

"Logik der Vollendung", nach der sich im Gr<strong>und</strong>e die Verwertungslogik<br />

ohne ernstzunehmende Brüche durchsetzt, weitgehend auf. Hatten Krohn<br />

<strong>und</strong> Rammert immerhin noch zugestanden, daß das Subsumtionstheorem<br />

in bezug auf den "innerbetrieblichen Anwendungs- <strong>und</strong> Implementationsaspekt<br />

neuer Technologien aufrecht erhalten werden" könne (S. 426), legen<br />

die Überlegungen Brandts zur Entwicklungslogik fortgeschrittener kapita-<br />

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listischer Gesellschaften die Vermutung nahe, daß er an der theoretischen<br />

Tragfähigkeit traditioneller Fassungen des Subsumtionstheorems <strong>und</strong> ihrer<br />

Ergiebigkeit für empirische Forschung auch für den Bereich zweifelte,<br />

für den es ursprünglich entwickelt worden war, den Bereich der unmittelbaren<br />

Produktion. Hier, wie bereits in dem Aufsatz "Marx <strong>und</strong> die neuere<br />

deutsche Industriesoziologie" (1984) <strong>und</strong>, noch deutlicher, in dem Versuch,<br />

den späten Horkheimer für eine Weiterentwicklung des Subsumtionstheorems<br />

zum Subsumtionsmodell in Anspruch zu nehmen (Brandt<br />

1986a), wird das Subsumtionstheorem von Brandt auf einem Abstraktionsniveau<br />

reformuliert, das die Differenz zwischen allgemeinen (meta-)<br />

theoretischen Annahmen <strong>und</strong> operationalisierbaren, empirischer Forschung<br />

zugänglichen Fragestellungen weiter vergrößert. Somit reduziert<br />

sich das Subsumtionsmodell auf die - freilich f<strong>und</strong>amentale - Feststellung,<br />

daß in kapitalistischen Gesellschaften die Tauschabstraktion konstitutiv<br />

für alle gesellschaftlichen Prozesse sei, also auch die Entwicklung von Wissenschaft<br />

<strong>und</strong> Technik durchdringe. 6<br />

Im "technologischen Kapitalismus"<br />

sei jedoch nicht mehr die abstrakte (materielle) Arbeit, sondern die wissenschaftliche<br />

(immaterielle) Arbeit Gr<strong>und</strong>lage der Tauschabstraktion.<br />

Damit ist die nur scheinbar akademische Frage gestellt, ob die verwissenschaftlichte<br />

Technik anstelle der materiellen Arbeit zum zentralen Substrat<br />

gesellschaftlicher Synthesis wird, die allerdings auch weiterhin die<br />

Form der Tauschabstraktion hat, oder ob sie selbst zur vorherrschenden<br />

Form gesellschaftlicher Synthesis aufrückt <strong>und</strong> damit die Tauschabstraktion<br />

aus ihrer ehemals zentralen Rolle verdrängt.<br />

Fassen wir den bisherigen Gang der Argumentation dieses Abschnitts zusammen.<br />

Die Rekonstruktion des Brandtschen Versuchs, den Geltungsanspruch<br />

des Subsumtionstheorems auszuweiten, hat gezeigt, daß das<br />

zunächst vernachlässigte Problem der Widerspenstigkeit der Substratbedingungen<br />

"Technik" <strong>und</strong> "Wissenschaft" (ihrer autonomen Eigenlogik) zu<br />

einer weitergehenden Revision des Subsumtionsmodells zwingt. Ein nichtinstrumenteller<br />

Begriff der Technik kann sich eben nicht in der Anwendung<br />

der Subsumtionslogik auf einen neuen Bereich erschöpfen, sondern<br />

muß sich auf die dort geltenden Bedingungen, Widerstände <strong>und</strong> Grenzen<br />

6 Damit wird ein Motiv aufgenommen, das Adorno in seinem Eröffnungsvortrag<br />

zum 16. Deutschen Soziologentag in Frankfurt 1968 sehr stark gemacht hatte:<br />

die wechselseitige Vermittlung von Produktivkräften <strong>und</strong> Produktionsverhältnissen<br />

(vgl. Adorno 1969).<br />

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der Subsumtion einlassen. Die Schlußfolgerungen, die Brandt zunächst nur<br />

anläßlich der Entwicklung eines sozialwissenschaftlichen Technikbegriffs<br />

gezogen hatte, gehen im weiteren Gang seiner theoretischen Reflexionen<br />

weit über diesen Bereich hinaus <strong>und</strong> schlagen auf den ursprünglichen Geltungsbereich<br />

des Subsumtionstheorems zurück. So wird, nimmt man zentrale<br />

Motive der "labour process debate" ernst (vgl. Willmott 1990; Knights<br />

1990; Burawoy 1978), der menschlichen Arbeitskraft als Substratbedingung<br />

kapitalistischer Produktion mehr Autonomie <strong>und</strong> Widerspruchspotential<br />

zugemessen werden müssen, als das traditionelle Versionen des<br />

Subsumtionstheorems taten, wenn sie beispielsweise von einer "fortschreitenden<br />

Überformung aller systemfremden Bedingungen" (Brandt 1981, S.<br />

51) kapitalistischer Produktion sprachen.<br />

Will die Industriesoziologie an der Analyse der gesellschaftlichen Arbeit<br />

festhalten, so der Tenor der Brandtschen Überlegungen, so muß sie darüber<br />

hinaus die traditionelle Fixierung auf den Prozeß der unmittelbaren<br />

Produktion aufgeben (beispielsweise <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong><br />

in die Analyse einbeziehen) <strong>und</strong> zugleich eine abstraktere<br />

Fassung des Theorems der reellen Subsumtion entwickeln (vgl. Neuendorff<br />

1989). Damit stellt sich allerdings das Problem der Vermittlung<br />

abstrakter (meta-)theoretischer Annahmen mit den Notwendigkeiten empirischer<br />

Forschung neu.<br />

Im Zusammenhang mit der Entwicklung eines materialistischen Technikbegriffs<br />

steht der Versuch Brandts, innerhalb der marxistischen Theorie<br />

<strong>und</strong> der westdeutschen Industriesoziologie zwischen einer am Produktionsmodell<br />

<strong>und</strong> einer am Subsumtionsmodell orientierten Lesart der Kritik<br />

der Politischen Ökonomie zu unterscheiden. Auf einen Nenner gebracht<br />

versteht er unter dem Produktionsmodell eine an der Produktivkraftentwicklung<br />

<strong>und</strong> am Arbeitsbegriff orientierte Lesart der Marxschen Theorie,<br />

während die subsumtionstheoretische Lesart stärker auf abstrakte gesellschaftliche<br />

Formbestimmungen wie die Wertform in ihren historischen<br />

Ausprägungen <strong>und</strong> auf unterschiedliche Vergesellschaftungsmodi abhebt.<br />

Die Implikationen dieses Modells liegen,<br />

"negativ formuliert, zunächst darin, daß die Arbeit aus ihrer gesellschaftskonstituierenden<br />

Rolle herausgelöst <strong>und</strong> nicht mehr als Gr<strong>und</strong> <strong>und</strong> Subjekt<br />

von Vergesellschaftungsprozessen, sondern als deren Moment <strong>und</strong> Produkt<br />

betrachtet wird (ohne daß, was ausdrücklich zu betonen ist, die Be-<br />

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deutung der Arbeit für die Reproduktion kapitalistischer Gesellschaften in<br />

Frage gestellt würde)" (Brandt 1984, S. 209).<br />

Mit diesen Überlegungen setzt sich Brandt von Fassungen des Subsumtionstheorems<br />

ab, die, indem sie von allen Kontextbedingungen kapitalistischer<br />

Entwicklung abstrahieren, von einer unilinearen Durchsetzung der<br />

Kapitalverwertungslogik in der gesellschaftlichen Wirklichkeit ausgingen.<br />

Es sei im Gegenteil zu berücksichtigen, daß die Entwicklungsdynamik des<br />

Kapitalismus in Abhängigkeit von historisch <strong>und</strong> national spezifischen Bedingungen<br />

nachhaltig geprägt werde, <strong>und</strong><br />

"die in Abhängigkeit von diesen Bedingungen eingeschlagenen Entwicklungspfade<br />

einen außerordentlich verschiedenartigen Verlauf nehmen"<br />

(Brandt, Papadimitriou 1983, S. 16).<br />

Damit, so eine Formulierung Brandts anläßlich der Horkheimer Konferenz,<br />

eröffnet eine subsumtionstheoretische Fassung der Kritik der Politischen<br />

Ökonomie, in<br />

"Abgrenzung von der marxistischen Tradition <strong>und</strong> in Anlehnung an eher<br />

latente Motive auch des Marxschen Spätwerks Einsicht(en) in die Mechanismen,<br />

die durch Krisen <strong>und</strong> Widersprüche hindurch die Reproduktion<br />

des gegenwärtigen Kapitalismus ermöglichen" (Brandt 1986a, S. 291).<br />

Eine derart "geläuterte" Fassung des Subsumtionstheorems, die eine vorschnelle<br />

Ineinssetzung von Entwicklungslogik <strong>und</strong> Entwicklungsdynamik<br />

kapitalistischer Gesellschaften vermeidet, führte Brandt zur intensiven Beschäftigung<br />

mit den Arbeiten der sogenannten Regulationsschule. Deren<br />

Stellenwert wird vor allem dort deutlich, wo sich Brandt mit Arbeiten auseinandersetzte,<br />

die vermeintliche Gewißheiten über die historischen Entwicklungslinien<br />

<strong>und</strong> absehbaren Tendenzen der kapitalistischen Organisation<br />

von Arbeit in Zweifel zogen.<br />

Das Jahr 1984 hat gute Chancen, als das Jahr der "Paradigmenwechsel" in<br />

die Geschichte der Industriesoziologie einzugehen. Horst Kern <strong>und</strong> Michael<br />

Schumann stellten das "Ende der Arbeitsteilung" <strong>und</strong> eine damit<br />

verb<strong>und</strong>ene Rehabilitation der Industriearbeit in Aussicht (Kern, Schumann<br />

1984), Michael Piore <strong>und</strong> Charles Sabel verkündeten das "Ende der<br />

Massenproduktion" (Piore, Sabel 1984), <strong>und</strong> Burkart Lutz konnte nachweisen,<br />

daß die Entwicklung kapitalistischer Gesellschaften keiner durch-<br />

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gängigen Logik folgt <strong>und</strong> es sich bei der Vorstellung "immerwährender<br />

Prosperität" lediglich um einen "kurzen Traum" handelt (Lutz 1984). Trotz<br />

starker Vorbehalte gegen die "Botschaft" der beiden ersten Autorenpaare<br />

stellten deren empirische Bef<strong>und</strong>e, vor allem die von Piore <strong>und</strong> Sabel aufgedeckten<br />

Strukturveränderungen des modernen Industriekapitalismus,<br />

für Brandt den Anlaß dar, die Haltbarkeit der von ihm vertretenen Fassung<br />

des Subsumtionstheorems neu zu überdenken (vgl. Brandt 1985;<br />

1986b). 7<br />

Zwar war er wie die genannten Autoren der Auffassung, daß herkömmliche<br />

Formen der Unternehmens-, Betriebs- <strong>und</strong> Arbeitsorganisation,<br />

die auf die strikte Trennung zwischen Planung <strong>und</strong> Ausführung sowie<br />

auf die systematische Nutzung der "economies of scale" ausgerichtet sind,<br />

in Anbetracht der veränderten ökonomischen Rahmenbedingungen zunehmend<br />

unter Druck geraten. Vorrangig klärungsbedürftig war für ihn<br />

jedoch, wie die sich auf den verschiedenen Ebenen der industriellen Sozialstruktur<br />

abzeichnenden Veränderungen, die häufig mit mehr oder weniger<br />

einprägsamen Formeln wie "Deregulierung", "flexible Spezialisierung",<br />

"Reprofessionalisierung" etc. umschrieben werden, wechselseitig zusammenhängen,<br />

worin ihre gesellschaftliche Relevanz besteht, <strong>und</strong> ob diese<br />

Fragen (noch) mit Hilfe von subsumtionstheoretischen Annahmen adäquat<br />

geklärt werden können.<br />

Bei der Beschäftigung mit diesen zentralen Fragen knüpfte Brandt an die<br />

Arbeiten der sogenannten "Regulationsschule" an (vgl. Aglietta 1979; Lipietz<br />

1985; Hirsch 1985; Hirsch, Roth 1986). Obwohl es sicherlich übertrieben<br />

ist, von einer einheitlichen Schule im strengen Sinne zu sprechen,<br />

verbindet die meisten " Regulationisten" der gemeinsame Anspruch, "ein<br />

reduktionistisches Herangehen an die ökonomische Dynamik kapitalistischer<br />

Gesellschaften zu überwinden" (Jessop 1988, S. 380). Sie begreifen<br />

die industriell-kapitalistische Entwicklung als eine durch Krisen <strong>und</strong> Brüche<br />

geprägte, in der historisch je spezifische Formen der Integration gesellschaftlicher<br />

Produktion <strong>und</strong> Konsumtion ("Akkumulationsregime") mit<br />

7 In einer Sammelrezension, die den eine (Industrie-)soziologische Mode vorsichtig<br />

ironisierenden Titel "Vor einem Paradigmenwechsel?" trägt, setzt sich Brandt<br />

gründlich mit Lutz einerseits <strong>und</strong> Piore <strong>und</strong> Sabel andererseits auseinander. Dabei<br />

wird die ungeheuere Faszination deutlich, die für ihn von dem Versuch ausging,<br />

die Entwicklung des Industriekapitalismus über einen großen Zeitraum zu<br />

verfolgen <strong>und</strong> in einer historisierenden Verfahrensweise Strukturbrüche in dieser<br />

Entwicklung zu identifizieren; vgl. auch Brandts Arbeit über die englischen<br />

Minenarbeitergewerkschaften (Brandt 1975).<br />

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je bestimmten Modi der Regulation (spezifische institutionelle Formen<br />

<strong>und</strong> gesellschaftliche Normen) einander ablösen, ohne daß dadurch notwendigerweise<br />

die kapitalistische Produktionsweise insgesamt bedroht<br />

wäre. Die Gestalt einer neuen gesellschaftlichen Formation ist freilich ex<br />

ante unbestimmt <strong>und</strong> hängt, wie Brandt im Anschluß an Hirsch <strong>und</strong> Roth<br />

(1986) betont, von den politischen <strong>und</strong> ökonomischen Kräfteverhältnissen<br />

<strong>und</strong> dem Ausgang der entsprechenden sozialen Auseinandersetzungen ab.<br />

Derartige Konflikte können zwar in einer Übergangsphase den Bestand<br />

des Kapitalismus prinzipiell gefährden. Bezogen auf die aktuelle Entwicklung<br />

gilt den Regulationstheoretikern die gegenwärtige Transformation<br />

des durch Massenproduktion <strong>und</strong> Massenkonsum standardisierter Güter<br />

gekennzeichneten fordistischen Akkumulationsregimes jedoch als Strukturbruch,<br />

der die an das Waren- <strong>und</strong> Lohnverhältnis geb<strong>und</strong>ene Identität<br />

des Kapitalismus nicht in Frage stellt. Insofern kann der Regulationsansatz<br />

als Versuch verstanden werden, die "historische Plastizität <strong>und</strong> Regenerationsfähigkeit<br />

des modernen Kapitalismus" (Brandt) zum Thema zu<br />

machen.<br />

In seiner Auseinandersetzung mit Piore <strong>und</strong> Sabel wird deutlich, daß es<br />

diese Gr<strong>und</strong>ausrichtung war, die Brandt an den Analysen der Regulationsschule<br />

faszinierte, wenn er auch ihren tentativen <strong>und</strong> skizzenhaften Charakter<br />

nicht verkannte: Die von Vertretern dieser Schule vorgelegten Arbeiten<br />

hätten aber anders als die Piore/Sabelsche Studie in theoretisch<br />

f<strong>und</strong>ierter Weise deutlich machen können, daß die im Zuge der Restrukturierung<br />

des überkommenden Systems der Massenproduktion zu registrierenden<br />

"Veränderungen der nach wie vor wirksamen Logik der Kapitalverwertung<br />

gehorchen <strong>und</strong> darauf ausgerichtet sind, die Subsumtion aller Arbeits- <strong>und</strong><br />

Lebensverhältnisse unter die Anforderungen der Kapitalakkumulation neu<br />

zu begründen, auch wenn die Regulationsformen, auf die die Subsumtion<br />

sich stützt, nicht eindeutig vorgezeichnet sind" (Brandt 1986b, S. 118).<br />

Hielt Brandt somit an der Unerläßlichkeit einer Theorie der Subsumtion<br />

fest, betonte er andererseits das Erfordernis, diese "im Sinn einer historischen<br />

Kapitalismustheorie zu revidieren, die auch die Brüche noch erfaßt,<br />

durch die hindurch die Entwicklungslogik des Kapitalismus sich durchsetzt"<br />

(ebd., S. 119). Als die "Aufgabe einer adäquaten Kapitalismustheorie,<br />

die sich auch weiterhin als Subsumtionstheorie versteht", sah er<br />

schließlich an, genau diese Reproduktionsmechanismen <strong>und</strong> Regulations-<br />

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formen, die sich als Krisenlösungen für den Bestand des Kapitalismus zu<br />

bewähren haben,<br />

"zu identifizieren <strong>und</strong> zu beachten, daß diese von Entwicklungsphase zu<br />

Entwicklungsphase <strong>und</strong> von Gesellschaftssphäre zu Gesellschaftssphäre variieren<br />

<strong>und</strong> dabei wiederum nicht eindeutig vorgezeichnet sind, sondern in<br />

Form funktionaler Äquivalente auftreten" (Brandt 1986b, S. 119).<br />

Sucht man nun in den Arbeiten der Regulationsschule nach Hinweisen auf<br />

potentielle Krisenlösungen auf der Ebene des Produktionssystems, so finden<br />

sich in aller Regel nur wenig differenzierte Darstellungen. Zwar fehlt<br />

es von ihrer Seite nicht an Versuchen, nach den bereits sichtbaren Konturen<br />

einer noch unbekannten, auf den Fordismus folgenden Formation<br />

Ausschau zu halten; allerdings ist das von ihr antizipierte neo- oder auch<br />

post-fordistische Akkumulationsmodell bislang ein eher diffuses <strong>und</strong> empirisch<br />

keineswegs gesättigtes Konzept geblieben. Dabei fällt auf, daß die<br />

wissenschaftlich-technische Entwicklung nur als fertiges Resultat, als Abfolge<br />

bedeutender Neuerungen in den Blick gerät <strong>und</strong> allein daraufhin<br />

diskutiert wird, inwieweit sie eine notwendige Bedingung für einen Ausweg<br />

aus der Krise darstellt. Die Prozesse der Entwicklung neuer Technologien<br />

bleiben hingegen ausgeblendet. Dies verw<strong>und</strong>ert um so mehr, als<br />

gerade in gesellschaftlichen Umbruchsituationen auf dem Gebiet der<br />

<strong>Technikentwicklung</strong> entscheidende Weichen für die zukünftige gesellschaftliche<br />

<strong>und</strong> politische Entwicklung gestellt werden.<br />

Fassen wir wiederum zusammen: Hatte unsere Auseinandersetzung mit<br />

Brandts Versuch der Entwicklung eines materialistischen Technikbegriffs<br />

ergeben, daß das Theorem der reellen Subsumtion eine einschneidende<br />

Veränderung erfährt, indem es seinen Geltungsbereich erweitert <strong>und</strong><br />

seine Aussagen auf einer (noch) höheren Abstraktionsebene ansiedelt, so<br />

hat der Versuch, zwischen hochabstrakten Aussagen zur Entwicklungslogik<br />

<strong>und</strong> zur Entwicklungsdynamik kapitalistischer Gesellschaften zu vermitteln,<br />

zur Aufnahme von Überlegungen der Regulationsschule geführt.<br />

Diese gerät insbesondere wegen ihrer Fähigkeit ins Blickfeld, Kontinuität<br />

<strong>und</strong> Brüche in der Entwicklung kapitalistischer Gesellschaften angemessen<br />

zu reflektieren, weil sie eher als traditionelle Versionen des Subsumtionstheorems<br />

in der Lage zu sein scheint, Strukturveränderungen der gesellschaftlichen<br />

Arbeit, die sich nicht länger als "immer mehr vom gleichen"<br />

(Beck 1988) diskutieren lassen, zum Gegenstand auch gesellschaftstheore-<br />

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tischer Überlegungen zu machen. Als problematisch erweist sich dort allerdings<br />

unter anderem die bislang ungenügende Thematisierung von<br />

Technik <strong>und</strong> <strong>Technikentwicklung</strong> durch die Vertreter der Regulationsschule<br />

(Boyer 1988). Für das Subsumtionstheorem, wie es von Brandt in<br />

den letzten Jahren fortentwickelt wurde, läßt sich nach diesem kurzen<br />

Durchgang durch die einzelnen Phasen seiner Entwicklung festhalten, daß<br />

er die "klassischen" Versionen der Theorie der Subsumtion, auf die sich in<br />

der Regel die Kritik bezieht, zugunsten einer reformulierten Version derselben<br />

aufgegeben hat. Diese neue Fassung des Subsumtionstheorems<br />

zeichnet sich dadurch aus, daß sie erstens einen erweiterten Geltungsbereich<br />

hat, weil sie die traditionelle Fixierung der Industriesoziologie auf<br />

den Prozeß der unmittelbaren Produktion überwindet. Zweitens wird das<br />

Subsumtionstheorem gleichsam weiter "abstraktifiziert", da die Tauschabstraktion<br />

als Modus der gesellschaftlichen Organisation der Arbeit zentral<br />

gestellt wird. Dabei wird allerdings der Begriff der Arbeit weiter gefaßt<br />

<strong>und</strong> nicht mehr an die Verausgabung von Arbeitskraft an einem materiellen<br />

Produkt geb<strong>und</strong>en. Drittens schließlich wird unterstellt, daß die historische<br />

Entwicklung des Kapitalismus keiner durchgängigen Logik folgt.<br />

Die Frage der Tragfähigkeit des Subsumtionstheorems in dieser erneut<br />

revidierten (<strong>und</strong> hier nur grob umrissenen) Form ließ sich naturgemäß<br />

nicht am grünen Tisch theoretisch-methodischer Reflektion entscheiden.<br />

Für Brandt wie für uns stand deshalb außer Frage, daß auch diese erneuerte<br />

Fassung des Subsumtionstheorems der empirischen Überprüfung bedarf.<br />

Nicht zuletzt diesem Zweck sollte das Forschungsprojekt dienen,<br />

über dessen Ergebnisse hier berichtet wird.<br />

Wir konnten uns allerdings nicht in dem ursprünglich anvisierten Umfang<br />

den Erfordernissen einer Fortentwicklung der Gesellschaftstheorie (vgl.<br />

Bieber, Brandt, Möll 1987) stellen, da wir uns im Rahmen des Projekts gezwungen<br />

sahen, größeres Gewicht auf die Erstellung der Branchenanalyse<br />

(s. Teil C) <strong>und</strong> die Entwicklung <strong>und</strong> erste Überprüfung von Forschungshypothesen<br />

(s. Teil D) zu legen. Aus diesem Gr<strong>und</strong> sind - was niemand mehr<br />

bedauert als die Autoren - notwendige Erweiterungen <strong>und</strong> Klärungen des<br />

Subsumtionstheorems im folgenden implizit geblieben. Auch hätten wir<br />

uns eine gründlichere Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen Implikationen<br />

der zunehmenden Bedeutung technologischer <strong>und</strong> organisatorischer<br />

Innovationspotentiale in der Industrie gewünscht. Immerhin aber<br />

konnte an den Vorschlag Brandts angeknüpft werden, den traditionellen<br />

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Gegenstandsbereich der Industriesoziologie durch das Themenfeld von<br />

Innovation <strong>und</strong> Organisation zu erweitern. Aufzunehmen war außerdem<br />

die Frage nach der Widersprüchlichkeit <strong>und</strong> den Grenzen der sich in bestimmten<br />

Organisationsstrukturen niederschlagenden Managementstrategien,<br />

um so wenigstens auf dieser Ebene der Frage nach den Schranken<br />

der reellen Subsumtion der Arbeit unter das Kapital nachzugehen. Insbesondere<br />

in diesem Kontext ist es in der Tat angezeigt, den konzeptionellen<br />

Bezugsrahmen der traditionellen industriesoziologischen Forschung auszuweiten<br />

<strong>und</strong> sich Theorietraditionen zuzuwenden, die dem Problem der<br />

Organisation von Innovationsprozessen sowie ihrer strukturellen Einbindung<br />

in industriell geprägte Kontexte schon etwas länger nachgehen. Dazu<br />

ist zunächst auf den Innovationsbegriff einzugehen, der für den weiteren<br />

Gang der Argumentation einige Bedeutung hat.<br />

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3. Annäherungen an das Thema "Innovation in der<br />

Industrie"<br />

Die Auskünfte, die einschlägige wirtschaftswissenschaftliche <strong>und</strong> organisationstheoretische<br />

Handwörterbücher zum Stichwort Innovation (etymologisch:<br />

Erneuerung) bereithalten, zeugen davon, daß es einen einheitlichen<br />

<strong>und</strong> allgemein geteilten Begriff von Innovation nicht gibt. Auch in Forschungsarbeiten,<br />

die sich mit den Voraussetzungen, dem Verlauf <strong>und</strong> den<br />

Auswirkungen von Neuerungsprozessen befassen, werden verschiedene<br />

Definitionen <strong>und</strong> Konzepte verwendet <strong>und</strong> je nach Fragestellung <strong>und</strong> erkenntnisleitenden<br />

Interessen unterschiedliche Aspekte des Phänomens<br />

Innovation hervorgehoben. Ein erster Orientierungsversuch über Inhalt,<br />

Verwendungsweisen <strong>und</strong> Problemgehalt des Innovationsbegriffs, der zu<br />

einer für die Analyse des Innovationsgeschehens in Industrieunternehmen<br />

sinnvollen Begriffsbestimmung verhelfen soll, kann an der Unterscheidung<br />

zwischen objektbezogenen (Innovation als Ergebnis eines Neuerungsprozesses)<br />

<strong>und</strong> prozessualen (Innovation als Erneuerungsprozeß) Definitionsversuchen<br />

ansetzen (vgl. Marr 1980).<br />

3.1 Objektbezogener Innovationsbegriff<br />

Bei objektbezogenen Definitionen ist vor allem die Unterscheidung zwischen<br />

technologisch neuen Produkten (Produktinnovation) <strong>und</strong> neuen<br />

Herstellungsverfahren (Prozeß- oder Verfahrensinnovation) von Bedeutung.<br />

Rosenberg hat nachdrücklich darauf hingewiesen, daß es keineswegs<br />

ausreicht, sich bei der Untersuchung des technischen Wandels allein auf<br />

Prozeßinnovationen zu konzentrieren:<br />

"Technical progress is typically treated as the introduction of new processes<br />

that reduce the cost of producing an essentially unchanged product. (...) At<br />

the same time, however, to ignore product innovation and qualitative improvements<br />

in products is to ignore what may very well have been the most<br />

important long-term contribution of technical progress to human welfare"<br />

(Rosenberg 1982, S. 4).<br />

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Dieser Vorwurf trifft beileibe nicht nur die ökonomischen Disziplinen,<br />

sondern in gewisser Weise auch die industriesoziologische Forschung, die<br />

sich bislang in der Hauptsache mit den Implikationen neuer Prozeßtechnologien,<br />

aber kaum mit der Thematik der Produktinnovation beschäftigt<br />

hat. 8<br />

Zunehmend gilt das Interesse auch neuartigen Werkstoffen (Materialinnovationen)<br />

sowie neuen Organisationsformen (Strukturinnovationen),<br />

die häufig in engem Zusammenhang mit Produkt- <strong>und</strong> Verfahrensinnovationen<br />

stehen. So behaupten einzelne Studien, daß die Verwirklichung von<br />

mehr als 60 % der in den nächsten 20 Jahren zu erwartenden wichtigsten<br />

Neuerungen auf allen Feldern der Naturwissenschaft <strong>und</strong> der Technik entscheidend<br />

von der Entwicklung geeigneter Werkstoffe abhängt. Gleichzeitig<br />

verweisen Organisationstheoretiker auf die wechselseitige Verschränkung<br />

von organisationsstrukturellen <strong>und</strong> technologischen Innovationen:<br />

"Die erhöhten Marktanforderungen an Produkt- <strong>und</strong> Prozeßinnovationen<br />

verlangen eine Intensivierung der Bemühungen um innovationsfördernde<br />

Organisationsstrukturen. Erst organisatorische Innovationen verwandeln<br />

technische Innovationen in marktliche Erfolge" (Bühner 1988, S. 146).<br />

Wichtige Divergenzen bei den Begriffsbestimmungen technologischer Innovationen,<br />

auf die wir uns zunächst konzentrieren wollen, beziehen sich<br />

auf das Problem, aus welcher Perspektive etwas als "neu" bezeichnet werden<br />

kann. Damit ist die Frage nach dem Referenzrahmen von Innovationen<br />

aufgeworfen. "Neu kann eine Problemlösung für das mit der Entwicklung<br />

befaßte Individuum bzw. soziale System sein, für seine Umwelt allgemein<br />

oder für spezifische Adressaten(-Gruppen)" (Marr 1980, Sp. 949).<br />

Hier sind nun verschiedene Bezugspunkte für die Beurteilung von Innovationen<br />

genannt, von denen in betriebswirtschaftlich <strong>und</strong> organisationstheoretisch<br />

orientierten Studien meist die einzelne Organisation bzw. das einzelne<br />

Unternehmen einerseits <strong>und</strong> der Markt andererseits im Vordergr<strong>und</strong><br />

stehen. Wird als Bezugspunkt das jeweils innovierende Unternehmen<br />

gewählt, spricht man von einem "subjektiven" Innovationsbegriff (Rogers,<br />

Shoemaker 1971). In dieser Sichtweise gilt z.B. die Entwicklung eines<br />

8 Vgl. aber zur Produktinnovation: Beuschel, Gensior, Sorge 1988; zum Verhältnis<br />

von Hersteller-Anwender-Beziehung: Döhl 1989; verschiedene Beiträge in Deiß,<br />

Döhl 1992; zur Einheit von Produkt- <strong>und</strong> Prozeßinnovation: Jürgens, Malsch,<br />

Dohse 1989.<br />

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neuen Fertigungsverfahrens oder einer neuen Produktionsanlage, mit der<br />

ein Unternehmen auf den Investionsgütermarkt tritt, als Produkt- <strong>und</strong><br />

nicht als Prozeßinnovation. Dagegen wird der Einkauf <strong>und</strong> die Einführung<br />

einer neuen Fertigungstechnologie, die von einem Zulieferunternehmen<br />

entwickelt wurde, nicht als Innovation, sondern als Adoption bezeichnet.<br />

Auffassungsunterschiede in bezug auf die unternehmensbezogene Perspektive<br />

bestehen jedoch darüber, ob eine Innovation nur für das innovierende<br />

Unternehmen selbst oder auch für den Markt neu sein muß. Für die<br />

erste Variante plädiert etwa Kieser, der in bezug auf Produktinnovationen<br />

von folgender Bestimmung ausgeht:<br />

"Von Produktinnovation wird dann gesprochen, wenn eine Unternehmung<br />

ein Produkt auf den Markt bringt, das bisher nicht im Produktionsprogramm<br />

dieser Unternehmung enthalten war; wird das betreffende oder ein<br />

ähnliches Produkt von der Konkurrenz bereits auf dem Markt angeboten,<br />

so ist zwar die Lösung einiger Teilprobleme der Produktinnovation für die<br />

Unternehmung einfacher, es müssen aber im Prinzip dieselben Phasen des<br />

Innovationsprozesses durchlaufen werden wie bei einer völligen Neuentwicklung"<br />

(Kieser 1973, S. 9).<br />

Zu den Vertretern der zweiten Version zählt dagegen Bühner, der als<br />

Produktinnovationen nur Neuerungen gelten läßt, "die über verbesserte<br />

oder neue Produkte auf die Erschließung von neuen Märkten gerichtet<br />

sind" (Bühner 1988, S. 143).<br />

Eine weitere begriffliche Schwierigkeit besteht darin, zwischen einem<br />

neuen <strong>und</strong> einem nur verbesserten Produkt zu unterscheiden. So sind z.B.<br />

Firmenangaben zum Umsatzanteil mit neuen Produkten, die die Innovationsträchtigkeit<br />

eines Unternehmens belegen sollen, mit Vorsicht zu genießen,<br />

da meist ein Kriterium für den Neuheitsgrad fehlt. Gleichwohl findet<br />

sich in der Literatur häufig der Vorschlag, neue Produkte, die nicht<br />

stark innovativ sind, <strong>und</strong> neue, "alternative" Produkte, die neue Anwendungsbereiche<br />

<strong>und</strong> Märkte erschließen sollen, auseinander zu halten. Im<br />

ersten Fall spricht man auch von Produktmodifikation, deren Bedeutung<br />

gegenüber völlig neuen Produkten von zahlreichen Autoren hervorgehoben<br />

wird.<br />

"Attention tends to be focused on the research, design and development<br />

work involved in getting from an idea or invention to an innovation on the<br />

market for the first time. However, just as important are the processes of<br />

successive redesign, component improvement and evolution of the product<br />

to improve its Performance and reduce its cost" (Roy 1986, S. 7).<br />

Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />

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Viele Untersuchungen haben darauf hingewiesen, daß die ökonomischen<br />

Vorteile von späteren Verbesserungen einer gr<strong>und</strong>legenden technischen<br />

Innovation oftmals größer sind als die Kostenersparnisse, die bei ihrer ursprünglichen<br />

Einführung erzielt wurden (Rosenberg 1982, S. 7 f.).<br />

Die Absicht, unterschiedliche Qualitäten von technologischen Innovationen<br />

zu berücksichtigen, liegt auch der Gegenüberstellung von Basisinnovationen<br />

<strong>und</strong> Verbesserungsinnovationen bei G. Mensch (1977) zugr<strong>und</strong>e.<br />

Eine technologische Basisinnovation ist für ihn ein technisches Ereignis,<br />

"bei dem der neu entdeckte Stoff oder das neu entwickelte Verfahren<br />

erstmals in fabrikmäßiger Produktion angewendet wurde oder bei dem für<br />

das neue Produkt erstmals ein organisierter Markt geschaffen wurde"<br />

(Mensch 1977, S. 134). Demgegenüber stehen Verbesserungsinnovationen,<br />

die sich dadurch auszeichnen, daß mit ihnen "schon existierende Technologien<br />

rationalisiert, renoviert <strong>und</strong> modernisiert werden" (ebd., S. 131).<br />

Diese Definitionsversuche sind indes nicht unproblematisch. Zwar weisen<br />

sie den Vorteil auf, "empirisch einigermaßen verläßlich überprüfbare Kriterien<br />

für die Identifizierung von Basisinnovationen anzugeben: erstmalige<br />

fabrikmäßige Anwendung <strong>und</strong> organisierter Markt. Die Definition sagt<br />

aber nichts darüber aus, was an solchen Innovationen basal sein soll <strong>und</strong><br />

was sie von einer Verbesserungsinnovation unterscheiden soll" (Halfmann<br />

1984, S. 62).<br />

Halfmann schlägt deshalb einen Innovationsbegriff vor, der stärker den<br />

Erzeugungskontext <strong>und</strong> die sozialen <strong>und</strong> technischen Auswirkungen von<br />

Innovationen berücksichtigt. Als Basisinnovationen bezeichnet er<br />

"die Produkte oder Verfahren, die einerseits neues wissenschaftliches Wissen,<br />

generiert nach industriellen Zweckbestimmungen, inkorporieren, deren<br />

industrielle Ausbeutung andererseits einen entscheidenden Effekt auf<br />

die Steigerung der Produktivität der Arbeit hat <strong>und</strong> deren Diff<strong>und</strong>ierung in<br />

die Systeme der Herstellung von Gütern eine Umorganisation des Systems<br />

der gesellschaftlichen Arbeitsteilung bewirkt" (Halfmann 1984, S. 63).<br />

Innovationen, die nicht unmittelbar die Produktivkraft der Arbeit steigern<br />

oder die Organisation der gesellschaftlichen Arbeitsteilung verändern, bezeichnet<br />

Halfmann als "einfache technische Innovationen". Neben den Erzeugungsbedingungen,<br />

die mit den Ausdrücken "neues wissenschaftliches<br />

Wissen" <strong>und</strong> "industrielle Zweckbestimmungen" beschrieben werden, gilt<br />

also vor allem die Rationalisierungswirkung als Unterscheidungsmerkmal<br />

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der beiden Innovationsbegriffe. Implizit scheint freilich auch das Kriterium<br />

Innovationshöhe eine Rolle zu spielen, wenn Halfmann den "entscheidenden<br />

Effekt" auf die Produktivitätssteigerung betont.<br />

Allerdings sind auch diese Begriffsbestimmungen, wenn man sie zur Analyse<br />

des betrieblichen Innovationsgeschehens <strong>und</strong> den dabei auftretenden<br />

Problemen heranziehen will, mit Schwierigkeiten behaftet. So lassen sich<br />

z.B. Basisinnovationen in aller Regel erst ex post als solche identifizieren.<br />

Sie werden nämlich<br />

"nicht in einer unabänderlichen Form einmal entwickelt, eingeführt <strong>und</strong><br />

später nur noch kopiert, sondern Entwicklung <strong>und</strong> Einführung einer Basisinnovation<br />

sind historisch betrachtet lang andauernde Prozesse, die sehr<br />

viel mehr Zeit erfordern, als es den landläufigen Vorstellungen der 'revolutionierenden'<br />

neuen Technologien entspricht <strong>und</strong> deren Bedeutung als<br />

Basisinnovation oft erst in einem relativ weit fortgeschrittenen Stadium der<br />

Diffusion erkannt wird" (FhG 1984, S. 54).<br />

Eine Basisinnovation erweist sich eher als<br />

"eine lange Kette von Verbesserungsinnovationen (...), die sich von anderen<br />

Innovationen insbesondere durch ihre Länge, nicht notwendigerweise<br />

durch den innovatorischen Gehalt des einzelnen Gliedes unterscheidet"<br />

(ebd., S. 56).<br />

Bevor wir zu den prozessualen Definitionsversuchen übergehen wollen,<br />

soll ein kurzes Zwischenresümee gezogen werden: Zur Untersuchung der<br />

Innovationsprobleme in industriellen Unternehmen scheint ein "subjektiver"<br />

Innovationsbegriff, der die Sicht des Innovierenden reflektiert, sinnvoller<br />

zu sein als ein Innovationsbegriff, der stärker auf die durch eine Innovation<br />

ausgelösten (externen) Veränderungen abhebt. Als Innovation<br />

sollen für die hier verfolgte Fragestellung deshalb<br />

gelten.<br />

"alle in einem Unternehmen entwickelten technologisch neuen Produkte<br />

bzw. technischen Verbesserungen bereits auf dem Markt eingeführter Produkte<br />

(Produktinnovation) oder technische Verbesserungen des unternehmensinternen<br />

Produktions- <strong>und</strong> Distributionssystems (Prozeßinnovation)"<br />

(FhG 1984, S. 57)<br />

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Damit ist allerdings nicht das Problem gelöst, mit welchen Kriterien man<br />

den Neuigkeitsgrad einer Innovation bestimmen könnte. Außerdem werden<br />

hier die gesellschaftlichen Auswirkungen der Innovation vernachlässigt,<br />

da wir nicht in erster Linie an speziellen Ergebnissen (z.B. Rationalisierungswirkungen),<br />

sondern vor allem an den Organisationsformen von<br />

Innovationsprozessen interessiert sind. Damit soll nicht bestritten werden,<br />

daß die intendierten Folgen einer bestimmten Innovation Einfluß auf die<br />

Art der Organisation ihres Erzeugungsprozesses haben können. Entscheidender<br />

für die hier verfolgte Fragestellung sind jedoch die Generierungsbedingungen<br />

<strong>und</strong> die Eigenarten von Aufgaben, die auf die Erzeugung von<br />

Innovationen gerichtet sind (s. Abschnitt 3.4).<br />

Versucht man nun, technologische Innovationstypen zu unterscheiden, von<br />

denen angenommen werden kann, daß mit ihrer Durchführung für das<br />

Unternehmen unterschiedliche (organisatorische) Anforderungen <strong>und</strong><br />

Probleme verb<strong>und</strong>en sind bzw. unterschiedliche strategische Ziele verfolgt<br />

werden, so sind (zumindest) sechs denkbare Kombinationen von Interesse:<br />

Al<br />

A2<br />

Bl<br />

B2<br />

Cl<br />

C2<br />

neues Produkt mit neuem Herstellungsverfahren,<br />

neues Produkt ohne Änderung des Produktionsapparates,<br />

verbessertes Produkt mit neuem oder verändertem Herstellungsverfahren,<br />

verbessertes Produkt ohne Veränderung des Produktionsapparates,<br />

neues Herstellungsverfahren,<br />

verbessertes Herstellungsverfahren.<br />

Bei den Kombinationen Al, A2, Bl <strong>und</strong> B2 ist außerdem von Interesse, ob<br />

damit auch eine Marktinnovation verb<strong>und</strong>en ist bzw. ob das Produkt auf<br />

dem Konsumgüter- oder auf dem Investitionsgütermarkt angeboten wird,<br />

da ein Zusammenhang zwischen dem Innovationsverlauf <strong>und</strong> den jeweiligen<br />

Bedingungen des Absatzmarktes bestehen dürfte. Im weiteren Verlauf<br />

dieser Arbeit werden wir zu zeigen versuchen, daß vor allem die Kombination<br />

Al, also die simultane Produkt- <strong>und</strong> Prozeßinnovation, in der Elektro<strong>und</strong><br />

Elektronikindustrie gegenwärtig an Bedeutung gewinnt, ohne deshalb<br />

bereits zur dominierenden Strategie der Produktentwicklung geworden zu<br />

sein (s. Kapitel 8).<br />

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3.2 Prozessualer Innovationsbegriff<br />

Bei einigen der bislang diskutierten Definitionsversuche wurde bereits auf<br />

den Prozeßcharakter von Innovationen hingewiesen. Allerdings herrscht in<br />

der Literatur keine Einigkeit darüber, welche Tätigkeiten <strong>und</strong> Resultate<br />

unter der Bezeichnung "Innovationsprozeß" zusammengefaßt werden sollen.<br />

So reservieren einige Ökonomen - wie etwa Schumpeter oder Mansfield<br />

- den Begriff der Innovation für die Phase der Durchsetzung einer<br />

Neuerung in der Unternehmung oder ihrer Umwelt. Der Entstehungskontext<br />

von Innovationen, d.h. die Phase der Ideenentwicklung bzw. Invention<br />

bleibt bei dieser Interpretationsform außer Betracht. Die " «Durchsetzung»<br />

neuer Kombinationen wird bei Schumpeter zum Inbegriff unternehmerischer<br />

Leistung. Die Schaffung neuer Problemlösungspotentiale<br />

wird vollständig negiert, sie sind als «tote Möglichkeiten» vorgegeben <strong>und</strong><br />

brauchen nur aufgegriffen <strong>und</strong> durchgesetzt zu werden" (Pfeiffer, Staudt<br />

1975, Sp. 1945). Erst in seinen späteren Arbeiten berücksichtigte Schumpeter<br />

auch die Entstehungsphase von Innovationen (Schumpeter 1950). In<br />

der angelsächsischen Literatur ist es deshalb mittlerweile üblich, zwischen<br />

"Schumpeter Mark I" <strong>und</strong> "Schumpeter Mark II" zu unterscheiden.<br />

"An important distinguishing feature between the two Schumpeterian<br />

viewpoints is that while inventive activity was entirely exogenous for<br />

Schumpeter Mark I it became at least partly endogenous for Schumpeter<br />

Mark II, since it was mostly conducted within large oligopolistic firms.<br />

Thus he acknowledged in his later work the growing institutionalisation of<br />

R&D" (Coombs u.a. 1987, S. 95).<br />

Im Gegensatz zu restriktiven Auffassungen von Innovation stehen Versuche,<br />

die prozessuale Betrachtungsweise auszuweiten <strong>und</strong> alle Aktivitäten<br />

<strong>und</strong> Phasen zu berücksichtigen, die von der Initiierung einer Neuerung bis<br />

zu ihrer Durchsetzung auf dem Markt bzw. im Unternehmen notwendig<br />

sind. Ein Beispiel dafür liefert die folgende Definition: "Innovationen sind<br />

Änderungsprozesse, die die Unternehmung im Interesse der Regeneration<br />

<strong>und</strong> des Wachstums ihres Struktur- <strong>und</strong> Leistungspotentials zum ersten<br />

Mal durchführt <strong>und</strong> die sich von der Problematisierung einer Situation bis<br />

zur Umsetzung der Lösung in Praxis erstrecken" (Bendixen 1976, S. 11).<br />

Innerhalb der Innovationsforschung finden sich zahlreiche Vorschläge, den<br />

Innovationsprozeß in analytisch voneinander unterscheidbare Phasen zu<br />

zerlegen (vgl. Thom 1980, S. 45 f.). Der Innovationsablauf wird dabei in<br />

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den meisten Fällen unter dem Gesichtspunkt der inhaltlichen Innovationsaktivitäten<br />

strukturiert. Obwohl über die Zahl der zu berücksichtigenden<br />

Phasen kein Konsens besteht, wird in der Regel zumindest zwischen einer<br />

Phase der Ideengenerierung <strong>und</strong> einer Phase der Ideenrealisierung bzw.<br />

Implementation unterschieden. 9<br />

Oftmals werden die einzelnen Phasen<br />

auch noch weiter ausdifferenziert oder zusätzliche Phasen (wie etwa die<br />

der Ideenakzeptierung) eingeführt. Eine ganz allgemein auf das Innovationsverhalten<br />

von betriebswirtschaftlichen Organisationen bezogene Unterteilung<br />

des Innovationsprozesses wird von Marr (1980) vorgeschlagen.<br />

Er unterscheidet zwischen den Phasen<br />

(1) Problemformulierung,<br />

(2) Problemanalyse,<br />

(3) Ideenentwicklung <strong>und</strong> Lösungsversuch,<br />

(4) Lösungspräsentation,<br />

(5) Innovationsbewertung <strong>und</strong> -akzeptanz,<br />

(6) Realisierung <strong>und</strong> Akzeptanzkontrolle.<br />

Dagegen konzentriert sich Kieser bei seinem Gliederungsversuch allein<br />

auf den Prozeß der Produktinnovation. Dabei differenziert er zwischen<br />

fünf Phasen:<br />

"Ideenfindung - das Finden einer Idee für ein neues Produkt;<br />

Konzipierung - der detaillierte Entwurf eines neuen Produktes;<br />

Akzeptierung - die Entscheidung, das neue Produkt bis zur Fertigungsreife<br />

zu entwickeln;<br />

Realisierung - die Schaffung der produktionstechnischen <strong>und</strong> marktlichen<br />

Voraussetzungen für die Ausbringung;<br />

Implementierung - die Produktion des neuen Produkts <strong>und</strong> seine Einführung<br />

auf dem Markt" (Kieser 1973, S. 18; Hervorhebungen im Original).<br />

9 Auf die Schwierigkeiten, die sich bei der Ausdifferenzierung unterschiedlicher<br />

Teilbereiche von Forschung <strong>und</strong> Entwicklung ergeben, wird im Rahmen der<br />

Analyse industrieller Innovationspotentiale eingegangen (s. Kapitel 6).<br />

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Mittlerweile wird kaum noch bestritten, daß derartige Phasenmodelle des<br />

Innovationsprozesses nur eine erste Annäherung an das wirkliche Geschehen<br />

bieten können. Zwischen modellhafter Abbildung <strong>und</strong> empirisch zu<br />

beobachtenden Innovationsverläufen können jedoch Diskrepanzen bestehen.<br />

"Die Unterteilung der technischen Entwicklung in Phasen ist ein Hilfsmittel<br />

zur Analyse, das jedoch nicht überschätzt werden darf, da die praktische<br />

Abgrenzung der Entwicklungsphasen bei technischen Neuerungen Schwierigkeiten<br />

macht. Größtenteils entspricht die Reihenfolge nicht dem zeitlichen<br />

Ablauf, die Stadien sind sehr stark verflochten <strong>und</strong> man beobachtet<br />

Wechselwirkungen innerhalb der Stadien" (Lahner, Ulrich 1969, S. 478).<br />

Wohl auch aus diesem Gr<strong>und</strong> plädiert Rammert (1988) in seiner Arbeit<br />

über Innovationsprozesse in Industrieunternehmen für einen alternativen<br />

Ansatz zur Phasenbeschreibung. Er möchte Phasenmodelle technischer<br />

Innovationsprozesse nicht allein durch das Kriterium der rein inhaltlich zu<br />

unterscheidenden Aktivitäten bestimmen, sondern Innovation nur dann<br />

als phasenartig beschreiben, wenn sich einzelne Stadien auch nach den<br />

Gesichtspunkten der beteiligten Akteure, der Rationalitätskonfigurationen<br />

10<br />

<strong>und</strong> der Entscheidungszäsuren als unterscheidbar erweisen. Allerdings<br />

unterscheidet sich das von ihm favorisierte Modell, das sich auf die<br />

von Zündorf <strong>und</strong> Grunt (1982) vorgeschlagene Differenzierung in vier<br />

Hauptphasen stützt (1. Problemdefinition <strong>und</strong> Ideenfindung; 2. Suche<br />

nach Problemlösungskonzepten <strong>und</strong> Vorstudien; 3. Konzeption <strong>und</strong> Vorversuch;<br />

4. Erprobung, Fertigung, Markteinführung), im Ergebnis nicht<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich von den oben beschriebenen Phaseneinteilungen. Bei seinen<br />

weiteren Ausführungen stößt man jedoch auf einige Ungereimtheiten. So<br />

postuliert er auf der einen Seite eine "funktional notwendige Abfolge von<br />

Innovationsphasen" <strong>und</strong> eine damit zusammenhängende "Irreversibilität<br />

der einzelnen Bearbeitungsschritte", die zusammen mit der "flexiblen Beziehung<br />

zwischen Innovationsobjekt <strong>und</strong> -verfahren" zu den "unhintergehbaren<br />

Faktoren für eine gelungene Produktinnovation" gehören (Rammert<br />

1988, S. 200 f.). Es müsse z.B. "erst die Entscheidung über die Notwendigkeit<br />

einer Innovation getroffen werden, um mit der FuE-Arbeit beginnen<br />

zu können" (ebd.). Auf der anderen Seite betont aber auch er, daß "die<br />

Phasenhaftigkeit der Innovation sich nicht in einem zeitlich starren Nacheinander<br />

der Stadien darstellen muß, sondern sich die einzelnen Gefüge<br />

10 Auf das Problem der Rationalitätskonfiguration bei Rammert wird noch einzugehen<br />

sein (s. Kapitel 8).<br />

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(...) überlappen" (ebd., S. 102). Angestrebt wird mit dieser Argumentation<br />

eine Unterscheidung zwischen der Logik <strong>und</strong> der Dynamik des Innovationsprozesses.<br />

Während die "unhintergehbaren Faktoren" für geglückte Innovationen<br />

auf die Logik des Innovationsprozesses verweisen sollen, führten<br />

"erst die organisations- <strong>und</strong> produktspezifischen Besonderheiten (...)<br />

zu speziellen Ausformungen der Innovationsverläufe auf der empirisch<br />

beobachtbaren Ebene" (ebd., S. 202).<br />

Nun finden sich jedoch in dem von Rammert präsentierten empirischen<br />

Material Hinweise auf geglückte Innovationsprozesse, bei denen die als<br />

unverzichtbar geltende Phasenabfolge offenk<strong>und</strong>ig nicht eingehalten<br />

wurde. So wird z.B. in einer Fallstudie davon berichtet, daß die Ideenfindung<br />

<strong>und</strong> das Finden eines Problemlösungskonzepts der formalen Innovations-<br />

<strong>und</strong> Investitionsentscheidung vorausgegangen ist (ebd., S. 170). Damit<br />

wäre die von Rammert postulierte Abfolge von Innovationsphasen<br />

umgekehrt worden, die Dynamik des Innovationsprozesses hätte die vermeintliche<br />

Logik desselben außer Kraft gesetzt, ohne daß deshalb das Innovationsvorhaben<br />

gescheitert wäre. So weit, so gut. Aber indem Rammert<br />

mit der Logik des Innovationsprozesses bestimmte unhintergehbare Faktoren<br />

für gelungene Innovationsprozesse verknüpft, die sich im Einzelfall<br />

aber als sehr wohl hintergehbar erweisen, gerät er mit seinem an sich sinnvollen<br />

Versuch, Logik <strong>und</strong> Dynamik von Innovationsprozessen zu trennen,<br />

in Schwierigkeiten.<br />

Bei allen Problemen <strong>und</strong> Unterschieden im Detail scheint uns der generelle<br />

Vorzug von phasenorientierten, ganzheitlichen Konzeptualisierungsversuchen<br />

technologischer Innovationsprozesse darin zu bestehen, daß sie<br />

der bis vor kurzem weit verbreiteten <strong>und</strong> ursprünglich auch von Schumpeter<br />

vertretenen Auffassung, die Erforschung <strong>und</strong> Entwicklung neuer Technologien<br />

seien außer- oder vorökonomische Vorgänge, eine Absage erteilen.<br />

Durch die Einbeziehung der Phase der Ideengenerierung in die Phasenmodelle<br />

wird die in der industriellen Realität längst bewerkstelligte Integration<br />

der systematischen <strong>und</strong> zielgerichteten Produktion neuen wissenschaftlich-technischen<br />

Wissens in den ökonomischen Kontext auch<br />

konzeptionell nachvollzogen.<br />

Wie noch zu zeigen sein wird, genügen aber die vorliegenden, sequentiell<br />

orientierten Phasenmodelle nicht (mehr), um der Realität von technologischen<br />

Innovationsprozessen in Industrieunternehmen gerecht werden zu<br />

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können. Die gegenwärtig bei der Organisation <strong>und</strong> Steuerung von Produktentwicklungsprozessen<br />

zu beobachtenden Versuche, die klassischen<br />

Standardprozesse der Phasenorganisation durch die Integration <strong>und</strong> Parallelisierung<br />

von Entwicklungsaktivitäten zu rationalisieren, lassen eine<br />

Modifikation der überkommenen Betrachtungsweise geboten erscheinen<br />

(s. Kapitel 8).<br />

3.3 Das Innovationsproblem in der Organisationsforschung<br />

Wie im vorangegangenen Abschnitt bereits deutlich geworden ist, findet<br />

die Innovationsproblematik bislang vor allem in den ökonomischen Disziplinen<br />

Berücksichtigung. Dabei spannt sich der Bogen von den Arbeiten<br />

Schumpeters, der schon frühzeitig auf die Tragweite der Innovationskonkurrenz<br />

aufmerksam gemacht hat (Schumpeter 1911), bis zu den jüngsten<br />

Versuchen der Betriebswirtschaftslehre, auch den Bereich von FuE <strong>und</strong><br />

Innovation mit ihren Methoden zu durchdringen (Brockhoff 1988). In einem<br />

Tagungsbericht der "Schmalenbach-Gesellschaft - Deutsche Gesellschaft<br />

für Betriebswirtschaft" heißt es, daß die "internationale Wettbewerbsfähigkeit<br />

der Unternehmen in Zukunft mehr denn je durch die Innovationspolitik<br />

bestimmt" werde. Folglich komme "dem Forschungs- <strong>und</strong><br />

Entwicklungsbereich in der Unternehmung ein immer höherer Stellenwert<br />

zu" (Blohm, Danert 1983, S. V). Verschiedentlich wird für den Bereich der<br />

"Spitzentechnologie" sogar die These von der Priorität der Produktentwicklung<br />

<strong>und</strong> -Vermarktung gegenüber der Optimierung der Fertigungseffizienz<br />

vertreten (Bleicher 1983). Auch innerhalb der Managementliteratur<br />

häufen sich in den letzten Jahren die Beiträge, die auf die zunehmende<br />

strategische Bedeutung der Technologie(-Entwicklung) für den Unternehmenserfolg<br />

hinweisen (Friar, Horwitch 1985; Loveridge, Pitt 1990) <strong>und</strong><br />

die "Diffusion der Innovationsaufgaben quer über organisatorische Bereiche<br />

des Unternehmens" prognostizieren (Röthig 1989, S. 311). Zur Frage<br />

innovationsfördernder <strong>und</strong> -hinderlicher Organisationsstrukturen schließlich<br />

hegen zahlreiche Arbeiten aus der Organisationstheorie vor, die jedoch<br />

oftmals allein von normativer Provenienz sind.<br />

Wer sich heute positiv auf organisationstheoretische Arbeiten beziehen<br />

will, weil sie im Gegensatz zum mainstream der industriesoziologischen<br />

Forschung das organisatorische bzw. betriebliche Innovationshandeln zum<br />

Untersuchungsgegenstand machen, stößt sehr rasch auf ein nicht unerheb-<br />

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liches Problem. Die meisten der in Frage kommenden Arbeiten stehen auf<br />

der Basis eines Paradigmas oder haben sogar entscheidend zu dessen Begründung<br />

beigetragen, das zwar bis vor einiger Zeit die organisationstheoretische<br />

Forschung dominiert <strong>und</strong> sich allgemeiner Anerkennung erfreut<br />

hat, mittlerweile jedoch heftiger Kritik aus den verschiedensten Richtungen<br />

ausgesetzt ist <strong>und</strong> kaum noch von seinen ehemaligen Anhängern <strong>und</strong><br />

Vertretern verteidigt wird. Bei dem in Rede stehenden Paradigma handelt<br />

es sich um den kontingenztheoretischen oder auch situativen Ansatz, der<br />

in den 60er Jahren zunächst im angelsächsischen Sprachraum seinen Siegeszug<br />

antrat <strong>und</strong> mit der üblichen Verzögerung auch in der westdeutschen<br />

Forschungslandschaft, <strong>und</strong> zwar vor allem von der Betriebswirtschaftslehre,<br />

rezipiert wurde. Die gegenwärtige Situation ist jedoch, so<br />

scheint es, nicht nur durch eine ausgeprägte Krise dieses Paradigmas gekennzeichnet.<br />

Von einflußreichen Theoretikern wird gleichzeitig eine<br />

Krise des Organisationsdenkens überhaupt konstatiert, die nicht nur auf<br />

der theoretischen, sondern auch auf der praktischen Ebene angesiedelt sei<br />

(Benson 1983). Die Krise der Organisationspraxis verweist auf einschneidende<br />

Veränderungen der gegenwärtigen sozio-ökonomischen Bedingungen<br />

(s. Kapitel 5 <strong>und</strong> 7) <strong>und</strong> manifestiert sich u.a. im nicht mehr überschaubaren<br />

Angebot an vermeintlichen Problemlösungskonzepten professionalisierter<br />

Organisations- bzw. Unternehmensberater. Die Krise der<br />

Theoriebildung zeigt sich an einer bemerkenswerten Vielfalt von alternativen<br />

Ansätzen, die sich um neue Sichtweisen <strong>und</strong> Fragerichtungen bemühen.<br />

Obwohl zahlreiche dieser sich kritisch auf den situativen Ansatz beziehenden<br />

Beiträge häufig genug kaum über programmatische Aussagen<br />

hinausgekommen sind, müssen nach unserem Eindruck viele der dabei<br />

vorgebrachten Einwände ernst genommen werden (s.u.). Gleichzeitig stellt<br />

sich jedoch auch die Frage, wie mit den Ergebnissen von den Studien <strong>und</strong><br />

Untersuchungen umzugehen ist, deren theoretischer Bezugsrahmen mittlerweile<br />

völlig diskreditiert scheint. Da es nach unserem Eindruck in der<br />

"post-kontingenztheoretischen" Literatur bislang an Untersuchungen zur<br />

hier interessierenden Innovationsthematik mangelt, stellt sich dieses Problem<br />

bei der von uns verfolgten Fragestellung besonders nachhaltig. Wir<br />

haben uns unter diesen Bedingungen dafür entschieden, wenigsten diejenigen<br />

Arbeiten zu diskutieren, die auf zentrale Organisationsprobleme innovationsorientierter<br />

Unternehmen aufmerksam machen <strong>und</strong> auf potentielle<br />

Lösungsstrategien eingehen. Es handelt sich dabei im einzelnen um<br />

die Arbeiten von Burns <strong>und</strong> Stalker (1961); Lawrence <strong>und</strong> Lorsch (1967)<br />

sowie von Zaltman u.a. (1973), die alle mehr oder weniger explizit der<br />

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Frage nachgehen, mit welchen Mitteln das Management die Einbindung<br />

innovativer Arbeitsaufgaben in die Organisationsstruktur industrieller Unternehmen<br />

bewerkstelligt <strong>und</strong> dabei eine Balance zwischen den widersprüchlichen<br />

Anforderungen operativer Effizienz einerseits <strong>und</strong> Innovationsfähigkeit<br />

andererseits aufrechterhalten kann.<br />

Wichtige Aufschlüsse über die Konsequenzen der "Institutionalisierung<br />

der Innovation" (Kieser 1984) in Industrieunternehmen versprechen insbesondere<br />

Arbeiten der sozialwissenschaftlichen Organisationsforschung.<br />

Zwar galt die Planung <strong>und</strong> Kontrolle von Invention <strong>und</strong> Innovation aufgr<strong>und</strong><br />

ihres vermeintlich irrationalen Charakters lange Zeit als <strong>und</strong>urchführbar.<br />

Die Auffassung,<br />

"daß die Entdeckung einzig das Kind der Imagination sei, daß Forschung<br />

jeder Organisation spotte <strong>und</strong> daß jedes Bemühen, die wissenschaftliche<br />

Arbeit zu rationalisieren, eine bürokratische Maßnahme sei, die nur die<br />

geistige Freiheit des Wissenschaftlers <strong>und</strong> folglich den Prozeß der Entdekkung<br />

selbst beeinträchtigen könne" (Langier, zitiert nach Krauch 1970, S.<br />

17),<br />

erfreute sich breiter Anerkennung. Aber inzwischen wird allgemein akzeptiert,<br />

daß die Entstehung <strong>und</strong> Durchsetzung technologischer Innovationen<br />

immer weniger als das Werk heroischer Einzelpersonen, sei es der geniale<br />

Einzelerfinder, sei es der schöpferisch tätige Unternehmer, angesehen<br />

werden kann, sondern zunehmend als das Produkt kollektiver Anstrengungen<br />

innerhalb von komplexen organisatorischen Kontexten aufzufassen<br />

ist. Dennoch muß die Organisation von wissenschaftlich-technischer Industrieforschung<br />

als paradoxer Prozeß verstanden werden "i.S.v.: 'Industrialisierung<br />

der Wissenschaft' ist 'von der Sache her' unmöglich <strong>und</strong> sie vollzieht<br />

sich zugleich in den Industrielabors alltäglich dauerhaft <strong>und</strong> verbindlich"<br />

(Hack 1984, S. 176).<br />

Im Zuge der seit den 50er Jahren forcierten systematischen betriebswirtschaftlichen<br />

Analyse der Industrieforschung hat die Frage nach den für innovative<br />

Zwecke geeigneten Organisationsformen innerhalb der Organisationsforschung<br />

an Bedeutung gewonnen. Es gilt als ausgemacht, daß Organisationsstrukturen<br />

zu den maßgeblichen Faktoren gehören, die die Innovationsfähigkeit<br />

von Organisationen unmittelbar beeinflussen (Müller,<br />

Schienstock 1978). Allerdings überwiegen in diesem Zusammenhang Hypothesen<br />

<strong>und</strong> Konzepte, die sich auf die verschiedensten Innovationsfor-<br />

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men in generell allen Arten von Organisationen, angefangen von Krankenhäusern<br />

<strong>und</strong> Schulen bis hin zu Forschungsinstituten <strong>und</strong> Industrieunternehmen,<br />

beziehen (Zaltman u.a. 1973). Daraus resultieren meist<br />

Aussagen auf sehr hohem Abstraktionsniveau, die notwendigerweise den<br />

bedeutsamen Unterschieden zwischen verschiedenen Innovationsarten<br />

sowie zwischen privatwirtschaftlichen <strong>und</strong> öffentlichen Organisationen<br />

kaum gerecht werden können.<br />

Wichtiger als diese auf die Schaffung einer allgemeinen innovationsorientierten<br />

Organisationstheorie gerichteten Versuche sind für die hier verfolgte<br />

Fragestellung diejenigen Ansätze, die sich explizit mit dem Innovationsgeschehen<br />

in Industrieunternehmen befassen. An prominenter Stelle<br />

steht dabei eine Studie, die zu folgender Diagnose kommt:<br />

"There are signs that industry organized according to principles of bureaucracy<br />

- by now traditional - is no longer able to accomodate the new<br />

elements of industrial life in the affluent second half of the twentieth century.<br />

These new demands are made by large-scale research and development<br />

and by industry's new relationship with its markets. Both demand a<br />

much greater flexibility in internal organization, much higher levels of<br />

commitment to the commercial aims of the company from all its members,<br />

and an even higher proportion of administrators, controllers and monitors<br />

to operatives."<br />

Diese, aus heutiger Sicht sehr aktuell anmutende Auffassung vertrat der<br />

britische Organisationssoziologe Tom Burns im Jahre 1963 (Burns 1963)<br />

<strong>und</strong> bezog sich dabei auf die Ergebnisse einer bereits in den 50er Jahren<br />

gemeinsam mit G.M. Stalker durchgeführten Untersuchung in der englischen<br />

<strong>und</strong> der sich herausbildenden schottischen Elektroindustrie. Die Autoren<br />

stellten die These auf, daß unter den Bedingungen eines beschleunigten<br />

technologischen Wandels <strong>und</strong> bei rasch wechselnden Marktbedingungen<br />

anstelle einer stark formalisierten <strong>und</strong> zentralisierten ("mechanistisch-bürokratischen")<br />

Organisationsstruktur ein flexibles <strong>und</strong> anpassungsfähiges<br />

("organisches") Struktur- <strong>und</strong> Managementsystem geeigneter<br />

sei. Bürokratische Strukturen seien zwar lange Zeit sehr effizient gewesen,<br />

könnten jedoch die angesichts des raschen technologischen Wandels notwendig<br />

gewordene Flexibilität nicht sichern. Ob die Einführung eines flexibleren<br />

Organisationstyps jedoch eine notwendige oder lediglich eine<br />

mögliche unternehmensstrategische Maßnahme ist, blieb von den Autoren<br />

eigentümlich unbestimmt (Crozier, Friedberg 1979). Allerdings legen viele<br />

ihrer Aussagen die Interpretation nahe, daß sich unter bestimmten Um-<br />

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Weitbedingungen auch bestimmte Strukturformen mehr oder weniger<br />

zwangsläufig herausbilden. Dem entgegenstehende Äußerungen, die z.B.<br />

den politischen Charakter von Organisationsentscheidungen betonen<br />

(s.u.), wurden in der organisationstheoretischen Rezeption dieser Studie<br />

freilich meist vernachlässigt. Die Eigenschaften organischer <strong>und</strong> mechanistischer<br />

Strukturen kann die nachfolgende Abbildung (Abb. 3.1) verdeutlichen.<br />

Die Beschreibung des "organischen" Organisationstypus deutet auf eine<br />

gr<strong>und</strong>legende Umstrukturierung der gesamten bürokratischen <strong>Unternehmensorganisation</strong><br />

hin, die sich in verschiedenen Dimensionen niederschlägt.<br />

Von Bedeutung sind vor allem: (1) Veränderungen in den Leitungs-<br />

<strong>und</strong> Autoritätsstrukturen, wobei die Beziehungen zwischen Vorgesetzten<br />

<strong>und</strong> Untergebenen eher den Charakter von Beratungen als den<br />

von Anordnungen haben; (2) Wandel der Beziehungen zwischen unterschiedlichen<br />

Unternehmensbereichen, wobei mehr Wert auf die direkte<br />

Kommunikation <strong>und</strong> Interaktion zwischen den verschiedenen Stellen unter<br />

zeitweiliger Umgehung des Instanzenwegs gelegt wird (laterale Kommunikations-<br />

<strong>und</strong> Interaktionsmuster). Das gilt besonders für das potentiell<br />

konfliktreiche Zusammenspiel zwischen dem Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungsbereich<br />

einerseits <strong>und</strong> dem Fertigungsbereich andererseits; (3) Veränderungen<br />

auf der Ebene des Arbeitsprozesses, <strong>und</strong> zwar auf unterschiedlichen<br />

Hierarchieebenen, wobei auf die exakte Festlegung der einzelnen<br />

Arbeitsplätze <strong>und</strong> der entsprechenden Aufgabenzusammensetzung<br />

verzichtet wird.<br />

Es ist wahrscheinlich kein Zufall, daß Kritik an bürokratischen Organisationsmustern<br />

ausgerechnet im Rahmen einer Studie geäußert wird, die<br />

sich mit Organisationsproblemen in der Elektroindustrie beschäftigt. Zumindest<br />

die britische Elektroindustrie befand sich nach dem Zweiten<br />

Weltkrieg in einer Umbruchsituation (ausgelöst durch den Rückgang militärischer<br />

<strong>und</strong> staatlicher Forschungsinteressen), die von Burns <strong>und</strong> Stalker<br />

vor allem unter dem Gesichtspunkt des technologischen Innovationsgeschehens<br />

<strong>und</strong> der Marktbedingungen betrachtet wurde:<br />

"When novelty and unfamiliarity in both market situation and technical information<br />

become the accepted order of things, a f<strong>und</strong>amentally différent<br />

kind of management System becomes appropriate from that which applies<br />

to a relatively stable commercial technical environment" (Burns, Stalker<br />

1971, S. VII).<br />

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Die Studie von Burns <strong>und</strong> Stalker läßt sich somit als Versuch lesen, den<br />

Grenzen bürokratisch-tayloristischer Organisations- <strong>und</strong> Arbeitsstrukturen<br />

auf die Spur zu kommen. Das ist nicht zuletzt deshalb von Interesse, da die<br />

in Rede stehenden Bedingungen - rasche Veränderungen der Märkte,<br />

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Produkt- <strong>und</strong> Prozeßtechnologien - auch bzw. vor allem für die aktuelle<br />

ökonomische Situation kennzeichnend sind. Allerdings dürften die Unternehmen<br />

heute durch den Übergang von der Elektromechanik zur Elektronik<br />

<strong>und</strong> die Bedeutungsverschiebung von der Hardware zur Software sowie<br />

durch die Globalisierung des Wettbewerbs vor sehr viel höheren Anforderungen<br />

stehen als die von Burns <strong>und</strong> Stalker in den 50er Jahren untersuchten<br />

Firmen (s. Kapitel 5). Hinzu kommen erhebliche Veränderungen<br />

in den Beschäftigungsstrukturen der Unternehmen <strong>und</strong> die Implikationen<br />

der zunehmenden Informatisierung in allen betrieblichen Bereichen.<br />

Die von Burns <strong>und</strong> Stalker ausgesprochenen Gestaltungsempfehlungen<br />

vermitteln den Eindruck, daß Unternehmen, die sich einer durch hohe<br />

technologische <strong>und</strong> kommerzielle Dynamik bestimmten Umwelt gegenüber<br />

sehen, ihre gesamte Organisationsstruktur auf diese Bedingungen<br />

einzustellen hätten. Innovationsorientierte Unternehmen wären demnach<br />

wesentlich durch die Ausprägungen ihrer Gesamtorganisation von Unternehmen<br />

unterschieden, für die die Erzeugung technologischer Innovationen<br />

keine oder nur eine marginale Rolle spielt. Eine derartige Auffassung<br />

wird allerdings durch die Ergebnisse anderer organisationstheoretischer<br />

Arbeiten in Frage gestellt. Zu diskutieren sind deshalb (1) die einflußreiche<br />

Studie von Lawrence <strong>und</strong> Lorsch (1967), die der Frage nachgeht, ob<br />

unterschiedliche Umweltsektoren auch unterschiedliche Organisationsformen<br />

in verschiedenen Organisationsbereichen erfordern, sowie (2) die<br />

Arbeit zum "innovatorischen Dilemma" von Zaltman u.a. (1973), die den<br />

Prozeßcharakter von Innovationsvorhaben zum Ausgangspunkt von Gestaltungsempfehlungen<br />

macht.<br />

(1) Gegen den Ansatz, Organisation <strong>und</strong> Organisationsumwelt als jeweils<br />

monolithischen Block zu begreifen, wendet sich die Untersuchung von<br />

Lawrence <strong>und</strong> Lorsch (1967), die sowohl die Umwelt als auch die Organisationsstruktur<br />

nicht nur global (im Hinblick auf das Gesamtsystem), sondern<br />

auch sektoral (im Hinblick auf die Subsysteme) betrachtet. Die Autoren<br />

zählen neben Produktion <strong>und</strong> Absatz auch Forschung <strong>und</strong> Entwicklung<br />

zu den zentralen Subsystemen industrieller Unternehmen, denen bestimmte<br />

Umweltsektoren zugeordnet werden, die sich durch den jeweiligen<br />

Grad an Unsicherheit unterscheiden (Abb. 3.2).<br />

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Lawrence <strong>und</strong> Lorsch kamen zu dem Ergebnis, daß Unternehmen unter<br />

den Bedingungen eines raschen technologischen Wandels <strong>und</strong> häufiger<br />

Produktmodifikation <strong>und</strong> -innovation die Funktion der Innovationsbewältigung<br />

an besondere Organisationseinheiten übertragen (in der Regel<br />

FuE-Abteilungen), die dann im Vergleich zu den übrigen Abteilungen<br />

(z.B. Absatz <strong>und</strong> Produktion) eine geringere formale Strukturierung auf-<br />

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weisen. Unternehmen, für die technisch-wissenschaftliche Neuerungen als<br />

Handlungsparameter ihrer Strategien von Bedeutung sind, könnten sich<br />

demnach damit begnügen, anstelle der gesamten <strong>Unternehmensorganisation</strong><br />

lediglich den FuE-Bereich gemäß dem "organischen" Idealtypus zu<br />

strukturieren, während die übrigen Bereiche stärker "mechanistisch" zu<br />

organisieren wären. Diese Sichtweise kann im Gegensatz zu der von Burns<br />

<strong>und</strong> Stalker den Umstand berücksichtigen, daß die Gesamtorganisation<br />

von Unternehmen in der Regel nicht über alle Funktionsbereiche hinweg<br />

in gleicher Weise strukturiert ist, sondern bereichsspezifische Unterschiede<br />

aufweist.<br />

(2) Auch Überlegungen, wie sie innerhalb der Innovationstheorie zum<br />

Verhältnis von Organisationsstruktur <strong>und</strong> Innovation angestellt werden,<br />

sprechen gegen die Fruchtbarkeit einer pauschalierenden Betrachtung <strong>und</strong><br />

Charakterisierung der Gesamtorganisation. Unter Hinweis auf den Prozeßcharakter<br />

von Innovationen wird dort die These vertreten, daß für die<br />

einzelnen Phasen des Innovationsprozesses sehr unterschiedliche Organisationsformen<br />

förderlich seien. Bestimmte Ausprägungen der Organisationsstruktur,<br />

die während der Phase der Ideenfindung <strong>und</strong> Konzipierung<br />

von Innovationen als geeignet gelten, wie z.B. geringe Formalisierung <strong>und</strong><br />

Zentralisierung, hätten in der Phase der Einführung <strong>und</strong> Nutzung von Innovationen<br />

dysfunktionale Auswirkungen <strong>und</strong> umgekehrt. Dieser Zusammenhang<br />

wird von Zaltman u.a. als "organisatorisches" oder auch "innovatorisches"<br />

Dilemma bezeichnet:<br />

"It is important to note the innovation dilemma involved: the desireable<br />

degree of Organization that facilitates initiation is opposite those<br />

desireable in magnitude and direction to be operative during the Implementation<br />

stage" (Zaltman u.a. 1973, S. 159; Hervorhebungen von uns -<br />

DB/GM).<br />

Von einem Dilemma zu reden, macht jedoch nur dann Sinn, wenn man unterstellt,<br />

alle Unternehmensbereiche müßten gleichermaßen an der Ideengenerierung<br />

<strong>und</strong> Ideenimplementierung beteiligt sein. Zieht man dagegen<br />

das theoretische Modell von Lawrence <strong>und</strong> Lorsch zu Rate, dann ergibt<br />

sich eine einfache Lösung des Dilemmas: Die während der unterschiedlichen<br />

Phasen des Innovationsprozesses anfallenden Aufgaben werden an<br />

verschiedene Untereinheiten der Organisation übertragen. Abteilungen,<br />

die für die Ideengenerierung verantwortlich sind (in bezug auf technologische<br />

Innovationen gewöhnlich die Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungsabteilun-<br />

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gen), wären dementsprechend anders strukturiert als Abteilungen, die mit<br />

der Implementierung von Innovationen beschäftigt sind (etwa die Fertigungsabteilungen).<br />

Aus diesen Differenzen, so Lawrence <strong>und</strong> Lorsch, erwachsen<br />

jedoch Schwierigkeiten, da der Koordinationsbedarf zur Integration<br />

verschiedener Unternehmensfunktionen um so größer ist, je unterschiedlicher<br />

die jeweiligen Organisationsstrukturen sind. Schließt man sich<br />

dieser These an, dann besteht das Problem im Finden geeigneter Koordinationsinstrumente.<br />

Es stellt sich allerdings die Frage, inwieweit diese<br />

Überlegungen auch dann plausibel sind, wenn eine phasenspezifische Zuordnung<br />

von Organisationsbereichen nicht ohne weiteres unterstellt werden<br />

kann. Zudem gibt es eine Reihe von Hinweisen darauf, daß bestimmte<br />

Ausprägungen organisatorischer Merkmale nicht nur der Ideengenerierung,<br />

sondern auch der Ideenimplementierung förderlich sind (Kasper<br />

1982). Die pauschale Ablehnung bürokratisierter Regelungen für die<br />

Phase der Ideenfindung <strong>und</strong> Konzipierung von Innovationen wäre demnach<br />

ebenso verfehlt wie die <strong>und</strong>ifferenzierte Befürwortung hochgradig<br />

formalisierter Strukturen bei der Innovationseinführung. Vor dem Hintergr<strong>und</strong><br />

dieser Einwände haben einzelne Autoren sogar die provokative<br />

Frage aufgeworfen,<br />

"ob es sich bei diesem Paradigma (des organisatorischen Dilemmas)<br />

tatsächlich um ein reales Strukturierungsproblem innovationskompetenter<br />

Organisationen oder lediglich um ein Dilemma der organisationstheoretischen<br />

Innovationsforschung handelt" (Wicher 1985, S. 359).<br />

Eine überzeugende <strong>und</strong> empirisch abgesicherte Antwort dieser Frage steht<br />

allerdings einstweilen aus. Zwar scheint es plausibel, besondere Funktionserfordernisse<br />

innovativer Tätigkeiten im Unterschied zu routinemäßigen<br />

Tätigkeiten anzunehmen. Es fragt sich nur, worin diese Besonderheiten<br />

jeweils bestehen <strong>und</strong> auf welche Weise sie in bestimmten Phasen des<br />

Innovationsprozesses <strong>und</strong> in den verschiedenen Abteilungen innovierender<br />

Unternehmen auftreten <strong>und</strong> berücksichtigt werden müssen. Diese<br />

Probleme wollen wir jedoch vorerst zurückstellen (s. Teil D). An dieser<br />

Stelle soll zunächst auf einige Schwächen des theoretischen Bezugsrahmens<br />

der diskutierten Ansätze zur Organisations- <strong>und</strong> Innovationsproblematik<br />

eingegangen werden.<br />

Die vorgestellten Arbeiten können als Kritik an der von der traditionellen<br />

Management- <strong>und</strong> Organisationslehre vertretenen Annahme gelten, es<br />

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existiere eine, von den spezifischen Kontextbedingungen unabhängige, optimale<br />

Organisationsstruktur. Sie versuchen dagegen zu zeigen, daß je<br />

nach Umweltsituation <strong>und</strong> Art der Arbeitsaufgaben die effizienteste Organisationsform<br />

sehr unterschiedlich beschaffen sein kann. Die damit umrissene<br />

Betrachtungsweise, die zur Gr<strong>und</strong>lage des sogenannten situativen<br />

oder auch kontingenztheoretischen Ansatzes geworden ist, läßt sich vereinfacht<br />

in Form einer dreigliedrigen Wirkungskette darstellen:<br />

Situation<br />

der<br />

Organisation<br />

formale<br />

Organisationsstruktur<br />

Effizienz<br />

der<br />

Organisation<br />

Mit diesem Modell wird ein sehr einseitiges Verhältnis zwischen "Situation"<br />

<strong>und</strong> "Organisation" unterstellt sowie eine deterministische oder<br />

quasi-mechanistische Auffassung vertreten, derzufolge sich unter bestimmten<br />

Kontextbedingungen mehr oder weniger zwangsläufig bestimmte<br />

Strukturformen herausbilden. Dem Management wird in diesem Bezugsrahmen<br />

nur die Möglichkeit eingeräumt, die eine, unter den gegebenen<br />

Bedingungen richtige (d.h. effiziente), Organisationsentscheidung zu treffen<br />

oder Fehler zu machen. Nicht ohne Gr<strong>und</strong> hat sich der situative Ansatz<br />

damit den Vorwurf zugezogen, sowohl das Vorhandensein von Entscheidungsspielräumen<br />

bei der Organisationsgestaltung (funktionale Äquivalente)<br />

als auch von unternehmenspolitischen Einflußmöglichkeiten auf<br />

die Umwelt von vornherein auszuschließen.<br />

Kann diesen Kritikpunkten möglicherweise noch durch die Erweiterung<br />

<strong>und</strong> Modifizierung des situativen Gr<strong>und</strong>modells Rechnung getragen werden<br />

(vgl. Segler 1981), so wiegen andere Einwände ungleich schwerer.<br />

Dazu gehört z.B. der Vorwurf, aus den empirischen Ergebnissen der kontingenztheoretischen<br />

Forschung ließe sich nur der Schluß ziehen, daß weder<br />

die Situation die Organisationsstruktur, noch daß die Organisationsstruktur<br />

die Effizienz bestimme. Zu heterogen oder gar widersprüchlich<br />

seien die diversen Bef<strong>und</strong>e, um die behaupteten oder unterstellten Wirkungszusammenhänge<br />

überzeugend belegen zu können (Türk 1989).<br />

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Aus unserer Sicht scheint, ungeachtet der möglichen Relevanz methodischer<br />

Detailkritik, vor allem die Vernachlässigung der historischen <strong>und</strong> sozio-ökonomischen<br />

Bedingungen, die für die Entstehung <strong>und</strong> Entwicklung<br />

von Organisation bzw. Unternehmen von Bedeutung sind, entscheidend<br />

dazu beigetragen zu haben, daß der situative Ansatz mit seinen Ergebnissen<br />

in eine veritable Krise geraten ist. So fehlt ein tragfähiger gesellschaftstheoretischer<br />

Rahmen, um überhaupt erkennen <strong>und</strong> beurteilen zu<br />

können, was die beobachteten Differenzen <strong>und</strong> Widersprüche in den empirischen<br />

Bef<strong>und</strong>en bedeuten. Mit der fehlenden Bezugnahme auf die gesellschaftlichen<br />

Rahmenbedingungen geht die Nichtberücksichtigung von<br />

gesellschaftlichen Konstruktionsprinzipien vorfindbarer Organisationsstrukturen<br />

einher. Diese gesellschaftstheoretische Abstinenz (vgl. Zey-<br />

Ferrell, Aiken 1981) hängt wohl nicht unwesentlich damit zusammen, daß<br />

sich die situative Organisationstheorie bei ihrer Themenwahl allzu stark<br />

den Managementinteressen verpflichtet fühlt <strong>und</strong> sich deshalb von der<br />

Frage nach der möglichst effizienten Organisationsgestaltung leiten läßt,<br />

ohne die Spezifika des kapitalistischen Effizienzbegriffes zu reflektieren<br />

(Salaman 1979). Daß sich dabei Fragen der sozialen Herrschaft in Unternehmen,<br />

wie sie im Bereich der Industriesoziologie im Anschluß an Marx<br />

<strong>und</strong> Weber lange Zeit bearbeitet wurden, nicht mehr stellen, liegt auf der<br />

Hand (Clegg, Dunkerley 1980).<br />

Unter kapitalistischen Produktionsbedingungen, so die Einsicht sich kritisch<br />

verstehender Industriesoziologie, dienen organisatorische Strukturierungen<br />

nicht allein zur planvollen Koordination der einzelnen Teilarbeiten<br />

zu einem effizienten Gesamtprozeß. Viele der im Rahmen der sog. "labour<br />

process debate" entstandenen Arbeiten haben betriebliche Organisationsstrukturen<br />

als Mittel zur Kontrolle <strong>und</strong> Leitung einer potentiell widerspenstigen<br />

Arbeitskraft thematisiert (Braverman 1977; Edwards 1981).<br />

Damit wird ein zentrales Konstruktionsprinzip kapitalistischer Arbeitsorganisationen<br />

benannt, mit dem sich der Anschluß an die gesellschaftlichen<br />

Voraussetzungen der Organisation von Industrieunternehmen herstellen<br />

läßt. Wie neuere arbeitspolitische Ansätze gezeigt haben, darf diese kontrolltheoretische<br />

Perspektive allerdings nicht überzogen werden. Zu berücksichtigen<br />

sind insbesondere die inneren Widersprüche <strong>und</strong> Grenzen<br />

der vom Management verfolgten Organisationsstrategien wie auch das<br />

Belegschaftshandeln, das den Prozeß der Organisationsgestaltung mitbeeinflußt<br />

(vgl. Burawoy 1978; 1985).<br />

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Die Bedeutung des Einflusses unterschiedlicher betrieblicher Akteursgruppen<br />

auf die Entwicklung <strong>und</strong> den Bestand von organisatorischen<br />

Strukturierungen war bereits in der Studie von Burns <strong>und</strong> Stalker (1961)<br />

zum Vorschein gekommen. Im Gegensatz zu den Erwartungen der Autoren<br />

<strong>und</strong> letztlich auch im Gegensatz zum Tenor ihrer Hauptaussagen hatten<br />

keineswegs alle der von ihnen untersuchten Unternehmen angesichts<br />

der veränderten Umweltbedingungen den Übergang von einer mechanistischen<br />

zu einer organischen Organisationsstruktur vollzogen. Statt dessen<br />

konnte in einigen Fällen der Versuch beobachtet werden, den neuen Gegebenheiten<br />

mit einer Verschärfung der bürokratischen Organisationsgestaltung<br />

zu begegnen. Dieses Festhalten an vermeintlich bewährten Organisationsprinzipien<br />

galt den Autoren als dysfunktionale bzw. pathologische<br />

Form des mechanistischen Organisationssystems <strong>und</strong> wurde mit den Funktionsweisen<br />

der in den betreffenden Unternehmen bestehenden Macht<strong>und</strong><br />

Prestigesysteme erklärt. Dieser Bef<strong>und</strong> läßt erhebliche Zweifel an der<br />

unterstellten Anpassungsnotwendigkeit der Organisationsform an Veränderungen<br />

der Umwelt aufkommen. Statt einer zwangsläufigen Adaption<br />

an veränderte Umweltbedingungen zeigt sich hier vielmehr der politische<br />

Charakter von Gestaltungsentscheidungen sowie ein Spielraum, über den<br />

Unternehmen gegenüber äußeren Anforderungen verfügen (Crozier,<br />

Friedberg 1979).<br />

Auf die Existenz von Entscheidungsspielräumen <strong>und</strong> die Bedeutung strategischer<br />

Wahlmöglichkeiten der innerhalb eines Unternehmens "dominierenden<br />

Koalition" oder "Kerngruppe" hatte Child bereits in einem vielbeachteten,<br />

1972 veröffentlichten Aufsatz hingewiesen, der eine Kritik der<br />

quasi-deterministischen Situation-Struktur-Modelle beinhaltet. Child führte<br />

bestehende Gestaltungsmöglichkeiten nicht allein auf das Vorhandensein<br />

funktionaler Äquivalente zurück, sondern betonte die in diesem Zusammenhang<br />

bedeutsamen Auswirkungen von umweltbezogenen Strategien,<br />

durch die eine Organisation das Ausmaß an Komplexität <strong>und</strong> Dynamik<br />

seiner Umwelt beeinflussen kann. Darüber hinaus relativierte er die<br />

effizienzbezogenen Wirkungen von Organisationsstrukturen <strong>und</strong> benannte<br />

neben der Wahl der Produkt-Markt-Strategie <strong>und</strong> der Struktur noch weitere<br />

organisationale Aktionsparameter wie Betriebsgröße, Technologie<br />

<strong>und</strong> personelle Ressourcen (Child 1972). Damit erweiterte Child das<br />

Spektrum der bedeutsamen Variablen gegenüber dem simplen Kontext-<br />

Struktur-Modell ganz erheblich. Gleichzeitig versuchte er, nicht nur deterministische<br />

Beziehungen zwischen den Variablen, sondern auch Rück-<br />

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koppelungsbeziehungen zu berücksichtigen. Trotz der verschiedentlich kritisierten<br />

Vagheit der von Child verwendeten Begriffe (Montanari 1979)<br />

war sein Modell Orientierungsrahmen für weitere Ansätze, denen es um<br />

eine präzisere Fassung einzelner Aspekte geht. Erwähnt sei nur der Ansatz<br />

von Miles <strong>und</strong> Snow (1978), der um den Nachweis bemüht ist, daß<br />

auch innerhalb einer Branche sehr unterschiedliche Strategie-Struktur-<br />

Kombinationen beobachtbar <strong>und</strong> überlebensfähig sind. Außerdem versuchen<br />

die Autoren herauszuarbeiten, daß es in Unternehmen längerfristig<br />

nicht nur um die organisatorische Anpassung an vorausgegangene strategische<br />

Entscheidungen, sondern auch um einen organisatorischen Vorlauf<br />

für zukünftige Strategien geht (Welge 1987, S. 215). Strategische Entscheidungen,<br />

so kann daraus gefolgert werden, werden selbst wieder von der<br />

bestehenden Organisationsstruktur geprägt. Offen bleibt jedoch auch in<br />

diesem Ansatz, woher Strategien kommen <strong>und</strong> wodurch die Prozesse bestimmt<br />

werden, in denen Strategien, Strukturen <strong>und</strong> Situationsbedingungen<br />

aufeinander abgestimmt bzw. wie bestehende Gestaltungsmöglichkeiten<br />

wieder geschlossen werden (Kieser, Kubicek 1983).<br />

Wie schon erwähnt, plädiert der situative Ansatz für die Überwindung von<br />

Gestaltungsempfehlungen mit universalistischem Geltungsanspruch <strong>und</strong><br />

setzt statt dessen auf situationsgerechte Strukturentscheidungen, die unter<br />

je spezifischen Kontextbedingungen optimale organisatorische Lösungen<br />

herbeiführen. Dadurch vernachlässigt er jedoch eine Einsicht, zu der organisationstheoretische<br />

Beiträge gekommen sind, die den Vor- <strong>und</strong> Nachteilen<br />

bestimmter Organisationsformen nachgehen: Es existieren keine in<br />

sich problemlosen Organisationsformen (vgl. z.B. Eisenführ 1970; für den<br />

FuE-Bereich Kern, Schröder 1977). Mit jeder Organisationsentscheidung,<br />

die sich als Lösungsversuch eines bestimmten Problems versteht, sind wieder<br />

neue Probleme verb<strong>und</strong>en. Renate Mayntz (1985) hat diesen Zusammenhang<br />

am Beispiel der Forschungsorganisation untersucht. Sie vertritt<br />

in ihrer Studie die These, "daß jede organisatorische Lösung spannungsgeladen<br />

ist <strong>und</strong> daß deshalb das Management fortdauernd mit der Bewältigung<br />

dieser Spannungen zu tun hat" (S. 32). Für alle Arten von Forschungseinrichtungen<br />

sieht sie diese Gr<strong>und</strong>spannung "im Tatbestand der<br />

betriebsförmigen Organisation von Forschungstätigkeit schlechthin beschlossen"<br />

(S. 35). Der Widerspruch zwischen den ein besonderes Maß an<br />

Autonomie verlangenden Forschungsaufgaben <strong>und</strong> den mit jeder Art von<br />

Betriebsförmigkeit verb<strong>und</strong>enen Regeln könne nicht durch eine an einem<br />

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estimmten Punkt getroffene "richtige" Organisationsentscheidung gelöst<br />

werden, sondern bedürfe der fortlaufenden tagtäglichen Bewältigung.<br />

Diese Aussagen sind unter dem Gesichtspunkt der Beurteilung <strong>und</strong> Relativierung<br />

von in der Managementliteratur zu Hauf angebotenen organisatorischen<br />

Problemlösungen als äußerst hilfreich anzusehen. Es ist allerdings<br />

zu bezweifeln, ob die angesprochenen, nicht aufhebbaren Spannungen<br />

allein in der Sache selbst begründet sind. Eine gewichtige Rolle dürften<br />

auch die bestehenden Interessenunterschiede zwischen lohnabhängiger<br />

Arbeit <strong>und</strong> dem Management spielen. Die nicht unerheblichen Bemühungen<br />

des Managements zur Kontrolle von Arbeitskraft, die ein gleichmäßig<br />

hohes Intensitätsniveau der Arbeitsanstrengungen sichern sollen, sprechen<br />

für diese Annahme. Dabei muß freilich auf die Differenzen geachtet werden,<br />

die zwischen unterschiedlichen Beschäftigtengruppen bestehen <strong>und</strong><br />

die von manchen Autoren mit dem Klassencharakter kapitalistischer Gesellschaften<br />

erklärt werden (Salaman 1981). So lassen sich z.B. unterschiedliche<br />

Kontrollstrategien im Bereich wissenschaftlich-technischer Arbeit<br />

einerseits <strong>und</strong> materieller Arbeit andererseits beobachten (Fox 1974;<br />

Friedman 1977). Gleichwohl ist auch hierbei vor dem Mißverständnis zu<br />

warnen, Widerstände gegen das Management ließen sich definitiv beseitigen,<br />

wenn nur geeignete Kontrollstrategien zur Anwendung kämen (Child<br />

1984).<br />

Resümierend läßt sich festhalten, daß die hier diskutierten alternativen<br />

Ansätze Einsichten in die Konstruktionsprinzipien <strong>und</strong> den Charakter von<br />

formalen Organisationsstrukturen eröffnen, die der situative Ansatz nicht<br />

bieten kann. Erhellt wird neben der "Unvollständigkeit" <strong>und</strong> Widersprüchlichkeit<br />

organisatorischer Strukturierungen vor allem die Bedeutung einer<br />

Arena organisatorischen Handelns, die jenseits der offiziellen, in Handbüchern<br />

<strong>und</strong> Organigrammen festgelegten Organisationsstrukturen liegt.<br />

Dieses Handeln, das konfliktorischen wie kooperativen Charakter besitzen<br />

kann <strong>und</strong> dem unterschiedliche Ziele <strong>und</strong> Interesse zugr<strong>und</strong>e liegen, kann<br />

seinerseits wieder Einfluß auf die Ausgestaltung offizieller Organisationsstrukturen<br />

haben. Angenommen wird damit also nicht eine Dualität zwischen<br />

formaler <strong>und</strong> informeller Organisation, sondern eine dialektische<br />

Beziehung zwischen den offiziellen organisatorischen Regelungen <strong>und</strong><br />

dem Handeln unterschiedlicher Akteure mit divergierenden Zielen <strong>und</strong><br />

Zwecken (vgl. Watson 1980).<br />

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Unser Anliegen war hier nicht, eine umfassende Kritik der lange Zeit dominierenden<br />

Variante organisationstheoretischer Forschung zu liefern<br />

<strong>und</strong> eine Bestandsaufnahme der dazu bislang vorliegenden Beiträge <strong>und</strong><br />

Alternativansätze durchzuführen (vgl. dazu Türk 1989). Uns ging es vielmehr<br />

darum, einige aus unserer Sicht triftige Einwände gegenüber dem<br />

die Organisationstheorie lange beherrschenden situativen Ansatz zu reflektieren,<br />

um seinen Erklärungsdefiziten auf die Spur zu kommen. Bei<br />

allen Vorbehalten, die man deshalb gegenüber den Ergebnissen dieser<br />

Forschungstradition haben muß, läßt sich aus ihnen <strong>und</strong> der sich daran anschließenden<br />

Kritik doch eine Reihe von wichtigen Hinweisen entnehmen,<br />

die für unser Thema von Bedeutung sind: Spätestens mit dem Wechsel<br />

von der Perspektive des geschlossenen Systems zur Perspektive des offenen<br />

Systems (Scott 1986) hat sich die Organisationstheorie auch intensiver<br />

mit der Frage beschäftigt, ob es ein organisatorisches Dilemma zwischen<br />

operativer Stabilität <strong>und</strong> innovatorischer Dynamik bzw. zwischen Routineverrichtungen<br />

<strong>und</strong> innovatorischen Arbeitsaufgaben gibt <strong>und</strong> wie es ggf. zu<br />

bewältigen ist. Zwar läßt sich über die von den verschiedenen Ansätzen<br />

vorgeschlagenen Problemdefinitionen <strong>und</strong> Lösungsmöglichkeiten diskutieren.<br />

Wichtiger ist jedoch, daß die aufgeworfene Fragestellung auf ein Problem<br />

verweist, nämlich die Integration <strong>und</strong> Nutzung innovativer Potentiale<br />

in formalen Organisationen, das, obwohl es an Brisanz gewonnen hat,<br />

theoretisch bislang nicht befriedigend gelöst werden konnte.<br />

Gerade in einer Situation, in der Rationalisierungsstrategien zunehmend<br />

auf die Reorganisation des Gesamtunternehmens sowie der unternehmensübergreifenden<br />

Arrangements zielen, erscheint uns auch das breitere<br />

Rationalisierungsverständnis der Organisationstheorie hilfreich zu sein.<br />

Anders als die Industriesoziologie, die sich erst in jüngster Zeit wieder um<br />

die Formulierung eines umfassenderen Rationalisierungsbegriffs bemüht<br />

(s. Kapitel 4), hat die Organisationsforschung sich nicht auf die Ebene des<br />

Produktionsprozesses konzentriert, sondern meist die gesamte Organisation<br />

in den Blick genommen (Engfer 1989). Bei dieser Sichtweise ist die<br />

Reorganisation bzw. Rationalisierung des unmittelbaren Produktionsprozesses<br />

nur ein Moment unter anderen. Die Ausblendung wichtiger Bereiche<br />

<strong>und</strong> hierarchischer Ebenen der <strong>Unternehmensorganisation</strong>, deren Betrachtung<br />

notwendig ist, um den Stellenwert von Veränderungen auf der<br />

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Ebene des Arbeitsprozesses adäquat einschätzen zu können, kann so vermieden<br />

werden. 11<br />

Von Bedeutung sind ebenfalls die zuerst von Child vorgebrachten Einwände<br />

gegen die deterministische Erklärung von Unternehmensstrukturen<br />

durch Umweltbedingungen. Obwohl hier weder die an diese Kritik anknüpfende<br />

Literatur in gebührender Weise diskutiert, noch zur Weiterentwicklung<br />

dieses theoretischen Ansatzes beigetragen werden kann,<br />

erscheint uns die Einsicht wichtig, daß (Groß-)Unternehmen nicht als<br />

bloße Umweltanpasser zu verstehen, sondern ihre strategischen Möglichkeiten<br />

zur Umweltwahl <strong>und</strong> -Veränderung zu berücksichtigen sind.<br />

Schließlich ist der angesprochene Hinweis auf die inhärente Widersprüchlichkeit<br />

<strong>und</strong> Spannungsgeladenheit organisatorischer Regelungen außerordentlich<br />

wichtig. Offenk<strong>und</strong>ig gibt es nicht nur keinen "one best way" des<br />

Organisierens, sondern auch keine Organisationsstrukturen, die neben<br />

Stärken nicht auch Schwächen aufweisen. Reorganisationsmaßnahmen<br />

sind demnach immer nur scheinbar endgültige Problemlösungen, die keineswegs<br />

allein aufgr<strong>und</strong> des Wandels organisationsexterner Bedingungen<br />

unter Veränderungsdruck geraten. Organisationsformen, die eigentlich<br />

Probleme beseitigen sollen, scheinen vielmehr immer wieder aufs neue<br />

welche aufzuwerfen (s. Kapitel 8 <strong>und</strong> 9). Ein Gutteil des manageriellen<br />

Tagesgeschäfts dürfte mit Bemühungen ausgefüllt sein, diese Paradoxie<br />

jedweder organisatorischen Lösung zu bearbeiten.<br />

3.4 Zur historischen Entwicklung des Innovationsproblems in der<br />

Industrie<br />

Die organisationstheoretische Diskussion zur Innovationsproblematik<br />

verlief nicht im luftleeren Raum, sondern kann als Reaktion auf sich real<br />

vollziehende Veränderungen begriffen werden. Im folgenden soll deshalb<br />

auf die historische Entwicklung der "Institutionalisierung von Innovation"<br />

in der <strong>Unternehmensorganisation</strong> eingegangen werden.<br />

11 Allerdings muß hinzugefügt werden, daß zumindest die hier diskutierten organisationstheoretischen<br />

Ansätze dieses Potential nicht voll ausgeschöpft haben.<br />

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3.4.1 Wissenschaftsbasierte Industrien<br />

Die Institutionalisierung industrieller Forschungslaboratorien setzte in<br />

den letzten beiden Jahrzehnten des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts ein. Es ist keineswegs<br />

zufällig, daß diese Entwicklung in der Chemischen <strong>und</strong> der Elektrotechnischen<br />

Industrie ihren Ausgang genommen hat, da sich der "technische<br />

Fortschritt" innerhalb dieser beiden Branchen von Anfang an durch einen<br />

engen Wissenschaftsbezug auszeichnete.<br />

"Insbesondere die Starkstromtechnik, die synthetische Chemie, die physikalisch<br />

begründete Optik <strong>und</strong> die verschiedenen Formen der großtechnischen<br />

Verfahren setzten von Anbeginn wissenschaftliche Theorien <strong>und</strong><br />

Methoden sowie entsprechende Meßverfahren <strong>und</strong> -instrumente voraus<br />

(Hack 1988, S. 30; Hervorhebungen im Original).<br />

Spätestens am Ende der 20er Jahre verfügten Großkonzerne wie General<br />

Electric, American Telephone and Telegraph oder Du Pont in den USA<br />

<strong>und</strong> Siemens, AEG, Hoechst oder BASF in Deutschland über firmeneigene<br />

Forschungslaboratorien. Zweifellos haben das Wachstum des industriellen<br />

FuE-Potentials <strong>und</strong> die damit verb<strong>und</strong>enen Veränderungen in<br />

den Wettbewerbsformen Großunternehmen begünstigt <strong>und</strong> den Prozeß<br />

der wirtschaftlichen Konzentration beschleunigt. Zumindest wurde die<br />

Elektrotechnische <strong>und</strong> die Chemische Industrie in Deutschland <strong>und</strong> den<br />

USA schon bald nach der Jahrh<strong>und</strong>ertwende von einigen wenigen (Universal-)Firmen<br />

beherrscht (vgl. Czada 1969). Daraus ist jedoch nicht zu<br />

folgern, daß FuE-Abteilungen generell zur notwendigen Voraussetzung für<br />

die Hervorbringung technologischer Innovationen geworden wären. So<br />

verdanken z.B. einige der erfolgreichsten Elektronikunternehmen der 70er<br />

<strong>und</strong> 80er Jahre wie Apple oder Hewlett-Packard ihre ersten Erfolge keineswegs<br />

ausgebauten FuE-Apparaten. 12<br />

Obwohl sich die Zahl der Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungslaboratorien im<br />

privaten Sektor seit dem Ende des Ersten Weltkriegs bis heute enorm erhöht<br />

hat (vgl. Rammert 1983, S. 98), darf zweierlei nicht übersehen werden:<br />

12 Gleichwohl profitierten sie von den Ergebnissen der Halbleiterforschung, die<br />

vorwiegend in großindustriellen Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungseinrichtungen<br />

vorangetrieben wurde.<br />

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(1) Die geringe wissenschaftliche Bedeutung der von den Unternehmen<br />

neu gegründeten Forschungslabors:<br />

"Only a few of these new (R&D) facilities engaged in research of any<br />

scientific consequence. (...) Most of the so-called research laboratories<br />

were actually used for the numbler purposes of product testing and market<br />

support" (Graham 1985a, S. 50).<br />

(2) Diese Entwicklung verlief auch nicht ohne Brüche <strong>und</strong> Rückschläge. So<br />

wurde die Wachstumsdynamik des industriellen FuE-Potentials zum ersten<br />

Mal durch die Weltwirtschaftskrise gebremst.<br />

"Zunehmende Absatzschwierigkeiten im Zusammenhang mit der Weltwirtschaftskrise<br />

veranlaßten die Unternehmen, Kosten einzusparen, wovon<br />

auch das forschende Personal betroffen war" (Eckert, Schubert 1986, S.<br />

133).<br />

Forschung <strong>und</strong> Entwicklung als ausdifferenzierte Unternehmensfunktionen<br />

verloren dabei zeitweilig ihren Ruf als Versicherung gegen ökonomische<br />

Einbrüche. Auch der eigentlichen Wachstumsperiode organisierter<br />

Industrieforschung, die zu Beginn der 50er Jahre einsetzte, ging eine<br />

(wenn auch kurze) Phase voraus, die aufgr<strong>und</strong> der vorübergehenden Kürzung<br />

staatlicher bzw. militärischer Forschungsausgaben durch eine gewisse<br />

Zurückhaltung auf der Unternehmensseite geprägt war. 13<br />

Ähnliches gilt<br />

für den Zeitraum zwischen 1966 <strong>und</strong> 1975 in bezug auf die staatliche Unterstützung<br />

der Industrieforschung in den USA (Graham 1985b).<br />

Trotzdem kann festgehalten werden, daß sich im Laufe der letzten 100<br />

Jahre durch die Institutionalisierung technologischer Innovationen in Privatunternehmen<br />

ein Heer von Technikern, Ingenieuren <strong>und</strong> Wissenschaftlern<br />

herausgebildet hat, das in industriellen Kontexten wissenschaftlich-technische<br />

Problemstellungen <strong>und</strong> Anforderungen systematisch bearbeitet.<br />

Dabei haben bis in die Gegenwart hinein die Chemische <strong>und</strong> die<br />

Elektrotechnische Industrie eine Spitzenposition in Hinblick auf die Höhe<br />

ihrer Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungsausgaben behauptet (s. Kapitel 6). Sie<br />

gelten noch immer als die Prototypen wissenschaftlich f<strong>und</strong>ierter Industriezweige<br />

(science based industries), wenngleich mittlerweile zahlreiche<br />

13 Zu den nationalspezifischen Unterschieden vgl. Burns, Stalker 1961; Graham<br />

1985a; Hack, Hack 1985.<br />

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traditionelle <strong>und</strong> neue Industrien (u.a. Stahlverarbeitung, Maschinenbau,<br />

Textil-, Nahrungsmittel- <strong>und</strong> Automobilindustrie) ihrem Vorbild gefolgt<br />

sind <strong>und</strong> ebenfalls den bewußten <strong>und</strong> planvollen Einsatz von Wissenschaft<br />

forciert haben.<br />

3.4.2 Reasons and Motives<br />

Die Gründe für das industrielle Interesse an wissenschaftlicher Forschung<br />

werden von Noble auf eine einfache Formel gebracht:<br />

"The major reason for this rush to science is not hard to fathom: there was<br />

money in it" (Noble 1977, S. 111).<br />

Allerdings bedurfte es erst der Schaffung bestimmter institutioneller Voraussetzungen,<br />

insbesondere der Ausarbeitung eines geeigneten Patentrechts,<br />

bevor Unternehmen gewillt waren, in die Produktion wissenschaftlich-technologischen<br />

Wissens zu investieren:<br />

"Eine direkte Beteiligung der Industrie an der Forschung blieb (...) bis zum<br />

Ende des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts die Ausnahme, da die Industriellen nicht an<br />

naturwissenschaftlicher Erkenntnis, sondern an deren profitablen Verwendung<br />

interessiert waren. Erst als wirksame Patentgesetze die ausschließliche<br />

Nutzung eigener Forschungsergebnisse sicherten, errichteten Industriefirmen<br />

Forschungslaboratorien als Mittel für den Konkurrenzkampf<br />

(Eckert, Schubert 1986, S. 33).<br />

Neuere Arbeiten von Wirtschafts- <strong>und</strong> Technikhistorikern haben gezeigt,<br />

daß sich die Unternehmen von der aktiven Teilnahme an der wissenschaftlich-technischen<br />

Entwicklung die exklusive Verfügung über Wissen<br />

versprachen, das vor allem zur Erzielung technologisch begründeter Vorteile<br />

in Form von Patenten, neuen Produkten <strong>und</strong> Verfahrenstechniken<br />

nutzbar gemacht werden sollte (Graham 1985b). Die Entscheidung für den<br />

Aufbau unternehmenseigener Laboratorien kann aber auch als Versuch<br />

verstanden werden, die Abhängigkeit von nur schwer oder gar nicht zu<br />

kontrollierenden externen Quellen des technologischen Wandels (wie z.B.<br />

unabhängige Einzelerfinder, Hochschulgelehrte, private Erfinderbüros<br />

oder Konkurrenzunternehmen) <strong>und</strong> die davon ausgehende Bedrohung der<br />

eigenen Marktposition zu vermindern. 14<br />

14 Vgl. dazu den Begriff des Innovationsrisikos bei Child 1987 (s. Abschnitt 3.6).<br />

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"Large corporations invested in research because they were faced with the<br />

possibility of losing valuable markets to competitors with more advanced<br />

technologies. The new laboratories replaced older, more uncertain methods<br />

of dealing with technological change by making the firm itself the<br />

source of patentable products and processes" (Dennis 1987, S. 484).<br />

Zur Verminderung von Unsicherheit sollte auch die dadurch möglich gewordene<br />

Errichtung einer Markteintrittsbarriere beitragen, die nur noch<br />

von Mitbewerbern übersprungen werden konnte, die über die nötigen Mittel<br />

zur Schaffung eines konkurrenzfähigen FuE-Potentials verfügten (ebd.,<br />

S. 487).<br />

Ungeachtet dessen, ob man eher den offensiven Charakter des Entschlusses<br />

zur Schaffung eigener FuE-Kapazitäten hervorhebt oder stärker das<br />

Motiv der Risikoreduktion betont, das hinter dieser strategischen Entscheidung<br />

stand, läßt sich festhalten, daß es den Unternehmen darum ging,<br />

mit neuen Mitteln die Kontrolle über den Markt zu erhöhen <strong>und</strong> der Konkurrenz<br />

Herr zu werden.<br />

3.43 Wissenschaft <strong>und</strong> industrielle Technik<br />

Durch die Herausbildung einer eigenständig organisierten Industrieforschung<br />

veränderte sich das Verhältnis zwischen Wissenschaft <strong>und</strong> industrieller<br />

Technik nachhaltig. Diese Veränderung machte sich insbesondere<br />

in der Art <strong>und</strong> Weise der Entwicklung neuer Produkte <strong>und</strong> der Verbesserung<br />

<strong>und</strong> Veränderung von Produktionsprozessen bemerkbar. Die Produktion<br />

neuen wissenschaftlich-technischen Wissens <strong>und</strong> seine Umsetzung<br />

in verwertbare Resultate erfuhren eine Systematisierung <strong>und</strong> Verstetigung.<br />

Beides wurde gleichsam auf erweiterter Stufenleiter durchgeführt.<br />

Während der technologische Wandel in den klassischen Industriezweigen<br />

(craft based industries) wesentlich vom Einfallsreichtum <strong>und</strong> der Erfahrung<br />

derjenigen Personen abhing, die direkt in der Produktion beschäftigt<br />

oder funktional eng mit dieser verb<strong>und</strong>en waren, führten die zunehmende<br />

Verwissenschaftlichung <strong>und</strong> die wachsende Komplexität der Technologie<br />

in den verwissenschaftlichten Industrien zur Ausdifferenzierung einer<br />

Gruppe speziell qualifizierter Arbeitskräfte, deren Aufgabe in der systematischen<br />

Hervorbringung technologischer Innovationen bestand. Zwar<br />

wurden auch weiterhin wichtige Erfindungen von Fertigungsingenieuren<br />

<strong>und</strong> privaten Erfindern gemacht, technische Verbesserungen der Herstel-<br />

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lungsprozesse von den Produktionsarbeitern angeregt. Dennoch vollzog<br />

sich in bezug auf die <strong>Technikentwicklung</strong> eine deutliche Gewichtsverlagerung<br />

zugunsten eines funktional selbständigen FuE-Bereichs innerhalb der<br />

<strong>Unternehmensorganisation</strong>, die es gerechtfertigt läßt erscheinen, von einer<br />

neuen Stufe der industriellen Entwicklung zu sprechen. Die Automatisierung<br />

zahlreicher Produktionsstätten <strong>und</strong> die Expansion der Nachrichten-<br />

<strong>und</strong> Computertechnik, der Unterhaltungselektronik <strong>und</strong> eines Großteils<br />

der Medizintechnik, die ohne elektronische Bauteile aus halbleitenden<br />

Werkstoffen (s. Abschnitt 8.5) nicht denkbar wären,<br />

"stehen heute nicht nur für die Beschleunigung des wissenschaftlich-technischen<br />

Wandels, sondern auch für eine fortgeschrittene Stufe verwissenschaftlicher<br />

Technik. Entwickelt wurde sie vornehmlich in den Laboratorien<br />

großer Elektrokonzerne, deren internationaler Wettbewerb um<br />

Marktanteile seit Mitte dieses Jahrh<strong>und</strong>erts immer stärker auf dem Terrain<br />

der Forschungskonkurrenz ausgetragen wird. Die Industrieforschung<br />

erfuhr dadurch eine gigantische Ausweitung <strong>und</strong> rückte in eine Schlüsselstellung<br />

des die gesamte soziale Realität durchdringenden Industrialisierungsprozesses<br />

vor" (Eckert, Osietzki 1989, S. 138).<br />

3.4.4 Industrieforschung - reelle Subsumtion der Wissenschaft?<br />

Trotz einiger Wachstumsunterbrechungen haben im Laufe der letzten 50<br />

Jahre fast alle bedeutenden industriellen Großunternehmen immer größer<br />

werdende FuE-Potentiale aufgebaut. Verschiedene Autoren sprechen<br />

deshalb auch vom Zeitalter der "industrialisierten Forschung" (Ravetz<br />

1973) oder von einer "Forschungsrevolution" (Freeman 1974). Es ging den<br />

Unternehmen nicht mehr darum, allein auf die Ergebnisse von Wissenschaft<br />

<strong>und</strong> Forschung zurückgreifen zu können. Angestrebt wurde vielmehr,<br />

auch die Prozesse der wissenschaftlich f<strong>und</strong>ierten Entwicklung<br />

technischer Neuerungen einer planvollen Kontrolle zu unterwerfen, um so<br />

Richtung <strong>und</strong> Geschwindigkeit der technologischen Entwicklung (mit-)<br />

bestimmen zu können. Hält man sich an die Auffassung von H. Braverman,<br />

dann besteht gerade darin das entscheidend Neue:<br />

"Die gr<strong>und</strong>legende Innovation liegt nicht in der Chemie, Elektronik, automatischen<br />

Maschinerie, Luftfahrt, Atomphysik oder irgendeinem der Produkte<br />

dieser Wissenschaftstechnologien, sie liegt vielmehr in der Umformung<br />

der Wissenschaft selbst in Kapital" (Braverman 1977, S. 132).<br />

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Es fragt sich allerdings, wie <strong>und</strong> bis zu welchem Grade diese "Einverleibung<br />

der Wissenschaft in das kapitalistische Unternehmen" (ebd., S. 126)<br />

bewerkstelligt werden kann, oder anders formuliert: Handelt es sich bei<br />

der Beziehung zwischen Industrie <strong>und</strong> Wissenschaft um ein bloßes Unterordnungsverhältnis,<br />

wie von Braverman unterstellt, oder gestaltet sich dieser<br />

Zusammenhang in Wirklichkeit sehr viel weniger einseitig?<br />

Es ist nun an dieser Stelle noch einmal (s. Abschnitt 2.2) auf das Frankfurter<br />

"Theorem der reellen Subsumtion" zurückzukommen, denn auch<br />

Brandt <strong>und</strong> Papadimitriou haben noch 1983 die These vertreten, die<br />

"Rationalisierung oder auch 'Taylorisierung 5<br />

geistiger Arbeit" spräche "für<br />

eine auf real gesellschaftlicher Ebene sich vollziehende Subsumtion von<br />

Wissenschaft <strong>und</strong> Technik unter Imperative der Kapitalverwertung"<br />

(Brandt, Papadimitriou 1990, S. 203).<br />

Wie in diesem Zitat schon angedeutet, setzt sich nach Auffassung der Autoren<br />

die Tendenz einer zunehmenden reellen Subsumtion nicht nur in der<br />

unmittelbaren Produktion, sondern auch im Wissenschaftssystem selbst<br />

durch.<br />

"Bedienen sich diese Strategien (einer Rationalisierung wissenschaftlichtechnischer<br />

Arbeit - DB/GM) auch über weite Strecken der Maßnahmen,<br />

die sich bei der Rationalisierung körperlicher Arbeit bewährt haben, so<br />

greifen sie angesichts der besonderen Merkmale geistig-wissenschaftlicher<br />

Arbeit tendenziell auch auf das Wissenschaftsverständnis als deren Begründungszusammenhang<br />

über. Von ausschlaggebender Bedeutung ist dabei,<br />

ob es gelingt, auch den Prozeß wissenschaftlicher Reflexion nach dem<br />

Modell "gesteuerter Autonomie" in einen Prozeß algorithmischer Problemlösungen<br />

zu transformieren. So jedenfalls stellt sich die Logik der<br />

Subsumtion geistig-wissenschaftlicher Tätigkeit unter das Kapital dar, <strong>und</strong><br />

in dem Maße, in dem sie sich durchsetzt, nähert sich die kapitalistische<br />

Form der Arbeitsteilung einem geschlossenen <strong>und</strong> sich selbst steuernden<br />

System an" (ebd., S. 205).<br />

Zwar warnen Brandt <strong>und</strong> Papadimitriou in diesem Aufsatz vor einer<br />

"Überdehnung des Subsumtionsmodells" (S. 207) <strong>und</strong> weisen ausdrücklich<br />

darauf hin, daß die "reelle Subsumtion" sich in Ansehung von "Wissenschaft<br />

<strong>und</strong> Technik in widerspruchsvoller Form vollzieht <strong>und</strong> in ihrem<br />

Ablauf auch hier durch Widerstände modifiziert <strong>und</strong> möglicherweise gebrochen<br />

wird" (ebd., S. 208). Dennoch gehen sie so weit, eine gr<strong>und</strong>legende<br />

Differenz zwischen den Produktivkräften für das Kapital <strong>und</strong> den<br />

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Produktivkräften des Kapitals zu konstruieren. Dabei wird dann - entgegen<br />

den anderslautenden Bek<strong>und</strong>ungen - in spekulativer Weise eine Subsumtion<br />

der Wissenschaft unter das Kapital postuliert:<br />

"Kapitalistische Wissenschaft <strong>und</strong> Technik ist nicht gleichbedeutend mit<br />

kapitalistisch angewandter Wissenschaft <strong>und</strong> Technik. Vielmehr verhält es<br />

sich so, daß mit fortschreitender Organisation des Wissenschaftsbetriebes<br />

der Prozeß wissenschaftlicher Erkenntnis selbst bis in seine Struktur hinein<br />

der Steuerung durch Verwertungsimperative unterworfen wird bzw. externe<br />

<strong>und</strong> interne Regulative sich aufgr<strong>und</strong> der offenen Struktur dieses<br />

Prozesses in unauflöslicher Weise verbinden" (ebd., S. 206).<br />

Durch die von Krohn <strong>und</strong> Rammert (1985) vorgetragene Kritik an dieser<br />

Ausdehnung des Subsumtionsmodells auf den Prozeß der Wissenschafts<strong>und</strong><br />

<strong>Technikentwicklung</strong> reagierte zumindest G. Brandt mit einer doch<br />

sehr weitgehenden Zurücknahme dieser Version des Subsumtionsmodells<br />

(s. Abschnitt 2.2).<br />

Neuere Forschungsarbeiten, die auf der Grenze zwischen Wissenschaftsforschung<br />

<strong>und</strong> Industriesoziologie angesiedelt sind, lassen jedenfalls vermuten,<br />

daß sich<br />

"eine Formulierung wie 'Industrialisierung der Wissenschaft' (...) nicht als<br />

eine selbstverständliche Deskription unproblematischer empirischer Tendenzen<br />

handhaben (läßt)", sondern "vielmehr als Paradoxon zu definieren"<br />

ist (Hack 1984, S. 13).<br />

Anzunehmen ist weiterhin, daß die Auflösung dieses Paradoxons, d.h. die<br />

erfolgreiche Integration der Wissenschaft in die kapitalistische Produktion,<br />

nicht nur zur Veränderung wissenschaftlicher Arbeitsprozesse führt,<br />

sondern auch mit einem gravierenden Wandel von <strong>Unternehmensorganisation</strong><br />

<strong>und</strong> Unternehmensstrategien verb<strong>und</strong>en ist. Den Veränderungen<br />

der beiden letztgenannten Gegenstandsbereiche soll im folgenden nachgegangen<br />

werden. Dabei wird deutlich werden, daß sich Organisationsprobleme<br />

industrieller Forschung <strong>und</strong> Entwicklung <strong>und</strong> damit verb<strong>und</strong>ene<br />

Fragen der Unternehmenspolitik im historischen Verlauf verändert haben.<br />

3.4.5 Industrielles FuE-Management<br />

Solange das FuE-Personal der Unternehmen zahlenmäßig gering <strong>und</strong> die<br />

finanziellen Aufwendungen für Forschung <strong>und</strong> Entwicklung gemessen am<br />

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Umsatz bzw. an der Umsatzrendite niedrig waren, bestand wenig Anlaß<br />

<strong>und</strong> Anreiz zu einer substantiellen Rationalisierung dieses Bereichs. Dem<br />

entsprach, daß der Prozeß der Ausdifferenzierung industrieller Forschungsarbeit<br />

zunächst noch stark durch Arbeitszusammenhänge geprägt<br />

war, die an die Fähigkeiten <strong>und</strong> Kenntnisse einzelner Personen geb<strong>und</strong>en<br />

waren. Erst allmählich bildeten sich im Zuge des quantitativen Anwachsens<br />

des industriellen Forschungspotentials komplexere Formen der Forschungsorganisation<br />

mit der entsprechenden Objektivation von Arbeitsbedingungen<br />

<strong>und</strong> Tätigkeitsbereichen heraus. An die Stelle des Einzelerfinders<br />

traten arbeitsteilige Kooperationsformen, die in die hierarchischen<br />

Organisations- <strong>und</strong> Entscheidungsstrukturen der Unternehmen eingeb<strong>und</strong>en<br />

werden mußten. Der Direktor eines westdeutschen Elektrounternehmens<br />

beschreibt diesen Wandel so:<br />

"In früheren Zeiten haben Forscher <strong>und</strong> Entwickler in kleinen organisatorischen<br />

Einheiten oder als 'Einzelkämpfer' oft ein isoliertes Dasein geführt,<br />

um dann irgendwann Ideen hervorzubringen <strong>und</strong> in die Tat umzusetzen.<br />

(...) Betrachtet man einmal, wie vorhandene Ideen in der Vergangenheit<br />

verwirklicht wurden - nämlich in der Regel langsam, unsystematisch<br />

<strong>und</strong> oft zufällig -, dann erscheint dieses Umfeld früherer, zweifellos<br />

hervorragender Erfindungen, Entwicklungen <strong>und</strong> konstruktiver Realisierungen<br />

im Vergleich zu heute idyllisch. In der modernen FuE-Welt gelten -<br />

zumindest was erfolgreiche Unternehmen <strong>und</strong> Branchen betrifft - heute<br />

andere Gesetze. Trotz zum Teil hoher Verantwortung <strong>und</strong> Selbständigkeit<br />

sind Forscher <strong>und</strong> Entwickler integrierte Teile mittlerer oder großer Organisationseinheiten.<br />

Durch die interdependenten Entscheidungs- <strong>und</strong> Realisierungsprozesse<br />

in den Unternehmen <strong>und</strong> den gemeinsamen Rahmen,<br />

innerhalb dessen sich diese Prozesse abspielen, sind heute die oft höchstqualifizierten<br />

Mitarbeiter auch an die ökonomischen, sozialen <strong>und</strong> technologischen<br />

Spiehegeln ihres Unternehmens geb<strong>und</strong>en" (Fritsche 1984, S.<br />

284 f.).<br />

Diese Anbindung setzt freilich voraus, daß die Unternehmensleitung die<br />

Aufgabe der Planung <strong>und</strong> Organisation von wissenschaftlich-technischen<br />

Arbeitsprozessen <strong>und</strong> der Integration von wissenschaftlich-technischen<br />

Arbeitskräften in die <strong>Unternehmensorganisation</strong> erfolgreich bewältigt.<br />

Noch Mitte der 50er Jahre wurde jedoch von Managementtheoretikern<br />

festgestellt:<br />

"It used to be said that the way to do industrial research was to hire good<br />

scientists and leave them alone. Certainly no such simple formula can be<br />

taken seriously today. But neither have we arrived at the point where dis-<br />

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covery of the secrets of succesful research and development management<br />

can be claimed" (Shepard 1956, S. 295).<br />

Offenk<strong>und</strong>ig standen einer problemlosen Übertragung von in der materiellen<br />

Produktion bewährten Industrialisierungs- bzw. Rationalisierungsmaßnahmen<br />

auf die Produktion wissenschaftlich-technischen Wissens<br />

Hindernisse entgegen, die auf Besonderheiten von FuE-Aktivitäten verweisen.<br />

Hervorgehoben werden in diesem Zusammenhang neben dem Autonomiebedürfnis<br />

der Wissenschaftler <strong>und</strong> den hohen Wissensanforderungen<br />

vor allem die kreativen Bestandteile wissenschaftlich-technischer Arbeitsprozesse:<br />

"Der kreative Gehalt ergibt sich unmittelbar aus der Definition von FuE,<br />

wonach diese Aktivitäten als singulär <strong>und</strong> nicht-repetitiv zu begreifen sind.<br />

Dem widerspricht nicht, daß es innerhalb des weiten Aktivitätenspektrums<br />

von FuE eine Reihe von Tätigkeiten gibt, die als Folge von Spezialisierung<br />

<strong>und</strong> Standardisierung an Hilfskräfte delegierbar sind <strong>und</strong> so den eigentlich<br />

kreativen Prozeß entlasten. Das Spezifikum von Forschungsprojekten,<br />

nämlich nicht mehrfach identisch wiederholbar zu sein, bleibt davon unberührt"<br />

(Fischer 1982, S. 20).<br />

Derartige funktionsnotwendige Besonderheiten wissenschaftlicher Tätigkeiten<br />

haben zur Folge, daß überdehnte Subsumtionsvorstellungen offenk<strong>und</strong>ig<br />

keine Entsprechung in der betrieblichen Wirklichkeit finden. Industrielle<br />

Strategien der Einbindung wissenschaftlicher Forschung müssen<br />

gewährleisten,<br />

"daß sich nicht nur die Wissenschaftler bis zu einem gewissen Grade mit<br />

dem abfinden, was ihnen der Industriebetrieb abverlangt, sondern daß dieser<br />

auch umgekehrt die Bedingungen einhält, ohne die wissenschaftliches<br />

Arbeiten unfruchtbar bleiben muß" (Hetzler 1965, S. 74).<br />

Aus der prinzipiellen Anerkennung der Besonderheiten wissenschaftlicher<br />

Arbeit durch die Unternehmensleitungen ist allerdings nicht auf einen<br />

Verzicht von Rationalisierungsanstrengungen durch das Management zu<br />

schließen. Es ist gerade ein Kennzeichen der neueren Entwicklung im Bereich<br />

des FuE-Managements, daß in immer neuen Anläufen Versuche gestartet<br />

werden, die Transparenz <strong>und</strong> Kontrollierbarkeit dieser Tätigkeiten<br />

zu erhöhen <strong>und</strong> gleichzeitig die Einbindung des FuE-Personals ins Unternehmen<br />

abzusichern (vgl. Domsch, Jochum 1984; Staudt 1986; Brockhoff,<br />

Picot, Urban 1988). Auf diesen Punkt wird zurückzukommen sein (s. Kapitel<br />

7 <strong>und</strong> 8).<br />

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3.5 Bedingungen unternehmerischer FuE-Strategien<br />

Die planmäßige Entfaltung von Wissenschaft <strong>und</strong> Technologie im privaten<br />

Sektor <strong>und</strong> das entsprechende Anwachsen industrieller FuE-Potentiale<br />

führten nicht nur zu Veränderungen der Organisation wissenschaftlicher<br />

Forschung, sondern berührten auch die Konzeption der Unternehmenspolitik.<br />

Anders formuliert: Die systematische Produktion neuen Wissens<br />

<strong>und</strong> neuer Technologien erforderte auf innovative Arbeitsprozesse bezogene<br />

Planungs- <strong>und</strong> Kontrollstrategien, erlaubte aber auch neue, auf den<br />

Markt gerichtete Wettbewerbsstrategien. Mit der Inkorporation technischwissenschaftlicher<br />

Arbeitszusammenhänge <strong>und</strong> des dazugehörigen Personals<br />

strebten die Unternehmen eine Erhöhung ihres innovatorischen Potentials<br />

an, um sich den Unsicherheiten der außerbetrieblichen Technologieentwicklung<br />

zu entziehen <strong>und</strong> technologisch begründete Konkurrenzvorteile<br />

zu erringen. Durch eine hinter dem Rücken der Akteure sich vollziehende<br />

Verallgemeinerung dieser Strategie wurde das Erreichen dieses<br />

intendierten Ziels jedoch immer wieder in Frage gestellt.<br />

Das betriebliche Vermögen, wissenschaftliches <strong>und</strong> technologisches Wissen<br />

zu erzeugen, in neue Produkte umzusetzen <strong>und</strong> diese zu vermarkten,<br />

wurde in den science based industries zu einem maßgeblichen Mittel der<br />

Konkurrenz.<br />

"Preiskonkurrenz wird damit tendenziell ersetzt durch 'qualitativen', auf<br />

Produktgestaltung <strong>und</strong> Produktdifferenzierung beruhenden Wettbewerb.<br />

Daraus entwickeln sich einerseits die auf scheinbare Produktdifferenzierung<br />

abzielenden, den Gebrauchswert der Produkte überhaupt nicht tangierenden<br />

manipulativen Marktstrategien, andererseits wurzelt hier der<br />

Zwang, durch Aufnahme neuer Produkte oder die 'Verbesserung' bestehender<br />

marktstrategische Vorteile zu erringen, die von den Konkurrenten -<br />

anders als bei Preisveränderungen - kurzfristig nicht eingeholt werden<br />

können" (Hirsch 1974, S. 180).<br />

Der von den Konkurrenzbedingungen herrührende Zwang zur fortwährenden<br />

Produktinnovation sorgt allerdings in wichtigen Bereichen für eine<br />

Steigerung des Entwicklungstempos technologischer Neuerungen <strong>und</strong> für<br />

ein rascheres Veralten bestehender Produkte (s.u.).<br />

"Die mit der wissenschaftlichen induzierten Innovation gegebene Chance<br />

der Gewinnverbesserung wird durch den beschleunigten Produktinnovationszyklus<br />

zum erhöhten Risiko des Verlustes" (Rammert 1983, S. 104).<br />

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Aus der wettbewerbsbedingten Beschleunigung des technologischen Wan<br />

dels resultiert somit eine neue Form von Unsicherheit.<br />

Empirische Untersuchungen über die Erfolgsquote von FuE-Projekten<br />

haben gezeigt, daß mit der Durchführung von FuE-Aktivitäten eine Reihe<br />

weiterer Unsicherheiten interner <strong>und</strong> externer Art verb<strong>und</strong>en ist (vgl.<br />

Kern, Schröder 1977). Neben der generellen Ergebnisunsicherheit (ist das<br />

gewünschte Resultat technisch überhaupt zu erreichen?) zählen die Zeit<strong>und</strong><br />

die Kostenunsicherheit (ist das gewünschte Resultat in der vorgegebenen<br />

Zeit <strong>und</strong> mit dem vorgegebenen Aufwand zu erreichen?) zu den internen<br />

Unsicherheiten. Dazu kommt als externe Quelle von Unsicherheit<br />

die Ungewißheit über den potentiellen Markterfolg. Gelegentlich wird<br />

darüber hinaus auch eine allgemeine Geschäftsunsicherheit ("general business<br />

uncertainty") hervorgehoben, die aufgr<strong>und</strong> des längeren Zeithorizonts<br />

von Innovationsprojekten gegenüber anderen Investitionstypen besonders<br />

wichtig sei (Freeman 1974, S. 223). Da der Markt <strong>und</strong> die allgemeine ökonomische<br />

Situation zumindest indirekt die Entscheidung darüber beeinflussen,<br />

wie hoch der Zeit- <strong>und</strong> Kostenaufwand für den Prozeß der Erzeugung<br />

einer technologischen Innovation sein darf, verliert jedoch die gängige<br />

Unterscheidung zwischen "internen" <strong>und</strong> "externen" Unsicherheiten<br />

einen Teil ihrer Plausibilität. Verschiedene Autoren ziehen es deshalb vor,<br />

zwischen einem Effektivitätsproblem <strong>und</strong> einem Effizienzproblem zu unterscheiden.<br />

Was damit gemeint ist, läßt sich mit Hilfe von zwei Fragen<br />

verdeutlichen, mit denen sich für gewöhnlich das FuE-Management auseinanderzusetzen<br />

hat:<br />

" «Tun wir das Richtige?» <strong>und</strong> «Tun wir das richtig, was wir tun?» Die erste<br />

Frage richtet sich auf die Herbeiführung von Effektivität, die zweite auf<br />

Effizienz oder Produktivität" (Brockhoff 1984, S. 3).<br />

Daran wird deutlich, daß sich das Effizienzproblem mit dem überschneidet,<br />

was üblicherweise zu den internen Unsicherheiten gezählt wird.<br />

Ebenso besteht eine Entsprechung zwischen dem Effektivitätsproblem <strong>und</strong><br />

der externen Unsicherheit von FuE-Prozessen.<br />

Allerdmgs ist die These von der besonderen Unsicherheit industrieller<br />

FuE-Aktivitäten nicht unumstritten. Gegen eine derartige Auffassung wird<br />

z.B. eingewandt,<br />

Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />

http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890


"daß es keinen Gr<strong>und</strong> gibt anzunehmen, FuE-Projekte seien a priori <strong>und</strong><br />

per se mit größerer Unsicherheit <strong>und</strong> höherem Risiko verb<strong>und</strong>en als andere<br />

denkmögliche Aktivitäten der Unternehmung. Vielmehr läßt sich<br />

ganz pointiert sagen, daß die Unternehmungen aus der Fülle aller möglichen<br />

FuE-Projekte genau die Vorhaben auswählen können <strong>und</strong> in der Regel<br />

auch auswählen, die dem Profil ihrer Sicherheitspräferenzen <strong>und</strong> ihrer<br />

personellen <strong>und</strong> organisatorischen Kompetenz entsprechen" (Fischer 1982,<br />

S. 23).<br />

Daraus sei jedoch nicht zu folgern, Innovation wäre zur Routine <strong>und</strong> voraussagbar<br />

geworden. "Für die These, durch Integration von Invention <strong>und</strong><br />

Innovation in die Unternehmung würden diese Tätigkeiten profan <strong>und</strong> beliebig<br />

machbar, gibt es keine Stützung, im Gegenteil" (ebd., S. 36). Eine rationalistische<br />

Auffassung von Innovation, wie sie sehr prägnant von<br />

Schumpeter vertreten wird, sei, so wird weiter argumentiert, mit praktischen<br />

Erfahrungen nicht vereinbar.<br />

Dies gilt auch für die innerhalb der Innovationstheorie häufig geäußerte<br />

Annahme, mit dem Voranschreiten des Innovationsvorhabens gehe eine<br />

Routinisierung der Aufgabenvollzüge <strong>und</strong> damit eine Abnahme von Unsicherheit<br />

einher:<br />

"Unterzieht man Voraussagen über Forschung, Entwicklung <strong>und</strong> Produktion<br />

einer vergleichenden Betrachtung, so fällt die starke Abnahme der<br />

Unsicherheiten in der genannten Folge ins Auge. Je weiter man bei einem<br />

Entwicklungsprozeß in technisches Neuland vordringt, also noch Forschung<br />

betreiben muß, um so ungenauer werden die Vorausschätzungen.<br />

Hat man jedoch mit dem Projekt einmal begonnen, so nehmen die Unsicherheiten<br />

ab" (Krauch 1970, S. 126).<br />

Dieser Einschätzung lassen sich jedoch Aussagen aus der betrieblichen Innovationspraxis<br />

gegenüberstellen, die Zweifel daran aufkommen lassen, ob<br />

wirklich "jede Unsicherheit mit einer charakteristischen Geschwindigkeit<br />

kleiner wird" (ebd.).<br />

Das folgende Zitat eines Ingenieurs aus einer Untersuchung in FuE-Abteilungen<br />

elektrotechnischer Unternehmen belegt, daß auch fortgeschrittene<br />

Innovationsphasen mit hohen Unsicherheitsgraden behaftet sein<br />

können:<br />

"Zum Teil verHefen FuE über Pilotserie <strong>und</strong> Nullserie hinaus problemlos.<br />

Erst wenn wir in die Produktion gingen, wenn der Stückzahlzwang da war,<br />

Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />

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kamen die eigentlichen Probleme so richtig auf den Tisch" (Interviewauszug,<br />

zitiert in Heisig u.a. 1985, S. 49).<br />

Auf aktuelle Versuche, das hier angesprochene Problem der Fertigungsüberleitung<br />

in den Griff zu nehmen, wird noch ausführlicher einzugehen<br />

sein (s. Kapitel 8).<br />

Die Bedeutung des Widerspruchs zwischen einer die Unsicherheit betonenden<br />

<strong>und</strong> einer die Unsicherheit negierenden Position läßt sich genauer<br />

kalkulieren, wenn man auf eine von Freeman (1974) entwickelte Zusammenstellung<br />

(s. nebenstehende Abb. 3.3) zurückgreift, die den Zusammenhang<br />

zwischen Unsicherheitsgrad <strong>und</strong> Innovationstyp aufzeigt.<br />

Daraus wird ersichtlich, daß die Höhe der Unsicherheit vom jeweiligen<br />

Innovationstyp abhängt. So gelten etwa marktbezogenen Produktinnovationen<br />

gegenüber betriebsinternen Prozessinnovationen als unsicherer, da<br />

sie nicht nur mit technischer Unsicherheit, sondern zusätzlich mit Marktunsicherheit<br />

verb<strong>und</strong>en sind.<br />

Auch wenn sich über die verschiedenen Zuordnungen, die Freeman vornimmt,<br />

sicherlich streiten läßt, wird an diesen Überlegungen doch deutlich,<br />

daß sich die Unternehmen durch den Versuch, die mit dem externen<br />

technologischen Wandel verb<strong>und</strong>enen Unsicherheiten im eigenen Hause<br />

kalkulierbar zu machen, eine Reihe von neuen Unsicherheiten einhandeln.<br />

Es ist daher leicht nachzuvollziehen, daß Unternehmen versuchen, diese<br />

neuen Unsicherheiten wiederum möglichst gering zu halten.<br />

"Da f<strong>und</strong>amentale Neuentwicklungen durch ihre Unsicherheit <strong>und</strong> die mit<br />

ihrer Realisierung verb<strong>und</strong>enen Gefahr der Entwertung des vorhandenen<br />

capital fixe außerordentlich risikoreich sind, besteht eine generelle Tendenz<br />

zu kleindimensionierten technologischen Neuerungen, die es erlauben,<br />

ohne größere Profitrisiken die jeweilige Konkurrenzposition gerade<br />

eben zu halten oder sukzessive zu verbessern. Solange marginale technologische<br />

Veränderungen <strong>und</strong> Diversifikationsmaßnahmen genügen, um Konkurrenzvorsprünge<br />

oder Marktanteile zu sichern, müssen durchgreifende<br />

Neuentwicklungen dem einzelnen Kapital als unrentabel <strong>und</strong> unzweckmäßig<br />

erscheinen. Aus diesem Zusammenhang resultiert der vielfach konstatierte<br />

'Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungskonservatismus' der Industrie, d.h.<br />

die Beschränkung auf Projekte mit kurzen 'pay off-Perioden" (Hirsch<br />

1974, S. 183 f.).<br />

Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />

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Quelle: Freeman, 1974<br />

Abbildung 3.3 Unsicherheitsgrade verschiedener Innovationstypen<br />

Aber welche Möglichkeiten gibt es, wenn Maßnahmen dieses Typs nicht<br />

ausreichen? Freeman zumindest benennt eine Reihe denkbarer Innovationsstrategien<br />

- imitative, defensive, abhängige, traditionalistische, opportunistische,<br />

offensive -, von denen zwei, nämlich die offensive <strong>und</strong> die de-<br />

Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />

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fensive - mehr sein sollen, als bloße Strategien der Nachahmung oder der<br />

marginalen Modifikation (s. nebenstehende Abb. 3.4).<br />

Eine defensive Strategie kann dabei genauso forschungsintensiv sein wie<br />

eine offensive; der Unterschied zwischen beiden liegt wesentlich in der<br />

Beschaffenheit <strong>und</strong> dem gewählten Zeitpunkt der Innovation. Allerdings<br />

wird man wohl kaum ein Unternehmen finden (Kleinunternehmen vielleicht<br />

ausgenommen), das sich exklusiv auf eine Strategie festgelegt hat.<br />

Wahrscheinlicher ist der Fall, daß die Unternehmen je nach Situation von<br />

einer Strategie zu einer anderen wechseln oder in unterschiedlichen<br />

Marktsegmenten unterschiedliche Strategien verfolgen. Von großem Interesse<br />

ist dann die Frage, die leider durch die von Freeman vorgelegte<br />

Typologie zur Klassifizierung von Innovationsstrategien unbeantwortet<br />

bleibt, unter welchen Bedingungen diese verschiedenen Strategien jeweils<br />

zum Einsatz kamen oder kommen, sowie - noch wichtiger für die hier verfolgte<br />

Fragestellung - mit welchen internen <strong>und</strong> externen organisatorischen<br />

Konsequenzen diese Strategien verb<strong>und</strong>en sind.<br />

Resümierend läßt sich feststellen, daß sich die Eigenarten <strong>und</strong> Merkmale<br />

technologischer Innovationsprozesse im historischen Ablauf z.T. einschneidend<br />

verändert haben. Zu nennen sind vor allem zwei wesentliche<br />

Aspekte: die zunehmende Verwissenschaftlichung technologischer Innovationen<br />

<strong>und</strong> die mit der wachsenden Komplexität von Forschungs- <strong>und</strong><br />

Entwicklungsaktivitäten einhergehende Bedeutungszunahme formaler Organisationen<br />

bei der Innovationsbewältigung gegenüber dem einzelnen Erfinder<br />

oder Forscher.<br />

Beobachter sind sich außerdem einig darüber, daß sich gegenwärtig in zentralen<br />

Technologiefeldern (z.B. in der Elektronik- <strong>und</strong> Halbleiterindustrie)<br />

die Geschwindigkeit der wissenschaftlich-technischen Entwicklung beschleunigt<br />

hat. Als Beleg dafür dient vor allem die Tendenz zu verkürzten<br />

Produktlebenszyklen,<br />

"<strong>und</strong> zwar sowohl auf den Gebieten klassischer Technik wie erst recht<br />

überall dort, wo die Halbleitertechnik, die Technik der integrierten Schaltkreise<br />

<strong>und</strong> die Digitaltechnik eine Rolle spielen. (...) Bei integrierten<br />

Schaltkreisen kann man damit rechnen, daß sich die Zahl der auf einem<br />

Chip untergebrachten Bauelemente alle vier Jahre verdoppelt <strong>und</strong> gleichzeitig<br />

der Preis pro Funktion auf die Hälfte zurückgeht. Die Prozessoren<br />

<strong>und</strong> Speicher elektronischer Datenverarbeitungsanlagen, die diese inte-<br />

Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />

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Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />

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grierten Schaltkreise als Kernstück enthalten, werden alle vier Jahre um<br />

die Hälfte billiger bei gleichzeitig meistens auf das Doppelte gestiegener<br />

Leistungsfähigkeit" (Plettner 1980, S. 20 f.).<br />

Für die wissenschaftlich-technischen Arbeitskräfte impliziert diese Beschleunigung<br />

des Wissensumschlags<br />

"einerseits eine kontinuierliche Entwertung des beruflichen Wissens durch<br />

Prozesse der Transformation in technologische Systeme <strong>und</strong> forciertes<br />

Veralten <strong>und</strong> andererseits eine beträchtlich verstärkte Anstrengung zur<br />

ständigen Erneuerung des beruflichen Wissens durch eine Vielzahl von<br />

Weiterbildungsveranstaltungen" (Hack 1988, S. 39; Hervorhebungen im<br />

Original).<br />

Für die Unternehmen sind damit im Gegenzug neuartige Probleme der<br />

Rekrutierung <strong>und</strong> Personalpolitik in Forschung <strong>und</strong> Entwicklung verb<strong>und</strong>en<br />

(vgl. Domsch, Jochum 1984).<br />

Mit der zunehmenden Verwissenschaftlichung der Arbeitsmittel, Arbeitsmaterialien<br />

<strong>und</strong> Produkte geht ein steigender Ressourceneinsatz der Unternehmen<br />

in Forschung <strong>und</strong> Entwicklung einher (s. Kapitel 6).<br />

"Das FuE-Budget beginnt bereits das eigentliche Investitionsbudget bzw.<br />

die Hardware-Investitionen zu übersteigen, wie ein Blick in die Bilanzen<br />

bzw. Geschäftsberichte insbesondere der Elektro- <strong>und</strong> Elektronikindustrie<br />

unschwer erkennen läßt; von den eigentlichen Datenverarbeitungsunternehmen<br />

ganz zu schweigen. Die Bedeutung dieser FuE-Kostenexplosion<br />

zeigt sich auch darin, daß das FuE-Budget in Technologie-Unternehmen<br />

bereits 10 % des Gesamtumsatzes <strong>und</strong> mehr beträgt, wobei nach Aussagen<br />

von Branchenexperten dieser Trend zur immer stärkeren Kosten- <strong>und</strong> Investitions-Akkumulation<br />

im FuE-Sektor in Zukunft eher an Dynamik gewinnt<br />

<strong>und</strong> ein Ende nicht abzusehen ist" (Pfeiffer 1983, S. 58).<br />

Hier liegt denn auch ein wichtiger Gr<strong>und</strong> dafür, daß das Effizienzproblem<br />

in Forschung <strong>und</strong> Entwicklung entscheidend an Bedeutung gewinnt.<br />

Schließlich steigern sich durch die Forderungen der Abnehmer nach Systemlösungen<br />

anstelle von Einzellösungen <strong>und</strong> dem damit einhergehenden<br />

Komplexitätszuwachs der Aufgabenstellungen die Anforderungen an das<br />

Management von FuE-Prozessen. Dies alles zusammengenommen läßt es<br />

gerechtfertigt erscheinen, von einer neuen Qualität des Innovationsproblems<br />

zu sprechen. Dafür spricht auch, daß Innovationsanstrengungen<br />

immer weniger vom übrigen Unternehmensgeschehen abgeschottet wer-<br />

Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />

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den - im Gegenteil. Wie man diesen Umstand begrifflich fassen kann, soll<br />

mit Hilfe einiger Überlegungen von Child gezeigt werden.<br />

3.6 Integrationsversuch industriesoziologischer <strong>und</strong> innovationstheoretischer<br />

Sichtweisen: die zentralen Risiken kapitalistischer<br />

Produktion<br />

Während die Industriesoziologie den materiellen Produktionsprozeß <strong>und</strong><br />

dessen Entwicklung unter veränderten marktlichen <strong>und</strong> technologischen<br />

Bedingungen in den Mittelpunkt ihrer Forschung stellt <strong>und</strong>, abgesehen von<br />

wenigen Ausnahmen, dem wissenschaftlich-technischen Innovationsgeschehen<br />

in Industrieunternehmen keine Beachtung schenkt, konzentrieren<br />

sich innovationstheoretische Ansätze meist allein auf die Innovationsproblematik<br />

<strong>und</strong> vernachlässigen dabei alle übrigen Anforderungen an die<br />

Unternehmen. Einen Ansatz, diese beiden Stränge miteinander zu verknüpfen,<br />

sehen wir in der von dem englischen Industriesoziologen <strong>und</strong> Organisationstheoretiker<br />

John Child vorgeschlagenen Ausdifferenzierung unterschiedlicher<br />

Anforderungskomplexe ("Strategic challenges"), die seiner<br />

Auffassung zufolge die Unternehmen in entwickelten kapitalistischen Industriegesellschaften<br />

besonders beschäftigen. Child (1987) unterscheidet<br />

dabei zwischen dem "demand risk", dem "inefficiency risk" <strong>und</strong> dem "innovation<br />

risk". 15<br />

Als Nachfragerisiko bezeichnet Child<br />

"the risk of sharply fluctuating demand or even the collapse of markets. It<br />

is associated with the threat of severe recession - already experienced twice<br />

since 1973 - coupled with intensifying world competition and the entry of<br />

newly industrializing nations. It is exacerbated by rapid changes in taste<br />

and by advances in product specification" (Child 1987, S. 34).<br />

15 In der einschlägigen betriebswirtschaftlichen Literatur dominieren zwei Varianten<br />

des Risikobegriffs (Strebel 1968). Der eine bezieht sich auf die Gefahr des<br />

Mißerfolgs einer Aktivität, durch den ein Verlust an Kapital oder Gewinn droht.<br />

Der andere bezieht sich auf die Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines zukünftigen<br />

Ereignisses, die dem Betroffenen bekannt ist. Child verwendet den Begriff<br />

in der ersten Bedeutungsform.<br />

Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />

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Das hier in Rede stehende Nachfragerisiko ist somit nicht mit dem strukturellen<br />

Problem zu verwechseln, daß für die Unternehmen Quantität <strong>und</strong><br />

Qualität der zahlungsfähigen Nachfrage in der Regel ungewiß ist, <strong>und</strong> es<br />

sich meist erst nachträglich herausstellt, ob die verausgabten Mittel wieder<br />

eingespielt werden können bzw. der in den Produkten vergegenständlichte<br />

Wert realisiert werden kann. 16<br />

Child benennt dagegen lediglich einige Faktoren, die dieses strukturelle<br />

Problem in der aktuellen ökonomischen Situation verschärfen <strong>und</strong> den<br />

Unternehmen ein höheres Maß an Fertigungsflexibilität abverlangen.<br />

Das lneffizienzrisiko wird von Child darauf zurückgeführt, daß ein Unternehmen<br />

gegenüber seinen Konkurrenten durch suboptimale Organisation<br />

seiner Produktion in bezug auf seine (Stück-)Kosten ins Hintertreffen geraten<br />

kann:<br />

"This generates the need to increase control over operations, and therefore,<br />

to improve operational information so that inefficiencies and associated<br />

costs (such as inventory) may be reduced to a minimum" (ebd.).<br />

Es geht hier also um das Problem einer verstärkten Kontrolle <strong>und</strong> Ökonomisierung<br />

derjenigen Aktivitäten <strong>und</strong> Bereiche, die mittelbar oder unmittelbar<br />

an der Leistungserstellung beteiligt sind.<br />

Schließlich unterscheidet Child noch das Innovationsrisiko, das Unternehmen<br />

droht, wenn sie den (Produkt-)Innovationen ihrer Konkurrenten<br />

nichts Adäquates entgegen zu setzen haben. Nachdrücklich verweist er vor<br />

allem auf die Bedeutung einer effektiven Informationsverarbeitung <strong>und</strong><br />

von organisatorischen Maßnahmen bei der Bewältigung dieses Risikos.<br />

"Most commentators agree that innovative capability depends on effective<br />

information processing in a number of aspects: including access to sources<br />

16 Child legt seinem Konzept also einen anderen Risikobegriff zugr<strong>und</strong>e als Marx,<br />

der das Risiko kapitalistischer Produktion in der Realisation des Werts verortet:<br />

"Andererseits ist es ebenso klar, daß auch von den gewöhnlichen ökonomischen<br />

Bestimmungen aus das Kapital, das nur seinen Wert erhalten könnte, ihn nicht<br />

erhielte. Die Risikos der Produktion müssen kompensiert sein. Das Kapital muß<br />

sich erhalten in den Schwankungen der Preise. Die Entwertung des Kapitals, die<br />

fortwährend vor sich geht durch Erhöhung der Produktivkraft, muß kompensiert<br />

sein" (Marx 1953, S. 224).<br />

Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />

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of concepts and ideas; the integration of internal specialist contributions to<br />

the development and commercialization of those concepts; and the ability<br />

to achieve sufficient operational flexibilityto support new and evolving<br />

product specifications. The organizational contribution here turns on the<br />

integration of inputs to innovation from a range of sources (some external<br />

of the enterprise) and the facilitation of speedy implementation attuned to<br />

commercial needs" (ebd.).<br />

Die drei genannten Risiken 17<br />

werden von Child als gegenwärtig zentrale<br />

strategische Herausforderungen an die Unternehmen verstanden, die<br />

diese durch den Einsatz neuer Informations- <strong>und</strong> Kommunikationstechnologien<br />

<strong>und</strong> durch die Nutzung neuartiger organisatorischer Arrangements<br />

in den Griff zu bekommen suchten. Dabei zeichne sich tendenziell<br />

eine Abkehr von hierarchisch koordinierten Transaktionen <strong>und</strong> eine Zunahme<br />

von über den Markt vermittelten Transaktionen ab (vgl. dazu<br />

Williamson 1985).<br />

Übersetzt man nun die von Child vorgeschlagenen Risikobegriffe 18<br />

in die<br />

Sprache industrie- <strong>und</strong> techniksoziologischer Untersuchungen, dann ergeben<br />

sich folgende Entsprechungen:<br />

Nachfragerisiko = Produktionsflexibilität<br />

Ineffizienzrisiko = Produktionseffizienz<br />

Innovationsrisiko = Produktinnovation<br />

17 Die von Child in den Mittelpunkt des Interesses gerückten Risiken sind nicht die<br />

einzigen, mit denen sich Unternehmen auseinanderzusetzen haben. Zu nennen<br />

wären etwa Risiken des Kapital- <strong>und</strong> Arbeitsmarkts, der Wechselkursentwicklung<br />

<strong>und</strong> politische Risiken (staatliche bzw. suprastaatliche Eingriffe, Standardisierungen<br />

etc.).<br />

18 Wir verwenden in diesem Kontext einen anderen, eher betriebswirtschaftlich<br />

orientierten Risikobegriff als beispielsweise Beck (1986) oder Evers <strong>und</strong><br />

Nowotny (1987). Weder halten wir die gegenwärtige Gesellschaft für eine, die<br />

durch Risiken konstituiert wird, noch interessieren uns die versicherungstechnischen<br />

Mechanismen zur Entschärfung (<strong>und</strong> Reproduktion) sozialer "Unsicherheiten".<br />

Die Verwendung des Begriffs "Risiko" unterstellt im übrigen immer,<br />

also auch bei uns, eine Transformation von Unsicherheit in berechenbare<br />

Größen. Diese Transformation setzt wiederum einen gesellschaftlich verbindlichen<br />

Mechanismus voraus, den man - einer Frankfurter Tradition folgend - auch<br />

"Realabstraktion" nennen könnte (vgl. Sohn-Rethel 1990; Brandt u.a. 1978; neuerdings<br />

Kurz 1987).<br />

Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />

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Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> lassen sich Stärken <strong>und</strong> Schwächen der Childschen<br />

Terminologie verdeutlichen. Ihr Vorzug liegt u.E. speziell darin, daß<br />

mit ihrer Hilfe der Herausbildung eines neuen bzw. gewandelten Anforderungsprofils<br />

an Industrieunternehmen begrifflich Rechnung getragen werden<br />

kann. Zahlreiche Unternehmen können sich nämlich nicht mehr allein<br />

darauf konzentrieren, ihren Produktionsapparat gemäß den gegebenen<br />

Ökonomisierungs- <strong>und</strong> Flexibilisierungsanforderungen zu gestalten. Veränderte<br />

Wettbewerbsbedingungen haben vielmehr dazu beigetragen, die<br />

Erzeugung technologischer Innovationen <strong>und</strong> die erfolgreiche Vermarktung<br />

derselben zunehmend in das Zentrum ihrer Tätigkeit rücken zu lassen.<br />

Zwar war für die Unternehmen die Fähigkeit zur Produkt- <strong>und</strong> Prozeßinnovation<br />

schon früher (überlebens-)wichtig, um durch das Anbieten<br />

neuer Produkte oder durch die Entwicklung <strong>und</strong> Anwendung neuer Verfahren<br />

Konkurrenzvorteile zu erringen. Es gibt aber Anzeichen dafür, daß<br />

gerade in Zeiten veränderter Nachfragestrukturen (verschärfte Konkurrenz<br />

auf den Weltmärkten, Differenzierung der K<strong>und</strong>enwünsche etc.), erhöhten<br />

Kostendrucks <strong>und</strong> beschleunigten wissenschaftlich-technischen<br />

Wandels die Fähigkeit, technologische Innovationen zu generieren <strong>und</strong><br />

kommerziell zu nutzen, erheblich an Bedeutung gewinnt. Von Theoretikern,<br />

die sich mit dem Zusammenhang von "Langen Wellen" der wirtschaftlichen<br />

Entwicklung kapitalistischer Gesellschaften <strong>und</strong> der wissenschaftlich-technischen<br />

Entwicklung auseinandersetzen, wird sogar die -<br />

zumindest für den Bereich der Elektroindustrie, der stark von Gr<strong>und</strong>lagenentwicklungen<br />

abhängig ist, zutreffende - These formuliert, daß "der<br />

Druck zum risikoreichen Umschalten auf neue Technologien gerade dann<br />

am stärksten ist, wenn auch die Risiken zukünftiger Marktentwicklung am<br />

größten sind" (Kleinknecht 1984, S. 66).<br />

Allerdings weist der Beitrag Childs auch einige Schwächen auf. So verwendet<br />

er einen sehr restriktiven Innovationsbegriff, der sich allein auf<br />

Produktinnovationen bezieht, die Erforschung <strong>und</strong> Entwicklung neuer<br />

Produktionstechnologien jedoch vernachlässigt. Damit gerät er in Gefahr<br />

zu übersehen, daß in vielen Bereichen Produkt- <strong>und</strong> Prozeßinnovationen<br />

eng verkoppelt sind <strong>und</strong> gleichzeitig realisiert werden (s. Kapitel 8). Darüber<br />

hinaus verzichtet Child darauf, dem Innovationsrisiko <strong>und</strong> den Maßnahmen<br />

zu dessen Bewältigung ausführlicher nachzugehen. Damit hängt<br />

zusammen, daß sich das "innovation risk" in seinem Verständnis in erster<br />

Linie auf einen potentiellen technologischen Rückstand gegenüber der<br />

Konkurrenz, jedoch nicht auf die mit der Generierung von neuen Tech-<br />

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nologien zusammenhängende Unsicherheit bezieht. Darin mag auch mitbegründet<br />

sein, daß die vorgeschlagene Risikounterscheidung das Mißverständnis<br />

impliziert, lediglich der unmittelbare Produktionsprozeß unterliege<br />

gestiegenen Effizienz- <strong>und</strong> Flexibilitätsanforderungen, nicht jedoch<br />

der Innovationsprozeß. Schließlich fehlt auch ein Versuch, in systematischer<br />

Weise die möglichen Zusammenhänge zwischen den drei Risiken zu<br />

untersuchen. Es findet sich lediglich ein Hinweis auf die Notwendigkeit<br />

"operationaler Flexibilität" bei der Implementation von neuen oder verbesserten<br />

Produktspezifikationen. Damit wird zumindest angedeutet, daß,<br />

in Childs Terminologie, die Bewältigung des Innovationsrisikos <strong>und</strong> des<br />

Nachfragerisikos nicht voneinander unabhängig sind. Behält man die hier<br />

notierten Einwände jedoch im Gedächtnis bzw. erweitert den Begriff des<br />

Innovationsrisikos um die genannten Aspekte, so scheint es möglich zu<br />

sein, die Childschen Risikokategorien in analytischer Weise für unsere<br />

Problemstellung nutzbar zu machen.<br />

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4. "Systemische Rationalisierung" - Eine adäquate Antwort<br />

der Industriesoziologie auf neue Herausforderungen?<br />

Im folgenden wollen wir uns noch einmal der industriesoziologischen Forschung<br />

zuwenden <strong>und</strong> vor dem Hintergr<strong>und</strong> der von Child vorgeschlagenen<br />

Risikounterscheidungen die dort neuerdings vertretene These der<br />

Herausbildung neuer, "systemischer" Rationalisierungsstrategien diskutieren.<br />

Es sind die von Altmann u.a. (1986) für die Ebene der unmittelbaren<br />

Produktion einerseits, die von Baethge <strong>und</strong> Oberbeck (1986) für den Bereich<br />

der industriellen Verwaltung <strong>und</strong> der Dienstleistungen andererseits<br />

ausgemachten neuen "Typen" der Rationalisierung, mit denen wir uns im<br />

folgenden auseinandersetzen. Ohne daß die Autoren direkt darauf verweisen,<br />

wird hier nämlich die zentrale Rolle der Organisationsstrukturen, in<br />

die die untersuchten Bereiche jeweils eingebettet sind, für den Rationalisierungsprozeß<br />

herausgestellt. Es geht uns also darum, neuere Erkenntnisse<br />

der Industriesoziologie mit den von uns postulierten Organisationsstrukturveränderungen<br />

in entwickelten kapitalistischen Gesellschaften in<br />

Beziehung zu setzen. Unsere Behauptung, um dies vorwegzunehmen, ist,<br />

daß sich die These einer "systemischen Rationalisierung" nur dann sinnvoll<br />

diskutieren läßt, wenn man die Beziehungen zwischen den organisatorischen<br />

Strategien zur Beherrschung des Innovationsrisikos, des Nachfrage<strong>und</strong><br />

vor allem des Ineffizienzrisikos zu klären versucht.<br />

Bedeutende industriesoziologische Forschungsinstitute, namentlich das<br />

SOFI in Göttingen <strong>und</strong> das Münchner <strong>ISF</strong>, heben in neueren Veröffentlichungen<br />

auf "systemische Rationalisierungsprozesse" ab. Obwohl Mitarbeiter<br />

beider Institute mit dem selben Begriff arbeiten, sind weder die<br />

empirischen Bezugspunkte noch die Interpretationen der Ursachen, die<br />

nach Auffassung der unterschiedlichen Forschergruppen zu systemischen<br />

Rationalisierungsprozessen geführt haben, problemlos aufeinander zu beziehen.<br />

Auch in bezug auf die Folgen systemischer Rationalisierungsprozesse<br />

bestehen in entscheidenden Punkten divergierende Einschätzungen.<br />

Wir werden im folgenden zunächst die Gemeinsamkeiten im Begriff systemischer<br />

Rationalisierung herausarbeiten, um dann etwas präziser auf<br />

die Differenzen einzugehen, die sich aus dem unterschiedlichen empiri-<br />

Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />

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schen Bezug <strong>und</strong> den unterschiedlichen theoretischen Gr<strong>und</strong>annahmen<br />

ergeben.<br />

Wie bereits ausgeführt (s. Abschnitt 2.2), war insbesondere Gerhard<br />

Brandt darum bemüht, eine Subsumtionstheorie zu entwickeln, die - am<br />

Subsumtionsmodell Arnasonscher Provenienz orientiert (vgl. Arnason<br />

1988) - nahezu alle Gr<strong>und</strong>annahmen traditioneller Fassungen des Subsumtionstheorems<br />

einer weitreichenden (Selbst-) Kritik <strong>und</strong> Revision unterwerfen<br />

sollte (Brandt 1986a; 1986b; vgl. Bieber, Brandt, Möll 1987). Dabei<br />

konnte, wie Brandt in seinem Aufsatz "Marx <strong>und</strong> die neuere deutsche Industriesoziologie"<br />

bereits 1984 herausgearbeitet hatte, 19<br />

noch am ehesten<br />

an den Münchner Ansatz betrieblicher Autonomiestrategien angeknüpft<br />

werden. Anknüpfungspunkte, die sich für eine revidierte Subsumtionsthese<br />

nutzen lassen, ergeben sich insbesondere dann, wenn der "Münchner<br />

Ansatz" aus seiner Fixierung auf den Einzelbetrieb gelöst <strong>und</strong> zu einer<br />

Theorie "systemischer Rationalisierung" weiterentwickelt wird. 20<br />

Aus diesem<br />

Gr<strong>und</strong> werden wir uns etwas ausführlicher mit dem Münchner Versuch,<br />

"systemische" oder "integrative" Rationalisierungsprozesse zu thematisieren,<br />

auseinandersetzen.<br />

In industriesoziologischen Diskussionen wird nun allerdings i.d.R. der<br />

"Neue Rationalisierungstyp" (Altmann u.a. 1986) mit den "Neuen Produktionskonzepten"<br />

(Kern, Schumann 1984) verglichen <strong>und</strong> nicht der Begriff<br />

systemischer Rationalisierung nach Altmann u.a. mit dem Begriff systemischer<br />

Rationalisierung, wie er von Baethge <strong>und</strong> Oberbeck vertreten wird<br />

(vgl. Wittemann, Wittke 1986 <strong>und</strong> neuerdings Bechtle, Lutz 1989). Dies<br />

Verfahren liegt deshalb nahe, weil<br />

sich - wie noch zu zeigen sein wird - die<br />

19 Von der industriesoziologischen Disziplin weitgehend unbemerkt bzw. gründlich<br />

mißverstanden stellt diese Auseinandersetzung Brandts mit der westdeutschen<br />

Industriesoziologie im allgemeinen <strong>und</strong> dem Subsumtionstheorem im besonderen<br />

einen ersten Wendepunkt seiner theoretischen Entwicklung dar. Übersieht<br />

man dies, so kann man natürlich leicht all die Differenzierungen, die essentiellen<br />

Reformulierungen seiner theoretischen Positionen <strong>und</strong> die Erweiterungen des<br />

Gegenstandsbereichs industriesoziologischer Forschung, die Brandt im Zuge<br />

seiner weiteren Arbeit immer wichtiger wurden, schlicht als Immunisierungsstrategie"<br />

abtun. Man läuft dann allerdings Gefahr, sich gegen das immer noch<br />

nicht ausgeschöpfte Anregungspotential des Subsumtionsansatzes zu immunisieren.<br />

20 Vgl. als ersten Versuch in dieser Richtung: Sauer 1983.<br />

Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />

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Arbeiten von Altmann u.a. wie auch von Kern <strong>und</strong> Schumann weitgehend<br />

auf die Ebene der unmittelbaren Produktion konzentrieren. Die Attraktivität<br />

des im folgenden angestellten Vergleiches ergibt sich für uns nicht<br />

aus der historisch zufälligen, identischen Begriffswahl durch renommierte<br />

Münchner <strong>und</strong> Göttinger Industriesoziologen, sondern vielmehr daraus,<br />

daß an unterschiedlichen Forschungsfragen <strong>und</strong> in unterschiedlichen Forschungsfeldern<br />

empirisch arbeitende Kollegen mindestens an einem Punkt<br />

zu dem selben Resultat gelangt sind: Traditionelle, an Einzelverrichtungen<br />

ansetzende, punktuelle Rationalisierungsstrategien werden zunehmend ineffizient<br />

<strong>und</strong> deshalb tendenziell durch einen neuen Typus kapitalistischer<br />

Rationalisierung ersetzt, der über einzelne Arbeitsplätze sowie über die<br />

Grenzen des einzelnen Betriebs <strong>und</strong> Unternehmens hinausgreift <strong>und</strong> es<br />

aus diesem Gr<strong>und</strong>e verdient, "systemisch" genannt zu werden.<br />

Einigkeit besteht zwischen den verschiedenen Protagonisten systemischer<br />

Rationalisierung zunächst darüber, daß neue Technologien der Informationsverarbeitung<br />

<strong>und</strong> der Daten-Kommunikation die Integration räumlich<br />

<strong>und</strong> zeitlich auseinander liegender Produktionsprozesse sowie deren zeitgleiche<br />

ideelle Abbildung in den der Produktion vor- oder nachgelagerten<br />

Bereichen ermöglichen. Implizit wird damit ein starkes, wenn auch in der<br />

industriesoziologischen Diskussion über systemische Rationalisierung bislang<br />

vernachlässigtes Argument der ersten Frankfurter Computerstudie<br />

aufgenommen, demzufolge EDV-Technologien als Organisationstechnologien<br />

fungieren, die (1) zum Produktionsobjekt in einem organisatorisch<br />

vermittelten Verhältnis stehen, (2) nicht auf Teilvorgänge zugeschnitten<br />

sind, sondern sich auf organisatorische Gesamtzusammenhänge stützen,<br />

(3) deren Funktion nicht in der Produktion selbst besteht, sondern in deren<br />

Steuerung <strong>und</strong> (4) die keine Produktionskapazitäten schaffen, sondern<br />

vorhandene ausnutzen (Brandt u.a. 1978, S. 67 f.).<br />

Beide Ansätze gehen weiterhin davon aus, daß sich, vermittelt über die<br />

neuen I&K-(Informations- <strong>und</strong> Kommunikations-)Technologien für die<br />

Unternehmen Chancen eröffnen, überkommene Formen gesellschaftlicher<br />

Arbeitsteilung zwischen Unternehmen verschiedener Größenordnung,<br />

aber auch zwischen Unternehmen <strong>und</strong> K<strong>und</strong>en zu verändern. Im übrigen<br />

sehen beide Ansätze die systemische Rationalisierung auch als Resultat<br />

neuer strategischer Orientierungen des Managements, die, da traditionelle<br />

Strategien des klassischen Taylorismus <strong>und</strong> Fordismus zunehmend suboptimal<br />

werden, nach längeren <strong>und</strong> gründlichen Analysen des gesamten Ar-<br />

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eitsprozesses "von oben" in das Unternehmen hereingedrückt werden.<br />

"Von oben" meint in diesem Zusammenhang zum einen, daß dem Versuch<br />

systemischer Rationalisierung ein Prozeß jahrelanger Prozeßanalyse vorausgeht,<br />

21<br />

<strong>und</strong> zum anderen, daß systemische Rationalisierung "von der<br />

Organisation des gesamten Funktionsprozesses her, d.h. mit der Perspektive<br />

der Veränderung von komplexen Funktionszusammenhängen <strong>und</strong> der<br />

Realisierung mehrerer Wirkungspotentiale (...) entwickelt <strong>und</strong> durchgesetzt"<br />

wird (Baethge, Oberbeck 1986, S. 23). Hier ist nun eine erste Differenz<br />

der beiden Ansätze festzuhalten. Zwar verläuft der Prozeß der<br />

Durchsetzung systemischer Rationalisierung nach Auffassung der Autoren<br />

im <strong>ISF</strong> keinesfalls bewußtlos, sondern wird durchaus vom Management<br />

geplant. Dennoch haben sie herausgearbeitet, daß sich systemische Rationalisierung<br />

erst ex post, als Summe unterschiedlicher Einzelmaßnahmen<br />

durchsetzt; sie ist damit zunächst das analytische Konstrukt dessen, was<br />

sich gleichsam hinter dem Rücken der Akteure durchgesetzt hat. 22<br />

Indem sowohl Altmann u.a. als auch Baethge <strong>und</strong> Oberbeck den Typus systemischer<br />

Rationalisierung als Ausdruck eines Strukturbruchs interpretieren,<br />

der klassische, punktuell ansetzende <strong>und</strong> auf der Steigerung tayloristischer<br />

Arbeitsteilung beruhende Rationalisierungsstrategien obsolet<br />

werden läßt, unterstellen sie implizit einen Formwandel kapitalistischer<br />

Akkumulation - oder in den Worten der Regulationisten: ein neues Akkumulationsregime<br />

- ohne sich freilich intensiv darum zu bemühen, ihre<br />

anregenden empirischen Bef<strong>und</strong>e mit einer Theorie historischer Veränderungen<br />

innerhalb entwickelter kapitalistischer Gesellschaften in Beziehung<br />

zu setzen. Beim gegenwärtigen Stand der Diskussion wird man zudem den<br />

an der Diskussion beteiligten Kontrahenten den Vorwurf nicht ersparen<br />

21 Beide Positionen erwecken mitunter den Eindruck, als ließen sich Technisierungs-<br />

<strong>und</strong> Rationalisierungsstrategien ohne größere Reibungsverluste durchsetzen,<br />

als wäre die jeweils vorfindbare soziale Realität auch die ehedem "von<br />

oben" intendierte Realität. Sie vernachlässigen damit die insbesondere in der<br />

angelsächsischen labour process debate betonte Dimension des Aushandelns,<br />

des Konfliktes <strong>und</strong> Konsenses, kurz der Mikropolitik in Unternehmen (vgl. Burawoy<br />

1978; 1979). Man kann hier gewisse Parallelen zu zentralen Versäumnissen<br />

der traditionellen Frankfurter Version des Subsumtionstheorems feststellen<br />

(vgl. Baethge, Oberbeck 1986, S. 25; Altmann u.a. 1986 sind da etwas vorsichtiger,<br />

vgl. auch Sauer, Altmann 1989, S. 8; Döhl 1989).<br />

22 Mit Bezug auf die Technisierung verschiedener Abläufe im Unternehmen haben<br />

die Autoren dies im Begriff des "Computerisierungssogs" zusammengefaßt (vgl.<br />

Döhl u.a. 1989, S. 233 ff.; Deiß u.a. 1989).<br />

Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />

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können, bei einer jeweils analytisch gut begründeten Beschreibung neuer<br />

Rationalisierungsstrategien in denjenigen Funktionsbereichen des Unternehmens<br />

stehen geblieben zu sein, die traditionell mit der Bearbeitung des<br />

Nachfrage- <strong>und</strong> des Ineffizienzrisikos betraut sind, der Verwaltung/<br />

Dienstleistung <strong>und</strong> der Produktion.<br />

Beide Ansätze weisen, wie bereits erwähnt, den (neuen) Technologien,<br />

insbesondere EDV-gestützten Technologien, einen hohen Stellenwert zu,<br />

beziehen sich also auf einen in gewisser Hinsicht vergleichbaren Sachverhalt:<br />

den Einsatz von Technologien in Produktion <strong>und</strong> Verwaltung. Die Interpretation<br />

dieses Phänomens kommt nun allerdings zu sehr verschiedenen<br />

Resultaten. Halten die Münchner daran fest, daß der Kern betrieblicher<br />

Strategien sich auf die flexiblenPotentiale von Technik richtet <strong>und</strong><br />

die flexiblen Potentiale der Arbeitskraft strategisch an Bedeutung verlieren,<br />

womit sie eine Trendwende in der Ausrichtung betrieblicher Rationalisierungsstrategie<br />

postulieren, so ist für die Göttinger die systemische Rationalisierung<br />

eine "neue Stufe in der Entwicklung von Büroarbeit", die<br />

"nicht als radikaler Bruch mit bisherigen Organisationsprinzipien" zu werten<br />

ist, sondern als deren "konsequentes Technisieren" zu gelten hat, die<br />

"nun eine neue Dynamik freisetzt" (S. 21)P Dabei stehen die neuen EDVgestützten<br />

Technologien in einer bewährten Tradition der Verwaltungsrationalisierung<br />

<strong>und</strong> sind als vorläufiges Ende einer "säkularen Entwicklung<br />

der zunehmenden Formalisierang <strong>und</strong> Standardisierung gesellschaftlicher<br />

Austauschverhältnisse <strong>und</strong> Verkehrsformen" (ebd.; Hervorhebungen<br />

im Original) anzusehen.<br />

Wenden wir uns nun zunächst der Göttinger Lesart systemischer Rationalisierung<br />

zu. Hier hat man (ähnlich wie auch in <strong>München</strong> - s.u.) erkannt,<br />

daß die Arbeit verschiedener Abteilungen des (Dienstleistungs-)Unter-<br />

23 Damit freilich argumentieren Baethge <strong>und</strong> Oberbeck im Gr<strong>und</strong>e widersprüchlich:<br />

Zum einen wird ein Richtungswechsel in der Arbeitsorganisation behauptet,<br />

der im Abschied vom Taylorismus begründet sein soll, zum anderen<br />

können sie keinen "radikalen Bruch", sondern nur "konsequente Technisierung"<br />

(S. 29) feststellen. Um den wohlmeinenden Leser vollends zu verwirren, wird<br />

dann im folgenden a) der Begriff des Taylorismus für Verwaltungsarbeit generell<br />

als unzutreffend, weil unreflektiert von der Produktion auf diese übertragen,<br />

abgelehnt <strong>und</strong> b) der Begriff partiell für die Phase der sog. Zweiten Computer-<br />

Generation gelten gelassen, allerdings nur für diejenigen Arbeitsplätze, bei<br />

denen der Mensch zum Anhängsel der Maschine geworden ist.<br />

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nehmens durchaus nicht nur auf die Rationalisierung der "Innenwelt" des<br />

Unternehmens gerichtet ist, sondern die Gestaltung der Unternehmens-<br />

Umwelt-Beziehungen mit einschließt. So wird von Baethge <strong>und</strong> Oberbeck<br />

die Verbesserung der Dienstleistungsqualität der Arbeit von Angestellten,<br />

vor allem in bezug auf Marktrepräsentanz, aber auch in bezug auf<br />

Marktantizipation als strategisches Ziel systemischer Rationalisierungskonzepte<br />

vorgestellt.<br />

Die Autoren unterscheiden zwischen primären <strong>und</strong> sek<strong>und</strong>ären Wirkungen<br />

der systemischen Rationalisierung. Die primären Wirkungen systemischer<br />

Rationalisierung sehen sie in einem epochalen Wandel der Kontrollmöglichkeiten<br />

des Managements begründet, das durch die neuen mikroelektronischen<br />

Datenverarbeitungstechnologien nicht nur das Ergebnis<br />

von Arbeitstätigkeiten schneller erfassen, sondern auch den Arbeitsablauf<br />

selbst umfassend dokumentieren kann. Damit wird die Position des einzelnen<br />

Angestellten trotz breiterer Tätigkeitspalette <strong>und</strong> höherer Qualifikation<br />

"unwiderruflich schwächer" (S. 36); in bezug auf die "betriebliche<br />

Position", so Baethge <strong>und</strong> Oberbeck, gebe es "zunächst einmal keine Rationalisierungsgewinner"<br />

(ebd.). Weitere primäre Folgen systemischer Rationalisierung<br />

sind nach Auffassung der Autoren, daß ein wachsendes Angebot<br />

qualifizierter Arbeitskräfte am Markt ins Leere läuft. Ferner verliert<br />

der Dienstleistungssektor endgültig seine Kompensationsfunktion für die<br />

in der unmittelbaren Produktion freigesetzten Arbeitskräfte, weil er aufgr<strong>und</strong><br />

der nunmehr verstärkt einsetzenden Rationalisierungsdynamik zunehmend<br />

selbst Arbeitskräfte freisetzen wird.<br />

Auf längere Sicht gesehen sind jedoch die sek<strong>und</strong>ären Wirkungen systemischer<br />

Rationalisierung in ihrer Relevanz für das Beschäftigungssystem erheblich<br />

höher einzuschätzen. Diese resultieren aus dem sukzessiven Kennenlernen<br />

<strong>und</strong> Ausschöpfen der Potentiale, die in den zur Zeit eingesetzten<br />

EDV-Systemen schlummern (Lernkurve), werden aber erst im nächsten<br />

Jahrzehnt zum Tragen kommen. Unter den sek<strong>und</strong>ären Wirkungen<br />

verstehen Baethge <strong>und</strong> Oberbeck weiter diejenigen Personaleinsparungseffekte,<br />

welche aus der Externalisierung von Projektentwicklungsarbeit,<br />

einer vollständigen Durchsetzung des Kostenstellendenkens <strong>und</strong> einem<br />

flexibilisierten Arbeitseinsatz resultieren. Es scheint uns nicht unwichtig,<br />

darauf hinzuweisen, daß Baethge <strong>und</strong> Oberbeck in diesem Kontext vor allem<br />

auf die quantitativen Effekte systemischer Rationalisierung für das<br />

Beschäftigungssystem abheben, nicht jedoch auf die "internen", qualita-<br />

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tiven Veränderungen der Arbeitssituation selbst. Diese sind nach ihrer<br />

Auffassung von zu vielen kontingenten, externen Faktoren abhängig (z.B.<br />

Akzeptanz bestimmter Telekommunikationstechnologien) <strong>und</strong> daher ex<br />

ante nicht bestimmbar. Neben der internen Dynamik systemischer Rationalisierung<br />

konstatieren Baethge <strong>und</strong> Oberbeck auch eine "Optimierung<br />

der komplexen Unternehmen-Markt-Beziehungen" (S. 39), haben dabei<br />

allerdings lediglich die Angestelltenarbeit im Auge, die mit der Gestaltung<br />

der Zirkulationsbeziehungen des Unternehmens beschäftigt ist. 24<br />

In bezug<br />

auf die Entwicklungsmöglichkeiten <strong>und</strong> Qualifikationsanforderungen der<br />

Angestellten prognostizieren die Autoren eine zweischneidige Entwicklung.<br />

Die Arbeitsplätze im Angestelltenbereich werden, so spitzen sie ihre<br />

Argumentation zu, "in ihrer Mehrheit attraktiv sein", aber "sie werden rar<br />

sein" (S. 35). Einer externen Segmentation -<br />

"Wer in diesen Dienstleitungsunternehmen drin ist, besitzt neben seinem<br />

privilegierten Arbeitsplatz auch relativ günstige Entwicklungschancen. Wer<br />

draußen ist, hat keines von beiden <strong>und</strong> nur eine düstere Zukunftsperspektive"<br />

(S. 44)<br />

korrespondiert unternehmensintern eine Polarisierung in den Qualifikationsanforderungen,<br />

allerdings (verglichen mit dem in der industriesoziologischen<br />

Tradition üblichen Polarisierungsbegriff, vgl. Kern, Schumann<br />

1970) mit umgekehrten Vorzeichen. Entgegen weitverbreiteten Annahmen<br />

über eine umfassende Dequalifizierung geistiger Angestelltenarbeit durch<br />

EDV-gestützte Technologien kommen Baethge <strong>und</strong> Oberbeck zu einer<br />

anderen Prognose: An inhaltlichen Kriterien gemessen werden die Qualifikationsanforderungen<br />

andere sein als die traditionell geforderten; sie<br />

werden durch eine Verbindung von Reaktionsschnelligkeit, Abstraktionsfähigkeit,<br />

Konzentrationsfähigkeit <strong>und</strong> Genauigkeit gekennzeichnet sein.<br />

Damit werden Eigenschaften gefordert, die auch bislang für qualifizierte<br />

24 Immerhin können wir hier eine weitere Bestätigung für unsere These finden,<br />

daß Markt- <strong>und</strong> Produktionsökonomie nicht in der Weise als Gegensatz angesehen<br />

werden können, wie das die traditionellen Versionen des Subsumtionstheorems<br />

taten. Wie insbesondere Kocka am Beispiel der historischen Entwicklung<br />

des Siemens-Konzerns nachgewiesen hat, bilden sich in Unternehmen recht früh<br />

Abteilungen heraus, deren Funktion darin besteht, markt- <strong>und</strong> produktionsökonomische<br />

Anforderungen zu vermitteln (Kocka 1969). Auch aus der organisationstheoretischen<br />

Literatur lassen sich vielfältige Belege für diese These anführen<br />

(vgl. für die amerikanische Entwicklung Chandler 1962; Noble 1977, S. 257<br />

ff.).<br />

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Angestelltenarbeit bedeutsam waren. Der einzelne Sachbearbeiter, der systemunterstützt<br />

ein ungleich größeres Tätigkeitsfeld wird bearbeiten können,<br />

wird zugleich in ein "Netz systemvermittelter Kommunikation <strong>und</strong><br />

Kontrolle" (S. 33) gezwängt, wodurch sich, folgt man Baethge <strong>und</strong> Oberbeck,<br />

die Bedeutung seines Erfahrungswissens erheblich vermindert (S.<br />

64). 25 Die Autoren sehen also das Aufgabengebiet des einzelnen Sachbearbeiters<br />

als erweitert, seine berufliche Autonomie (in technisch gesetzten<br />

Grenzen) gesteigert <strong>und</strong> seine Verantwortung gestärkt, dennoch aber<br />

seine betriebliche Position als geschwächt an.<br />

Fassen wir die Auseinandersetzung mit Baethge/Oberbeck zusammen:<br />

Das "Systemische" im Prozeß systemischer Rationalisierung bleibt in diesem<br />

Kontext wesentlich auf das Subsystem der industriellen Verwaltung,<br />

der Zirkulation, also auf den Bereich der, wenn wir uns einer reichlich antiquiert<br />

anmutenden Ausdrucksweise bedienen dürfen, unproduktiven Arbeit<br />

bezogen. Eine Prozeßanalyse im Sinne einer Analyse des Gesamtprozesses<br />

kapitalistischer Verwertung findet nur in Maßen statt. Andere Unternehmensfunktionen<br />

als die von Baethge <strong>und</strong> Oberbeck untersuchten<br />

Bereiche der industriellen Verwaltung <strong>und</strong> Dienstleistung bleiben trotz des<br />

Verweises auf das systemische neuer Rationalisierungsstrategien ausgeblendet,<br />

die Analyse also letztlich "subsystemisch". Dennoch ist, trotz der<br />

annotierten Vorbehalte, der von den Autoren geleistete Versuch der Bestimmung<br />

neuer Rationalisierungsstrategien im Angestelltenbereich als<br />

"systemisch" für unsere Fragestellung von Interesse, weil hier aufgr<strong>und</strong><br />

empirischer Erfahrungen die neue Qualität von Rationalisierungsstrate-<br />

25 Es ist u.a. dieser Sachverhalt, die Entwertung von Erfahrungswissen durch<br />

Übertragung dieser Wissenselemente auf die Maschine, der in der industriesoziologischen<br />

Diskussion mit "Taylorismus" <strong>und</strong> "Fordismus" assoziiert wird (vgl.<br />

Pries 1988; Jürgens, Malsch, Dohse 1989). Insofern verw<strong>und</strong>ert die schroffe Ablehnung<br />

dieser Begriffe durch Baethge <strong>und</strong> Oberbeck schon, obwohl andererseits<br />

ihre Kritik überzogener Taylorismuskonzepte durchaus überzeugt (vgl.<br />

auch Oberbeck 1987, S. 160 f.). Wichtig ist in diesem Zusammenhang<br />

der Hinweis, daß der Enteignung von "traditionellen" Wissensbeständen regelmäßig<br />

die Aneignung neuer Wissenselemente folgt (Malsch 1987a). Es<br />

bleibt aber die Frage, ob nicht auch ein Formwandel des Taylorismus denkbar<br />

ist, der zwar auf erhöhtem Qualifikationsniveau ansetzt, zugleich aber die durch<br />

die neuen Technologien gegebenen Kontrollpotentiale (wo notwendig) nutzt<br />

<strong>und</strong> die von Braverman als zentral angesehene Trennung von Vorstellung <strong>und</strong><br />

Ausführung auf einer höheren <strong>und</strong> abstrakteren Ebene reproduziert, indem<br />

diese in den Medien der Hard- <strong>und</strong> Software technisch sedimentiert, petrifiziert<br />

<strong>und</strong> durch entsprechende organisatorische Arrangements abgesichert wird.<br />

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gien herausgearbeitet wurde, die nicht an Einzelarbeitsplätzen ansetzen,<br />

sondern sich auf den Arbeitsprozeß als ganzen beziehen.<br />

Wenden wir uns nun den Entwürfen einiger Mitarbeiter des Münchner Instituts<br />

für Sozialwissenschaftliche Forschung (<strong>ISF</strong>) zu, die etwa zur selben<br />

Zeit wie Baethge <strong>und</strong> Oberbeck einen Trend zu systemischen Rationalisierungsstrategien<br />

ausgemacht haben. 26<br />

Analog den in der Organisationstheorie (noch) vorherrschenden Annahmen<br />

des situativen Ansatzes (s. Abschnitt 3.3) gehen auch die Münchner<br />

Vertreter einer These "systemischer" Rationalisierung davon aus, daß die<br />

Unternehmen mit dem "Neuen Rationalisierungstyp" auf starke Veränderungen<br />

in ihrer Umwelt reagieren, die sich knapp mit verschärfter (Weltmarkt-)Konkurrenz<br />

<strong>und</strong> erhöhten Flexibilitätsanforderungen umschreiben<br />

lassen. 27<br />

Allerdings sind die Vertreter des Münchner Ansatzes systemischer Rationalisierung<br />

in bezug auf die Prognose zukünftiger Entwicklungen industrieller<br />

Arbeit sehr viel vorsichtiger als Baethge <strong>und</strong> Oberbeck oder Kern<br />

26 Vgl. Altmann u.a. 1986, nach unserem Wissen immer noch die geschlossenste<br />

Darstellung dessen, was nach Auffassung der Münchner Kollegen unter dem<br />

"Neuen Rationalisierungstyp" zu verstehen ist. Neuere Veröffentlichungen konzentrieren<br />

sich meist auf bestimmte Einzelaspekte systemischer Rationalisierung,<br />

beispielsweise auf die Abnehmer-Zulieferer-Problematik (vgl. die Beiträge<br />

von Döhl <strong>und</strong> Deiß sowie von Sauer, Altmann in Altmann, Sauer 1989), auf die<br />

Probleme betrieblicher Interessenvertretung (vgl. Sauer 1989; Deiß 1988) <strong>und</strong><br />

auf die Prozesse der Technikselektion in Unternehmen (Döhl 1989). Eine überarbeitete<br />

Fassung des Begriffs systemischer Rationalisierung, die insbesondere<br />

auch die Frage der Technikgenese angemessen berücksichtigt, findet sich in<br />

Sauer u.a. 1992, mit Bezug auf die arbeitsteilige Entwicklung neuer Produkte in<br />

der Automobilindustrie in Bieber, Sauer 1991.<br />

27 Es kann vermutet werden, daß der neue Rationalisierungstyp sich neben diesen<br />

der Umwelt zuzuordnenden Anforderungen auch dem Umstand verdankt, daß<br />

in der Tradition fordistisch-tayloristischer Rationalisierung stehende Strategien<br />

einer "Vermehrung des Immergleichen" (Beck 1988), im Sinne einer Vertiefung<br />

der Arbeitsteilung bei Verschärfung der Trennung von Ausführung <strong>und</strong> Vorstellung,<br />

einer Standardisierung von Arbeitsvöllzügen bei Durchplanung sämtlicher<br />

Produktionsstufen, einer Steigerung der Kontrolle der Beschäftigten bei<br />

verschärfter Wissensenteignung <strong>und</strong> breiter Dequalifizierung nicht mehr tragen.<br />

Darüber herrscht in der gesamten Industriesoziologie im Gr<strong>und</strong>e Einigkeit. Die<br />

kontrovers diskutierte Frage ist, aufgr<strong>und</strong> welcher Ursachen <strong>und</strong> mit welchen<br />

Folgen dieser Zusammenbruch ehemals erfolgreicher Strategien erfolgt.<br />

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<strong>und</strong> Schumann (vgl. Bechtle, Lutz 1989): Sehen letztere den Zug der Zeit<br />

eindeutig in Richtung einer umfassenden "Rehabilitierung" der (verbliebenen)<br />

Produktions- bzw. Dienstleistungsarbeit im Sinne eines "Endes der<br />

Arbeitsteilung" abfahren (allerdings bei verschärfter externer Segmentation),<br />

so sind Altmann u.a. in bezug auf die Folgen systemischer Rationalisierungsstrategien<br />

für die Beschäftigten erheblich skeptischer. Dabei legen<br />

sie sich freilich nicht auf eine Position fest, derzufolge der neue Rationalisierungstyp<br />

nur eine Verschärfung der problematischen Entwicklungen<br />

darstellt, die aus der Geschichte der Rationalisierung nur allzu gut bekannt<br />

sind. Vielmehr betonen sie, daß der neue Typus von Rationalisierung<br />

- mindestens auf der strategischen Ebene - gleichsam in Dimensionen<br />

vorstößt, die mit traditionellen industriesoziologischen Erklärungsversuchen<br />

kaum mehr zu begreifen sind (vgl. Altmann u.a. 1986, S. 194 ff., S.<br />

201 ff.).<br />

Zunächst verweist der am <strong>ISF</strong> vertretene Begriff systemischer Rationalisierung<br />

auf drei Dimensionen der Rationalisierung, die bislang in sozialwissenschaftlichen<br />

Untersuchungen bestenfalls am Rande angesprochen<br />

wurden. So wird - in Übereinstimmung mit Baethge <strong>und</strong> Oberbeck - (erstens)<br />

der primär gesamtsystembezogene Ansatz systemischer Rationalisierung<br />

thematisiert, der darauf gerichtet ist, "betriebliche Teilprozesse<br />

zunächst in datentechnischen Dimensionen zu erfassen, organisatorisch<br />

neu zu ordnen <strong>und</strong> letztlich datentechnisch zu vernetzen" (ebd., S. 191).<br />

Nicht der einzelne Arbeitsschritt ist die Zielgröße von Rationalisierungsstrategien,<br />

sondern der gesamte Produktionsprozeß bzw. darüber hinaus<br />

der gesamte Prozeß der Kapitalverwertung (vom Kauf von Rohmaterialien<br />

<strong>und</strong> Zulieferprodukten bis hin zum Verkauf der Waren <strong>und</strong> den sich daran<br />

anschließenden Rückkopplungseffekten; vgl. etwa Deiß u.a. 1989).<br />

Erheblich stärker als bei Baethge <strong>und</strong> Oberbeck werden (zweitens) die<br />

Wirkungen des neuen Rationalisierungtyps auf zwischenbetriebliche Zusammenhänge<br />

herausgearbeitet. Dies schließt beispielsweise eine gr<strong>und</strong>legende<br />

Neustrukturierung der Abnehmer-Zulieferer-Beziehung ein, die<br />

von einer Verringerung der Fertigungstiefe beim Abnehmer bis hin zu<br />

neuen Anforderungen an die FuE, die Qualitätssicherung <strong>und</strong> die Logistik<br />

der Zulieferunternehmen reichen können (vgl. auch Bieber, Sauer 1991).<br />

Kennzeichnend ist in dieser Perspektive jedoch die über den eigenen (Abnehmer-)Betrieb<br />

hinausweisende Perspektive der technisch-organisatori-<br />

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schen Anbindung fremder Unternehmenseinheiten. "Autonomie des Betriebs"<br />

(Altmann, Bechtle 1971) stellt sich in dieser Perspektive nicht mehr<br />

allein über die Gestaltung des eigenen Produktionsprozesses her, sondern<br />

schließt die (strategische Entscheidung über die) Gestaltung der Außengrenzen<br />

des Betriebs ein. Damit wird es möglich, einen bislang modernisierungs-<br />

<strong>und</strong> kapitalismustheoretisch ausgeschlossenen, inzwischen aber<br />

"real existierenden" Sachverhalt zu erörtern: das Paradox nämlich, daß<br />

Unternehmen ihre Profitabilität durch das Abschmelzen des eigenen Produktionsprogramms<br />

erhöhen <strong>und</strong> nicht, wie in der ökonomischen Theorie<br />

bislang vorwiegend diskutiert, im Zuge horizontaler oder vertikaler Integration<br />

ausbauen.<br />

Schließlich richten sich (drittens), so Altmann u.a., Strategien der systemischen<br />

Rationalisierung primär auf die "flexiblen/elastischen Potentiale von<br />

Technik". Damit geht ein zunehmender Bedeutungsverlust von Arbeitskraft<br />

als elastischer Potenz im Produktionsprozeß einher, ohne daß Altmann<br />

u.a. deshalb der Arbeitskraft jegliche Relevanz absprechen - vor allem<br />

während den Implementationsphasen neuer Technologien wird ihrer<br />

Auffassung zufolge noch qualifizierte Arbeitskraft gebraucht (Sauer 1987,<br />

S. 148). Insbesondere diese dritte These steht in krassem Widerspruch zu<br />

dem Szenario künftiger Industriearbeit, wie es beispielsweise von Kern<br />

<strong>und</strong> Schumann oder Piore <strong>und</strong> Sabel entwickelt wurde. Die Autoren vertreten<br />

allerdings nicht die sog. "Restarbeitsthese", die ein zentrales Moment<br />

des Frankfurter Subsumtionstheorems darstellt. Diese Restarbeitsthese<br />

besagt extrem verkürzt, daß das Kapital aus prinzipiellen Gründen<br />

der Arbeitskraft mißtraut (Transformationsproblem) <strong>und</strong> deshalb mit<br />

Macht die menschenleere Fabrik anstrebt - weshalb notwendige Konsequenz<br />

jeder Rationalisierung eine umfassende Verminderung der Zahl der<br />

Beschäftigten im Produktionsprozeß bei einschneidender Entqualifizierung<br />

ist. Altmann u.a. weisen dagegen darauf hin, daß in den Rationalisierungsstrategien<br />

der Unternehmen zukünftig die menschliche Arbeitskraft<br />

als Bezugspunkt, d.h. als strategischer Ansatzpunkt von Rationalisierung,<br />

an Bedeutung verHeren wird <strong>und</strong> Personalkosteneinsparungseffekte - womit<br />

sie sich übrigens in Übereinstimmung mit Baetghe <strong>und</strong> Oberbeck befinden<br />

- von den Unternehmen "mitgenommen" werden, nicht aber primäres<br />

Rationalisierungsziel sind. Dies liegt auch (<strong>und</strong> vor allem?) daran, daß<br />

die materielle Gestalt moderner Organisationstechnologien selbst "systemisch"<br />

zu sein scheint (I&K-Technologien). Vorrangiges Interesse an Ra-<br />

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tionalisierung ist dieser Interpretation zufolge, die Gesamtverfügbarkeit<br />

des Systems (über Prozeß- <strong>und</strong> Unternehmensgrenzen hinweg) zu erhöhen.<br />

Zusammengenommen ergeben die drei wesentlichen strategischen Stoßrichtungen<br />

des neuen Rationalisierungstyps insofern eine neue Qualität,<br />

als sie es dem Management erlauben, die externe Unternehmensumwelt in<br />

das Kalkül avancierter Strategien zur Minimierung von Ineffizienz- <strong>und</strong><br />

Nachfragerisiken einzubeziehen. Insbesondere für das Verhältnis kleiner<br />

zu großen Unternehmen bzw. für das Verhältnis zwischen Zulieferer- <strong>und</strong><br />

Abnehmerunternehmen ergeben sich unter der Perspektive systemischer<br />

Rationalisierung weitreichende Veränderungen, die dahin tendieren,<br />

durch rigoroses Setzen auf die Marktkräfte die Zahl der Marktteilnehmer<br />

zu verringern. Diese Prozesse wiederum haben vielfältige Auswirkungen<br />

auf die Beschäftigten, die sich unter dem Vorzeichen systemischer Rationalisierung<br />

nicht der isolierten (intraorganisatorischen) Rationalisierungsstrategie<br />

eines Unternehmens verdanken, sondern dem interorganisatorischen<br />

Netzwerk (mit den Großunternehmen als entsprechenden Zentren),<br />

in das das Einzelunternehmen "eingebettet" ist. Das gilt nicht nur für neue<br />

Anforderungen in bezug auf die unmittelbare Produktion oder unmittelbar<br />

mit dieser verb<strong>und</strong>ene Bereiche (Qualitätssicherung, Logistik), sondern<br />

auch (<strong>und</strong> gerade) für den an Relevanz gewinnenden Bereich der Erzeugung<br />

neuer Produkt- <strong>und</strong> Prozeßtechnologien. Dieser Bereich stand allerdings<br />

in den Münchner Arbeiten zur systemischen Rationalisierung bislang<br />

nicht im Mittelpunkt; Technikgeneseforschung wurde hier vorwiegend unter<br />

dem Gesichtspunkt des Verhältnisses von Herstellern <strong>und</strong> Anwendern<br />

betrieben (vgl. etwa Deiß u.a. 1990; Döhl 1989).<br />

In bezug auf die durchschnittliche Qualifikationsentwicklung kommen<br />

Altmann u.a. allerdings zu gänzlich anderen Resultaten als Baethge <strong>und</strong><br />

Oberbeck. Da die Unternehmen verstärkt auf die elastische Potenz von<br />

Technik setzten, komme der qualifizierten menschlichen Arbeit nur in Implementationsphasen<br />

neuer Technologien <strong>und</strong> an wenigen Schlüsselarbeitsplätzen<br />

eine zentrale Rolle zu. Daraus, wie auch aus der Perspektive,<br />

daß der einzelne Arbeitsplatz nur im Verhältnis zum gesamten Produktionssystem<br />

gesehen wird, resultiert eine insgesamt schwächere Position der<br />

Arbeitskraft gegenüber dem Management. Vielleicht ist dies der Punkt,<br />

um ein Defizit der gängigen Industriesoziologie anzusprechen. Die die in-<br />

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dustriesoziologische Diskussion beherrschende Fragestellung, ob kapitalistische<br />

Rationalisierung "in der Haupttendenz" dequalifizierende <strong>und</strong> degradierende<br />

Wirkungen beinhalte oder ob nicht für die Arbeitskräfte,<br />

mindestens für die "Rationalisierungsgewinner", neue, bessere Zeiten anbrechen,<br />

scheint uns in der Schärfe, mit der die alternativen Entwicklungspfade<br />

industrieller Arbeit gegeneinander gestellt werden, nicht fruchtbar<br />

zu sein. Zum einen wird nämlich häufig unvergleichbares gemessen, zum<br />

anderen reicht die Rekonstruktion der Qualifikationssituation nicht zur<br />

Beschreibung der Lage der Arbeitenden aus (vgl. Schmiede 1987;<br />

Türk 1985). Für das Konzept der "systemischen Rationalisierung", wie es<br />

von Altmann u.a. in Gr<strong>und</strong>zügen entwickelt worden ist, ist eine breite leistungspolitische<br />

Nutzung der Arbeitskraft denkbar, ohne daß die strategische<br />

Präferenz der Unternehmen für die "Technik als elastisches Potential"<br />

in Frage gestellt werden müßte. Diese breite Nutzung der Arbeitskraft<br />

wiederum muß nicht notwendig mit einer allgemeinen Erhöhung der<br />

abgeforderten Qualifikationsprofile verb<strong>und</strong>en sein.<br />

Unseres Erachtens ist an Altmann u.a. nicht zu kritisieren, daß sie keinen<br />

aus der Systemtheorie oder aus anderen theoretischen Verweisungszusammenhängen<br />

hergeleiteten Systembegriff haben, 28<br />

sondern daß sie die<br />

in dem Begriff des "Systemischen" angelegten Möglichkeiten in bezug auf<br />

empirische Fragestellungen <strong>und</strong> analytische Konzepte nicht umfassend<br />

ausschöpfen. Zwar ist in der Redeweise vom "Systemischen" implizit angelegt,<br />

daß die organisatorisch <strong>und</strong> technologisch gestützte Integration<br />

bislang unterschiedlicher Aufgabenstellungen neue Rationalisierungspotentiale<br />

eröffnet. Dieser Gedanke wird aber in zweierlei Hinsicht nicht zu<br />

Ende gedacht.<br />

Zum einen wird weiterhin der Produktionsprozeß, <strong>und</strong> zwar - so zumindest<br />

unser Eindruck - in seiner materiellen Gestalt, als das Zentrum der<br />

28 Um es deutlich zu sagen: Die immer wieder vorgetragene Kritik, die unterschiedlichen<br />

Positionen, die mit dem Begriff der "systemischen Rationalisierung"<br />

arbeiten, verfügten nicht über einen systemtheoretisch ausgearbeiteten "Systembegriff"<br />

(vgl. Faber, Wehrsig 1989, S. 3 ff.), kann insofern nicht überzeugen, als<br />

die angegriffenen Autoren nicht vorhaben, sich innerhalb des systemtheoretischen<br />

Sprachspiels zu verorten, sondern den Systembegriff erkennbar ausschließlich<br />

auf analytischer Ebene verwenden.<br />

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Analyse, als ausschließliches Zentrum der Kapitalverwertung angesehen. 29<br />

Anregungen, wie sie etwa von Sauer während seines Beitrags auf dem<br />

Hamburger Soziologentag gegeben wurden (Sauer 1987), werden nicht<br />

(oder nur sehr verkürzt) aufgenommen. Sauer hatte u.a. darauf hingewiesen,<br />

daß "betriebliche Teilbereiche (z.B. Organisations- <strong>und</strong> Finanzabteilungen,<br />

Controlling), die auf abstraktere Verwertungszwecke ausgerichtet<br />

sind, eine zunehmend wichtigere Rolle erhalten" (ebd., S. 149), während<br />

umgekehrt "noch stofflich geprägte betriebliche Teilbereiche (vor allem<br />

Funktionen in der unmittelbaren Fertigung) an Bedeutung verHeren"<br />

(ebd.). Trotzdem wird weiterhin die Vorstellung genährt, veränderte Umweltanforderungen,<br />

die man im Anschluß an Child als größeres Ineffizienz-<br />

<strong>und</strong> Nachfragerisiko fassen kann <strong>und</strong> die von Altmann u.a. als erhöhter<br />

Ökonomisierungs- <strong>und</strong> Flexibilisierungsdruck umschrieben werden,<br />

ließen sich vor allem durch den Einsatz neuer Technologien <strong>und</strong> neuer<br />

Organisationstrukturen in der Fertigung begegnen.<br />

Zum anderen teilt der Münchner Ansatz systemischer Rationalisierung<br />

eine zentrale Schwäche der westdeutschen Industriesoziologie, 30 indem er<br />

durch die eben beschriebene Konzentration der analytischen <strong>und</strong> empirischen<br />

Anstrengungen auf den unmittelbaren Produktionsprozeß den Bereich<br />

der Entwicklung neuer (Produkt- <strong>und</strong> Prozeß-)Technologien ver-<br />

29 Nach unserer Auffassung muß sich die Industriesoziologie angesichts umfassender<br />

Strukturveränderungen in fortgeschrittenen Industriegesellschaften von der<br />

überkommenen Gleichsetzung von "produktiver" <strong>und</strong> "materieller" Arbeit lösen.<br />

Theoretisch war diese Ineinssetzung je schon fragwürdig, aber sie hatte immerhin<br />

empirisch einiges für sich. Diese Plausibilität geht nun vollends verloren, da<br />

die entwickelten kapitalistischen Gesellschaften sich zwar nicht in "Dienstleistungsgesellschaften"<br />

verwandeln, aber sich die industrielle Sozialstruktur doch<br />

einschneidend zugunsten des sogenannten tertiären Sektors <strong>und</strong> in Richtung auf<br />

einen "technologischen Kapitalismus" verändert.<br />

30 Damit soll nicht bestritten werden, daß die Entwicklung neuer Prozeßtechnologien<br />

<strong>und</strong> die Beziehungen zwischen Herstellern <strong>und</strong> Anwendern derselben seit<br />

Jahren einen Schwerpunkt der Arbeiten des Münchner <strong>ISF</strong> darstellen (vgl. etwa<br />

Deiß u.a. 1989; Döhl 1989; Hirsch-Kreinsen 1989; Deiß u.a. 1990; Deiß, Hirsch-<br />

Kreinsen 1992). In diesen Arbeiten wird aber übersehen, daß aufgr<strong>und</strong> der gestiegenen<br />

Bedeutung der Entwicklung neuer Produkt- <strong>und</strong> Prozeßtechnologien -<br />

insbesondere in der verwissenschaftlichten Industrie - "die Technik" von einer<br />

Kontextbedingung zu einem zentralen Parameter der Unternehmensstrategie<br />

aufrückt, wie auch die damit verb<strong>und</strong>ene Restrukturierung der gesamten <strong>Unternehmensorganisation</strong><br />

nicht die ihr zukommende Aufmerksamkeit erfährt.<br />

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nachlässigt. Trotz des Hervorhebens der Tendenz einer zunehmenden<br />

strategischen Forcierung der elastischen Potentiale der Technik bleibt die<br />

Perspektive insofern traditionell, als vor allem die Folgen des Einsatzes<br />

neuer Technologien im Mittelpunkt des Forschungsinteresses stehen, nicht<br />

aber die Prozesse der Erzeugung dieser Technologien selbst. So recht also<br />

die Autoren u.E. haben, wenn sie hervorheben, daß die Unternehmen zunehmend<br />

stärker auf die flexiblen Potentiale der Technik denn auf die der<br />

Arbeitskraft setzen, so wenig reizen sie das in dieser These liegende Potential<br />

aus. Der strategische Bezug auf Technik im Prozeß systemischer<br />

Rationalisierung geht nämlich erheblich weiter, als Altmann u.a. (bislang<br />

zumindest) meinen. So genießt im Top-Management der Prozeß der Entwicklung<br />

neuer Technologien eine sehr hohe Priorität, weil nur die Entwicklung<br />

neuer Produkte <strong>und</strong> Verfahren erlaubt, den gestiegenen Anforderungen<br />

an Flexibilität <strong>und</strong> Ökonomisierung zu genügen. Dies gilt vor<br />

allem dann, wenn - wie etwa in der Elektro- <strong>und</strong> Elektronikindustrie - inkrementale<br />

wie radikale Innovationen einen hohen Einsatz wissenschaftlich-technischen<br />

Wissens erfordern <strong>und</strong> Produkt- <strong>und</strong> Prozeßinnovationen<br />

simultan vorangetrieben werden müssen.<br />

Die bislang nicht weiter getriebene Analyse der Erzeugungsprozesse neuer<br />

Technologien bei Altmann u.a. ist um so bedauerlicher, als, wie wir hoffen<br />

im folgenden zeigen zu können, der Prozeß wissenschaftlich-technischer<br />

Innovation im Zeichen verkürzter Produktlebenszyklen mindestens in<br />

zwei, wenn nicht drei Dimensionen strukturanalog der von Altmann u.a.<br />

für den Bereich der materiellen Produktion entwickelten Logik systemischer<br />

Rationalisierung verläuft (ohne daß wir die Differenzen dieser<br />

höchst unterschiedlichen "Produktionsprozesse" (in Sohn-Rethelscher Diktion:<br />

Hand- <strong>und</strong> Kopfarbeit) für irrelevant halten würden - s.u.). Um diese<br />

Strukturanalogie wenigstens anzudeuten: Zu vermuten ist immerhin (erstens),<br />

daß die Versuche einer Rationalisierung des Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungsbereichs<br />

früher als im Bereich der materiellen Produktion auf<br />

den gesamten FuE-Prozeß <strong>und</strong> nicht auf einzelne Teile desselben bezogen<br />

waren, weil sich auch im Verständnis des (Forschungs-)Managements die<br />

Prozesse geistiger Arbeit nur unter Berücksichtigung ihres prozeßhaften<br />

Charakters rationalisieren lassen.<br />

Daneben (zweitens) wurde <strong>und</strong> wird zunehmend - insbesondere in hochriskanten<br />

"Technologiefeldern" - eine das einzelne Unternehmen über-<br />

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greifende Kooperation bei der Produkt- <strong>und</strong> Prozeßinnovation zur vorherrschenden<br />

Strategie - nicht nur, aber vor allem in der Elektroindustrie<br />

(s. Kapitel 9). Dieser Trend geht einher mit einer starken Internationalisierung<br />

von Forschung <strong>und</strong> Entwicklung. Und (drittens) schließlich scheint<br />

gerade in der Produktentwicklung der "Technikbezug" stark an Boden zu<br />

gewinnen (CAD, FEM etc.). 31<br />

Seit Erscheinen des Aufsatzes zum "Neuen Rationalisierungstyp" in der<br />

"Sozialen Welt" 1986 haben sich Altmann u.a. um eine Präzisierung verschiedener<br />

Kategorien ihres analytischen Konzepts bemüht. Ihre Überlegungen<br />

kreisen dabei primär um das Moment des strategischen Einbezugs<br />

der Unternehmensumwelt in die Rationalisierungsstrategie (vor allem)<br />

großer Unternehmen. Hierbei steht das veränderte Verhältnis der Großunternehmen<br />

zu ihren Zulieferern im Vordergr<strong>und</strong> (vgl. Altmann, Sauer<br />

1989; Deiß, Döhl 1992). In diesem Zusammenhang haben nun auch die<br />

Begriffe der systemischen <strong>und</strong> der integrativen Rationalisierung, die ursprünglich<br />

synonym gebraucht worden waren, eine nicht unerhebliche Differenzierung<br />

erfahren. Diese soll im folgenden kurz rekonstruiert werden,<br />

um dann in einem zweiten Schritt eine Erweiterung des Begriffs vorzuschlagen,<br />

die nach unserer Meinung einen produktiveren Umgang mit diesen<br />

Begriffen ermöglicht.<br />

Fassen wir jedoch zunächst unsere Würdigung des Münchner Ansatzes zusammen.<br />

Die Betonung der integrierenden <strong>und</strong> traditionelle Grenzziehungen<br />

transzendierenden Wirkung systemischer Rationalisierungskonzepte<br />

kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß das Zentrum der Überlegungen<br />

der unmittelbare Produktionsprozeß, daß das systemische auf das Subsystem<br />

der Produktion, auf einen traditionellen Begriff "produktiver Arbeit"<br />

bezogen bleibt <strong>und</strong> diese noch immer das geheime Zentrum der Analyse<br />

des "Systems Unternehmen" oder gar des "Systems Betrieb" 32<br />

darstellt.<br />

Das steht in einem gewissen Gegensatz zu Überlegungen, wie sie von Alt-<br />

31 "Apparatebezug der Wissenschaften <strong>und</strong> Verwissenschaftlichung der Technologie"<br />

(vgl. Hack, Hack 1985, S. 599 ff.).<br />

32 Auf den impliziten Widerspruch zwischen einem Konstatieren des Voranschreitens<br />

systemischer Rationalisierungsstrategien einerseits <strong>und</strong> dem Festhalten<br />

am überkommenen Betriebsbegriff des Münchner Ansatzes betrieblicher<br />

Autonomiestrategien andererseits haben wir bereits hingewiesen (vgl. Pohlmann<br />

1989; vgl. auch Hessinger 1988, S. 246 ff.).<br />

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mann u.a. (1986), vor allem aber von Sauer (1987) angestellt wurden. Immerhin,<br />

<strong>und</strong> dies soll hier noch einmal nachdrücklich festgehalten werden,<br />

kann man innerhalb des Münchner Ansatzes eher als im Göttinger Ansatz<br />

systemischer Rationalisierung theoretisch, aber auch empirisch den heutigen<br />

Stand der "Produktionsmodernisierung" (vgl. Pries, Schmidt, Trinczek<br />

1989) diskutieren. Dieser besteht wohl darin, daß Rationalisierungsmaßnahmen<br />

auf der Ebene der materiellen Produktion nicht ohne Bezug auf<br />

Bereiche außerhalb derselben durchgeführt werden. Man kann den im Zusammenhang<br />

des Münchner Ansatzes vorgelegten Arbeiten immerhin den<br />

Hinweis entnehmen, daß die Diskussion verschiedenster Formen <strong>und</strong><br />

Wirkungen von Rationalisierung ohne den Rekurs auf Funktionen, die<br />

außerhalb der traditionell von der Industriesoziologie untersuchten Bereiche<br />

liegen, defizitär wird (vgl. insbesondere Altmann, Sauer 1989).<br />

Ähnlich früheren Veröffentlichungen aus dem Kontext unseres Projekts<br />

(Bieber, Möll 1988) operieren auch Altmann u.a. mit dem Begriff der "integrativen<br />

Rationalisierung". Es scheint uns daher sinnvoll zu sein, kurz<br />

auf die Verwendung der Begriffe systemischer <strong>und</strong> integrativer Rationalisierung<br />

am Münchner <strong>ISF</strong> einzugehen. Folgt man den Erläuterungen von<br />

Sauer <strong>und</strong> Altmann, so ist "systemische" Rationalisierung nicht Ausfluß<br />

bewußter Planung, sondern setzt sich gleichsam hinter dem Rücken der<br />

Akteure durch:<br />

"Wir verwenden den Begriff 'systemisch' zur Bezeichnung eines objektiven<br />

Sachverhalts, der auf (noch) nicht identifizierte <strong>und</strong>/oder potentiell angelegte<br />

Wirkungszusammenhänge verweist. Gemeint ist damit also keineswegs,<br />

daß eine solche Rationalisierung durchgreifend (<strong>und</strong> systematisch!)<br />

geplant ist, aber daß sie letztlich auf alle Teilprozesse des gesamt- <strong>und</strong><br />

überbetrieblichen Ablaufes einwirkt" (Sauer, Altmann 1989, S. 8).<br />

Damit soll nun keineswegs behauptet werden, daß systemische Rationalisierung<br />

ein nicht-intendiertes Resultat von strategischen Entscheidungen<br />

des Managements sei. Vielmehr verwahren sich die Autoren gegen ein<br />

Verständnis systemischer Rationalisierung, demzufolge die soziale Realität<br />

ohne Abstriche Resultat der Entscheidungen allmächtiger Manager sei,<br />

die ihre Interessen <strong>und</strong> Strategien durchsetzen können, ohne irgendwo auf<br />

limitierende Faktoren zu stoßen. Sie wenden sich also gegen eine allzu<br />

stromlinienförmige Interpretation systemischer Rationalisierung, wie sie<br />

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eispielsweise von Baethge <strong>und</strong> Oberbeck 33<br />

vorgelegt worden ist, die aber<br />

auch im ersten Aufsatz zum neuen Rationalisierungstyp der Münchner<br />

durchaus noch nahegelegt wurde. Wie dem auch sei, gegen die systemische<br />

setzen die Autoren die integrative Rationalisierung ab:<br />

"Konkrete Rationalisierungspolitiken, die intentional auf solche Verknüpfungen<br />

(d.h. systemische Rationalisierung - DB/GM) angelegt sind, bezeichnen<br />

wir im allgemeinen als "integrativ" orientiert, entsprechende konkrete<br />

Maßnahmen als integrative Rationalisierung" (Sauer, Altmann 1989,<br />

S. 8).<br />

Die "integrative" Rationalisierung ist demzufolge der "systemischen" strukturell<br />

vorgeordnet, die integrative tendiert also zu einem Übergang in die<br />

systemische Rationalisierung. Damit ergibt sich aber das bislang nicht befriedigend<br />

gelöste Problem, wie man präzise systemische von integrativer<br />

Rationalisierung unterscheidet.<br />

Stellt man die vorgängige Beschränkung der industriesoziologischen<br />

Sichtweise auf den materiellen Produktionsprozeß in Rechnung, so scheint<br />

das Konzept systemischer Rationalisierung ein sinnvolles Instrument zur<br />

Erfassung <strong>und</strong> Beschreibung neuer Rationalisierungsstrategien zu sein, die<br />

sich nicht länger durch Rekurs auf einen eng begrenzten Bereich des Betriebs<br />

resp. des Unternehmens erfassen lassen. Angesichts tiefgreifender<br />

Verwerfungen in der industriellen Sozialstruktur, die bislang nur in Ansätzen<br />

Gegenstand der Forschung sind (vgl. Bechtle, Lutz 1989; Hack, Hack<br />

1986), erscheint uns allerdings eine umfangslogische Erweiterung der Be-<br />

33 "Systemische Rationalisierungsprozesse sind dadurch gekennzeichnet, daß unter<br />

Nutzung neuer, mikroelektronisch basierter Datenverarbeitungs- <strong>und</strong> Kommunikationstechnik<br />

der betriebliche <strong>und</strong> überbetriebliche Informationsfluß, die<br />

Kommunikation über <strong>und</strong> die Kombination von Daten, die Organisation der<br />

Betriebsabläufe <strong>und</strong> die Steuerung der unterschiedlichen Funktionsbereiche in<br />

einer Verwaltung bzw. in einem Unternehmen in einem Zug neu gestaltet werden<br />

(Baethge, Oberbeck 1986, S. 22; Hervorhebungen im Original). "Natürlich<br />

stellen die Entwicklungen auf dem Gebiet der Datenverarbeitungs- <strong>und</strong> Kommunikationstechnik<br />

die technische Basis für systemische Rationalisierungsprozesse<br />

dar, mit ihrer Verfügbarkeit wird allerdings nicht schon ein fertiges Konzept<br />

zur Veränderung von Ablaufstrukturen <strong>und</strong> Bearbeitungsformen gesetzt.<br />

Solche Konzepte werden erst in einem (...) Prozeß systematischer Planung <strong>und</strong><br />

Vorbereitung entwickelt, wobei Entscheidungen über die je spezifische Nutzungsform<br />

der Technik ... getroffen werden" (ebd., S. 25; Hervorhebungen von<br />

uns - DB/GM).<br />

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griffe der systemischen <strong>und</strong> der integrativen Rationalisierung sinnvoll. Wir<br />

haben bereits darauf hingewiesen, daß der zentrale Stellenwert systemischer<br />

Rationalisierung nicht nur im Transzendieren von Betriebs- <strong>und</strong> Unternehmensgrenzen<br />

zu sehen ist, sondern auch (<strong>und</strong> nach unserer Auffassung<br />

vorrangig!) im Hinausgreifen über die Ebene der unmittelbaren Produktion<br />

in Richtung auf die innovativen Abteilungen des Unternehmens.<br />

Aus diesem Gr<strong>und</strong>e mag es um der begrifflichen Klarheit willen sinnvoll<br />

sein, den Begriff der systemischen Rationalisierung nicht länger auf den<br />

Bereich der materiellen Produktion zu beschränken, sondern ihn auch auf<br />

diejenigen Rationalisierungsbestrebungen auszuweiten, die auf die Einbeziehung<br />

anderer betrieblicher Funktionen bzw. anderer Bereiche des Unternehmens<br />

mittels neuartiger, integrativer organisatorischer Arrangements<br />

abzielen. 34<br />

Implizit ist damit allerdings unterstellt, daß die systemische Rationalisierung,<br />

so wie sie von Altmann u.a. analysiert wird, nur dann greift, wenn sie<br />

auch auf die Organisationsstrukturen zwischen <strong>und</strong> innerhalb von Unternehmen<br />

bezogen wird. Man hätte dann in Rechnung zu stellen, daß die systemische<br />

Rationalisierung des unmittelbaren Produktionsprozesses nur<br />

ein Moment übergreifender Rationalisierungsstrategien ist, die entwickelt<br />

wurden, um bislang brachliegende Rationalisierungsreserven (wie z.B. die<br />

schnellere <strong>und</strong> kostengünstigere Umsetzung von FuE in konkrete Produkte,<br />

wie die Gestaltung der zwischenbetrieblichen Arbeitsteilung auch<br />

oberhalb der Ebene der materiellen Produktion etc.) zu erschließen.<br />

Unsere These, daß die vorliegenden Entwürfe systemischer Rationalisierung<br />

der industriellen Wirklichkeit insofern nicht gerecht werden, als sie<br />

den Bereich der Erzeugung neuer Technologien <strong>und</strong> dessen Relevanz für<br />

34 Altmann u.a. argumentieren, man ist geneigt zu sagen: wider bessere Einsicht<br />

(vgl. Altmann u.a. 1986, S. 196), stets unter Bezugnahme auf die analytische Dimension<br />

des Einzelbetriebs. Gerade die systemische Rationalisierung in ihren<br />

betriebs-, vor allem aber unternehmensübergreifenden Dimensionen relativiert<br />

aber entscheidend die Zentralität des Einzelbetriebs als Ort der Vermittlung gesellschaftlicher<br />

Anforderungen <strong>und</strong> privater Interessen an Mehrwertproduktion<br />

(so noch Altmann, Bechtle 1971; Bechtle 1980). Darauf verweist auf empirischer<br />

Ebene das im gleichen Hause entwickelte Konzept der "simulierten Fabrik",<br />

ohne daß daraus allerdings entsprechende theoretische Schlußfolgerungen gezogen<br />

würden (vgl. Düll, Bechtle 1988). Es bleibt im übrigen weitgehend offen, in<br />

welchem Verhältnis der neue Ansatz des neuen Rationalisierungstyps zum "alten"<br />

Münchner Betriebsansatz steht.<br />

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die Unternehmensstrategie nahezu vollkommen ausblenden, läßt sich am<br />

Beispiel der Reorganisation des deutschen Teils eines multinationalen<br />

Konzerns der Elektrotechnik recht anschaulich belegen. Düll <strong>und</strong><br />

Bechtle 35<br />

(1988) haben unlängst dargestellt, wie im Bereich der Elektronikindustrie<br />

Konzepte einer "simulierten Fabrik" entwickelt <strong>und</strong> umgesetzt<br />

werden. Dabei wird angestrebt, verkaufsfähige Produkte nicht mehr in<br />

einzelnen angestammten Fertigungsstätten zu erzeugen, sondern im Rahmen<br />

eines Produktionsverb<strong>und</strong>s bestimmte Fertigungsaufgaben einzelnen<br />

Konzernbetrieben zuzuweisen. In den verschiedenen Werken dieses Konzerns,<br />

die bislang jeweils über alle gängigen Produktionsstufen verfügten<br />

<strong>und</strong> jedes für sich verkaufsfähige Produkte hergestellt hatten, soll nun die<br />

Fertigung auf einzelne Komponenten reduziert werden, die zentral in einem<br />

Werk zum erst dann verkaufsfähigen Endprodukt montiert werden.<br />

Die so produzierten Geräte werden schließlich an die einzelnen Vertriebsgesellschaften<br />

geliefert, die sie unter ihrem traditionellen Markennamen<br />

vermarkten.<br />

Neben diesem von Düll <strong>und</strong> Bechtle hervorgehobenen Aspekt der Umwandlung<br />

von räumlich <strong>und</strong> zeitlich weit auseinanderliegenden Produktionsstätten<br />

zu einer "simulierten Fabrik" lassen sich weitere strategisch relevante<br />

Elemente der Reorganisation dieses westdeutschen Konzernbestandteils<br />

ausmachen, die kaum identifiziert werden können, wenn man<br />

sich wie Düll <strong>und</strong> Bechtle in der Analyse allein auf den Produktionsbereich<br />

des Unternehmens konzentriert. Einige sollen hier wenigstens angedeutet<br />

werden, wobei wir uns auf allgemein zugängliche Darstellungen der<br />

Wirtschaftspresse stützen. So soll (erstens) unter dem Namen der französischen<br />

Konzernmutter die Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungsabteilung des<br />

Konzerns an einem Standort konzentriert werden (wobei man die Beschäftigten<br />

im unklaren darüber Heß, wo dies sein würde). Zum zweiten<br />

wird das Rationalisierungspotential in der Produktion mit ca. 18 % der<br />

bislang beschäftigten Arbeitskräfte bis 1990 angegeben. Diese sollen allein<br />

durch die (Re-)Organisation der Fertigung überflüssig werden. Drittens<br />

wird energisch die Entwicklung neuer Produkte gefördert <strong>und</strong> vorange-<br />

35 Unsere Auseinandersetzung mit dem Konzept der simulierten Fabrik bezieht<br />

sich ausschließlich auf Düll, Bechtle 1988. Neuere Texte aus dem Münchner <strong>ISF</strong><br />

legen den Schluß nahe, daß das Konzept der simulierten Fabrik nicht im geplanten<br />

Umfang realisiert werden konnte (vgl. Düll, Bechtle 1991; Moldaschl<br />

1991).<br />

Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />

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trieben, weshalb viertens im Bereich Forschung <strong>und</strong> Entwicklung das Personal<br />

um ca. 20 % aufgestockt wird. Diese Fakten, die, wie erwähnt, dem<br />

Beitrag von Düll <strong>und</strong> Bechtle so nicht zu entnehmen sind, lassen sich als<br />

Hinweise darauf interpretieren, daß die Reorganisation eines kompletten<br />

Teilkonzerns (<strong>und</strong> der hier genannte ist kein Einzelfall) nicht allein auf die<br />

Steigerung der Produktivität durch extensivere Nutzung der economies of<br />

scale <strong>und</strong> einer Steigerung der Flexibilität durch flexible Standardisierung<br />

abzielt. Dieser Umbau soll nämlich auch dazu dienen, qua Organisationsstrukturveränderung<br />

<strong>und</strong> Ausbau der innovativen Potentiale des Unternehmens<br />

die Produktivität in bezug auf die Erzeugung neuer Produkte<br />

(<strong>und</strong> wohl auch neuer Produktionsverfahren) zu erhöhen. Es geht dabei<br />

nicht nur darum, den Anforderungen des Marktes nach einer umfassenden,<br />

technologisch anspruchsvollen Produktpalette nachzukommen, sondern<br />

auch darum, die durch den Konzernzusammenschluß möglicherweise<br />

auftretenden Innovationsrisiken (wie z.B. überflüssige Doppelentwicklungen)<br />

effektiv in den Griff zu bekommen. 36<br />

Der Ausbau der FuE-Potentiale<br />

<strong>und</strong> ihre Konzentration an einem Ort soll also dem Zweck dienen, in kürzerer<br />

Zeit <strong>und</strong> mit weniger Kosten als bisher üblich neue Produkte entwickeln<br />

zu können. In diesem Zusammenhang hat demnach nicht nur das<br />

Interesse des Topmanagements an der Koordinierungsfunktion (Düll,<br />

Bechtle 1988, S. 99), sondern auch an einer verstärkten Planungs- <strong>und</strong><br />

Kontrollkapazität zur Reduzierung von Innovationsrisiken ein Rolle gespielt.<br />

Als Resümee unserer Rekonstruktion der Ansätze des <strong>ISF</strong> <strong>und</strong> des SOFI<br />

läßt sich festhalten, daß beide Lesarten systemischer Rationalisierung<br />

durch die Konzentration der Analyse auf die angestammten Untersuchungsbereiche<br />

<strong>und</strong> durch das Festhalten an überkommenen Theorietraditionen<br />

die Möglichkeiten verschenken, die im Begriff der systemischen<br />

Rationalisierung prinzipiell angelegt sind. Nun könnte der Schluß naheliegen,<br />

man müsse nur das Konzept der systemischen Rationalisierung mit<br />

"Produktions-Dominante" mit dem Konzept systemischer Rationalisierung<br />

mit "Zirkulations-Dominante" verknüpfen, um zu einem wirklich integrati-<br />

36 Die Notwendigkeit der Reorganisation von Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungsabteilungen<br />

ergibt sich in letzter Zeit immer häufiger aus der Tatsache, daß Unternehmen<br />

sich zusammenschließen oder zusammengeschlossen werden, weil es<br />

einem oder beiden Partnern auf die innovativen Potentiale des anderen ankommt<br />

oder weil ein Zusammenschluß erfolgt, um die Innovationsrisiken auf<br />

mehrere Schultern zu verteilen (s. Kapitel 9).<br />

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ven Konzept zu gelangen. Neben gewissen theoretischen <strong>und</strong> methodischen<br />

Problemen, die sich dabei unweigerlich ergeben, auf die wir in diesem<br />

Kontext aber nicht weiter eingehen können (vgl. aber Brandt 1984),<br />

sehen wir vor allem die Gefahr, daß dabei die <strong>Unternehmensorganisation</strong><br />

<strong>und</strong> der zu beobachtende Ausbau der innovativen Potentiale der Unternehmen<br />

als zunehmend wichtiger werdende Ansatzpunkte von Rationalisierung<br />

weiterhin unterbelichtet bleiben. Allerdings lassen sich aus den genannten<br />

Ansätzen Schlüsse auf die von uns ins Auge gefaßten Formen integrativer,<br />

organisatorischer Rationalisierung ziehen. Deren Zweck, so unsere<br />

These, ist darin zu sehen, eine simultane Beherrschung des Nachfrage-,<br />

Ineffizienz- <strong>und</strong> Innovationsrisikos sicherzustellen. Die von den<br />

Münchner <strong>und</strong> Göttinger Kollegen festgestellten Tendenzen einer systemischen<br />

Rationalisierung sind demnach nur angemessen zu interpretieren,<br />

wenn der gestiegene Stellenwert der Institutionalisierung von Innovation"<br />

in der <strong>Unternehmensorganisation</strong> Berücksichtigung findet. Bevor wir uns<br />

jedoch mit den aktuellen Unternehmensstrategien der Technologieentwicklung<br />

(s. Kapitel 7 bis 9) beschäftigen, halten wir es für angebracht,<br />

zunächst in groben Strichen die Konturen der Elektro- <strong>und</strong> Elektronikbranche<br />

nachzuzeichnen.<br />

Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />

http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890


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TeilC<br />

Branchenanalyse der Elektro- <strong>und</strong><br />

Elektronikindustrie<br />

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"Man kann davon ausgehen, daß das Wachstum einer<br />

Branche unter anderem von dem jeweiligen Aufwand abhängt,<br />

mit dem in ihr Forschung <strong>und</strong> Entwicklung betrieben<br />

werden. Ein Stillstand auf dem FuE-Gebiet bedeutet<br />

Verlust an Wettbewerbsfähigkeit <strong>und</strong> damit Rückgang<br />

des Wachstums im Vergleich zu anderen Ländern."<br />

(Krings 1980, S. 44)<br />

"Zwischen der Wettbewerbsposition eines Unternehmens<br />

oder einer ganzen Branche <strong>und</strong> der FuE-Tätigkeit besteht<br />

ein gegenseitiges Ursache-Wirkungsverhältnis. Man<br />

kann davon ausgehen, daß hohe Umsätze bei guter Ertragslage<br />

die Firmen zu hohen FuE-Aufwendungen befähigen,<br />

daß aber auch das Wachstum eines Unternehmens<br />

oder einer Branche unter anderem von dem jeweiligen<br />

Aufwand abhängt, mit dem Forschung <strong>und</strong> Entwicklung<br />

betrieben werden."<br />

(Berger 1984, S. 53 f.)<br />

Diese Aussagen belegen beispielhaft einen in der aktuellen wirtschaftswissenschaftlichen<br />

<strong>und</strong> -politischen Diskussion bestehenden Konsens über die<br />

Bedeutung von Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungsaufwendungen für das<br />

Wachstum <strong>und</strong> die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen, Branchen<br />

<strong>und</strong> ganzen Volkswirtschaften. Einigkeit besteht jedoch weitgehend darüber,<br />

daß der Zusammenhang zwischen FuE-Aufwand <strong>und</strong> wirtschaftlichem<br />

Erfolg kein linearer <strong>und</strong> deterministischer ist (Brockhoff 1988). Von<br />

großem Interesse ist daher die Frage, mit welchen Strategien <strong>und</strong> organisatorischen<br />

Arrangements industrielle Unternehmen versuchen, ihre FuE-<br />

Potentiale zu mobilisieren. Bevor man nun eine derartige Fragestellung<br />

auf Unternehmensebene zu beantworten sucht, ist es sinnvoll, sich<br />

zunächst einmal auf Branchenebene mit wesentlichen Kontextbedingungen<br />

des betrieblichen Innovationsgeschehens zu befassen.<br />

Mit der vorliegenden Branchenanalyse der Elektro- <strong>und</strong> Elektronikindustrie<br />

sollen zwei Ziele verfolgt werden: (1) Anhand von gängigen ökonomischen<br />

Indikatoren soll in einem ersten Schritt (Kapitel 5) ein Überblick<br />

über charakteristische Strukturmerkmale <strong>und</strong> wesentliche Aspekte der<br />

wirtschaftlichen Entwicklung dieser Branche sowie über ihren Stellenwert<br />

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im Rahmen der Gesamtindustrie der b<strong>und</strong>esrepublikanischen Wirtschaft<br />

geboten werden; (2) anschließend wird (Kapitel 6), soweit dies auf der Basis<br />

von auf Branchenebene aggregierten Daten überhaupt möglich ist, der<br />

Versuch unternommen, das Innovationspotential der Elektrotechnischen<br />

Industrie zu ermitteln. Dabei geht es uns sowohl um einen Vergleich mit<br />

anderen Industriezweigen, die in größerem Umfang Forschung <strong>und</strong> Entwicklung<br />

betreiben, als auch um die Analyse von branchenspezifischen<br />

Strukturmerkmalen des FuE-Potentials der Elektroindustrie. Anzumerken<br />

ist bereits an dieser Stelle, daß das (zumindest ansatzweise quantifizierbare)<br />

FuE-Potential einer Branche nur einen Teil ihres (insgesamt noch<br />

weniger verläßlich zu bestimmenden) Innovationspotentials darstellt (Abschnitt<br />

6.10). Dies ist einer der Gründe, warum eine Branchenanalyse die<br />

Untersuchung des Innovationsgeschehens in der Elektroindustrie nur vorbereiten<br />

kann.<br />

Die amtliche Statistik ist zunächst darauf gerichtet, Kontinuität <strong>und</strong> Abweichung<br />

von vorherrschenden Tendenzen der industriellen Wirtschaftsleistung<br />

<strong>und</strong> deren Voraussetzungen auf hohem Aggregationsniveau abzubilden.<br />

Dabei werden nach dem Gesetz der großen Zahl "zufällige" Sonderentwicklungen<br />

mit gegenläufigen Bewegungen abgeglichen <strong>und</strong> in ihrer<br />

Auswirkung auf die Gesamtdarstellung u.U. kompensiert oder verdeckt.<br />

Auf aggregierten Daten beruhende Leistungsmerkmale wie das Bruttosozialprodukt,<br />

der Jahresumsatz oder auch das jährliche Produktionsergebnis<br />

eines Unternehmens sind ihrem Wesen nach unspezifisch. Sie erlauben<br />

keine Rückschlüsse auf die vielfältigen <strong>und</strong> zum Teil durchaus gegenläufigen<br />

Einzelbewegungen oder -leistungen, die am Zustandekommen des Gesamtergebnisses<br />

beteiligt waren. Die aus ihnen abgeleiteten Kennziffern<br />

reagieren entweder gar nicht oder nur relativ schwerfällig auf technologische<br />

<strong>und</strong> organisatorische Umstrukturierungen, obwohl diese immer in irgendeiner<br />

Form am Ergebnis teilhatten. Andererseits müssen - bis zu einem<br />

gewissen Grade - solche Zahlen gegenüber strukturellen Wandlungen<br />

sogar unempfindlich bleiben, weü ansonsten Bestandsaufnahmen, Tendenzaussagen<br />

<strong>und</strong> Vergleiche unmöglich würden.<br />

Für die Analyse von Branchenstrukturen der Elektroindustrie liegen wichtige<br />

Arbeiten vor, die aus recht unterschiedlichen Lagern stammen. Zu<br />

nennen wären hier vor allem die Arbeiten von M. Breitenacher u.a. (1974)<br />

<strong>und</strong> von M. Berger (1984), die am Ifo-Institut entstanden sind; eine an der<br />

Theorie des Staatsmonopolistischen Kapitalismus orientierte Branchen-<br />

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analyse von J. Goldberg (1985), der dem Institut für Marxistische Studien<br />

<strong>und</strong> Forschungen angehört; eine schon etwas ältere Branchenstudie vom<br />

Wirtschafts- <strong>und</strong> Sozialwissenschaftlichen Institut des Deutschen Gewerkschaftsb<strong>und</strong>es<br />

(1973); die Branchenberichte des Instituts für Bilanzanalysen<br />

(1976; 1980), zu denen in der Hauptsache Unternehmensvertreter <strong>und</strong><br />

Angehörige des Zentralverbands Elektrotechnik- <strong>und</strong> Elektronikindustrie<br />

(ZVEI) beigetragen haben; die statistischen Berichte des ZVEI; einige<br />

Branchenanalysen der volkswirtschaftlichen Abteilungen der Banken<br />

(Commerzbank, Hypo-Bank); schließlich die materialreiche Studie von P.<br />

Czada (1969), die die historische Entwicklung der Branche am Beispiel<br />

der "Berliner Elektroindustrie in der Weimarer Zeit" behandelt. Wer sich<br />

für eine Branchenanalyse im "klassischen Sinne" interessiert, sei auf diese<br />

Arbeiten verwiesen. Sie haben aus unserer Sicht jedoch den Mangel, daß<br />

sie der wachsenden Relevanz von Forschung <strong>und</strong> Entwicklung fast ausnahmslos<br />

1<br />

nur am Rande Beachtung schenken. Demgegenüber haben die<br />

Beiträge zur Analyse der Elektroindustrie, die in den Publikationen des<br />

B<strong>und</strong>esverbandes der Deutschen Industrie zum Thema Industrieforschung<br />

erschienen sind (vgl. BDI 1979, S. 153 ff.; BDI 1982, S. 221 ff.), den Vorteil,<br />

daß sie sich dezidiert mit der Innovationsproblematik <strong>und</strong> ihrem Zusammenhang<br />

mit der allgemeinen Branchenentwicklung befassen. Allerdings<br />

beruhen diese Analysen zum FuE-Potential auf relativ altem Datenmaterial.<br />

Darüber hinaus machen sie deutlich, daß auf dieser Untersuchungsebene<br />

die Organisationsformen von FuE <strong>und</strong> die Innovationsabläufe<br />

in den Unternehmen nicht zum Gegenstand der Analyse gemacht<br />

werden können.<br />

Die Arbeit an der hier vorliegenden Branchenanalyse wurde im Februar<br />

1989 im wesentlichen abgeschlossen. Daraus erklärt sich, daß im folgenden<br />

auf scheinbar "verjährte" Daten zurückgegriffen wird. Da sich aber an den<br />

von uns in der Elektro- <strong>und</strong> Elektronikindustrie identifizierten Strukturmerkmalen<br />

nichts Gr<strong>und</strong>legendes geändert hat, schien uns nun, im Jahre<br />

1992, eine Aktualisierung der Daten nicht notwendig. Wichtiger als Tagesaktualität<br />

ist unserer Auffassung nach ein Raster zur Verfügung zu haben,<br />

mit dessen Hilfe zum einen die Branchenentwicklung in der Elektro- <strong>und</strong><br />

Elektronikindustrie (re-)konstruiert werden kann - ohne die methodischen<br />

Probleme einer Branchenanalyse einfach zu unterschlagen. Zum anderen<br />

1 Eine Ausnahme stellt der Beitrag von Krings im Branchenbericht des Instituts<br />

für Bilanzanalysen (1980) dar.<br />

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aber ist eine Anschlußfähigkeit in dem hier präsentierten Raster gegeben,<br />

so daß die im folgenden präsentierten Datenreihen bei Bedarf fortzuschreiben<br />

sind.<br />

Seit dem Abschluß der wesentlichen Arbeiten an dieser Branchenanalyse<br />

sind nun einige Texte erschienen, die ebenfalls Aussagen zur Entwicklung<br />

der Elektro- <strong>und</strong> Elektronikindustrie insgesamt enthalten; zu nennen sind<br />

hier vor allem Voskamp, Wittemann <strong>und</strong> Wittke (1989) vom SOFI Göttingen;<br />

Beuschel, Gensior <strong>und</strong> Sorge (1988) vom WZB in Berlin sowie der<br />

Beitrag von Gensior zu dem von der Erlanger Forschergruppe herausgegebenen<br />

Band (Pries, Schmidt, Trinczek 1989). Das besondere Verdienst<br />

der Erlanger Gruppe ist es, in einem statistischen Anhang (ebd.) Material<br />

angeboten zu haben, das einen Vergleich der Elektroindustrie mit anderen<br />

Branchen ermöglicht. Da die genannten Beiträge den hier entwickelten<br />

Thesen entweder nicht substantiell widersprechen oder sie aber nicht tangieren,<br />

2 erschien uns eine intensive Auseinandersetzung mit diesen Arbeiten<br />

verzichtbar.<br />

2 So wird dort der uns interessierende Zusammenhang zwischen der zunehmenden<br />

Bedeutung von Innovationsprozessen <strong>und</strong> den weitreichenden Organisationsstrukturveränderungen<br />

in der Industrie weitgehend ausgeblendet.<br />

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5. Die ökonomische Struktur der Elektro- <strong>und</strong><br />

Elektronikindustrie<br />

5.1 Abgrenzung der Branche<br />

Schwierigkeiten, auf der Ebene der Branchenanalyse zu Aussagen über<br />

Strukturmerkmale <strong>und</strong> Innovationspotentiale der Elektro- <strong>und</strong> Elektronikindustrie<br />

zu kommen, resultieren auch aus der Tatsache, daß in verschiedenen<br />

Kontexten verschiedene Definitionen "der Elektroindustrie" verwandt<br />

werden. 3<br />

Neben diesem definitorischen Problem stellt sich zudem<br />

die Frage, ob man überhaupt eine eindeutige Identität der Elektro- <strong>und</strong><br />

Elektronikindustrie ausmachen kann <strong>und</strong> worin diese ggf. besteht. Im folgenden<br />

soll zunächst das Definitionsproblem angesprochen <strong>und</strong> daran anschließend<br />

diskutiert werden, inwiefern es überhaupt sinnvoll ist, von "der<br />

Elektroindustrie" zu reden. 4<br />

Die amtliche Statistik (Statistisches Jahrbuch) <strong>und</strong> die wirtschaftswissenschaftlichen<br />

Forschungsinstitute (Ifo, DIW etc.) einerseits, der Stifterverband<br />

der Deutschen Wissenschaft, der ZVEI <strong>und</strong> die B<strong>und</strong>esbank andererseits<br />

verwenden teüweise unterschiedliche Abgrenzungskriterien. Offenk<strong>und</strong>ig<br />

gehen je nach Interessenlage verschiedene Bereiche in die jeweilige<br />

Branchendefinition ein. So werden seit 1970 auch die in der amtlichen<br />

Statistik als Gütergruppe 5050 geführten "Geräte <strong>und</strong> Einrichtungen<br />

für die elektronische Datenverarbeitung" vom ZVEI zur Elektroindustrie<br />

gezählt - im Unterschied zu der vom Statistischen B<strong>und</strong>esamt vorgenommenen<br />

Abgrenzung. Die Produktion von Software geht hingegen nur teil<br />

-<br />

3 Auf die mitunter unterschiedlichen quantitativen Angaben bei denselben Quellen<br />

können wir nicht in jedem Falle eingehen. Sie resultieren i.d.R. aus Veränderungen<br />

der Erhebungsmethode, aus veränderten gesetzlichen Vorschriften<br />

(Bilanzrichtlinien) u.ä. Wo die Angaben die "normale Schwankungsbreite" überschreiten<br />

<strong>und</strong> uns dies für die Interpretation von Belang zu sein schien, haben<br />

wir dies angemerkt.<br />

4 "Die Elektrotechnische Industrie stellt sich, bezogen auf die Produkt- <strong>und</strong> Fertigungsstruktur,<br />

als inhomogenste aller hier ausgewiesenen Einzelbranchen dar,<br />

weshalb eine Charakterisierung des typischen Betriebs wenig Sinn macht"<br />

(Schultz-Wüd u.a. 1989, S. 52).<br />

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weise - soweit sie Bestandteil von Hardware ist - in die statistischen Angaben<br />

des ZVEI ein; als eigenständiger Produktionsbereich wird sie dort jedenfalls<br />

bislang nicht geführt (s. Abschnitt 5.3.2). Obwohl das Ifo-Institut<br />

(also auch Breitenacher u.a. <strong>und</strong> Berger), das DIW <strong>und</strong> die volkswirtschaftlichen<br />

Abteilungen der Banken der vom Statistischen B<strong>und</strong>esamt<br />

vorgenommenen Abgrenzung folgen, greifen sie bei vielen Berechnungen<br />

auf Daten des ZVEI (der einer anderen Abgrenzung folgt) zurück. Das<br />

muß nicht, kann aber zu Komplikationen führen: Beispielsweise stellen<br />

sich Angaben über die relative Größe der Elektroindustrie in einem anderen<br />

Licht dar, wenn man den Bereich der Allgemeinen Datenverarbeitung<br />

(ADV) aus der Berechnung herausnimmt. Uns blieb angesichts dieser Situation<br />

nur, einem Vorschlag Goldbergs (1985, S. 251) folgend, zur Ausschöpfung<br />

des statistischen Materials teilweise unterschiedliche Abgrenzungskriterien<br />

zu nutzen. Sofern es möglich <strong>und</strong> praktikabel ist, werden<br />

Werte für die Gütergruppe 5050 separat aufgeführt. Dies ist auch deshalb<br />

sinnvoll, da bestimmte, sich in der Elektrotechnischen Industrie insgesamt<br />

abzeichnende Trends (steigende Kapitalintensität, zunehmender Angestelltenanteil<br />

an den Beschäftigtenzahlen) in dieser Teilbranche am deutlichsten<br />

ausgeprägt sind.<br />

Wichtiger scheint uns das Problem der Heterogenität dessen zu sein, was<br />

gemeinhin, auch von den an der amtlichen Statistik sich orientierenden<br />

Analysen, der Branche "Elektrotechnische Industrie" subsumiert wird.<br />

Darunter fallen so unterschiedliche Produktionssparten wie:<br />

Elektrizitätserzeugung <strong>und</strong> -Umwandlung,<br />

Elektrizitätsverteilung,<br />

Vorerzeugnisse <strong>und</strong> sonstiges,<br />

Nachrichtentechnik,<br />

Meß- <strong>und</strong> Regeltechnik,<br />

- EDV,<br />

Kfz-Ausrüstung,<br />

sonstige Investitionsgüter,<br />

Unterhaltungselektronik,<br />

Hausgeräte,<br />

Leuchten <strong>und</strong> Lampen,<br />

Bauelemente,<br />

Montagen <strong>und</strong> Reparaturen.<br />

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Diese wiederum lassen sich grob in<br />

Investitionsgüter,<br />

Gebrauchsgüter,<br />

Vorerzeugnisse <strong>und</strong> sonstiges<br />

einteilen.<br />

Es ist evident, daß sich hier in bezug auf Absatzmärkte (Investitions- <strong>und</strong><br />

Konsumgüter, Produktion für den Staat bzw. öffentliche Unternehmen), in<br />

bezug auf Produktionsbedingungen (Einzel- vs. Massenproduktion), in bezug<br />

auf den notwendigen wissenschaftlich-technischen Aufwand (Low-<br />

Tech vs. High-Tech) <strong>und</strong> in bezug auf die Abhängigkeit von externen Ressourcen<br />

<strong>und</strong> Märkten (Rohstoffintensität <strong>und</strong> Exportabhängigkeit) erhebliche<br />

Differenzen feststellen lassen. 5<br />

Hält man sich an M. Aglietta, so wäre<br />

allein die Tatsache, daß innerhalb des statistischen Konstrukts "Elektro<strong>und</strong><br />

Elektronikindustrie" unterschiedliche Gebrauchswerte mittels unterschiedlicher<br />

Produktionsprozesse hergestellt werden, kein Problem, das<br />

dazu zwingen würde, von diesem Konstrukt Abschied zu nehmen, denn<br />

"die Organisation von Unternehmen in einer industriellen Branche impliziert<br />

in keiner Weise eine vollkommene Ähnlichkeit in den Produktionsprozessen.<br />

Von diesem Standpunkt aus kann sich eine Branche auch<br />

schlicht als eine Ansammlung unterschiedlicher Produktionslinien präsentieren.<br />

Das sollte keinesfalls überraschen. Die Homogenisierung der Produktionsbedingungen<br />

findet ausschließlich in Wertbegriffen statt" (Aglietta<br />

1979, S. 290; eigene Übersetzung - DB/GM).<br />

Ernster wird die Lage, wenn man dem Fortgang der Argumentation<br />

Agliettas noch ein wenig Aufmerksamkeit schenkt. Für ihn ist nämlich die<br />

werttheoretisch begründete Angleichung der Produktions- <strong>und</strong> Austauschnormen<br />

ausschlaggebendes Kriterium. Seine "synthetische" Definition<br />

der industriellen Branche lautet entsprechend:<br />

"Die Branche ist der ökonomische Raum, der durch Kapitale geformt wird,<br />

die denselben Austausch- <strong>und</strong> Produktionsnormen unterworfen sind" (ebd.,<br />

S. 291; eigene Übersetzung - DB/GM).<br />

5 Auch Czada stellt sich angesichts dieser heterogenen Struktur die Frage, "ob<br />

<strong>und</strong> unter welchen Kriterien die Elektroindustrie überhaupt als ein einheitlicher<br />

Industriezweig anzusehen ist" (Czada 1969, S. 272).<br />

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Dieser Definition wird "die" Elektro- <strong>und</strong> Elektronikindustrie nur teilweise<br />

gerecht. Dennoch erscheint es sinnvoll, am traditionellen Sprachgebrauch<br />

festzuhalten, wenn man auf historische Momente der Entwicklung von Unternehmensstrukturen<br />

in der Elektroindustrie rekurriert. In dieser haben<br />

sich nämlich (nicht nur in Deutschland) vergleichsweise früh Universalkonzerne<br />

(Siemens <strong>und</strong> AEG) herausgebildet, die mehr oder weniger das<br />

gesamte Spektrum stark- <strong>und</strong> schwachstromtechnischer Produkte herstellten<br />

<strong>und</strong> so auch die Maßstäbe für die erheblich kleineren Spezialunternehmen<br />

setzten. P. Czada faßt in seiner Untersuchung der Berliner Elektroindustrie<br />

in der Weimarer Zeit, die einen Gutteil der deutschen Elektroindustrie<br />

repräsentierte, 6<br />

den Sachverhalt wie folgt zusammen:<br />

"(...) so erweist sich die nahezu sämtliche Produktionszweige umfassende<br />

Aktivität der Berliner Universalfirmen (Siemens <strong>und</strong> AEG) zugleich als<br />

Bindeglied zwischen den Branchen <strong>und</strong> darüber hinaus als ein die Entwicklung<br />

der Elektroindustrie bestimmender Faktor. Von ihnen ausgehend<br />

oder zu ihnen führend, setzte sich der in der Krise der Jahrh<strong>und</strong>ertwende<br />

beginnende Konzentrationsprozeß nach dem Ersten Weltkrieg in verstärktem<br />

Maße fort <strong>und</strong> brachte, verb<strong>und</strong>en mit einer Ausweitung der<br />

Kartellierung, die meisten Branchen der Elektrotechnik unter den Einfluß<br />

oder die Beherrschung der beiden Konzerne" (Czada 1969, S. 273).<br />

Es könnte also als Kriterium für die Zugehörigkeit zur Elektrobranche<br />

festgehalten werden, daß genau dann, wenn sich ein Unternehmen in einem<br />

Markt engagiert, der zur Einflußsphäre von Universalunternehmen<br />

der Elektroindustrie gehört, es zu dieser Branche zu zählen ist.<br />

Allerdings, <strong>und</strong> dies kompliziert die Lage ein wenig, sind auch hier gegenläufige<br />

Entwicklungen festzustellen. Mit dem "AEG-Kollaps Ende der 70er<br />

Jahre" (Hautsch 1982, S. 73), spätestens jedoch mit dem Vergleich der<br />

AEG im Herbst 1982 ist die Definition des Elektromarkts durch die, wie<br />

Hautsch es nennt, "Monopolgruppierung Siemens/AEG" (ebd.) an einem<br />

wohl nicht nur vorläufigen Ende angelangt. Auch andere Unternehmen<br />

haben nämlich, allerdings eher freiwillig <strong>und</strong> unter strategischen Gesichtspunkten,<br />

ihr Produktionsspektrum verkleinert, um sich auf zukunftsträchtige<br />

Teilmärkte konzentrieren zu können. Interessant ist, daß in diesem<br />

Kontext regelmäßig auch auf den gestiegenen FuE-Aufwand verwiesen<br />

6 1925 umfaßte die Berliner Elektroindustrie r<strong>und</strong> 25 % der im Deutschen Reich<br />

gezählten Betriebe, bei denen rd. 50 % der Beschäftigten arbeiteten (vgl. Czada<br />

1969, S. 285 ff.).<br />

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wird, der diese Beschränkung auf bestimmte Marktsegmente notwendig<br />

mache (s. Kapitel 7). Nach unserer Einschätzung wird sich die zukünftige<br />

Entwicklung so darstellen, daß die "ganz Großen" wie Siemens, Bosch oder<br />

andere im Weltmaßstab konkurrierende Unternehmen kaufen, was ihnen<br />

an zusätzlichen Produktionslinien sinnvoll erscheint, um in großem Maßstab<br />

"economies of scope" <strong>und</strong> "economies of scale" zu realisieren, während<br />

diejenigen, die mangels Masse nicht mithalten können, sich zu Spezialanbietern<br />

entwickeln werden. 7<br />

Die Verhältnisse auf dem Welt-Elektromarkt<br />

sind aber, nicht zuletzt durch vielfältige Formen der Kooperation<br />

konkurrierender Unternehmen (s. Kapitel 9), zur Zeit kaum dazu angetan,<br />

langfristig gültige Entwicklungstrends antizipieren zu wollen: So ist es jedoch<br />

durchaus zweifelhaft, ob beispielsweise Siemens seine "Universal-<br />

Strategie" auf Dauer wird aufrechterhalten können. Diese Frage, wiewohl<br />

von einigem Interesse auch für (zukünftige) Branchenanalysen, muß hier<br />

offen bleiben. Trotz der notierten Probleme erscheint es uns sinnvoll, diejenigen<br />

Unternehmen als zur Elektroindustrie zugehörig zu definieren, die<br />

zur Einflußsphäre der internationalen Universalunternehmen gehören.<br />

52 Die Bedeutung der Elektroindustrie<br />

Zwar gehört die Elektroindustrie nicht zu den Wegbereitern der ersten<br />

Phase der industriellen Revolution <strong>und</strong> sie war auch nicht in nennenswertem<br />

Umfang an ihr beteiligt. Sie hat aber in Deutschland etwa seit Beginn<br />

dieses Jahrh<strong>und</strong>erts kontinuierlich an Bedeutung gewonnen <strong>und</strong> einen, nur<br />

mit dem Straßenfahrzeugbau <strong>und</strong> der Chemischen Industrie vergleichbaren<br />

Aufschwung genommen. Die zweite Phase der industriellen Revolution<br />

kann mit einer Ausdifferenzierung wissenschaftlich-technischer Abteilungen<br />

innerhalb der <strong>Unternehmensorganisation</strong> in Verbindung gebracht<br />

werden, <strong>und</strong> zwar auch <strong>und</strong> gerade in der Elektroindustrie (s. Abschnitt<br />

3.4). In einer dritten Phase der industriellen Revolution schließlich<br />

werden aufgr<strong>und</strong> der Fortschritte auf dem Gebiet der Mikroelektronik die<br />

in der Elektro- <strong>und</strong> Elektronikindustrie produzierten Innovationen stärker<br />

als je zuvor zur Produktionsvoraussetzung anderer Branchen. Gleichzeitig<br />

ist die Elektroindustrie selbst in hohem Maße Anwender der von ihr ent-<br />

7 Dies impliziert durchaus, daß sie sich auch von bestimmten Märkten zurückziehen.<br />

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wickelten Technologien. Durch die zunehmende Relevanz der Mikroelektronik<br />

werden entscheidende Parameter des technisch-organisatorischen<br />

Wandels in der gesamten Industrie <strong>und</strong> im Dienstleistungsbereich innerhalb<br />

der Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungsabteilungen der Elektroindustrie<br />

gesetzt. Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß deshalb nicht nur die<br />

Fertigungs-, sondern auch die Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungstiefe in anderen<br />

Branchen zugunsten der Elektroindustrie sinken. Damit nimmt nicht<br />

nur das technologische, sondern auch das ökonomische Gewicht der Elektroindustrie<br />

innerhalb der Gesamtwirtschaft zu. Einige Zahlen, die diese<br />

Entwicklung für die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg nachzeichnen, mögen<br />

dies belegen (Tab. 5.1).<br />

Die Wachstumsdynamik der Elektrotechnik lag bereits in den frühen 50er<br />

Jahren eindeutig über dem Durchschnitt des Verarbeitenden Gewerbes,<br />

obwohl ihre Ausgangslage überaus schwierig war. So waren relevante Teile<br />

der Branche im näheren Umkreis von Berlin oder in Berlin selbst konzen-<br />

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triert (Czada 1969), <strong>und</strong> die deutsche Elektroindustrie spielte nach dem<br />

Zweiten Weltkrieg am Weltmarkt zunächst kaum eine Rolle. 8<br />

"Das Produktionswachstum der westdeutschen Elektroindustrie wurde in<br />

der ersten Hälfte der 50er Jahre durch eine Reihe von Faktoren beeinflußt.<br />

Einmal bestand ein erheblicher Nachholbedarf für elektrotechnische<br />

Erzeugnisse. Zum anderen mußte die Elektroindustrie für die durch Zonentrennung<br />

<strong>und</strong> Kriegszerstörung verloren gegangenen Fertigungskapazitäten<br />

neue Betriebe errichten. Hinzu kam schließlich der Wiederaufbau<br />

des Exports. Als Mitte der 50er Jahre die Wiederaufbauphase im wesentlichen<br />

abgeschlossen war, erhielt die Elektroindustrie neue kräftige Wachstumsimpulse<br />

durch die geradezu stürmisch anwachsende Nachfrage nach<br />

elektrotechnischen Gebrauchsgütern. Insgesamt belief sich das durchschnittliche<br />

Produktionswachstum der Elektrotechnischen Industrie von<br />

1950 bis 1960 auf 15,7 % pro Jahr gegenüber 9,5 % im Industriedurchschnitt.<br />

In der Zeit von 1970 hat sich zwar das Wachstum der Elektroindustrie<br />

deutlich verlangsamt, lag aber mit 8 % im Jahresdurchschnitt immer<br />

noch merklich über dem Expansionstempo der Gesamtindustrie ( + 5,6 %)<br />

in dieser Periode" (Breitenacher u.a. 1974, S. 21).<br />

Das relative Wachstum der Elektroindustrie ist nicht zu verwechseln mit<br />

Veränderungen absoluter Zahlen. Dennoch kann Tabelle 5.2 einen Blick<br />

für die zunehmende Bedeutung der Elektroindustrie im Strukturwandel<br />

vermitteln: Da die (sozial-)statistische Dominanz des sog. "industriellen<br />

Sektors" sich insgesamt verringert, können große Branchen ihren Anteil an<br />

den jeweiligen Indikatoren entsprechend den Regeln der Statistik noch<br />

ausbauen. Die nachfolgende Tabelle kann nur belegen, daß innerhalb der<br />

statistischen Kategorie der Gesamtindustrie die Bedeutung der Elektro<strong>und</strong><br />

Elektronikindustrie zunimmt. Man kann aufgr<strong>und</strong> dieser Daten allerdings<br />

nur Vermutungen darüber anstellen, warum das so ist.<br />

Die Elektroindustrie gehört zu den vier größten Industriezweigen der<br />

B<strong>und</strong>esrepublik, wie der Vergleich nach ausgewählten Indikatoren mit anderen<br />

Branchen zeigt. Bezieht man den EDV-Bereich mit ein, dann ist die<br />

Elektrobranche der beschäftigungsstärkste Industriezweig der b<strong>und</strong>esrepublikanischen<br />

Wirtschaft (Tab. 5.2).<br />

8 Weltmarktanteil 1950: knapp 6 % (vgl. Berger 1984, S.15).<br />

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Tab. 5.2:<br />

Wichtige Industriezweige nach ausgewählten Indikatoren (1986)<br />

Erläuterungen:<br />

Umsatz: in Mio. DM, ohne Umsatz-(Mehrwert-)Steuer<br />

Beschäftigte: Durchschnittswert errechnet aus 12 Monaten<br />

Bruttoanlagevermögen: in Mio. DM zu Preisen von 1980<br />

Bruttoanlageinvestitionen: in Mio. DM zu Preisen von 1980<br />

Quellen: Görzig u.a. 1987; Statistisches Jahrbuch<br />

5.3 Die Bedeutung der Mikroelektronik: Halbleiter <strong>und</strong> Software<br />

Es sind vor allem zwei technologische Strukturbrüche, die sich seit etwa<br />

dreißig Jahren in der Elektro- <strong>und</strong> Elektronikindustrie vollziehen: der<br />

Übergang von der Elektromechanik zur Elektronik <strong>und</strong> die wachsende<br />

Bedeutung von Halbleitern <strong>und</strong> Software. Beide Entwicklungen stehen in<br />

einem Zusammenhang; die folgenden Abschnitte konzentrieren sich vor<br />

allem auf die wachsende Bedeutung von Halbleitern <strong>und</strong> Software, da andere<br />

industriesoziologische Arbeiten die Probleme des Übergangs von der<br />

Elektromechanik zur Elektronik bereits umfassend abgehandelt haben.<br />

Auf einen knappen Nenner gebracht, lassen sich die Konsequenzen dieses<br />

Übergangs wie folgt zusammenfassen:<br />

"Die Substitution elektromechanischer durch elektronische Bauteile reduziert<br />

die Anzahl der Produktteile, vereinfacht deren Montage, verbilligt das<br />

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Gesamtprodukt <strong>und</strong> verändert nachhaltig die restriktiven Rahmenbedingungen<br />

technischer, organisatorischer <strong>und</strong> marktökonomischer Art, denen<br />

die Elektroindustrie Rechnung zu tragen hat. Eine der wichtigsten Folgen<br />

dieser sogenannten "dritten industriellen Revolution", die ihren technischen<br />

Ausdruck in der "Einführung apparativer Intelligenz (...) durch Halbleiterintegration"<br />

fand (Röhrig 1977, S. 13), ist die radikale Reduktion der Fertigungszeit.<br />

So gingen die Fertigungsst<strong>und</strong>en beim Bau des Fernschreibers<br />

durch die erfolgte Substitution seiner elektromechanischen Teile durch<br />

elektronische auf ein Drittel zurück (Baur 1977, S. 24). Etliche Arbeiten<br />

vor allem in der Vorfertigung sind durch diesen Substitutionsprozeß obsolet<br />

geworden, so daß, "wo früher gestanzt, gedreht, gegossen, geschraubt<br />

usw. wurde, werden heutzutage Leiterplatten gefertigt, mit integrierten<br />

Schaltungen bestückt, verlötet <strong>und</strong> mit Steckerleisten versehen (ebd., S.<br />

19)" (Benz-Overhage u.a. 1982, S. 100).<br />

Die Substitution elektromechanischer durch elektronische Bauteile basiert<br />

auf einer rasanten Entwicklung der Mikroelektronik, die wiederum auf<br />

Vorleistungen durch die Halbleiter- <strong>und</strong> Software-Industrie angewiesen<br />

ist. Beide Branchen befinden sich aus diesem Gr<strong>und</strong>e in einem Wachstumsprozeß,<br />

der allerdings durch unterschiedliche Ausgangslagen <strong>und</strong><br />

Verlaufsformen charakterisiert ist.<br />

5.3.1 Halbleiter<br />

Kommen wir zunächst auf die Halbleiterbranche zu sprechen, die man mit<br />

einigem Recht als terra incognita bezeichnen kann. 9<br />

Halbleiter sind gleichsam<br />

der Rohstoff der Mikroelektronik 10<br />

<strong>und</strong> wegen ihrer vielseitigen Ein-<br />

9 "Es besteht ein frappierender Gegensatz zwischen der enormen struktur- <strong>und</strong><br />

industriepolitischen Bedeutung, die dieser Branche hierzulande zugeschrieben<br />

wird, <strong>und</strong> dem äußerst dürftigen Wissen, welches die Öffentlichkeit, selbst die<br />

empirischen Wissenschaften, über diesen Industriezweig besitzt" (Welsch 1990,<br />

S. 212 f.).<br />

10 "Mit der Bezeichnung 'Halbleiter' wird eigentlich nicht das Produkt, sondern das<br />

in dieser Branche verwandte Material angesprochen. Halbleiter sind Stoffe, deren<br />

elektrische Leitfähigkeit zwischen der von Metallen <strong>und</strong> von Isolatoren liegt.<br />

Das dominierende Halbleitermaterial ist Silizium. Auf Siliziumscheiben werden<br />

die mikroelektronischen Schaltkreise aufgetragen. So entstehen je nach Gestaltungszweck<br />

Transistoren, Dioden oder integrierte Halbleiterschaltungen, wobei<br />

man bei letzteren wiederum zwischen Mikroprozessoren <strong>und</strong> Speicher-Chips<br />

(...) unterscheiden kann" (ebd., S. 214).<br />

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setzbarkeit typische Massenprodukte. Der rapide Kosten- <strong>und</strong> Preisverfall,<br />

durch den dieses Marktsegment gekennzeichnet ist, läßt sich auf das hohe<br />

Innovationstempo, aber auch auf die Existenz von Überkapazitäten zurückzuführen.<br />

Diese resultieren daraus, daß Unternehmen bzw. Nationen,<br />

die um den strategischen Stellenwert einer eigenständigen Verfügung über<br />

die Ressource Halbleiter wissen, bemüht sind, eigene Kapazitäten zu erhalten<br />

bzw. auszubauen, auch wenn die Ökonomisierung dieses Bereichs<br />

zwischenzeitlich monetäre Verluste einbringt (Siemens beispielsweise<br />

schreibt seit Jahren in diesem Unternehmensbereich rote Zahlen). Zwar<br />

ist durchaus umstritten, ob eine eigene Rohstoffbasis, eine "nationale<br />

Halbleiterreserve" wirklich unabdingbar ist; 11<br />

in letzter Konsequenz haben<br />

sich jedoch in den großen Industrienationen bislang noch immer diejenigen<br />

politischen Kräfte durchgesetzt, die Interesse an einer nationalen<br />

Halbleiterindustrie besitzen <strong>und</strong> deshalb bereit sind, dafür auch staatliche<br />

Mittel bereitzustellen bzw., wie man ironisch formulieren könnte, in Anspruch<br />

zu nehmen (Braun, Macdonald 1982, S. 165 ff.; Ferguson 1985).<br />

Man kann davon ausgehen, daß die inzwischen erreichte Dominanz japanischer<br />

Halbleiterhersteller wesentlich auf das vom MITI initiierte<br />

VLSI(Very Large Scale Integration)-Programm zurückzuführen ist. Dort<br />

werden die Anstrengungen japanischer Elektronikunternehmen gebündelt,<br />

um die jahrzehntelange Vorherrschaft der USA auf dem Halbleitermarkt<br />

zu brechen (vgl. Dertouzos u.a. 1989). Demgegenüber spielt die b<strong>und</strong>esdeutsche<br />

Halbleiterindustrie auf dem Weltmarkt nur eine untergeordnete<br />

11 Gemeinhin wird in diesem Zusammenhang eine Stärkung des (ökonomischen<br />

<strong>und</strong> technologischen) Gewichts der Bauelementehersteller postuliert, <strong>und</strong> war<br />

wegen der Möglichkeit der "Vorwärtsintegration" (Bauteilehersteller produzieren<br />

z.B. Uhren); vgl. Vahlberg, Wiemann (1978, S. 89 ff.) <strong>und</strong> Althans (1981, S.<br />

12 ff). Ebenso wie den genannten Autoren erscheint auch Nora <strong>und</strong> Mine (1979)<br />

der Verzicht auf eine eigene Bauelementeindustrie als nationales Risiko: "Der<br />

Unterschied zwischen einem Bauelement <strong>und</strong> einem Kleincomputer wird immer<br />

geringer. Werden ohne Bauelementeindustrie die Informatikhersteller rechtzeitig<br />

die technologischen Veränderungen erkennen können?" (Nora, Minc 1979, S.<br />

105). Dagegen argumentiert Friedrichs: "Andererseits ist die Frage immer noch<br />

offen, ob die Eigenproduktion von Chips wirklich so wichtig ist. Es gibt heute<br />

mindestens zwei Länder, die Chips in jeder gewünschten Menge <strong>und</strong> Qualität<br />

anbieten. Der Wert der Chips in durchschnittlichen, mit Mikroelektronik ausgestatteten<br />

Produkten beträgt nur 10 % der Kosten des Gesamtprodukts" (Friedrichs<br />

1982, S. 218).<br />

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Rolle. Lediglich ein Drittel des Inlandsbedarfs an integrierten Schaltungen<br />

wird von einheimischen Produzenten hergestellt (Welsch 1990).<br />

Das Problem für die Hersteller von Halbleitern besteht darin, daß hier in<br />

extremer Weise Innovations-, Ineffizienz- <strong>und</strong> Nachfragerisiken wirksam<br />

sind, <strong>und</strong> zwar gleichzeitig <strong>und</strong> mit sich gegenseitig verstärkenden Effekten.<br />

Die Entwicklung neuer Halbleiter- <strong>und</strong> Chip-Generationen steht unter<br />

hohem Zeitdruck <strong>und</strong> verschlingt große FuE-Etats. Die Produktion ist<br />

insbesondere in der Anlaufphase höchst problematisch (Stichworte: Reinraumtechnik<br />

<strong>und</strong> Mikrostrukturen), <strong>und</strong> die Nachfrage unterliegt starken<br />

Schwankungen.<br />

"Da der hohe Anfangspreis jeder neuen Speicherchip-Generation nach der<br />

Einführung sehr schnell absinkt, können nur die Firmen, die technologisch<br />

an der Spitze stehen <strong>und</strong> als erste die neuen Chips auf den Markt bringen,<br />

die immer höheren Entwicklungs- <strong>und</strong> Investitionskosten wieder verdienen"<br />

(Oesterheld, Wortmann 1988, S. 70).<br />

Innovationen müssen also unter extremem Zeitdruck erzeugt <strong>und</strong> auf den<br />

Markt gebracht werden. Dies ist auch die Auffassung von v. Gizycki <strong>und</strong><br />

Schubert (1984), die die Marktanteile, die notwendig sind, um die gestiegenen<br />

FuE-Kosten zu amortisieren, als Funktion der Position des Unternehmens<br />

in der technologisch vermittelten Konkurrenz, mithin als Funktion<br />

des Erfolgs in FuE ansehen. Damit formulieren sie im Gr<strong>und</strong>e das<br />

zentrale "Innovationsdilemma" der Halbleiterbranche, nämlich den Zwang<br />

zur permanenten Innovation:<br />

"Semiconductor firms not investing sufficiently and continuously in R&D<br />

are doomed because they fall behind competitors in their endeavours to<br />

produce front-edge technology products. Companies lagging behind technologically<br />

are not in a position to capture a sufficiently large market segment<br />

rapidly enough to make sufficient profits for the next ro<strong>und</strong> of R&D<br />

investments" (v. Gizycki, Schubert 1984, S. 51).<br />

Nicht zuletzt wegen der Massierung von Risiken (Innovations-, Ineffizienz<strong>und</strong><br />

Nachfragerisiko) <strong>und</strong> wegen des Schlüsselcharakters dieser Technologie<br />

ist die Unterstützungsbereitschaft nationaler Regierungen für diese<br />

Branche hoch. Daneben sind die Unternehmen selbst darum bemüht,<br />

diese Risikopotentiale durch Kooperationen zu minimieren (s. Kapitel 9).<br />

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Allerdings sind auch eminente Steigerungsraten für FuE-Aufwendungen<br />

noch keine Garantie für Konkurrenzerfolge. Da viele Unternehmen - teilweise<br />

mit finanzieller Unterstützung durch die jeweiligen nationalen Regierungen<br />

- eine "leading edge strategy" fahren, kann es in der Konkurrenz<br />

auch Verlierer geben. Die von v. Gizycki <strong>und</strong> Schubert präsentierte Abbildung<br />

(Abb. 5.1) über die Halbleiter-Aktivitäten des inzwischen von GEC<br />

<strong>und</strong> Siemens übernommenen britischen Unternehmens Plessey verdeut-<br />

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Büro <strong>und</strong> Handel<br />

Elektronisches Notizbuch;<br />

Spracherkennung <strong>und</strong> -ausgabe;<br />

Speicherschreibmaschinen;<br />

Verkaufsterminal;<br />

Datenspeicherung; Kopiergeräte;<br />

Registrierkassen;<br />

Diktiergeräte<br />

Industrie<br />

Lagerhaltung; Maschinensteuerung;<br />

Positionierung;<br />

Verpackungsautomaten;<br />

Sicherheitseinrichtungen;<br />

Roboter; Netzplantechnik;<br />

Drehzahlregelung; Dosierung;<br />

Waagen<br />

Energie, Umwelt,<br />

Sicherheit<br />

Solartechnik; Wärmepumpe;<br />

Alarmsysteme; R<strong>und</strong>steuerung;<br />

Schaltnetzteile; elektronische<br />

Scheckkarte; polizeiliches<br />

Fahndungssystem;<br />

Personenidentifikation; Beleuchtungsregelung<br />

\ t<br />

Kommunikation<br />

Fernkopierer; Fernschreiber;<br />

Telefonsysteme; Personenrufsysteme;<br />

Bildfernsprecher;<br />

Satellitenkommunikation;<br />

Teletext; Kabelfernsehen mit<br />

Rückkanal; Bildschirmtext<br />

Mikroelektronik<br />

Medizin<br />

Computertomographie; Patientenüberwachung;<br />

Schriftleser<br />

für Blinde; Herzschrittmacher;<br />

Fieberthermometer;<br />

Blutdruckmesser; Analysengeräte;<br />

Sonographie; Narkosegeräte;<br />

Insulingeber<br />

Auto <strong>und</strong> Verkehr<br />

Flugsicherungseinrichtungen;<br />

Fahrkartenautomaten;<br />

Platzreservierung; Auto-Diagnose-Systeme;<br />

Antiblockierbremssystem;<br />

Getriebesteuerung;<br />

Abstandsradar; Bordcomputer;<br />

Ampelsteuerung<br />

Haushalts- <strong>und</strong><br />

Konsumgüter<br />

Gefriertruhen; Herde; Uhren;<br />

Staubsauger; Nähmaschine;<br />

Geschirrspüler; Waschmaschine;<br />

Wäschetrockner;<br />

Heimcomputer; Taschenrechner;<br />

Heizkostenverteiler;<br />

Lampendimmer<br />

Unterhaltung <strong>und</strong><br />

Freizeit<br />

Videotext; Orgel-Spiele; Videorecorder;<br />

Kamera; Fernseher;<br />

Radio/Hi-Fi; Archivierung;<br />

Elektronenblitz; Lehrcomputer;<br />

elektronisches<br />

Wörterbuch; Fernsteuerungen<br />

Quelle: Scheinost 1988, S. 99<br />

Abbildung 5.2<br />

Anwendungsbereiche der Mikroelektronik<br />

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licht, daß hohe Ausgaben für FuE keine Garantie für den Unternehmenserfolg<br />

<strong>und</strong> erst recht keine Beschäftigungsgarantie darstellen. 12<br />

Wegen des enorm verbesserten Preis-Leistungsverhältnisses, d.h. immer<br />

mehr Schaltkreise werden bei sinkenden Kosten auf einem Chip untergebracht,<br />

haben sich die Einsatzgebiete der Mikroelektronik stark ausgeweitet.<br />

Vorstehende Abbildung 5.2 zeigt, welche Anwendungen derzeit möglich<br />

erscheinen bzw. bereits realisiert sind.<br />

Mitte der 80er Jahre fand in Europa der Großteil der Chips in der Telekommunikationsindustrie<br />

Verwendung. Die Anteile der verschiedenen<br />

Anwendungsbereiche auf dem europäischen Markt veranschaulicht Tabelle<br />

5.3.<br />

Tab. 5.3:<br />

Anwendungsbereiche der Mikroelektronik<br />

Telekommunikation 23,5 %<br />

Industrieelektronik 22,4 %<br />

Computerindustrie 20,2 %<br />

Konsumelektronik 20,3 %<br />

Staat/Militär 9,0 %<br />

Autoelektronik 4,6 %<br />

Quelle: Dataquest 1984; zitiert nach Oesterheld, Wortmann 1988, S. 71<br />

12 Allerdings läßt sich dem Text von v. Gizycki <strong>und</strong> Schubert nicht entnehmen, ob<br />

sich die der Abbildung zugr<strong>und</strong>ehegenden Daten auf das Gesamtunternehmen<br />

Plessey oder nur auf seine Halbleitersparte beziehen. Plessey war immerhin<br />

1978 noch der sechstgrößte europäische Anbieter von Halbleitern, allerdings mit<br />

einem Marktvolumen, das weniger als einem Viertel des zehntgrößten US-amerikanischen<br />

Anbieters entspricht <strong>und</strong> genauso groß war wie das des zehntgrößten<br />

japanischen Anbieters von Halbleitern (ebd., S. 43). Siemens macht, wie erwähnt,<br />

seit mehreren Jahren im Halbleiterbereich zum Teil enorme Verluste,<br />

kann sich aber den Erwerb von Plessey leisten. Die Frage ist also, ob nicht nur<br />

relative Anteile, sondern absolute Größen beim FuE-Investment über den Erfolg<br />

entscheiden, <strong>und</strong> welche intervenierenden Variablen (Unterstützung durch<br />

die nationalen Regierungen, konjunkturelle Situation etc.) noch eine Rolle<br />

spielen.<br />

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Die größten Wachstumsraten werden für die Bereiche Automobilelektronik<br />

<strong>und</strong> Datentechnik prognostiziert. Vor allem bei den neuen Computergenerationen<br />

wird aufgr<strong>und</strong> deren Leistungsfähigkeit mit einem immensen<br />

Bedarfszuwachs an Speicher-Chips gerechnet (Welsch 1990).<br />

Ist der "klassische" Halbleiter ein typisches Massenprodukt, das erst in<br />

Verbindung mit anderen Chips oder Mikroprozessoren eine komplette<br />

Schaltung ergab, so hat sich inzwischen ein Markt für anwenderspezifische<br />

Schaltkreise (appliance specific integrated circuits, sog. ASICs) entwickelt.<br />

Die Vorteile von ASICs liegen vor allem in der Verbilligung der Produktion<br />

von Endprodukten, da wiederum einige Arbeitsvorgänge entfallen<br />

können (wie etwa das "Bestücken mit integrierten Schaltungen, verlöten<br />

<strong>und</strong> mit Steckerleistungen versehen", die Baur (1977) noch als Fortschritt<br />

gegenüber der Elektromechanik gesehen hatte). Risiken liegen darin, daß<br />

das Know-how vom Endproduzenten zu den Halbleiterherstellern wandert<br />

<strong>und</strong> diese in die Lage versetzt werden, im Wege der Vorwärtsintegration<br />

"fremde" Märkte zu erobern (die bekanntesten Beispiele sind Uhren <strong>und</strong><br />

Taschenrechner). Dieses Risiko dürfte innerhalb Europas noch größer<br />

sein als auf anderen Märkten, da hier die meisten Hersteller von Halbleitern<br />

große, vertikal integrierte Unternehmen sind, deren Schwerpunkt<br />

weniger auf der Herstellung von Halbleitern als auf der Produktion von<br />

Endprodukten liegt (v. Gizycki, Schubert 1984, S. 40). 13 Entsprechend liegt<br />

der Grad der Eigennutzung selbstproduzierter Halbleiter bei bis zu 50 %,<br />

wird sich aber wegen der Breite der abzudeckenden Palette von Produkten,<br />

die mit Mikroelektronik ausgestattet werden, tendenziell eher verringern<br />

(ebd., S. 42).<br />

Auch bei Halbleitern, insbesondere aber bei k<strong>und</strong>enspezifischen Schaltungen,<br />

nimmt der Aufwand, der vor Anlauf einer Produktion (in den Bereichen<br />

FuE <strong>und</strong> Software-Entwicklung) betrieben werden muß, stark zu.<br />

Dieser Umstand, zusammen mit den enormen Preisschwankungen <strong>und</strong> der<br />

Unstetigkeit der Kapazitäts- <strong>und</strong> Produktionsentwicklung, dürfte mit dazu<br />

beitragen, daß Nachzügler auf diesem Gebiet kaum Chancen haben dürf-<br />

13 Philips, Siemens, ITT, SGS-Ates, Thomson-CSP, Plessey, Ferranti teilen sich im<br />

Jahre 1978 den Großteil des europäischen Marktes untereinander auf. Es<br />

spricht für die Dynamik des Elektronikmarkts im allgemeinen <strong>und</strong> des Halbleitermarkts<br />

im besonderen, daß diese Aufzählung durch die verschiedenen Formen<br />

der Kooperation (inkl. Übernahmen) nur mehr historischen Wert hat.<br />

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ten, den einmal verpassten Anschluß an die Entwicklung aus eigener Kraft<br />

wieder herzustellen.<br />

532 Software<br />

Der Halbleiter ist nur eine zentrale Voraussetzung des durchgreifenden<br />

Erfolgs der Mikroelektronik.<br />

"Mikroelektronik braucht zu ihrer Entwicklung <strong>und</strong> Anwendung Software,<br />

d.h. eine logische Kette von Befehlen zur Steuerung eines mikroelektronischen<br />

Schaltsystems" (Scheid 1988, S. 6). 14<br />

Mit der wachsenden Verbreitung der Mikroelektronik nimmt dementsprechend<br />

die Bedeutung der Software zu; nur durch anwendungs- <strong>und</strong> k<strong>und</strong>enspezifische<br />

sowie durch benutzerfre<strong>und</strong>liche Software kann sich die<br />

Mikroelektronik "integral <strong>und</strong> universell über die Erzeugungsstufen vieler<br />

oder aller Produktionsstufen" (ebd., S. 5) ausbreiten.<br />

"Der Bedarf an hochkomplexer <strong>und</strong> gleichzeitig spezieller Anwendungssoftware<br />

wird sich in dem Maß ausweiten, wie die zum Einsatz dieser Programme<br />

erforderliche leistungsfähige Technik zu ständig fallenden Preisen<br />

angeboten <strong>und</strong> eingesetzt wird" (Charlier 1988, S. 54).<br />

Die gegenwärtige <strong>Technikentwicklung</strong> ist somit durch eine zunehmende<br />

Relevanz der Software geprägt, die die Kostenstruktur der Produkte, aber<br />

auch die Kostenstruktur vieler Bereiche der FuE in der Elektro- <strong>und</strong> Elektronikindustrie<br />

affiziert. Diese Veränderung wird durch den Wandel des<br />

Funktion/Preis-Verhältnisses bei Halbleitern <strong>und</strong> bei Hardware noch verstärkt.<br />

Nach U.Briefs lag das Verhältnis der Kosten für Hard- <strong>und</strong> Software<br />

in den 60er Jahren bei 80:20, während es Anfang der 80er Jahre bereits<br />

20:80 lautete (Briefs 1980, S. 35). Hält man sich an andere Quellen,<br />

fällt der Strukturwandel nicht ganz so dramatisch aus. Laut Angaben von<br />

Infratest lagen 1988 in der B<strong>und</strong>esrepublik die Aufwendungen für Software<br />

etwa ein Drittel über den Ausgaben für Hardware. Ein vergleichbarer<br />

Strukturwandel läßt sich auch in bezug auf die Entwicklungskosten<br />

feststellen:<br />

14 R. Scheid ist Hauptgeschäftsführer des ZVEI.<br />

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"Bei der Entwicklung von Großrechnern z.B. ist der Wertschöpfungsanteil<br />

der Systemsoftware drei- bis viermal so groß wie der des Hardwareanteils"<br />

(Scheid 1988, S. 6).<br />

Neben diesen relativen Veränderungen steigt der Kostenanteil <strong>und</strong> der<br />

Produktionswert der Software auch absolut. In diesem Markt- bzw. Produktionssegment<br />

werden, trotz der stark abweichenden Schätzungen über<br />

den Umfang dieses Marktes, die größten Wachstumsraten erwartet. So<br />

unstrittig also die generelle Wachstumstendenz ist, so schwierig ist eine<br />

realistische Einschätzung der vorliegenden Prognosen. Das liegt vor allem<br />

daran, daß die Umrisse des Software-Marktes nicht exakt zu definieren<br />

sind, da der Begriff Software kein einheitliches Produkt bezeichnet. Es<br />

kann darunter System-Software (das Betriebssystem) oder Anwendungs-<br />

Software (Programme) verstanden werden. Letzere läßt sich nochmals unterscheiden<br />

nach Standard-Software (Lösungen für allgemeine Aufgaben<br />

wie z.B. Textverarbeitung oder Finanzbuchhaltung) <strong>und</strong> Individual-Software<br />

(z.B. branchen- oder unternehmensspezifische Lösungen). Zum<br />

Software-Umsatz gehören außerdem Ausgaben für Schulung <strong>und</strong> Beratung<br />

oder für externe Rechenzentrumsleistung (Processing Services).<br />

Um die Bedeutung der Software angemessen erfassen zu können, ist freilich<br />

nicht allein der Markt für Software zu analysieren, sondern es sind<br />

auch die Beträge in Rechnung zu stellen, die von Unternehmen aufgebracht<br />

werden, um Produkte überhaupt durch geeignete Software funktionsfähig<br />

zu machen ("embedded software"). Diese sind bislang statistisch<br />

nicht ausgewiesen <strong>und</strong> nur sehr schwer zu erfassen (s.u.). Siemens gibt beispielsweise<br />

im Geschäftsbericht 1989 an, bei einem Gesamtaufwand von<br />

6,9 Mrd. DM für Forschung <strong>und</strong> Entwicklung "r<strong>und</strong> ein Drittel" für die<br />

Software-Entwicklung auszugeben. Das wären immerhin r<strong>und</strong> 2,3 Mrd.<br />

DM. Eine neuere Untersuchung über den Software-Markt in der BRD<br />

zählt zwar T&K-Beratungs- <strong>und</strong> Planungsleistungen", I&K-Training" <strong>und</strong><br />

"Facilities-Management" zur Software, nicht aber die sog. "versteckte"<br />

(embedded) Software, die nach Angaben derselben Studie "heute bereits<br />

ein Drittel der gesamten Software-Produktion ausmacht" (Buschmann u.a.<br />

1989, S. 11).<br />

Die methodischen Schwierigkeiten, die in den vorliegenden Daten (durch<br />

ihre Konzentration auf den Markt für Software-Produkte) zu einer notori-<br />

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schen Unterbewertung der Entwicklung von Software führen, verdeutlicht<br />

ein Vertreter des ZVEI wie folgt:<br />

"Wie kaum in einem anderen Bereich zeigt sich in der I&K-Technik ein<br />

Wandel in der Wertschöpfungsstruktur, der sich in einem schnell wachsenden<br />

Anteil der Dienstleistungen ausdrückt. Da diese Dienstleistungen<br />

nur zu einem geringen Teil offen verrechnet werden, entziehen sie sich einer<br />

Erfassung im bestehenden statistischen System. Zum Teil werden<br />

Dienstleistungen in Form von Projektierungs- <strong>und</strong> Engineeringsaufgaben,<br />

Erstellung von EDV-Software <strong>und</strong> Finanzierungssonderkosten, Beratung,<br />

Wartung <strong>und</strong> Schulung zwar mit K<strong>und</strong>en fakturiert <strong>und</strong> finden sich im Gesamtumfang<br />

des Umsatzes wieder, zu einem erheblichen Teil werden sie<br />

aber "verdeckt" in den Geräte- <strong>und</strong> Anlagepreisen kalkuliert. In diesem<br />

Fall ist ihr Umfang nicht nachweisbar <strong>und</strong> dürfte von Produktbereich zu<br />

Produktbereich, oft von Firma zu Firma oder gar von Auftrag zu Auftrag<br />

unterschiedlich erfolgen. Das herkömmliche statistische Informationssystem<br />

bietet jedoch keine Ansatzpunkte zur Lösung der unterschiedlichen<br />

"Wertigkeit" der gemeldeten Daten.<br />

Nach einhelliger Auffassung sind die industriellen Dienstleistungen für<br />

eine immer größere Anzahl elektrotechnischer Erzeugnisse - vor allem der<br />

wachstumsintensiven I&K-Bereiche - marktentscheidend. Hinzu kommt,<br />

daß durch das Zusammenwachsen <strong>und</strong> -wirken verschiedener Produktbereiche<br />

immer mehr problemorientierte <strong>und</strong> damit dienstleistungsintensive<br />

K<strong>und</strong>enlösungen gef<strong>und</strong>en werden müssen. Vorsichtige Schätzungen haben<br />

gezeigt, daß ihr Umfang bis zu 45 % des gesamten Anlagenwertes erreichen<br />

kann" (Scheinost 1988, S. 100; Hervorhebungen von uns -<br />

DB/GM).<br />

Obwohl die folgenden Tabellen über die Entwicklung des Software-Markts<br />

die tatsächlichen Ausgaben für Software <strong>und</strong> damit den eingetretenen<br />

Strukturwandel nur unzureichend wiedergeben, verdeutlichen sie doch die<br />

steigende Bedeutung der Software-Produktion. Zu beachten ist hier allerdings,<br />

daß bei den verschiedenen Versuchen, den Wandel der industriellen<br />

Wertschöpfungsstruktur zu erfassen, regelmäßig die Produktion von Software<br />

in der Kategorie der (gesamten) industriellen Dienstleistung aufgeht<br />

(<strong>und</strong> damit darin untergeht).<br />

Zu erkennen ist in Tabelle 5.4 eine deutliche Verschiebung des Verhältnisses<br />

zwischen den Ausgaben für Hard- <strong>und</strong> Software, die sich auch in<br />

den nächsten Jahren fortsetzen soll. Während der Hardware-Anteil relativ<br />

an Bedeutung verHeren wird, sorgt die steigende Nachfrage nach Software<br />

für eine weitere Expansion des gesamten EDV-Geschäfts.<br />

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Tab. 5.5:<br />

Der Markt für Software in der B<strong>und</strong>esrepublik nach Software-Arten<br />

(in Mrd. DM)<br />

Standard-<br />

Software<br />

Anwender-<br />

Software<br />

Processing<br />

Services<br />

Sonstiges<br />

Summe<br />

1980 0,6 1,6 1,1 0,1 3,4<br />

1981 1,0 2,4 1,5 0,3 5,2<br />

1982 1,3 3,3 1,9 0,3 6,8<br />

1983 1,8 4,0 2,2 0,3 8,3<br />

1984 2,3 5,2 2,8 0,5 10,8<br />

1985 3,0 6,3 3,2 0,6 13,1<br />

1986 3,9 7,6 3,6 0,7 15,8<br />

1987 4,8 9,0 4,0 0,8 18,6<br />

Quelle: VDMA-Fachgemeinschaft Büro- <strong>und</strong> Informationstechnik<br />

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Untersucht man, welche Software-Arten die größten Wachstumsraten<br />

aufweisen, so ergibt sich das vorstehende Bild (Tab. 5.5).<br />

Demnach hat Standard-Software (Steigerungsrate: 700 %) den größten<br />

Zuwachs zu verzeichnen, gefolgt von Anwender-Software (487,5 %) <strong>und</strong><br />

den sog. Processing Services (38,4 %). Deutlich zu erkennen ist neben der<br />

absoluten auch die relative Zunahme von Standard-Software, deren Anteil<br />

am Gesamtmarkt im Zeitraum 1980 bis 1987 von 17,2 % auf 25,8 % zugenommen<br />

hat. Dieser Zuwachs der Standard-Software beschleunigt den<br />

Wandel von einem Verkäufer- zu einem Käufermarkt. Da dabei zunehmend<br />

für anonyme Abnehmer produziert werden muß, erhöht sich auch<br />

das Risiko der Programmentwicklung. Allerdings ist in der vom VDMA<br />

publizierten Übersicht offensichtlich der Umfang der von den Anwendern<br />

selbst produzierten Software unterschätzt worden. Eine von verschiedenen<br />

Verbänden in Auftrag gegebene Infratest-Studie schätzt das Marktvolumen<br />

des Jahres 1988 auf 32,2 Mrd. DM, wovon über 20 Mrd. DM auf die<br />

Eigenentwicklungen der EDV-Anwender entfallen. Dabei handelt es sich<br />

um die Datentechnik-Abteilungen in mittleren <strong>und</strong> großen Industrieunternehmen.<br />

Unsere Analyse des Software-Marktes hat bislang ergeben, daß die Bedeutung<br />

von Software absolut <strong>und</strong> relativ zunimmt <strong>und</strong> auf dem Software-<br />

Markt zwei bedeutende, erhebliche Arbeitskapazitäten bindende Bereiche<br />

der Software-Produktion stark unterschätzt werden oder gar nicht auftauchen:<br />

von Anwendern erstellte Software 15<br />

<strong>und</strong> "embedded Software", die<br />

als integraler Bestandteil von Systemen verkauft wird. Interessiert man<br />

sich nun für mögliche Folgen der zunehmenden Bedeutung von Software<br />

für die Entwicklung industrieller Sozialstrukturen <strong>und</strong> Veränderungen in<br />

der Struktur der Wertschöpfung, so muß man zunächst in Rechnung stellen,<br />

daß die Produktivität in der Software-Herstellung relativ niedrig ist<br />

<strong>und</strong> sich im Unterschied zur Hardware-Produktion vergleichbare Sprünge<br />

im Preis-Leistungsverhältnis nicht eingestellt haben. Bisher ließen sich<br />

derartige Fragen kaum durch den Rückgriff auf die öffentliche Statistik<br />

einer Klärung näherbringen. Eine Untersuchung des ZVEI zeigt jedoch<br />

immerhin, wie sich durch die zunehmende Bedeutung der Software - noch<br />

verstärkt durch ihre Integration in Hardware-Produkte - der industrielle<br />

15 Erst in jüngster Zeit sind Bestrebungen der Anwender erkennbar, ihre eigenerstellte<br />

Software auf dem Markt anzubieten.<br />

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Wertschöpfungsprozeß verändert. Diese Erhebung hat allerdings den<br />

Nachteil, nur über ein kleines Sample berichten zu können, das wahrscheinlich<br />

überproportional viele Großunternehmen enthält <strong>und</strong> somit<br />

nicht repräsentativ ist. Zudem liegen nur einige Schlußfolgerungen bzw.<br />

Interpretationen durch Vertreter des ZVEI vor, da die Studie bislang<br />

nicht veröffentlicht wurde. 16<br />

"Eine bei 20 Unternehmen der Elektroindustrie (...) zum Jahresanfang<br />

1988 durchgeführte (unveröffentlichte) Püotstudie hat ergeben, daß jeder<br />

dritte Beschäftigte mit der Erstellung von Software bzw. industriellen<br />

Dienstleistungen befaßt ist. Nach industrieinternen Schätzungen hat sich<br />

der Anteil der Software, gemessen an der Nettowertschöpfung des Sektors,<br />

in den letzten zehn Jahren von etwa 10 auf 25 % mehr als verdoppelt. Ansichts<br />

der (...) Wachstumsraten der Softwareerstellung wird die Entwicklung<br />

sich - vielleicht sogar beschleunigt - fortsetzen" (Scheid 1988, S. 8;<br />

Hervorhebungen von uns - DB/GM). 1<br />

Dies gilt um so mehr, wenn man einen weiten Software-Begriff verwendet,<br />

der auch den Folgeaufwand einer Programmimplementation zu den Software-Kosten<br />

selbst rechnet:<br />

"Softwareentwicklung ist humankapital-intensiv, <strong>und</strong> Softwareanwendung<br />

löst einen hohen Folgeaufwand für Beratung, Wartung, K<strong>und</strong>en- <strong>und</strong> Mitarbeiterschulung<br />

aus" (Scheid 1988, S. 21).<br />

Aus diesem Gr<strong>und</strong>e kann es kaum verw<strong>und</strong>ern, daß sich nach Einschätzung<br />

von Branchenkennern die Struktur des Software-Marktes selbst stark<br />

verändert. Gefragt ist nicht mehr das einzelne Produkt, sondern das Projekt<br />

oder das System. Damit steigen auch die Entwicklungskosten <strong>und</strong> verstärken<br />

einen Trend, der sich bereits aus technologisch naheliegenden<br />

Gründen angebahnt hatte: In zunehmendem Umfang wird der Software-<br />

Markt zum Geschäftsfeld großer Hardware-Hersteller. Die nachfolgende<br />

Tabelle 5.6 läßt diesen Tatbestand allerdings nur ahnen, da - wie bereits<br />

16 Auch die nachfolgenden Erhebungen, die von der Infratest-industria GmbH<br />

durchgeführt wurden, sind nur für ausgewählte Teile der Öffentlichkeit zugänglich.<br />

17 Methodisch basierte diese Studie auf einem Input-Konzept, demzufolge die<br />

"anteiligen Arbeitsst<strong>und</strong>en in bezug auf die Software-Erstellung erfragt wurden<br />

<strong>und</strong> aus diesem Arbeitszeitanteil auf die Wertschöpfung hochgerechnet" wurde<br />

(Scheid 1988, S. 19). Auf diese Weise ließ sich der in die konventionelle Hardware<br />

eingegangene Wertanteil der Software getrennt erfassen.<br />

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erwähnt - die Daten des VDMA die von Anwendern selbst erstellte Software<br />

nur ungenügend berücksichtigen.<br />

Tab. 5.6:<br />

Der Markt für Software in der B<strong>und</strong>esrepublik nach Software-Anbietern<br />

(in Mrd. DM)<br />

Hardware- Software Sonstige Anwender- Summe<br />

Hersteller u. System- Anbieter erstellte<br />

häuser<br />

Software<br />

1980 1,0 1,7 0,2 0,5 3,4<br />

1981 1,5 2,4 0,4 0,9 5,2<br />

1982 2,0 3,0 0,5 1,3 6,8<br />

1983 2,4 3,7 0,4 1,8 8,3<br />

1984 3,2 4,8 0,3 2,5 10,8<br />

1985 3,9 5,9 0,2 3,1 13,1<br />

1986 4,7 7,0 0,3 3,8 15,8<br />

1987 5,5 8,4 0,4 4,3 18,6<br />

Quelle: VDMA-Fachgemeinschaft Büro- <strong>und</strong> Informationstechnik<br />

Deutlich wird in dieser Aufstellung immerhin, daß der Anteil der Software-<br />

<strong>und</strong> System-Häuser an Gesamtmarkt von 50 % im Jahr 1980 auf<br />

45,2 % im Jahr 1987 zurückgegangen ist. Der wachsende Anteil der Hardware-Hersteller<br />

am gesamten Software- <strong>und</strong> Service-Umsatz in der B<strong>und</strong>esrepublik<br />

bleibt dagegen unsichtbar. Nach Untersuchungen der Beratungsfirma<br />

Diebold erhöhte sich dieser Anteil zwischen 1984 <strong>und</strong> 1987 von<br />

29 % auf 42 %. Diese Marktveränderungen gehen auf seiten der Hersteller<br />

mit umfassenden Restrukturierungsmaßnahmen einher.<br />

"Die großen Firmen haben die Zeichen der Zeit erkannt. Sie haben erkannt,<br />

daß Hardware heute nur noch im Zusammenwirken mit entsprechender<br />

Software verkauft werden kann. Auf diese Entwicklung versuchen<br />

sie zu reagieren, indem sie ihren Markterfolg zunehmend im Softwarebereich<br />

suchen. Entsprechende Umstrukturierungen der Unternehmen werden<br />

vorangetrieben. Das große Strategiekonzept 'SAA' der IBM lebt davon,<br />

daß es eine einheitliche Architektur sowohl der verschiedenen Computertypen<br />

als auch der gesamten von IBM hergestellten Software verspricht"<br />

(Küche 1989, S. 41).<br />

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IBM liefert noch weitere Indizien für den Wandel der Computerindustrie<br />

von einer "Hardware- zu einer Software-Welt". So wurde zum Beispiel die<br />

Hardware-Fabrik in Hannover zu einem "Software- <strong>und</strong> Service-Zentrum"<br />

umstrukturiert. Außerdem wurde die Kooperation mit Software-Häusern<br />

weiter verstärkt. Mittlerweile arbeitet IBM mit etwa 700 bis 800 Software-<br />

Häusern in der B<strong>und</strong>esrepublik zusammen. Unter den gegebenen Arbeitsmarktbedingungen<br />

scheint dies der einzig gangbare Weg zu sein, um<br />

in ausreichendem Umfang Software-Know-how zu erschließen.<br />

Einiges spricht dafür, daß die Wachstumsdynamik im Software-Bereich<br />

anhalten wird:<br />

"Als Gründe für den stetig gewachsenen <strong>und</strong> weiter wachsenden Einfluß<br />

der Softwareentwicklung in der Computerindustrie lassen sich nennen:<br />

eine Vielzahl bestehender alter Programme <strong>und</strong> Datenmengen, die gewartet<br />

<strong>und</strong> fortgeschrieben werden müssen,<br />

höhere Anforderungen der Anwender an die Leistungsfähigkeit der Datenhaltung<br />

<strong>und</strong> der Programmsysteme ('integrierte System'),<br />

größere Anzahl von Computerbenutzern mit unterschiedlichen Anforderungen"<br />

(Kliche 1989, S. 41).<br />

Wie das beschleunigte Vordringen der Hardware-Hersteller in den Software-Markt<br />

zeigt, findet bei diesen Unternehmen eine strategische Umorientierung<br />

statt. Dazu waren die Voraussetzungen insofern günstig, da<br />

sie "mit ihren Software-Entwicklungsabteilungen bereits heute die größten<br />

,<br />

Software-Unternehmen ,<br />

sind" (Buschmann u.a. 1989, S. 121). Darüber<br />

hinaus ist selbst bei großen Konzernen mit bereits umfangreicher EDV-<br />

Kompetenz im eigenen Hause die Strategie zu beobachten, sich an den sogenannten<br />

"unabhängigen" Software-Häusern zu beteiligen. Allerdings ist,<br />

zumindest nach Auffassung von H. O. Henkel, dem Vorstandsvorsitzenden<br />

von IBM Deutschland, dem Marktführer für Hard- <strong>und</strong> Software, die<br />

technologische Entwicklung des EDV-Markts auch von der Hardware-<br />

Seite abhängig:<br />

"Bei allen Verschiebungen in Richtung Software <strong>und</strong> Dienstleistungen<br />

dürfen wir die Bedeutung der technologischen Entwicklungen, sprich<br />

Hardware, nicht unterschätzen. Viele der heutigen Anwendungen waren<br />

nur möglich <strong>und</strong> bezahlbar durch das günstige Preis-Leistungsverhältnis<br />

unserer Rechner. Ohne Innovationen in der Hardware wäre zudem die<br />

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Entwicklung bei der Software gar nicht möglich gewesen (...). Ich halte die<br />

gängige Aussage, daß Hardware weniger wichtig ist als Software, für blanken<br />

Unsinn" (Henkel 1989; zitiert nach High-Tech 3/1989, S. 32).<br />

Nicht zuletzt das verstärkte Engagement der Hardware-Hersteller im<br />

Software-Bereich wird nach Auffassung einschlägiger Marktforschungsinstitute<br />

den Konzentrationsprozeß innerhalb der Branche verstärken, in der<br />

noch 1988 über 6.000 Anbieter tätig waren, von denen die Mehrzahl weniger<br />

als fünf Mitarbeiter beschäftigte (FAZ v. 17.2.88). Dabei wird der<br />

Konzentrationsprozeß in Deutschland zunächst die größeren Software-<br />

Unternehmen treffen. Allerdings beschäftigen in der B<strong>und</strong>esrepublik nur<br />

r<strong>und</strong> 70 Software-Unternehmen mehr als 100 Mitarbeiter.<br />

"Im Vergleich zu den französischen <strong>und</strong> englischen Software-Unternehmen<br />

sind diese Unternehmen immer noch 'Zwerge'. Ihre internationale Marktbedeutung<br />

ist bisher gering" (Buschmann u.a. 1989, S. 27).<br />

Insgesamt dürfte die Position von kleineren, Software herstellenden Unternehmen<br />

nicht stärker werden <strong>und</strong> das paradoxerweise nicht zuletzt wegen<br />

des Trends zu sogenannten offenen Systemen. Dieser habe, so heißt es<br />

lapidar in einer Ausgabe des Diebold Management Report, "viele Software-Häuser<br />

zur verlängerten Werkbank der DV-Hersteller gemacht"<br />

(1989, S. 10). Weitere Ursachen sind die häufige Unterkapitalisierung,<br />

Schwächen in Marketing <strong>und</strong> Vertrieb sowie mangelnde Auslandserfahrung,<br />

die vor allem kleinere Software-Firmen zu Kooperationen, Beteiligungen<br />

<strong>und</strong> auch zu Fusionen zwingen.<br />

Daran sind gerade auch Unternehmen außerhalb der Elektroindustrie interessiert,<br />

wie das starke unmittelbare oder mittelbare Engagement der<br />

meisten Automobilhersteller zeigt. Kooperation ist ein strategisch eingesetztes<br />

Mittel, um den Anschluß an die Entwicklung von "Zukunftstechnologien"<br />

zu halten oder das eigene Produktspektrum besser gegen Nachfrageeinbrüche<br />

abzusichern. Kooperation ist aber, wie noch zu zeigen sein<br />

wird (s. Kapitel 9), nicht nur in der Software-Branche ein wichtiges Thema.<br />

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5.4 Produktions- <strong>und</strong> Absatzstruktur<br />

Ein wesentliches Merkmal der Elektrotechnischen Industrie ist ihre<br />

außerordentlich breite Produktpalette, die von der Glühbirne über den<br />

Mikrochip bis hin zum Kernkraftwerk reicht. Dementsprechend vielfältig<br />

sind die vorfindlichen Produktionsprozesse, die das Spektrum zwischen<br />

einfacher Handarbeit <strong>und</strong> vollautomatischer Fertigung abdecken. Die<br />

Produktionsstruktur dieses Wirtschaftszweiges wird gewöhnlich in drei Erzeugnisgruppen<br />

untergliedert: Investitionsgüter, Gebrauchsgüter, Vorerzeugnisse<br />

<strong>und</strong> sonstiges (Tab. 5.7). Dabei hat sich der Schwerpunkt der<br />

elektrotechnischen Produktion eindeutig zum Investionsgüterbereich hin<br />

verlagert; dieser hatte 1987 einen Anteil von 64,3 % an der Gesamtproduktion.<br />

Die höchsten Wachstumsraten dieses Bereichs weisen die Nachrichtentechnik,<br />

die Meß- <strong>und</strong> Regeltechnik sowie die Bauelemente auf<br />

(Abb. 5.3 <strong>und</strong> Tab. 5.7), allesamt Produktionsbereiche, denen in der Wirt-<br />

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Schaftsberichterstattung häufig das Prädikat "zukunftsträchtig <strong>und</strong> innovativ"<br />

zuerkannt wird <strong>und</strong> die dazu beigetragen haben, daß es seit den 60er<br />

Jahren zu einer Strukturverschiebung von der Starkstrom- zur Schwachstromtechnik<br />

gekommen ist. Neuerdings verzeichnet auch die Kfz-Elektrik<br />

bedeutende Zuwächse. Gerade diese Produktgruppe macht deutlich, daß<br />

auch Teile der Investitionsgüterproduktion direkt von der Entwicklung des<br />

privaten Konsums abhängig sind.<br />

Energietechnik<br />

Nachrichtentechnik<br />

Meß- <strong>und</strong> Regeltechnik<br />

Haushaltsgeräte<br />

Unterhaltungselektronik<br />

Kfz-Elektrik<br />

Beleuchtungstechnik<br />

Bauelemente<br />

Elektrotechnik<br />

Bruttosozialprodukt<br />

Quellen: ZVEI; Hypo Bank: Volkswirtschaftliche Abteilung<br />

Abbildung 5.3<br />

Durchschnittliches reales Wachstum der Produktion<br />

(1977-1986; in Prozent)<br />

Nach einer Analyse der Hypo-Bank (Mai 1987) neigt die Mehrzahl der<br />

Unternehmen gerade in Wachstumsbereichen wie Nachrichtentechnik,<br />

Meß- u. Regeltechnik sowie Bauelemente zu Kapazitätserweiterungen. In-<br />

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wieweit damit auch verstärkte Anstrengungen für Forschung <strong>und</strong> Entwicklung<br />

verb<strong>und</strong>en sind, ist auf der Basis des vorliegenden Materials für die<br />

gegenwärtige Situation nicht ersichtlich. Hält man sich aber an die Angaben<br />

des BDI für den Zeitraum zwischen 1966 <strong>und</strong> 1976, so scheint die Annahme<br />

eines positiven Zusammenhangs zwischen Wachstumsbereichen<br />

<strong>und</strong> dem jeweiligen FuE-Aufwand plausibel zu sein (vgl. BDI 1979, S. 223<br />

f.).<br />

Im Gebrauchsgüterbereich, dessen Anteil bei 17 % an der Produktion<br />

liegt, dominieren die Unterhaltungselektronik <strong>und</strong> die elektrotechnischen<br />

Hausgeräte. Dieser Bereich besitzt gegenüber den 60er <strong>und</strong> 70er Jahren<br />

einen deutlich geringeren relativen Anteil an der Gesamtproduktion. Die<br />

restlichen 18,7 % der Produktion entfallen zu annähernd gleichen Teilen<br />

auf Bauelemente, Montagen <strong>und</strong> Reparaturen sowie auf sonstige Vorerzeugnisse.<br />

Wie erwähnt (s. Abschnitt 5.3.2) gibt es in den gängigen Darstellungen<br />

zur Entwicklung der Elektrotechnischen Industrie nur wenige<br />

Angaben über die wachsende Bedeutung der Software-Produktion, insbesondere<br />

für den Bereich der "embedded software".<br />

Zum Abnehmerkreis des breiten Produktspektrums der Elektroindustrie<br />

gehören sowohl private <strong>und</strong> industrielle Nachfrager als auch der Staat<br />

(Deutsche B<strong>und</strong>espost, Deutsche B<strong>und</strong>esbahn, B<strong>und</strong>eswehr). Darüber<br />

hinaus wird ein Großteil der elektrotechnischen Investitionsgüter <strong>und</strong><br />

Bauelemente von der Elektroindustrie selbst weiterverarbeitet oder eingesetzt.<br />

5.5 Konzentrationsgrad, Unternehmens- <strong>und</strong> Betriebsstruktur<br />

Die Elektrotechnische Industrie zeichnet sich durch einen hohen Konzentrationsgrad<br />

aus. Der Gr<strong>und</strong> dafür ist z.T. in den besonderen Produktionsbedingungen<br />

der Branche zu suchen. Großtechnische Systeme der Energie-<br />

<strong>und</strong> Nachrichtentechnik begünstigten aufgr<strong>und</strong> des hohen Kapitalaufwandes<br />

schon historisch früh die Herausbildung finanzstarker Großunternehmen.<br />

Zieht man als Indikator für den Konzentrationsgrad die Umsatz- <strong>und</strong> Beschäftigtenanteile<br />

der jeweils größten Unternehmen heran, so zeigt sich<br />

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innerhalb der Elektroindustrie während der 70er Jahre zum einen eine gegenüber<br />

den meisten anderen Branchen hohe Konzentration, zum anderen<br />

ein Fortschreiten des Konzentrationsprozesses. Nach Angaben des ZVEI<br />

erzielten z.B. 1978 die neun größten Unternehmen mehr als die Hälfte des<br />

Umsatzes <strong>und</strong> beschäftigten mehr als 50 % der in der gesamten Branche<br />

tätigen Arbeitskräfte. Damit hat sich der Anteil dieser Unternehmen gegenüber<br />

1974 deutlich erhöht (vgl. Institut für Bilanzanalysen 1980). Orientiert<br />

man sich an der Konzentrationsstatistik der Monopolkommision,<br />

so ist dieser Anteil bis 1983 zwar wieder etwas zurückgegangen; dennoch<br />

liegt das Schwergewicht nach wie vor bei den wenigen Großunternehmen.<br />

Bezogen auf einzelne Produktbereiche liegt der Konzentrationsgrad (hier:<br />

der Anteil der jeweils drei, sechs oder zehn größten Unternehmen am<br />

Produktionswert) z.T. sehr viel höher (vgl. Monopolkommision, Hauptgutachten<br />

1984/85, S. 334).<br />

"Dabei ist vor allem zu beachten, daß die expandierenden, technologisch<br />

zukunftsträchtigen Bereiche durchweg überdurchschnittlich stark konzentriert<br />

sind: Dies gilt für die Nachrichtentechnik, die Meß- <strong>und</strong> Regeltechnik<br />

<strong>und</strong> die ADV-Anlagen" (Goldberg 1985, S. 290).<br />

Dementsprechend zeigt sich auch bei den Ausgaben für Forschung <strong>und</strong><br />

Entwicklung eine Dominanz der Unternehmen mit mehr als 10.000 Beschäftigten.<br />

Auf diese Firmen entfiel 1983 ein Anteil von 70,1 % am gesamten<br />

FuE-Aufwand der Elektroindustrie. Im Vergleich zu den Jahren<br />

1971 bis 1977, in denen dieser Anteil noch zwischen 85 % <strong>und</strong> 90 % lag, ist<br />

allerdings ein deutlicher Rückgang zu verzeichnen, der jedoch nicht als ein<br />

Nachlassen im FuE-Engagement der Großunternehmen verstanden werden<br />

darf (s. Abschnitt 6.7).<br />

Neben diesen Großunternehmen, die auf die Entwicklungsdynamik der<br />

Branche ganz entscheidenden Einfluß nehmen, gibt es eine große Zahl von<br />

kleineren <strong>und</strong> mittleren Unternehmen. Die vormals gültige Gleichsetzung:<br />

Großunternehmen = Universalunternehmen, Klein- <strong>und</strong> Mittelunternehmen<br />

= SpezialUnternehmen, scheint indes nicht mehr uneingeschränkt<br />

gültig zu sein. Es zeichnet sich die Entwicklung ab, daß auch Großunternehmen<br />

sich verstärkt auf spezifische Kernbereiche konzentrieren <strong>und</strong><br />

nicht mehr den Anspruch einer möglichst breiten Produktpalette vertreten<br />

(s. Teil D). Einzig Siemens <strong>und</strong> neuerdings, wenn auch mit Abstrichen,<br />

Bosch können noch als deutsche Universalunternehmen der Elektro- <strong>und</strong><br />

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Elektronikindustrie gelten. Die Sonderstellung dieser beiden Unternehmen<br />

kommt auch in einer Aufstellung zum Ausdruck, die die beschäftigungs-<br />

<strong>und</strong> umsatzstärksten Elektrokonzerne in der B<strong>und</strong>esrepublik<br />

Deutschland erfaßt (Abb. 5.4). Bei der Interpretation der Konzentrationstendenzen<br />

der Elektroindustrie ist der hohe Grad interner Verflechtung<br />

unter den größten Elektrokonzernen zu berücksichtigen (z.B. Bosch-Siemens-Hausgeräte<br />

GmbH, Philips-Gr<strong>und</strong>ig). Bemerkenswert ist auch der<br />

hohe Grad externer Verflechtung, also die starke Stellung der nationalen<br />

Töchter multinationaler Universal- <strong>und</strong> Spezialkonzerne (wie IBM,<br />

Philips, ABB, SEL). Neben diesen Verflechtungen der Großunternehmen<br />

untereinander gibt es eine Vielzahl kleinerer <strong>und</strong> mittlerer Unternehmen,<br />

die direkt oder indirekt unter dem Einfluß dieser Großunternehmen stehen.<br />

18<br />

Bezogen auf die Innovationstätigkeit innerhalb der Elektrotechnischen Industrie<br />

zeichnet sich eine Arbeitsteilung zwischen Großunternehmen <strong>und</strong><br />

kleineren Firmen ab (vgl. Schmalholz, Scholz 1985). Angewandte Forschung,<br />

in Ansätzen auch Gr<strong>und</strong>lagenforschung, sowie experimentelle<br />

Entwicklung sind die Domäne von Großunternehmen. Die systematische<br />

Durchführung von FuE-Arbeit in diesen Bereichen, die das Zusammenspiel<br />

einer großen Zahl von zusammenhängenden Teilprojekten erfordert,<br />

ist die Gr<strong>und</strong>lage für die Realisierung von komplexen technologischen<br />

Produkten <strong>und</strong> Systemen. Demgegenüber sind für kleinere Unternehmen<br />

diejenigen Entwicklungstätigkeiten charakteristisch, bei denen nicht ein<br />

hoher Aufwand für Innovationstätigkeiten Voraussetzung ist, sondern wo<br />

es auf spezialisierte <strong>und</strong> marktnahe Wissensbestände <strong>und</strong> Fähigkeiten ankommt.<br />

Oft werden von diesen Firmen Marktbereiche erschlossen, die von<br />

Großunternehmen, in des Wortes doppelter Bedeutung, nicht wahrgenommen<br />

werden.<br />

18 Zu Siemens gehören: Osram, Hell, Vacuumschmelze Hanau, RBU, Interatom,<br />

Heimann usw.; zu Bosch gehören: Blaupunkt, Telenorma, ANT <strong>und</strong> jeweils viele<br />

andere kleinere Unternehmen (vgl. Geschäftsberichte; vgl. Hoppenstedt, Konzerne<br />

aktuell, mehrere Ausgaben).<br />

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5.6 Außenhandel<br />

Die Elektrotechnische Industrie gehört zu den exportintensivsten Branchen<br />

der westdeutschen Wirtschaft. Mit einer Exportquote gemessen am<br />

Umsatz von ca. 40 % <strong>und</strong> einem Anteil von über 11 % (ohne ADV) am<br />

Warenexport der Gesamtindustrie lag sie 1987 hinter dem Maschinenbau,<br />

dem Fahrzeugbau <strong>und</strong> der Chemischen Industrie an vierter Stelle (vgl. Ifo<br />

1988). Ihr Anteil an der Elektroausfuhr der westlichen Industrieländer<br />

weist, nachdem er zwischen 1950 <strong>und</strong> 1970 kontinuierlich angestiegen <strong>und</strong><br />

danach merklich zurückgegangen war, seit 1985 erneut eine steigende<br />

Tendenz auf. Mit einer Quote von 16,7 % im Jahre 1987 nahm die westdeutsche<br />

Elektroindustrie hinter Japan <strong>und</strong> den USA den dritten Platz auf<br />

dem Weltelektromarkt ein (vgl. ZVEI 1988). Bei der Interpretation derartiger<br />

Ranglisten, die Aufschluß über die Wettbewerbsposition eines Landes<br />

versprechen, sind neben Wechselkursveränderungen jedoch vor allem<br />

veränderte Investitionsstrategien von Unternehmen zu beachten. So ist<br />

seit den 70er Jahren eine Umorientierung in der Außenhandelsstrategie<br />

der westdeutschen Elektroindustrie zu verzeichnen, die in Richtung einer<br />

"Exportsubstitution durch Auslandsfertigung" (Benz-Overhage u.a. 1982)<br />

geht. Der Kampf um ausländische Marktanteile wird dabei nicht mehr allein<br />

durch Exporte;, sondern durch die Produktion im Ausland geführt.<br />

"Die Unternehmen der Elektrotechnischen Industrie besaßen Ende 1985<br />

für nicht weniger als 13,9 Mrd. DM direkte Beteiligungen im Ausland, vor<br />

allem in den USA <strong>und</strong> Westeuropa. Ende 1976 waren es erst 5,1 Mrd. DM.<br />

Dagegen wurden ausländische Beteiligungen in der B<strong>und</strong>esrepublik im<br />

gleichen Zeitraum von 6,2 Mrd. DM auf 4,9 Mrd. DM abgebaut" (Hypo­<br />

Bank, Mai 1987, S. 4).<br />

Da die Import- <strong>und</strong> Exportquoten seit einer Reihe von Jahren fast ununterbrochen<br />

steigen, hat sich die Außenhandelsverflechtung erheblich erhöht<br />

(Tab. 5.8). Dabei war durchgehend ein deutlicher Exportüberschuß<br />

zu verzeichnen. Zusätzlich muß berücksichtigt werden, daß die Abhängigkeit<br />

von ausländischen Abnehmern noch stärker ist als durch die Exportquote<br />

ersichtlich, da ein Gutteil der elektrotechnischen Produktion Bestandteil<br />

von weiterverarbeiteten Erzeugnissen wird <strong>und</strong> deshalb zu den<br />

sogenannten indirekten Ausfuhren zählt.<br />

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Die Ein- <strong>und</strong> Ausfuhrquoten der einzelnen Erzeugnisbereiche sind sehr<br />

unterschiedlich. Hohe Exportanteile zeigen sich vor allem bei den Bauelementen<br />

der Elektronik (1981: 92,9 %) <strong>und</strong> der Unterhaltungselektronik<br />

(1981: 61,3 %). Geringe Ausfuhranteile wiesen die Nachrichtentechnik<br />

<strong>und</strong> die Kfz-Elektronik auf (1981 jeweils 30 %). Die stärksten Wachstumsraten<br />

bei den Exporten lagen im Bereich der Schwachstrom-Investitionsgüter.<br />

Die Frage, ob tatsächlich, wie etwa vom BDI (1979) angedeutet,<br />

eine positive Korrelation zwischen der Höhe der Ausfuhrquoten bestimmter<br />

Warenklassen <strong>und</strong> der jeweiligen FuE-Quote besteht, kann allerdings<br />

angesichts des hohen Aggregationsniveaus, auf dem die Daten über FuE-<br />

Ausgaben vorliegen, nicht entschieden werden.<br />

5.7 Produktionsfaktoren in der Elektroindustrie<br />

Sofern man in Anbetracht der heterogenen Produktionsstruktur der Elektroindustrie<br />

überhaupt von einer Branche sprechen kann, gilt diese als re-<br />

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lativ arbeitsintensiv. Betrachtet man den Anteil der Löhne <strong>und</strong> Gehälter<br />

am Produktionswert, so liegt dieser in der Elektroindustrie fast so hoch<br />

wie im Maschinenbau (Tab. 5.9). 19<br />

Tab. 5.9:<br />

Anteil der Löhne am Produktionswert in ausgewählten Industriezweigen<br />

(1987 - in Prozent)<br />

Elektrotechnik inkl. Rep. von elektrotech. Haushaltsgeräten 27,16<br />

Maschinenbau 28,75<br />

Straßenfahrzeugbau, Reparaturen von Kfz. usw. 20,31<br />

Chemische Industrie 18,77<br />

Durchschnitt des Verarbeitenden Gewerbes 21,19<br />

Quelle: Ifo 1988<br />

Die Kapitalintensität der Elektroindustrie, also das Brutto-Anlagevermögen<br />

je Beschäftigten, liegt seit 1970 unter dem Durchschnitt des Verarbeitenden<br />

Gewerbes, aber auch unter dem Durchschnitt der Chemieindustrie,<br />

der Automobilindustrie <strong>und</strong> des Maschinenbaus. Die Kapitalintensität war<br />

1986 in der Elektroindustrie nahezu auf dem gleichen Niveau wie im Maschinenbau,<br />

erst 1987 stieg der Wert leicht über den des Maschinenbaus<br />

(Tab. 5.10).<br />

Allerdings sind auch in dieser Frage weitere Differenzierungen notwendig,<br />

da die Elektroindustrie ein sehr breit gefächertes Produktionsprogramm<br />

aufweist. Je nach markt- <strong>und</strong> produktionsökonomischen Anforderungen<br />

<strong>und</strong> je nach Stand der Technik sind Kapital-, Material- <strong>und</strong> Lohnintensität<br />

der elektrotechnischen Produktion höchst unterschiedlich. Die Jahresproduktion<br />

je Beschäftigten, 20<br />

die vom ZVEI für die einzelnen Güterklassen<br />

19 Für 1987 gibt der ZVEI folgende Werte an (Arbeitslöhne <strong>und</strong> Gehälter bezogen<br />

auf 1.000 DM Produktionswert): Elektroindustrie DM 299, Maschinenbau<br />

DM 288 (ZVEI 1988).<br />

20 Zur Definition der "Jahresproduktion je Beschäftigten" vgl. auch Berger 1984, S.<br />

48.<br />

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der Produktionsstatistik erhoben wird, ist, unterstellt man wie üblich eine<br />

enge (Wechsel-)Beziehung von Lohn- <strong>und</strong> Kapitalintensität, eine Maßzahl,<br />

die Aufschluß über den Produktivitätsfortschritt unterschiedlicher Segmente<br />

der Elektroindustrie geben kann. Im Jahre 1987 wurde die höchste<br />

Produktion je Beschäftigten 21<br />

in Konsumgüterbereichen bzw. in Bereichen,<br />

die ohne großen technologischen Aufwand oder mit Methoden der<br />

Massenproduktion produzieren können, erzielt. Investitionsgüter liegen in<br />

der Regel unterhalb des Durchschnitts; die Ausnahme von dieser Regel<br />

stellen solche Produkte dar, die in großen Serien aufgelegt werden; zu<br />

nennen ist hier vor allem die Automobilelektronik. Forschungs- <strong>und</strong> entwicklungsintensive<br />

Bereiche weisen wiederum, wenn in ihnen keine hohen<br />

Stückzahlen produziert werden, vergleichsweise niedrige Produktionswerte<br />

pro Beschäftigten aus. Dies dürfte daran liegen, daß die Arbeitsleistung<br />

21 Das Statistische B<strong>und</strong>esamt unterscheidet zusätzlich noch zwischen dem Produktionsergebnis<br />

je Arbeiter <strong>und</strong> je Arbeiterst<strong>und</strong>e" <strong>und</strong> dem "Produktionsergebnis<br />

je Beschäftigten <strong>und</strong> je Beschäftigtenst<strong>und</strong>e" (vgl. Statistisches B<strong>und</strong>esamt<br />

1988, S. 185 f.).<br />

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der FuE-Abteilungen mindestens teilweise direkt in die Berechnung dieser<br />

Kategorie eingeht. 22<br />

Die Entwicklung der Jahresproduktion je Beschäftigten kann jedoch nur<br />

zu einer groben Orientierung bezüglich der Produktivitätsentwicklung der<br />

Elektroindustrie <strong>und</strong> ihrer Unterabteilungen beitragen. Die marktökonomischen<br />

Bedingungen einer Subbranche schlagen insofern auf die Produktionsbedingungen<br />

durch, als sich in Bereichen mit starkem Marktwachstum<br />

<strong>und</strong> entsprechender Produktionsausweitung auch der höchste Produktivitätsfortschritt<br />

je Beschäftigten feststellen läßt. Seit Mitte der 70er Jahre<br />

sind insbesondere Meß- <strong>und</strong> Regeltechnik, Nachrichtentechnik <strong>und</strong> elektrische<br />

Kfz-Ausrüstungen zu nennen, Subbranchen der Elektroindustrie<br />

also, die von der Miniaturisierung elektronischer Bauelemente stark profitieren<br />

<strong>und</strong> die eine enge Verbindung von Produkt- <strong>und</strong> Prozeßinnovation<br />

aufweisen.<br />

5.8 Branchenwirtschaftliche Entwicklung<br />

Krisentheoretische Überlegungen zum Zusammenhang von ökonomischer<br />

<strong>und</strong> technologischer Entwicklung haben wir bislang vernachlässigt. Gleichwohl<br />

kann kein Zweifel darüber bestehen, daß eine Beziehung zwischen<br />

der allgemeinen zyklischen Bewegung der Konjunktur <strong>und</strong> bestimmten<br />

Entwicklungsschritten der <strong>Technikentwicklung</strong> besteht. Wie eng diese tatsächlich<br />

ist <strong>und</strong> in welchem Maße langfristige ökonomische Entwicklungen<br />

einerseits ("lange Wellen") oder kurzfristige konjunkturelle Schwankungen<br />

andererseits den technischen Wandel beeinflussen, ist nach unserem Eindruck<br />

in der ökonomischen Literatur theoretisch einstweilen noch offen<br />

<strong>und</strong> empirisch erst in Ansätzen erforscht (vgl. Mensch 1977; Dosi u.a.<br />

1988; Blackburn u.a. 1985; Kleinknecht 1984)/ 5<br />

22 Dies gilt wohl vor allem für die Bauelemente, die Nachrichtentechnik <strong>und</strong> die<br />

Einrichtungen zur Elektrizitätserzeugung <strong>und</strong> -Umwandlung; vgl. Berger 1984, S.<br />

48; ZVEI1988; Tab. 15).<br />

23 Auch in Techniksoziologie <strong>und</strong> Technikgeschichte dominieren Ansätze, die<br />

gleichsam evolutionstheoretisch bestimmte <strong>Technikentwicklung</strong>en aus den<br />

(wechselnden) K<strong>und</strong>enpräferenzen erklären ("demand pull"). Seltener (dafür<br />

aber um so überzeugender) sind Versuche, bestimmte Entwicklungen der Technik<br />

aus den Vorteilen für ihre Hersteller zu erklären (vgl. den Aufsatz von Cowan-Schwartz<br />

mit dem schönen Titel: How the refrigerator got its hum, 1985).<br />

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Fragen dieser Art waren nicht Gegenstand unserer Untersuchung. Uns<br />

ging es vielmehr um die Klärung des Zusammenhangs von allgemeinen<br />

ökonomischen Entwicklungen <strong>und</strong> organisationsstrukturellen Veränderungen,<br />

die auf eine Stärkung innovativer Potentiale der Unternehmens<br />

zielen. Wie sich im weiteren Durchgang durch die von uns unter diesem<br />

Gesichtspunkt erarbeitete Branchenanalyse der Elektro- <strong>und</strong> Elektronikindustrie<br />

zeigen wird, besteht ein Zusammenhang zwischen konjunkturellen<br />

Krisen <strong>und</strong> Veränderungen der Ressourcenausstattung von FuE-Abteilungen.<br />

Konzentriert man sich auf die Entwicklung der Branche insgesamt,<br />

so lassen sich beispielsweise für die beiden sogenannten "Ölkrisen"<br />

1974/75 <strong>und</strong> 1980/81 Wachstumsrückgänge bei der finanziellen Ausstattung<br />

von FuE-Abteilungen feststellen; verglichen mit dem absoluten <strong>und</strong><br />

relativen Sinken der Aufwendungen für Investitionen nehmen sich diese<br />

jedoch eher bescheiden aus (s. Abschnitt 6.4; Tab. 6.S). 24<br />

Aufgr<strong>und</strong> des<br />

uns vorhegenden Materials gehen wir jedoch davon aus, daß sich die im<br />

Zuge ökonomischer Krisen bzw. weltweit nur schwacher Wachstumsdynamik<br />

verschärfenden Konkurrenzbedingungen in einer Forcierung derjenigen<br />

Anstrengungen der Unternehmen niederschlagen, die zur Beschleunigung<br />

des wissenschaftlich-technischen Wandels führen.<br />

In den Jahren 1981 <strong>und</strong> 1982 erlebte die Elektrotechnische Industrie einen<br />

konjunkturellen Einbruch, der sich unter anderem in einem Rückgang der<br />

Beschäftigtenzahl <strong>und</strong> einer sinkenden Produktion bemerkbar machte.<br />

Seit 1983 verzeichnet sie einen neuen Investitionsschub, der sich in steigenden<br />

Wachstumsraten bei den Brutto-Anlageinvestitionen niederschlägt<br />

(Tab. 5.11). Gleichzeitig stieg die Investitionsquote zwischen 1981 <strong>und</strong><br />

1987 von 3,8 % auf 6,1 % an <strong>und</strong> lag ab 1984 erstmals seit 1970 über dem<br />

Durchschnitt des Verarbeitenden Gewerbes. Bezieht man die Investitionsentwicklung<br />

der EDV-Industrie mit ein, die allerdings nur gemeinsam mit<br />

der Büromaschinen-Industrie ausgewiesen ist, so wird die Wachstumsdynamik<br />

der Elektroindustrie noch deutlicher.<br />

24 Anhand der krisenhaften Entwicklung der AEG läßt sich zeigen, daß die Krise<br />

eines Unternehmens stark auf dessen Ressourcenverteilung durchschlagen kann,<br />

zumindest wenn man sich an die absoluten Zahlen hält. Analysiert man jedoch<br />

das Verhältnis der diversen Aufwendungen zur Zukunftssicherung, so läßt sich<br />

auch in diesem Fall unsere These eines absoluten <strong>und</strong> relativen Bedeutungszuwachses<br />

der FuE-Abteilungen aufrechterhalten (vgl. die Geschäftsberichte von<br />

AEG).<br />

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Zwar zeigten die Umsatzzahlen auch nach 1987 leicht nach oben, insgesamt<br />

blieb die Entwicklung jedoch deutlich hinter den Erwartungen zurück<br />

(Abb. 5.5).<br />

"Die von den Wechselkursen ausgehende Unsicherheit im Außenhandel<br />

hatte im 1. Halbjahr (1987) auch auf den Auftragseingang aus dem Inland<br />

übergegriffen. Die Besserung im 2. Halbjahr reicht nicht aus, um die anfängliche<br />

Schwäche voll auszugleichen. Der Branchenaufschwung, der 1983<br />

technologie-induziert begonnen <strong>und</strong> 1985 seinen Höhepunkt erreicht hatte,<br />

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kam in seinem fünften Jahr zum Stillstand. Erstmals seit langem blieb damit<br />

die Produktionsentwicklung in der Elektrobranche unter dem gesamtwirtschaftlichen<br />

Wachstum" (Commerzbank Branchen-Bericht K35, S. 1).<br />

Differenziert man die Elektroindustrie nach einzelnen Subbranchen, ergibt<br />

sich ein sehr heterogenes Bild, das einen Zusammenhang zwischen<br />

Wachstumsraten <strong>und</strong> Investitionsquote erkennen läßt. Die vorhegenden<br />

Zahlen unterstreichen den überdurchschnittlichen Investitionsaufwand bei<br />

den Bauelementen <strong>und</strong> den elektrotechnischen Ausrüstungen für Kraftfahrzeuge.<br />

Relativ niedrige Quoten zeigen sich bei den elektrotechnischen<br />

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Gebrauchsgütern, die seit geraumer Zeit nur unterdurchschnittlich zum<br />

Wachstum der Branche beigetragen haben (Tab. 5.12).<br />

Die auf Branchenebene erhobenen Brutto-Anlageinvestitionen geben freilich<br />

nur einen beschränkten Einblick in die Investitionsaktivitäten der Unternehmen.<br />

"Brutto-Anlageinvestitionen beziffern den Wert der Bruttozugänge auf betriebliche<br />

Sachanlagekonten während des Geschäftsjahres ohne MWSt,<br />

aber einschließlich der Investitionssteuer. (...) Eingeschlossen sind selbsterstellte<br />

Anlagen, aktivierte Großreparaturen <strong>und</strong> Anschaffungen geringwertiger<br />

Wirtschaftsgüter mit Anlagecharakter. Dagegen ist der Erwerb<br />

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von unbebauten Gr<strong>und</strong>stücken, betrieblichen Wohnungsbauten, gebrauchten<br />

Anlagen <strong>und</strong> der Zukaut ganzer Betriebe oder Investitionen in<br />

Zweigniederlassungen im Ausland nicht enthalten; desgleichen der Erwerb<br />

von Beteiligungen, Wertpapieren, Konzessionen, Patenten, Lizenzen <strong>und</strong><br />

Finanzanlagen" (Görzig u.a. 1987; Hervorhebungen von uns - DB/GM).<br />

Die Angaben über Brutto-Anlageinvestitionen auf Branchenebene sparen<br />

damit jene Bereiche an Direktinvestitionen im Ausland aus, die gerade in<br />

jüngster Zeit aus strategischen Gründen getätigt werden, nicht zuletzt um<br />

Zugang zu neuen Technologien zu erhalten (s. Kapitel 9). Dagegen läßt<br />

sich auf der Ebene eines multinationalen Konzerns wie Siemens durchaus<br />

eine Unterscheidung in Sachanlage- <strong>und</strong> Beteiligungsinvestitionen durchführen.<br />

Die letzteren erfuhren vom Geschäftsjahr 1983/84 (200 Mio. DM)<br />

über 1984/85 (500 Mio. DM) bis 1986/87 (1,5 Mrd. DM) einen starken<br />

Anstieg; fielen 1986/87 auf 600 Mio. DM, um 1987/88 - bei einem insgesamt<br />

leicht verringertem Investitionsvolumen - auf 1,1 Mrd. DM zu steigen<br />

(s. auch Abschnitt 6.4). Die aktuell zu beobachtende Zunahme an transnationalen<br />

Kooperationen, Akquisitionen <strong>und</strong> Fusionen ist unter anderem<br />

im Zusammenhang mit der Vorbereitung (nicht nur) von Siemens auf den<br />

Europäischen Binnenmarkt 1992 zu sehen (Siemens-Geschäftsbericht<br />

1988; s. Kapitel 9). Darin drückt sich der Umstand aus, daß die kapitalintensive<br />

Fertigung <strong>und</strong> die hohen Forschungsaufwendungen durch nationale<br />

Absatzstrategien nicht mehr zu amortisieren sind.<br />

Konzentriert man sich bei der Betrachtung der Investitionstätigkeit auf<br />

den Bereich der Bauelemente, der wegen seiner hohen technologischen<br />

Bedeutung für die ökonomische Entwicklung der Elektroindustrie (<strong>und</strong><br />

die anderer Branchen) einen Schwerpunkt der Investitionstätigkeit darstellt<br />

(s. Abschnitt 5.3.1), ergibt sich nebenstehendes Bild (Tab. 5.13).<br />

Bemerkenswert ist, daß, hält man sich an die Geschäftsberichte von Siemens,<br />

im Bereich Bauelemente hohe, nicht exakt ausgewiesene Verluste<br />

erzielt wurden (mit Ausnahme der Geschäftsjahre 1984-1985). Ausdrücklich<br />

bekennt sich Siemens im Bauelemente-Sektor zu einer strategisch angelegten,<br />

antizyklischen Investitionspolitik:<br />

"Wir werden unsere Strategie fortsetzen, unabhängig von der aktuellen<br />

Konjunktur auf Wachstumsgebieten wesentliche Beiträge zum technischen<br />

Fortschritt zu leisten" (Siemens-Geschäftsbericht 1986, S. 16).<br />

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Tab. 5.13:<br />

Investitionsquoten in der Subbranche Bauelemente (in Prozent)<br />

1983 1984 1985 1986 1987 1988<br />

Elektrotechn. Industrie 7,8 11,2 21,0 34,1 25,2 -<br />

Siemens* 17,2 28,3 46,8 33,8 19,7<br />

* Geschäftsjahre 1983/84 - 1987/88 (jeweils 1.10.-30.9.)<br />

Quellen: Ifo-Investitionstest, jährliche Erhebungen (mitgeteilt auf Anfrage); Siemens aktuell,<br />

jeweils laufende Ausgaben<br />

Der starke Rückgang der Investitionstätigkeit im Bauelementesektor im<br />

Geschäftsjahr 86/87 gegenüber 85/86 steht dazu nicht im Widerspruch,<br />

sondern ist auf die Fertigstellung der neuen Halbleiter-Fabrik in Regensburg<br />

zurückzuführen (Siemens-Geschäftsbericht 1987, S. 16). Aufgr<strong>und</strong><br />

der bei Halbleitern <strong>und</strong> passiven Bauelementen auch künftig erheblich ansteigenden<br />

Entwicklungsvorleistungen <strong>und</strong> Investitionen im Fertigungsbereich<br />

sind in diesem Sektor verstärkt Entwicklungskooperationen <strong>und</strong> sonstige<br />

Formen der unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit zu erwarten.<br />

Bei den Investitionsausgaben dominiert in relevanten Teilen der Elektroindustrie<br />

derzeit das Motiv der Kapazitätserweiterung.<br />

"Dies gilt aber keineswegs für alle Bereiche, sondern in erster Linie für die<br />

Wachstumsträger (Nachrichtentechnik, Meß- <strong>und</strong> Regeltechnik sowie<br />

Bauelemente). Dagegen nennen die Hersteller von Transformatoren, Geräten<br />

der Unterhaltungselektronik sowie Leuchten <strong>und</strong> Lampen fast ausschließlich<br />

Rationalisierungsüberlegungen als Motiv ihrer Investitionsanstrengungen.<br />

Diese unterschiedlichen Beweggründe sind durchaus ein Indiz<br />

für den strukturellen Wandel in der Elektrotechnik" (Hypo-Bank 1987,<br />

S. 13).<br />

Es gehört zu den Besonderheiten der Elektroindustrie, ihre Investitionen<br />

in hohem Maße für die Einführung von neuen Produktionsmethoden zu<br />

nutzen. Während etwa zwei Drittel der Investitionsgüterproduzenten <strong>und</strong><br />

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etwa 50 % der Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes als Zweck ihrer<br />

Investitionstätigkeit die Beschaffung moderner Produktionsanlagen<br />

nennen, führen diesen Gr<strong>und</strong> mehr als 80 % der Elektrounternehmen an<br />

(vgl. Hypo-Bank 1987, S. 13). Besonders deutlich kommt dieses Investitionsmotiv<br />

bei den Bauelementeherstellern zum Tragen, die mehr als 20 %<br />

ihres Umsatzes in neue Produktionsanlagen investieren <strong>und</strong> deren Investitionsniveau<br />

deutlich über dem Durchschnitt der Elektroindustrie Hegt.<br />

Nicht zu Unrecht gilt die Bauelementeproduktion als Herzstück des technischen<br />

Wandels in der Elektrotechnik. Vermutet werden kann somit, daß<br />

der Einsatz neuer Produktionsmethoden in der Elektrotechnischen Industrie<br />

in vielen Fällen durch die branchenspezifisch hohe Rate von Produktinnovationen<br />

bedingt wird (Verknüpfung von Produkt- <strong>und</strong> Prozessinnovation).<br />

25<br />

Dieser Zusammenhang wird auch in den Selbstdarstellungen der<br />

Unternehmen immer wieder betont, wie die beiden folgenden Zitate belegen.<br />

"Die Herstellung neuentwickelter, technisch höchst anspruchsvoller Produkte,<br />

wie Mega-Chips oder Glasfasern, erfordert immer häufiger auch<br />

den Bau ganz neuartiger Fabrikationsstätten. So entfiel diesmal auf den<br />

Investitionszweck "Neue Produkte" ein Drittel der Sachanlagenzugänge.<br />

(...) Vor fünf Jahren hatte ihr Anteil noch ein Fünftel betragen" (Siemens-<br />

Geschäftsbericht 1986, S. 2, S. 7).<br />

"Es geht nicht nur um die fertigungstechnische Bewältigung immer kürzerer<br />

Innovationszyklen bei neuen Produkten, die erfordert, daß fertigungstechnische<br />

Entwicklungen gleichzeitig mit der eigentlichen Produktentwicklung<br />

einsetzen, es geht auch um die hohe Komplexität der neuen Produkte.<br />

(...) Nicht selten werden aus fertigungstechnischen Gründen für<br />

neue Produkte gleich auch ganz neue Fabriken gebaut. Das Projekt<br />

MEGA für die Megabit-Chip-Herstellung sei als ein Beispiel dafür genannt"<br />

(ebd., S. 43).<br />

Zurück zur branchenwirtschaftlichen Entwicklung. Betrachten wir nach<br />

den Investitionen den Produktionsverlauf. Auch die Ausweitung der Produktion<br />

in der Elektroindustrie übertraf in den letzten Jahren das gesamtindustrielle<br />

Produktionswachstum erheblich. In allen Fünf-Jahres-<br />

25 Hatten für den Zeitraum von 1972-74 67 % der Unternehmen der Elektrotechnischen<br />

Industrie ihre Anlageinvestitionen auch für die Einführung neuer Produktions-<br />

<strong>und</strong> Verfahrenstechniken eingesetzt, betrug dieser Anteil in den Jahren<br />

1982-86 80 %. Im Durchschnitt des Verarbeitenden Gewerbes erhöhte sich<br />

dieser Anteil nur von 37 % auf 58 % (Gerstenberger u.a. 1988).<br />

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Zeiträumen seit 1968 liegt die durchschnittliche Wachstumsquote der<br />

Elektrotechnik deutlich über derjenigen des Verarbeitenden Gewerbes<br />

(Abb. 5.6). Dies gilt auch für Perioden, in denen konjunkturelle Einbrüche<br />

zu verzeichnen waren.<br />

Vor allem die Entwicklung in den Bereichen der Investionsgüter <strong>und</strong> der<br />

Bauelemente hat wesentlich zu diesem Ergebnis beigetragen. Hinter dem<br />

unterdurchschnittlichen Wachstum bei den Gebrauchsgütern verbirgt sich<br />

eine divergierende Spartenentwicklung, wobei vor allem die Sparte Unterhaltungselektronik<br />

relativ ungünstig abschneidet. Allerdings war 1987 insgesamt<br />

ein deutlicher Rückgang der Wachstumsrate zu beobachten (Abb.<br />

5.7).<br />

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Ebenso dynamisch wie der Produktionszuwachs verlief seit 1983 die Expansion<br />

des Umsatzes. Der Anteil der Elektrotechnik (inkl. EDV) am<br />

Umsatz der Gesamtindustrie erhöhte sich bis 1986 auf über 11 %. Die<br />

jährlichen Steigerungsraten hegen seit 1981 deutlich über denen des Verarbeitenden<br />

Gewerbes (vgl. Görzig u.a. 1987).<br />

Die beschleunigte Wachstumsdynamik der Elektrotechnischen Industrie<br />

spiegelt sich im Anstieg des Rentabilitätsniveaus wider. Mit dem Anteil<br />

des Jahresüberschusses am Umsatz bzw. am Rohertrag stehen Kennziffern<br />

zur Entwicklung der Rentabilität zur Verfügung. Hält man sich an diese<br />

Indikatoren, so hat sich das Rentabilitätsniveau in der Elektrotechnischen<br />

Industrie seit 1982 deutlich verbessert (Abb. 5.8). So stieg z.B. die Umsatzrendite<br />

von unter 2 % im Jahre 1982 auf mehr als 3 % im Jahre 1986. Damit<br />

Hegt die Elektrotechnik über dem Gewinniveau des Verarbeitenden<br />

Gewerbes (Tab. 5.14).<br />

Tab. 5.14:<br />

Rentabilität in der Elektrotechnischen Industrie <strong>und</strong> im Verarbeitenden<br />

Gewerbe<br />

Elektroindustrie 1970 1983 1985 1986<br />

Jahresüberschuß<br />

in % des Umsatzes 4,7 2,4 3,0 3,1<br />

Jahresüberschuß<br />

in % des Rohertrages - 4,3 5,8 5,8<br />

Verarbeitendes Gewerbe 1970 1983 1985 1986<br />

Jahresüberschuß<br />

in % des Umsatzes 3,9 1,8 2,3 2,5<br />

Jahresüberschuß<br />

in % des Rohertrages - 4,1 5,3 5,4<br />

Quelle: Monatsberichte der Deutschen B<strong>und</strong>esbank, laufende Jahrgänge<br />

Trotz der insgesamt relativ günstigen Branchenentwicklung, die sich allerdings<br />

nur sehr vermittelt in den Beschäftigtenzahlen widerspiegelt, gibt es<br />

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zahlreiche Anhaltspunkte dafür, daß vor allem bei den Elektronik- <strong>und</strong><br />

Computerproduzenten einige Wolken am Konjunkturhimmel aufgezogen<br />

sind, die zwar noch nicht auf eine "große Krise" hindeuten, die aber als<br />

Auslöser für mehr oder weniger umfangreiche Restrukturierungen bei den<br />

betreffenden Unternehmen angesehen werden können. Auf nationaler<br />

Ebene: Gewinnrückgänge (in den Geschäftsjahren 1985/86 <strong>und</strong> 1986/87)<br />

<strong>und</strong> Dividendenkürzung (1988) bei der Siemens AG, Umsatzrückgänge bei<br />

IBM Deutschland (1987), der Niedergang der Nixdorf AG, Verluste in bestimmten<br />

Unternehmensteilen bei SEL; auf internationaler Ebene: finanzielle<br />

Verluste bei Norsk Data (1988) <strong>und</strong> Olivetti (1989) oder die Krise<br />

des Philips-Konzern. In all diesen Fällen reagierte das Management mit<br />

strategischen <strong>und</strong> operativen Maßnahmen, die mit einschneidenden Veränderungen<br />

in den Organisationsstrukturen <strong>und</strong> den Arbeitsbedingungen<br />

der jeweiligen Unternehmen verb<strong>und</strong>en sind (s. Teil D).<br />

5.9 Beschäftigungs- <strong>und</strong> Qualifikationsstruktur<br />

Die Daten der amtlichen Statistik zur Beschäftigten- <strong>und</strong> Qualifikationsstruktur<br />

geben erste Hinweise auf die Expansion des wissenschaftlichtechnischen<br />

Potentials der Elektrotechnischen Industrie. 26<br />

So läßt sich<br />

feststellen, daß - analog zur Entwicklung im gesamten Verarbeitenden<br />

Gewerbe - auch in der Elektroindustrie seit mehr als drei Jahrzehnten<br />

eine Verschiebung in der Beschäftigtenstruktur zugunsten der Angestellten<br />

zu beobachten ist. Diese Tendenz ist im Bereich Büromaschinen <strong>und</strong><br />

Datentechnik sogar noch deutlicher (Tab. 5.15).<br />

Eine Differenzierung innerhalb der Gruppe der Angestellten ist jedoch<br />

seit 1974 nicht mehr möglich, da die für die Beschäftigtenstruktur maßgebende<br />

Statistik "Beschäftigte nach der Stellung im Betrieb" vom Statistischen<br />

B<strong>und</strong>esamt nicht mehr erhoben wurde. Die zuletzt verfügbaren Daten<br />

für die Jahre 1970 bis 1974 lassen erkennen, daß der Anteil der technischen<br />

Angestellten rascher anstieg als der der kaufmännischen - <strong>und</strong> Verwaltungsangestellten.<br />

Das Beispiel Siemens macht die Annahme plausibel,<br />

26 Auf den Umfang <strong>und</strong> die Struktur des FuE-Personals wird im nächsten Kapitel<br />

eingegangen.<br />

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daß sich dieser Trend auch während der 80er Jahre fortgesetzt hat (Tab.<br />

5.16).<br />

Mit ihrem hohen Angestelltenanteil an den Beschäftigten hegt die Elektroindustrie<br />

(inkl. EDV) deutlich über dem Durchschnitt des Verarbeitenden<br />

Gewerbes (Tab. 5.17).<br />

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Tab. 5.17:<br />

Anteil der Angestellten an den Beschäftigten in der Elektroindustrie <strong>und</strong> im<br />

Verarbeitenden Gewerbe (in Prozent)<br />

1970 1976 1982 1987<br />

Verarbeitendes<br />

Gewerbe 24,8 28,7 30,3 31,4<br />

Elektrotechnische<br />

Industrie<br />

(inkl. ADV)<br />

30,0 36,2 39,4 40,9<br />

Quelle: ZVEI, Statistische Berichte<br />

Als Indiz für das relativ große Innovationspotential der Elektrotechnischen<br />

Industrie kann darüber hinaus die Tatsache gelten, daß dort allein<br />

der Anteil der Universitäts- <strong>und</strong> Fachhochschulabsolventen an der Gesamtbeschäftigtenzahl<br />

(gemäß dem nach dem Umsatz gewichteten Branchendurchschnitt)<br />

fast so hoch ist wie der Angestelltenanteil an den Beschäftigten<br />

des Verarbeitenden Gewerbes insgesamt (Tab. 5.18).<br />

Tab. 5.18:<br />

Anteil der Universitäts- <strong>und</strong> Fachhochschulabsolventen an den Beschäftigten<br />

in der Elektroindustrie (in Prozent)<br />

1982 1984 1986<br />

einfacher Durchschnitt* 17,7 18,7 19,7<br />

gewichteter Durchschnitt** 28,5 25,5 29,5<br />

* Durchschnitt aller Unternehmen<br />

** nach Umsatz gewichteter Durchschnitt<br />

Quelle: Angaben des ZVEI auf Anfrage<br />

Verfügt die Elektrotechnische Industrie somit über einen gemessen am<br />

Verarbeitenden Gewerbe überdurchschnittlich hohen Anteil an hochquali-<br />

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fizierten Beschäftigten, so steht dem ein überproportionaler Anteil von<br />

niedrig qualifizierten Beschäftigten gegenüber.<br />

"Der überproportionale Anteil der ungelernten Arbeitskräfte findet seine<br />

Erklärung in den umfangreichen Montagearbeiten insbesondere in der<br />

Massenproduktion des Konsumgüterbereichs. Die Überrepräsentation<br />

hochqualifizierter Arbeitskräfte hingegen hängt mit dem hohen Anteil an<br />

Angestellten <strong>und</strong> insbesondere an technisch Beschäftigten im Forschungs<strong>und</strong><br />

Entwicklungsbereich zusammen" (Benz-Overhage u.a. 1982, S. 90).<br />

Gleichwohl ist der Anteil der Facharbeiter an den gewerblichen Arbeitnehmern<br />

in der Elektroindustrie seit 1982 gestiegen bzw. - bei stärkerer<br />

Berücksichtigung der umsatzintensivsten Unternehmen - stabil geblieben<br />

(Tab. 5.19).<br />

Diese "gespaltene Qualifikationsstruktur" (Benz-Overhage u.a. 1982) spiegelt<br />

sich in der Lohn- <strong>und</strong> Gehaltsstruktur wider. Während die Arbeiterlöhne<br />

in der Elektroindustrie deutlich unter dem Durchschnitt der gesamten<br />

Industrie liegen, verhält es sich bei den Angestelltengehältern genau<br />

umgekehrt (vgl. ZVEI). Der Durchschnittsverdienst der weiblichen<br />

Beschäftigten (sowohl im Arbeiter- als auch im Angestelltenbereich) 27<br />

liegt dabei durchgängig jeweils unter dem der männlichen Arbeitskräfte.<br />

Tab. 5.19:<br />

Anteil der Facharbeiter an den gewerblichen Arbeitnehmern in der<br />

Elektroindustrie (in Prozent)<br />

1982 1984 1986<br />

einfacher Durchschnitt* 30,8 35,3 35,7<br />

gewichteter Durchschnitt** 37,4 35,9 37,8<br />

* Durchschnitt aller Unternehmen<br />

** nach Umsatz gewichteter Durchschnitt<br />

Quelle: Angaben des ZVEI auf Anfrage<br />

27 Zu Veränderungen in den Montagelinien der Elektroindustrie, in der traditionell<br />

Frauen Jedermannsarbeit übernommen haben, vgl. neuerdings Moldaschl<br />

1991.<br />

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6. Wissenschaftlich-technologisches Innovationspotential<br />

in der Elektro- <strong>und</strong> Elektronikindustrie<br />

6.1 Probleme des Umgangs mit dem vorliegenden statistischen<br />

Material<br />

Sofern Branchenanalysen der Frage nach dem Innovationspotential der<br />

Elektro- <strong>und</strong> Elektronikindustrie überhaupt nachgehen, vernachlässigen<br />

sie oft, daß die "facts and figures" über Entwicklungsaufwendungen <strong>und</strong><br />

-erträge zumeist auf Basis unausgewiesener <strong>und</strong> mitunter fragwürdiger<br />

Annahmen erstellt werden. Dies gilt auch für Versuche, anhand von einschlägigen<br />

Kennzahlen die Innovationspotentiale einzelner Länder oder<br />

Unternehmen miteinander zu vergleichen. Die unsichere Datenlage über<br />

jenes Feld gesellschaftlicher Produktion, in dem private Unternehmen<br />

gleichsam "Zukunftsvorsorge" betreiben, hat wohl etwas damit zu tun, daß<br />

diese sich insbesondere in diesem Bereich nicht gerne in die Karten<br />

schauen lassen: Sozialwissenschaftliche Erhebungen gewinnen hier deshalb<br />

leicht den Charakter von "Dunkelfeldforschung" (Hack, Hack 1985). Neben<br />

diesem Problem der Datenerfassung, das den Konkurrenzinteressen<br />

der Unternehmen geschuldet ist, gibt es noch einen weiteren, systematisch<br />

wichtigeren Gr<strong>und</strong>, der beim Umgang mit den einschlägigen Daten über<br />

Innovationspotentiale Vorsicht angezeigt sein läßt. Unter den Vorzeichen<br />

systemischer Rationalisierung ist weder der Aufwand noch der Ertrag von<br />

Innovationsanstrengungen eindeutig zuzuordnen: Zu viele Institutionen,<br />

Unternehmen, Abteilungen <strong>und</strong> Arbeitskräftetypen sind am Prozeß der<br />

Erzeugung neuer Produkt- <strong>und</strong> Prozeßtechnologien beteiligt. Aus diesen<br />

Gründen erschien es uns notwendig, der Analyse von Innovationspotentialen<br />

in der Elektro- <strong>und</strong> Elektronikindustrie eine Darstellung der dabei<br />

notwendig auftretenden Erhebungsprobleme vorauszuschicken.<br />

6.1.1 Die Erhebung des Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungsaufwandes (FuE-<br />

Input)<br />

Das Datenmaterial, das zur Analyse industrieller Innovationspotentiale<br />

zur Verfügung steht, entstammt meist der Lageberichterstattung von Un-<br />

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ternehmen (Geschäftsberichte, Bilanzen) <strong>und</strong> wird durch (freiwillige) Befragungen<br />

(SV-Wissenschaftsstatistik; Ifo-Innovationstest) oder aufgr<strong>und</strong><br />

von Meldungen entsprechend gesetzlicher Regelungen (B<strong>und</strong>esamt für<br />

Statistik, Deutsche B<strong>und</strong>esbank) ermittelt sowie im Bedarfsfall um Schätzungen<br />

ergänzt. Die Zahlen, die Auskunft über die Innovationspotentiale<br />

einzelner Wirtschaftssektoren geben sollen, werden fast ausschließlich von<br />

den Unternehmen produziert <strong>und</strong> unterliegen somit deren Kalkül. Ferner<br />

liegen die Daten häufig nur in hochaggregierter Form vor, <strong>und</strong> ihre Entstehung<br />

ist zumeist nur sehr schwer zu rekonstruieren. Dem ist - was oft<br />

genug unterlassen wird - bei der Interpretation dieser Daten Rechnung zu<br />

tragen.<br />

Üblicherweise basieren Analysen des Innovationspotentials von Unternehmen<br />

auf der Input-Messung der FuE-Kosten. Es werden dazu alle<br />

Aufwendungen erfaßt, die in solchen Unternehmenseinheiten anfallen,<br />

denen funktional vornehmlich Innovationsleistungen abverlangt werden.<br />

In der Regel sind das die Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungsabteilungen. Dieses<br />

Vorgehen basiert auf zwei impliziten Annahmen, die seine Verwendbarkeit<br />

für die Erstellung von Innovationskennziffern entscheidend einschränken.<br />

(a) Die erste Unterstellung besteht darin, daß das Volumen des festgestellten<br />

Mitteleinsatzes für FuE ein aussagekräftiges Maß für die Charakterisierung<br />

des Innovationspotentials von Unternehmen <strong>und</strong> Wirtschaftssektoren<br />

sei. Die mit der Durchführung von FuE-Aktivitäten verb<strong>und</strong>ene<br />

generelle Ergebnisunsicherheit sowie die Zeit- <strong>und</strong> Kostenunsicherheit,<br />

die von der Entwicklung über die angewandte Forschung bis hin zur<br />

Gr<strong>und</strong>lagenforschung zunehmen, lassen jedoch einen Rückschluß vom<br />

eingesetzten Mittelaufwand auf den Innovationserfolg nur bedingt zu.<br />

Darüber hinaus zeigt sich bei einem Blick in die Unternehmenspraxis eine<br />

weitere Unzulänglichkeit dieser Gleichsetzung. So reicht es für die Durchführung<br />

erfolgreicher Innovationsvorhaben keineswegs aus, nur die finanziellen<br />

Voraussetzungen für Investitionen zu schaffen. Technisches Knowhow<br />

<strong>und</strong> eine bereits bestehende Infrastruktur für entsprechende Forschungsaktivitäten<br />

sind ebenso wichtige Voraussetzungen wie der Aufbau<br />

eines Teams hochqualifizierter wissenschaftlich-technischer Arbeitskräfte<br />

<strong>und</strong> geeignete organisatorische Arrangements.<br />

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Diese Vorbedingungen verweisen darauf, daß nicht mit jedem behebigen<br />

Mitteleinsatz der erforderliche Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungsstandard erreicht<br />

werden kann. Mit anderen Worten: Selbst dann, wenn die Ausgaben<br />

für Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungstätigkeiten präzise erfaßt werden können,<br />

ermöglicht das noch keinen verläßlichen Leistungsvergleich. Das Problem<br />

mangelnder Vergleichbarkeit quantitativer Nenngrößen aufgr<strong>und</strong><br />

unterschiedlicher Qualität ergibt sich nicht nur auf Unternehmens- oder<br />

Branchenebene, sondern auch auf höheren Aggregationsstufen:<br />

"Bei Vergleichen zwischen Daten für einzelne Forschungsbereiche eines<br />

Landes oder bei internationalen Vergleichen ist zu berücksichtigen, daß<br />

eine solche Aufwandsstatistik Geldeinheit gleich Geldeinheit <strong>und</strong> Forschungsst<strong>und</strong>e<br />

gleich Forschungsst<strong>und</strong>e setzt, ohne Rücksicht auf die<br />

eventuelle unterschiedliche Ergiebigkeit in den einzelnen Bereichen. Diese<br />

Aussage ist Angelegenheit einer Output-Messung" (BMFT 1988, S. 343 f.).<br />

(b) Zahlenwerke, wie sie z.B. vom Stifterverband der deutschen Wissenschaft<br />

(im folgenden SV-Wissenschaftsstatistik genannt) vorgelegt werden,<br />

beruhen auf der Annahme, daß Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungsaktivitäten<br />

als solche eindeutig funktional zugeordnet werden können. Unterstellt<br />

wird also eine definierbare Bruchstelle zwischen Tätigkeiten in Forschungs-<br />

<strong>und</strong> Entwicklungsabteilungen <strong>und</strong> anderen Unternehmenseinheiten<br />

(Fertigung, Vertrieb usw.). Damit wird unter der Hand der Eindruck<br />

erweckt, innovative Aktivitäten ließen sich eindeutig dem Forschungs- <strong>und</strong><br />

Entwicklungsbereich zuordnen. Innerhalb der Unternehmen werden innovative<br />

Aufgaben jedoch weder allein von den FuE-Abteilungen ausgeführt,<br />

noch sind alle innerhalb des FuE-Bereichs angesiedelten Tätigkeiten innovativ.<br />

Die folgende Abbildung (6.1) macht außerdem deutlich, daß in Statistiken,<br />

die mit den im sogenannten Frascati-Handbuch der OECD gegebenen<br />

Definitionen arbeiten, nicht alle zu FuE gehörigen Arbeiten als solche<br />

ausgewiesen <strong>und</strong> dementsprechend berücksichtigt werden.<br />

"So kann z.B. der generelle Ausschluß aller Patent- <strong>und</strong> Lizenzarbeiten<br />

kaum gerechtfertigt werden, da erst durch sie in einigen Fällen die wirtschaftlichen<br />

Gr<strong>und</strong>lagen der Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungstätigkeit gelegt<br />

werden <strong>und</strong> sie unmittelbar mit diesen Aktivitäten verb<strong>und</strong>en sind"<br />

(Brockhoff 1988, S.27).<br />

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Ebenso schwierig wie die Differenzierung zwischen FuE <strong>und</strong> forschungsverwandten<br />

Tätigkeiten ist<br />

"die Abgrenzung der drei Elemente von FuE, der Gr<strong>und</strong>lagenforschung,<br />

der angewandten Forschung <strong>und</strong> der experimentellen Entwicklung.<br />

Gr<strong>und</strong>lagenforschung wird im Frascati-Handbuch 1980 als 'experimentelle<br />

oder theoretische Arbeit, die in erster Linie auf die Gewinnung neuer Erkenntnisse<br />

über den zugr<strong>und</strong>eliegenden Ursprung von Phänomenen <strong>und</strong><br />

beobachtbaren Tatsachen gerichtet ist, ohne auf eine besondere Anwendung<br />

oder Verwendung abzuzielen', definiert. In Fällen, in denen Gr<strong>und</strong>lagenforschung<br />

auf gewisse Bereiche allgemeinen Interesses abzielt oder an<br />

ihnen ausgerichtet ist, spricht man auch von 'anwendungsorientierter<br />

Gr<strong>und</strong>lagenforschung'. Es zeigt sich jedoch, daß zunehmend Forschungsaktivitäten<br />

auf der Grenze zwischen Gr<strong>und</strong>lagenforschung <strong>und</strong> angewandter<br />

Forschung liegen, was z.B. die Erhebung der Ausgaben für die Gr<strong>und</strong>lagenforschung<br />

erschwert" (BMFT 1988, S. 343).<br />

Damit sind auch schon einige der Schwächen der immerhin "halboffiziellen"<br />

Statistiken benannt, die begriffsdefinitorisch auf dem Frascati-Handbuch<br />

aufbauen <strong>und</strong> vom Stifterverband für die deutsche Wissenschaft erhoben<br />

werden (SV-Wissenschaftsstatistik). Eine Zusammenstellung wichtiger<br />

Probleme hat bereits vor mehr als zehn Jahren Majer vorlegt:<br />

"(1) Das Abgrenzungsproblem des Forschungsbegriffs von anderen (verwandten)<br />

Tätigkeiten, (2) die Abgrenzung zwischen den Forschungskategorien,<br />

(3) der große Interpretationsspielraum des Befragten bezüglich der<br />

Begriffe, (4) die ungenügende Definition des Forschungsinputs, (5) die<br />

mangelnde Berücksichtigung des Forschungsoutputs" (Majer 1978, S. 20).<br />

Neben diesen Einwänden gibt es Probleme der Repräsfentativität <strong>und</strong><br />

Meßgenauigkeit. Unterrepräsentiert sind beispielsweise Betriebe kleinerer<br />

<strong>und</strong> mittlerer Unternehmen (KMU), wenn auch die Genauigkeit der berücksichtigten<br />

Gr<strong>und</strong>gesamtheit seit 1979 durch die Abwicklung des Personalkostenzuschußprogramms<br />

(PKZ) für Forschung <strong>und</strong> Entwicklung in<br />

KMU verbessert wurde (vgl. Brockhoff 1988, S. 47 ff.; BMFT 1988, S. 343).<br />

Trotzdem bleiben weitere Kritikpunkte Majers nach wie vor gültig:<br />

"Die vorhandenen Daten beruhen zu einem maßgeblichen Teil auf Schätzungen.<br />

Eine Reihe von wichtigen Forschungsaktivitäten ist nicht erfaßt<br />

(Erhebungslücken)" (Majer 1978, S. 62).<br />

Das zur Verfügung stehende Zahlenmaterial ist also mit einigen Unsicherheiten<br />

behaftet. Da auch die eigentliche Gr<strong>und</strong>gesamtheit der For-<br />

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schung <strong>und</strong> Entwicklung betreibenden Unternehmen nicht bekannt ist,<br />

verfügt man nur über Näherungswerte. Diese erlauben es nur, sich Vorstellungen<br />

über die Größenordnungen für Personal- <strong>und</strong> Finanzaufwendungen<br />

in der industriellen Forschung <strong>und</strong> Entwicklung zu machen, deren<br />

Realitätsgehalt jedoch nur durch weitere intensive, vor allem auch die Unternehmen<br />

selbst einbeziehende, quantitative Analysen kalkulierbar wird.<br />

Neben der Klassifikation nach Wirtschaftszweigen werden in der SV-Statistik<br />

die FuE-Aufwendungen im Wirtschaftssektor auch nach Erzeugnisbereichen<br />

untergliedert. Doch auch diese Zusammenstellungen sind nicht<br />

übermäßig aussagekräftig, da:<br />

"nach dieser Gliederung nur die Aufwendungen im Unternehmen insgesamt<br />

unterteilt werden (können). Entsprechende Angaben für einzelne<br />

Ausgabearten, die Finanzierung oder gar für das in FuE beschäftigte Personal<br />

sind nicht möglich" (BMFT 1988, S. 345).<br />

Darüber hinaus sind derartige Statistiken für unsere Zwecke gleichsam "zu<br />

hoch" angesetzt, da sie den Rückschluß auf einzelne Produkte bzw. Produktsparten<br />

nicht erlauben. Wird der Informationsgehalt der SV-Statistik<br />

durch diese Besonderheiten schon sehr stark eingeschränkt, können auf<br />

ihrer Basis wichtige, uns interessierende Zusammenhänge nicht oder nur<br />

sehr vermittelt rekonstruiert werden. So lassen sich z.B. mit den weitgehend<br />

anonymisierten <strong>und</strong> pauschalisierten Daten sowie der unspezifischen<br />

Differenzierung nach Betriebsgrößenklassen Konzentrationsprozesse in<br />

bestimmten Industriezweigen nicht nachvollziehen. Zudem werden durch<br />

die stark verzögerte Veröffentlichungsweise der SV-Wissenschaftsstatistik<br />

- die vollständigen Zahlen für das Jahr 1985 hegen erst seit dem Herbst<br />

1988 vor - aktuelle Tendenzen der Forschungsaktivitäten nur mit Verspätung<br />

nachvollziehbar.<br />

Hofft man, den aufgezeigten Problemen durch die Berücksichtigung der<br />

Unternehmensberichterstattung über den Ressourceneinsatz in FuE entgehen<br />

zu können, tauchen sofort neue Schwierigkeiten auf. So weist<br />

Brockhoff (1988) darauf hin, daß dabei "selten laufende Ausgaben <strong>und</strong><br />

Ausgaben für Investitionen getrennt" veröffentlicht würden <strong>und</strong> daß "in<br />

mehreren Fällen im Lauf der Zeit die Abgrenzungskriterien gewechselt"<br />

hätten (S. 41). Außerdem wird mit einigem Recht geargwöhnt, daß von<br />

den Unternehmen selbst erstellte Verlautbarungen <strong>und</strong> Bilanzen eher der<br />

Außendarstellung denn der Information dienen ("impression management").<br />

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"Faßt man zusammen, so erkennt man, daß Daten über Forschungs- <strong>und</strong><br />

Entwicklungsaktivitäten bisher noch nicht auf der Gr<strong>und</strong>lage strenger,<br />

gleichmäßig angewandter Normen erhoben werden. Empirische Untersuchungen<br />

<strong>und</strong> insbesondere Vergleiche sind deshalb mit großer Vorsicht zu<br />

unternehmen" (Brockhoff 1988, S. 44).<br />

Trotz dieser gr<strong>und</strong>legenden Bedenken versucht Brockhoff, die vorliegenden<br />

Daten aufzubereiten <strong>und</strong> zu aussagekräftigeren Kennziffern umzuformen.<br />

Denn:<br />

"Ein bloßer Blick auf hohe nominale Wachstumsraten gibt keinen Aufschluß<br />

über das tatsächliche Wachstum der Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungsaufwendungen.<br />

Diese müssen sorgfältig in ihre Komponenten zerlegt<br />

werden" (ebd., S. 50).<br />

Diese Korrektur versucht er, durch die Errechnung eines Deflationsindexes<br />

zu erreichen, der die "Inputstruktur" von FuE angemessen berücksich-<br />

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tigen soll. Unter Zuhilfenahme dieses Indexes kann am Beispiel der FuE-<br />

Aufwendungen des Elektrokonzerns Bosch etwa gezeigt werden, daß die<br />

FuE-Aufwendungen zwischen 1971 <strong>und</strong> 1975 zwar nominal angestiegen<br />

sind, real jedoch geringfügig abnahmen (Abb. 6.2). Die Entwicklung zwischen<br />

1975 <strong>und</strong> 1985 ist dagegen durch Steigerungen in beiden Dimensionen<br />

gekennzeichnet. Obwohl das Wachstum der realen Aufwendungen<br />

recht deutlich hinter den nominalen Werten zurückbleibt, läßt sich doch<br />

eine erhebliche Steigerung erkennen, die für eine Bedeutungszunahme<br />

von FuE im Rahmen der Unternehmensaktivitäten spricht.<br />

Mittels der gängigen Input-Messungen der FuE-Aufwendungen eines Unternehmens,<br />

einer Branche oder eines Wirtschaftsraumes läßt sich also<br />

das Innovationspotential nur unzulänglich bestimmen. Weder sind ohne<br />

weiteres Vergleiche der unterschiedlichen Input-Größen (Personalaufwendungen,<br />

laufende Ausgaben, Investitionen) möglich, noch lassen sich<br />

bei derselben Meßzahl die Daten ohne Probleme kompatibel machen.<br />

Auch über das Verhältnis von Aufwand <strong>und</strong> Ertrag können Input-Maße<br />

wie die Zahl der in Forschung <strong>und</strong> Entwicklung Beschäftigten oder die<br />

Höhe der FuE-Aufwendungen nur bedingt etwas aussagen.<br />

6.1.2 Die Erhebung des Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungsertrages (FuE-<br />

Output)<br />

Ähnliche Einschränkungen müssen jedoch auch für die gängigen Maße zur<br />

Ermittlung des Outputs von Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungsabteilungen geltend<br />

gemacht werden. Es sind im wesentlichen drei Größen/Kategorien,<br />

von denen angenommen wird, daß sie zu dessen Erfassung geeignet sind:<br />

Patentaktivitäten,<br />

Patent- <strong>und</strong> Lizenzbilanzen <strong>und</strong><br />

Publikationsaktivitäten.<br />

Bei Patentaktivitäten unterscheidet man zwischen Patentanmeldungen<br />

<strong>und</strong> erteilten Patenten. Diese wiederum können nach Inlands- <strong>und</strong> Auslandsanteil<br />

differenziert werden. Alle Kennziffern, die sich aus diesen Kategorien<br />

ableiten lassen, haben jedoch den entscheidenden Nachteil, daß<br />

sie keine Aussagen über den technischen <strong>und</strong> wirtschaftlichen Wert der<br />

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Patente erlauben. Zudem werden insbesondere in Wachstumsbereichen<br />

der Elektroindustrie wie der Mikroelektronik längst nicht alle patentfähigen<br />

Innovationen auch zum Patent angemeldet, weil dies als der schnellste<br />

Weg angesehen wird, Wissen, das privater Verfügung unterhegt, öffentlich<br />

zu machen <strong>und</strong> so zu entwerten. 28<br />

Ein durchaus gebräuchliches Mittel im Innovationsprozeß ist der Patentbzw.<br />

Lizenzerwerb. 29<br />

Vergleicht man die sog. "science based industries"<br />

hinsichtlich ihrer Patent- <strong>und</strong> Lizenzbilanzen, fällt auf, daß die deutsche<br />

Chemieindustrie eher als die Elektroindustrie in der Lage ist, ausländische<br />

Unternehmen als Patent- <strong>und</strong> Lizenznehmer zu gewinnen. Immerhin halten<br />

sich hier Einnahmen <strong>und</strong> Ausgaben für Patente <strong>und</strong> Lizenzen in etwa<br />

die Waage. Die Lizenzbilanz der Elektrotechnischen Industrie (inkl. EDV-<br />

Bereich) weist hingegen chronisch hohe Negativsalden im Patent- <strong>und</strong> Lizenzverkehr<br />

mit dem Ausland auf. In den letzten Jahren hat sich der Saldobetrag<br />

stark der Milliardengrenze angenähert (vgl. Deutsche B<strong>und</strong>esbank,<br />

Mai 1988). Aus diesem Umstand könnte geschlossen werden, daß<br />

die Elektroindustrie stark vom Import technischen Know-hows durch Patent-<br />

<strong>und</strong> Lizenzerwerb abhängig sei.<br />

Diese auf den ersten Blick verw<strong>und</strong>erliche Aussage erklärt sich jedoch aus<br />

den Eigentumsverhältnissen innerhalb der Elektrotechnischen Industrie.<br />

IBM, Philips, BBC (jetzt ABB), SEL, Gr<strong>und</strong>ig <strong>und</strong> Hewlett-Packard sind<br />

deutsche Zweigniederlassungen internationaler Elektro- <strong>und</strong> Elektronik-<br />

Konzerne. Diese Konzernbestandteile, die zwar hierzulande ebenfalls Forschungs-<br />

<strong>und</strong> Entwicklungsabteilungen unterhalten, zahlen jedoch in der<br />

Regel Patent- <strong>und</strong> Lizenzgebühren an die Muttergesellschaften im Ausland.<br />

Diese tauchen zwar in den Veröffentlichungen der Unternehmen selten<br />

als solche auf, stellen aber ein gerne genutztes Instrument dar, hohe<br />

FuE-Aufwendungen von ausländischen Tochtergesellschaften finanzieren<br />

zu lassen. Entsprechend verfahren deutsche Unternehmen mit ihren aus-<br />

28 Dies gilt allerdings offenbar nicht in allen Fällen: "Wer eine wissenschaftliche<br />

Erkenntnis veröffentlicht, hat noch lange nicht das Know-how der Herstellung<br />

preisgegeben" (Danielmeyer, FuE-Chef bei Siemens, zitiert in High Tech<br />

12/1988, S. 111).<br />

29 Wir haben diese Form der Minimierung von Innovationsrisiken als externes organisatorisches<br />

Arrangement thematisiert (s. Kapitel 9), von dem wir annehmen,<br />

daß es in den letzten Jahren zunehmend an Gewicht gewonnenen hat.<br />

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ländischen Dependancen. Da also deutsche wie ausländische Großunternehmen<br />

jeweils Formen der FuE-Finanzierung bevorzugen, die für Einnahmen<br />

bei der Zentrale <strong>und</strong> Ausgaben bei den ausländischen Töchtern<br />

sorgen, kann dieser Indikator auf Landes- <strong>und</strong> Branchenebene wenig über<br />

das Leistungspotential von FuE-Abteilungen aussagen. Auf Unternehmensebene<br />

ist seine Aussagekraft insofern eingeschränkt, weil die Gebühren<br />

für vergangene Leistungen anfallen, sich der Leistungsstand der FuE-<br />

Abteilungen zwischenzeitlich aber ganz anders darstellen kann.<br />

Ähnliche Einwände, wie wir sie gegen Indikatoren, die auf Patentaktivitäten<br />

rekurrieren, geltend gemacht haben, müssen auch gegen die Bestimmung<br />

von Innovationspotentialen durch die statistische Erfassung von<br />

Publikationsaktivitäten vorgebracht werden. Zwar können Bibliometrie,<br />

Zitationsindices etc. zu einer groben Bestimmung der wissenschaftlichen<br />

Leistungsfähigkeit von Nationen beitragen. Es ist jedoch nicht möglich,<br />

aus der Anzahl von Publikationen oder der Zahl nachgewiesener Zitaten<br />

auf den wirtschaftlichen Ertrag oder das ökonomische Potential einer Invention<br />

zu schließen. Allerdings stellt die Teilnahme am wissenschaftlichen<br />

Diskurs für die Unternehmen insofern eine wichtige Ressource dar,<br />

als ihnen die frühzeitige Information über wissenschaftlich-technische<br />

Entwicklungen die Möglichkeit eröffnet, an der Gestaltung des technischen<br />

Wandels aktiv teilzunehmen. Zudem ist das Risiko, von technologischen<br />

Neuerungen überrollt zu werden, geringer, wenn man frühzeitig<br />

weiß, was die internationale Konkurrenz auf dem Gebiet der reinen oder<br />

anwendungsorientierten Gr<strong>und</strong>lagenforschung an strategisch relevanten<br />

Optionen zu produzieren vermag. Eine hohe Zahl von Publikationen oder<br />

von nachgewiesenen Zitaten erlaubt somit durchaus gewisse Rückschlüsse<br />

auf das Innovationspotential einer Unternehmung. 30<br />

Zu erwähnen ist schließlich noch ein vor allem in den Geschäftsberichten<br />

der Unternehmen bevorzugt präsentiertes Output-Maß: Der Umsatzan-<br />

30 Siemens beispielsweise gibt r<strong>und</strong> 12 % des Umsatzes für FuE aus, davon wiederum<br />

14 % für "Gr<strong>und</strong>lagenarbeiten", die das Know-how für "technologische<br />

Zukunftssicherung" bereitstellen sollen (Siemens, Geschäftsbericht 1987, S. 11).<br />

Die Teilnahme am wissenschaftlichen Diskurs durch Publikationen etc. hat für<br />

die Unternehmen den zusätzlichen Vorteil, durch die Reputation ihrer Forschung<br />

für gut qualifizierte Wissenschaftler attraktiv zu sein (man erinnere sich<br />

nur an die Diskussionen um die Wirkung der an IBM-Forscher verliehenen Nobelpreise<br />

für das Unternehmen).<br />

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teil, der mit Produkten erzielt wird, die in den letzten fünf oder zehn Jahren<br />

neu auf den Markt gebracht worden sind. Der Informationswert dieses<br />

wohl in erster Linie aus Imagegründen präsentierten Indikators ist freilich<br />

umstritten:<br />

"Die unreflektierte Hinnahme derartiger Belege macht die Innovationsdiskussion<br />

zu einem absurden Theater. Denn erstens verbirgt sich hinter (...)<br />

"neu" eine erhebliche definitorische Willkür darüber, was überhaupt innovativ<br />

ist - wer wagt es denn noch zu sagen, daß das, was er als Unternehmer<br />

vertreibt, nicht innovativ ist? -, <strong>und</strong> zweitens ist die Interpretation dieses<br />

Belegs als geeignete Reaktion auf eine zunehmende Geschwindigkeit<br />

der technischen Entwicklung nur eine Variante. Mit gleicher Berechtigung<br />

kann der hohe Anteil von Neuprodukten als verpaßte Anpassung in früheren<br />

Phasen interpretiert werden oder gar durch die Unfähigkeit zur gezielten<br />

Anpassung begründet sein" (Staudt 1986, S. 12).<br />

6.2 Forschung <strong>und</strong> Entwicklung in der Elektroindustrie<br />

Soll das Innovationspotential der Elektroindustrie ermittelt werden, so ist<br />

zunächst darauf zu verweisen, daß man es mit einer vergleichsweise geringen<br />

Zahl von Unternehmen zu tun hat, die FuE betreiben. Legt man eine<br />

1979 vom BDI publizierte Zusammenstellung (s. Tab. 6.1) zugr<strong>und</strong>e, so<br />

unterhielten im Jahre 1974 von 2.380 Unternehmen der Elektroindustrie<br />

gerade 196 Unternehmen eigene FuE-Abteilungen. Das entspricht einem<br />

Anteil von 8,2 %. Diese wenigen selbständig forschenden <strong>und</strong> entwickelnden<br />

Unternehmen beschäftigten allerdings 73,1 % der Arbeitskräfte <strong>und</strong><br />

bestritten 72,15 % des Gesamtumsatzes der Elektroindustrie. Diese Zahlen<br />

legen es nahe, ein deutliches Übergewicht großer Unternehmen zu<br />

vermuten: In der Tat konzentrierte sich der FuE-Aufwand vor allem bei<br />

den zwölf großen Unternehmen mit über 10.000 Beschäftigten, die 83,7 %<br />

der FuE-Anstrengungen der gesamten Branche auf sich vereinigten. Ihr<br />

Anteil am Umsatz der Branche betrug knapp 50 % (68,8 % vom Umsatz<br />

aller FuE betreibenden Unternehmen), ihr Anteil an den Beschäftigten<br />

52,5 % (70,6 %). Nur rd. 5 % der Beschäftigten der Elektroindustrie arbeiteten<br />

1974 in den 72 Unternehmen, die FuE betrieben, weniger als 1.000<br />

Beschäftigte hatten <strong>und</strong> insgesamt auf 1,22 Mrd. DM Umsatz kamen (<strong>und</strong><br />

dem Stifterverband die Fragebogen zurückgeschickt haben). Vor diesem<br />

Hintergr<strong>und</strong> sind Hoffnungen auf die "innovatorischen" (Aiginger, Tichy<br />

1985) oder gar "emanzipatorischen" (Piore, Sabel 1984) Potentiale kleiner<br />

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Unternehmen zu relativieren. Unsere Konzentration der Darstellung auf<br />

größere Unternehmen erscheint deshalb aufgr<strong>und</strong> der Konkurrenzbedingungen<br />

innerhalb der Elektro- <strong>und</strong> Elektronikindustrie selbst gerechtfertigt<br />

zu sein: Innovation ist vor allem eine Domäne von Großunternehmen.<br />

31<br />

Auffallend ist, daß der größte Umsatz pro Beschäftigten (84.000 DM) in<br />

der Größenklasse 1.000 bis 2.000 Beschäftigte erzielt wurde, während<br />

Großunternehmen wegen hoher Overhead-Kosten von allen Größenklassen<br />

den geringsten Umsatz pro Beschäftigten aufwiesen (64.800 DM).<br />

Breitenacher u.a. (1974, S. 41) präzisieren:<br />

"Dies ist auf die große Produktionstiefe <strong>und</strong> die weitgehende Einzelfertigung<br />

in vielen Zweigen der Universalunternehmen zurückzuführen. Darüber<br />

hinaus spielen hier auch die hohen Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungsanstrengungen<br />

sowie die mit steigender Unternehmensgröße progressiv<br />

wachsenden Organisations- <strong>und</strong> Verwaltungsaufgaben eine entscheidende<br />

Rolle, was durch den überdurchschnittlich hohen Anteil der Angestellten<br />

bei den Großunternehmen bestätigt wird."<br />

Wie schwierig ein intertemporaler Vergleich dieser Daten ist, kann man<br />

an einer vom Stifterverband etwa gleichzeitig zu der BDI-Tabelle veröffentlichten<br />

Statistik (vgl. SV-Wissenschaftsstatistik 1979 (= Tabellen zu<br />

1977)) sehen, derzufolge in der Elektroindustrie der Umsatz pro Beschäftigten<br />

im Jahre 1977 in der Größenklasse 2.000 bis 5.000 Beschäftigte bei<br />

111.760 DM lag, nur "übertroffen" von der Größenklasse 100 bis 500 Beschäftigte,<br />

wo jeder Beschäftigte zu einem durchschnittlichen Umsatz von<br />

183.390 DM beigetragen hat. In der Großindustrie lag nach dieser Erhebung<br />

der Umsatz pro Beschäftigten bei 96.460 DM, also (im Vergleich)<br />

noch erheblich niedriger, als nach den vom BDI veröffentlichten Zahlen zu<br />

vermuten wäre.<br />

Die zusammenfassende Darstellung der Daten in Tabelle 6.1 ist jedoch<br />

insofern von Vorteil, als hier die Elektroindustrie umfassend, aber nach<br />

Größenklassen <strong>und</strong> FuE-betreibenden <strong>und</strong> nicht-betreibenden Unterneh-<br />

31 Inwieweit die Gültigkeit dieser These durch den Bedeutungszuwachs der Software-Produktion<br />

in Frage gestellt wird (s. Abschnitt 5.3.2), ist einstweilen nicht<br />

mit Sicherheit abzuschätzen. Zumindest vorübergehend ist aber in diesem Bereich<br />

die Bedeutung kleiner <strong>und</strong> mittlerer Unternehmen erheblich.<br />

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men differenziert dargestellt wird. Dennoch ist der Rekurs auf diese Tabelle<br />

nicht ganz unproblematisch. Zum einen sind seit 1974 fast zwanzig<br />

Jahre vergangen, zum anderen setzt sich die Tabelle 6.1 aus Daten des Statistischen<br />

B<strong>und</strong>esamts, des Stifterverbandes <strong>und</strong> des ZVEI zusammen, die<br />

mit jeweils unterschiedlichen Abgrenzungen der Elektroindustrie arbeiten.<br />

Wir haben es dennoch für sinnvoll gehalten, diese Tabelle zum Ausgangspunkt<br />

der Darstellung von Innovationspotentialen der Elektroindustrie zu<br />

machen, weil - wie die nachfolgende Darstellung zeigen wird - die Strukturinterpretation,<br />

die sich auf die hier präsentierte Tabelle stützt, durch<br />

neuere Entwicklungen eher bestätigt wird, <strong>und</strong> weil wegen des nicht nachvollziehbaren<br />

Zustandekommens der Tabelle eine Nachberechnung keine<br />

"zuverlässigeren" <strong>und</strong> vergleichbaren Informationen gebracht hätte.<br />

6.3 Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungspotentiale im Branchenvergleich<br />

Nach diesem ersten Eindruck von der spezifischen Verteilung von qua Input-Daten<br />

festgestellten FuE-Potentialen innerhalb der Elektroindustrie<br />

wollen wir zunächst einen Blick auf die Gesamtwirtschaft sowie auf andere<br />

Branchen werfen, um vor diesem Hintergr<strong>und</strong> den Stellenwert <strong>und</strong> die Besonderheiten<br />

der Elektroindustrie herauszuarbeiten. Aufgr<strong>und</strong> der unterschiedlichen<br />

Repräsentativität der vom Stifterverband erhobenen Daten<br />

ist allerdings sowohl bei intertemporalen wie auch bei branchenübergreifenden<br />

Vergleichen <strong>und</strong> entsprechenden Interpretationen Vorsicht geboten.<br />

32<br />

Wie aus Tabelle 6.2 hervorgeht, entfällt der weitaus größte Anteil an den<br />

FuE-Gesamtaufwendungen der Wirtschaft auf das Verarbeitende Ge-<br />

32 Wie wir an anderer Stelle gezeigt haben (vgl. Bieber, Möll 1990, S. 248), ist die<br />

Differenz zwischen den vom Stifterverband erfaßten <strong>und</strong> den "real existierenden"<br />

Unternehmen in der Chemischen Industrie wesentlich geringer als in der<br />

Elektroindustrie. Während die Daten für den Chemiebereich vom Verband der<br />

Chemischen Industrie (VCI) gesammelt <strong>und</strong> in aggregierter Form an den Stifterverband<br />

weitergegeben werden <strong>und</strong> deshalb wenigstens im Hinblick auf die<br />

Umsatz- <strong>und</strong> Beschäftigtenzahlen weitgehend den Realitäten entsprechen, kann<br />

davon für die Elektroindustrie nicht die Rede sein. Wie groß allerdings das FuE-<br />

Potential der nicht erfaßten Elektrounternehmen ist, kann nicht festgestellt werden.<br />

Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />

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werbe. Dort wiederum dominieren vier Branchen: die Chemische Industrie,<br />

der Maschinenbau, der Fahrzeugbau <strong>und</strong> die Elektroindustrie, die<br />

zusammen etwa 80 % der Mittel aufwenden. Seit Ende der 70er Jahre<br />

nimmt dabei die Elektrotechnische Industrie mit einem Anteil von über<br />

25 % die führende Position ein. Gemessen an der nominalen Ausgabenhöhe<br />

hat sie seitdem die ebenfalls als "science based" geltende Chemische<br />

Industrie hinter sich gelassen. Dies dürfte zu einem großen Teil daraus resultieren,<br />

daß die Miniaturisierung, der Preisverfall <strong>und</strong> der damit steigende<br />

Verfügungsgrad elektronischer Bauelemente zu einem Verlust von<br />

Fertigungs- <strong>und</strong> damit auch von Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungstiefe in anderen<br />

Branchen (insbesondere im Maschinenbau <strong>und</strong> der Automobilindustrie)<br />

führen.<br />

Ein ähnliches Bild wie bei den FuE-Aufwendungen zeigt sich auch bei den<br />

Zahlen der FuE-Beschäftigten (Tab. 6.3). Allerdings wies hier die Elektrotechnische<br />

Industrie schon immer die höchsten Werte aus, wobei sich der<br />

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Abstand zu den übrigen Bereichen in den letzten Jahren deutlich vergrößert<br />

hat.<br />

Die SV-Wissenschaftsstatistik weist aus, daß sich in der Elektroindustrie<br />

(mit einer Zunahme um 66 %) von 1971 bis 1987 die Zahl der FuE-Beschäftigten<br />

auf absolut 88.000 gesteigert hat. 33<br />

Das unterstreicht nochmals<br />

die führende Position der Elektrotechnischen Industrie, die sich allerdings<br />

in erster Linie auf die Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungspotentiale im Inland<br />

stützt. Berücksichtigt man dagegen die im Ausland vorfindbaren Kapazitäten,<br />

so weist die Chemische Industrie höhere Werte aus. 1981 etwa waren<br />

23 % bzw. 16 % des FuE-Personals der beiden größten Chemieunternehmen<br />

(Hoechst <strong>und</strong> Bayer), aber "nur" 12,5 % bzw. 1 % des gesamten FuE-<br />

Personals von Siemens bzw. AEG im Ausland angesiedelt (Hack, Hack<br />

1985, S. 84). 34 Inzwischen haben einige Großunternehmen der Elektrotechnik<br />

vergleichbare Größenordnungen in bezug auf die Internationalisierung<br />

ihrer FuE-Potentiale erreicht. Für Teile der Elektroindustrie (vgl.<br />

Bosch-Geschäftsbericht 1987) gilt allerdings sehr viel eindeutiger als für<br />

die Chemieindustrie, daß die Forschung im Inland verbleibt, während die<br />

Entwicklung internationalisiert wird.<br />

6.4 Das Verhältnis von Investitionen <strong>und</strong> FuE-Aufwendungen in<br />

der Elektroindustrie<br />

Für die These des Aufkommens eines "technologischen Kapitalismus"<br />

(Karpik 1977) spricht, daß in der Zielhierarchie der Unternehmen die<br />

Förderung der innovativen Potentiale einen immer höheren Stellenwert<br />

einnimmt. Vergleicht man die Ausgaben, die Unternehmen der Elektroindustrie<br />

für Sachinvestitionen tätigen, mit den Aufwendungen für FuE, ergibt<br />

sich - zunächst auf Branchenebene - folgendes Bild (Tab. 6.4).<br />

33 Die prozentual ähnliche Steigerungsrate des Maschinenbaus resultiert vor allem<br />

aus einer weitgehend politisch induzierten Steigerung (PKZ-Programm) zwischen<br />

1977 <strong>und</strong> 1979. In diesem Zeitraum expandierten die FEuK-Abteilungen<br />

des Maschinenbaus um 54 % auf 34.000 Beschäftigte, um in den darauf folgenden<br />

acht Jahren nur noch um 11 % zuzunehmen.<br />

34 Eine Ausnahme bildet Bosch, das bis dahin vorwiegend als Zulieferunternehmen<br />

für die Automobilindustrie tätig war. Hier lag der Anteil der FuE-Beschäftigten<br />

im Ausland am gesamten FuE-Personal 1974 bei 13 % <strong>und</strong> 1981 bei 16 %.<br />

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Die nominalen Aufwendungen für Sachinvestitionen haben sich im Zeitraum<br />

von 1971 bis 1985 demnach beinahe verdreifacht, während die Ausgaben<br />

für FuE um mehr als das Vierfache gestiegen sind. Letztere liegen<br />

spätestens seit 1975 über den Ausgaben für Sachinvestitionen. Nach<br />

Schätzungen der Commerzbank (Commerzbank 1989) erreichten 1988 die<br />

Aufwendungen für Forschung <strong>und</strong> Entwicklung in der Elektroindustrie ein<br />

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Volumen von 14 bis 16 Mrd. DM <strong>und</strong> lagen damit etwa doppelt so hoch<br />

wie die Nettoinvestitionen der Branche. Tabelle 6.4 verdeutlicht auch, daß<br />

die FuE-Aufwendungen zwar mit unterschiedlichen Steigerungsraten, dafür<br />

aber kontinuierlich anwachsen, während die Entwicklung der Ausgaben<br />

für Sachinvestitionen eine diskontinuierliche Bewegung mit teilweise<br />

sogar negativen Raten zeigt. Einiges spricht somit für die These der stärkeren<br />

Konjunkturabhängigkeit von Investitionsentscheidungen. Allerdings<br />

darf nicht übersehen werden, daß auch die Zuwachsraten der FuE-Ausgaben<br />

in der letzten Krisenperiode der Elektroindustrie zwischen 1981 <strong>und</strong><br />

1983 rückläufig waren. Auch die stetig wachsenden Mehrausgaben für FuE<br />

sind folglich nicht konjunkturunabhängig, wenn auch ihre Schwankungsbreite<br />

geringer zu sein scheint als die der Investitionsausgaben.<br />

Für den Zeitraum der 70er Jahre <strong>und</strong> für die erste Hälfte der 80er Jahre<br />

läßt sich feststellen, daß die Innovationspolitik der Unternehmen zu einer<br />

absoluten <strong>und</strong> relativen Zunahme der FuE- gegenüber den Investitionsausgaben<br />

geführt hat. Zumindest für diese Phase läßt sich also unsere<br />

These einer Veränderung in der Hierarchie der Unternehmensziele belegen.<br />

Inwieweit der außergewöhnlich hohe Zuwachs bei den Investitionen<br />

zwischen 1983 <strong>und</strong> 1985 hier einen erneuten Umschwung einleitet, muß<br />

abgewartet werden. Allerdings sprechen vorliegende Zahlen für den Zeitraum<br />

von 1985 bis 1987 nicht für eine Trendwende. Nach den Angaben des<br />

Statistischen B<strong>und</strong>esamts lagen die Steigerungsraten in dieser Phase bei<br />

ca. 25 % bei den FuE-Ausgaben gegenüber ca. 14 % bei den Investitionen.<br />

Beim Vergleich zwischen FuE-Aufwendungen <strong>und</strong> Investitionen sind zwei<br />

Dinge zu beachten: Zum einen enthalten die unter "Ausgaben für FuE"<br />

subsumierten Beträge sowohl Personal- als auch Sachkosten, also Sachinvestitionen<br />

für Geräte, Gebäude etc., die nur den FuE-Abteilungen dienen.<br />

35<br />

Man könnte also eine Unvergleichbarkeit beider Kostenfaktoren<br />

35 Dabei liegt der Anteil für Personalaufwendungen an den gesamten FuE-Ausgaben<br />

in der Elektrotechnischen Industrie (1981: 60,7 %; 1983: 58,7 %) einige<br />

Prozentpunkte über denjenigen des Verarbeitenden Gewerbes (1981: 55,4 %;<br />

1983: 55,1 %). Diese Werte, die auf Gr<strong>und</strong>lage von SV-Daten berechnet wurden,<br />

sprechen somit für eine niedrigere "organische Zusammensetzung" des<br />

FuE-Kapitals in der Elektroindustrie gegenüber dem Verarbeitenden Gewerbe.<br />

Allerdings fehlt es an betrieblichen Fallstudien über die internen FuE-Kostenstrukturen,<br />

mit deren Hilfe man dieser Vermutung weiter nachgehen könnte.<br />

Von Interesse wären derartige Untersuchungen z.B. für die Überprüfung der<br />

These eines zunehmenden Apparatebezugs der Wissenschaft.<br />

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der unternehmerischen Zukunftsvorsorge behaupten. Der Kern unseres<br />

Arguments bleibt davon jedoch unberührt, da dieses sich im wesentlichen<br />

auf die Veränderungen der Unternehmensstrategie in Richtung einer<br />

stärkeren Berücksichtigung des Innovationsrisikos bezieht.<br />

Ein zweiter Einwand könnte sich auf die rechte Spalte von Tabelle 6.4 beziehen<br />

<strong>und</strong> darauf verweisen, daß zu den Ausgaben für Sachinvestitionen<br />

noch Ausgaben für Beteiligungserwerb <strong>und</strong> für Direktinvestitionen im<br />

Ausland zu zählen sind, die nicht in die Summe der Bruttoanlageinvestitionen,<br />

wie sie von der Statistik erhoben werden, eingehen (s. Abschnitt<br />

5.7). Geht man von einem tendenziell stärkeren Auslandsengagement<br />

westdeutscher Unternehmen der Elektroindustrie aus, so ist in der Tat mit<br />

einem überproportionalen Anstieg von Investitionen für Beteiligungen<br />

<strong>und</strong> für den Aufbau von Produktionsstätten im Ausland zu rechnen (s.u.).<br />

Allerdings hat unsere Analyse externer organisatorischer Arrangements<br />

gezeigt (s. Kapitel 9), daß diese Engagements (Akquisitionen, Beteiligungen,<br />

Fusionen etc.) auch, mitunter sogar vorrangig, darauf gerichtet sind,<br />

einen Zugang zu den innovativen Potentialen anderer Länder bzw. anderer<br />

Unternehmen zu gewinnen. Auch nach dieser Seite hin ist also die<br />

amtliche bzw. halbamtliche Statistik nicht so trennscharf wie sie sein sollte<br />

oder könnte.<br />

Am Beispiel der Siemens AG wollen wir unsere These, daß die Erzeugung<br />

von Innovationen für die Unternehmen der Elektroindustrie zunehmend<br />

an Relevanz gewinnt <strong>und</strong> die Aufwendungen für FuE seit den 70er Jahren<br />

in dieser Branche über den Aufwendungen für Sachinvestitionen hegen,<br />

erhärten. 36<br />

Das Beispiel Siemens ist insofern aufschlußreich, als die Investitionsaufwendungen<br />

in den betreffenden Geschäftsberichten nach "Erwerb<br />

von Beteiligungen" <strong>und</strong> "Sachanlagen" differenziert werden, ein Vorteil,<br />

den - wie erwähnt - aggregierte Daten (auf Branchenebene) bislang<br />

nicht bieten. Um so deutlicher läßt sich zeigen, daß sich der in Tabelle 6.4<br />

aufgewiesene Struktur- bzw. Trendbruch in der Relation zwischen FuE-<br />

Ausgaben <strong>und</strong> Investitionen in den Großunternehmen der Branche noch<br />

viel früher vollzogen hat als im Branchendurchschnitt (Tab. 6.5).<br />

36 Für andere Großunternehmen der Elektro- <strong>und</strong> Elektronikindustrie wie etwa<br />

Bosch ließen sich vergleichbare Entwicklungen nachweisen.<br />

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Deutlich zu erkennen ist hier ein nahezu gleichmäßiges Wachstum der<br />

FuE-Aufwendungen <strong>und</strong> ein stark schwankendes Niveau der Investitionstätigkeit.<br />

Allerdings sind auch hier für den Krisenzeitraum zwischen<br />

1981 <strong>und</strong> 1983 nur geringe Wachstumsraten bei den FuE-Ausgaben zu registrieren.<br />

Trotzdem liegen die FuE-Aufwendungen bis zur Mitte der 80er<br />

Jahre regelmäßig über den Gesamtinvestitionen. Erst in den Geschäftsjah-<br />

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en 85/86, 88/89 <strong>und</strong> 89/90 übersteigen die Investitionen die Ausgaben<br />

für FuE.<br />

Eine Erklärung für diesen Umstand findet sich, wenn man die Investitionen<br />

nach Sach- <strong>und</strong> Beteiligungsinvestitionen sowie nach Inlands- <strong>und</strong><br />

Auslandsinvestitionen (die wiederum Sach- <strong>und</strong> Beteiligungsinvestitionen<br />

umfassen) differenziert. Dabei läßt sich feststehen, daß das Übergewicht<br />

der Investitionen in den betreffenden Geschäftsjahren auf die enormen<br />

Steigerungen bei den Beteiligungen zurückgeführt werden kann. Weiterhin<br />

ist zu sehen, daß sich in den Investitionskennziffern ab Mitte der 80er<br />

Jahre das verstärkte Auslandsengagement von Siemens bemerkbar<br />

macht. 37<br />

Da Beteiligungen auf das engste mit den veränderten Bedingungen<br />

der internationalen Innovationskonkurrenz (Globalisierung) zusammenhängen<br />

(s. Kapitel 9), widersprechen die notierten Gewichtsverlagerungen<br />

zwischen FuE-Ausgaben <strong>und</strong> Investitionen bei Siemens nicht im<br />

geringsten unserer These vom Wandel in der Hierarchie der Unternehmensziele.<br />

Eher ist das Gegenteil der Fall.<br />

Bei der Interpretation der Verschiebungen zwischen Sachinvestitionen<br />

<strong>und</strong> FuE-Aufwendungen ist freilich zu berücksichtigen, daß unter den<br />

Vorzeichen systemischer Rationalisierung die Unterscheidung zwischen<br />

den üblicherweise als "Investitionen für die Zukunft" umschriebenen FuE-<br />

Aufwendungen <strong>und</strong> den "eigentlichen" Investitionen an Trennschärfe verliert.<br />

So sind verstärkt Reintegrationstendenzen zwischen den industriellen<br />

Funktionsbereichen zu verzeichnen, d.h. veränderte Beziehungen zwischen<br />

Forschung, Entwicklung, Konstruktion einerseits sowie Fertigung andererseits,<br />

die sich sowohl auf die Organisation von Innovationsvorhaben als<br />

auch auf die Strukturen der übergreifenden <strong>Unternehmensorganisation</strong><br />

auswirken (s. Kapitel 7 <strong>und</strong> 8).<br />

37 Allein im Jahre 1989 wurden Teilbereiche des Unternehmens Roln von IBM<br />

übernommen, gemeinsam mit der britischen General Electric Company (GEC)<br />

das englische Elektrounternehmen Plessey gekauft sowie die auf dem Gebiet der<br />

mittleren Datentechnik tätige französische GeseUschaft IN2 erworben.<br />

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6.5 Finanzierungsformen von Forschung <strong>und</strong> Entwicklung<br />

Der überwiegende Teil der für industrielle FuE-Aktivitäten aufgewendeten<br />

Beträge wird von den Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes<br />

selbst erbracht (vgl. BMFT 1988, S. 86 ff., S. 374 f.). Es bestehen allerdings<br />

branchenspezifische Unterschiede hinsichtlich des Anteils fremdfinanzierter<br />

Forschung <strong>und</strong> Entwicklung. Wie nachfolgende Tabelle 6.6 zeigt, besitzt<br />

von den vertretenen Branchen die Chemische Industrie seit 1971 den<br />

geringsten, die Elektroindustrie den höchsten Subventionsgrad der FuE-<br />

Aufwendungen. Sogar der Maschinenbau, aufgr<strong>und</strong> seiner Unternehmensgrößenverteilung<br />

Hauptadressat des Personalkostenzuschußprogramms<br />

(PKZ), das die exorbitanten Steigerungsraten zwischen 1977 <strong>und</strong> 1979 erklärt,<br />

verfügt immer noch über eine höhere Eigenfinanzierungsquote der<br />

FuE-Kosten als die Elektroindustrie.<br />

Im Durchschnitt zahlt die Elektroindustrie von den FuE-Kosten zwischen<br />

84,5 % <strong>und</strong> 89,5 % selbst, die Chemische Industrie r<strong>und</strong> 98 % <strong>und</strong> der Maschinenbau<br />

zwischen 80 % <strong>und</strong> 93 %. Zwar ist auch dieser Vergleich in<br />

quantitativer Hinsicht durch die Probleme der SV-Wissenschaftsstatistik<br />

nicht ohne weitere Daten (die zu erheben wären) möglich, dennoch läßt<br />

der hohe Subventionsgrad der Elektroindustrie auf die Schlüsselrolle<br />

schließen, die ihr in der Forschungs- <strong>und</strong> Industriepolitik zugewiesen wird.<br />

Direkte <strong>und</strong> indirekte Subventionen erhält die Elektroindustrie vor allem<br />

in den Bereichen Kernkrafttechnik, Mikroelektronik <strong>und</strong> Informationstechnik.<br />

"Unter den Unternehmen mit den höchsten FuE-Aufwendungen befanden<br />

sich zugleich die bedeutendsten Zuwendungsempfänger öffentlicher FuE-<br />

Mittel, soweit diese Unternehmen der Wirtschau zugeleitet wurden. Angaben<br />

der B<strong>und</strong>esregierung zufolge beliefen sich 1987 die Zuwendungen<br />

des BMFT an die Siemens AG auf 277 Mio. DM. Weitere FuE-Zuwendungen<br />

erhielt die Siemens AG vom B<strong>und</strong>esministerium für Verteidigung.<br />

Ihre Rolle als größter Zuwendungsempfänger öffentlicher FuE-Mittel wird<br />

die Siemens AG zukünftig jedoch an die Unternehmen der Daimler-MBB-<br />

Gruppe verlieren" (Schneider, Welsch 1989, S. 223 f.).<br />

6.6 Interne <strong>und</strong> externe FuE-Aufwendungen<br />

Differenziert man die von den Unternehmen getätigten FuE-Gesamtaufwendungen<br />

in interne <strong>und</strong> externe Aufwendungen, so ergibt sich für den<br />

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Bereich der Elektroindustrie eine erste Bestätigung für eine unserer zentralen<br />

Arbeitshypothesen. Diese besagt, daß insbesondere Unternehmen,<br />

die der Entwicklung neuer Technologien hohe Priorität in der verschärften<br />

Weltmarktkonkurrenz einräumen, zur Minimierung der mit der Durchführung<br />

von Innovationsprozessen verb<strong>und</strong>enen Risiken verstärkt auf externe<br />

organisatorische Arrangements zurückgreifen (s. Kapitel 9; vgl. Bieber,<br />

Brandt, Möll 1987). Allerdings können die auf Branchenebene verfügbaren<br />

Daten weder etwas über Inhalt, Erfolgsträchtigkeit <strong>und</strong> Risiken externer<br />

organisatorischer Arrangements aussagen, noch können die verschiedenen<br />

Formen externer Forschungsorganisation abgebildet werden. Zeigen<br />

läßt sich mit Tabelle 6.7, daß vor allem in der Elektrotechnischen Industrie<br />

sich die Tendenz zur Auftragsforschung verstärkt hat, <strong>und</strong> zwar<br />

insbesondere mit Beginn der 80er Jahre. Verglichen mit der Chemischen<br />

Industrie <strong>und</strong> dem Maschinenbau weist die Elektrotechnische Industrie<br />

absolut (1985: 758 Mio. DM) <strong>und</strong> relativ (ca. 33 %) den höchsten Anteil<br />

an der Auftragsforschung aus. 38<br />

Hat sich der interne FuE-Aufwand in der<br />

Elektroindustrie von 1971 bis 1985 knapp vervierfacht, so haben sich die<br />

Ausgaben für Auftragsforschung mehr als verein<strong>und</strong>zwanzigfacht.<br />

6.7 Konzentration der FuE-Aufwendungen<br />

Differenziert man die FuE-Aufwendungen der Unternehmen nach Beschäftigtengrößenklassen,<br />

dann stellt sich heraus, daß der weitaus größte<br />

Teil des FuE-Aufwands von Unternehmen mit mehr als 10.000 Beschäftigten<br />

aufgebracht wird (Tab. 6.8). Dieser Umstand weist darauf hin, daß sich<br />

die FuE-Aufwendungen der Gesamtwirtschaft nicht nur auf wenige Branchen,<br />

sondern innerhalb dieser auf nur wenige Großunternehmen konzentrieren.<br />

Der in den entsprechenden Maßzahlen zum Ausdruck kommende hohe<br />

Konzentrationsgrad bei den FuE-Ausgaben dürfte in Wirklichkeit eher<br />

noch untertrieben sein. Das gilt vor allem für die 80er Jahre. Der Stifterverband<br />

trägt nämlich durch seine Erhebungspraxis dazu bei, derartige<br />

38 Der auffallende relative Rückgang der Auftragsforschung im Maschinenbau<br />

kann u.U. durch den notwendigen Auf- <strong>und</strong> Ausbau eigener Forschungs- <strong>und</strong><br />

Entwicklungsabteilungen erklärt werden.<br />

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Konzentrationstendenzen zu unterschätzen, weil er z.B. Tochterunternehmen<br />

großer Konzerne statistisch als selbständige Einheiten betrachtet.<br />

Gerade die in den letzten Jahren in der Elektroindustrie häufiger zu beobachtenden<br />

Unternehmensakquisitionen, die von dem Interesse geleitet<br />

waren, FuE-Kapazitäten spezialisierter Unternehmen in die FuE-Bereiche<br />

großer Konzerne einzugliedern, dürften zur Konzentration von FuE-Potentialen<br />

beigetragen haben, ohne daß dies in den aggregierten Daten des<br />

Stifterverbandes erkennbar ist. 39<br />

Der vom Stifterverband ausgewiesene Rückgang des FuE-Anteils der<br />

Großunternehmen fällt besonders deutlich in den Zeiträumen zwischen<br />

1977 <strong>und</strong> 1979 sowie zwischen 1981 <strong>und</strong> 1983 aus. Der erste Bruch läßt<br />

39 Die Tatsache, daß schon die Kooperation von (großen) Unternehmen im FuE-<br />

Bereich zu einer Verschärfung der Konzentration in einer Branche führen kann,<br />

hat immerhin die Monopolkommission zur Vergabe eines Gutachtens angeregt<br />

(vgl. Monopolkommission 1986, S. 11).<br />

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sich größtenteils durch die Berücksichtigung der Daten des PKZ-Programms<br />

erklären, wodurch insbesondere die Unternehmen der Größenklasse<br />

2 profitiert zu haben scheinen. 40<br />

Der zweite Bruch erklärt sich zumindest<br />

teilweise durch den konjunkturbedingten Beschäftigungsrückgang,<br />

der in Grenzfällen zu einer Zuordnung der Unternehmen in die nächstunteren<br />

Größenklassen führte.<br />

Ist somit Vorsicht geboten, aus dem statistisch ausgewiesenen Rückgang<br />

des FuE-Anteils der großen Elektrounternehmen auf ein Absinken des<br />

Konzentrationsgrades der FuE-Potentiale zu schließen, so darf daraus<br />

auch nicht gefolgert werden, Großunternehmen reduzierten ihre FuE-Anstrengungen.<br />

Eine Analyse der FuE-Ausgabenentwicklung der drei<br />

größten westdeutschen Elektrokonzerne zeigt nämlich einen kontinuierlichen<br />

Ausgabenanstieg, der in den Perioden, die von erhebungstechnischen<br />

Umstellungen des Stifterverbandes unbeeinflußt geblieben sind (75/77,<br />

79/81, 83/85), eindeutig über dem Branchendurchschnitt liegt (s. Tab.<br />

6.9). 41<br />

Dennoch ist darauf hinzuweisen, daß die Klein- <strong>und</strong> Mittelunternehmen<br />

einen beträchtlichen <strong>und</strong> wichtigen Anteil an den FuE-Leistungen der<br />

Branche halten. Immerhin wenden kleine Unternehmen, soweit sie FuE<br />

betreiben, gemessen am Umsatz etwa den gleichen Prozentsatz für FuE<br />

wie Großunternehmen auf (s. Tab. 6.8).<br />

"Der in bezug auf ihren Umsatz oder ihre Beschäftigtenzahl relativ hohe<br />

Aufwand kleiner Unternehmen für FuE dürfte darauf zurückzuführen sein,<br />

daß FuE einen Mindestaufwand erfordert, der auch von kleinen Unternehmen<br />

nicht unterschritten werden kann" (BMFT 1988, S. 99).<br />

40 Da insbesondere kleinere <strong>und</strong> mittlere Unternehmen durch das PKZ-Programm<br />

dazu veranlaßt wurden, ihre FuE-Potentiale offenzulegen, hat sich die Gr<strong>und</strong>gesamtheit<br />

der erfaßten Unternehmen vergrößert. Dadurch konnte zwar die Qualität<br />

der Statistik verbessert werden. Gleichzeitig sind damit jedoch intertemporale<br />

Vergleiche mit früheren Jahren nur noch bedingt möglich.<br />

41 Die Summe der Unternehmensforschung in Tabelle 6.9 darf nicht als Teilmenge<br />

der FuE-Aufwendungen der gesamten Branche betrachtet werden, wie sie der<br />

Stifterverband definiert <strong>und</strong> ermittelt. Gerade in den großen Unternehmen haben<br />

sich durch organisatorische Umstrukturierungen <strong>und</strong> Rationalisierungsbemühungen<br />

die Einteilungskriterien <strong>und</strong> Abrechnungsmodi mehrfach verändert.<br />

Der Vergleich dient lediglich dem Nachweis von Kontinuitäten oder Diskontinuitäten.<br />

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Zu berücksichtigen ist freilich, daß Forschung in der Industrie fast ausschließlich<br />

von den Großunternehmen durchgeführt wird, während sich<br />

kleine <strong>und</strong> mittlere Unternehmen im wesentlichen auf Entwicklung <strong>und</strong><br />

Konstruktion konzentrieren. Sie tragen dadurch ganz entscheidend zur<br />

Ausdifferenzierung neuer Technologien für verschiedene Anwendungsbereiche<br />

bei. Eine qualifiziertere Aussage über das Verhältnis zwischen<br />

Klein-, Mittel- <strong>und</strong> Großunternehmen bei Kooperation <strong>und</strong>/oder Konkurrenz<br />

auf dem Felde neuer Produkt- <strong>und</strong> Prozeßtechnologien ist allerdings<br />

auf der Basis statistischer Maßzahlen allein nicht möglich.<br />

6.8 Die Bedeutung der Gr<strong>und</strong>lagenforschung als Moment der<br />

FuE-Aufwendungen<br />

Zentrale Gegenstände der FuE-Arbeit in Industrieunternehmen sind die<br />

Entwicklung <strong>und</strong> - davorgeschaltet - die anwendungsbezogene Forschung.<br />

Allerdings besteht in einigen Fachgebieten die Notwendigkeit, auf wissenschaftliche<br />

Gr<strong>und</strong>lagen zurückgreifen zu müssen, da diese eine wichtige<br />

Voraussetzung für die spätere angewandte Forschung darstellen können.<br />

Gr<strong>und</strong>lagenforschung hat dennoch "wertmäßig" nur einen geringen Anteil<br />

an den Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungsaktivitäten der Unternehmen, der zu<br />

keiner Zeit die 10 %-Marke erreicht (s. nebenstehende Tab. 6.10). Ihre<br />

Bedeutung für das Innovationspotential des Unternehmens kann allerdings<br />

gar nicht in Geldgrößen gemessen werden, da sie sich definitionsgemäß<br />

<strong>und</strong> in vielen Fällen auch praktisch der Produktionsstruktur der Unternehmen<br />

entzieht <strong>und</strong> deshalb mit den dort gültigen Bewertungsrichtlinien<br />

nur schwer kompatibel gemacht werden kann (vgl. Scheinost 1988, S.<br />

100).<br />

Möglicherweise zeigt die Ausgabenreduktion in der angespannten Wirtschaftslage<br />

um 1982 eine allgemeine Geringschätzung dieses "immateriellen<br />

Beitrages" der Gr<strong>und</strong>lagenforschung an. Immerhin zogen gleichzeitig<br />

die internen Ausgaben für angewandte Forschung <strong>und</strong> experimentelle<br />

Entwicklung um gut eine Milliarde DM an. Im übrigen werden auch diese<br />

Zahlenreihen durch die Veränderung der Gr<strong>und</strong>gesamtheiten 1979 <strong>und</strong><br />

1983 beeinflußt, so daß die Kontinuität der Ausgabensteigerung nicht ganz<br />

so deutlich ausgefallen sein dürfte.<br />

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Weiterhin ist zu beachten, daß in einigen Bereichen die traditionellen<br />

Grenzen zwischen Gr<strong>und</strong>lagenforschung <strong>und</strong> angewandter Forschung verschwimmen.<br />

42<br />

Auch Gr<strong>und</strong>lagenforschung in der Industrie verliert zunehmend<br />

ihren "Spielwiesencharakter". Gleichzeitig verfolgen die Unternehmen<br />

häufig die Strategie, die unter Risiko- <strong>und</strong> Zeitgesichtspunkten<br />

nur schwer kalkulierbare Gr<strong>und</strong>lagenforschung von Universitäten, staatlich<br />

finanzierten Großforschungseinrichtungen oder durch Erfinderunternehmer<br />

durchführen zu lassen. Aber auch diese Vorgehensweise erfordert<br />

auf Unternehmensseite den Aufbau von einschlägigem Know-how, um die<br />

Entwicklung auf potentiell interessanten Gebieten überhaupt verfolgen zu<br />

können.<br />

42 "Technologisch gemeinte Operationen - wie die Arbeit am Transistor in den<br />

Bell-Laboratories in den 40er Jahren, die auf die Umgehung der Röhrenpatente<br />

von RCA zielte - erhalten, auch für die Beteiligten, unversehens den Status von<br />

wissenschaftlicher Gr<strong>und</strong>lagenforschung" (Hack, Hack 1985, S. 174)<br />

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6.9 Beschäftigungsstruktur in Forschung <strong>und</strong> Entwicklung der<br />

Elektroindustrie<br />

Insgesamt ist die Zahl der FuE-Beschäftigten in der Elektrotechnischen<br />

Industrie zwischen 1971 <strong>und</strong> 1985 etwa um die Hälfte gestiegen, die der<br />

Wissenschaftler <strong>und</strong> Ingenieure hat sich im gleichen Zeitraum fast verdoppelt<br />

(s. Tab. 6.11). Der Anteil des FuE-Personals an der Gesamtbeschäftigtenzahl<br />

hat dabei von ca. 5 % auf etwa 8 % zugenommen. Bei den<br />

FuE betreibenden Unternehmen ist dieser Anteil natürlich sehr viel höher<br />

<strong>und</strong> liegt teilweise bei über 30 % (vgl. Hack, Hack 1985).<br />

Gut 40 % aller im Verarbeitenden Gewerbe beschäftigten Wissenschaftler<br />

<strong>und</strong> Ingenieure standen 1985 auf den Gehaltslisten von Elektrounternehmen<br />

(s. Tab. 6.11). Der Anteil dieser Beschäftigtengruppe nahm in der<br />

Elektro- <strong>und</strong> Elektronikindustrie eindeutiger <strong>und</strong> kontinuierlicher zu als<br />

im Durchschnitt des Verarbeitenden Gewerbes. Innerhalb der Elektroindustrie<br />

machte ihr Anteil 1985 fast die Hälfte des gesamten FuE-Personals<br />

aus (vgl. Tab. 6.12), wobei nach den zuletzt verfügbaren Daten von 1977<br />

die Zahl der Ingenieure die der Wissenschaftler etwa im Verhältnis 3:2<br />

überwog. Demgegenüber war im Verarbeitenden Gewerbe nur gut ein<br />

Drittel der FuE-Beschäftigten akademisch ausgebildet (vgl. auch BDI<br />

1979, S. 368 ff.). Insgesamt zeichnet sich eine Tendenz zum Einsatz höherqualifizierten<br />

Personals im FuE-Bereich ab.<br />

Die Zeitreihen der anderen Beschäftigtengruppen zeigen 1979 einen<br />

Bruch. Auch in diesem Fall dürften statistische Umgruppierungen dafür<br />

verantwortlich sein. So nahm der Anteil der Techniker auch nach diesem<br />

Einschnitt noch bis 1981 ab, um dann erst zögernd <strong>und</strong> bis 1985 wieder<br />

kräftig anzusteigen. Diese Entwicklung vollzog sich gegenläufig zur Restgruppe<br />

der Beschäftigten im FuE-Bereich. Hier kann vermutet werden,<br />

daß sich der Beschäftigtenrückgang der Techniker "konjunkturabhängig"<br />

vollzog, der des sonstigen Personals aber eher auf Rationalisierungsmaßnahmen<br />

zurückzuführen ist. Eine verlässliche Klärung dieser Frage können<br />

jedoch nur qualitativ vorgehende Fallstudien erbringen.<br />

Die Kennzahlen zu den internen FuE-Aufwendungen je FuE-Beschäftigten<br />

<strong>und</strong> je Wissenschaftler <strong>und</strong> Ingenieur (s. Tab. 6.12) belegen, daß trotz<br />

der hohen FuE-Gesamtausgaben die FuE-Aufwendungen je FuE-Beschäftigten<br />

in der Elektrotechnik unter dem Durchschnitt des Verarbei-<br />

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tenden Gewerbes liegen. Wegen des hohen Akademikeranteils in der<br />

Elektroindustrie zeigt sich das anhand der zweiten Kennzahl (FuE-Aufwendungen<br />

je Wissenschaftler) noch deutlicher. Beide Indikatoren verweisen<br />

deutlich auf die Personalintensität der Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungsarbeiten<br />

dieser Branche.<br />

Insgesamt nimmt der Anteil der in den FuE-Abteilungen der Elektrounternehmen<br />

beschäftigten Angestellten gemessen an ihrer Gesamtzahl zu.<br />

Etwa jeder sechste Angestellte in der Elektrotechnischen Industrie war<br />

1986 im FuE-Bereich tätig (s. Tab. 6.13). Zieht man den nach dem Umsatz<br />

gewichteten Durchschnitt heran, der große Unternehmen stärker berücksichtigt,<br />

so war 1986 sogar jeder fünfte der in der Elektroindustrie tätigen<br />

Angestellten im FuE-Bereich beschäftigt.<br />

Tab. 6.13:<br />

Anteil der Angestellten im FuE-Bereich (in Prozent der gesamten Angestellten)<br />

in der Elektroindustrie<br />

1982 1984 1986<br />

D: 16,3 16,4 16,5<br />

gD: 18,0 19,5 21,6<br />

D = Durchschnitt aller Firmen<br />

gD = nach Umsatz gewichteter Durchschnitt<br />

Quelle: Angaben des ZVEI auf Anfrage<br />

Die Entwicklung der FuE-Beschäftigtenzahlen spiegelt die veränderten<br />

Unternehmensstrategien wider, die immer stärker auf die Erzeugung <strong>und</strong><br />

Vermarktung technologischer Innovationen ausgerichtet sind. Das immense<br />

Anwachsen der FuE-Aufwendungen <strong>und</strong> des FuE-Personals impliziert<br />

jedoch für die Unternehmen gleichzeitig die wachsende Notwendigkeit<br />

einer systematischen Steuerung <strong>und</strong> Kontrolle der FuE-Bereiche, die<br />

noch bis vor kurzem als relativ kontroll- <strong>und</strong> rationalisierungsresistent galten.<br />

"Neue Techniken <strong>und</strong> Produkte erfordern von Generation zu Generation<br />

steigenden Aufwand im FuE-Bereich. Gerade dieser Bereich ist jedoch im<br />

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Vergleich zur Fertigung oder zum Vertrieb betriebswirtschaftlich noch wenig<br />

durchdrungen" (Commes, Lienert 1983, S. 347).<br />

Probleme der Organisation, Steuerung <strong>und</strong> Kontrolle wissenschaftlichtechnischer<br />

Innovationsprozesse dürften deshalb zunehmend zu zentralen<br />

Aufgabenstellungen für das gesamte Management werden. Auf neuere<br />

Ansätze in der Unternehmenspraxis zur Sicherung <strong>und</strong> Steigerung der Innovationsfähigkeit<br />

wird noch ausführlicher eingegangen. Hier ging es<br />

zunächst nur darum, den Nachweis einer absolut <strong>und</strong> relativ gestiegenen<br />

Bedeutung der industriellen Innovations- bzw. FuE-Potentiale zu führen.<br />

6.10 Innovationsaufwendungen<br />

Bei der Analyse industrieller Innovationspotentiale stellt sich allerdings<br />

nachdrücklich die Frage nach dem Stellenwert von Forschung <strong>und</strong> Entwicklung<br />

im Innovationsprozeß. Oder in ökonomischen Termini: Sind Innovationsaufwendungen<br />

ausschließlich FuE-Aufwendungen, oder gehen in<br />

die Ausgaben für die Erzeugung <strong>und</strong> Durchsetzung von Produkt-(<strong>und</strong> Prozeß-Innovationen<br />

noch andere Posten ein? Hilfreich für die Beantwortung<br />

dieser Frage ist der sogenannte Innovationstest des Ifo-Instituts für<br />

Wirtschaftsforschung, das seinen Untersuchungen einen sehr weit gefaßten<br />

Innovationsbegriff zugr<strong>und</strong>e legt. Im einzelnen werden folgende<br />

Aktivitäten berücksichtigt:<br />

Forschung <strong>und</strong><br />

experimentelle Entwicklung,<br />

Konstruktion <strong>und</strong> Design,<br />

Patente, Lizenzen, Gebrauchsmuster,<br />

Produktionsvorbereitung für Produktinnovation,<br />

Absatzvorbereitung <strong>und</strong><br />

Prozeßinnovation (inkl. Rationalisierung).<br />

Diese Definition von Innovationsaktivitäten ist viel umfassender <strong>und</strong> damit<br />

realistischer als vergleichbare Definitionen, wie sie etwa in Statistiken<br />

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verwendet wurden, die sich an die Vorgaben des Frascati-Handbuchs halten:<br />

"Forschung <strong>und</strong> Entwicklung sind in dieser Sichtweise zwar notwendige,<br />

aber nicht hinreichende Bedingungen für die Innovationsdynamik einer<br />

Wirtschaft" (Penzkofer u.a. 1989, S. 16).<br />

Zur Innovationstätigkeit werden also über Forschung, Entwicklung sowie<br />

Konstruktion <strong>und</strong> Design hinausgehende Arbeitsaufgaben gerechnet. Somit<br />

ist auch der zeitliche Rahmen des Innovationsprozesses sehr weit gefaßt.<br />

Dementsprechend werden für den Ifo-Innovationstest "alle Aufwandsposten<br />

erfaßt, die von der Entstehungs- über die Entwicklungs- bis<br />

hin zur Realisierungsphase eines Innovationsprojekts anfallen, auch Software-,<br />

Qualifikations- <strong>und</strong> Organisations-Aufwendungen" (ebd.).<br />

Hält man sich an die vorliegenden Daten zu den Innovationsaufwendungen,<br />

die auf Unternehmensbefragungen beruhen <strong>und</strong> keinen amtlichen<br />

oder halbamtlichen Status haben, zeichnet sich folgende Konstellation zwischen<br />

den innovationsintensivsten Branchen ab (Tab. 6.14):<br />

Spitzenreiter bei den Innovationsaufwendungen war 1986 die Chemische<br />

Industrie gefolgt vom Straßenfahrzeugbau. Die Elektrotechnische Industrie<br />

nimmt in dieser Aufstellung nur den dritten Platz ein. Der Maschi-<br />

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nenbau folgt mit erheblichem Abstand auf dem vierten Rang. Insgesamt<br />

konzentrieren sich in diesen vier Branchen 75 % des industriellen Innovationsbudgets.<br />

Die Steigerung der Innovationsaufwendungen von 1985 auf<br />

1986 gingen fast ausschließlich auf das Konto der Chemischen Industrie,<br />

des Fahrzeugbaus <strong>und</strong> der Elektrotechnischen Industrie.<br />

Bei Berücksichtigung der gesamten Innovationsaufwendungen ergibt sich<br />

also eine andere Reihenfolge zwischen den untersuchten Branchen, als<br />

wenn die Höhe der vom Stifterverband ausgewiesenen FuE-Aufwendungen<br />

zum Maßstab gemacht wird (s. Tab. 6.2). Dieser Umstand verweist,<br />

zumindest von der Kostenseite her betrachtet, auf branchenspezifische Innovationsstrukturen.<br />

Von Interesse ist deshalb die Frage nach dem jeweiligen<br />

Anteil der FuE-Ausgaben an den gesamten Innovationsaufwendungen.<br />

Ein diesbezüglicher Vergleich zwischen der Elektroindustrie <strong>und</strong> dem<br />

Verarbeitenden Gewerbe bietet folgendes Bild (Tab. 6.15):<br />

Nach den Berechnungen des Ifo-Instituts liegt seit 1981 der FuE-Anteil an<br />

den Innovationskosten in der Elektrotechnik bei über 50 % <strong>und</strong> damit<br />

über dem Durchschnitt der Investitionsgüter produzierenden Industrie.<br />

Das besagt zunächst, daß ein relativ hoher Anteil der Innovationsaufwen-<br />

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dungen außerhalb des FuE-Bereichs anfällt. Dieser Anteil ist in der Investitionsgüter<br />

produzierenden Industrie sogar noch größer als in der Elektroindustrie.<br />

Dies bestätigt unsere Annahme, wonach sich eine Untersuchung<br />

des Innovationsgeschehens in der Industrie nicht allein auf die FuE-<br />

Abteilungen stützen kann.<br />

Hält man sich an die SV-Daten über den FuE-Aufwand der Elektroindustrie<br />

<strong>und</strong> setzt diese in Beziehung zu den Ifo-Daten über die Innovationsaufwendungen<br />

in dieser Branche, ergeben sich freilich höhere FuE-Anteile,<br />

als vom Ifo-Institut berechnet (Tab. 6.16).<br />

Offenk<strong>und</strong>ig weist der Stifterverband höhere FuE-Ausgaben für die Elektroindustrie<br />

aus als das Ifo-Institut. Eine Vergleichbarkeit zwischen den<br />

Ergebnissen der beiden Institutionen ist somit nur bedingt möglich. Trotzdem<br />

läßt sich festhalten, daß die FuE-Intensität in der Elektrotechnik über<br />

derjenigen des Investitionsgütersektors liegt. Für das Jahr 1985 ergeben<br />

sich folgende branchenspezifische Vergleichswerte bezüglich des FuE-Anteils<br />

an den Innovationsaufwendungen (Berechnungen wie in Tab. 6.16):<br />

Chemische Industrie: 43,3 %<br />

Straßenfahrzeugbau: 36,4 %<br />

Maschinenbau: 63,0 %<br />

Elektroindustrie: 60,4 %<br />

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Demnach ist die FuE-Intensität der Elektroindustrie wesentlich höher als<br />

die der Chemischen Industrie <strong>und</strong> des Straßenfahrzeugbaus. Der hohe Anteil<br />

der FuE-Aufwendungen an den Innovationskosten im Maschinenbau<br />

dürfte in erster Linie mit dem großen Konstruktionsaufwand in dieser<br />

Branche zusammenhängen. In der elektrotechnischen Industrie begründet<br />

er sich dagegen auf die Werte der Subkategorie "experimentelle Entwicklung"<br />

(Tab. 6.17).<br />

Untersuchen wir nun, wie es sich mit dem Anteil der Innovationsaufwendungen<br />

verhält, der in der Elektrotechnischen Industrie ausschließlich für<br />

Forschung aufgewendet wird (s. nebenstehende Tabelle 6.18).<br />

Diese Tabelle legt den Schluß nahe, daß in der Elektroindustrie erst ab<br />

1985 der für Forschung aufgewendete Teil der Innovationskosten über<br />

dem Durchschnitt des Investitionsgüter produzierenden Gewerbes liegt.<br />

Aufgr<strong>und</strong> der oben genannten Besonderheiten der vom Ifo-Institut erhobenen<br />

Daten ist dieser Schluß freilich nicht zwingend.<br />

Eine denkbare Erklärung für die vom Ifo-Institut ausgewiesene geringere<br />

Höhe der FuE-Aufwendungen könnte sein, daß bei der Aufschlüsselung<br />

der Innovationsaufwendungen die Rubrik "Prozeßinnovationen" unterschieden<br />

wird. Da also getrennt nach Aufwendungen für Forschung, Ent-<br />

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wicklung, Konstruktion <strong>und</strong> Prozeßinnovation gefragt wurde, ist es möglich,<br />

daß die Kosten von FuE-Tätigkeiten, die speziell bei der Innovation<br />

von Produktionsprozessen <strong>und</strong> -verfahren anfallen, nicht mehr bei den<br />

FuE-Aufwendungen auftauchen.<br />

Tab. 6.18:<br />

Anteil von Forschung an den Innovationsaufwendungen der Elektroindustrie<br />

<strong>und</strong> dem Investitionsgüter produzierenden Gewerbe (in Prozent)<br />

1982 1983 1984 1985 1986 1987<br />

Elektroindustrie<br />

Investitionsgüter<br />

prod.<br />

Gewerbe<br />

7.3 8.3 6.3 7.5 12.1 13.2<br />

7.5 8.1 7.2 7.1 8.9 8.7<br />

Quelle: Ifo-Innovationstest, laufende Jahrgänge, Mitteilung des Ifo-Instituts auf Anfrage<br />

Was das Verhältnis zwischen den Aufwendungen für Produkt- <strong>und</strong> Prozeßinnovationen<br />

betrifft, ist die vom Ifo-Institut für "den Zeitraum 1979<br />

bis 1986 festgestellte Verschiebung im Innovationsbudget zugunsten der<br />

Prozeßseite" (Penzkofer u.a. 1989, S. 16) von Interesse. Wäre diese Aussage,<br />

die sich auf das Verarbeitende Gewerbe bezieht, zutreffend, spräche<br />

das für eine Schwerpunktverlagerung industrieller Innovationsstrategien.<br />

Statt auf offensive Strategien (Produktinnovationen), die ein höheres Risiko<br />

des Scheiterns beinhalten, würden die Unternehmen in stärkerem<br />

Maße auf defensive Strategien (Prozeßinnovationen) setzen. Betrachtet<br />

man allerdings die Daten des Ifo-Innovationstests für die Elektrotechnische<br />

Industrie, läßt sich diese Behauptung zumindest für den Zeitraum<br />

1982 bis 1987 kaum belegen (Tab. 6.19). Die erhobenen Daten lassen keinen<br />

klaren <strong>und</strong> eindeutigen Trend in Richtung Prozeßinnovation erkennen.<br />

Allerdings ist auch die Kürze des betrachteten Zeitraums nicht dazu<br />

angetan, verläßliche Trendaussagen zu treffen.<br />

Gleichwohl ist für die Einschätzung der Wissenschafts- <strong>und</strong> Technologieentwicklung,<br />

aber auch für die der Entwicklung fortgeschrittener Indu-<br />

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striegesellschaften insgesamt, die Frage nach Schwerpunktverlagerungen<br />

von Innovationsstrategien von größter Bedeutung.<br />

"Die Erhebungsergebnisse des Ifo-Innovationstests aus dem Jahre 1986 indizieren,<br />

daß sich solch ein Wandel abzeichnet. Produktinnovationen,<br />

denen neue Materialien zugr<strong>und</strong>eliegen oder die zu gr<strong>und</strong>legend neuen<br />

Produkten führen, werden nach den Angaben der Innovationstestteilnehmer<br />

die Innovationsaktivitäten künftig verstärkt prägen. Prozeßinnovationen<br />

werden dagegen - offenbar auch auf der Gr<strong>und</strong>lage moderner Informations-<br />

<strong>und</strong> Kommunikationstechnologien - in größerem Umfang als bisher<br />

neue technisch-organisatorische Strukturen erfordern" (Penzkofer u.a.<br />

1989, S. 23).<br />

Während die Untersuchung des zweiten Trends seit geraumer Zeit zu den<br />

Aufgaben der Industriesoziologie gehört, liegen zur Bedeutung von Materialinnovationen<br />

aus den Reihen dieser Disziplin noch keine Analysen vor<br />

(s. Kapitel 8). Aber nicht nur für die Industriesoziologie, sondern auch für<br />

gesellschaftstheoretische Interpretationsversuche, die nach den Momenten<br />

einer Transformation des Industriekapitalismus (etwa in Richtung eines<br />

"technological capitalism") fahnden, dürften die behaupteten Tendenzen<br />

von größter Tragweite sein.<br />

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Trotz der notierten Unklarheiten denken wir, daß der vom Ifo-Institut<br />

eingeschlagene Weg einer integrativen Erfassung der Innovationskosten<br />

für die Zeitspanne von der Gewinnung neuer Kenntnisse bis zu deren<br />

Umsetzung in marktfähige Produkte, der auch die Organisationskosten erfaßt,<br />

vom Ansatz her in die richtige Richtung weist. Im Zeichen systemischer<br />

resp. integrativer Rationalisierung <strong>und</strong> der damit einhergehenden<br />

Integration unterschiedlicher Unternehmensfunktionen mit dem Ziel der<br />

"permanenten Innovation" sind die Kosten dieses Prozesses nicht allein<br />

dem Bedarf der FuE-Abteilungen zuzuschreiben. Vielmehr sind am Innovationsprozeß<br />

weit mehr als nur die "innovativen Subsysteme" beteiligt.<br />

Allerdings helfen Untersuchungen, wie sie vom Ifo-Institut angestellt werden,<br />

nicht weiter, wenn man sich für die Produktionsbedingungen von wissenschaftlich-technischen<br />

Innovationen interessiert. Dieser Vorbehalt gilt<br />

um so mehr, wenn man nach den gesellschaftlichen Implikationen fragt,<br />

die auftreten, wenn, wie man in Anlehnung an G. Brandt (1987) formulieren<br />

könnte, tendenziell "das gesamte Unternehmen die Qualität einer innovativen<br />

Organisation annimmt" (zitiert nach Brandt 1990, S. 355). Hier<br />

scheinen Industrie- <strong>und</strong> Organisationssoziologie gefordert, Antworten zu<br />

liefern.<br />

6.11 Zusammenfassung wichtiger Ergebnisse der innovationsbezogenen<br />

Branchenanalyse<br />

Innerhalb der b<strong>und</strong>esdeutschen Ökonomie spielt die Elektrotechnische<br />

Industrie gemessen an Umsatz <strong>und</strong> Beschäftigung eine herausragende<br />

Rolle. Sie zählt zu den technologischen Schlüsselindustrien, weil ihre Produkte<br />

<strong>und</strong> Verfahren nicht nur innerhalb der eigenen Branche, sondern<br />

weit darüber hinaus in der Industrie <strong>und</strong> im Dienstleistungssektor Anwendung<br />

finden. Dadurch beeinflußt die Elektro- <strong>und</strong> Elektronikindustrie<br />

ganz entscheidend das gesamtwirtschaftliche Rationalisierungsgeschehen.<br />

Mit ihrer Wachstumsdynamik liegt sie deutlich über der Produktionsentwicklung<br />

vergleichbarer Industriegruppen, auch wenn in jüngster Zeit immer<br />

häufiger von verringerten Zuwachszahlen - insbesondere im EDV-Bereich<br />

- die Rede ist. Am Weltmarkt für elektrotechnische Produkte nimmt<br />

die deutsche Elektroindustrie in vielen Bereichen eine bedeutende Position<br />

ein, die wesentlich auf der Verfügung über wissenschaftlich-techni-<br />

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sches Wissen beruht. 3<br />

Die Erzeugung dieses Wissens <strong>und</strong> dessen Umsetzung<br />

in neue Produkte <strong>und</strong> Verfahren zählt zu den herausragenden Mitteln<br />

der Unternehmen, den durch beschleunigten technologischen Wandel<br />

<strong>und</strong> verschärfte Weltmarktkonkurrenz veränderten Bedingungen Rechnung<br />

zu tragen. Aus diesem Gr<strong>und</strong> erscheint uns der Versuch, Innovationspotentiale<br />

durch eine Erhebung des FuE-Aufwandes zu bestimmen, ein<br />

erster, wenn auch notwendig unvollkommener Schritt zu sein.<br />

Unsere Darstellung <strong>und</strong> Interpretation vorliegender Daten zur Entwicklung<br />

der industriellen FuE-Aufwendungen folgte notgedrungen der impliziten<br />

Annahme einer Identität von FuE-Potentialen einerseits <strong>und</strong> Innovationspotentialen<br />

andererseits. Dabei könnte der Eindruck entstehen, die<br />

zur Hervorbringung neuer Produkte <strong>und</strong> Verfahren notwendigen Arbeitsprozesse<br />

fänden ausschließlich in ausdifferenzierten FuE-Abteilungen<br />

statt. Die Bedeutung der übrigen Unternehmensbereiche für den Innovationsprozeß,<br />

vor allem bei der Ideenfindung <strong>und</strong> Aufgabendefinition sowie<br />

bei der Umsetzung <strong>und</strong> Diffusion von neuen Technologien, darf jedoch<br />

nicht vernachlässigt werden. Von den gesamten Innovationsaufwendungen<br />

fällt folglich nur ein Teil auf Forschung <strong>und</strong> Entwicklung. Zusätzlich zu berücksichtigen<br />

sind u.a. die Kosten für die Produktionsvorbereitung neuer<br />

Produkte oder für die Absatzvorbereitung. Allerdings sind die Probleme<br />

bei der Interpretation der dazu vorliegenden Daten nicht unbedingt kleiner<br />

als bei den FuE-Daten.<br />

Vor dem Hintergr<strong>und</strong> der im Verlaufe dieses Kapitels notierten Vorbehalte<br />

gegenüber der Aussagekraft der verfügbaren, auf Input-Größen basierenden<br />

Daten über industrielle Innovationspotentiale lassen sich folgende<br />

Ergebnisse festhalten:<br />

(1) In bezug auf die Zahl der FuE-Beschäftigten <strong>und</strong> die Höhe der FuE-<br />

Ausgaben nimmt die Elektrotechnische Industrie in der B<strong>und</strong>esrepublik<br />

die führende Position ein. In beiden Dimensionen des FuE-Potentials lassen<br />

sich seit Anfang der 70er Jahre sowohl absolut als auch relativ deutliche<br />

Steigerungen erkennen.<br />

43 Allerdings wird in der Wirtschaftsberichterstattung immer wieder auf die niedrigen<br />

Anteile der europäischen <strong>und</strong> damit auch der deutschen Computerindustrie<br />

in wichtigen Segmenten des Weltmarkts hingewiesen (z.B. im Hardware-Bereich<br />

oder bei Halbleitern).<br />

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(2) Bei den FuE-Beschäftigten zeichnet sich in jüngster Zeit eine Tendenz<br />

zum Einsatz höherqualifizierter Arbeitskräfte ab.<br />

(3) Gemessen an der Gesamtzahl von elektrotechnischen Unternehmen<br />

betreibt nur eine relativ kleine Zahl von Firmen eigenständig FuE.<br />

(4) Das FuE-Personal <strong>und</strong> die FuE-Aufwendungen konzentrieren sich bei<br />

den wenigen Großunternehmen.<br />

(5) Sowohl dort als auch für die Branche generell gilt, daß die FuE-Ausgaben<br />

den Aufwand für Sachinvestitionen übersteigen. Darüber hinaus spielen<br />

bei den Beteiligungen neben markt- vor allem innovationsstrategische<br />

Überlegungen eine zentrale Rolle.<br />

(6) Im Vergleich zu anderen innovationsintensiven Branchen ist der Eigenfinanzanteil<br />

der Elektrotechnischen Industrie an den FuE-Aufwendungen<br />

relativ gering.<br />

(7) Der externe FuE-Aufwand (Auftragsforschung) hat in den letzten Jahren<br />

an Bedeutung gewonnen.<br />

(8) Die Gesamtaufwendungen für Innovationen übersteigen auch in der<br />

Elektrotechnischen Industrie deutlich die FuE-Aufwendungen. Trotzdem<br />

weist die Elektroindustrie im Vergleich zu den ebenfalls als "verwissenschaftlicht"<br />

geltenden Branchen Automobil- <strong>und</strong> Chemische Industrie<br />

einen wesentlich höheren FuE-Anteil auf.<br />

Insgesamt kann mit Hilfe der vorliegenden Daten, trotz aller Vorbehalte<br />

gegenüber ihrer Aussagekraft, unsere These gestützt werden, daß die Anstrengungen<br />

zur Bewältigung von Innovationsrisiken in den Unternehmen<br />

der Elektrotechnischen Industrie an Relevanz gewinnen. Die aktuelle<br />

Wirtschaftsberichterstattung <strong>und</strong> die Innovationsforschung weisen darauf<br />

hin, daß nicht nur die FuE-Aufwendungen in neue Größenordnungen hineingewachsen<br />

sind, sondern daß gegenwärtig auch die Organisationsstrukturen<br />

forschungsintensiver Unternehmen an veränderte Anforderungen<br />

angepaßt werden. In den folgenden Kapiteln werden wir den dabei zu beobachtenden<br />

Tendenzen nachgehen.<br />

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TeilD<br />

Strategien <strong>und</strong> Strukturen<br />

innovativer Unternehmen<br />

Drei Forschungshypothesen <strong>und</strong> erste Schritte<br />

zu ihrer empirischen Überprüfung<br />

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Einleitung<br />

Die Liste von Elektrounternehmen, die in jüngster Zeit mehr oder weniger<br />

weitreichende Modifikationen ihrer Organisationsstrukturen vorgenommen<br />

haben oder gegenwärtig vornehmen, liest sich wie ein "Who's<br />

who?" der europäischen <strong>und</strong> US-amerikanischen Elektro- <strong>und</strong> Elektronikindustrie:<br />

AEG, BBC/ABB, Bosch, Ericsson, Gr<strong>und</strong>ig, Hewlett/Packard,<br />

IBM, Nixdorf, Nokia, Norsk Data, Olivetti, Philips, SEL, Siemens, Sperry,<br />

Telenorma, Texas Instruments, Thomson u.a. Diese Entwicklung läßt sich<br />

seit mehreren Jahren beobachten <strong>und</strong> kann als Reaktion der Unternehmen<br />

auf die doppelte Herausforderung durch verschärfte Konkurrenzbedingungen<br />

auf nationalen <strong>und</strong> internationalen Märkten <strong>und</strong> die Beschleunigung<br />

des wissenschaftlich-technologischen Wandels gesehen werden.<br />

Auf der Ebene nationaler <strong>und</strong> internationaler Märkte sind Veränderungen<br />

zu registrieren, die die Gr<strong>und</strong>struktur der sozio-ökonomischen Rahmenbedingungen<br />

berühren. Diese beruhen auf einer Tendenz zu verstärkter<br />

Weltmarktkonkurrenz <strong>und</strong> Intensivierung der Verflechtung auf internationaler<br />

Ebene einerseits (vgl. Ohmae 1985) <strong>und</strong> einer Tendenz zu Marktsättigung<br />

<strong>und</strong> Stagnation im Bereich der Massengüterproduktion sowie einer<br />

Verlagerung der Nachfrage auf Nicht-Massengüter, die die Individualität<br />

der Käufer unterstreichen sollen, andererseits. Mittlerweile ist es fast<br />

schon ein Gemeinplatz geworden, von einer Krise des Systems der Massenproduktion<br />

zu reden. Nach verbreiteter Ansicht bewegen wir uns weg<br />

von einem Produktionsmodell, in dem vorwiegend für einen anonymen<br />

Markt produziert wird <strong>und</strong> die Steigerung der Mengenleistung sowie die<br />

Senkung der Stückkosten im Vordergr<strong>und</strong> der Rationalisierungsbemühungen<br />

stehen. Mit dem Hinweis auf Marktsättigungstendenzen <strong>und</strong> eine Differenzierung<br />

der Nachfrage wird ein Kontrastmodell propagiert, in dem<br />

markt- <strong>und</strong> k<strong>und</strong>enbezogene Anforderungen eine wesentlich stärkere<br />

Rolle spielen <strong>und</strong> "die Produktion spezialisierter Produkte mit nicht spezialisierten<br />

Ressourcen (qualifizierte Arbeitskräfte <strong>und</strong> universale, programmierbare<br />

Maschinen)" (Sabel 1986, S.45) an Bedeutung gewinnt.<br />

Zwar ist es unserer Ansicht nach übertrieben, angesichts dieser Tendenzen<br />

von einer einschneidenden "Krise" oder gar dem "Ende der Massen-<br />

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Produktion" (Piore, Sabel 1984) zu sprechen. Dennoch erscheint die Vermutung<br />

gerechtfertigt, daß qualitative <strong>und</strong> quantitative Nachfrageveränderungen<br />

der bislang favorisierten Strategie einer Ausnutzung der "economies<br />

of scale" Grenzen setzen. Sehr viel stärker als noch vor zehn Jahren<br />

gilt es jetzt, die Forderung nach ökonomischer Auslastung der Kapazitäten<br />

(Stichwort: Ineffizienzrisiko) mit den gestiegenen Anforderungen in<br />

Hinsicht auf Termintreue, Flexibilität <strong>und</strong> Qualität der Fertigung (Stichwort:<br />

Nachfragerisiko) zu verbinden. Dies scheint auch für die traditionelle<br />

Einzelfertigung der Investitionsgüterindustrie zuzutreffen, wo sich der<br />

schon immer bestehende Differenzierungsdruck nochmals verschärft hat.<br />

Die im Bereich hochwertiger Technologien tätigen Unternehmen sind zudem<br />

gegenwärtig mit zunehmend kürzer werdenden Produktlebenszyklen<br />

konfrontiert, denen ein starker Anstieg des zeitlichen <strong>und</strong> finanziellen<br />

Aufwands für die Entwicklung <strong>und</strong> Kommerzialisierung neuer Technologien<br />

gegenübersteht. Teilweise ist die Lebensdauer eines Produkts schon<br />

kürzer als seine Entwicklungszeit (Bullinger 1989). Im Bereich der hier besonders<br />

interessierenden Elektroindustrie sind es namentlich der Wandel<br />

von der Elektromechanik zur Elektronik, der in fast allen Produktgruppen<br />

stattfindet, <strong>und</strong> die Wertigkeitsverschiebung von der Hardware zur Software<br />

(s. Abschnitt 5.3.2), die die Unternehmen zu verstärkten Innovationsanstrengungen<br />

zwingen. Daneben wird es für die Unternehmen immer<br />

wichtiger, nicht mehr nur einzelne Produkte oder Produktbausteine zu liefern,<br />

sondern in der Lage zu sein, ganze Systeme bzw. mit bestehenden Systemen<br />

kompatible Systemeinheiten liefern <strong>und</strong> dabei auf differenzierte<br />

K<strong>und</strong>enwünsche eingehen zu können. Auch gilt es, bei anstehenden Entscheidungen<br />

über neue, möglicherweise auch international geltende Normen<br />

durch einen substantiellen Wissensvorsprung die entsprechenden Daten<br />

setzen zu können. Insgesamt haben es die Unternehmen mit erhöhten<br />

Anforderungen an Produkt- <strong>und</strong> Prozeßinnovationen zu tun (Stichwort:<br />

Innovationsrisiko), die Fragen des Technologie- <strong>und</strong> Innovationsmanagement<br />

bedeutsamer werden lassen. Allerdings sind die veränderten Bedingungen<br />

des wissenschaftlich-technischen Wandels wenigstens zum Teil<br />

auch Resultat unternehmerischer Strategien, können jedoch in aller Regel<br />

nicht vom einzelnen Unternehmen allein bestimmt werden. Technisch-wissenschaftliche<br />

Neuerungen sind also, anders als die von Unternehmen ungleich<br />

schwerer zu beeinflussende Nachfrageentwicklung, einerseits Erwartungshorizont,<br />

der der Unternehmensleitung als Kontext erscheint <strong>und</strong><br />

Entscheidungsmöglichkeiten begrenzt, andererseits aber in verstärktem<br />

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Maße Handlungsfeld unternehmerischer Entscheidungen, soweit das Unternehmen<br />

über die gezielte Allokation von Ressourcen den "technischen<br />

Fortschritt" in seinem Gang selbst zu beeinflussen vermag.<br />

Bei der simultanen Bewältigung des Nachfrage-, Ineffizienz- <strong>und</strong> Innovationsrisikos<br />

können die Unternehmen auf neuartige Technologien zurückgreifen,<br />

deren Einsatz Auswirkungen auf die gesamte <strong>Unternehmensorganisation</strong><br />

hat. So bietet die Anwendung von neuen Produktions-, Organisations-<br />

<strong>und</strong> Steuerungstechnologien (CAD, CAM, CAP, PPS etc.) die Möglichkeit<br />

der unmittelbaren Integration bisher relativ isolierter Unternehmensfunktionen<br />

<strong>und</strong> erlaubt einen verstärkten Zugriff höherer Managementinstanzen<br />

auf die Sphären der unmittelbaren Produktion wie der ihr<br />

vor- <strong>und</strong> nachgelagerten Bereiche. Dabei geht der Trend in Richtung auf<br />

eine simultane, gleichsam systemische Implementation dieser Technologien,<br />

da beispielsweise der Vorteil von CAD nicht allein in einer Rationalisierung<br />

der Konstruktionsarbeit liegt, sondern vor allem in der damit<br />

durchgesetzten Chance der Transformation dieser Arbeit <strong>und</strong> der dort<br />

produzierten Daten in mit den Anforderungen der Produktion unmittelbar<br />

kommensurabilisierbare Tätigkeiten <strong>und</strong> Steuerungsinformationen. Angestrebt<br />

wird von den Protagonisten der rechnergestützten Integration<br />

(CIM) die Einbeziehung aller Unternehmensbereiche, die zu Entwicklung,<br />

Design, Produktion, Qualitätssicherung, Marketing, Vertrieb <strong>und</strong> Service<br />

eines Produktes beitragen. Sie versprechen sich (<strong>und</strong> anderen) dadurch<br />

eine Lösung des Zielkonflikts zwischen Produktivität <strong>und</strong> Flexibilität.<br />

Viele der in der mittlerweile kaum noch zu überschauenden CIM-Diskussion<br />

propagierten Konzepte haben trotz des gebetsmühlenartig vorgebrachten<br />

Hinweises auf die Verknüpfung von Informationen, Material <strong>und</strong><br />

Maschinen über alle Bereichsgrenzen hinweg eine eigentümliche Tendenz,<br />

das Zentrum der Problemlösung bevorzugt oder gar allein im Werkstattbzw.<br />

Fertigungsbereich zu suchen. Demgegenüber wird hier behauptet,<br />

daß die Flexibilisierung der Fertigung durch den Einsatz von Informationstechnologien<br />

nur ein Moment der gegenwärtig zu beobachtenden Rationalisierungsmaßnahmen<br />

darstellt. Sein Stellenwert läßt sich nur dann<br />

genauer einschätzen, wenn das Gesamt der Unternehmensstrategien berücksichtigt<br />

wird (s. Abschnitt 3.6).<br />

Es zeichnet sich deutlich ab, daß die Unternehmen mit mehr oder weniger<br />

großem Aufwand die Problematik der notwendigen Anpassung an verän-<br />

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derte ökonomische <strong>und</strong> technisch-wissenschaftliche Bedingungen angehen<br />

<strong>und</strong> dabei den Wandel ihrer internen wie externen Umwelten aktiv vorantreiben.<br />

Zu diesen Maßnahmen zählen neben dem Wachstum durch Fusionen<br />

<strong>und</strong> Übernahmen sowie dem Aufbau transnationaler Strukturen<br />

die Konzentration auf bestimmte Kernaktivitäten, die von den Unternehmen<br />

zum Teil in Netzwerke aus Kooperationen mit Konkurrenten <strong>und</strong><br />

K<strong>und</strong>en eingebracht werden (s. Kapitel 9). Motiviert wird diese Konzentrationsstrategie<br />

durch "steigende Skalenerträge, hohe Fixkosten - besonders<br />

in Forschung <strong>und</strong> Entwicklung -, die eine kritische Größe für ein Unternehmen<br />

bedingen, interne Synergien oder auch das Streben nach<br />

Marktmacht" (Poutrel, Queisser 1990, S. 5).<br />

Die strategische Beschränkung von Unternehmen auf technologische<br />

Kernaktivitäten läßt sich in wichtigen Teilmärkten beobachten. Im Bereich<br />

der Telekommunikation z.B. haben zahlreiche Telefonhersteller im Alleingang<br />

an der Entwicklung von digitalen Fernmeldesystemen gearbeitet<br />

(jeweilige FuE-Kosten 0,6 bis 1,0 Mrd. $), ohne jedoch diese Investitionskosten<br />

amortisieren zu können. 1<br />

In der Folge gaben einige Firmen diesen<br />

Markt ganz auf bzw. trennten sich von den betreffenden Aktivitäten, andere<br />

beschränkten sich auf Lizenznahme, schlossen Kooperationen oder<br />

fusionierten. Trotz dieser vielfältigen Kooperationen schätzen Experten,<br />

daß sich die FuE-Investitionen erst in der nächsten Generation von Vermittlungssystemen<br />

(für ISDN-Netze) rechnen, deren Entwicklungskosten<br />

allerdings noch höher sein werden (Schätzungen gehen von ca. 5 Mrd. DM<br />

aus). Man nimmt an, daß weltweit überhaupt nur fünf Firmen diese Innovationskosten<br />

tragen können. Zu den aussichtsreichsten Kanditaten zählen<br />

AT&T, Northern Telecom <strong>und</strong> Siemens. 2<br />

Auf dem Markt erzeugen diese zunächst rein internen Maßnahmen eine<br />

wachsende Monopolisierung, aber auch eine Verschärfung der Konkurrenz<br />

zwischen den einzelnen Unternehmen oder Kooperationsverbünden.<br />

Es ist absehbar, daß diese Tendenz nicht auf den Bereich der Telekommunikation,<br />

in dem die FuE-Kosten enorm gestiegen sind, beschränkt<br />

bleibt, sondern für weitere Teile der Elektrotechnischen Industrie relevant<br />

1 Hochkonjunktur für Fusionen, Industriemagazin, 3/1988.<br />

2 Ebd.<br />

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wird. Schon jetzt lassen sich ähnliche Entwicklungen in anderen Marktsegmenten<br />

feststellen.<br />

1987 übernahm in einem Unternehmenstausch Thomson die Abteilung elektronische<br />

Konsumgüter des US-Konzerns General Electric (GE). Thomson wurde dadurch<br />

zum drittgrößten Anbieter von Unterhaltungselektronik hinter Philips <strong>und</strong><br />

Matsushita <strong>und</strong> verschaffte sich zugleich Zugang zum US-Markt. Im Gegenzug erhielt<br />

GE die Thomson-Sparte Medizintechnik CGR <strong>und</strong> wurde damit zum größten<br />

Anbieter auf diesem schnell wachsenden Weltmarkt. 3<br />

Mannesmann verkaufte 1987 seine Anteile an der ANT Backnang an Bosch <strong>und</strong><br />

konzentrierte sich damit auf den mit Elektronik <strong>und</strong> EDV verknüpften Aggregatebau.<br />

Durch den Verkauf erhielt das Unternehmen die notwendigen Mittel, um stärker<br />

in diese Richtung diversifizieren zu können. Dies wird möglicherweise in den<br />

USA geschehen, da das Topmanagement als Begründung seiner Aktivitäten die<br />

Ziele "Globalisierung <strong>und</strong> Internationalisierung" nennt. 4<br />

Philips gründete 1988 mit Whirlpool ein Gemeinschaftsunternehmen für Hausgeräte.<br />

Das neue Unternehmen lag damit weltweit auf dem ersten Platz der Branchenrangliste,<br />

noch vor der schwedischen Elektrolux. Für Philips bedeutete das Projekt<br />

eine weitere Beschränkung auf Kernaktivitäten wie Elektronik, Kommunikationstechnik<br />

<strong>und</strong> Licht.<br />

Elektrolux erwarb ebenfalls im Jahre 1988 die Abteilung Hausgeräte des britischen<br />

Konzerns Thorn EMI PLC. Als Gr<strong>und</strong> für den Verkauf nannte Thorn die notwendige<br />

"Konzentration auf unser strategisches Geschäft <strong>und</strong> die stärksten Geschäftszweige".<br />

6<br />

Anfang 1988 verkaufte der schwedische Konzern Ericsson seine EDV-Abteilung an<br />

Nokia, um sich auf Kernaktivitäten zu konzentrieren. 7<br />

Auch Siemens, nach der Krise der AEG neben Bosch das letzte Universalunternehmen<br />

der Elektro- <strong>und</strong> Elektronikindustrie in der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland,<br />

verfolgt neuerdings eine Strategie der Beschränkung der Unternehmenstätigkeit auf<br />

Kernbereiche. Als solche gelten diejenigen Geschäftsfelder, auf denen Siemens in<br />

einem Zeitraum von fünf bis zehn Jahren entweder der größte oder zweitgrößte<br />

Anbieter auf dem Weltmarkt sein wird. Wie in den oben geschilderten Fällen auch,<br />

verbindet sich die Strategie der Beschränkung auf Kernaktivitäten mit dem Verkauf<br />

3 Frontbegradigung bei Unterhaltungselektronik, TAZ, 25.7.1987.<br />

4 Weite Wege zum integrierten Systemangebot, Handelsblatt, 1.12.1987.<br />

5 Bauknecht erhält amerikanische Eigentümer, FR, 20.8.1988.<br />

6 Thorn-Küchengeräte an Elektrolux, FAZ, 13.4.1988.<br />

7 Nokia schnappt sich EDV von Ericsson, FR, 21.1.1988.<br />

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derjenigen Unternehmensteile, die dazu nicht unmittelbar oder mittelbar einen<br />

Beitrag leisten können; zugleich wird aber eine rege Akquisitionstätigkeit entfaltet,<br />

die mit großem Kapitalaufwand auch große Konkurrenten aufkauft, wenn sich dafür<br />

eine Gelegenheit bietet (z.B. Nixdorf, Linotype etc.).<br />

In der Regel haben die Käufe <strong>und</strong> Verkäufe von Unternehmen bzw. von<br />

Unternehmensteilen erhebliche Auswirkungen auf die Organisationsstruktur<br />

der betroffenen Unternehmen <strong>und</strong> - darüber vermittelt - auch auf die<br />

Beschäftigungssicherheit <strong>und</strong> die Arbeitsbedingungen der dort Arbeitenden.<br />

Derartige Transaktionen gehen deshalb meist nicht reibungslos vonstatten.<br />

Warnstreiks, lautstarke Proteste <strong>und</strong> Klagedrohungen von Arbeitnehmervertretern<br />

sind freilich meist nur Ausdruck der Machtlosigkeit der<br />

Betroffenen.<br />

Lassen sich organisationsstrukturelle Veränderungen auch für frühere<br />

Phasen der industriellen Entwicklung nachweisen, so scheinen sie heute<br />

durch die Verknüpfung mit der bewußt vollzogenen Beschleunigung der<br />

technisch-wissenschaftlichen Entwicklung eine neue Qualität zu gewinnen,<br />

die im Aufbau neuer, die Flexibilitätsanforderungen des Marktes <strong>und</strong> der<br />

Technologieentwicklung eher fördernder Strukturen der <strong>Unternehmensorganisation</strong><br />

bestehen. Dabei gibt es nach unserem Eindruck vor allem in<br />

der Elektroindustrie zahlreiche Hinweise darauf, daß die organisatorischen<br />

Strategien zur Beherrschung des Nachfrage- <strong>und</strong> des Ineffizienzrisikos<br />

tendenziell mit denen zur Beherrschung des Innovationsrisikos verschränkt<br />

werden. Neuartige organisatorische Arrangements, so unsere<br />

Vermutung, sollen dazu dienen, Effizienz-, Flexibilitäts- <strong>und</strong> Innovationsprobleme<br />

simultan zu lösen. Dieser These wollen wir im folgenden anhand<br />

von drei Entwicklungstendenzen industrieller Organisationsstrukturen<br />

nachgehen. Diese Tendenzen, die sich in erster Linie bei den Großunternehmen<br />

abzeichnen, sind im einzelnen:<br />

Veränderungen der Aufbauorganisation bezogen auf die Gesamtstruktur<br />

<strong>und</strong> auf Teilbereiche der Unternehmen (Kapitel 7);<br />

neue Organisationsformen von Innovationsprozessen (Kapitel 8);<br />

stärkerer Rückgriff auf externe organisatorische Arrangements (Kapitel<br />

9).<br />

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7. Neue Formen der <strong>Unternehmensorganisation</strong><br />

Ein breiter Konsens scheint darüber zu bestehen, daß Industrieunternehmen<br />

tatsächlich unter veränderten Kontextbedingungen agieren müssen,<br />

die ihnen eine höhere Flexibilität <strong>und</strong> Innovationsfähigkeit abverlangen,<br />

ohne daß deshalb Qualitäts- <strong>und</strong> Kostengesichtspunkte vernachlässigt<br />

werden könnten. Daraus, so kann in der Wirtschaftspresse fast täglich<br />

nachgelesen werden, resultiert eine Verkürzung der Produktlebenszyklen<br />

bzw. eine Beschleunigung des technologischen Wandels, eine Zunahme<br />

der Produktvielfalt, eine Verringerung der Losgrößen <strong>und</strong> der Zwang zu<br />

erhöhter Lieferbereitschaft. Umstritten sind freilich die institutionellen<br />

Konsequenzen, die mit diesem Wandel der Konkurrenzbedingungen verb<strong>und</strong>en<br />

sind. So steht z.B. die These von der "Größe der Kleinen" (Aiginger,<br />

Tichy 1985), die parallel zur Krise der Massenproduktion eine Krise<br />

des Großunternehmens impliziert, in Konkurrenz zu der Auffassung, daß<br />

sich die Flexibilisierung überkommener Formen der Massenproduktion<br />

überwiegend im Rahmen großbetrieblicher Organisationsformen hält<br />

(Brandt 1986b). Um eine Auflösung dieser Kontroverse bemühen sich Ansätze,<br />

die unter dem Eindruck zunehmender Turbulenz der ökonomischen<br />

Umwelt den Beziehungen zwischen Groß- <strong>und</strong> Kleinunternehmen nachgehen<br />

<strong>und</strong> dabei die Bedeutung von Unternehmensnetzwerken als möglicher<br />

Alternative zwischen hierarchischen <strong>und</strong> marktvermittelten Transaktionen<br />

untersuchen (vgl. Thorelli 1986; Grabher 1988; Powell 1990). Uns geht es<br />

im folgenden darum, aufzuzeigen, mit welchen organisatorischen Strategien<br />

<strong>und</strong> Maßnahmen Großunternehmen der Elektroindustrie versuchen,<br />

den veränderten Kontextbedingungen zu begegnen.<br />

7.1 Funktionale versus divisionale Organisationsstruktur<br />

Fragen der Aufbauorganisation fanden in der Nachkriegsentwicklung der<br />

b<strong>und</strong>esdeutschen Wirtschaft schon einmal große Aufmerksamkeit. Ab<br />

dem Ende der 60er Jahre wurde in zahlreichen industriellen Großunternehmen<br />

die klassische funktionale oder verrichtungsorientierte Organisationsform<br />

durch die divisionale oder objektbezogene Organisationsstruk-<br />

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tur abgelöst. Während bei der funktionalen Organisationsform (Abb. 7.1)<br />

die Abteilungen auf der obersten Gliederungsebene nach betrieblichen<br />

Funktionen wie Beschaffung, Forschung <strong>und</strong> Entwicklung, Fertigung <strong>und</strong><br />

Absatz ausgerichtet sind, stellen bei der divisionalen Organisation in der<br />

Regel Produkte oder Produktgruppen (seltener Regionen) das entscheidende<br />

Gliederungsprinzip dar:<br />

Wie das Gr<strong>und</strong>modell der divisionalen Organisationsform (Abb. 7.2) zeigt,<br />

sind die einzelnen Divisionen wiederum funktionsorientiert aufgebaut. Die<br />

Divisionalisierung bedeutet somit nicht die Abschaffung der funktionalen<br />

Organisation, sondern lediglich eine Verlagerung der funktionsorientierten<br />

Gliederung auf eine niedrigere Ebene der Leitungshierarchie.<br />

Das Konzept der divisionalen Organisation sieht vor, daß die jeweiligen<br />

Divisionsleiter mit weitgehenden Entscheidungskompetenzen für diejenigen<br />

betrieblichen Funktionen ausgestattet werden, die von besonderer<br />

Bedeutung für das laufende Geschäft <strong>und</strong> den Erfolg ihrer Produktbereiche<br />

sind. Zu diesen Funktionen gehören der Absatz <strong>und</strong> die Produktion<br />

sowie häufig auch die anwendungsnahe Produktentwicklung. Die Spartenleiter<br />

übernehmen damit gleichzeitig gegenüber der Unternehmensleitung<br />

die Ergebnisverantwortung für ihre Produktgruppen. Die Unternehmensleitung<br />

soll durch diese Arrangements entlastet werden <strong>und</strong> sich auf<br />

die strategische Gesamtplanung sowie die Verteilung der Ressourcen auf<br />

die einzelnen Divisionen <strong>und</strong> deren Bewertung konzentrieren können.<br />

In der Praxis ist das divisionale Gr<strong>und</strong>modell in Reinform so gut wie nicht<br />

zu finden. Es wird i.d.R. durch die Einrichtung von Zentralbereichen ergänzt.<br />

"Dabei wird die Aufgabe der Zentralbereiche darin gesehen, die strategische<br />

Ausrichtung der Geschäftsbereiche im Interesse des Gesamtunternehmens<br />

vorzunehmen, Spezialisierungsvorteile <strong>und</strong> Größendegressionseffekte<br />

aufgr<strong>und</strong> von unteilbaren Ressourcen oder gleichartigen Aufgaben<br />

in mehreren Geschäftsbereichen auszunutzen, Dienstleistungen für die<br />

Geschäftsbereiche zu erbringen <strong>und</strong> allgemeine Unternehmensaufgaben,<br />

die aus wirtschaftlicher Betrachtung oder unter dem Aspekt der Unternehmenseinheit<br />

zentralisiert werden sollen, zu leisten" (Kuhn 1989, S. 101).<br />

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7.2 Modifikation divisionaler Unternehmensstrukturen<br />

Folgt man den Verlautbarungen, mit denen Unternehmen der Elektro<strong>und</strong><br />

Elektronikindustrie ihre gegenwärtig zu beobachtenden Reorganisationsmaßnahmen<br />

begleiten (lassen), so steht bei den avisierten Veränderungen<br />

von Organisationsstrukturen der Gedanke einer Steigerung der<br />

Innovationsfähigkeit, der Flexibilität <strong>und</strong> der K<strong>und</strong>en- <strong>und</strong> Marktorientierung<br />

im Vordergr<strong>und</strong>. Traditionelle Rationalisierungsziele wie Kosteneinsparung<br />

<strong>und</strong> höhere Effizienz werden zwar auch genannt, aber ungleich<br />

weniger betont als die innovations-, markt- <strong>und</strong> flexibilitätsbezogenen<br />

Zielsetzungen. Häufig ist in diesem Zusammenhang auch von der strategischen<br />

Ausrichtung als Technologie-Unternehmen oder Technologie-Konzern<br />

die Rede, womit "die strategische Bereitschaft <strong>und</strong> Fähigkeit der Unternehmung<br />

zur Aufnahme <strong>und</strong> Entwicklung neuer oder neuartiger Produktionsprozesse<br />

<strong>und</strong> Produkte <strong>und</strong> damit erhöhte Wachstumsraten"<br />

(Kuhn 1989, S. 91) signalisiert werden sollen.<br />

Wir vermuten - unter Berücksichtigung unternehmensspezifischer Unterschiede<br />

- hinter den meisten der aktuell verfolgten Reorganisationsstrategien<br />

die Absicht, durch Veränderungen der bestehenden Arbeitsteilung<br />

zwischen den Geschäftsbereichen, den Zentralbereichen <strong>und</strong> der Unternehmensleitung<br />

den Zentralisationsgrad der divisionalen <strong>Unternehmensorganisation</strong><br />

zu senken. Davon versprechen sich die Unternehmensleitungen<br />

einerseits eine Steigerung des Flexibilitäts- <strong>und</strong> Innovationspotentials,<br />

um rasch auf neue Marktentwicklungen reagieren zu können, andererseits<br />

aber auch eine Erhöhung der Transparenz, die trotz einer Dezentralisierung<br />

von Entscheidungskompetenzen eine zentrale Steuerung <strong>und</strong> Kontrolle<br />

des Gesamtunternehmens ermöglicht. Abgesichert werden diese<br />

Kontrollbefugnisse in einigen Fällen durch eine gegenläufige Zentralisierungs-<br />

<strong>und</strong> Konzentrationstendenz auf der Finanz- <strong>und</strong> Strategieebene, die<br />

ihren Ausdruck in der Etablierung von Holdings findet (Poutrel, Queisser<br />

1990). Schließlich dürften auch geringere Kosten durch Einsparungen im<br />

sogenannten "Overhead"-Bereich eine Rolle spielen.<br />

Der Zentralisationsgrad divisionalisierter Unternehmen ist u.a. abhängig<br />

vom Autonomiegrad der einzelnen Geschäftsbereiche, von Anzahl, Größe<br />

<strong>und</strong> Diversifikationsgrad der Geschäftsbereiche sowie von der Komplexität<br />

der Steuerungsinstrumente (Bühner 1989b, S. 123). Eine zentrale divisionalisierte<br />

oder Geschäftsbereichsorganisation wäre demnach durch<br />

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einen geringen Grad an Autonomie der Geschäftsbereiche, durch wenige<br />

große Geschäftsbereiche mit einem heterogenen Produktprogramm <strong>und</strong><br />

durch eine hohe Komplexität der Steuerungsinstrumente gekennzeichnet.<br />

Eine dezentrale Geschäftsbereichsorganisation wäre demgegenüber durch<br />

einen hohen Autonomiegrad der Geschäftsbereiche, durch viele kleine<br />

Geschäftsbereiche mit homogenem Produktprogramm sowie durch die geringe<br />

Komplexität der Steuerungsinstrumente bestimmt (ebd.).<br />

Versucht man vor dem Hintergr<strong>und</strong> dieser Dimensionen aufzuzeigen, mit<br />

welchen organisatorischen Gestaltungsstrategien die Unternehmen den<br />

eingangs beschriebenen Kontextbedingungen entgegentreten, so ist zunächst<br />

zu überprüfen, ob den geschäftsführenden Unternehmenseinheiten<br />

größere Autonomiespielräume eingeräumt werden. Der Autonomiegrad<br />

der Geschäftsbereiche bemißt sich daran, in welchem Maße sie über die<br />

wesentlichen Funktionen verfügen, die für ihre operative Tätigkeit notwendig<br />

sind. Bei geringer Autonomie würden wichtige Funktionen von<br />

Zentralbereichen oder gemeinsam mit anderen Geschäftsbereichen wahrgenommen<br />

werden, bei hoher Autonomie würde der Geschäftsbereich<br />

über alle maßgeblichen Funktionen selbst bestimmen können.<br />

7.3 Dezentralisierung versus Zentralisierung<br />

Am Beispiel der spektakulären Reorganisation des umsatzmäßig sechstgrößten<br />

Elektrounternehmens der Welt, der Siemens AG, läßt sich die<br />

These der Tendenz zur Dezentralisierung der <strong>Unternehmensorganisation</strong><br />

recht gut belegen. Die bis vor kurzer Zeit bei Siemens existierende Organisationsstruktur<br />

wurde in ihren Gr<strong>und</strong>zügen gegen Ende der 60er Jahre<br />

konzipiert, als die bis dahin selbständigen Gesellschaften Siemens & Halske,<br />

Siemens-Schuckert <strong>und</strong> Siemens-Reiniger zu einer einzigen Aktiengesellschaft<br />

zusammengeschlossen wurden. Bis 1988 wurde die <strong>Unternehmensorganisation</strong><br />

durch eine Matrix geprägt, die aus sieben konzerngroßen<br />

Unternehmensbereichen, die für das operative Geschäft zuständig<br />

waren, <strong>und</strong> fünf Zentralbereichen, die Querschnittsfunktionen für den<br />

Gesamtkonzern erfüllten, bestand (Abb. 7.3). Im Zuge der aktuellen Umstrukturierung,<br />

die in zwei Etappen vonstatten ging, wurden zunächst die<br />

Zentralbereiche reformiert <strong>und</strong> anschließend die Unternehmensbereiche<br />

aufgegliedert.<br />

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An die Stelle der bislang fünf Zentralbereiche, zu denen mit einer besonderen<br />

Aufgabenstellung der Vertrieb gehörte, traten sechs sogenannte<br />

"Zentrale Stäbe" einschließlich des Bereichs Regionen (Abb. 7.4). Den<br />

Stäben obliegen die übergeordneten Richtlinienkompetenzen sowie Koordinations-<br />

<strong>und</strong> Dienstleistungsfunktionen, wobei zwischen den eigentlichen<br />

Führungsaufgaben <strong>und</strong> den Dienstleistungen für alle Konzernteile unterschieden<br />

wird. Alle anderen Aufgaben sollen eigenverantwortlich von den<br />

jeweiligen geschäftsführenden Einheiten wahrgenommen werden.<br />

Dezentralisierungstendenzen werden im Falle Siemens insbesondere bei<br />

der Neuordnung des Vertriebs- <strong>und</strong> des FuE-Potentials deutlich. Im Unterschied<br />

zum bisherigen Zentralbereich "Forschung <strong>und</strong> Technik" konzentriert<br />

sich die neue Stabseinheit "Forschung <strong>und</strong> Entwicklung" auf die<br />

Gr<strong>und</strong>lagenforschung <strong>und</strong> -entwicklung. Die sonstigen Entwicklungsaufgaben<br />

erfolgen dezentral bei dem Produktionsbetrieben. Die Verantwortung<br />

für den Inlandsvertrieb geht von der betreffenden Zentralabteilung auf die<br />

Geschäftsführenden Einheiten über. Der neuen Stabsabteilung "Regionale<br />

Einheiten" verbleibt nur noch der Auslandsvertrieb. Ein weiteres Beispiel<br />

für die angestrebte Dezentralisierung stellt die Werbung des Unternehmens<br />

dar. An zentraler Stelle wird nur noch über die generellen Richtlinien<br />

<strong>und</strong> die Gesamtimagewerbung entschieden, während die PR-Arbeit<br />

für bestimmte Produkte von den Unternehmenseinheiten geleistet werden<br />

soll, die sie produzieren.<br />

Die beschriebene Umstrukturierung der Zentralabteilungen wurde von einer<br />

Verringerung des dort beschäftigten Personals begleitet. Dabei kam es<br />

teilweise auch zu einer Umschichtung der Beschäftigten. So wurden über<br />

1.000 Techniker <strong>und</strong> Ingenieure aus der Zentralabteilung "Forschung <strong>und</strong><br />

Entwicklung" abgezogen <strong>und</strong> in die neu geschaffene Zentralabteilung<br />

"Produktion <strong>und</strong> Logistik" eingegliedert. Ihr Aufgabengebiet besteht dort<br />

aus der Entwicklung neuer Produktionsverfahren <strong>und</strong> der Betreuung bereichsübergreifender<br />

Projekte.<br />

An die Umstrukturierung der Stabsabteilungen schloß sich die Reorganisation<br />

der Unternehmensbereiche an. Mit Ausnahme der Medizintechnik<br />

wurden diese sukzessive in zwei bis drei Geschäftsbereiche zerlegt, so daß<br />

insgesamt 15 sogenannte Geschäftsführende Einheiten entstanden sind.<br />

Im Zuge dieser Veränderungen wurde auch das Management selbst zum<br />

Gegenstand von Rationalisierungsmaßnahmen. Durch den Abbau von<br />

Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />

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Hierarchieebenen strebte man eine Vereinfachung der komplexen <strong>und</strong><br />

zeitraubenden Entscheidungsstrukturen an. In allen Berichten über die<br />

Reorganisation der Siemens AG wird herausgestrichen, daß die Geschäftsführenden<br />

Einheiten mit größeren Entscheidungsbefugnissen ausgestattet<br />

werden. Sie sollen als "autonom operierende Einheiten mit überschaubarer<br />

Größe, flacher Hierarchie <strong>und</strong> kurzen Entscheidungswegen"<br />

über alle notwendigen Ressourcen <strong>und</strong> Funktionen von der Produktentwicklung<br />

bis zur Werbung verfügen, um innerhalb ihrer Geschäftsfelder<br />

autonom operieren zu können. Dadurch hofft man zum einen, Fertigungs<strong>und</strong><br />

Marktüberleitungsprobleme von Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungsergebnissen<br />

besser bewältigen zu können, zum anderen werden die einzelnen<br />

Einheiten unter dem Gesichtspunkt der Gewinnerzielung transparenter<br />

<strong>und</strong> besser Steuer- <strong>und</strong> kontrollierbar.<br />

Damit ist schon angedeutet, daß die Dezentralisierung von operativen<br />

Kompetenzen bei Siemens nicht mit einer Verlagerung von Strategie- <strong>und</strong><br />

Kontrollfunktionen verb<strong>und</strong>en ist. Diese werden vor allem von den Zentralen<br />

Stäben wahrgenommen, deren Leiter nach dem Abschluß der Reorganisation<br />

in Gremien, in denen sie zahlenmäßig dominieren, über strategische<br />

Konzernentscheidungen mitberaten. Verantwortliche für das operative<br />

Geschäft sollen dabei, von wenigen Ausnahmen abgesehen, nicht beteiligt<br />

werden. Hier wird ein Charakteristikum dezentraler <strong>Unternehmensorganisation</strong><br />

deutlich, nämlich die Zentralisierung von Entscheidungsbefugnissen<br />

für diejenigen Fragen, welche von herausragender strategischer<br />

Bedeutung für das Gesamtunternehmen sind. So weist Siemens<br />

für seinen Bauelementebereich seit Jahren Verluste aus, hält sich also aus<br />

strategischen Erwägungen eine Abteilung, die nicht im Wortsinne als "Profit-Center"<br />

funktioniert, auch wenn sie so organisiert ist. Selbst wenn die<br />

Vorzeichen positiver sind, die entsprechenden Bereiche also Gewinne erzielen,<br />

heißt das noch nicht, daß sie über diese frei verfügen könnten. Die<br />

unteren Leitungsebenen sind also de facto nicht autonom, sondern bewegen<br />

sich im Rahmen von strategischen Vorentscheidungen des Topmanagements.<br />

Dadurch werden die Gestaltungs- <strong>und</strong> Interventionsspielräume<br />

maßgeblich vorstrukturiert <strong>und</strong> ggf. stark eingeschränkt, so daß das mittlere<br />

<strong>und</strong> untere Management in aller Regel innerhalb von vorgegebenen<br />

"Handlungskorridoren" operiert.<br />

Ähnliche Entwicklungstendenzen in Richtung Dezentralisierung, die mit<br />

der Notwendigkeit begründet werden, den gestiegenen Anforderungen an<br />

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Flexibilität <strong>und</strong> Innovationsfähigkeit Rechnung zu tragen <strong>und</strong> auf den raschen<br />

Wandel von Technologien <strong>und</strong> Märkten angemessen reagieren zu<br />

müssen, lassen sich in einer Reihe weiterer Unternehmen der Elektroindustrie<br />

feststellen. Darüber hinaus ist auch dort die Verkopplung der Dezentralisierung<br />

mit der gegenläufigen Bewegung verstärkter Zentralkompetenz<br />

zu beobachten.<br />

Bei Standard Elektrik Lorenz (SEL), mit vier Milliarden Mark Umsatz<br />

<strong>und</strong> über 20.000 Beschäftigten fünftgrößtes Elektrounternehmen der B<strong>und</strong>esrepublik<br />

(Stand 1988), wurden im Zuge der Eingliederung des Unternehmens<br />

in die französisch-amerikanische Alcatel-Gruppe umfangreiche<br />

organisationsstrukturelle Veränderungen vorgenommen. Mit der Begründung,<br />

die wettbewerbsintensive, durch kurze Innovationszeiten <strong>und</strong> Produktlebenszyklen<br />

gekennzeichnete Bürokommunikation verlange gegenüber<br />

dem eher behäbigen "Amtsgeschäft" (mit staatlichen Stellen) ein flexibleres<br />

Management, wurde zunächst die Bürokommunikation aus der<br />

Nachrichtentechnik als eigenständige Unternehmensgruppe ausgegliedert.<br />

Im nächsten Schritt, nach dem Verkauf der Sparte Konsumelektronik an<br />

Nokia, traten an die Stelle der bisherigen Unternehmensgruppe Nachrichtentechnik<br />

fünf neu formierte Sparten: Bahnen, Vermittlungssysteme, Kabel,<br />

Übertragungssysteme sowie Verteidigung/Luftfahrt. Insgesamt entstanden<br />

dadurch sieben 8<br />

weitgehend selbständig operierende, mit Gewinnverantwortung<br />

ausgestattete Divisionen (Profit-Center). Vor allem<br />

von der Verlagerung der bestehenden Zentralfunktionen (Entwicklung,<br />

Produktion) in die Sparten erhoffte man sich eine Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit<br />

auf dem umkämpften Kommunikationsmarkt.<br />

Obwohl SEL formal eine selbständige Aktiengesellschaft ist, kann die Abhängigkeit<br />

des Unternehmens von Alcatel nicht übersehen werden. So ging<br />

die Integration von SEL in diese Holding mit einem Schw<strong>und</strong> von über<br />

10.000 Arbeitsplätzen bei SEL einher (zum großen Teil durch den Verkauf<br />

von Unternehmensteilen an Nokia, zum Teil durch Rationalisierungsmaßnahmen).<br />

Die SEL-Mutter Alcatel versteht sich als dezentrales Unternehmen<br />

mit zentraler Strategie, zentraler Finanzplanung <strong>und</strong> zentraler<br />

Steuerung. Entscheidungen über die Produktpolitik <strong>und</strong> Marktaufteilung<br />

werden neuerdings folglich bei den sogenannten Produktgruppen von Alcatel<br />

getroffen, in denen allerdings auch die zuständigen Bereichsleiter<br />

8 Der siebte Bereich umfaßt die Aktivitäten auf dem Gebiet der Bauteile.<br />

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von SEL Sitz <strong>und</strong> Stimme haben. Der Vorstand von SEL (v)erklärt diese<br />

offenk<strong>und</strong>ige Kompetenzbeschneidung mit den hohen Entwicklungskosten<br />

komplexer Systeme, die Parallelentwicklungen verunmöglichen <strong>und</strong> verweist<br />

auf den Umstand, daß trotz Deregulierung <strong>und</strong> Liberalisierung die<br />

Märkte in der Telekommunikation noch immer stark national ausgerichtet<br />

seien, woraus sich die Bedeutung dezentraler Einheiten mit dem direkten<br />

Kontakt zum lokalen K<strong>und</strong>en ergebe.<br />

In einzelnen Unternehmen ist man dazu übergegangen, den Gedanken autonomer<br />

<strong>und</strong> dezentraler Geschäftsbereiche durch die Bildung von rechtlich<br />

selbständigen Teilbereichsunternehmen umzusetzen. Als Beispiel dafür<br />

kann die Neugliederung der deutschen Gruppe des schwedisch-schweizerischen<br />

Elektrokonzerns Asea Brown Boveri (ABB) gelten. Die Neugestaltung<br />

der Führungs- <strong>und</strong> Organisationsstruktur der deutschen ABB<br />

(vormals BBC) bestand in der Aufgliederung der ehemaligen Geschäftsbereiche<br />

in 34 rechtlich selbständige Firmen. 9<br />

Die ABB Mannheim verlor ihre<br />

Produktions- <strong>und</strong> Vertriebsaufgaben <strong>und</strong> übernahm die Funktion einer<br />

Holding- <strong>und</strong> auch Führungsgesellschaft des deutschen Teilkonzerns. 10<br />

Zwischen den operativen Gesellschaften <strong>und</strong> der Holding bestehen Gewinnabführverträge.<br />

Von dieser Dezentralisierung erhoffte sich das Management<br />

ein "flexibleres marktnäheres Operieren" sowie eine größere<br />

Beweglichkeit für Kooperationen <strong>und</strong> Unternehmenskäufe.<br />

Die Vorteile dieser Konstruktion, der sogenannten Management-Holding,<br />

11<br />

liegen auf verschiedenen Ebenen:<br />

"Erstens können neu erworbene Technologieträger ohne umständliche<br />

Eingliederung schnell an den Unternehmensverb<strong>und</strong> "angehängt" werden.<br />

9 Die Planungen sahen vor, allein die Aktivitäten des Stammwerks Mannheim-<br />

Käfertal in zehn Einzelgesellschaften aufzugliedern.<br />

10 Damit entfielen auch die rechtlichen Gr<strong>und</strong>lagen für einen Gesamtbetriebsrat.<br />

Aus diesem Gr<strong>und</strong>e kam es zu Protesten der Arbeitnehmervertreter <strong>und</strong> zu Arbeitsniederlegungen.<br />

Zwischen der IG Metall <strong>und</strong> ABB Deutschland wurde<br />

schließlich eine Vereinbarung getroffen, die wegfallenden Konzern- <strong>und</strong> Spartenbetriebsräte<br />

durch Arbeitsgemeinschaften mit weitgehend gleichen Rechten<br />

zu ersetzen. Allerdings dürfte es eher der günstigen konjunkturellen Lage <strong>und</strong><br />

weniger der Stärke dieser Gremien zu verdanken sein, daß der Abbau von Arbeitsplätzen<br />

nicht den gefürchteten Umfang angenommen hat.<br />

11 Im Gegensatz zur reinen Finanzholding übernimmt diese auch die Koordination<br />

ihrer Tochtergesellschaften.<br />

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Auf diese Weise wird die Innovationsfähigkeit neuer Einheiten nicht durch<br />

ein Hineinpressen in rigide, großunternehmerische Strukturen erstickt.<br />

Zweitens können Bereiche, die nicht mehr in das Leistungsspektrum des<br />

Gesamtunternehmens passen, als eigenständige Gesellschaften kurzfristiger<br />

abgegeben werden. Drittens bieten juristisch selbständige Teilbereichsunternehmen<br />

bedeutend mehr Freiraum beim Eingehen strategischer<br />

Verbindungen" (Bühner 1988, S. 55).<br />

Nicht zu vernachlässigen ist schließlich der Transparenzzuwachs im Hinblick<br />

auf die Gewinnverantwortung. Aus Sicht der abhängig Beschäftigten<br />

stellen sich diese Faktoren naturgemäß völlig anders dar:<br />

"Was hier an Vorteilen für die Unternehmensleitung genannt wurde, sind<br />

fast spiegelbildlich die Nachteile für die abhängig Beschäftigten: angefangen<br />

bei der größeren Transparenz <strong>und</strong> effizienteren Kontrollmechanismen<br />

bis zu dem Tatbestand, daß relativ unabhängig voneinander tätige Einheiten<br />

auch relativ unabhängig - d.h. ohne daß andere Unternehmensteile<br />

betroffen wären - aufgelöst, geschlossen werden können" (Strauss-Wieczorek<br />

1988, S. 36).<br />

Auch beim deutschen Tochterunternehmen des weltgrößten Computerkonzerns<br />

IBM kam es seit 1987 zu erheblichen Umstrukturierungen, die<br />

zur Dezentralisierung der Marketing- <strong>und</strong> Serviceorganisation führten.<br />

IBM reagierte damit auf den Verlust von Marktanteilen, die durch eine<br />

stärkere Markt- <strong>und</strong> K<strong>und</strong>enorientierung zurückgewonnen werden sollten.<br />

Im Zuge dieser Reorganisation kam es zu gravierenden Veränderungen in<br />

der Personalstruktur. Während in den indirekten Verwaltungs- <strong>und</strong> Produktionsabteilungen<br />

fast 1.200 Arbeitsplätze abgebaut wurden, kam es in<br />

den direkt k<strong>und</strong>enbetreuenden Bereichen sowie in Forschung <strong>und</strong> Entwicklung<br />

zu einer Aufstockung des Personals, die in der Größenordnung<br />

von etwa 1.000 Beschäftigten lag. Dabei wurden zahlreiche Arbeitskräfte<br />

aus Produktion <strong>und</strong> Verwaltung einem umfangreichen Schulungsprogramm<br />

unterzogen, um anschließend das Vertriebspotential zu verstärken.<br />

Dieses Beispiel belegt nachdrücklich die These, daß Veränderungen der<br />

Organisationsstrukturen ein wichtiger Indikator für strategische Umorientierungen<br />

sind, die als Reaktion auf neuartige Konkurrenzbedingungen<br />

verstanden werden müssen. Zugleich wird sichtbar, daß sich dieser Wandel<br />

sehr nachhaltig in den Arbeits- <strong>und</strong> Qualifikationsstrukturen niederschlägt.<br />

Der spezielle Fall von IBM Deutschland läßt die Interpretation zu,<br />

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daß es selbst für marktführende EDV-Unternehmen nicht mehr möglich<br />

ist, informationstechnologische Produkte ohne steigenden Vertriebsaufwand<br />

abzusetzen. Dieser Umstand dürfte in der gesamten Computerindustrie<br />

zu einer Gewichtsverlagerung in den Beschäftigtenstrukturen führen.<br />

7.4 Dezentralisierung industrieller Innovationspotentiale<br />

Eine bei fast allen Reorganisationsmaßnahmen der letzten Jahre geäußerte<br />

Absicht besteht darin, ganze Hierarchieebenen einzusparen <strong>und</strong><br />

zu dezentralisieren. Dieser Tendenz wird sich nach unserem Eindruck<br />

auch der FuE-Bereich nicht entziehen können. Aus zentralen Forschungsabteilungen<br />

entstehen bei immer zahlreicheren Unternehmen anwendungsnahe<br />

Entwicklungszentren, die eine größere Markt- <strong>und</strong> Fertigungsnähe<br />

sicherstellen sollen.<br />

Das schon erwähnte Beispiel der Umstrukturierung bei Siemens ist auch<br />

in dieser Hinsicht instruktiv <strong>und</strong> symptomatisch. Die zentrale Forschung<br />

<strong>und</strong> Entwicklung konzentriert sich dort nach der Reorganisation auf die<br />

konzerninterne Forschung <strong>und</strong> die Weiterentwicklung der Gr<strong>und</strong>lagen.<br />

Die eigentliche Produktentwicklung erfolgt dagegen dezentral in den einzelnen<br />

Unternehmensbereichen. Auf diese Weise stehen etwa 3.000 Forscher<br />

in der Zentralabteilung den weltweit mehr als 38.000 Entwicklern bei<br />

den Produktionsbereichen gegenüber. Hinzu kommen noch die über 1.000<br />

Techniker <strong>und</strong> Ingenieure der Zentralabteilung Produktion <strong>und</strong> Logistik,<br />

die allein für Prozeßinnovationen zuständig sind. Da dieser Bereich allerdings<br />

gegenüber den Werken keine Weisungsbefugnisse besitzt, trägt er<br />

nicht zur Beschneidung dezentraler Entscheidungskompetenzen bei.<br />

Eine ähnliche Dezentralisierungstendenz zeichnet sich beim Daimler-<br />

Benz-Konzern ab, zu dem bekanntlich auch das Elektrounternehmen AEG<br />

gehört. Betrieben wird dort eine Trennung von Forschung <strong>und</strong> Entwicklung,<br />

wobei es dem Zentralressort Forschung <strong>und</strong> Entwicklung obliegt,<br />

Konzernprogramme zu forcieren, Basistechnologien voranzutreiben <strong>und</strong><br />

neue Geschäftsfelder aufeubauen. Ziel dieses Konzepts ist es, technologische<br />

Synergien über alle Geschäftsbereiche hinweg zu realisieren. Damit<br />

besitzt das Zentralressort entscheidenden Einfluß auf die strategische<br />

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Orientierung des Gesamtkonzerns. 12<br />

Dem steht die Dezentralisierung der<br />

Entwicklung gegenüber, wodurch die Geschäftsbereiche für diese Aufgabe<br />

selbst verantwortlich sind. Diese organisatorische Konstruktion bringt allerdings<br />

gewisse Probleme mit sich: Sie erschwert die angekündigte <strong>und</strong> als<br />

strategisches Ziel des Kaufs von AEG proklamierte Realisierung von Synergieeffekten,<br />

<strong>und</strong> zwar zum einen auf der Entwicklungsebene, d.h. zwischen<br />

den Geschäftsbereichen, <strong>und</strong> zum anderen zwischen Forschung <strong>und</strong><br />

Entwicklung, d.h. zwischen dem Zentralressort <strong>und</strong> den Geschäftsbereichen.<br />

Daraus ergeben sich schwierige Aufgaben für das Innovationsmanagement.<br />

13<br />

Durch die Dezentralisierung innovativer Potentiale <strong>und</strong> die Beschneidung<br />

zentralisierter Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungseinrichtungen ist damit zu<br />

rechnen, daß Markt- <strong>und</strong> Fertigungszwänge immer direkter zu maßgeblichen<br />

Einflußfaktoren der Arbeit von Wissenschaftlern, Technikern <strong>und</strong><br />

Ingenieuren in der Industrie werden <strong>und</strong> in gewissem Umfang die unmittelbare<br />

Autorität des Managements substituierbar machen (Whalley<br />

1986). Ansätze dazu gibt es bereits seit den 70er Jahren, wobei schon damals<br />

die Formen der Rationalisierung wissenschaftlich-technischer Arbeit<br />

weniger auf die direkte Gestaltung von Arbeitsvollzügen an einzelnen Arbeitsplätzen<br />

zielten, sondern vor allem an der formalen Strukturierung der<br />

<strong>Unternehmensorganisation</strong> <strong>und</strong> damit am organisatorischen Rahmen von<br />

Arbeitsprozessen ansetzten (Heisig u.a. 1985, S. 45 ff.). Mittlerweile wurde<br />

das Instrumentarium, mit dem die Teilergebnisse der am Innovationsprozeß<br />

beteiligten Funktionen <strong>und</strong> Funktionsbereiche zeitlich <strong>und</strong> inhaltlich<br />

aufeinander abgestimmt werden, weiterentwickelt, um marktökonomische<br />

Anforderungen an neue Produkte sowie fertigungstechnische <strong>und</strong> kostenökonomische<br />

Überlegungen frühzeitig zu antizipieren bzw. zu berücksichtigen.<br />

Die Unternehmen reagieren damit auf veränderte Wettbewerbsbedingungen,<br />

denen sie nur durch eine stärkere (Selbst-)Disziplinierung ihrer<br />

Arbeitskräfte <strong>und</strong> transparentere Erfolgskontrollen von Forschungs<strong>und</strong><br />

Entwicklungsaufgaben glauben begegnen zu können. Dabei entsteht<br />

12 Die AEG mußte beispielsweise im Jahre 1989 ihre Forschungsinstitute in Berlin,<br />

Frankfurt <strong>und</strong> Ulm mit insgesamt 550 Beschäftigten an die Daimler-Benz-Konzernforschung<br />

abtreten, um eine solche tragende Rolle zu ermöglichen.<br />

13 Um einen gangbaren Weg zwischen den Extremen zentraler <strong>und</strong> dezentraler<br />

Forschung zu finden, griff Daimler-Benz auf externe Kompetenz in Form der<br />

Beratungsgesellschaft McKinsey zurück.<br />

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freilich die Gefahr, sich auf kurzfristige, inkrementale <strong>und</strong> anwendungsnahe<br />

Innovationsanstrengungen zu konzentrieren <strong>und</strong> längerfristig orientierte,<br />

strategisch bedeutsame Forschungen zu vernachlässigen. Auf die<br />

organisatorischen Arrangements, mit denen Unternehmen eine stärker<br />

markt- <strong>und</strong> fertigungsorientierte <strong>Technikentwicklung</strong> bewerkstelligen wollen,<br />

werden wir im folgenden Kapitel eingehen.<br />

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8. Die Innovation von Innovationsprozessen - oder:<br />

Zeit ist Geld<br />

In der an Praxis orientierten <strong>und</strong> in der theoretisch interessierten Diskussion<br />

über Rationalisierung zeichnet sich eine Akzentverschiebung ab.<br />

Nach den Fertigungsabläufen gerät in jüngster Zeit auch die Produktentwicklung<br />

unter erheblichen Rationalisierungsdruck. Die neuen Zauberworte<br />

heißen "integrative Produktgestaltung", "simultaneous" oder "concurrent<br />

engineering" <strong>und</strong> verweisen auf die vernetzte Zusammenarbeit aller<br />

an der Produkterzeugung beteiligten Unternehmensfunktionen. Für<br />

das Innovationsmanagement stellt sich deshalb nicht mehr allein die Frage<br />

nach der geeigneten Organisationsform in den FuE-Bereichen. Als eigentliches<br />

Problem gilt jetzt die Koordination des gesamten Innovationsprozesses<br />

über die einzelnen Bereiche hinweg (Kieser 1986). Verständlich<br />

wird diese Problemstellung vor dem Hintergr<strong>und</strong> der wachsenden strategischen<br />

Bedeutung der Entwicklungsdauer neuer Produkte, 14<br />

die wiederum<br />

als Ausdruck von strukturellen Veränderungen auf den nationalen <strong>und</strong> internationalen<br />

Märkten begriffen werden muß.<br />

8.1 Sequentieller versus simultaner Innovationsprozeß<br />

Wenn nicht alles trügt, so korrespondiert dem Übergang von einem bevorzugt<br />

auf Standardisierung <strong>und</strong> Ausnutzung von Größenvorteilen ausgerichteten<br />

Produktionssystem zu einem stärker unter Flexibilitäts- <strong>und</strong> Innovationszwang<br />

stehenden System eine Veränderung betrieblicher Innovationsprozesse<br />

<strong>und</strong> -Strategien. Vor allem auf dem Gebiet der Produktentwicklung<br />

zeichnet sich eine neue Vorgehensweise der Unternehmen ab,<br />

die freilich, geht man in der Industriegeschichte einige Zeit zurück, ihre<br />

Vorläufer hat. Die Rede ist von der simultanen Entwicklung eines neuen<br />

14 "Während in den letzten Jahren hauptsächlich die Reduzierung der Fertigungsdurchlaufzeit<br />

im Vordergr<strong>und</strong> zeitorientierter betrieblicher Neugestaltung stand,<br />

ist ein verstärkter Trend zur Verkürzung der Entwicklungsdauer zu beobachten"<br />

(Nippa, Schnopp 1990, S. 118).<br />

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Produkts <strong>und</strong> der betreffenden Produktionseinrichtungen, wie sie etwa bei<br />

den Gründungsvätern der Automobilindustrie Karl Benz, Georg Opel,<br />

Henry Ford <strong>und</strong> anderen noch üblich war. Mit der zunehmenden Komplexität<br />

der herzustellenden Produkte <strong>und</strong> dem Größenwachstum der Unternehmen<br />

erschien dieser Modus jedoch nicht mehr praktikabel. An die<br />

Stelle der parallelen Entwicklung von Produkt <strong>und</strong> Produktionstechnologie<br />

rückte eine sequentielle Arbeitsweise, bei der zwischen der Fertigungsmittelplanung<br />

<strong>und</strong> der Produktentwicklung sowohl eine organisatorische als<br />

auch eine räumliche Trennung besteht. Dazu kommt noch eine zeitliche<br />

Trennung, denn die Konzipierung der Produktionsmittel wird bei dieser<br />

Arbeitsweise erst dann aufgenommen, wenn die Produktspezifikation abgeschlossen<br />

ist, die Zeichnungen <strong>und</strong> Stücklisten erstellt sind <strong>und</strong> die Produktfreigabe<br />

erfolgt ist.<br />

Der sequentielle Modus der Produkt- <strong>und</strong> Prozeßinnovation geht mit einer<br />

auf den Prinzipien des Taylorismus beruhenden funktionsorientierten<br />

Organisationsstruktur einher. Diese<br />

"hat in der Vergangenheit den Unternehmen erhebliche Vorteile erschlossen.<br />

So wurde aufgr<strong>und</strong> der Trennung der verschiedenen Abteilungen <strong>und</strong><br />

der getrennten Abläufe der Produktentwicklung <strong>und</strong> der Fertigungsmittelplanung<br />

ein systematischer Personal- <strong>und</strong> Hilfsmitteleinsatz möglich. Bei<br />

der hohen Arbeitsteilung der funktionalen Struktur konnten einzelne Arbeitsvorgänge,<br />

die eng abgegrenzte Inhalte aufwiesen, leicht überschaut<br />

<strong>und</strong> kontrolliert werden. Mit der Zunahme der Komplexität der Produkte<br />

<strong>und</strong> der Produktionseinrichtungen wuchs die Anzahl <strong>und</strong> Größe der Fachabteilungen.<br />

Dies führte zu einer klaren Abgrenzung der Funktionsbereiche<br />

mit zahlreichen Hierarchiestufen, die eine wirkungsvolle Überwachung<br />

<strong>und</strong> Kompetenzabgrenzung erlaubten" (Eversheim 1989, S. 4).<br />

Mit dieser Form der Organisation sind allerdings auch verschiedene - inzwischen<br />

zunehmend problematisierte - Nachteile verb<strong>und</strong>en. Durch die<br />

zeitliche Trennung zwischen Produktentwicklung <strong>und</strong> Fertigungsmittelplanung<br />

bei sequentiell organisierten Innovationsprozessen erhält der Fertigungsplaner<br />

erst nach der Produktfreigabe die notwendigen Unterlagen,<br />

um die geeigneten Produktionsmittel zu konzipieren. Die nachträgliche<br />

Berücksichtigung von fertigungs- <strong>und</strong> montagetechnischen Anforderungen<br />

an das Produkt ist dabei jedoch in aller Regel nur unter Inkaufnahme von<br />

erheblichen Zeit- <strong>und</strong> Kostennachteilen möglich. Als Mängel dieser Organisationsform<br />

gelten außerdem der geringe Informationsrückfluß aus der<br />

Produktion in die Planungsabteilungen sowie die mangelnde Flexibilität<br />

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der Produktionsabteilungen bei der Realisierung geforderter Produktmodifikationen.<br />

Insbesondere die aus den Problemen der Fertigungsüberleitung<br />

resultierenden zeitlichen Verzögerungen des Produktionsanlaufs, die<br />

in bestimmten Bereichen den kommerziellen Erfolg des Produkts in Frage<br />

stellen können, rücken gegenwärtig immer stärker in den Blickpunkt. Zumindest<br />

in den einschlägigen Publikationen der Wirtschaftspresse <strong>und</strong> der<br />

betriebswirtschaftlichen Fachliteratur wird vor allem der über die Konkurrenzbedingungen<br />

vermittelte Zeitdruck angeführt, der den bislang üblichen<br />

Weg, erst nach beendeter Produktentwicklung die Lösung der Fertigungsprobleme<br />

anzugehen, obsolet mache. Das "strategische Trilemma des<br />

Technologiemanagements" (Bleicher 1990), also die Verkürzung der Produktlebenszeiten<br />

bei gleichzeitiger Verlängerung der Entwicklungsdauer<br />

<strong>und</strong> damit einhergehender Expansion der FuE-Kosten (s. Abschnitt 3.4.2),<br />

habe Zeit immer mehr zu einer strategischen Ressource werden lassen.<br />

8.2 Der Faktor "Zeit" im Innovationsprozeß<br />

Folgt man den Ausführungen der einschlägigen Autoren, dann sind wir<br />

gegenwärtig Zeugen eines Bedeutungswandels klassischer Wettbewerbsparameter,<br />

der sich in einer neuen Rangfolge zwischen den Variablen Kosten,<br />

Qualität <strong>und</strong> Zeit niederschlägt:<br />

"Das Management im FuE-Bereich muß dem Leistungsfaktor Zeit heute<br />

vielfach Priorität vor anderen Zielen wie Kosten <strong>und</strong> Qualität einräumen.<br />

Während bislang nach Markteinführung i.d.R. von zunächst steigenden<br />

Marktpreisen ausgegangen werden konnte, wird in Zukunft eher eine stetig<br />

fallende Preistendenz die Wettbewerbssituation kennzeichnen. Darüber<br />

hinaus ist mit tendenziell geringeren Absatzmengen (Verringerung der<br />

Stückzahl), die in kürzerer Zeit erreicht werden müssen, zu rechnen. Neben<br />

weiteren Faktoren weisen diese Tendenzen darauf hin, daß in Zukunft<br />

vor allem die Entwicklungszeit für neue Produkte <strong>und</strong> der zeitgerechte<br />

Markteintritt über den Erfolg bzw. Mißerfolg einer Unternehmung entscheidenden<br />

Einfluß nehmen werden (...)" (Reichwald 1989, S. 316; Hervorhebungen<br />

von uns - DB/GM).<br />

Die Bedeutung kurzer Entwicklungszeiten für das Geschäftsergebnis wird<br />

am Beispiel hausinterner Modellrechnungen der Siemens AG deutlich<br />

(Abb. 8.1).<br />

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Danach kann bei Produkten mit einer Lebensdauer von fünf Jahren eine<br />

Verzögerang des Markteintritts um sechs Monate eine Ergebnisminderung<br />

bis zu 33 % bedeuten. Eine Erhöhung der Entwicklungskosten um<br />

50 % verursacht dagegen nur eine Ergebnisminderung um 3,5 %. Diese<br />

Wirkung tritt immer dann ein, wenn bei verspätetem Markteintritt ein<br />

spürbarer Preisfall einkalkuliert werden muß. Im Unterschied dazu ist bei<br />

Produkten mit längerer Lebensdauer vor allem die Abweichung von den<br />

geplanten Produktionskosten von Relevanz. Der Umstand, daß ein Großteil<br />

dieser Kosten in den frühen Phasen der Produktentwicklung festgelegt<br />

wird, unterstreicht die Bedeutung dieses Abschnitts von Innovationsprozessen<br />

(s.u.).<br />

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Bei verkürzten Produktlebenszyklen wären folglich die Entwicklungszeiten<br />

<strong>und</strong> weniger die Entwicklungskosten der ausschlaggebende Faktor für Erfolg<br />

oder Mißerfolg einer Innovation. Diese Situation dürfte in vielen<br />

Branchen für eine wachsende Zahl von Produkten gegeben sein. Dies gilt<br />

vor allem für den Bereich der Informations- <strong>und</strong> Kommunikationstechnologien.<br />

Der Erfolg industrieller Produktion hängt dort nicht mehr ausschließlich<br />

von der Beachtung der Maximen kostengünstiger Innovationsentwicklung<br />

ab, sondern er wird zusätzlich von der Fähigkeit zur Beschleunigung<br />

von Innovationsprozessen bestimmt. Wie Beispiele aus der<br />

Geschichte der Computerindustrie zeigen, kommt es allerdings nicht nur<br />

auf die Entwicklungsdauer, sondern häufig auch auf den Entwicklungszeitpunkt<br />

an:<br />

"So war beispielsweise dem Urvater ganzer Personal Computer-Generationen,<br />

dem 'Star' bzw. 'Alto' der Firma Xerox, kein kommerzieller Erfolg<br />

vergönnt, da sich die Ideen von arbeitsplatznaher Computerintelligenz, einer<br />

benutzerfre<strong>und</strong>lichen Grafikoberfläche <strong>und</strong> vielfältigen Anwendungsprogrammen<br />

erst eine Dekade später u.a im Zuge kostengünstigerer <strong>und</strong><br />

leistungsfähigerer Chips umsetzen ließen. Die Zeit war noch nicht reif für<br />

die Ideenumsetzung" (Reichwald 1990, S. 9; Hervorhebungen im Original).<br />

Aber nicht nur den, der zu früh kommt, sondern auch den, der zu spät<br />

kommt, bestraft das Leben. Beispielsweise<br />

"haben namhafte Unternehmen lange Zeit die tatsächliche Wirkung der<br />

PC-Revolution zum Preis entgangener <strong>und</strong> nur schwer wieder zu erringender<br />

Marktanteile unterschätzt <strong>und</strong> , verschlafen\ Deutlich wird hier allerdings<br />

das Problem, daß der 'ideale' Zeitpunkt im Regelfall erst nachträglich<br />

bestimmt werden kann" (ebd., S. 10).<br />

Obwohl es gerade beim Betreten von technologischem Neuland vorteilhaft<br />

sein kann, zunächst die Konkurrenz die Fehler machen zu lassen <strong>und</strong> erst<br />

spät <strong>und</strong> mit ausgeklügelter Strategie auf dem Markt aktiv zu werden,<br />

dürfte es auf den meisten Märkten günstiger sein, sich früher als die Wettbewerber<br />

ins Rennen zu begeben. 15<br />

Allerdings darf nicht übersehen werden,<br />

daß auch die Rolle des technologischen Vorreiters mit Risiken verb<strong>und</strong>en<br />

ist. Die Ambivalenz rascher Innovationszyklen zeigt sich späte-<br />

15 So hat z.B. Siemens mit der Strategie des "überlegenen Zweiten" beim anstehenden<br />

Einstieg in die Mikroelektronik beinahe Schiffbruch erlitten.<br />

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stens dann, wenn, wie etwa im PC-Bereich, die Anwender vom Innovationstempo<br />

überfordert werden. 16<br />

Es ist damit zu rechnen, daß die verschärften Bedingungen in der Innovationskonkurrenz<br />

nicht nur auf die Organisation des FuE-Bereichs, sondern<br />

auf die gesamte <strong>Unternehmensorganisation</strong> sowie auf unternehmensübergreifende<br />

organisatorische Arrangements durchschlagen werden. Das gilt<br />

vor allem dann, wenn die Entwicklungskosten der Innovation Größenordnungen<br />

erreichen, die auf einzelnen nationalen Märkten nicht mehr amortisiert<br />

werden können. Weiterhin ist zu erwarten, daß der Zwang zur<br />

schnellen weltweiten Vermarktung neuer Produkte auch die Strukturen<br />

der Märkte verändert, da für die Anpassungen an je spezifische nationale<br />

Märkte (Normen, Technikkulturen etc.) keine Zeit mehr bleibt. 17<br />

8.3 "Simultaneous Engineering"<br />

Bei den Versuchen, den Weg von der Idee eines neuen Produkts bis zu<br />

seiner Herstellung zeitlich zu verkürzen, stehen gegenwärtig zwei Lösungsansätze<br />

im Vordergr<strong>und</strong>. Zum einen läßt sich der zunehmende Einsatz<br />

rechnergestützter Hilfsmittel bei der Produktentwicklung beobachten.<br />

Am bekanntesten <strong>und</strong> am verbreitetsten sind dabei CAD-Systeme, die vor<br />

allem die Zeichnungserstellung im technischen Büro unterstützen sollen.<br />

Eine zunehmend wichtigere Rolle spielen außerdem der Einsatz von Expertensystemen<br />

<strong>und</strong> die Anwendung verschiedener Simulationsverfahren<br />

wie z.B. die Finite-Elemente-Methode (FEM) zur Ermittlung des Bauteileverhaltens.<br />

Zum anderen findet ein organisatorisches Konzept immer<br />

mehr Beachtung, das sowohl in Verbindung mit computergestützten Techniken,<br />

aber auch unabhängig davon anwendbar ist: das gleichzeitige Entwickeln<br />

von Produkt <strong>und</strong> Produktionseinrichtungen (Simultaneous Engineering).<br />

16 "Wir dürfen nicht zu schnell mit Innovationen sein. Unsere K<strong>und</strong>en wollen ihre<br />

PC verkaufen" (Rissmann, Deutschland-Chef des amerikanischen Halbleiterherstellers<br />

Intel, zitiert nach Heismann 1989, S. 69).<br />

17 Die Errichtung des Binnenmarkts in Europa, wo eine einmalige Zulassung auf<br />

einem Markt für alle nationalen Märkte Gültigkeit haben soll, wird zu einer<br />

weiteren Verkürzung der Produktlebenszyklen führen, da der Aufwand für technische<br />

Anpassungen erheblich reduziert werden kann.<br />

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Das Schlüsselprinzip des Simultaneous Engineering besteht darin, bereits<br />

in der Phase der Produktkonzeption die Anforderungen der verschiedenen<br />

relevanten Unternehmensfunktionen zu berücksichtigen.<br />

"Parallel statt sequentiell wird schrittweise der Gestaltungsspielraum in<br />

Abstimmung zwischen den unterschiedlichen Funktionen eingeengt vom<br />

Plan über Konzeptfindung bis zur Produktfreigabe. Dabei werden Produktfunktionen,<br />

Verkaufsfähigkeit, Herstellbarkeit, Wartbarkeit, Kosten,<br />

Investitionsbedarf, Qualitätsverhalten <strong>und</strong> Logistik gleichermaßen berücksichtigt,<br />

statt erst im nachhinein wegen Nicherfüllung bestimmter Rahmenbedingungen<br />

technische Änderungen zu erzwingen" (Stotko 1989, S.<br />

239).<br />

Der Umstand, daß durch die Konstruktion bis zu 70 % der gesamten Produktentstehungskosten<br />

vorherbestimmt, aber nur 5 % direkt verursacht<br />

werden, erklärt z.B. das Interesse an einer unter Fertigungs- <strong>und</strong> Montagegesichtspunkten<br />

optimalen Produktgestaltung, die kostspielige Nachbesserungen<br />

überflüssig macht. Die dafür notwendigen Abstimmungsprozesse<br />

zwischen den beteiligten Bereichen verlängern zwar den eigentlichen Prozeß<br />

der Produktentwicklung; durch die weitgehend parallele Planung des<br />

Herstellungsprozesses soll sich jedoch eine Verkürzung des gesamten Innovationsprozesses<br />

ergeben. Außerdem verspricht man sich von der - relativ<br />

gesehen - verlängerten Entwicklungsdauer, Produkt <strong>und</strong> Produktionseinrichtungen<br />

länger modifizierbar zu halten <strong>und</strong> deshalb Änderungswünsche<br />

der K<strong>und</strong>en noch möglichst lange berücksichtigen zu können (Abb.<br />

8.2).<br />

Bei der Interpretation dieser Veränderungen im Ablauf von Innovationsprozessen<br />

mag der Rückgriff auf einige organisationstheoretische Kategorien<br />

hilfreich sein, die zur Einschätzung des Interdependenzgrades von<br />

verschiedenen Arbeitsprozessen innerhalb von Organisationen entwickelt<br />

wurden. Unterschieden wird dabei zwischen drei Ebenen (vgl. Thompson<br />

1967): Auf der Ebene der Koordinationsinterdependenz besteht ein Zusammenhang<br />

zwischen verschiedenen Arbeiten nur insofern, als jede einzelne<br />

Arbeit zum Gelingen der Gesamtaufgabe beiträgt. Bei sequentieller<br />

Interdependenz besteht zwischen den einzelnen Arbeitsschritten eine Abhängigkeit<br />

in zeitlicher Beziehung, d.h. eine bestimmte Tätigkeit muß ausgeführt<br />

sein, bevor mit anderen begonnen wird bzw. begonnen werden<br />

kann. Bei reziproker Interdependenz sind die einzelnen Tätigkeiten hingegen<br />

in jeder Phase aufeinander bezogen. Nach Thompson bilden diese<br />

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drei Stufen eine Guttmansche Skala, d.h. reziprok interdependente Arbeitsprozesse<br />

weisen auch sequentielle <strong>und</strong> koordinative Interdependenzen<br />

auf, sequentiell verknüpfte Arbeitsprozesse sind auch koordinationsinterdependent.<br />

Weiter behauptet Thompson einen Zusammenhang zwischen<br />

dem Interdependenzgrad <strong>und</strong> dem notwendigen Koordinationsaufwand:<br />

Je höher der Grad an Interdependenz zwischen bestimmten Arbeitsprozessen,<br />

um so höhere Anforderungen werden an die Koordinationsmechanismen<br />

gestellt. Während Koordinationsinterdependenz durch<br />

Standardisierung (Entwickeln von Regeln oder routinemäßiger Verfahren)<br />

<strong>und</strong> sequentielle Interdependenz durch die Aufstellung von Plänen,<br />

die die Dauer <strong>und</strong> Reihenfolge einzelner Arbeitsschritte festlegen, bewältigt<br />

werden könnten, verlange reziproke Interdependenz eine wechselseitige<br />

Abstimmung <strong>und</strong> setze damit die anspruchsvollsten Koordinationsmechanismen<br />

voraus. Es erscheint hier sinnvoll, die von Thompson entwikkelte<br />

Typologie für Prognosen bzw. Hypothesen über die Strukturveränderungen<br />

von (innovativen) Organisationen zu nutzen.<br />

So läßt sich der notierte Wandel des Ablaufs von Innovationsprozessen als<br />

Übergang von sequentieller zu reziproker Interdependenz zwischen den<br />

beteiligten Unternehmensfunktionen begreifen. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen,<br />

daß beide Organisationsformen mit je eigenen Vor- <strong>und</strong><br />

Nachteilen verb<strong>und</strong>en sind. Bei sequentiell organisierten Innovationsprozessen<br />

geht ein Projekt erst dann in die nächste Phase über, wenn die Erfordernisse<br />

der vorangehenden Phase erfüllt sind.<br />

"Diese Kontrollpunkte reduzieren die Risiken, lassen aber gleichzeitig wenig<br />

Raum für Integration. Ein Engpaß in einer Phase kann den ganzen<br />

Entwicklungsprozeß bremsen oder gar stoppen" (Takeuchi, Nonaka 1986,<br />

S. 103).<br />

Bei reziprok interdependent organisierten Innovationsprojekten müssen<br />

die einzelnen Arbeitsaufgaben hingegen in jeder Phase aufeinander bezogen<br />

werden. Das hat zur Folge, daß hierbei höhere Koordinationsnotwendigkeiten<br />

(wechselseitige Anpassung oder Koordination mittels Rückkopplung),<br />

aber auch größere Integrationsmöglichkeiten als bei sequentieller<br />

Interdependenz bestehen. Vor allem sind die einzelnen Teilarbeiten<br />

bzw. Funktionsbereiche sehr viel stärker auf einen wechselseitigen Informationsfluß<br />

angewiesen, <strong>und</strong> sie müssen in der Lage sein, auf die Anforderungen<br />

der jeweils anderen angemessen zu reagieren. Dadurch ist je-<br />

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doch auch die Chance gegeben, auftretende Probleme im Entwicklungsprozeß<br />

eher lösen zu können.<br />

Prozesse reziproker Interdependenz bei Innovationsprozessen zielen auf<br />

eine Vernetzung der Zusammenarbeit zwischen den innovationsrelevanten<br />

<strong>und</strong> traditionell getrennten Funktionen <strong>und</strong> Disziplinen, die mit Hilfe organisatorischer<br />

Maßnahmen erreicht werden soll.<br />

"Als organisatorische Konsequenz der bereichsübergreifenden Produktentwicklungen<br />

wird üblicherweise auf das Projektmanagement zurückgegriffen.<br />

Fachleute aus allen betroffenen Einheiten werden in Entwicklungsteams<br />

zusammengeführt, um alle Anforderungen, Möglichkeiten <strong>und</strong><br />

Grenzen parallel zu verarbeiten" (Tress 1989, S. 218).<br />

Durch die interdisziplinäre Zusammensetzung der Projektteams wird neben<br />

einer Bündelung des Fachwissens auch eine Verstärkung des Informationsrückflusses<br />

in die Unternehmensbereiche angestrebt. Traditionelle<br />

Barrieren zwischen Abteilungen sollen dadurch aufgebrochen werden.<br />

"Das formale, streng strukturierte, phasenweise <strong>und</strong> abteilungsabhängige<br />

Vorgehen wird dabei aufgegeben. Dadurch entfallen zeitaufwendige Übergaben<br />

<strong>und</strong> Rückkopplungen, die sonst an organisatorischen Schnittstellen<br />

oder bei Phasenwechseln üblich sind. Durch Überlappen <strong>und</strong> Kombinieren<br />

von Entwicklungsschritten wird erhebliche Entwicklungszeit eingespart.<br />

Die Erfolge sind beachtlich. Teilweise werden mit diesem Vorgehen Zeit<br />

<strong>und</strong> Kostenreduzierungen bis zu 70 % erreicht" (Schmelzer 1990, S. 46 f.).<br />

Diese neuen Kooperationsmodelle können durch computergestützte<br />

Technologien (CAD, CAE, CAM, CAQ) wirksam gefördert werden. Allerdings<br />

wird verschiedentlich bemängelt, daß eine Reihe von EDV-Hilfsmitteln,<br />

die den Simultaneous Engineering-Prozeß unterstützen könnten<br />

(z.B. EDV-Tools, die es ermöglichen, aus den Produktdaten des CAD-Systems<br />

direkt Produktionsmitteldaten abzuleiten), noch nicht auf dem<br />

Markt erhältlich sind (Eversheim 1989).<br />

Das dem Simultaneous Engineering zugr<strong>und</strong>eliegende Prinzip, durch organisatorische<br />

Maßnahmen (wie z.B. die interdisziplinäre Teambildung)<br />

<strong>und</strong> bereichsübergreifenden Informationsfluß möglichst frühzeitig markt<strong>und</strong><br />

produktionsökonomische Anforderungen an das zu entwickelnde Produkt<br />

<strong>und</strong> Produktionsmittel zu berücksichtigen, kann nicht nur während<br />

der Konstruktionsphase, sondern für alle Phasen des Innovationsprozes-<br />

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ses, also auch für Forschung <strong>und</strong> Entwicklung, genutzt werden. So können<br />

etwa<br />

"bereits in der Definitionsphase eines Produktes, in der vielleicht außer<br />

spekulativ definierter Funktionen noch nichts Konkretes vorhanden ist,<br />

Fertigungsplaner, Werkstoffspezialisten, Software-Spezialisten hinzugezogen<br />

werden; ebenso potentielle Zulieferanten" (Schönwald 1989, S. 35).<br />

Im folgenden sollen zwei der genannten Funktionsgruppen näher betrachtet<br />

<strong>und</strong> am Beispiel der Zulieferer- <strong>und</strong> der Werkstoffproblematik einigen<br />

Implikationen nachgegangen werden, die sich beim Einsatz dieser Form<br />

des Entwicklungsmanagements ergeben.<br />

8.4 Simultaneous Engineering <strong>und</strong> Zulieferer<br />

Unter bestimmten Voraussetzungen (z.B. bei komplexen Produkten mit<br />

hohen Stückzahlen <strong>und</strong>/oder geringer Fertigungstiefe) werden Hersteller<br />

von Produktionseinrichtungen <strong>und</strong> Zulieferer von Komponenten in die<br />

Arbeit der internen Projektgruppe einbezogen. Dadurch verändern sich<br />

nachhaltig die Abnehmer-Zulieferer-Beziehungen. So werden etwa klassische<br />

Formen der Auftragsvergabe, bei denen der Preiswettbewerb zwischen<br />

verschiedenen Anbietern im Vordergr<strong>und</strong> steht, dysfunktional, da<br />

bei Simultaneous Engineering-Projekten zunächst nur vage Vorstellungen<br />

über das künftige Produkt <strong>und</strong> dessen Herstellungsprozeß existieren.<br />

Außerdem steht aus der Sicht des Produktherstellers dem Zugewinn an<br />

Know-how durch die frühzeitige Hinzuziehung von Zulieferanten das Risiko<br />

gegenüber, seine neuen Produktideen bereits zu einem frühen Zeitpunkt<br />

fremden Unternehmen gegenüber offenlegen zu müssen. In der zwischenbetrieblichen<br />

Arbeitsteilung werden deshalb neue Formen der Koordination<br />

divergierender Interessen durchgesetzt, die die Funktion haben<br />

(sollen), das System-Know-how des Abnehmers gegenüber dem Zulieferer<br />

zu schützen <strong>und</strong> zugleich die Abhängigkeit des Zulieferanten vom Abnehmer<br />

zu sichern.<br />

Zwar gibt es gegenwärtig in fast allen großen Unternehmen Bemühungen,<br />

die Fertigungstiefe zu reduzieren. Eine noch offene Frage ist allerdings, ob<br />

dies auch von einer generellen Reduzierung der Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungstiefe<br />

begleitet wird. Zumindest einige Großunternehmen versu-<br />

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chen, ihren Zulieferern verstärkt Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungsarbeiten<br />

zu übertragen, ohne dadurch jedoch ihre technologisch begründete Dominanz<br />

zu gefährden. Ein bevorzugtes Mittel hierfür ist die von den Abnehmern<br />

durchgeführte Aufteilung von Systemen in Systemkomponenten, die<br />

dann von einzelnen kleineren Unternehmen entwickelt werden (Entwicklungssegmentation).<br />

Das vollständige System-Know-how entsteht dabei<br />

erst beim Endhersteller. Diese Entwicklungsstrategie, die sich als stets labiles<br />

Gleichgewicht von systemischer Beherrschung <strong>und</strong> begrenzter Autonomie<br />

der abhängigen Unternehmen beschreiben läßt (vgl. Bieber, Sauer<br />

1991), ist insbesondere im Elektro- <strong>und</strong> Elektronikbereich anzutreffen. Potentiell<br />

resultieren diese neuen Formen der Kooperation bei der <strong>Technikentwicklung</strong><br />

in einer Restrukturierung ganzer Branchen. Sie können darüber<br />

hinaus dazu führen, daß für relevante Teile der Volkswirtschaft ein<br />

bislang ausschlaggebendes Mittel der Wahrung von unternehmerischer<br />

Autonomie, nämlich die Verfügung über wissenschaftlich-technisches Wissen,<br />

zwar eine wesentliche Voraussetzung für die weitere Teilnahme des<br />

Unternehmens am Markt darstellt, zugleich aber gewährleistet ist, daß dadurch<br />

die Position von Großunternehmen nicht gefährdet wird. Die Verfügung<br />

über wissenschaftlich-technisches Wissen wird somit - insbesondere<br />

für kleinere <strong>und</strong> abhängige Unternehmen - zu einer notwendigen, nicht<br />

aber hinreichenden Bedingung des Markterfolgs.<br />

In vielen Fällen ist die Implementation neuer Formen der unternehmensübergreifenden<br />

<strong>Technikentwicklung</strong> auf die Unterstützung durch Computer-<br />

<strong>und</strong> Kommunikationstechniken (DFÜ, CAD, PPS u.a) angewiesen.<br />

Dabei kommt der technisch-organisatorischen Vernetzung von verschiedenen<br />

Unternehmen eine Vorrangstellung zu, in der Abhängigkeit <strong>und</strong><br />

Autonomie eine neue Qualität gewinnen. Vor allem aber wird die Vernetzung<br />

unterschiedlicher Unternehmensfunktionen (intern <strong>und</strong> extern), also<br />

die (unternehmensübergreifende) Kopplung verschiedener CA-Techniken,<br />

für den Erfolg integrativer Formen der <strong>Technikentwicklung</strong> in Zukunft<br />

ausschlaggebend sein. Verschiedene Studien über den Verbreitungsgrad<br />

einzelner CIM-Techniken belegen jedoch, daß die Entwicklung hier noch<br />

am Anfang steht, <strong>und</strong> eindeutige Aussagen über die Folgen für die Arbeits-,<br />

aber auch für die <strong>Unternehmensorganisation</strong> zur Zeit noch mit<br />

großen Unsicherheiten belastet sind (vgl. Schultz-Wild u.a. 1989; Lay,<br />

Michler 1990). So wird zwar bereits heute bei unternehmensübergreifenden<br />

Prozessen des Simultaneous Engineering ein reger Datenaustausch<br />

praktiziert, dieser vollzieht sich aber weitgehend noch nicht "on line". Al-<br />

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lerdings sind die Endhersteller bestrebt, wenigstens mit denjenigen Zulieferanten,<br />

die hochwertige <strong>und</strong> technologisch anspruchsvolle Systeme <strong>und</strong><br />

Komponenten entwickeln, einen On-line-Datenaustausch zu forcieren.<br />

8.5 Simultaneous Engineering <strong>und</strong> Werkstoffe<br />

Mit der parallelen Entwicklung von Produkt <strong>und</strong> Fertigungsmittel ist die<br />

Integration von Innovationsprozessen noch nicht auf die Spitze getrieben.<br />

Immer häufiger stellt sich bei der Durchführung von Innovationsvorhaben<br />

auch die Frage nach neuen Werkstoffen. Im folgenden soll gezeigt werden,<br />

daß ein enger Zusammenhang zwischen Werkstoffentwicklung <strong>und</strong> weiteren<br />

Fortschritten auf dem Gebiet der Mikroelektronik besteht <strong>und</strong> daß es<br />

bei wichtigen Innovationsprozessen in der Elektronikindustrie zu einer<br />

engen Verkopplung zwischen Werkstoff, Produkt <strong>und</strong> Produktionsprozeß<br />

gekommen ist. Der Behandlung dieses Problemkomplexes sollen einige<br />

Erläuterungen zum Thema "Neue Werkstoffe" vorangestellt werden, da<br />

die neueren Entwicklungen auf dem Gebiet der Werkstoffwissenschaft<br />

<strong>und</strong> -forschung nicht nur für die Elektronikindustrie <strong>und</strong> ihre Produkte<br />

von elementarer Bedeutung sind, sondern auch als Beleg für die These von<br />

der Verwissenschaftlichung industrieller Innovationsprozesse gelten können.<br />

Das Thema "Neue Werkstoffe" fand innerhalb der Industriesoziologie<br />

bislang wenig Resonanz. Abgesehen von vereinzelten Beiträgen, die unter<br />

dem Stichwort "Chemisierung der Technik" den mit dem Einsatz neuer<br />

Materialien verb<strong>und</strong>enen Möglichkeiten zur Rationalisierung von Produktionsprozessen<br />

nachgingen (Köhler, Richter 1985), wurde das Thema Arbeitsmaterialien<br />

in erster Linie den Naturwissenschaftlern <strong>und</strong> Ingenieuren<br />

einerseits, den Wirtschaftshistorikern <strong>und</strong> Betriebswirtschaftlern andererseits<br />

überlassen. Neuere Entwicklungen im Gebiet "Neue Werkstoffe"<br />

sind freilich Anlaß genug, diese Form der Arbeitsteilung zu überdenken.<br />

Ein Blick auf die staatlichen Technologieförderprogramme der<br />

führenden Industrieländer zeigt die zunehmende strategische Bedeutung<br />

der Materialforschung. Die neuerdings ausgerufene "Materials Revolution"<br />

(Forester 1988) gilt ihren Verkündern als zumindest ebenso folgenreich<br />

für die Gesellschaft wie die schon wesentlich länger in der Öffentlichkeit<br />

enorme Beachtung findenden Informationstechnologien. Darüber<br />

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hinaus gibt es Anhaltspunkte, die auf die wechselseitige Abhängigkeit der<br />

Entwicklung von Werkstoffen <strong>und</strong> von Informationstechnologien verweisen.<br />

So kann begründet angenommen werden, daß die weiteren Fortschritte<br />

der Informatisierung, insbesondere das Zusammenwachsen von<br />

Datentechnik <strong>und</strong> Telekommunikation, in hohem Maße von der Bereitstellung<br />

geeigneter Werkstoffe abhängig sind. Umgekehrt zeichnet sich ab,<br />

daß Entwicklung <strong>und</strong> Produktion neuer Werkstoffe zunehmend nur noch<br />

mit Hilfe von leistungsfähigen Informationstechnologien zu bewerkstelligen<br />

ist. Von professionellen Politik- <strong>und</strong> Wirtschaftsberatern wird sogar<br />

die These vertreten, daß die Zukunft der Industrieunternehmen von der<br />

gleichzeitigen Beherrschung der Entwicklung von Werkstoffen <strong>und</strong> Informationstechnologien<br />

abhängt (Cohendet u.a. 1988). Dessen ungeachtet<br />

findet eine soziologisch orientierte Auseinandersetzung mit diesem Phänomenbereich<br />

bislang kaum statt. Nicht zuletzt deshalb ist bislang ungeklärt,<br />

ob die "Proklamationen eines Zeitalters der 'Neuen Werkstoffe' (...)<br />

vorwiegend Reklamecharakter" haben (Radkau 1989, S. 331) oder ob dahinter<br />

ernstzunehmende Veränderungspotentiale stehen.<br />

Ein offenk<strong>und</strong>iges Problem, das sich bei der Beschäftigung mit "Neuen"<br />

Werkstoffen stellt, ist das Fehlen eines handhabbaren <strong>und</strong> gleichzeitig aussagekräftigen<br />

Unterscheidungskriteriums gegenüber "traditionellen"<br />

Werkstoffen. Einiges spricht dafür, die Differenz nicht bevorzugt in der<br />

"Stofflichkeit" der Materialien zu suchen. Eine Betrachtungsweise, die allein<br />

die stoffliche Zusammensetzung <strong>und</strong> die Eigenschaften von Werkstoffen<br />

in den Mittelpunkt rückt, ist zu restriktiv, um den veränderten Stellenwert<br />

von Werkstoffen adäquat zu erfassen. Ein vor allem in der Wirtschaftspresse<br />

gern benutztes Merkmal neuer Werkstoffe ist deren überdurchschnittliches<br />

Wachstumspotential. Aber auch der Rückgriff auf aktuelle<br />

<strong>und</strong> prognostizierte Wachstumsraten der einzelnen Werkstoffgruppen<br />

ist nur bedingt hilfreich. Fragen nach der neuen Qualität von Werkstoffen<br />

lassen sich mit Aussicht auf Erfolg nur dann angemessen beurteilen, wenn<br />

man zumindest die Veränderungen des Modus der Werkstoffentwicklung<br />

in Industrie <strong>und</strong> Wissenschaft berücksichtigt.<br />

8.5.1 Ein neuer Modus der Werkstoffentwicklung<br />

Parallel zur Krise des überkommenen Modells der Massenproduktion<br />

vollzieht sich eine Veränderung im Modus der Werkstoffentwicklung. Co-<br />

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hendet u.a bezeichnen diesen Wandel als Übergang "from macroscopic to<br />

microscopic industrial mastery of materials" (Cohendet u.a. 1988, S. 31).<br />

Der makroskopischen Werkstoffbeherrschung, die bevorzugt auf inkrementale<br />

Verbesserungen der physikalischen Eigenschaften von Werkstoffen<br />

durch die Erhöhung ihres Reinheitsgrades zielt, entspricht ein durch<br />

eine geringe Auswahl an Materialien geprägtes Produktionsmodell. Eine<br />

Ausdehnung der Werkstoffvielfalt verdankt sich hierbei einigen wenigen<br />

Spezialanforderungen, wie sie z.B. im Rahmen von Nuklear- <strong>und</strong> Weltraumprogrammen<br />

gestellt werden. Dagegen basiert der mikroskopische<br />

Modus auf der Möglichkeit, den strukturellen Aufbau eines Werkstoffs<br />

<strong>und</strong> damit seine Eigenschaften in geplanter Weise zu beeinflussen.<br />

"Struktur <strong>und</strong> Eigenschaften eines Werkstoffs bestimmen letztlich seine<br />

Qualität, das heißt sein Verhalten beim tatsächlichen Gebrauch. (...)<br />

Struktur, Eigenschaften <strong>und</strong> Qualität werden durch die Werkstoffbehandlung<br />

gewissermaßen miteinander verknüpft. Diese läßt sich somit definieren<br />

als Steuerung oder Veränderung der inneren Struktur eines Werkstoffs<br />

auf jeder Ebene mit dem Ziel, dem Material bestimmte Eigenschaften <strong>und</strong><br />

eine hohe Leistungsfähigkeit zu verleihen" (Liedl 1986, S. 99).<br />

Die Gr<strong>und</strong>lage dieser Eingriffsmöglichkeiten ist durch den "Wandel von<br />

der mehr phänomenologisch beschreibenden Materialk<strong>und</strong>e einzelner<br />

Werkstoffgruppen zur modernen, das Werkstoffverhalten aus deren strukturellem<br />

Aufbau heraus erklärenden Materialwissenschaft" (Bergmann<br />

1989) gelegt worden. Diesem Modus der nunmehr verwissenschaftlichten<br />

Werkstoffinnovation entspricht ein Produktionsmodell, das durch eine<br />

außerordentliche Vielzahl neuer, künstlicher Werkstoffe <strong>und</strong> durch eine<br />

qualitative Verbesserung traditioneller Werkstoffe gekennzeichnet ist.<br />

Es ist folglich unzureichend, nur auf diejenigen Materialien zu sehen, die<br />

aufgr<strong>und</strong> ihres Wachstumspotentials zu den "Neuen" Werkstoffen gezählt<br />

werden, insgesamt aber lediglich 5 % des Umsatzes der werkstoffproduzierenden<br />

Industrie repräsentieren. Ganz entscheidend ist vielmehr, daß<br />

Werkstoffe, <strong>und</strong> zwar sowohl "neue" wie "traditionelle", "nach Maß" produziert<br />

werden können. Insofern muß es auch nicht falsch sein, eine "materials<br />

revolution" zu behaupten, obwohl bspw. "die seit einem halben Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

prophezeite Ablösung des Stahls durch Kunststoffe nicht eingetreten<br />

ist" (Radkau 1989, S. 331). Denn gerade als traditionell geltende<br />

Werkstoffe wie z.B. Stahl haben, stimuliert durch die Fortschritte neuer<br />

Werkstoffe, eine bemerkenswerte Qualitätsverbesserung erfahren <strong>und</strong><br />

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zum Teil Merkmale von Hochleistungswerkstoffen angenommen. Während<br />

also Werkstoffe vormals in erster Linie ein constraint der Produktion<br />

waren, werden sie nunmehr zunehmend gestaltbar <strong>und</strong> damit zum Handlungsparameter<br />

von Rationalisierungs- <strong>und</strong> Absatzstrategien.<br />

Aber auch eine Betrachtungsweise, die sich auf die Gestaltbarkeit von<br />

Werkstoffeigenschaften konzentriert, greift zu kurz, um den eingetretenen<br />

Wandel angemessen interpretieren zu können. Gefordert wird nämlich<br />

von Werkstoffen nicht nur eine Reihe spezifischer Eigenschaften, sondern<br />

auch deren Reproduzierbarkeit unter industriellen Bedingungen. Gefragt<br />

sind deshalb geeignete Verfahrenstechniken, die die Herstellung <strong>und</strong> Verarbeitung<br />

der Werkstoffe in Serienproduktion <strong>und</strong> zu konkurrenzfähigen<br />

Kosten gewährleisten. So ist z.B. die Verbreitung der Kunststoffe <strong>und</strong>enkbar<br />

ohne die Weiterentwicklung des Spritzgusses, mit dem sich auch komplizierte<br />

Bauteile bei hoher Oberflächengüte <strong>und</strong> Maßgenauigkeit in einem<br />

einzigen Arbeitsschritt produzieren lassen. Auf industrieller Ebene<br />

beginnt sich deshalb abzuzeichnen, daß die Verbindung zwischen Werkstoff,<br />

Produktionsprozeß <strong>und</strong> Produkt immer enger wird:<br />

"To be more precise, what seems really 'new 5 is the association of a material<br />

with a working-up process to turn out a given product or industrial article"<br />

(Cohendet u.a. 1988, S.5).<br />

Es gibt deutliche Hinweise darauf, daß auch bei der Entwicklung von im<br />

Werkstoffbereich eingesetzten Verfahrenstechniken zunehmend auf wissenschaftliche<br />

Erkenntnisse <strong>und</strong> Methoden zurückgegriffen wird.<br />

"Werkstoffwissenschaftler haben sich in der Vergangenheit in erster Linie<br />

mit der Struktur <strong>und</strong> den Eigenschaften eines Materials sowie mit der<br />

Wechselbeziehung zwischen beiden befaßt. Werkstofftechnikern dagegen<br />

ging es vor allem um den Zusammenhang zwischen Struktur <strong>und</strong> Eigenschaften<br />

einerseits <strong>und</strong> der Qualität andererseits sowie um die Entwicklung<br />

von Behandlungsverfahren zur Verbesserung dieser Qualität. Nun, da sich<br />

zeigt, wie sehr die Verarbeitung eines Werkstoffs seine Struktur <strong>und</strong> damit<br />

seine Eigenschaften sowie letztlich seine Qualität beeinflußt, beginnen sich<br />

die Wissenschaftler zunehmend auch für diesen Vorgang zu interessieren"<br />

(Liedl 1986, S. 99).<br />

Besonders spektakulären Ausdruck findet dieser Verwissenschaftlichungsprozeß<br />

bei der Verbesserung zahlreicher Verfahren von der Stahlherstellung<br />

bis zur Produktion hochreiner Glasfasern, vor allem aber bei der<br />

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Herstellung hochreiner Einkristalle aus Silizium <strong>und</strong> deren Weiterverarbeitung<br />

zu integrierten Schaltkreisen. Ohne die Anwendung wissenschaftlicher<br />

Theorien <strong>und</strong> Methoden wäre die Entwicklung geeigneter Verfahren<br />

zur Beherrschung der äußerst komplexen Chip-Produktion nicht<br />

denkbar gewesen <strong>und</strong> die heute Furore machende Computerindustrie in<br />

den Anfängen steckengeblieben.<br />

8.5.2 Neue Werkstoffe in der Elektronik<br />

Eine gängige (wenn auch nicht völlig trennscharfe) Unterscheidung zur<br />

Einteilung von Werkstoffen ist die zwischen Funktions- <strong>und</strong> Strukturwerkstoffen.<br />

Das zugr<strong>und</strong>eliegende Einteilungskriterium ist die Art <strong>und</strong> Weise,<br />

in der die Werkstoffe eingesetzt werden. Strukturwerkstoffe müssen in erster<br />

Linie mechanischen oder thermischen Belastungen (z.B. Zug- <strong>und</strong><br />

Druckspannungen, hohe Temperaturen etc.) standhalten oder bestimmten<br />

Umwelteinflüssen widerstehen können. Darüber hinaus bestimmen sie<br />

häufig die äußere Form industrieller Bauteile. Beim Einsatz von Funktionswerkstoffen<br />

stehen dagegen die physikalischen Werkstoffeigenschaften<br />

im Vordergr<strong>und</strong>, die für die Erfüllung bestimmter elektrischer, magnetischer,<br />

optischer usw. Funktionen von Bedeutung sind. Funktionswerkstoffe<br />

können z.B. Elektrizität leiten oder umwandeln, Abgase reinigen<br />

oder chemische Reaktionen verlangsamen bzw. beschleunigen. In der<br />

Elektronikindustrie sind deshalb in erster Linie die funktionalen Eigenschaften<br />

von Werkstoffen von Bedeutung. So interessieren die bei der<br />

Chip-Produktion zum Einsatz kommenden Werkstoffe vor allem aufgr<strong>und</strong><br />

ihrer physikalischen Eigenschaften, wegen denen sie bestimmte elektrische<br />

Funktionen übernehmen können.<br />

"Ein anschauliches Beispiel, wie durch Eingriffe in die Werkstoffstruktur<br />

bestimmte Funktionen konstruiert werden können, ist bei den Funktionswerkstoffen<br />

in der Elektronik, insbesondere in der Halbleitertechnologie<br />

gegeben. Während früher elektrische Schaltkreise aus Einzelkomponenten<br />

zusammengelötet wurden, ermöglichen heute die modernen Halbleiterwerkstoffe<br />

die Herstellung sogenannter integrierter Schaltungen, bei denen<br />

einzelne Bauelemente wie Transistoren, Dioden, Widerstände, Kondensatoren<br />

u.a. ebenso wie die verbindenden Leiterbahnen durch gezielte Modifikationen<br />

im atomaren Aufbau eines Halbleiterscheibchens (Chip) gebildet<br />

werden. Auf diese Weise entstehen ganze Schaltungen auf einem einzigen<br />

Chip, wobei es möglich ist, bis zu 2 Millionen Einzelbauelemente auf<br />

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einem Chip von etwa 1 cm 2<br />

Fläche unterzubringen" (Schmitt-Thomas<br />

1989, S. 30).<br />

Für die weitere Dynamik in der Elektronik dürfte die Entwicklung <strong>und</strong><br />

Verbesserung geeigneter Materialien von zentraler Bedeutung sein.<br />

"Die Bemühungen, elektronische Systeme leistungsfähiger, kleiner, vielseitiger<br />

anwendbar, weniger störanfällig, haltbarer <strong>und</strong> nach Möglichkeit zu<br />

geringeren Kosten produzierbar zu machen, haben Konsequenzen für die<br />

eingesetzten Materialien. Die Anforderungen an Werkstoffe - aber auch<br />

an Konstruktionsprinzipien - gehen zum Beispiel in Richtung höhere Kapazitäten<br />

<strong>und</strong> höhere Arbeitsgeschwindigkeiten (Verbindungshalbleiter)<br />

oder in Richtung weitere Miniaturisierung (Fotoresists). Das bedeutet unter<br />

anderem, daß die eingesetzten Werkstoffe in der Lage sein müssen, die<br />

damit verb<strong>und</strong>enen Erhöhungen der Betriebstemperatur abzuleiten (Polymere<br />

<strong>und</strong> Keramiken für Gehäuse <strong>und</strong> Substrate). Außerdem werden<br />

Werkstoffe gesucht mit speziellen, in der Elektronik verwertbaren Eigenschaften<br />

(z.B. für Leuchtdioden) oder mit denen neue Baukonzepte möglich<br />

sind (Sandwichkonstruktionen). Auch supraleitende Werkstoffe, die<br />

das Problem der Stromversorgung lösen würden, gehören dazu" (Streck<br />

1989, S. 56).<br />

Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> ist es kaum verw<strong>und</strong>erlich, daß ein Schwerpunkt<br />

der FuE-Aktivitäten großer Elektronik-Unternehmen (z.B. Siemens,<br />

Philips, AEG) im Bereich der Werkstoffinnovation liegt. Häufig ist die<br />

Materialforschung integrierter Teil der Produktentwicklung. Dabei gilt es,<br />

Werkstoffe <strong>und</strong> Bauteile mit vorher definierten Eigenschaften zu entwikkeln,<br />

was z.B. auf dem Gebiet der Funktionskeramik 18<br />

die Zusammenarbeit<br />

zwischen unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen erfordert.<br />

Die Bemühungen in diesem Bereich gehen dahin,<br />

"Werkstoffe zu entwickeln <strong>und</strong> zur Fertigung zu bringen, die sehr spezielle<br />

Forderungen der Anwender im Unternehmen erfüllen. Dieses Werkstoff-<br />

Engineering ist eine interdisziplinäre Aktivität. Man muß die klassische<br />

Keramiktechnologie ebenso beherrschen wie die Festkörperphysik, wo<br />

speziell die Halbleitung von Bedeutung ist. Ein wichtiges Teilgebiet ist die<br />

Ferroelektrizität, die für viele Bauelemente eine Rolle spielt. Nicht vergessen<br />

dürfen wir natürlich die Chemie. Die Kristallchemie ermöglicht gerade<br />

18 "Funktionskeramik bedeutet, daß man durch einen keramischen Prozeß elektronische<br />

Bauelemente herstellt, die aufgr<strong>und</strong> besonderer physikalischer Eigenschaften<br />

der Keramik Funktionen ausüben können, die mit anderen Werkstoffen<br />

nur aufwendiger, weniger gut oder gar nicht ausgeführt werden können" (Thomann<br />

1986, S. 38).<br />

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ei den Funktionskeramiken eine riesige Variationsbreite der Zusammensetzung"<br />

(Thomann 1986, S. 38). 19<br />

Besonders greifbar wird die Verwissenschaftlichung der Herstellungstechnologien,<br />

Arbeitsmaterialien <strong>und</strong> Produkte sowie die Parallelisierung der<br />

notwendigen Entwicklungsschritte am Beispiel der Produktion hochentwickelter<br />

Computer-Chips. Anhand des gemeinsam von Siemens <strong>und</strong><br />

Philips initiierten MEGA-Projekts, bei dem es um die Entwicklung <strong>und</strong><br />

Produktion von 1-Mbit <strong>und</strong> 4-Mbit Speicher-Chips ging, lassen sich die<br />

Besonderheiten dieser Art der Innovationsbewältigung aufzeigen.<br />

"Das gemeinsame Merkmal einer MEGA-Entwicklung besteht (...) darin,<br />

daß anstelle einer bisher üblichen seriellen Vorgehensweise (Entwicklung<br />

der Prozeßtechnologie - Produktentwicklung - fertigungstechnische Entwicklung<br />

- Fertigung) ein möglichst hoher Grad an Parallelisierung der<br />

Aktivitäten erreicht wird, um dem engen Zeitrahmen gerecht zu werden.<br />

Hierfür spielt der intensive Einsatz von Simulationsverfahren sowie die<br />

Entwicklung <strong>und</strong> Herstellung von Testschaltungen eine wichtige Rolle.<br />

Damit können Fragestellungen nach Produkteigenschaften, Ausbeute <strong>und</strong><br />

Zuverlässigkeit sehr frühzeitig untersucht werden" (Friedrich 1985, S. 20;<br />

Hervorhebungen von uns - DB/GM).<br />

Mit der Abkehr von der sequentiellen Produkt- <strong>und</strong> Prozeßentwicklung<br />

wird also nicht nur eine Beschleunigung des Innovationsprozesse angestrebt.<br />

Zugleich wird versucht, bereits in frühen Phasen Probleme der Fertigungsrealität<br />

zu antizipieren. Durch den Einsatz rechnergestützter Simulationsverfahren<br />

können bereits in der Entwurfsphase fertigungstechnische<br />

Abläufe geplant <strong>und</strong> optimiert werden. Das ist vor allem deshalb von<br />

Bedeutung, da es relativ einfach ist, Muster oder einige Exemplare einer<br />

neuen Chip-Generation herzustellen, die eigentliche Aufgabe jedoch darin<br />

besteht, den hochkomplizierten Produktionsprozeß so in den Griff zu bekommen,<br />

daß einsatzfähige Chips in größerer Menge <strong>und</strong> damit zu konkurrenzfähigen<br />

Preisen erstellt werden können. Schließlich sollen sich Flexibilitätsvorteile<br />

der simultanen Produktgestaltung <strong>und</strong> Produktionsmittelplanung<br />

dadurch ergeben, daß<br />

"die Produkt- <strong>und</strong> Prozeßlinienentwicklung den gesamten Projektlebenszyklus<br />

durchlaufen. Dies gewährleistet, daß selbst beim Fertigungsanlauf<br />

19 Thomann ist Mitarbeiter der Siemens AG, Zentrale Forschung <strong>und</strong> Entwicklung<br />

- Angewandte Materialforschung.<br />

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noch Designänderungen vorgenommen werden können. Das Projekt wird<br />

somit durchlässig gegenüber nachträglichen neuen Änderungswünschen"<br />

(Bühner 1987, S. 168).<br />

Die Entwicklung <strong>und</strong> Produktion mikroelektronischer Speicherbausteine<br />

stellt somit eine Art Prototyp einer neuen Form der Innovationsbewältigung<br />

dar. Aus verschiedenen Presseveröffentlichungen ist freilich bekannt,<br />

daß das Management des MEGA-Projekts keinesfalls so reibungslos verlief,<br />

wie das die vorstehenden Zitate implizieren. Die Umstellung von sequentiellen<br />

Innovationsverläufen auf parallele Arbeitszusammenhänge,<br />

bei denen Forschung, Entwicklung <strong>und</strong> Produktion simultan organisiert<br />

werden müssen, sind offenk<strong>und</strong>ig mit erheblichen Schwierigkeiten verb<strong>und</strong>en,<br />

die aus der Zusammenarbeit unterschiedlicher Unternehmensfunktionen<br />

resultieren.<br />

8.6 Expertensysteme in der Produktentwicklung<br />

Der Zwang zur Verkürzung der Entwicklungszeiten führt - neben organisatorischen<br />

Veränderungen des Innovationsprozesses - auch zu einer verstärkten<br />

Nutzung von I&K-Technologien. So dient der Einsatz von Expertensystemen<br />

bei der Produktkonfiguration vor allem der fortschreitenden<br />

organisatorischen <strong>und</strong> technologisch vermittelten Integration verschiedener<br />

Unternehmensfunktionen <strong>und</strong> damit einer verbesserten Kooperation<br />

in den abteilungs- <strong>und</strong> betriebsübergreifenden Beziehungen.<br />

Konfigurationsprobleme treten vorzugsweise bei Unternehmen auf, die<br />

komplexe, modular zusammengesetzte Produkte (wie z.B. DV-Anlagen,<br />

Blasformmaschinen etc.) in großer Variantenvielfalt anbieten. Die große<br />

Menge vorgegebener Komponenten, aus der die benötigten Teile <strong>und</strong><br />

Baugruppen ausgewählt werden, <strong>und</strong> die zu beachtenden Einsatzbedingungen<br />

machen die Konfigurierung technischer Systeme zu einer Aufgabe<br />

hoher Komplexität. Erschwerend kommt hinzu, daß die Innovationsgeschwindigkeit<br />

bei modular zusammengesetzten Produkten extrem hoch ist<br />

<strong>und</strong> dementsprechend laufend neue Komponenten mit veränderten Eigenschaften<br />

bei der Konfigurierung berücksichtigt werden müssen. Mit konventionellen<br />

Mitteln wie Katalogen, Stücklisten <strong>und</strong> Entscheidungstabellen<br />

ist der Konfigurationsaufgabe unter den Bedingungen eines raschen Inno-<br />

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vationstempos <strong>und</strong> der gestiegenen Komplexität nicht mehr Herr zu werden.<br />

20<br />

Aus diesem Gr<strong>und</strong>e setzen immer mehr Unternehmen, insbesondere<br />

bei der k<strong>und</strong>enspezifischen Produktkonfiguration, auf den Einsatz<br />

von Expertensystemen (Lutz, Moldaschl 1989). Ermöglicht werden soll so<br />

nicht nur die Vermeidung technisch inkonsistenter Angebote - eine erhebliche<br />

Verkürzung der Durchlaufzeiten kann erzielt werden, wenn zeitraubende<br />

Rücksprachen mit der Konstruktion überflüssig gemacht werden.<br />

Angestrebt wird zugleich die verstärkte Berücksichtigung k<strong>und</strong>enspezifischer<br />

Anforderungen, ohne auf die fertigungsökonomischen Vorteile einer<br />

begrenzten Anzahl standardisierter Einzelmodule verzichten zu müssen.<br />

Eine große Variantenvielfalt soll also nicht durch eine inflationäre Ausweitung<br />

des Teilespektrums <strong>und</strong> den damit verb<strong>und</strong>enen Anforderungen<br />

an die Fertigung, sondern auch durch eine optimale Ausnutzung potentieller<br />

Kombinationsmöglichkeiten zwischen einzelnen Modulen erreicht<br />

werden.<br />

Empirische Untersuchungen zur zeit- <strong>und</strong> kostenökonomischen Rationalisierung<br />

von Innovationsprozessen hätten sich demnach auch mit dem zunehmenden<br />

Einsatz von Expertensystemen auseinanderzusetzen: Hier<br />

liegt mit der Konfigurationsaufgabe zum einen ein Einsatzfeld vor, auf<br />

dem diese vergleichsweise erfolgreich eingesetzt werden. Zum anderen,<br />

<strong>und</strong> für den hier interessierenden Zusammenhang wichtiger, scheint mit<br />

Konfigurationsexpertensystemen ein Medium entwickelt worden zu sein,<br />

mit dessen Hilfe produktbezogene Wissensbestände aus verschiedenen<br />

Abteilungen (Konstruktion, Arbeitsvorbereitung, Produktion, Vertrieb) in<br />

einer einheitlich strukturierten Datenbasis systematisch gesammelt <strong>und</strong><br />

aufbereitet werden können. Bisher vorliegende Erfahrungsberichte deuten<br />

darauf hin, daß mit dem Einsatz dieser Systeme im Vertrieb sowohl Beiträge<br />

zur Produktinnovation als auch zur Flexibilisierung von Auftragsakquisition<br />

<strong>und</strong> -bearbeitung geleistet werden können (Steppan 1990).<br />

20 Dieses Komplexitätsproblem tritt allerdings nicht nur auf der Seite der Hersteller,<br />

sondern auch auf der Seite der Abnehmer bzw. Anwender auf. So ist in einigen<br />

Bereichen der Computerindustrie die Technologie inzwischen auf ein Niveau<br />

getrieben worden, das von der K<strong>und</strong>schaft nicht mehr absorbiert werden<br />

kann (etwa im Bereich der PC-Software). Das Problem der Vermittlung technologischer<br />

Weiterentwicklungen an die K<strong>und</strong>en kann somit zu einer ernsten<br />

Ursache für Ertragseinbrüche werden.<br />

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Hier soll also nicht die Bedeutungslosigkeit der materiellen Produktion<br />

<strong>und</strong> der auf sie gerichteten Forschungsprogramme behauptet werden.<br />

Eine starke Relativierung der Bedeutung dieses Bereichs scheint bei der<br />

Formulierung eines zeitgemäßen Rationalisierungsbegriffs für die industriesoziologische<br />

Forschung aber unverzichtbar zu sein (Kapitel 2 <strong>und</strong> 4).<br />

Zu zeigen war, daß "systemische Rationalisierung" nicht nur die unmittelbare<br />

Fertigung <strong>und</strong> die intermediären Bereiche wie Arbeitsvorbereitung<br />

<strong>und</strong> Fertigungsplanung betrifft, sondern sowohl marktnahe Abteilungen<br />

als auch die Bereiche Forschung, Entwicklung <strong>und</strong> Konstruktion umfaßt.<br />

So formuliert, umschließt der Begriff der systemischen Rationalisierung<br />

auch das, was man als "neuen Innovationstyp" bezeichnen könnte (s. Kapitel<br />

10).<br />

8.7 Problemfelder simultaner Innovationsprozesse<br />

Auch wenn in der seit geraumer Zeit geführten Diskussion um Simultaneous<br />

Engineering noch immer Beiträge überwiegen, die nur selten über<br />

die Beschreibung von wünschbaren Strukturen <strong>und</strong> Abläufen hinausgehen,<br />

liegen doch mittlerweile erste Berichte über Praxiserfahrungen b<strong>und</strong>esrepublikanischer<br />

<strong>und</strong> internationaler Unternehmen der Automobilindustrie,<br />

des Maschinenbaus <strong>und</strong> vor allem der Elektronikindustrie vor (vgl. VDI<br />

1989). Daraus lassen sich jedoch kaum verallgemeinerbare Aussagen über<br />

Probleme <strong>und</strong> Grenzen dieser Rationalisierungsmethode oder auch über<br />

Fragen der Zusammensetzung, Arbeitsweise, Kontrollierbarkeit <strong>und</strong> Organisationsform<br />

der Projektgruppen <strong>und</strong> deren Einbindung in den Kontext<br />

des Gesamtunternehmens treffen.<br />

Mögliche Grenzen <strong>und</strong> Probleme bei Versuchen der Ablösung sequentieller<br />

durch integrierte Formen des Produktentwicklungsmanagements<br />

werden in der Literatur sehr zurückhaltend benannt. Hinweise gibt es darauf,<br />

daß diese Innovationsmethode nicht überall praktikabel ist. Bei der<br />

Untersuchung einiger japanischer <strong>und</strong> US-amerikanischer Firmen wurden<br />

folgende Eigenarten dieser Methode festgestellt:<br />

" - Sie verlangt während der ganzen Entwicklungsdauer von allen Projektmitgliedern<br />

einen außerordentlichen Einsatz. In einigen Fällen berichten die<br />

Teammitglieder, daß sie während der Spitzenphase 100 <strong>und</strong> in den übrigen<br />

Projektphasen 60 Überst<strong>und</strong>en pro Monat leisten müssen.<br />

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Sie wird nicht auf hochinnovative Projekte anwendbar sein, die auf gr<strong>und</strong>legende<br />

Durchbrüche abzielen. Diese Beschränkung dürfte vor allem in<br />

der Biotechnologie <strong>und</strong> Chemie vorliegen.<br />

Sie wird auch nicht auf Mammutvorhaben, etwa in der Luft- <strong>und</strong> Raumfahrt,<br />

anwendbar sein, wo der schiere Projektumfang die Möglichkeiten<br />

zur interpersonellen Kommunikation stark einengt.<br />

Sie wird nicht in Unternehmen funktionieren, wo die Produktentwicklung<br />

von einem überragenden Genie geleitet wird, das die Erfindung macht <strong>und</strong><br />

seinen Mitarbeitern wohldefinierte Spezifikationen gibt" (Takeuchi, Nonaka<br />

1986, S. 106).<br />

Damit ist jedoch bestenfalls ein kleiner Ausschnitt der möglichen Schwierigkeiten<br />

des Simultaneous Engineering benannt. Für das Simultaneous<br />

Engineering dürften cum grano salis die gleichen Probleme von Relevanz<br />

sein, die im allgemeinen jeder Art von Projektmanagement eigen sind.<br />

Von daher erscheint es sinnvoll, innerhalb der einschlägigen Literatur<br />

über Projektmanagement nach Hinweisen auf weitere Problemfelder zu<br />

suchen.<br />

Projektmanagement gilt dort als Organisationsform zur Bewältigung von<br />

technologischer Ungewißheit. Projekte zeichnen sich im wesentlich durch<br />

drei Merkmale aus: zeitliche Befristung, Komplexität <strong>und</strong> relative Neuartigkeit.<br />

"Sie bringen deshalb ein instabiles Element in ein auf Dauer angelegtes organisatorisches<br />

System. Für die organisatorische Gestaltung entsteht damit<br />

die Frage, ob man die bestehende Organisation ganz auf die Anforderungen<br />

des Projekts - mit allen Konsequenzen der Einrichtung <strong>und</strong> Auflösung<br />

- ausrichten soll oder ob man die Projektorganisation im Rahmen der bestehenden<br />

Organisation abwickelt. Mit der letztgenannten Lösung würde<br />

man zwar die Stabilität des bestehenden Systems aufrechterhalten, unter<br />

Umständen aber auf eine effiziente Projektorganisation verzichten. (...)<br />

Erschwert wird die Lösung dieses Dilemmas durch die Tatsache, daß Projekte<br />

in der Regel die Mitwirkung verschiedener Unternehmungsbereiche<br />

erfordern. Die Wirkungen, die von dem instabilen Element Trojektmanagemenf<br />

ausgehen, lassen sich also nicht isolieren, sondern beeinflussen<br />

große Teile einer Unternehmung, wenn nicht die gesamte Unternehmung"<br />

(Frese 1984, S. 463; Hervorhebung von uns - DB/GM).<br />

Das angesprochene Dilemma findet seinen Ausdruck in dem oft beschrieben<br />

Konflikt zwischen Linien- <strong>und</strong> Projekt management, der, wenn er mit<br />

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Hilfe von Matrixstrukturen zu bewältigen versucht wird, mit erheblichen<br />

innerbetrieblichen Reibungsverlusten verb<strong>und</strong>en ist. Bekannt ist dabei<br />

etwa das Problem der Kompetenzkreuzung, das immer dann auftaucht,<br />

wenn Fach- <strong>und</strong> Disziplinarkompetenz auseinanderfallen, also der verantwortliche<br />

Projektmananger nicht mit dem disziplinarischen Vorgesetzten<br />

identisch ist. Eine weitere Quelle für Spannungen in Projektgruppen besteht<br />

vor allem darin, daß hier Mitglieder unterschiedlicher Unternehmensfunktionen<br />

zusammenarbeiten müssen. Dabei ist zu vermuten, daß<br />

diejenigen Teammitglieder, die aus Bereichen kommen, die auch in der<br />

"dominant coalition" im Unternehmen den Ton angeben, über deutlich<br />

größere Durchsetzungschancen ihrer Interessen verfügen als Mitglieder<br />

weniger mächtiger Funktionen in der <strong>Unternehmensorganisation</strong>. Beklagt<br />

wird deshalb nicht umsonst die Möglichkeit der Verfolgung abteilungsspezifischer<br />

Interessen, wodurch "Lösungen nicht primär nach dem Nutzen<br />

für das Unternehmen bewertet werden, sondern nach ihrer Tauglichkeit<br />

zur eigenen Profilierung" (Witte 1989, S. 118). Ähnliche Interessenkonflikte<br />

können auch bei der Integration von externen Unternehmen auftreten,<br />

wenn also Mitarbeiter unterschiedlicher Unternehmen zusammenarbeiten<br />

müssen. 21<br />

Je nach vorherrschender Unternehmens- <strong>und</strong> Innovationsstrategie<br />

werden unterschiedliche Machtkonstellationen in den Projektteams<br />

anzutreffen sein. Konflikte sind hier also strukturell vorprogrammiert,<br />

weshalb in der Managementliteratur verschiedentlich darauf<br />

hingewiesen wird, daß Projektteams nur ausnahmsweise <strong>und</strong> nur für eng<br />

umrissene Aufgaben <strong>und</strong> Zeithorizonte sinnvoll seien.<br />

Bei der Aufzählung möglicher Problemfelder beim Simultaneous Engineering<br />

wird zudem häufig auf die mangelnde Erfahrung des Managements<br />

<strong>und</strong> der übrigen Beteiligten (Mitarbeiter <strong>und</strong> externe Unternehmen)<br />

mit diesem Innovationsinstrument hingewiesen. Darauf sei unter<br />

21 Hier gibt es die Verantwortung für das gemeinsame Ziel, zugleich aber ist auch<br />

das Interesse des Unternehmens zu wahren, das den Mitarbeiter in das Team<br />

delegiert hat. Expertengespräche haben gezeigt, daß es innerhalb von Teams<br />

zwischen Zulieferern <strong>und</strong> Abnehmern häufig zunächst darauf ankommt, die<br />

"Philosophie" oder die "Sprache" des anderen zu lernen. Daß hier die Mitarbeiter<br />

des ökonomisch abhängigen Unternehmens die "Philosophie" des dominierenden<br />

Unternehmens übernehmen müssen, verweist zwar auf die Existenz von<br />

"nicht-ökonomischen" Dimensionen der <strong>Technikentwicklung</strong> - es handelt sich<br />

hierbei um wissenschaftlich-technische Diskurse -, zugleich aber darauf, wie der<br />

ökonomische "Orientierungskomplex" die anderen präformiert bzw. dominiert.<br />

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anderem zurückzuführen, daß den Teammitgliedern oftmals die erforderliche<br />

freie Arbeitskapazität nicht eingeräumt werde. Bezogen auf die Projektmitglieder<br />

besteht deshalb ein wesentliches Problemfeld in der hohen<br />

Arbeitsbelastung, die mit dieser Produktentwicklungsmethode verb<strong>und</strong>en<br />

ist. Angenommen werden kann weiterhin, daß nicht nur die Ausgestaltung<br />

der Arbeitsbedingungen <strong>und</strong> -intensität, sondern auch die Art <strong>und</strong> Weise<br />

der Kontrollmöglichkeiten durch die Organisationsform "Projektgruppe"<br />

mitbestimmt werden:<br />

"Wenngleich die Projektteams eigenverantwortlich arbeiten, sind sie dennoch<br />

nicht völlig frei von Kontrolle. Das Management setzt genügend Interventionspunkte<br />

fest, um zu verhüten, daß Instabilität, Mehrdeutigkeit<br />

<strong>und</strong> Spannung sich in Chaos verwandeln. Gleichzeitig vermeidet es aber<br />

die rigide Kontrolle, die Kreativität <strong>und</strong> Spontaneität unterbindet. Statt<br />

dessen liegt der Schwerpunkt auf 'Selbstkontrolle', 'Kontrolle durch Kollegendruck'<br />

<strong>und</strong> 'Kontrolle durch gegenseitige Anerkennung'. Zusammenfassend<br />

wollen wir hier von 'subtiler Kontrolle' sprechen" (Takeuchi, Nonaka<br />

1986, S. 104).<br />

Demzufolge scheint hier eine Form des Innovationsmanagement vorzuliegen,<br />

die sehr wohl auf die Eigenheiten kreativer Arbeitsprozesse Rücksicht<br />

zu nehmen imstande ist, ohne deshalb Abstriche von Kontrollansprüchen<br />

machen zu müssen. Allerdings deuten neuere Studien darauf hin, daß<br />

die Rahmenkontrolle der Projekte durch das Management mit Hilfe von<br />

Zeitvorgaben nicht ohne Probleme ist. Sowohl die Methodik zur Zeitüberwachung<br />

als auch die Maßnahmen zur Reduzierung von Entwicklungszeiten<br />

stoßen bei vielen Ingenieuren <strong>und</strong> Wissenschaftlern in der industriellen<br />

Praxis offenk<strong>und</strong>ig auf Akzeptanzschwierigkeiten (Domsch,<br />

Gerpott 1988).<br />

Diese Bef<strong>und</strong>en verweisen auf ein gr<strong>und</strong>legendes Dilemma, in dem sich<br />

alle Formen des Projektmanagements von jeher bewegen:<br />

"Einmaligkeit <strong>und</strong> Geschichtlichkeit von Projektabläufen soll durch Organisationsprinzipien<br />

beherrschbar gemacht werden, die ursprünglich im Bereich<br />

stationärer Produktionsweisen zur Geltung kamen. Dieses an <strong>und</strong> für<br />

sich schon inadäquate Verhältnis gewinnt aber seine Schärfe erst dadurch,<br />

daß formalisierte Regelungen <strong>und</strong> Ablaufmodelle mit dem Anspruch verb<strong>und</strong>en<br />

werden, damit chaotische, unübersichtliche <strong>und</strong> turbulente Prozesse<br />

zu verhindern" (Balck 1989, S. 398).<br />

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Hervorgehoben wird hier der Widerspruch zwischen der Einmaligkeit des<br />

Projektablaufs <strong>und</strong> des jeweils erzielten Ergebnisses einerseits 22<br />

<strong>und</strong> den<br />

oftmals im Projektmanagement zum Einsatz kommenden Verfahrensweisen<br />

<strong>und</strong> Instrumenten, die auf dem Wiederholprinzip der klassischen Organisationslehre<br />

basieren, andererseits. Unter diesen Bedingungen entstehen<br />

häufig komplizierte Regelwerke, die Bearbeitungsschritte, Entscheidungsprozesse<br />

<strong>und</strong> Informationswege reglementieren <strong>und</strong> dadurch die<br />

Mobilisierung kreativen Handelns be- oder verhindern. Dieser Umstand<br />

scheint zunehmend virulent zu werden <strong>und</strong> provoziert neuerdings konzeptionelle<br />

Überlegungen zu einem "Wandel im Projektmanagement" (Balck<br />

1989), durch die verhindert werden soll, daß die Unsicherheit, die aus dem<br />

Projektgegenstand (innovatives Produkt) herrührt, noch durch die Projektform<br />

verstärkt wird.<br />

Trotz der genannten Problemfelder sehen zahlreiche Unternehmen in der<br />

durch die Einführung interdisziplinär arbeitender Projektteams ermöglichten<br />

Integration verschiedener Sichtweisen eines Problems <strong>und</strong> der Verkürzung<br />

der Informationswege vor allem bei der Bewältigung innovativer<br />

Aufgaben erhebliche Vorteile, so daß mit einer Tendenz zu dieser Form<br />

des Innovationsmanagements gerechnet werden kann. Die dabei entstehenden<br />

heterogen zusammengesetzten Projektteams sind dann der systematische<br />

Ort, an dem es um die Vermittlung marktbezogener, ökonomischer,<br />

wissenschaftlicher <strong>und</strong> technischer Gesichtspunkte geht. Dabei interessiert<br />

aus industrie- <strong>und</strong> techniksoziologischer Sicht insbesondere die<br />

Frage, wie das Aufeinanderprallen der von verschiedenen Teammitgliedern<br />

repräsentierten Interessen <strong>und</strong> Rationalitäten abläuft.<br />

8.8 Rationalitätskonfigurationen im Innovationsprozeß<br />

Nachdem längere Zeit die Vorstellung von der eigengesetzlichen Entwicklung<br />

von Wissenschaft <strong>und</strong> Technik in der wissenschaftlichen <strong>und</strong> öffentlichen<br />

Diskussion dominierte, hat in den letzten Jahren innerhalb der<br />

Innovations- <strong>und</strong> Technikforschung die Auffassung an Bedeutung gewon-<br />

22 "Since a given project is very rarely repeated, project management is the business<br />

of managing variety; benefits tend to flow from the effective exploitation<br />

rather than the reduction thereof (Bergen 1986, S. 2).<br />

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nen, daß technologische Innovationen auch das Produkt gesellschaftlicher<br />

Einflußgrößen sind. Dabei ist erkennbar, daß Erklärungsmodelle, die eine<br />

einzelne Determinante der <strong>Technikentwicklung</strong> privilegieren (z.B. ökonomische<br />

Interessen), zunehmender Kritik ausgesetzt sind (Krohn, Rammert<br />

1985). So unterscheidet z.B. Rammert in einer empirischen Studie<br />

zur <strong>Technikentwicklung</strong> im Unternehmen zwischen einer technischen, einer<br />

organisatorischen, einer wissenschaftlichen <strong>und</strong> einer ökonomischen<br />

Rationalität <strong>und</strong> nimmt an,<br />

"daß die Interdependenz <strong>und</strong> das Spannungsverhältnis dieser vier (...) verschiedenartigen<br />

Rationalitäten den Kern <strong>und</strong> die Dynamik der Produkt<strong>und</strong><br />

Verfahrensinnovation ausmachen <strong>und</strong> je nach Innovationsphase eine<br />

unterschiedliche Gewichtung erfahren <strong>und</strong> in unterschiedlichen Konfigurationen<br />

auftreten" (Rammert 1988, S. 99).<br />

Bei der Präzisierung dieser Aussagen tauchen allerdings bemerkenswerte<br />

Widersprüche auf. Zum einen unterstellt Rammert,<br />

"daß in früheren Stadien der Innovation die Such- <strong>und</strong> Entscheidungsprozesse<br />

vorwiegend den Standards technischer Rationalität folgen. In späteren<br />

Stadien schreiben wir der ökonomischen Rationalität eine führende<br />

Rolle in der Rationalitätskonfiguration zu, da es nun zunehmend um die<br />

ökonomische Entscheidung über ein technisch gelöstes Problem geht"<br />

(ebd.).<br />

Im Gegensatz dazu heißt es an anderer Stelle:<br />

"In der ersten Phase, in der die Initialentscheidung für ein Ablöseprodukt<br />

getroffen wird, dominieren ökonomische Kriterien, wie Preis- <strong>und</strong> Marktdruck,<br />

sowie steigende Materialkosten für das laufende Produkt. Das gilt<br />

auch für die der technischen Rationalität zuzuordnenden Gesichtspunkte,<br />

daß vom Verkauf über ein besseres Produkt berichtet wurde <strong>und</strong> Anregungen<br />

aus der Fertigung (betriebliches Vorschlagswesen) kommen" (ebd.,<br />

S. 110).<br />

Bei Rammert stehen somit zwei gegensätzliche Thesen unvermittelt nebeneinander:<br />

Einmal wird behauptet, die ökonomische Rationalität sei das<br />

die anderen Rationalitäten "dominierende Prinzip" (ebd., S. 97), gleichzeitig<br />

wird die "vereinfachte These von Primat der ökonomischen Rationalität<br />

über die technische (...), wie sie im traditionell marxistischen Theorem<br />

der reellen Subsumtion unterstellt wird" (ebd., S. 99), entschieden abgelehnt.<br />

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Eine denkbare Auflösung dieses bemerkenswerten Widerspruchs könnte<br />

darin bestehen, daß unterschiedliche Rationalitätskonfigurationen nicht<br />

nur in unterschiedlichen Phasen des Innovationsprozesses auftreten, sondern<br />

auch bei unterschiedlichen Innovationstypen (etwa bei radikalen vs.<br />

inkrementalen Innovationen). Generalisierte Aussagen, die auf die Identifikation<br />

eines dominierenden Rationalitätsprinzips in Innovationsprozessen<br />

abzielen, würden dann an der Realität vorbeigehen; Aussagen dieser<br />

Art müßten vielmehr je nach Innovationstyp relativiert werden.<br />

Will man dieses Problem umgehen, könnte man sich, anders als Rammert,<br />

der Frage stellen, ob <strong>und</strong> ggf. wie sich die unterschiedlichen Rationalitäten<br />

so miteinander vermittelt haben, daß sie, zumal im Rahmen industrieller<br />

Kontexte, kaum noch trennscharf unterschieden werden können. Uns<br />

scheint nämlich die Kritik von Rammert an vereinfachenden Versionen<br />

des Subsumtionstheorems insofern berechtigt, als man nicht vorschnell die<br />

Existenz anderer als ökonomischer Rationalitätsmuster negieren kann. Es<br />

dürfte allerdings vorschnell <strong>und</strong> letztlich auch unberechtigt sein, die zentrale<br />

Frage auszuklammern, inwiefern diese anderen kulturellen, sozialen,<br />

organisatorischen <strong>und</strong> wissenschaftlichen "Orientierungskomplexe" (vgl.<br />

Krohn, Rammert 1985) so mit der ökonomischen Rationalität verknüpft<br />

sind, daß sie nur scheinbar als eigenständige Dimensionen der <strong>Technikentwicklung</strong><br />

zu begreifen sind. So falsch es also unserer Auffassung nach<br />

ist, die <strong>Technikentwicklung</strong> ausschließlich unter dem Gesichtspunkt einer<br />

Optimierung der Kapitalverwertung oder unter dem Gesichtspunkt der<br />

Herrschaftssicherung zu analysieren, so voreilig dürfte es sein, die Frage<br />

einer "Vermittlung der Produktivkräfte durch die Produktionsverhältnisse"<br />

(Adorno 1969) schlicht auszuklammern.<br />

Von großer Bedeutung ist in jedem Falle die Frage, wie es zur Verkuppelung<br />

der unterschiedlichen Rationalitätsmuster kommt <strong>und</strong> mit welchen<br />

Konsequenzen dies verb<strong>und</strong>en ist. Eine Untersuchung der in interdisziplinären<br />

Projektteams <strong>und</strong> sonstigen "pluralistischen Gremien" (Zündorf,<br />

Grunt 1982) stattfindenden Aushandlungsprozesse <strong>und</strong> der dabei zum<br />

Zuge kommenden Bewertungskriterien könnte für Fragen der Technikgenese<br />

außerordentlich fruchtbar sein. Aber auch aus traditionell industriesoziologischer<br />

Sicht dürften derartige Prozesse erhebliche Relevanz besitzen,<br />

da vieles dafür spricht, daß hier nicht nur die in der Fertigung anfallenden<br />

Kosten, sondern auch ein Gutteil der sozialen Arbeitsbedingun-<br />

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gen im Bereich der Fertigung wenn nicht festgeschrieben, so doch zumindest<br />

teilweise vorgezeichnet werden (Hack 1986; Bachmann, Möll 1992).<br />

8.9 Resümee<br />

Die geschilderten Bemühungen zur Innovation von Innovationsprozessen<br />

machen deutlich, daß die Verbindlichkeit der Bezüge zwischen Forschung,<br />

Entwicklung <strong>und</strong> Konstruktion einerseits <strong>und</strong> der Produktion <strong>und</strong> marktnahen<br />

Bereichen andererseits zugenommen hat, <strong>und</strong> die Organisation <strong>und</strong><br />

Kontrolle von technologischen Innovationsprozessen für die Unternehmen<br />

an Bedeutung gewinnen. Die systematische Berücksichtigung von Markt<strong>und</strong><br />

K<strong>und</strong>enanforderungen sowie von Fertigungs- <strong>und</strong> Montagebedingungen<br />

in frühen Phasen der Produktentwicklung, die dabei zum Einsatz<br />

kommenden Simulationsverfahren <strong>und</strong> sonstigen rechnergestützten Hilfsmittel,<br />

die einen veränderten Umgang mit Realität ermöglichen, die systematische<br />

Verwissenschaftlichung technologischer Innovationen <strong>und</strong><br />

schließlich die Anstrengungen zur Beschleunigung <strong>und</strong> Ökonomisierung<br />

der gesamten Produkt- <strong>und</strong> Prozeßentwicklung können als Momente eines<br />

neuen Innovationsmodus gelten, der auf die simultane Bewältigung des<br />

Innovations-, Ineffizienz- <strong>und</strong> Nachfragerisikos zielt <strong>und</strong> weitreichende<br />

strukturelle Veränderungen der <strong>Unternehmensorganisation</strong> mit sich<br />

bringt. Was sich abzeichnet, ist eine Tendenz zur organisatorischen Integration,<br />

die nur teilweise parallel zur datentechnischen Integration verläuft<br />

<strong>und</strong> überkommene Schnittstellen zwischen unterschiedlichen Abteilungen<br />

überwinden soll.<br />

"Während CIM (computer integrated manufacturing) die datentechnische<br />

Integration von computerunterstützten Verfahrensabläufen in den Bereichen<br />

Entwicklung, Fertigung <strong>und</strong> Logistik anstrebt, zielt die organisatorische<br />

Integration auf die Vernetzung der Zusammenarbeit von Marketing,<br />

Entwicklung, Beschaffung, Fertigung <strong>und</strong> Vertrieb ab" (Schmelzer 1990, S.<br />

46 f.).<br />

Ein wichtiges Untersuchungsfeld industriesoziologischer Forschung hätte<br />

demnach zu sein, den Voraussetzungen <strong>und</strong> Auswirkungen dieser Rationalisierungsmaßnahmen<br />

nachzugehen. Zu klären wäre vor allem die Frage,<br />

wie <strong>und</strong> mit welchen Folgen die Vergleichbarkeit/Kommensurabilität<br />

sehr heterogener Arbeitsfunktionen <strong>und</strong> -bereiche bewerkstelligt wird, die<br />

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die Voraussetzung einer bereichsübergreifenden Integration darstellt. Berücksichtigt<br />

werden müßten dabei auch die Grenzen <strong>und</strong> Widersprüche<br />

organisatorischer Maßnahmen, die der betrieblichen <strong>und</strong> unternehmensübergreifenden<br />

Innovationsförderung dienen sollen. Dazu liegen bislang<br />

kaum gesicherte Erkenntnisse vor; umfassende, industriesoziologisch orientierte,<br />

empirische Forschungen über diesen Komplex scheinen angesichts<br />

dieser Sachlage dringend erforderlich.<br />

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9. Externe Arrangements zur Minimierung von<br />

Unternehmensrisiken<br />

Die folgenden Abschnitte stellen den Versuch dar, auf der Basis allgemein<br />

zugänglicher Informationen (Wirtschaftsberichterstattung, Geschäftsberichte<br />

etc.) eine Typologie der in der Unternehmenspraxis an Bedeutung<br />

gewinnenden externen organisatorischen Arrangements zu entwickeln.<br />

Dieses Vorhaben folgt einer, wenn man so will, doppelten Logik. Zum<br />

einen orientiert sich die Darstellung an einer im Anschluß an O.E.<br />

Williamson (1975; 1985) entwickelten These, die, auf einen einfachen<br />

Nenner gebracht, besagt, daß für die organistorischen Beziehungen <strong>und</strong><br />

Transaktionen in <strong>und</strong> zwischen Unternehmen Modelle denkbar sind, die<br />

sich zwischen den Polen "Markt" <strong>und</strong> "Hierarchie" verorten lassen. Zum<br />

anderen wird das empirische Material daraufhin untersucht, ob sich mit<br />

Hilfe der von J. Child unterschiedenen "strategischen Herausforderungen"<br />

bzw. Risiken (s. Abschnitt 3.6) eine Typologie entwickeln läßt, die zu zeigen<br />

in der Lage ist, daß unterschiedliche externe organisatorische Arrangements<br />

je spezifische Ausgangssituationen <strong>und</strong> Unternehmensstrategien<br />

<strong>und</strong> damit unterschiedliche Problemdefinitionen des Managements reflektieren.<br />

Außerdem soll überprüft werden, ob diejenigen organisatorischen<br />

Strategien, welche die mit der Durchführung wissenschaftlich-technischer<br />

Innovationsaktivitäten verb<strong>und</strong>enen Risiken (s. Abschnitt 3.4) in ihrem<br />

Gefährdungspotential minimieren sollen, ihrerseits neue Risiken für die<br />

Unternehmen aufwerfen. Wäre dies zutreffend, könnte man von einer Risikospirale<br />

sprechen.<br />

Ursprünglich sind wir von der These ausgegangen, daß die gegenwärtig zu<br />

beobachtende Bedeutungszunahme externer organisatorischer Arrangements<br />

bei der Bewältigung von Innovationsrisiken nur eine vorübergehende<br />

Erscheinung darstellt <strong>und</strong> mittelfristig Strategien der internen bzw.<br />

"quasi-internen" (Leborgne, Lipietz 1987) Innovationsbewältigung (Fusionen,<br />

Akquisitionen bzw. joint-ventures) dominieren werden. Diese These<br />

war insofern plausibel, als die Unternehmen auch bei der Verfolgung einer<br />

auf die Nutzung externer Innovationspotentiale setzenden Strategie nicht<br />

auf den Aufbau eigener Planungs-, Steuerungs- <strong>und</strong> Kontrollpotentiale<br />

sowie auf die Verfügung über eigenes wissenschaftlich-technologisches<br />

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Wissen (<strong>und</strong> auf die Abteilungen, die dieses bereitstellen) verzichten können<br />

(Freeman 1974). Mittlerweile lassen sich jedoch Mechanismen identifizieren<br />

("gesteuerte Autonomie" <strong>und</strong> "systemische Beherrschung"), die<br />

eine dauerhafte <strong>und</strong> verläßliche Kooperation zwischen Unternehmen verschiedener<br />

(oder sogar gleicher) ökonomischer Potenz sicherstellen.<br />

Dementsprechend mußte unsere Ausgangshypothese, die für die Zukunft<br />

einen Trend in Richtung (Re-)Internalisierung behauptete (vgl. Bieber,<br />

Brandt, Möll 1987), modifiziert werden. Zumindest diejenigen Formen der<br />

Kooperation, die man als "vertikale" bezeichnen könnte, also die Beziehungen<br />

zwischen Groß- <strong>und</strong> Kleinunternehmen, sind häufig auch in lockeren<br />

Kooperationsverbünden so eindeutig im Interesse der Großunternehmen<br />

gestaltet, daß eine Übernahme der Kleinunternehmen gar nicht notwendig<br />

erscheint (vgl. Brandt 1986b, S. 110 ff.). Welche der möglichen<br />

Strategien zur Verringerung des Innovationsrisikos - Verstärkung der Externalisierung<br />

oder Reinternalisierung - sich in welchem Bereich der Elektro-<br />

<strong>und</strong> Elektronikindustrie jedoch letztlich durchsetzen wird, ist eine<br />

Frage, die sich nur im Rahmen umfassender empirischer Forschungen beantworten<br />

ließe.<br />

Neben dem Innovationsrisiko haben Unternehmen auch mit Nachfrage<strong>und</strong><br />

Ineffizienzrisiken zu kämpfen. Die Bedeutung dieser "Risiken" bzw.<br />

"strategischen Herausforderungen" für die Unternehmen wurde bereits in<br />

anderem Zusammenhang (s. Abschnitt 3.6) aus der Perspektive von Unternehmen<br />

bzw. aus der Sicht des (Top-)Managements diskutiert. Dabei<br />

war deutlich geworden, daß diese Risiken zwar strukturell in den Funktionsprinzipien<br />

kapitalistischer Gesellschaften verankert sind, also je schon<br />

Gr<strong>und</strong>probleme von Unternehmen darstellen, die auf unsicheren Märkten<br />

agieren. Zugleich war jedoch auch deutlich geworden, daß diese in historisch<br />

unterschiedlichen Formen auftreten. Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> haben<br />

wir die These vertreten, daß in der derzeitigen historischen Situation die<br />

Zukunftschancen von Unternehmen angesichts verschärfter Weltmarktkonkurrenz,<br />

erhöhtem Kostendruck <strong>und</strong> beschleunigtem wissenschaftlichtechnischem<br />

Wandel in hohem Maße von ihren Fähigkeiten abhängen,<br />

technische Innovationen zu erzeugen <strong>und</strong> kommerziell zu verwerten. Die<br />

Generierung neuer Technologien <strong>und</strong> die erfolgreiche Einführung derselben<br />

auf dem Markt rücken demzufolge zunehmend ins Zentrum unternehmerischer<br />

Strategien (s. Kapitel 7 <strong>und</strong> 8).<br />

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Die Fähigkeit zur Innovation allein reicht allerdings nicht mehr aus, um<br />

die Konkurrenzfähigkeit eines Unternehmens zu sichern. Die vielbeschworene<br />

Beschleunigung des technologischen Wandels <strong>und</strong> die damit<br />

einhergehende Verkürzung der Produktlebenszyklen, technisch komplexer<br />

werdende Systeme <strong>und</strong> Produkte sowie die Kumulation der Entwicklungskosten<br />

erhöhen die Anforderungen an die FuE-Abteilungen. An deren<br />

Arbeit wird nicht nur immer stärker das Kriterium Wirtschaftlichkeit<br />

herangetragen, sondern zunehmend gewinnt auch der Faktor Schnelligkeit<br />

an Bedeutung. Und zwar um so mehr, je kürzer der zur Verfügung stehende<br />

Zeitraum zur Amortisierung hoher FuE-Aufwendungen wird. Deshalb<br />

werden in der einschlägigen Literatur im Interesse der erfolgreichen<br />

Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse in marktfähige Produkte <strong>und</strong><br />

neue technische Verfahren nicht nur angemessene organisatorische Strukturen<br />

für den FuE-Bereich gefordert. Als besonders wichtig gilt darüber<br />

hinaus die Koordination aller am Innovationsprozeß beteiligten Abteilungen<br />

(s. Kapitel 8). Diese Problemsicht schlägt sich seit einiger Zeit auch in<br />

einer Reihe von Publikationen nieder, die sich für eine Intensivierung der<br />

Kontakte zwischen der Unternehmensfunktion FuE <strong>und</strong> den Marketingabteilungen<br />

aussprechen (vgl. Wilson, Ghingold 1987). Von letzteren werden<br />

dabei insbesondere verbindliche Vorgaben für bestimmte Produktentwicklungen<br />

erwartet.<br />

Unter den gegenwärtigen ökonomischen Rahmenbedingungen impliziert<br />

der Begriff des Nachfragerisikos nicht allein die Notwendigkeit einer Flexibilisierung<br />

der Produktion, sondern auch die Notwendigkeit einer strategischen,<br />

d.h. vor allem schnellen Besetzung von Märkten mit neuen Produkten.<br />

Wir folgen dabei der Auffassung K. Ohmaes (1985), der aus dieser<br />

Konstellation schlußfolgert, daß multinationale (Groß-)Unternehmen<br />

heute alle Kernmärkte der "Triade" (Nordamerika, Europa, Japan) simultan<br />

erschließen müssen. Es ist also nicht allein die Strategie der Minimierung<br />

des Innovationsrisikos, die diese Unternehmen zu einer forcierten Internationalisierung<br />

(der FuE) bei gleichzeitiger regionaler Konzentration<br />

auf die entscheidenden Wachstums- <strong>und</strong> Innovationsmärkte greifen läßt,<br />

sondern auch der Versuch einer Reduzierung des Nachfragerisikos.<br />

Im folgenden soll deshalb die These untermauert werden, daß die Unternehmen<br />

der Bewältigung des Innovationsrisikos nicht nur zunehmend<br />

mehr Beachtung schenken, sondern gleichzeitig die dafür notwendigen<br />

Maßnahmen mit organisatorischen Strategien zur Bearbeitung des Nach-<br />

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frage- <strong>und</strong> des Ineffizienzrisikos verknüpfen. Man kann also von einem<br />

Modus integrativer Risikobewältigung sprechen. Dabei spielt, auch das<br />

wird zu zeigen sein, der Rückgriff auf externe organisatorische Arrangements<br />

eine immer entscheidendere Rolle, <strong>und</strong> zwar insbesondere unter<br />

den Bedingungen verschärfter Konkurrenz auf den Weltmärkten. 23<br />

Wie unsere Branchenanalyse (s. Teil C) gezeigt hat, ist "die" Elektro- <strong>und</strong><br />

Elektronikindustrie in Anbetracht der Heterogenität der dort produzierten<br />

(materiellen <strong>und</strong> immateriellen) Waren <strong>und</strong> dementsprechend der<br />

dort vorfindlichen Produkionsabläufe eher ein sozialstatistisches Konstrukt<br />

denn eine homogene Branche. Durch diese Eigenart unterscheidet<br />

sie sich wesentlich von anderen Branchen wie etwa der Automobilindustrie,<br />

dem Maschinenbau oder der Chemischen Industrie, die in bezug auf<br />

die Struktur ihrer Produkte bzw. Produktionsprozesse ein übersichtlicheres<br />

Bild abgeben. Da dieser Sachverhalt das Problem der unzulässigen<br />

Generalisierung von in Teilbereichen gewonnenen Forschungsergebnissen<br />

verschärft, haben wir, wo das möglich war, einzelne Subbranchen der Elektroindustrie<br />

bzw. einige Felder der Technologieentwicklung gesondert behandelt<br />

(Software, Telematik etc.) <strong>und</strong> die dort vorherrschenden Modi der<br />

Kooperation zu identifizieren versucht. Dies bedeutet nun allerdings nicht,<br />

daß beispielsweise die Produktion von Software oder bestimmter Betriebssysteme<br />

ausschließlich im Rahmen einer bestimmten Organisationsform<br />

stattfinden würde. Auch in diesem Bereich sind sowohl Formen interner<br />

als auch verbindlichere Formen externer organisatorischer Arrangements<br />

anzutreffen. Dennoch schien es uns möglich, bestimmte typische Koopera-<br />

23 Zum methodischen Vorgehen in diesem Abschnitt sei der wissenschaftlichen<br />

Redlichkeit halber noch soviel gesagt: Es handelt sich hier nicht um die Präsentation<br />

von Forschungsergebnissen, die den gängigen Standards industriesoziologischer<br />

Forschung entsprechen. Im folgenden geht es vielmehr darum, anhand<br />

allgemein zugänglichen Materials Fragestellungen zu destillieren, die im Wege<br />

gründlicher empirischer Fallstudien eingehender verfolgt werden müßten. Qualitativ<br />

orientierte empirische Sozialforschung hätte beispielsweise (in Expertengesprächen,<br />

Verfahren der cross-examination etc.) zu eruieren, inwiefern <strong>und</strong><br />

mit welchem "Momentum" (Hughes) die hier (re-)konstruierten Problemlagen<br />

das Handeln der verantwortlichen Wissenschaftler, Ingenieure, Techniker <strong>und</strong><br />

Manager beeinflussen <strong>und</strong> wie die jeweils Verantwortlichen mit diesen Problemen<br />

umgehen. Dies kann hier allerdings nicht geleistet werden. Es gibt aber<br />

Hinweise darauf, daß die im folgenden identifizierten Modi externer Kooperation<br />

auch in anderen Branchen wirksam sind (vgl. Bieber, Sauer 1991).<br />

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tionsformen mit bestimmten Subbranchen der Elektro- <strong>und</strong> Elektronikindustrie<br />

in Beziehung zu setzen.<br />

Neben die internen Unternehmensstrategien zur Risikominimierung (u.a.<br />

der Ausbau der unternehmenseigenen FuE-Aktivitäten (s. Kapitel 6), die<br />

Umstrukturierung der Organisation in Produkt- oder Geschäftsfelder, die<br />

sich auf gemeinsame Technologien oder Märkte richten können, oder die<br />

Beschränkung von Unternehmen auf Kernaktivitäten) treten zunehmend<br />

Lösungsmuster, die sich auf unternehmensexterne organisatorische Einheiten<br />

beziehen. In der Wirtschaftspresse erscheinen nahezu täglich Meldungen<br />

über Kooperationsabkommen, Beteiligungen oder Firmenkäufe.<br />

Diese externen Arrangements können als Konzentrations- <strong>und</strong> Rationalisierungsprozesse<br />

verstanden werden, da sie sowohl die Marktverhältnisse<br />

als auch unternehmensinterne Organisationsstrukturen verändern. Sie<br />

sollen im folgenden dahingehend unterschieden werden, ob sie Kooperationen<br />

im Sinne von freiwilliger Zusammenarbeit <strong>und</strong> wirtschaftlicher Kooperation<br />

zwischen rechtlich <strong>und</strong> wirtschaftlich selbständigen Unternehmen<br />

darstellen oder ob sie eher als Formen externen Unternehmenswachstums<br />

begriffen werden können, bei denen die an der Zusammenarbeit<br />

beteiligten Unternehmen wirtschaftlich in einem Verhältnis der Überoder<br />

Unterordnung stehen (z.B. Akquisition, Fusion, Beteiligung). 24<br />

Im<br />

ersten Fall werden Risiken ausgelagert, im zweiten Fall wird dagegen versucht,<br />

externe Problemlösungskapazitäten ins eigene Unternehmen zu integrieren<br />

<strong>und</strong> Risiken durch Internalisierung zu bewältigen. Die Grenze<br />

zwischen "Kooperation" <strong>und</strong> externem Unternehmenswachstum ist freilich<br />

fließend, da auch bei einer Kooperation zumindest in den Bereichen der<br />

Zusammenarbeit die wirtschaftliche <strong>und</strong> organisatorische Selbständigkeit<br />

partiell verlorengeht. Ein joint-venture stellt beispielsweise eine Kooperationsform<br />

dar, die auch als externer Unternehmenszuwachs begriffen werden<br />

kann. In bezug auf die Risikominimierung stellt sie sowohl eine Risikoabwälzung<br />

nach außen wie eine Internalisierung dar <strong>und</strong> soll deshalb als<br />

Grenzfall behandelt werden.<br />

24 Analytisch könnte man zwischen horizontaler <strong>und</strong> vertikaler Kooperation unterscheiden.<br />

Bezieht sich letztere auf die Kooperation zwischen ungleich starken<br />

Partnern, also etwa auf die Kooperationsbeziehungen zwischen Groß- <strong>und</strong><br />

Kleinunternehmen, so ist die horizontale Kooperation die, die zwischen mehr<br />

oder weniger gleich starken Partnern vereinbart wird.<br />

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9.1 Kooperationen<br />

Die Zielsetzung von Kooperationsvereinbarungen besteht gegenüber einem<br />

rein sich auf die eigenen Ressourcen stützenden Vorgehen in der Realisierung<br />

von Betriebsgrößenvorteilen <strong>und</strong> der damit verb<strong>und</strong>enen Sicherung<br />

der Wettbewerbsfähigkeit, die aus der gemeinschaftlichen Ausübung<br />

von Unternehmensfunktionen mit dem Kooperationspartner erwachsen.<br />

Im Gegensatz zur Akquisition oder Fusion wird die wirtschaftliche <strong>und</strong><br />

technische Entscheidungsfreiheit nur in den Bereichen eingeschränkt, auf<br />

die sich das Kooperationsabkommen bezieht.<br />

Zu den Vorteilen dieser Vorgehensweise gehört die Minimierung des Innovationsrisikos.<br />

Seit die FuE-Aufwendungen für die Entwicklung neuer<br />

I&K-Technologien die traditionellen Kostengrenzen sprengen, wird nämlich<br />

die Strategie reiner In-house-Entwicklungen für die Hersteller zu einem<br />

unüberschaubaren Risiko. 25<br />

Weitere Vorteile bestehen in der Vermeidung<br />

von Doppelinvestitionen, der besseren Ausnutzung vorhandener<br />

Kapazitäten, der Überwindung mangelnder Faktorenausstattung (z.B.<br />

durch Nutzung von Know-how des Partners), der Verringerung des Kapitalbedarfs<br />

<strong>und</strong> des Zeitaufwands sowie der Möglichkeit eines besseren<br />

Zugriffs auf neue Märkte. Folgt man der betriebswirtschaftlichen Argumentation,<br />

so erlauben Kooperationen die Realisierung von sehr widersprüchlichen<br />

Zielen. So sollen spezifische Stärken einvernehmlich beiden<br />

Unternehmen zugute kommen, Risiken nach Möglichkeit aber auf das jeweils<br />

andere Unternehmen abgewälzt werden. 26<br />

Zwischenbetriebliche Kooperationsvereinbarungen lassen sich durch ihren<br />

Intensitätsgrad <strong>und</strong> ihre funktionale Reichweite innerhalb der kooperierenden<br />

Unternehmen unterscheiden. Im folgenden soll versucht werden,<br />

sie den verschiedenen Strategien zur Risikominimierung zuzuordnen.<br />

In bezug auf ihre Intensität kann sich die Kooperation "nur auf einen vertraglich<br />

festgelegten Informationsaustausch anläßlich besonderer Pla-<br />

25 Für den einst zweitgrößten Telekommunikationanbieter der Welt ITT entwickelte<br />

sich beispielsweise die Adaption des "System 12" der deutschen Tochter<br />

SEL für den US-Markt zum "Milliardenflop" (Weltmärkte im Umbruch, WirtschaftsWoche<br />

12/87).<br />

26 Globale strategische Partnerschaften, Manager Magazin 5/86.<br />

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nungsvorhaben (z.B. im Investitionsbereich) beschränken oder eine laufende<br />

Verständigung zwischen den Partnern, wie bei der Einrichtung einer<br />

gemeinsamen Beschaffungsorganisation, vorsehen. Ihre funktionale Reichweite<br />

läßt sich an der Zahl <strong>und</strong> dem Umfang der Unternehmensfunktionen<br />

messen, die in die Vereinbarungen einbezogen werden" (Mathes 1981,<br />

S. 403 ff.). Gegenstand der Kooperation können dabei Aufgaben aus nahezu<br />

allen Tätigkeitsfeldern der Unternehmen sein: "Typische Fälle sind<br />

die Zusammenarbeit<br />

in der Produktion (z.B. zur besseren Ausnutzung vorhandener Produktionsanlagen),<br />

in Forschung <strong>und</strong> Entwicklung (z.B. Entwicklungsgemeinschaften, Lizenzvergabe,<br />

Erfahrungsaustausch),<br />

im Vertrieb (z.B. Verkaufs-, Werbe- oder Lagergemeinschaften)" (Enzyklopädie<br />

der BWL, S. 1.114).<br />

Die Durchführung dieser Vereinbarungen bedeutet in jedem Fall die vollständige<br />

oder teilweise Ausgliederung von Unternehmensfunktionen <strong>und</strong><br />

damit eine Veränderung interner Strukturen der <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />

So verändert beispielsweise die Errichtung eines gemeinsamen<br />

Großlagers die logistische Struktur der Fertigung <strong>und</strong> Montage, <strong>und</strong> die<br />

Spezialisierung von FuE-Abteilungen kann zur Umorganisation, Zusammenlegung<br />

oder Ausgliederung von FuE-Bereichen führen.<br />

Ausgegliederte Funktionen werden entweder von einem oder mehreren<br />

der Partner übernommen oder auf eine zu diesem Zweck anzugliedernde<br />

Einheit übertragen (z.B. Gründung einer gemeinsamen Vertriebsgesellschaft).<br />

Viele Kooperationen sind horizontal organisiert, d.h. Vereinbarungen<br />

von Unternehmen der gleichen Herstellungsrichtung oder komplementär,<br />

d.h., es gibt Vereinbarungen von Unternehmen, die in einem<br />

sich ergänzenden Verhältnis zueinander stehen (z.B. in der Computer<strong>und</strong><br />

Nachrichtentechnik).<br />

Die Ursachen für die in den letzten Jahren zu beobachtende Zunahme von<br />

Kooperationsvereinbarungen sind vielfältig:<br />

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In dem Maße, wie Forschung <strong>und</strong> Entwicklung zu einem bestimmenden<br />

Wettbewerbsfaktor werden, können kleinere <strong>und</strong> mittelständische<br />

Unternehmen die notwendigen FuE-Investitionen oft nicht mehr aus<br />

eigener Kraft aufbringen. Dieser Umstand kann allerdings auch zu<br />

Akquisitionen führen.<br />

Spezielles Know-how fehlt, <strong>und</strong> es würde ohne fremde Hilfe zu lange<br />

dauern, den Stand der Wettbewerber zu erreichen.<br />

Die Entwicklung bestimmter Technologien erfordert innerhalb kurzer<br />

Zeit für ein einzelnes Unternehmen zu hohe FuE-Aufwendungen <strong>und</strong><br />

Investitionen in Produktions- <strong>und</strong> Absatzstrukturen, so daß diese nur<br />

in Kooperation mit anderen aufzubringen sind.<br />

Hinzu tritt vielfach die Notwendigkeit der Schaffung technisch-ökonomischer<br />

Standards für eine erfolgreiche Markteinführung neuer Produkte,<br />

denn der Marktführer <strong>und</strong> die potentesten Nutzer bestimmen hier die<br />

Marktverhältnisse. 27<br />

Ein weiterer Gr<strong>und</strong> für die wachsende Bereitschaft<br />

der Unternehmen, Kooperationen einzugehen, besteht in der möglichen<br />

Erzielung von Kostenvorteilen <strong>und</strong>/oder der Differenzierung der Produktpalette,<br />

um in bestimmten Teilmärkten zum internationalen Marktführer<br />

werden zu können. 28<br />

Schließlich verringern die kurzen Produktlebenszyklen<br />

von High-Tech-Produkten, ihre hohen FuE- <strong>und</strong> Produktionskosten<br />

die Amortisationszeiten, d.h., FuE-Kooperationen, Produktionsverbünde<br />

<strong>und</strong> weltweiter Vertrieb werden zunehmend zu einer Voraussetzung<br />

des Markterfolgs. 29 Kooperationen ermöglichen ferner den Zugang<br />

zu einem größeren K<strong>und</strong>enpotential 30<br />

<strong>und</strong> den Einblick in die Gesetze<br />

fremder Märkte bei Beschaffung, Produktion, Marketing, Distribution,<br />

27 General Motors etwa setzte allein durch seine immense Größe <strong>und</strong> Nachfragemacht<br />

eine solche Standardisierung im Bereich der elektronischen Schnittstellen<br />

(MAP) in der Produktion durch, an der sich sowohl Zulieferer wie Ausrüster<br />

<strong>und</strong> schließlich auch die Konkurrenten zu orientieren haben. IBM machte aufgr<strong>und</strong><br />

seiner weltweiten Marktführung <strong>und</strong> Marktbedienung schon Anfang der<br />

80er Jahre ihren Personalcomputer des Typs XT zu einem De-facto-Standard.<br />

Dutzende von anderen Herstellern ahmten diesen nach <strong>und</strong> trugen so wesentlich<br />

zur PC-Verbreitung bei.<br />

28 Globale strategische Partnerschaften, Manager Magazin 5/86.<br />

29 Der lange Weg zur neuen Firma, Manager Magazin 5/86.<br />

30 Die Strategie der Triade, Manager Magazin 5/85.<br />

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Personalwesen <strong>und</strong> Finanzierung. Ein Konsortium gewährleistet darüber<br />

hinaus den Zugriff auf eine vollständige Infrastruktur inkl. aller Bezugsquellen,<br />

Informationen, Rohstoffe, Zulieferer <strong>und</strong> Lizenzen. 31<br />

Die Tatsache, daß sich Kooperationen sowohl auf den Bereich der FuE als<br />

auch auf die Bereiche Fertigung <strong>und</strong> Vertrieb beziehen, ist ein Indiz für<br />

die Richtigkeit unserer These einer Tendenz zu integrativer Risikobewältigung.<br />

Zugleich wird deutlich, daß die bislang in der Industrie- <strong>und</strong> Techniksoziologie<br />

entwickelten Vorstellungen den Umfang <strong>und</strong> die Reichweite<br />

von Restrukturierungsmaßnahmen der <strong>Unternehmensorganisation</strong> unterschätzt<br />

haben. So haben etwa Hack, Hack (1985) die These eines neuen<br />

Musters der internationalen FuE-Kooperation formuliert, deren Kennzeichen<br />

die Beschränkung auf den vorwettbewerblichen Forschungsbereich<br />

sei:<br />

"Die Zusammenarbeit wird auf den Bereich des 'precompetitive research'<br />

begrenzt; die Konzerne behalten sowohl ihre eigenen FuE-Einrichtungen<br />

bei als auch, vor allem, ihre eigenen Produktionsprogramme <strong>und</strong> Vertriebsapparate"<br />

(Hack, Hack 1985, S. 118).<br />

Angesichts von Kooperationsvereinbarungen, die sich weder auf FuE noch<br />

auf den Vertrieb beschränken, läßt sich dieses Argument (inzwischen) so<br />

nicht aufrechterhalten. Aufgr<strong>und</strong> der Notwendigkeit einer schnellen <strong>und</strong><br />

weltweiten Markteinführung von neuen Produkten können sich aus den<br />

verschiedenen Formen der Kooperation, auch wenn sie zunächst nur zur<br />

Minimierung von Innovationsrisiken eingegangen wurden, durchaus erhebliche<br />

Modifikationen der jeweiligen Produktionsprogramme <strong>und</strong> Vertriebsapparate<br />

ergeben. Darüber hinaus nimmt die Zahl der Kooperationsabkommen<br />

zu, die von vornherein nicht nur auf die Forschung <strong>und</strong><br />

Entwicklung, sondern auch auf eine gemeinsam abgestimmte <strong>und</strong> arbeitsteilig<br />

organisierte Herstellung von neuen Produkten abzielen.<br />

(a) Vertriebskooperationen: Vereinbarungen über einen gemeinsamen<br />

Vertrieb eröffnen die Möglichkeit, die Marktpräsenz zu erhöhen, in neue<br />

Märkte vorzudringen oder bestimmte technische Standards durchzusetzen.<br />

Einige Beispiele mögen dies belegen:<br />

31 Der lange Weg zur neuen Firma, Manager Magazin 5/86. Firmen schwimmen in<br />

Geld, FR 23.11.88. Transpazifische Halbleiter-Kooperation, Börsen-Zeitung<br />

17.12.86.<br />

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Philips schloß 1978 mit Sony mehrere Kooperationsabkommen auf dem Gebiet der<br />

optischen Speichertechnik, die darauf abzielten, durch ein gemeinsames Auftreten<br />

auf den Weltmärkten technische Standards zu fixieren. In der Unterhaltungselektronik<br />

verfügte das niederländische Unternehmen über konkurrenzfähiges Know-how<br />

(Audiokassetten, Videorekorder, Bildplatte), ohne es jedoch erfolgreich vermarkten<br />

zu können. 32<br />

Das Stuttgarter Unternehmen Bosch traf eine Vertriebsvereinbarung mit Mitsubishi<br />

über den Verkauf von TN-Nebenstellenanlagen in Japan. 33<br />

Dadurch erreichte Bosch<br />

überhaupt erst den Zugang zum japanischen Markt im Bereich der Telekommunikation.<br />

Bosch beschritt damit einen neuen Weg, da man vorher ausschließlich Lizenzen<br />

an japanische Unternehmen (im Bereich der Fahrzeugelektronik) vergeben<br />

hatte <strong>und</strong> damit jeglichen Einfluß auf Produktion, Preise etc. verlor.<br />

Innerhalb der Software-Branche unterzeichnete Unisys zu Beginn des Jahres 1988<br />

einen Kooperationsvertrag mit dem Wilhelmshavener Software-Haus ADV/Orga,<br />

einem der größten deutschen Software-Anbieter. Die Unisys Corp., die durch eine<br />

Fusion der hinter IBM weltweit größten EDV-Hersteller Sperry <strong>und</strong> Burroughs entstanden<br />

war - mit einem Umsatz von 9,5 Mrd. S 34<br />

-, übernahm damit europaweit die<br />

Gesamtvertriebsrechte für Datenverarbeitungsprogramme von ADV/Orga. 35<br />

Weitaus häufiger sind allerdings Vereinbarungen, die die Erzeugung von<br />

Innovationen direkt miteinbeziehen, also auch das strategische Ziel einer<br />

Minimierung des Innovationsrisikos integrieren.<br />

(b) Lizenzfertigung <strong>und</strong> Lizenztausch: Zu den traditionell üblichen Kooperationsformen<br />

auf dem Gebiet von Forschung <strong>und</strong> Entwicklung gehören<br />

die Lizenzfertigung <strong>und</strong> der Lizenztausch. Im Vergleich mit anderen<br />

Kooperationsformen kommt diesen Vereinbarungen bei der Entwicklung<br />

von bedeutenden Innovationen eine etwas geringere Bedeutung zu. Hier<br />

wird nämlich nicht die - arbeitsteilig organisierte - Erzeugung neuer Produkt-<br />

oder Prozeßtechnologien zum Gegenstand unternehmensübergreifender<br />

Transaktionen, sondern das Abkommen stellt eher eine "Einbahnstraße"<br />

dar, in der ein Unternehmen Know-how abgibt, das für den Kooperationspartner<br />

von entscheidender Bedeutung sein kann. Dies läßt sich<br />

beispielhaft an Kooperationsabkommen zwischen europäischen <strong>und</strong> japanischen<br />

Unternehmen studieren. Durch die Abgeschlossenheit der japani-<br />

32 Gigant auf Partnersuche, WirtschaftsWoche 7/86.<br />

33 Elektronikkonzerne rücken enger zusammen, FR 21.11.87.<br />

34 Weltmärkte im Umbruch, WirtschaftsWoche 12/87.<br />

35 Unisys <strong>und</strong> ADV/Orga bündeln ihre Kräfte, FR 7.2.88.<br />

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schen Forschung erhalten Lizenzproduktion <strong>und</strong> Lizenztausch nämlich<br />

eine neue, darüber hinausgehende Bedeutung. Sie eröffnen den Zugriff<br />

auf japanische Forschungspotentiale. Als Beispiele können Abkommen<br />

von Siemens im Halbleiterbereich angeführt werden:<br />

Gegenüber amerikanischen <strong>und</strong> vor allem japanischen Chip-Produzenten sind die<br />

europäischen Firmen Siemens, Philips <strong>und</strong> Thomson weit im Hintertreffen. Der<br />

Schlüssel für Innovationen in der Chip-Produktion liegt neben der Verfügung über<br />

avanciertes wissenschaftlich-technisches Wissen auch in der Fertigung. Durch bessere<br />

"cleaning-rooms" produzieren japanische Unternehmen wesentlich weniger<br />

Ausschuß <strong>und</strong> haben dadurch erhebliche Kostenvorteile. Mit der für 1984 geplanten<br />

Produktion eines 1-Mbit-Speichers nahm sich Siemens vor, diesen Rückstand aufzuholen.<br />

Der Versuch scheiterte allerdings schon in der ersten Phase. Siemens<br />

mußte Toshiba zu Hilfe rufen <strong>und</strong> erwarb 1985 eine Produktionslizenz für die Fertigungstechnologie<br />

des 1-Mbit-DRAM-Chips. Der Vertrag sah auch die Unterstützung<br />

durch japanische Fachkräfte vor. "Siemens begründete diesen Schritt damit,<br />

daß man die in der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland knappen Fachkräfte nicht bei der<br />

Entwicklung des 1-Mbit-Speichers binden, sondern sich voll auf die Entwicklung des<br />

4-Mbit-Chips konzentrieren wolle" (Oesterheld, Wortmann 1988, S. 62). Dies kann<br />

freilich auch als fre<strong>und</strong>liche Umschreibung der Tatsache verstanden werden, daß<br />

Siemens in Gefahr geriet, den technologischen Anschluß im Halbleiterbereich zu<br />

verpassen. Ebenfalls 1985 wurde zwischen Siemens <strong>und</strong> Toshiba ein Patentlizenztausch<br />

für das gesamte Gebiet der Halbleiterbauelemente mit gegenseitigen weltweiten<br />

Rechten abgeschlossen.<br />

Auch mit anderen Halbleiterherstellern besitzt Siemens Verträge über einen Patentlizenztausch.<br />

So besteht (seit 1976) ein solches Abkommen mit Intel (u.a. über<br />

16K- <strong>und</strong> 32K-Mikroprozessorfamilien) <strong>und</strong> mit Advanced Mikro Devices (AMD)<br />

(ebd., S. 61). Mit Philips werden Pläne für ISDN-Bausteine ausgetauscht.<br />

Die angesprochene Kooperation von Siemens mit Toshiba machte - auch<br />

mit der angegebenen Begründung - insofern Sinn, als der hohe Anteü an<br />

Gr<strong>und</strong>lagenforschung, der für die Quantensprünge der Technologieentwicklung<br />

in der Mikroelektronik notwendig ist, bei entsprechendem Einsatz<br />

von Ressourcen durchaus eine "nachholende Entwicklung" ermöglicht.<br />

Ferner wird deutlich, daß Fragen der wissenschaftlichen Gr<strong>und</strong>lagenforschung<br />

<strong>und</strong> der industriellen Produktion zusammenhängend bearbeitet<br />

werden. Wie weit die Verflüssigung von Unternehmensgrenzen <strong>und</strong> die<br />

Ausweitung der Verwertungsperspektive großer Unternehmen inzwischen<br />

gediehen ist, läßt sich nicht zuletzt daran erkennen, daß man sich bei der<br />

Erreichung des nächstgelegenen Ziels der Hilfe bereits am Markt erfolgreicher<br />

Konkurrenten bedient.<br />

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(c) Vereinbarungen über Forschung <strong>und</strong> Entwicklung: Qualitativ neu hingegen<br />

sind jene Formen der Kooperation in Forschung <strong>und</strong> Entwicklung,<br />

die die gemeinsame Erzeugung von Innovationen zum Ziel haben. Hier<br />

gibt es einige prägnante Beispiele im Halbleiterbereich, in der Datentechnik<br />

<strong>und</strong> in der Software, wobei in einigen Fällen sogar neue Forschungsinstitute<br />

ausgegründet wurden. Man findet sowohl Abkommen zwischen einzelnen<br />

Unternehmen als auch zwischen ganzen Unternehmensverbünden,<br />

die für bestimmte Projekte auf eng umrissenen Gebieten zusammenarbeiten.<br />

Die wachsende Anzahl dieser Abkommen verdeutlicht die zunehmende<br />

strategische Bedeutung der Innovationserzeugung für den Erfolg<br />

von Unternehmen; sie sollen deshalb im folgenden etwas ausführlicher<br />

dargestellt werden. Damit soll zugleich die These untermauert werden,<br />

daß die Bewältigung des Innovationsrisikos zunehmend ins Zentrum unternehmerischer<br />

Strategien rückt. Zu beachten sind außerdem diejenigen<br />

Kooperationen, die von "politischen Institutionen" initiiert bzw. getragen<br />

werden, die aber in öffentlichen Diskussionen bislang kaum angemessen<br />

reflektiert wurden (vgl. Hack, Hack 1985).<br />

Entscheidend für die Entwicklung der japanischen Halbleiterindustrie, die seit Mitte<br />

der 80er Jahre weltweit führend ist, war die Rolle des japanischen Industrie- <strong>und</strong><br />

Handelsministeriums (MITI). "Die überragenden Erfolge, die von den Japanern erzielt<br />

wurden, fußen auf einer langfristig angelegten, von den wichtigsten nationalen<br />

Wettbewerbern mitgetragenen Planung mit klaren Zielvorgaben, die oft vorzeitig erreicht<br />

werden. Dieser Planung liegt eine langfristig angelegte Förderstrategie des japanischen<br />

Industrie- <strong>und</strong> Handelsministeriums (MITI) zugr<strong>und</strong>e" (Möller 1983, zitiert<br />

nach Hack, Hack 1985, S. 109). Im Jahre 1975 initiierte das MITI das VLSI-<br />

Programm (Very Large Scale Integration), das zum Ziel hatte, Speicher-Chips mit<br />

optimaler Qualität herzustellen. Der japanische Staat ließ sich das Projekt rd. 400<br />

Mio. DM kosten; mindestens den gleichen Betrag trug die japanische Industrie bei.<br />

"Es entstanden mehrere Gemeinschaftslabors, in die alle bedeutenden Elektronikfirmen<br />

ihre Forschungsmannschaften schickten. Nach fünf Jahren waren die Anforderungen<br />

des MITI erfüllt. Die Produktion lief mit einer Präzision, wie sie kaum<br />

eine Fabrik in Silicon Valley bieten konnte. Die Teams lösten sich auf, die Forscher<br />

gingen wieder in ihre Unternehmen zurück". 36<br />

Zu Anfang der 80er Jahre wurden<br />

schließlich Fertigungslinien errichtet, die aufgr<strong>und</strong> ihrer Kapazitäten geeignet waren,<br />

den Bedarf des Weltmarkts nahezu vollständig abzudecken.<br />

Gegen Ende der 80er Jahre erfolgten die amerikanische <strong>und</strong> die europäische Antwort.<br />

Im März 1987 wurde in den USA das Konsortium "Sematech" gegründet, das<br />

die amerikanische Führung in der Prozeßtechnik wieder herstellen sollte. Zu den<br />

36 Um Kopf <strong>und</strong> Kragen, Manager Magazin 9/88. Die Projekte Mega, Jessi <strong>und</strong><br />

Sematech bringen die Elektronik voran, Blick durch die Wirtschaft 13.10.88.<br />

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Mitgliedern gehören 14 führende Halbleiterhersteller, darunter Motorola, Texas Instruments,<br />

Intel, National Semiconductor sowie AT&T <strong>und</strong> IBM. Das Konsortium<br />

entstand, nachdem der Unternehmensverband Semiconductor Industry Association<br />

(SLA) die Idee des Unternehmensleiters von National Semiconductor, eine firmenübergreifende<br />

<strong>und</strong> staatlich geförderte Pilotfertigung für modernste integrierte<br />

Schaltkreise zu installieren, übernahm. 37 Der Vorsitzende des Konsortiums ist R.<br />

Noyce, Vice-Chairman von Intel, Miterfinder der integrierten Halbleiter-Schaltung,<br />

Inhaber mehrerer wissenschaftlicher Auszeichnungen <strong>und</strong> Gründer zweier Unternehmen.<br />

Geforscht wird in Austin, Texas. In den Entwicklungs-, Investitions- <strong>und</strong><br />

Produktionsetat fließen Gelder aus regionalen Quellen, die beteiligten Unternehmen<br />

schießen 1 % ihres Jahresumsatzes hinzu, <strong>und</strong> 100 Mio. Dollar jährlich finanziert<br />

die US-B<strong>und</strong>esregierung aus dem Etat des Verteidigungsministeriums. 38<br />

In Europa kooperiert Philips mit Siemens bei der Entwicklung des 1-Mbit- <strong>und</strong> 4-<br />

Mbit-Chips. Die Serienfertigung des 4-Mbit-Chip konnte termingerecht 1989 beginnen.<br />

Die Prozeßtechnik wurde gemeinsam entwickelt, der Vertrieb läuft getrennt,<br />

d.h., trotz gemeinsamer Entwicklung treten die Unternehmen auf dem Markt als<br />

Konkurrenten auf. Der Gesamtaufwand für FuE betrug 1,4 Mrd. DM. Daran waren<br />

die deutsche B<strong>und</strong>esregierung mit 320 Mio. DM <strong>und</strong> die niederländische Regierung<br />

mit 160 Mio. DM beteiligt. 39<br />

Zu Beginn des Jahres 1988 wurde das Forschungsprogramm Jessi (Joint European<br />

Submicron Silicon Institute) der Europäischen Gemeinschaft ins Leben gerufen, an<br />

dem neben Philips <strong>und</strong> Siemens etwa 40 weitere allerdings kleinere Firmen beteiligt<br />

sind. Ziel von Jessi ist die Entwicklung des 16-Mbit- <strong>und</strong> 64-Mbit-Chips. Zusammen<br />

mit der Fraunhofer-Gesellschaft <strong>und</strong> der holländischen Stiftung für technische Wissenschaft<br />

ist im Januar desselben Jahres eine einjährige Planungsphase angelaufen.<br />

Im Rahmen des europäischen Eureka-Forschungsprogramms sollen hier die<br />

Gr<strong>und</strong>lagen für den 64-Mbit-Chip erarbeitet werden, der etwa Mitte der 90er Jahre<br />

marktreif sein soll. Die Kosten werden auf 7,3 Mrd. DM geschätzt, die wiederum<br />

zur Hälfte aus öffentlichen Mitteln getragen werden sollen (BRD, Frankreich, Niederlande<br />

<strong>und</strong> Italien). Seit Oktober 1988 wurde nach anfänglichem Sträuben von<br />

Siemens <strong>und</strong> Philips auch SGS-Thomson miteinbezogen. Nach dem Eindruck, den<br />

man aus der Unternehmensberichterstattung gewinnen kann, gibt vor allem Siemens<br />

nur ungern das gemeinsam mit Philips erarbeitete Know-how ab, da SGS-Thomson<br />

durch Fusion zum zweitgrößten, rein europäischen Chip-Produzenten hinter Philips<br />

aufgerückt ist. 40<br />

37 Amerikanische Chip-Hersteller machen mobil, VDI-N 26.8.88.<br />

38 Amerikanische Chip-Hersteller machen mobil, VDI-N 26.8.88. Jessi soll Japaner<br />

jagen, Industriemagazin 10/88.<br />

39 Deutsche Chiphersteller holen auf, SZ 18.3.87.<br />

40 Siemens, Philips <strong>und</strong> SGS-Thomson forschen gemeinsam, VWD 28.10.88. Jessi<br />

soll Japaner jagen, Industriemagazin 10/88. Europa will Rückstand bei Chips<br />

aufholen, SZ 4.11.88.<br />

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Welche internationalen Kooperationsverbünde sich im Bereich der Halbleiterindustrie<br />

etabliert haben, wird aus Abbildung 9.1 deutlich.<br />

Quelle: OECD 1990, Advanced Materials<br />

Abbildung 9.1<br />

Größere Kooperationen in der Halbleiterindustrie<br />

Die folgenden Beispiele von Kooperationen im Bereich der Forschung<br />

<strong>und</strong> Entwicklung in der Datentechnik <strong>und</strong> Software sollen zweierlei deut-<br />

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lich werden lassen: Zum einen reichen die unternehmenseigenen Ressourcen<br />

oft nicht aus, um den kosten- <strong>und</strong> zeitkritischen Prozeß der Erzeugung<br />

von Innovationen ausschließlich mit eigenen Mitteln voranzutreiben. Unternehmen<br />

sind aus diesem Gr<strong>und</strong>e häufig gezwungen, mit Wettbewerbern<br />

Kooperationen einzugehen bzw. sich staatlicher Unterstützung zu versichern.<br />

Zum anderen soll deutlich gemacht werden, daß aufgr<strong>und</strong> der verschärften<br />

technologischen Konkurrenz in vielen Fällen eine enge Kopplung<br />

der Strategien zur Minimierung von Innovations- <strong>und</strong> Nachfragerisiken<br />

erfolgt, diese sozusagen "integriert" kleingearbeitet werden sollen. Innovationen<br />

dienen hier nicht zuletzt dem strategischen Ziel der Setzung<br />

<strong>und</strong> Durchsetzung bestimmter technologischer Standards. Denn nur, wer<br />

dazu in der Lage ist, kann versuchen, in neuen Märkten größere Marktanteile<br />

zu erringen.<br />

Datentechnik <strong>und</strong> Telekommunikation: Durch das Zusammenwachsen<br />

von Computer (EDV) <strong>und</strong> Nachrichtentechnik zur "Telematik" entstehen<br />

neue Wettbewerbsfelder. Abgestimmte, präzise definierte "Schnittstellen"<br />

41<br />

sind notwendig, um neue Fernmeldedienste anbieten zu können.<br />

Anwendungsschnittstellen sind beispielsweise die Voraussetzung für den<br />

automatisierten Lieferabruf in der Automobilindustrie oder für die bargeldlose<br />

Bezahlung an der POS-Datenkasse 42<br />

im Handel. Bisher ist die<br />

Kommunikation zwischen Rechnern <strong>und</strong> Vermittlungsanlagen technisch<br />

noch nicht ausgereift, doch weltweit wächst die Nachfrage. Nach Aussagen<br />

von Experten werden zukünftig diejenigen Unternehmen marktbeherrschend<br />

sein, die Telekommunikation <strong>und</strong> Datenverarbeitung aus einer<br />

Hand anbieten <strong>und</strong> damit Standards schaffen <strong>und</strong> durchsetzen können. 43<br />

Wiederum einige Beispiele: 1984 hoffte IBM, durch den Aufkauf des Telefonbauunternehmens<br />

Rolm die Verknüpfung von EDV <strong>und</strong> Nachrichtentechnik zügig bewerkstelligen<br />

zu können. Nachdem sich diese Hoffnung nicht erfüllt hatte, schien<br />

41 Um Daten über einen Datenfernübertragungsdienst automatisch weiterverarbeiten<br />

zu können, muß neben der Hardware-Kompatibilität auch die Software<strong>und</strong><br />

Datenformat-Kompatibilität hergestellt werden. Solche Festlegungen <strong>und</strong><br />

Standardisierungen im EDV-Bereich werden auch Schnittstellen genannt.<br />

42 POS-Banking - Point of Sale-Banking - bedeutet die Auslösung von Buchungen<br />

am Ort des Verkaufs, insbesondere an Datenkassensystemen.<br />

43 Hochkonjunktur für Fusionen, Industriemagazin 3/88. Weltmärkte im Umbruch,<br />

WirtschaftsWoche 12/87. Die Crux mit der Synergie, Industriemagazin<br />

10/88.<br />

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IBM seine Strategie zu ändern - von der Akquisition zur Kooperation. 1987 startete<br />

IBM mit dem US-Fernmeldeunternehmen Nynex einen gemeinsamen ISDN-Pilotversuch.<br />

Mit Bell Atlantic, ebenfalls einer US-Telefongesellschaft, versuchte sich<br />

IBM bei der Entwicklung von intelligenten Fernmeldenetzen. Mit Siemens schließlich<br />

kooperierte IBM bei der Zusammenschaltung von IBM-Computern <strong>und</strong> Siemens-Vermittlungsanlagen.<br />

Über einen weiteren Kooperationsvertrag zwischen Siemens <strong>und</strong> Bell Atlantic wird<br />

ferner Bell in die Anstrengungen zur Entwicklung von Software eingeb<strong>und</strong>en. Die<br />

Zusammenarbeit wurde auf zunächst 18 Monate begrenzt <strong>und</strong> besitzt keinen Ausschließlichkeitscharakter.<br />

So streckte IBM bereits seine Fühler zu dem schwedischen<br />

Unternehmen Ericsson aus, 44<br />

mit dem ein ähnliches Abkommen wie mit Siemens<br />

geplant ist. 45<br />

Beide Unternehmen erwägen aber eine intensivere Zusammenarbeit,<br />

etwa in der Form eines Joint-ventures. Ein joint-venture würde die Zusammenarbeit<br />

längerfristig festlegen <strong>und</strong> in seiner Tendenz eine (Re-)Internalisierung darstellen,<br />

da dann die Vorteile externer Arrangements fest in die eigenen Unternehmen<br />

integriert werden (s. Abschnitt 9.4). Bei einer so entscheidenden Entwicklung<br />

wie der Vernetzung von Computer- <strong>und</strong> Nachrichtentechnik liegt für die Unternehmen<br />

offenbar der Schluß nahe, daß einerseits durch interne organisatorische Arrangements<br />

die längerfristige Zusammenarbeit besser kalkuliert <strong>und</strong> andererseits das<br />

Risiko loser Kooperationen minimiert werden kann.<br />

Deutlich wird an diesen Fällen, daß die Strategie eines Rückgriffs auf externe<br />

Ressourcen nicht ohne Brüche zu realisieren ist. Vor allem in hochriskanten<br />

Feldern der <strong>Technikentwicklung</strong> wie dem Zusammenwachsen<br />

von elektronischer Datenverarbeitung <strong>und</strong> Telekommunikation zur "Telematik",<br />

einer Entwicklung, die schon seit mehr als einem Jahrzehnt antizipiert<br />

wird (vgl. Nora, Mine 1979), ist es für die Unternehmen offensichtlich<br />

schwierig, eine einmal eingeschlagene Richtung auch durchzuhalten.<br />

In der Wirtschaftsberichterstattung werden solche Brüche bzw. Wechsel in<br />

der Strategie häufig mit dem Auftreten von neuen Managern, also mit einzelnen<br />

Akteuren zuzurechnenden Handlungen erklärt. Nach unserer Auffassung<br />

ist das Problem jedoch komplexer. Es ist zwar nicht abzustreiten,<br />

daß den strategischen Orientierungen der Topmanager eine gewisse, wenn<br />

nicht sogar eine große Bedeutung bei der Formulierung <strong>und</strong> Durchsetzung<br />

einer Strategie zukommt. Dennoch: Wenn selbst Unternehmen wie IBM<br />

oder Siemens radikale Wechsel in ihrer Strategie in bezug auf externe Arrangements<br />

vornehmen (<strong>und</strong> zwar ohne die verantwortlichen Topmanager<br />

44 Computerbauer <strong>und</strong> Telefon-Spezialisten haken sich unter, FR 23.10.87.<br />

45 IBM unveils telecom strategy, Financial Times 22.10.87.<br />

46 IBM unveils telecom strategy, Financial Times 22.10.87.<br />

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auszuwechseln), dann spricht das eher für eine Unsicherheit in der Einschätzung<br />

der Situation bzw. der internen <strong>und</strong> externen Umwelt des Unternehmens,<br />

die nicht allein auf einen ungenügenden Informationsstand<br />

zurückgeführt werden kann. Diese Unsicherheit resultiert aus der prinzipiell<br />

gegebenen Offenheit der ökonomischen <strong>und</strong> wissenschaftlich-technischen<br />

Entwicklung, die präzise Aussagen über ihren weiteren Gang auch<br />

für diejenigen Unternehmen (bzw. Unternehmensleitungen) nahezu unmöglich<br />

macht, die aufgr<strong>und</strong> ihrer Marktstellung am ehesten in der Lage<br />

sind, diese weitgehend zu bestimmen. Strategie bedeutet hier also zum<br />

einen, daß den Entscheidungen des Topmanagements bzw. der dort regierenden<br />

"dominant coalition" (Child) ein hoher Stellenwert zukommt;<br />

"Strategie" impliziert aber auch, daß sich die handelnden Subjekte im<br />

Rahmen von Kontextbedingungen bewegen (müssen), die nur an bestimmten<br />

"Knotenpunkten" der wissenschaftlich-technischen <strong>und</strong> ökonomischen<br />

Entwicklung neue "Handlungskorridore" eröffnen (Brandt). Die Unsicherheit<br />

von Großkonzernen in bezug auf ihre "Strategic choices" (Child 1972)<br />

verweist also auf eine objektiv begründete Unsicherheit, die, sobald die<br />

Umweltbedingungen (wieder) etwas stabiler geworden sind, wieder einer<br />

größeren Sicherheit in der Strategiefindung <strong>und</strong> -durchsetzung weichen<br />

wird. 47<br />

Software - das Beispiel der Entwicklung von UNIX: Scharfe Auseinandersetzungen<br />

liefern sich seit Mitte der 80er Jahre die weltweit führenden<br />

Unternehmen um die Weiterentwicklung des Betriebssystems Unix.<br />

Worum geht es? An der Entwicklung von Unix läßt sich das widersprüchliche<br />

Moment in Hersteller-Anwender-Beziehungen geradezu paradigmatisch<br />

nachzeichnen. Entwickelt für einen ganz anderen Zweck (Erleichterung<br />

des Dialogs von Groß- <strong>und</strong> Kleinrechnern) hatte dieses System den<br />

nicht intendierten Effekt, die Datenkommunikation zwischen Rechnern<br />

unterschiedlicher Hersteller zu ermöglichen. Damit war die Möglichkeit<br />

gegeben, die bislang vorherrschende Stellung der Anbieter von EDV-<br />

Technologie (insbesondere von IBM als dem weltweit größten Anbieter)<br />

zu brechen. Die historische Entwicklung zeigt, daß über die Standardisierung<br />

von Unix nun wiederum jeder Hersteller von Hard- <strong>und</strong> Software<br />

47 Dann, aber auch erst dann, ist der Zustand des Normalen, des business as usual,<br />

wieder erreicht, der der Industriesoziologie die Verwendung eines stark objektivistischen<br />

Strategiebegriffs ermöglicht, wie er in der b<strong>und</strong>esrepublikanischen Industriesoziologie<br />

verwendet wird (vgl. Altmann, Bechtle 1971; Bechtle 1980).<br />

Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />

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versucht, sein spezifisches (im Prinzip ja unspezifisches) Unix am Markt<br />

zu etablieren. Da hierzu kein Unternehmen aus eigener Kraft in der Lage<br />

ist, ergeben sich die unterschiedlichsten, häufig wechselnden Kooperationsformen<br />

der verschiedenen Hersteller, teilweise unter Einschluß starker<br />

Anwenderunternehmen.<br />

Wie verlief nun die historische Entwicklung von Unix, <strong>und</strong> warum ist dieses<br />

Software-Produkt so bedeutsam? Traditionell waren Anwender großer<br />

Computersysteme weitgehend von demjenigen Hersteller abhängig, für<br />

dessen Betriebssystem sie sich einmal entschieden hatten, da sie auf Anwendungs-Software<br />

angewiesen waren, die mit diesem Betriebssystem<br />

kompatibel war. Betriebssysteme stellen deshalb - immer noch - einen entscheidenden<br />

strategischen Faktor auf dem Weltmarkt dar. Mangelnde Abstimmung<br />

zwischen System-Software, fremder <strong>und</strong> eigener Anwendungs-<br />

Software behindert die Produktivität <strong>und</strong> reduziert beispielsweise den Leistungsumfang,<br />

den Rechenzentren bieten können, stark. 48<br />

Die Entwicklung<br />

sogenannter "offener Systeme" sollte diese Defizite verringern, indem<br />

sie die uneingeschränkte Auswahl aus einer breiten Palette von Anwendungs-Software<br />

ermöglicht, wobei auf unterschiedliche Rechnertypen<br />

keine Rücksicht mehr genommen werden muß. Anwender sind somit in<br />

die Lage versetzt, Produkte der Informationsverarbeitung, die miteinander<br />

kompatibel sind, von unterschiedlichen Herstellern zu kaufen, um eine ihren<br />

Anforderungen entsprechende Lösung zu erhalten. 49<br />

Die hohen <strong>und</strong><br />

oft kaum absehbaren Folgekosten von Systemumstellungen fallen damit<br />

nicht mehr so stark ins Gewicht <strong>und</strong> vermindern die Abhängigkeit des<br />

Anwenders vom Hersteller. Diese setzen deshalb immer stärker auf herstellerunabhängige,<br />

"offene" Systeme.<br />

Unix, als ein solches offenes Betriebssystem, ermöglichte es erstmals, Anwendungsprogramme<br />

unabhängig von der jeweiligen speziellen Hardware von einem System<br />

auf ein anderes zu übertragen <strong>und</strong> stellte somit eine Alternative zur IBM-spezifischen<br />

Software dar. Die Entwicklung des Betriebssystems Unix wurde 1969 von der<br />

AT&T-Tochter Bell begonnen 50<br />

<strong>und</strong> sollte, wie bereits erwähnt, den Dialog von<br />

48 Neuer Industrieverband soll Unix-Standard sichern, VWD 17.11.88. Das größte<br />

Problem ist die Software-Integration, Blick durch die Wirtschaft 2.10.86.<br />

49 Hinzu kommt, daß die Aufwendungen für Software, für Schulung <strong>und</strong> für die<br />

Sammlung <strong>und</strong> Pflege des Datenbestandes die Investitionen in Hardware um ein<br />

Vielfaches übersteigen.<br />

50 Unix revolutioniert den PC-Einsatz im Verb<strong>und</strong> großer <strong>und</strong> kleiner Rechner,<br />

Handelsblatt 17.2.86.<br />

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Groß- <strong>und</strong> Kleinrechnern erleichtern. 1 Seit 1984 bemüht sich die sogenannte X-<br />

Open Gruppe, ein Zusammenschluß weltweit führender Hardware-Hersteller, Software-Anbieter<br />

<strong>und</strong> -Anwender, um die Standardisierung des Betriebssystems Unix,<br />

da dieses System darauf ausgelegt war, auf viele unterschiedliche Maschinentypen<br />

angepaßt zu werden. Mitglieder dieser gemeinnützigen Gesellschaft sind AT&T,<br />

Bull, DEC, Ericsson, Fujitsu, Hewlett-Packard, ICL, NCR, Nixdorf, Nokia Data,<br />

Olivetti, Philips, Siemens, Sun Mikrosystems <strong>und</strong> Unisys. Damit sind hier - außer<br />

IBM - die wesentlichen Marktführer vertreten.<br />

Doch diese Unternehmens- <strong>und</strong> systemübergreifende Kooperation war nicht übermäßig<br />

stabil. Anfang 1988 kaufte sich AT&T bei Sun Mikrosystems (Hersteller von<br />

Unix-Rechnern) ein, um die Entwicklung von Unix allein (ab März 1988 mit Unterstützung<br />

von Unisys <strong>und</strong> ICL) voranzutreiben. 52<br />

AT&T <strong>und</strong> seine Kooperationspartner<br />

hätten dann, ein Gelingen dieser Strategie vorausgesetzt, einen ständigen<br />

Informationsvorsprung besessen, der durch eine restriktive Lizenzvergabe für die<br />

Konkurrenten zu entscheidenden Wettbewerbsnachteilen hätte führen können. Im<br />

Mai 1988 gründeten deshalb sieben der größten Computer-Hersteller (DEC, Apollo<br />

Domain, HP, Bull, Nixdorf, Siemens, die bisher Unix-abstinente IBM sowie etwas<br />

später Philips <strong>und</strong> Hitachi) die "Open Software Fo<strong>und</strong>ation" (OSF). 53<br />

Die OSF beabsichtigte,<br />

eine eigene Variante von Unix zu entwickeln. Einige Experten beurteilten<br />

die Teilnahme von IBM allerdings als einen geschickten strategischen Schachzug,<br />

eine Unix-Variante voranzutreiben, die dem IBM-Betriebssystem "AIX" ähnelt.<br />

Dies würde wiederum die AT&T-Gruppe ins Abseits drängen, weil das OSF/AIX-<br />

Unix den Industrie-Standard darstellen würde. 54<br />

Im September 1988 meldete daraufhin<br />

AT&T seine Kompromißbereitschaft an, eine OSF-Version auf Basis von<br />

AT&T-Entwicklungen zu ermöglichen, da die OSF in der kurzen Zeit wesentliche<br />

Fortschritte in der Entwicklung erzielt hatte. 55<br />

Eine Einigung konnte dennoch nicht<br />

erreicht werden. Im Gegenteil: Wegen der Befürchtung, daß die OSF entgegen ihrer<br />

Absichtserklärung keine Unix-Programme, sondern in Zukunft das IBM-Derivat<br />

AIX weiterentwickelt, haben im November 1988 wiederum 18 führende Computerhersteller<br />

angekündigt, einen neuen Industrieverband zum Schutz der Unix-Systeme<br />

zu gründen. Dieser Industrieverband soll die kontinuierliche Weiterentwicklung von<br />

Unix-Systemen bei voller Kompatibilität sicherstellen. Bislang gehören der Initiative<br />

neben AT&T folgende Firmen an: Amdahl, Control Data Corp, Fujitsu, Gould,<br />

HCR, ICL, Informix, Intel, Lachmann Associates Inc, Micro Focus, Motorola, NCR<br />

Corp, Olivetti, Prime, Sun Mikrosystems, Toshiba, Unisoft <strong>und</strong> Unisys. 56<br />

51 Im Streit zwischen den Betriebssystemen MS-DOS <strong>und</strong> OS/2 könnte Unix der<br />

lachende Dritte sein, Handelsblatt 6.9.88.<br />

52 Unisys and AT&T form Joint venture to develop Unix System, Financial Times<br />

10.3.88. Die Crux mit der Synergie, Industriemagazin 10/88.<br />

53 Konkurrenz für Betriebssystem UNIX, FAZ 17.5.88. NEC am Streit um Software-Standard<br />

beteiligt, VWD 18.11.88.<br />

54 Die Crux mit der Synergie, Industriemagazin 10/88.<br />

55 Front gegen den Neuling, WirtschaftsWoche 27.5.88.<br />

56 Neuer Industrieverband soll Unix-Standard sichern, VWD 17.11.88.<br />

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Anhand dieser scharfen Auseinandersetzungen mit wechselnden Koalitionen<br />

wird deutlich, daß technische Standards <strong>und</strong> Informationsvorsprünge<br />

in Forschung <strong>und</strong> Entwicklung, <strong>und</strong> sei es "nur" in bezug auf Standardisierung<br />

oder Weiterentwicklung vorhandenen Wissens, entscheidend über<br />

Wettbewerbspositionen bestimmen können. Innovations- <strong>und</strong> Nachfragerisiko<br />

sind hier also in direkter Weise miteinander verwoben.<br />

(d) Vereinbarungen mit dem Ziel eines erleichterten Marktzugangs: Andere<br />

Kooperationsformen, in denen die Verzahnung <strong>und</strong> integrierte Bewältigung<br />

des Innovations- <strong>und</strong> Nachfragerisikos ebenfalls sichtbar werden,<br />

sind Vereinbarungen, die mit ausländischen Unternehmen getroffen<br />

werden, um in den dortigen nationalen Markt vordringen zu können. Ein<br />

Beispiel für eine solche Vereinbarung ist die geplante Zusammenarbeit<br />

von AEG mit Northern Telecom für den Datenvermittlungsdienst Datexp57<br />

1987/88 kooperierte AEG mit Northern Telecom, um bei der Deutschen B<strong>und</strong>espost<br />

für den Datenvermittlungsdienst Datex-P ein Gegenangebot zu Siemens einreichen<br />

zu können. Bis 1995 sind von der Post Investitionen in Höhe von 300 bis 500<br />

Mio. DM geplant. Der Datenpakettransport wies in der Vergangenheit Wachstumsraten<br />

zwischen 20 % <strong>und</strong> 40 % p.a. aus <strong>und</strong> bietet durch die zukünftige Einbindung<br />

in das ISDN-Netz 58<br />

eine Langzeitperspektive. Die weltweit führende Stellung der<br />

Tochter der kanadischen Bell Canada Enterprises Inc. Northern Telecom (NT) in<br />

der Datenpaketvermittlung brachte NT einst den b<strong>und</strong>esdeutschen Post-Auftrag für<br />

Datex-P. Mit der Technik von Northern Telecom arbeitet außerdem der Paketvermittlungsdienst<br />

"Datapac" in Kanada, der 90 % dieses Marktes in Kanada beherrscht.<br />

Northern Telecom besaß also das entscheidende Know-how für Datex-P,<br />

AEG sollte im Angebot die nationale Komponente darstellen. Es war geplant, daß<br />

60 % der Produktion sowie Teile der Software-Entwicklung, der Service <strong>und</strong> die<br />

Fehlersuche von AEG übernommen werden. 59<br />

(e) Konsortien: Der durch neue Formen der Kooperation nicht aufgehobene,<br />

sondern - gleichsam auf höherem Niveau - verschärfte Konkurrenzdruck<br />

zeigt sich deutlich auf Märkten, die innerhalb kürzester Zeit hohe<br />

57 Für private Anwender hat die B<strong>und</strong>espost eine Reihe von Verbindungsnetzen,<br />

ähnlich dem Telefonnetz, aufgebaut, über die Daten ausgetauscht werden können.<br />

Das Datex-P-Netz ist darunter das wichtigste.<br />

58 ISDN - "integrated services digital network" - bedeutet die Integration aller<br />

Fernmeldedienste der B<strong>und</strong>espost in einem Netz.<br />

59 AEG <strong>und</strong> Northern Telecom Arm in Arm, Börsen-Zeitung 3.3.88. Datex-P-Systeme<br />

als das Rückgrat der Übermittlung großer Datenmengen, Handelsblatt<br />

1.3.88.<br />

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Ausgaben für die Entwicklung marktreifer Produkte erfordern. Der Kosten-<br />

<strong>und</strong> Zeitdruck hat hier so zugenommen, daß er selbst die technologisch<br />

führenden Konzerne dazu zwingen kann, nicht nur in Teilbereichen,<br />

sondern auf allen Ebenen (FuE, Fertigung <strong>und</strong> Vertrieb) im Rahmen von<br />

Konsortien zusammenzuarbeiten, um eine schnelle Produktentwicklung<br />

<strong>und</strong> Markteinführung zu ermöglichen. Als ein Beispiel hierfür kann der<br />

Bereich Mobilfunk angeführt werden.<br />

Ab 1990 sollte ursprünglich das voll digitalisierte, europäische Mobilfunknetz D<br />

starten. Sechzehn europäische Länder haben dazu einen gemeinsamen technischen<br />

Standard vereinbart. Ende 1987 existierten weltweit rd. 600.000 Zellularfunktelefone,<br />

fast doppelt so viele wie 1986, bis 1992 könnte sich die Zahl auf acht bis zwölf<br />

Millionen Geräte erhöhen. 60 Bis 1995 wird ein akkumuliertes Marktvolumen von 3<br />

Mrd. $ erwartet. 61<br />

Die EG-Einheitsnormen werden der europäischen Industrie zu<br />

Größenordnungen verhelfen, die zum ersten Mal über denen des Marktes der USA<br />

liegen werden. 1988 wurden erste Systeminstallationen ausgeschrieben, die innerhalb<br />

kurzer Zeit erhebliche FuE-Arbeiten notwendig machten. Unter diesen Bedingungen<br />

waren die europäischen Konzerne in der Elektroindustrie zur Bildung von<br />

Konsortien gezwungen.<br />

Im Januar 1987 kam Siemens mit Ericsson überein, gemeinsam das Mobilfunksystem<br />

zu entwickeln. 64<br />

Im April 1988 beschloß Siemens zudem, in ein Konsortium<br />

mit der französischen SAT einzutreten. 65<br />

Ende 1987 wurde das European Cellular<br />

Radio Consortium (ECR 900) von Alcatel-SEL, AEG <strong>und</strong> Nokia gegründet. Die<br />

Zusammenarbeit betraf die gemeinsame Definition von Bauelementen sowie den<br />

Bau <strong>und</strong> den Verkauf von Anlagen (also FuE, Fertigung <strong>und</strong> Vertrieb). Ein gemeinsames<br />

Entwicklungsteam sollte im Zeitraum von vier Jahren die Hard- <strong>und</strong> Software-Entwicklung<br />

bis zur Marktreife vorantreiben. 66<br />

Im November 1988 gründeten<br />

60 Fernmeldeindustrie blickt optimistisch in die Zukunft, BfAI/NfA 10.11.87.<br />

61 Die Partner erwarten ein Marktvolumen von r<strong>und</strong> drei Milliarden Dollar bis<br />

1995, Handelsblatt 13.1.88.<br />

62 Gemeinsame Entwicklung des Funktelefons, FAZ 13.1.88. Kartelle kämpfen um<br />

europäisches Mobilfunknetz, VDI-N 2.9.88. Zusammenarbeit bei Funktelefon,<br />

FAZ 6.11.87.<br />

63 Zusammenarbeit bei Funktelefon, Handelsblatt 5.11.87.<br />

64 Kartelle kämpfen um europäisches Mobilfunknetz, VDI-N 2.9.88.<br />

65 Deutsch-französisches Konsortium für Mobilfunk, SZ 13.4.88. Siemens <strong>und</strong> SAT<br />

bilden Mobilfunk-Konsortium, Tagesspiegel 13.4.88.<br />

66 Kartelle kämpfen um europäisches Mobilfunknetz, VDI-N 2.9.88. Gemeinsame<br />

Entwicklung des Funktelefons, FAZ 13.1.88. Die Partner erwarten ein Marktvolumen<br />

von r<strong>und</strong> drei Milliarden Dollar bis 1995, Handelsblatt 13.1.88. Zusammenarbeit<br />

bei Funktelefon, FAZ 6.11.87.<br />

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Bosch (ANT <strong>und</strong> TN) <strong>und</strong> Philips (PKI) ebenfalls ein Konsortium für die Entwicklung,<br />

Fertigung <strong>und</strong> Markteinführung eines Funkkommunikationssystems. 67<br />

67 Elektronikkonzerne rücken enger zusammen, FR 21.11.87.<br />

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Dies sind nur einige Belege für die These, daß die zentralen "strategischen<br />

Herausforderungen" bei großen Projekten 68<br />

nicht auf FuE beschränkt<br />

sind, sondern im Zusammenhang mit Fertigung <strong>und</strong> Vertrieb bewältigt<br />

werden müssen. Die Zusammenarbeit erstreckt sich hier nicht nur auf den<br />

Bereich von precompetitive-research, sondern auch auf alle anderen Unternehmensfunktionen.<br />

Einen Überblick über den Stand internationaler Kooperationen im Bereich<br />

der Halbleiter bietet die Abbildung 9.2. Sie repräsentiert allerdings<br />

nur einen kleinen Ausschnitt von Kooperationen, da nach 1984 eine Großzahl<br />

weiterer Abkommen dieser Art abgeschlossen wurden (z.B. Siemens-<br />

Matsushita, Siemens-Rolm etc.).<br />

9.2 Risiken externer Kooperationen<br />

Die Strategie technologieorientierter Unternehmen, bei der <strong>Technikentwicklung</strong><br />

verstärkt auf externe Ressourcen zurückzugreifen, kann als unbeabsichtigte<br />

Nebenfolge das Aufkommen neuer Risiken bewirken. Schon<br />

in der bisherigen Darstellung der verschiedenen externen Kooperationsformen<br />

wurden Risiken externer Arrangements sichtbar. Auf einige davon<br />

soll hier näher eingegangen werden.<br />

Das erste Problem stellt sich bereits vor dem Beginn jeglicher Kooperation<br />

<strong>und</strong> betrifft die Auswahl des geeigneten Kooperationspartners: Welches<br />

Unternehmen ist am besten geeignet, die eigenen strategischen Zielsetzungen<br />

einlösen zu können? Der Umstand, daß z.B. IBM gleichzeitig FuE-<br />

Kooperationen mit mehreren Unternehmen unterhält <strong>und</strong> die Praxis,<br />

diese Kooperationen erst nach einiger Dauer zu intensivieren, verweisen<br />

auf das Interesse, nicht vorschnell Entscheidungen über dauerhafte <strong>und</strong><br />

verbindliche Arrangements treffen zu müssen, die sich nach einiger Zeit<br />

als Fehlinvestitionen herausstellen können.<br />

68 Die Installation eines Funktelefonnetzes ist eine so umfangreiche Aufgabe, daß<br />

sie nicht von einem Großunternehmen allein bewältigt werden kann. Die Besonderheit<br />

der sich hier bildenden Konsortien, die um vom Staat zu vergebende<br />

Lizenzen konkurrieren, liegt darin, daß auch branchenübergreifende Kooperation<br />

gesucht wird, in die unterschiedliche Beiträge einfließen (beispielsweise bot<br />

RWE seine Strommasken als Basis eines Netzes von Funktürmen an).<br />

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Organisatorische Probleme drücken sich in Fragen nach der geeigneten<br />

Form der Kooperation <strong>und</strong> der Art der organisatorischen Lösung aus. Auf<br />

welche Art <strong>und</strong> Weise die vorhandenen Risiken kalkuliert werden können,<br />

hängt beispielsweise davon ab, ob die Aufgabenerfüllung bei mehreren<br />

oder bei allen beteiligten Unternehmen liegt oder ob sie an eine bestehende<br />

oder neu zu gründende Zentralstelle delegiert wird. Es stellt sich<br />

zudem das Problem, wie der Informationsaustausch organisiert <strong>und</strong> Entscheidungen<br />

getroffen, wie der Erfolg der Zusammenarbeit überprüft <strong>und</strong><br />

Abweichungen zwischen Ist- <strong>und</strong> Soll-Zustand aufgezeigt werden sollen.<br />

Unterschiedliche strategische Ziele der Unternehmen <strong>und</strong> unterschiedliche<br />

Politiken zu ihrer Umsetzung ("Unternehmenskultur") können hierbei<br />

zu erheblichen Verzögerungen <strong>und</strong> Behinderungen oder sogar zum Abbruch<br />

der Zusammenarbeit führen. 69<br />

Zudem stellt sich bei verschiedenen externen Kooperationen häufig die<br />

Frage, ob nicht über kurz oder lang aufgr<strong>und</strong> unterschiedlicher Ziele <strong>und</strong><br />

Problemlagen der Partner ein Unternehmen wesentlich mehr Nutzen bezüglich<br />

der gesteckten strategischen Ziele herauszieht als das andere. Aus<br />

diesem Gr<strong>und</strong> wird dem Kooperationspartner oftmals nicht jedes verfügbare<br />

Know-how <strong>und</strong> Wissen zur Verfügung gestellt, oder anders formuliert:<br />

Zur Vermeidung von "Opportunismus" 70 verhält man sich "opportunistisch".<br />

Wiederum einige Beispiele: Anfang der 70er Jahre etwa entsandten holländische,<br />

französische <strong>und</strong> deutsche Computerhersteller h<strong>und</strong>erte von technischen Spitzenkräften<br />

in ein multinationales Projekt namens Unidata, Europas Antwort auf IBM.<br />

Unidata wurde jedoch 1975 aufgelöst, ohne ein einziges weltmarktgängiges Produkt<br />

entwickelt zu haben. Die holländischen Firmen beschuldigten die französischen<br />

Unternehmen mangelnder Kooperationsbereitschaft. 71<br />

Die beteiligten deutschen<br />

Firmen hatten Schwierigkeiten, Geräte herzustellen, die mit den Produkten der übrigen<br />

Partner kompatibel waren. Einseitiger "Nutzen" war auch der Gr<strong>und</strong> des<br />

Scheiterns der Allianzen der US-amerikanischen <strong>und</strong> japanischen Unternehmen Ricoh-Savin,<br />

Pentax-Honeywell <strong>und</strong> Canon-Bell & Howell. Gemäß den Angaben der<br />

Unternehmensleitungen profitierten die japanischen Unternehmen einseitig vom<br />

Technologie- <strong>und</strong> Marketing-Know-how der amerikanischen Unternehmen, die daraufhin<br />

die Zusammenarbeit abbrachen. 72<br />

69 Der lange Weg zur neuen Firma, Manager Magazin 5/86. Die Crux mit der<br />

Synergie, Industriemagazin 10/88.<br />

70 Zu diesem Begriff vgl. Williamson 1975; 1985.<br />

71 Globale strategische Partnerschaften, Manager Magazin 5/86.<br />

72 Globale strategische Partnerschaften, Manager Magazin 5/86.<br />

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Die Tatsache, daß bei Kooperationen in der Computerindustrie häufig einer<br />

der Kooperationspartner aus dem Markt ausscheiden mußte 73<br />

<strong>und</strong><br />

mehrere Kooperationen in Akquisitionen einmünden, verweist auf objektiv<br />

begründete Schwierigkeiten, die Zusammenarbeit verschiedener Unternehmen<br />

längerfristig zu kalkulieren. Das Problem der mangelnden Berechenbarkeit<br />

externer Kooperationen resultiert ganz wesentlich aus dem<br />

Aufeinandertreffen potentiell gegenläufiger Interessen <strong>und</strong> mittel- oder<br />

langfristiger Strategien. So versucht man mitunter, dieses aus einer Strategie<br />

der Risikominimierung resultierende Problem durch Reinternalisierungen<br />

(oder Mischformen wie joint-ventures) zu lösen.<br />

Es gibt verschiedene Beispiele, die darauf verweisen, daß Unternehmen versuchen,<br />

den mit der Externalisierung verb<strong>und</strong>enen Risiken mittels einer Strategie der (Re-)<br />

Internalisierung zu begegnen. So übernahm 1987 die deutsche Tochtergesellschaft<br />

des Bürocomputerherstellers MAI Basic Four fünf bisher unabhängige deutsche<br />

Software-Häuser. Zwar arbeitete MAI mit jedem dieser Software-Häuser schon seit<br />

Jahren zusammen, doch auch mit langfristigen Kooperationsverträgen - so wurde<br />

argumentiert - ließe sich Software-Know-how nur bedingt schützen. 7<br />

Nixdorf begann 1973 eine Kooperation mit dem Computerhersteller Entrex, nachdem<br />

Nixdorf sich bereits an einer gemeinsamen Vertriebsgesellschaft beteiligt hatte.<br />

Zunächst wurden Datenerfassungsgeräte zugekauft. Ein Jahr später fertigte Nixdorf<br />

diese Geräte in Lizenz. Die Kooperation mündete schließlich 1977 in einer Übernahme<br />

von Entrex durch Nixdorf. Ende der 70er Jahre entwickelte Nixdorf in Kooperation<br />

mit The Computer Software Corporation, Richmond, ein Betriebssystem,<br />

das die IBM-Kompatibilität sicherstellte. Auch diese Kooperation führte 1980 zur<br />

Akquisition.<br />

Diese Aufzählung ließe sich beliebig fortsetzen; die Problematik unsicherer<br />

Kooperationsverhältnisse, die in manchen Fällen zu verbindlicheren<br />

Formen der unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit führt, wird<br />

allerdings schon aus diesen wenigen Beispielen deutlich.<br />

Eine in ihren Konsequenzen noch schwer abzuschätzende Tendenz ist die<br />

durch externes Wachstum <strong>und</strong> andere Formen der Kooperation verstärkte<br />

Konzentration <strong>und</strong> Monopolisierung auf den Märkten der Elektroindustrie.<br />

Anhand der Entwicklung in einigen wichtigen <strong>und</strong> zukunftsträchtigen<br />

Marktsegmenten der Elektroindustrie (Mobilfunk, Datentechnik, Soft-<br />

73 Weltmärkte im Umbruch, WirtschaftsWoche 12/87.<br />

74 MAI Deutschland steigt in das Softwaregeschäft ein, FAZ 7.9.87.<br />

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ware) haben wir versucht deutlich zu machen, daß wichtige Produktinnovationen<br />

häufig nur noch im Rahmen externer Arrangements entwickelt,<br />

gefertigt <strong>und</strong> vertrieben werden können. Dadurch entstehen Unternehmen<br />

neuer Größenordnung <strong>und</strong> internationale "Netzwerke" (s. Abschnitt 9.7),<br />

in denen FuE, Produktion <strong>und</strong> Vertrieb mit jeweils unterschiedlichen<br />

Schwerpunkten organisiert werden. 75<br />

Damit verändern sich auch die Konkurrenzverhältnisse,<br />

<strong>und</strong> zwar selbst dann, wenn es nicht zu verbindlichen,<br />

durch Kapitalverflechtung abgesicherten Kooperationsvereinbarungen<br />

zwischen großen Unternehmen kommt. Insbesondere in Bereichen, in<br />

denen komplexe Systemtechnologien entwickelt werden, haben kleinere<br />

<strong>und</strong> mittlere Unternehmen kaum noch eine Chance, unabhängig von<br />

großen Konzernen in diese äußerst lukrativen Märkte einzusteigen. Da die<br />

Innovationskosten hier in astronomische Größenordnungen hineinwachsen,<br />

ist mit neuen Marktstrukturen zu rechnen, in denen kleine <strong>und</strong> mittlere<br />

Unternehmen entweder auf die Rolle von Zulieferern oder auf die<br />

von Produzenten von Komponenten (Peripheriegeräte etc.) reduziert werden.<br />

9.3 Joint-ventures<br />

Zwischen rein marktvermittelten Kooperationen einerseits <strong>und</strong> denjenigen<br />

Formen der Kooperation, die auf eine Integration fremder Unternehmen<br />

in die eigene Hierarchie hinauslaufen andererseits, ist das jointventure<br />

zu verorten. In einem joint-venture werden die ausgegliederten<br />

Unternehmensfunktionen auf eine zu diesem Zweck anzugliedernde oder<br />

auszugründende Einheit übertragen. Auch diese Kooperationsform dient<br />

nicht ausschließlich der Bewältigung des Innovationsrisikos, sondern, wie<br />

bei den bereits abgehandelten Kooperationsformen, zumeist auch der Bewältigung<br />

anderer Risiken. Der Vorteil im Vergleich zu anderen Kooperationsformen<br />

scheint darin zu liegen, daß durch ein joint-venture versucht<br />

werden kann, die Risiken der Externalisierung bezüglich der strategischen<br />

Ziele <strong>und</strong> des Know-how-Transfers zu minimieren, indem der Know-how-<br />

Transfer auf Dauer institutionalisiert wird. Kooperationsformen, die in<br />

75 Daß diese neuen Formen der <strong>Unternehmensorganisation</strong> für die betroffenen<br />

Lohnabhängigen, Betriebsräte <strong>und</strong> Gewerkschaften immer schwerer zu durchschauen<br />

sind, sei hier nur am Rande erwähnt (Sauer 1989; Deiß 1988).<br />

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joint-ventures als neuer Institutionalisierungsform umgewandelt werden,<br />

erscheinen somit als Ausdruck gelungener Zusammenarbeit. Insbesondere<br />

unter hochgradig unsicheren Umweltbedingungen scheint das joint-venture<br />

geeignet, verschiedene Risiken in ihrem Gefahrenpotential zu minimieren.<br />

Wiederum entlang den in Auseinandersetzung mit Child gewonnenen<br />

Risikodefinitionen wollen wir im folgenden einige typische Eigenschaften<br />

von joint-ventures diskutieren. Dabei orientieren wir die Darstellung<br />

an den jeweils zentralen strategischen Zielsetzungen, die zur Institutionalisierung<br />

von joint-ventures geführt haben.<br />

(a) Integrative Minimierung des Nachfrage- <strong>und</strong> des Innovationsrisikos:<br />

Die Notwendigkeit, sich verstärkt der Erzeugung von Innovationen zuzuwenden<br />

<strong>und</strong> der durch kürzere Produktlebenszyklen begründete Zwang,<br />

Produkte möglichst schnell weltweit anzubieten, drängt die Unternehmen<br />

zu einer integrierten Bewältigung des Innovations- <strong>und</strong> des Nachfragerisikos.<br />

Dies läßt sich auch an Gemeinschaftsunternehmen zeigen, die scheinbar<br />

nur auf einzelne Unternehmensbereiche bezogen sind.<br />

Motorola <strong>und</strong> Toshiba gründeten unlängst ein Gemeinschaftsunternehmen für die<br />

Produktion von 1-Megabit-Chips in Japan. Motorola erhofft sich dadurch den Zugang<br />

zu Toshibas Technologie der Datenspeicher (RAM-Chips). Toshiba wiederum<br />

erwartet sich einen Zugang zum Gebiet der Mikroprozessoren, bei denen Motorola<br />

<strong>und</strong> Intel den Markt dominieren. 76 Know-how-Transfer, Einstieg in den japanischen<br />

Markt <strong>und</strong> Aufholen des Innovationsvorsprungs von Konkurrenten erscheinen hier<br />

als nicht voneinander zu trennende Strategien.<br />

Ähnliches läßt sich, wie die folgenden Beispiele zeigen, auch in den Bereichen<br />

der Telekommunikation <strong>und</strong> der Nachrichtentechnik finden. Immer<br />

mehr Hardware-Hersteller drängen in den Software-Markt. Die Gründe<br />

dafür liegen darin, daß die Konzentration auf die Herstellung von Hardware<br />

den Markterfordernissen nicht mehr genügt (s. Abschnitt 5.3.2).<br />

Außerdem fordern die K<strong>und</strong>en immer häufiger Hard- <strong>und</strong> Software-Komplettlösungen,<br />

die aus einer Hand kommen sollen. Dies führt nicht nur zu<br />

zahlreichen Akquisitionen, sondern in verstärktem Maße auch zu jointventures<br />

von Software-Unternehmen mit Hardware-Herstellern.<br />

76 Mitsubishi Electric führt Chips aus den USA ein, VWD 17.12.87. Transpazifische<br />

Halbleiter-Kooperation, Börsen-Zeitung 17.12.86.<br />

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Philips gründete beispielsweise mit Condatec/Berlin im März 1988 ein Gemeinschaftsunternehmen,<br />

um die Entwicklung von Komplettlösungen im Bereich Informations-<br />

<strong>und</strong> Kommunikationstechnik voranzutreiben. Im Bereich der Telekommunikation<br />

bildete Philips ein joint-venture mit AT&T zur Produktion <strong>und</strong> Vermarktung<br />

der von den Amerikanern entwickelten digitalen Telefonvermittlungstechnik<br />

außerhalb der USA. Die Entwicklungskosten für ein solches System (rd. 1 Mrd. $)<br />

hätten sich auf dem europäischen Markt alleine niemals amortisieren lassen, weshalb<br />

Philips auf eine eigene Entwicklung verzichtete. AT&T profitiert von Philips'<br />

Vertriebsnetz, Philips stärkt seine Position auf dem US-Markt <strong>und</strong> erhält Zugang zu<br />

AT&Ts Know-how in der Lichtwellenleitertechnik <strong>und</strong> bei elektronischen Bauteilen.<br />

77<br />

In beiden Fällen ging es darum, sowohl einen besseren Marktzugang als auch<br />

größere Innovationspotentiale, erschließen.<br />

Aufgr<strong>und</strong> der Notwendigkeit, eine marktsreif entwickelte Technologie auf einem<br />

großen Markt anbieten zu können, ging Philips im Jahre 1985 ein joint-venture mit<br />

dem amerikanischen Chemiekonzern Du Pont ein. Es stellte den ersten Versuch<br />

dar, die gesamte Laser-Plattentechnik auf weltweiter Basis anzubieten. Philips besaß<br />

hierfür zwar die Technologie, nicht aber die Möglichkeiten, den Markt weltweit zu<br />

erschließen. 78<br />

Die Entscheidung für ein joint-venture fiel auch deshalb, weil Philips<br />

zuvor mehrere Innovationen im Bereich der Unterhaltungselektronik nicht hatte<br />

vermarkten können. Audiokassetten, Videorekorder <strong>und</strong> Bildplatte - all dies hatte<br />

Philips als erstes Unternehmen bis zur Marktreife entwickelt, bei der kommerziellen<br />

Vermarktung aber stets das Nachsehen gehabt. 79<br />

Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungsarbeiten zur Verknüpfung von Computer<strong>und</strong><br />

Nachrichtentechnik <strong>und</strong> die Einrichtung eines gemeinsamen Vertriebsapparates<br />

erscheinen somit als Momente einer Gesamtstrategie, die<br />

auf integrative Bewältigung des Innovations- <strong>und</strong> Nachfragerisikos in der<br />

Computer- <strong>und</strong> Nachrichtentechnik abzielt.<br />

(b) Integrative Minimierung des Nachfrage- <strong>und</strong> des Ineffizienzrisikos:<br />

Joint-ventures, die ohne Bezug auf die Minimierung des Innovationsrisikos<br />

gegründet werden, sind vergleichsweise selten. In vielen Fällen (s.o.)<br />

sind es die mit der Erzeugung neuer Technologien verb<strong>und</strong>enen Risiken,<br />

die den Unternehmen eine Ausgliederung sinnvoll erscheinen lassen. Einige<br />

wenige Fälle sind jedoch identifizierbar, in denen die beabsichtigte<br />

Reduzierung des Gefährdungspotentials von Nachfrage- <strong>und</strong> Ineffizienzrisiken<br />

zur Bildung eines joint-ventures geführt hat. Zwar werden in diesen<br />

77 Globale strategische Partnerschaften, Manager Magazin 5/86.<br />

78 Globale strategische Partnerschaften, Manager Magazin 5/86. Gigant auf Partnersuche,<br />

WirtschaftsWoche 7/86.<br />

79 Gigant auf Partnersuche, WirtschaftsWoche 7/86.<br />

Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />

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Gemeinschaftsunternehmen durchaus inkrementale Produkt- <strong>und</strong> Prozeßinnovationen<br />

vorangetrieben; entscheidend aber ist, daß aufgr<strong>und</strong> des<br />

"reifen" Stands der <strong>Technikentwicklung</strong> hier keine großen Turbulenzen auf<br />

den Märkten zu befürchten sind. Vielmehr scheinen sich Gemeinschaftsunternehmen,<br />

die eher unter dem Gesichtspunkt einer Minimierung des<br />

Nachfrage- <strong>und</strong> des Ineffizienzrisikos gegründet werden, typischerweise in<br />

Marktsegmenten zu bewegen, in denen größere Wachstumsraten nicht zu<br />

erwarten sind. Zwei Beispiele mögen genügen, um dies zu illustrieren.<br />

Im durch schwache Wachstumsraten gekennzeichneten Bereich der elektrischen<br />

Haushaltsgeräte ("weiße Ware") führten Siemens <strong>und</strong> Bosch ihre entsprechenden<br />

Aktivitäten in den frühen 70er Jahren zur Bosch-Siemens-Hausgeräte-GmbH zusammen<br />

(Anteilsverhältnis 50:50). Dieses joint-venture, das inzwischen zu einem der<br />

zehn größten Unternehmen der Elektro- <strong>und</strong> Elektronikindustrie in der B<strong>und</strong>esrepublik<br />

Deutschland aufgerückt ist, entwickelt <strong>und</strong> produziert Haushaltsgeräte, die in<br />

das jeweilige Vertriebsprogramm der Partner eingehen. Inzwischen wird auch in<br />

diesem Unternehmen die Beherrschung des Innovationsrisikos zunehmend wichtiger,<br />

weil die Entwicklung der Technik neue Geschäftsfelder eröffnet hat (Mikrowellenherd,<br />

FCKW-Reduzierung, Induktionskochherd etc.).<br />

Das zweite Beispiel ist das im Jahre 1986 gegründete Gemeinschaftsunternehmen<br />

Euro-Television Systems GmbH, an dem Philips <strong>und</strong> Bosch beteiligt sind. Hier waren<br />

im überschaubaren Marktsegment für Fernsehgeräte exorbitante Steigerungsraten<br />

zunächst nicht zu vermuten, so daß auch hier der Vorteil eines joint-ventures<br />

vor allem in der Gewinnung von erhöhter Effizienz durch angepaßte Betriebsgröße<br />

<strong>und</strong> einem für beide Unternehmen höheren Marktanteil durch Kooperation liegen<br />

dürfte. Durch die Digitalisierung von Fernsehgeräten, die Einführung des Satellitenfernsehens<br />

<strong>und</strong> von hochauflösenden Fernsehgeräten (HDTV) dürfte auch in<br />

diesem Falle die Beherrschung von Innovationsrisiken (wieder) an Bedeutung zunehmen.<br />

Beide Beispiele zeigen deutlich, daß auch externe organisatorische Arrangements,<br />

die vor allem zur Beherrschung der eher "traditionellen" Risiken<br />

der Produktionsineffizienz <strong>und</strong> der Nachfrageunsicherheit geschaffen<br />

wurden, sich unter geänderten Vorzeichen (schneller technischer Wandel<br />

auch in "reifen Märkten") auch dem eher "modernen" Risiko annehmen<br />

müssen, den Anschluß an die technische Entwicklung (der Konkurrenten)<br />

nicht zu verpassen.<br />

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9.4 Externes Unternehmenswachstum<br />

Neben den oben beschriebenen, eher lockeren Kooperationsverbünden<br />

sind in letzter Zeit Formen der unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit<br />

zu beobachten, die sich durch ein sehr viel handfesteres Geflecht<br />

von Beteiligungen, Übernahmen <strong>und</strong> sogar Konzernzusammenschlüssen<br />

("Elefantenhochzeiten") auszeichnen. Für diese Tendenz einer<br />

zunehmenden Kapitalkonzentration werden regelmäßig die in neue Dimensionen<br />

gewachsenen Kosten <strong>und</strong> Risiken von Forschung <strong>und</strong> Entwicklung<br />

sowie die Notwendigkeit, in der Produktion hohe Stückzahlen erzielen<br />

zu müssen, verantwortlich gemacht. Daneben spielen auch neue<br />

strategische Orientierungen vor allem größerer Unternehmen eine Rolle,<br />

die in andere als ihre angestammten Branchen diversifizieren wollen, um<br />

sich durch die "Mitnahme" von Synergieeffekten bei der Technologieerzeugung<br />

eine bessere Ausgangsposition im Kampf um die "Märkte der<br />

Zukunft" zu sichern. Daß sich hierbei auch Veränderungen der gesellschaftlichen<br />

Machtverhältnisse zugunsten einzelner Großkonzerne ergeben,<br />

liegt auf der Hand.<br />

Alternativen zu einer Zusammenarbeit einzelner Unternehmen im Rahmen<br />

verschiedenster Formen der Kooperation sind die selbständige Erfüllung<br />

der anfallenden Aufgaben einerseits oder der Zugriff auf andere<br />

Unternehmen über "externes Unternehmenswachstum" andererseits. Mit<br />

der Wahrnehmung der letztgenannten Option wird versucht, Vorteile aus<br />

anderen Unternehmen zu ziehen, ohne die mit loseren Formen der Kooperation<br />

verb<strong>und</strong>enen Risiken in Kauf nehmen zu müssen. Gegenüber<br />

internem Wachstum, das in der Errichtung neuer Sachanlagen besteht,<br />

werden bei externem Wachstum meist Beteiligungen erworben oder früher<br />

errichtete Sachanlagen <strong>und</strong> andere Aktiva mehrerer Unternehmen in einem<br />

Unternehmen zusammengefaßt (Mathes 1981). Gemeinschaftsunternehmen<br />

<strong>und</strong> Akquisitionen werden in der einschlägigen Literatur ebenfalls<br />

unter dem Begriff des externen Unternehmenswachstums subsumiert.<br />

Sowohl hinsichtlich der Vermögenskonzentration als auch hinsichtlich der<br />

Verfügungsmacht über Produktionsmittel stellen sie einen Konzentrationsprozeß<br />

dar. Vor allem aber werden hier verbindliche Organisationsformen<br />

geschaffen, die jedoch in ihrer Auswirkung auf die Technologieentwicklung<br />

nur schwer zu durchschauen sind.<br />

Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />

http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890


Über die derzeitige Bedeutung dieser Maßnahmen schreibt die B<strong>und</strong>esbank<br />

in einer Analyse über die "Ertragslage <strong>und</strong> Finanzierungsverhältnisse"<br />

der Firmen im Jahre 1987, daß b<strong>und</strong>esdeutsche Unternehmen derzeit<br />

über enorme Rücklagen verfügen. Die hohen Liquiditätspolster nutzten<br />

die Firmen vor allem dazu, ihre Beteiligungen "recht kräftig" auszuweiten.<br />

80 1987 konnten 887 Firmenzusammenschlüsse gezählt werden, 178<br />

oder 25 % mehr als 1985, wobei viele kleinere Beteiligungen überhaupt<br />

nicht meldepflichtig sind. 81 Allein Siemens ging in den Jahren 1987 <strong>und</strong><br />

1988 22 joint-ventures, Übernahme- <strong>und</strong> Kooperationsverträge ein. 82<br />

Die Internalisierung von Forschung <strong>und</strong> Entwicklung ist zu einem nicht<br />

unerheblichen Teil durch Übernahmen <strong>und</strong> Beteiligungen zu erklären, bei<br />

denen es darum ging, innovative FuE-Abteilungen mitzuerwerben. Nach<br />

Meinung von Experten wurden häufig FuE-intensive Unternehmen gerade<br />

deshalb aufgekauft bzw. Beteiligungen an ihnen ausgebaut, um am wissenschaftlich-technischen<br />

Potential anderer Länder (Unternehmen <strong>und</strong><br />

Märkte) teilzuhaben. Externe Arrangements zur Bewältigung des Innovationsrisikos<br />

sind somit häufig Vorboten verbindlicherer Formen der Kooperation<br />

<strong>und</strong> werden durch Internalisierungsprozesse abgelöst, die ehemals<br />

fremden Unternehmen mithin der eigenen Hierarchie subsumiert.<br />

Etwa Anfang der 70er Jahre war Siemens nur mit rd. 700 Beschäftigten in den USA<br />

tätig, <strong>und</strong> der Anteil des US-Geschäfts am Gesamtumsatz lag bei knapp 2 %. Seitdem<br />

begann Siemens, mit Hilfe von Neugründungen, Beteiligungen <strong>und</strong> Aufkäufen<br />

seine Präsenz in den USA zu verstärken. 1986 beschäftigte Siemens in rd. 35 Fabriken<br />

ungefähr 17.000 Beschäftigte; der Anteil des Umsatzes, den Siemens in den<br />

USA erzielt, lag im Jahre 1989 schon bei 11 % (Siemens-Geschäftsbericht 1989, S.<br />

31).<br />

International folgen die Akquisitionsströme den Handelsströmen, wodurch<br />

die wachsende Bedeutung internationaler Märkte unterstrichen<br />

wird. 83<br />

Dabei spielt die Deregulierung der Inlandsmärkte, die zur Aufhebung<br />

von Quasi-Monopolen (bzw. Oligopolen) - z.B. Ende des Amtsbau-<br />

80 Firmen schwimmen in Geld, FR 23.11.88.<br />

81 Umworbene Ehestifter, Industriemagazin 10/88.<br />

82 Die Crux mit der Synergie, Industriemagazin 10/88.<br />

83 Umworbene Ehestifter, Industriemagazin 10/88.<br />

Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />

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wesens in der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland - führte, eine nicht zu unterschätzende<br />

Rolle (vgl. Bieber 1982).<br />

9.4.1 Beteiligungen<br />

Beteiligungen ermöglichen den Zugriff auf Potentiale der jeweils beteiligten<br />

Unternehmen. Des öfteren erwachsen hieraus Kooperationen (AT&T<br />

- Olivetti) oder vollständige Übernahmen (Daimler-Benz - AEG). Beteiligungen<br />

stellen somit nicht nur bloße Vermögenszuwächse dar, sondern<br />

sind in andere unternehmerische Strategien wie Erhöhung der Marktpräsenz<br />

oder Zugriff auf FuE-Potentiale <strong>und</strong> Know-how eingebettet. Kleinere<br />

Beteiligungen an Unternehmen in bestimmten Ländern erklären sich zudem<br />

aus Auflagen der jeweiligen Regierungen, die für inländische Unternehmen<br />

Mehrheitsbeteiligungen vorschreiben. Oft dienen sie auch dazu,<br />

den Zugang zu öffentlichen Aufträgen zu sichern, wenn dieser nur mit nationalen<br />

Partnern möglich ist (Post, Energie- <strong>und</strong> Nachrichtentechnik). Im<br />

Unterschied zu Akquisitionen ist hier die Verfügungsmacht über Produktionsmittel<br />

unter Umständen mit wesentlich weniger Kapital möglich, die<br />

alleinige Verfügung jedoch nicht vollständig sichergestellt. Aber auch bei<br />

diesen Formen der Kooperation wird eine Strategie der simultanen Bewältigung<br />

von Innovations- <strong>und</strong> Nachfragerisiko deutlich.<br />

Es ist durchaus nicht zufällig, daß die folgenden Beispiele alle aus sog.<br />

"High-Tech"-Bereichen der Elektro- <strong>und</strong> Elektronikindustrie kommen.<br />

Hier sind nicht nur alle Formen loser Kopplung von Unternehmen, sondern<br />

auch verbindlichere Kooperationsweisen anzutreffen.<br />

Zum Jahreswechsel 1987/88 erhöhte Bosch seine Beteiligung an der ANT Backnang<br />

auf 81,6 % (Verkauf der Mannesmann-Anteile) <strong>und</strong> übernahm Telenorma (TN) zu<br />

100 %. Beide Unternehmen waren ehemalige Töchter der AEG. Der Einstieg<br />

Boschs in die Telekommunikation verdankt sich damit der Krise der AEG. Die Zusammenarbeit<br />

von Bosch mit Töchterunternehmen von AEG führte schließlich - sobald<br />

die Gelegenheit günstig war - zu deren Erwerb. Im Jahre 1988 beteiligte sich<br />

Bosch schließlich an der Telekommunikations-Sparte von Jeumont Schneider, dem<br />

zweitgrößten Unternehmen auf dem französischen Telekommunikationsmarkt. 84<br />

Schon 1985 gab es ein Kooperationsabkommen zwischen Schneider <strong>und</strong> Bosch über<br />

84 Telenorma jetzt ganz bei Bosch, Börsen-Zeitung 8.1.88. AEG gibt die restlichen<br />

Telenorma-Anteile ab, Handelsblatt 8.1.88. Schneider sells control of telecom<br />

side to Bosch, Financial Times 31.12.87.<br />

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die Forschung <strong>und</strong> Entwicklung von ISDN-Technologien sowie die gegenseitige Belieferung<br />

mit Nebenstellenanlagen. 85<br />

Schneider entschloß sich zu dieser Aktion,<br />

nachdem der Versuch des Erwerbs der CGCT (zusammen mit Siemens) fehlgeschlagen<br />

war. 86<br />

Für Bosch wird die Kommunikationstechnik dadurch mit 6 Mrd.<br />

DM Umsatz zum zweitgrößten Arbeitsgebiet, das auf drei Säulen steht: mobile<br />

Kommunikation (Blaupunkt <strong>und</strong> Bosch-Elektronik), private Vermittlungstechnik,<br />

ISDN <strong>und</strong> Nebenstellenanlagen (TN, Schneider) sowie Übertragungstechnik<br />

(ANT). 87<br />

Mit Hilfe von Beteiligungen <strong>und</strong> den darauf folgenden Übernahmen<br />

fremder Unternehmen konnte sich Bosch in kürzester Zeit zu einem wichtigen Unternehmen<br />

in der Kommunikationstechnik entwickeln, das über bedeutende Innovationspotentiale<br />

<strong>und</strong> Marktzugänge verfügt. 88<br />

Ein anderes Beispiel für eine Beteiligung, die mit dem ausdrücklichen Ziel einer<br />

Minimierung des Innovations- <strong>und</strong> Nachfragerisikos eingegangen wurde, ist die<br />

(mißglückte) Kooperation von AT&T mit Olivetti. AT&T erwarb 1983 eine Beteiligung<br />

von 25 % an Olivetti. Ziel war zum einen, einen Stützpunkt auf dem schnell<br />

wachsenden europäischen Kommunikationsmarkt zu erwerben, zum anderen aber<br />

auch die gemeinsame Entwicklung der Technologie zur Vernetzung von Endgeräten.<br />

Olivetti erhielt durch die Beteiligung eine Finanzspritze in Höhe von 260 Mio. $,<br />

Know-how in der Mikro-Prozessor-Technik <strong>und</strong> Telekommunikation sowie den Zugang<br />

zum US-Markt 89<br />

- scheinbar eine ideale Lösung für Innovationen <strong>und</strong> Markterschließung.<br />

Die Probleme begannen, als Olivetti Minicomputer in Konkurrenz zu<br />

AT&T herstellte <strong>und</strong> Vertriebsverträge für seine Minicomputer mit AT&T's Erzrivalen<br />

Northern Telecom abschloß. AT&T hingegen kooperierte mit Sun Mikrosystem.<br />

90<br />

Die Zusammenarbeit wurde schließlich abgebrochen, die wechselseitige<br />

Beteiligung rückgängig gemacht.<br />

All dies verweist auch auf Risiken externer Arrangements. Unternehmen,<br />

die auf unterschiedlichen Absatzmärkten agieren, müssen bei der längerfristigen<br />

strategischen Abstimmung bestimmte Unsicherheiten einkalkulieren.<br />

Trotz klar formulierter Ziele, die den Eindruck erwecken, unterschiedliche<br />

Unternehmensstrategien ließen sich für begrenzte gemeinsame<br />

Anliegen kompatibel machen, treten dabei immer wieder Probleme auf,<br />

die den Erfolg derartiger Anstrengungen gefährden (vgl. für Kooperationen<br />

im Halbleiterbereich auch Dertouzos u.a. 1989).<br />

85 Bosch spannt Draht nach Paris, Die Welt 31.12.87.<br />

86 Bosch plant Millionen-Coup, Die Welt 19.11.87.<br />

87 AEG gibt die restlichen Telenorma-Anteile ab, Handelsblatt 8.1.88.<br />

88 Zu einem integrierten Systemangebot auf dem Markt der Telekommunikation<br />

fehlt Bosch nun nur noch der Bereich der Datentechnik.<br />

89 ATT erwirbt mit Olivetti einen europäischen Brückenkopf, FR 27.12.83.<br />

90 Die Crux mit der Synergie, Industriemagazin 10/88.<br />

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9.42 Akquisitionen<br />

Neben verschiedenen Formen der Beteiligung sind in jüngster Zeit zunehmend<br />

auch Akquisitionen ein Mittel der Unternehmenspolitik geworden.<br />

Um den Anforderungen verstärkter Präsenz auf den verschiedenen<br />

Binnenmärkten 91<br />

<strong>und</strong> eines verschärften Innovationstempos gerecht zu<br />

werden, erscheint der Aufkauf fremder Unternehmen oft als die "ideale"<br />

Lösung. Diese besitzen in der Regel eigene Vertriebsstrukturen, FuE-Abteilungen<br />

<strong>und</strong> zumeist feste Marktanteile für ihre Produkte. Akquisitionen<br />

sind meist billiger <strong>und</strong> häufig genauer zu kalkulieren als der zeitaufwendige<br />

<strong>und</strong> kostenträchtige Aufbau eigener Kapazitäten, um auf ausländischen<br />

Märkten erstmals Fuß zu fassen oder um das bestehende Auslandsgeschäft<br />

auszubauen.<br />

Philips baute beispielsweise mit Firmenaufkäufen in Europa, vor allem aber in den<br />

USA, seine Position im Traditionsgeschäft mit Glühlampen <strong>und</strong> Hausgeräten sehr<br />

stark aus. Neben der Akquisition von Bauknecht <strong>und</strong> der Beteiligung an Gr<strong>und</strong>ig<br />

wurde im Februar 1983 das gesamte Lichtgeschäft der Westinghouse Electric (Umsatz<br />

400 Mio. $) Übernommen. Im Jahre 1984 kaufte Philips die Corning-Glasfabrik<br />

in Kentucky auf, die mit 300 Beschäftigten Glaskolben für Glühlampen herstellt.<br />

Dank dieser Akquisitionen in einem traditionellen Marktsegment von Philips ließ<br />

der Konzern auf dem Beleuchtungsmarkt weltweit alle Konkurrenten hinter sich. 92<br />

Gegenüber weniger verbindlichen Formen der Kooperation scheinen Akquisitionen<br />

den Vorteil zu bieten, die aus der Zusammenarbeit mit anderen<br />

Unternehmen resultierenden Risiken intern besser kalkulieren <strong>und</strong><br />

beherrschen zu können. Die Tatsache, daß in zunehmenden Maße FuE-intensive<br />

Unternehmen zugekauft werden, verdeutlicht ferner die wachsende<br />

Bedeutung von technologischen Innovationen im Rahmen der Konkurrenz<br />

von Einzelkapitalen. Schließlich werden bei gelungener Integration<br />

Effizienzsteigerungen nicht nur durch die Schaffung "idealer Betriebsgrößen"<br />

<strong>und</strong> einer kostenoptimalen Fertigung, sondern auch durch den<br />

91 Im Siemens-Geschäftsbericht von 1975 heißt es beispielsweise, daß eine "dauerhafte<br />

Durchdringung des Weltmarktes durch Exporte allein nicht möglich" ist,<br />

sondern "zur Sicherung des internationalen Geschäfts ist die Verankerung durch<br />

eigene Fertigungsstätten in den Auslandsmärkten unerläßlich." So stammen in<br />

den USA Mitte der 80er Jahre die Umsätze von Siemens zu rd. 85 % aus der im<br />

Land erbrachten Leistung (Siemens-Geschäftsbericht 1986).<br />

92 Philips - eine europäische Hoffnung in der internationalen Elektroindustrie, zfo<br />

7/85.<br />

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Abbau von Doppelarbeit <strong>und</strong> darüber hinaus durch die Erzeugung von<br />

Synergieeffekten in Forschung <strong>und</strong> Entwicklung realisiert.<br />

Diese Thesen lassen sich mit einigen Beispielen belegen, die wiederum<br />

den Risikodefinitionen von Child folgend rekonstruiert werden können.<br />

(a) Akquisitionen zur Minimierung des Innovationsrisikos: Akquisitionen,<br />

die ausdrücklich die Sicherung bzw. den Auf- oder Ausbau von Innovationspotentialen<br />

zum Ziel haben, lassen sich vielfach nachweisen. Erwähnt<br />

wurde bereits die Notwendigkeit für Hardware-Produzenten, Komplettlösungen<br />

mit Hard- <strong>und</strong> Software für spezifische K<strong>und</strong>enbedürfnisse<br />

entwickeln zu können. Zu diesem Zweck kaufte Gr<strong>und</strong>ig (Werkzeugmaschinen)<br />

1986 den Steuerungsspezialisten Atek-NC Sys Zürich. Ziel war<br />

hier die Entwicklung von Produktionstechnologien für die computerintegrierte<br />

Fertigung auf der unteren <strong>und</strong> mittleren Ebene der Maschinensteuerung.<br />

93<br />

Wegen des geplanten Auf- <strong>und</strong> Ausbaus ihrer Kapazitäten zur Erzeugung von Software<br />

stockte die AEG 1987 eine Beteiligung an der GEI (Gesellschaft für elektronische<br />

Datenverarbeitung) von 50 % auf 75 % auf. So gelang es dem Technologie-<br />

Konzern zusammen mit der AEG Software-Technik (AST), die fortan mit der GEI<br />

unter der Leitung einer gemeinsamen Geschäftsführung steht, ihr Innovationspotential<br />

entscheidend zu erhöhen <strong>und</strong> in die Spitzengruppe (der technisch orientierten<br />

Software-Häuser) in der B<strong>und</strong>esrepublik einzutreten. Schwerpunkte der Entwicklungstätigkeit<br />

sind hier Expertensysteme, Datenbanken <strong>und</strong> die Datenkommunikation.<br />

94<br />

Die deutsche Tochtergesellschaft des Bürocomputer-Herstellers Mai Basic Four Inc<br />

(Kalifornien) übernahm Ende 1987 fünf unabhängige deutsche Software-Häuser, um<br />

ihre Position als Anbieter von Branchenlösungen zu festigen. 95 Im November 1988<br />

faßte MAI die Aktivitäten der sechs Software-Häuser, die in den letzten zwei Jahren<br />

gekauft wurden, in einer neuen Tochtergesellschaft, der MAI Software Systeme<br />

GmbH, zusammen. MAI hatte zwar schon zuvor mit diesen Häusern kooperiert,<br />

wollte aber ihr Know-how durch den Kauf besser schützen. Der Zusammenschluß<br />

soll zudem die Produktivität der einzelnen Unternehmen steigern <strong>und</strong> Synergieeffekte<br />

ermöglichen. 96<br />

93 Auf der Spur der K<strong>und</strong>enwünsche, FR 15.3.88.<br />

94 AEG erhöht Beteiligung bei GEI-Softwarehaus, VWD-Firmen 9.9.87. Die AEG<br />

mischt auch verstärkt bei Computern mit, SZ 22,10.87.<br />

95 MAI Deutschland steigt in das Softwaregeschäft ein, FAZ 7.9.87. MAI akquiriert<br />

weiter, FAZ 21.10.87.<br />

96 MAI faßt Software-Aktivitäten zusammen, VWD 24.11.88.<br />

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(b) Akquisitionen zur Minimierung des Innovations- <strong>und</strong> Nachfragerisikos:<br />

Zielen Aufkäufe zwar zunehmend auf die Erhöhung des Innovationspotentials,<br />

so gilt ähnlich wie im Fall der Kooperationen, daß die Minimierung<br />

des Innovationsrisikos häufig nicht isoliert, sondern nur im Zusammenhang<br />

mit der Minimierung des Nachfragerisikos (<strong>und</strong> des Ineffizienzrisikos)<br />

gelingen kann. Besonders deutlich zeichnet sich dies im Bereich<br />

der Nachrichtentechnik ab. Die Strategie, Marktanteile durch Aufkäufe zu<br />

erweitern, steht in engem Zusammenhang mit der Notwendigkeit, die hohen<br />

Innovationskosten zu amortisieren. Allein die Entwicklungskosten digitaler<br />

Vermittlungssysteme betragen zwischen 600 Mio. <strong>und</strong> einer Milliarde<br />

Dollar, 97<br />

<strong>und</strong> bisher konnte kaum einer der Anbieter diese Investitionen<br />

in Forschung <strong>und</strong> Entwicklung amortisieren. Die Kosten der nächsten<br />

Generation von Vermittlungssystemen sollen nach Expertenmeinung<br />

sogar noch weit höher liegen, <strong>und</strong> man rechnet damit, daß sich nur wenige<br />

Unternehmen die Entwicklung dieser Technologien überhaupt noch werden<br />

leisten können. 98<br />

Am Beispiel von Siemens läßt sich dies sehr gut verdeutlichen. Ende 1988 beabsichtigten<br />

Siemens <strong>und</strong> die britische GEC den Aufkauf des britischen Elektronikunternehmens<br />

Plessey (Kooperation zwecks Acquisition). GEC <strong>und</strong> Plessey wurden auf<br />

dem Telefonmarkt aufgr<strong>und</strong> ihres geringen Weltmarktanteils nur wenige Chancen<br />

eingeräumt. 99<br />

Für Siemens war an Plessey vor allem der Bereich Telekommunikation<br />

100<br />

<strong>und</strong> der Bereich Halbleiter interessant (Plessey ist hier der viertgrößte Anbieter<br />

in Europa). Von Siemens wurde die Zusammmenarbeit mit Plessey als notwendig<br />

eingeschätzt, um auf dem Telekommunikationsmarkt bestehen zu können. 101<br />

Im Bereich der Nachrichtentechnik wird Siemens mit Plessey nun weltweit der<br />

zweitgrößte Anbieter sein. 102<br />

Der Kauf war also auch ein strategischer Schritt, die<br />

eigene Marktposition gegenüber anderen Konzerngruppen (Alcatel, Ericsson) auf<br />

dem EG-Binnenmarkt <strong>und</strong> auf dem Weltmarkt auszubauen 103<br />

<strong>und</strong> somit die Voraussetzungen<br />

zu schaffen, notwendige FuE-Investitionen besser verwerten zu können.<br />

97 Hochkonjunktur für Fusionen, Industriemagazin 3/88.<br />

98 Hochkonjunktur für Fusionen, Industriemagazin 3/88.<br />

99 Hochkonjunktur für Fusionen, Industriemagazin 3/88.<br />

100 Siemens <strong>und</strong> GEC greifen gemeinsam nach Plessey, FR 17.11.88.<br />

101 IBM unveils telecom strategy, Financial Times 22.10.87.<br />

102 Neue Elefantenhochzeiten am Telekom-Markt Europas? VWD 17.11.88.<br />

103 IBM <strong>und</strong> Siemens untersuchen gemeinsam, FAZ 22.10.87. IBM unveils telecom<br />

strategy, Financial Times 22.10.87. Siemens <strong>und</strong> GEC greifen gemeinsam<br />

nach Plessey, FR 17.11.88.<br />

Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />

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Zuvor beabsichtigte Siemens schon den Aufkauf der italienischen Italtel. 1987<br />

warben Siemens <strong>und</strong> Ericsson gemeinsam um die italienische Telit, 105<br />

dem mit<br />

50,5 % Marktanteil größten Hersteller von Fernmeldeanlagen <strong>und</strong> Nachrichtentechnik<br />

Italiens. 106 In den USA will Siemens seinen Marktanteil auf dem Gebiet der<br />

Nachrichtentechnik in den nächsten zehn Jahren von 10 % auf 15 % erhöhen. Ein<br />

wichtiger Schritt hierzu war die Übernahme des Telefongeschäftes von IBM-Rolm<br />

Ende 1988. Der Marktanteil von Rolm für digitale Nebenstellenanlagen in den USA<br />

beträgt ungefähr 19 %. Siemens mußte sich bisher mit 3 - 4 % begnügen. 107<br />

Erinnert<br />

sei in diesem Zusammenhang nochmals an die Bedeutung, die dieser Kauf<br />

durch die geplante Vernetzung von IBM-Computer- <strong>und</strong> Siemens-Nachrichtentechnik<br />

erhält. Ebenfalls in den USA übernahm Siemens Anfang 1987 die Tel Plus<br />

Communications, einen Vertriebskanal für Nebenstellenanlagen. Tel Plus ist mit<br />

zwei Millionen installierten Anschlußeinheiten die größte unabhängige Servicegesellschaft<br />

von Telekommunikations-Endgeräten in den USA. 108<br />

Der finnische Konzern Nokia ist ein interessantes Beispiel dafür, wie sich ein Unternehmen<br />

über Aufkäufe zu einem Technologie-Konzern mit enormen Marktanteilen<br />

entwickeln kann. Nokia ist das größte private Industrieunternehmen in Finnland.<br />

Das Unternehmen ist ein Mischkonzern, dessen Produktpalette von Elektronik,<br />

Kabel <strong>und</strong> Maschinen über Energie, Papier <strong>und</strong> Chemikalien bis hin zu Gummiprodukten<br />

reicht. Anfang 1988 kaufte Nokia die TV-Sparte von SEL; damit<br />

konnte das Unternehmen den Anteil seiner Elektronikproduktion auf 60 % erhöhen.<br />

Durch den Kauf wird Nokia hinter Philips/Gr<strong>und</strong>ig <strong>und</strong> Thomson/Brandt mit<br />

14 % Marktanteil der drittgrößte TV-Produzent Europas <strong>und</strong> der neuntgrößte auf<br />

der Welt. Schon Mitte 1987 zeigte Nokia Interesse am Zukauf von TV-Herstellern<br />

in der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland <strong>und</strong> in England. Die ehemalige TV-Sparte von<br />

SEL soll mit einem Investitionsaufwand von 40-50 Mio. DM modernisiert <strong>und</strong> in einer<br />

zu gründenden Gesellschaft deutschen Rechts zusammengefaßt werden. Insgesamt<br />

hat sich in den letzten 15 Jahren die Struktur des Konzerns mit seinen früheren<br />

Schwerpunkten Holzveredelung, Kunststoff <strong>und</strong> Chemie vor allem durch Aufkäufe<br />

in Richtung auf ein High-Tech-Unternehmen verändert. 1982 kaufte Nokia das finnische<br />

Unternehmen der Unterhaltungselektronik Salora, 1984 die schwedische<br />

Luxor <strong>und</strong> 1987 Oceanic. Nokia ist größter Hersteller von Mikro-Computern in<br />

Skandinavien <strong>und</strong> seit Januar 1988 größter Computerhersteller Nordeuropas, nachdem<br />

die EDV-Abteilung von Ericsson aufgekauft wurde. Strategisches Ziel ist es,<br />

den Elektronikbereich auszubauen <strong>und</strong> größere Marktanteile in Europa zu erobern.<br />

Vorstandsmitglieder des Konzerns formulierten dies so: "Wir müssen ein europäisches<br />

Unternehmen werden <strong>und</strong> uns dort ansiedeln, wo die wichtigsten Absatz-<br />

104 Neue Elefantenhochzeiten am Telekom-Markt Europas? VWD 17.11.88.<br />

105 Zum Überleben zu klein? SZ 9.12.87.<br />

106 Siemens <strong>und</strong> Ericsson werben um Telit, FAZ 1.9.87.<br />

107 Siemens landet großen Coup, FR 15.12.88.<br />

108 Die Crux mit der Synergie, Industriemagazin 10/88.<br />

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märkte sind", <strong>und</strong>: "Wir wollen in Europa auf nennenswerte Marktanteile (<br />

kommen. (...) es ist viel billiger <strong>und</strong> praktischer, solche Marktanteile zuzukaufen".<br />

9.43 Fusionen<br />

Fusionen sind aufgr<strong>und</strong> ihrer Größenordnung ("Elefantenhochzeiten") im<br />

Verhältnis zu Beteiligungen <strong>und</strong> Akquisitionen sicher seltener. Dennoch<br />

lassen sich in den letzten Jahren einige markante Beispiele aus der Elektroindustrie<br />

aufführen. Der Versuch, Fusionen in bezug auf Strategien der<br />

Risikominimierung zu differenzieren, fällt schwer, da bei Unternehmenszusammenschlüssen<br />

alle Unternehmensbereiche betroffen sind <strong>und</strong> die<br />

Auswirkungen alle Funktionen betreffen. Innovationspotentiale werden<br />

ausgebaut, Vertriebsnetze ergänzt <strong>und</strong> effektiver gestaltet, die Fertigung<br />

in der Regel reorganisiert <strong>und</strong> rationalisiert. Somit scheinen Fusionen eine<br />

Strategie zur integrierten Bewältigung aller drei Risiken darzustellen. Allerdings<br />

ist es vorstellbar, daß auch Fusionen bestimmten Risikominimierungsstrategien<br />

zuzuordnen sind. Genauere Aussagen zu dieser Frage setzen<br />

jedoch f<strong>und</strong>iertere Informationen über einzelne Unternehmen voraus,<br />

als sie der Wirtschaftsberichterstattung zu entnehmen sind.<br />

1986 entstand durch den Zusammenschluß von CGE <strong>und</strong> ITT die Alcatel NV (CGE<br />

hält 51,6 %), die dadurch zum zweitgrößten Telekommunikationskonzern der Welt<br />

wurde. In der Hard- <strong>und</strong> Software-Branche fusionierten die hinter IBM weltweit<br />

größten EDV-Hersteller Sperry <strong>und</strong> Burroughs zur Unisys Corp 112<br />

mit einem Umsatz<br />

von 9,5 Mrd. $. Im Hinblick auf den EG-Binnenmarkt 1992 fusionierten Mitte<br />

1988 die französische Sema-Metra (Paris) <strong>und</strong> die britische CAP (London). Zusammen<br />

erreichen sie einen Umsatz von knapp 700 Mio. DM. 113<br />

Markt- <strong>und</strong> Innovationsvorteile verspricht man sich von der im Januar 1988 vollzogenen<br />

Fusion der schweizerischen BBC <strong>und</strong> des schwedischen Konzerns ASEA zur<br />

ABB. Der Schwerpunkt des neuen Konzerns liegt bei der Lieferung von Anlagen zur<br />

Erzeugung <strong>und</strong> Übertragung elektrischer Energie, dem Bau von Eisenbahnfahrzeu-<br />

109 Konzern aus der Kälte, WirtschaftsWoche 18.12.87.<br />

110 Lohr hält seine Murmeln zusammen, Die Welt 16.12.87.<br />

111 Weltmärkte im Umbruch, WirtschaftsWoche 12/87. CGE awaits a spanish<br />

guarantee, Financial Times 6.4.87. Ein neuer Telefonbauriese ist geboren, SZ<br />

31.12.86.<br />

112 Weltmärkte im Umbruch, WirtschaftsWoche 12/87.<br />

113 Computerbranche stimmt sich auf Europa ein, FR 3.4.88.<br />

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gen sowie der Elektrifizierung von Industrieanlagen. Bei der Produktion von Industrierobotern<br />

nimmt ASEA eine führende Stellung in der Welt ein, im Energie- <strong>und</strong><br />

Kraftwerksgeschäft rückt ABB weltweit auf den dritten Platz der Branche nach General<br />

Electric (USA) <strong>und</strong> Siemens vor. Die Märkte beider Unternehmen ergänzen<br />

sich nach Expertenmeinung vortrefflich. ASEA besitzt eine starke Position in<br />

Nordeuropa, BBC vor allem in der Schweiz, der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland,<br />

Österreich <strong>und</strong> Italien. Durch die Fusion erwartet das neue Unternehmen zudem<br />

einen besseren Zugang zu den Märkten in Nordamerika <strong>und</strong> Asien. Für die Forschung<br />

<strong>und</strong> Entwicklung sollen künftig mehr als 1,5 Mrd. DM aufgebracht werden?"<br />

Es lassen sich demnach vergleichbare Strukturen wie im Falle der Akquisitionen<br />

identifizieren: In wesentlichen Bereichen der Elektroindustrie wie<br />

der Nachrichtentechnik <strong>und</strong> Telekommunikation sind, um das weitere<br />

Überleben am Markt zu gewährleisten, hohe Investitionsaufwendungen<br />

vor allem im FuE-Bereich zu tätigen. Fusionen <strong>und</strong> Akquisitionen dienen<br />

deshalb dem Ausbau des FuE-Potentials. Zudem dienen sie dem Aufbau<br />

der nötigen Marktmacht, da nur über den Absatz neuer Produkte die Innovationskosten<br />

amortisiert werden können.<br />

9.5 Risiken externen Unternehmenswachstums<br />

Beteiligungen, Akquisitionen <strong>und</strong> Fusionen scheinen anderen Formen der<br />

Kooperation dadurch überlegen zu sein, daß sie trotz des Zugriffs auf externe<br />

Potentiale eine unternehmensinterne Bewältigung von Innovations-,<br />

Nachfrage- <strong>und</strong> Ineffizienzrisiken ermöglichen. Aber neben der Tatsache,<br />

daß sich diese Strategien nicht in allen Fällen friktionslos realisieren lassen,<br />

erwachsen auch aus ihnen neue Risiken.<br />

Die geringsten Probleme resultieren offenbar aus den verschiedenen Formen<br />

der Beteiligung an fremden Unternehmen, da im Unterschied zu Akquisition<br />

oder Fusion diese Maßnahmen im Falle eines Scheiterns relativ<br />

problemlos rückgängig zu machen sind. Ihr Nachteil besteht allerdings in<br />

der Begrenztheit der durch Beteiligungen ermöglichten Verfügungsmacht.<br />

Beteiligungen führen aus diesem Gr<strong>und</strong> nicht selten längerfristig zu Akquisitionen<br />

(Daimler-Benz-AEG, Bosch-Schneider etc.).<br />

114 Asea begrüßt die Nord-Südachse quer durch Europa, FAZ 12.8.87. Für Arbeitsplätze<br />

garantiert der Riese ABB nicht, FR 15.1.88.<br />

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Bei Akquisitionen <strong>und</strong> Fusionen dürften miteinander vergleichbare Probleme<br />

entstehen. Der Kapitalbedarf <strong>und</strong> der Zeitraum bis zur Realisierung<br />

erwarteter Synergieeffekte können leicht unterschätzt werden. Zusätzlich<br />

scheint es notwendig zu sein, den Führungsstil des übernommenen<br />

Unternehmens den eigenen Gepflogenheiten ("Unternehmenskultur") anzupassen,<br />

strategisch notwendige Veränderungsmaßnahmen wie Harmonisierung<br />

von Fertigung <strong>und</strong> Vertrieb <strong>und</strong> Koordinierung der Forschung <strong>und</strong><br />

Entwicklung durchzusetzen. Häufig wird auch in der Wirtschaftsberichterstattung<br />

darauf hingewiesen, daß der Druck schneller Entscheidungen<br />

über die beabsichtigte Akquisition zu Fehlschlägen führen kann, da für<br />

aufwendigere Planungsprozesse nicht ausreichend Zeit zur Verfügung<br />

steht.<br />

Ein in der B<strong>und</strong>esrepublik markantes Beispiel hierfür war die Expansionspolitik der<br />

AEG Anfang der 70er Jahre. Zwischen 1967 <strong>und</strong> 1971 wurden allein 50 neue Firmen<br />

- mitunter ganze Konzerne - aufgekauft. Finanziert wurde diese Strategie mit Krediten;<br />

in drei Jahren vervierfachten sich die Finanzschulden <strong>und</strong> waren ein wesentlicher<br />

Gr<strong>und</strong> für die Insolvenz des Unternehmens. Die Aufkäufe brachten nicht nur<br />

finanzielle Schwierigkeiten, sie führten auch zu ineffizienten Produktionsstrukturen.<br />

Unter dem Eindruck des damals florierenden Konsumgütergeschäfts wurden Unternehmen<br />

wie Linde, Neff, Zanker, Küppersbusch, Witte, Alno <strong>und</strong> BBC aufgekauft,<br />

ohne deren Unternehmensfunktionen wie FuE, Produktion <strong>und</strong> Vertrieb sinnvoll<br />

mit den eigenen Abteilungen koordinieren zu können. "Während die Bosch-<br />

Siemens Hausgeräte GmbH einschließlich Unterhaltungselektronik in vier Fabriken<br />

mit 13.000 Beschäftigten 1981 rd. 2,6 Mrd. DM Umsatz machte, brauchte AEG Telefunken<br />

für einen noch nicht einmal doppelt so großen Umsatz von 4,8 Mrd. DM<br />

zwanzig Fabriken <strong>und</strong> 33.000 Beschäftigte". 115<br />

Ursachen hierfür waren Parallelentwicklungen,<br />

gegenseitige Konkurrenz <strong>und</strong> die Verzettelung der Investitionen. Investitionen<br />

mit längerfristiger Perspektive (Forschung, Ausland) unterblieben. Das<br />

Ergebnis war die Insolvenz des Unternehmens 1982.<br />

9.6 Probleme externer organisationaler Arrangements für die Interessenvertretung<br />

Anhand des empirischen Materials sollte verdeutlicht werden, daß derzeit<br />

aufgr<strong>und</strong> verschiedener externer Arrangements "Unternehmensgruppen"<br />

entstehen, die auf Konzentrations- <strong>und</strong> Monopolisierungsprozesse neuer<br />

Qualität verweisen. Damit gehen weitreichende Strukturveränderungen<br />

115 Glanz <strong>und</strong> Elend eines großen Namens, FAZ 16.4.83.<br />

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auf den Märkten für elektrotechnische <strong>und</strong> elektronische Produkte einher,<br />

<strong>und</strong> zugleich werden die Arbeits- <strong>und</strong> Lebensbedingungen der in der Elektro-<br />

<strong>und</strong> Elektronikindustrie Beschäftigten, die Möglichkeiten betrieblicher<br />

<strong>und</strong> überbetrieblicher Mitbestimmung <strong>und</strong>, auf einer höheren Ebene,<br />

die Einflußchancen von Gewerkschaften <strong>und</strong> sozialen Bewegungen (nicht<br />

zuletzt in bezug auf die Richtung des technischen Fortschritts) stark eingeengt.<br />

Diejenigen Unternehmen, welche in den verschiedenen Kooperationsbeziehungen<br />

als die "unabhängigen" anzusehen sind, können in bezug auf die<br />

Weiterexistenz von Betrieben, die Betriebsgrößen <strong>und</strong> die strategischen<br />

Unternehmensziele (welche Märkte, welches Marktsegment etc.) weitreichende<br />

Entscheidungen treffen, die nicht nur Auswirkungen auf das Management<br />

der "abhängigen" Unternehmen, sondern auch auf die dort bestehenden<br />

Arbeitsbedingungen haben. Die von Aglietta avisierte, "sternförmige<br />

<strong>Unternehmensorganisation</strong>" (Aglietta 1979, S. 257) impliziert<br />

neue Formen der Konkurrenz, als deren Resultat sich Strukturveränderungen<br />

auch in den Beziehungen der Unternehmen untereinander einstellen.<br />

Meist sind die damit verb<strong>und</strong>enen Reorganisationen der internen<br />

<strong>und</strong> externen Unternehmensstruktur mit Konsequenzen für die Zahl der<br />

beschäftigten Arbeitskräfte <strong>und</strong> deren Qualifikationsprofil verb<strong>und</strong>en.<br />

Damit kommen Determinanten betrieblicher Rationalisierungsprozesse<br />

ins Blickfeld, die in der Industriesoziologie oftmals vernachlässigt werden<br />

<strong>und</strong> die für den von uns beschriebenen Modus systemischer Rationalisierung<br />

von großer Bedeutung sind. Ein wesentliches Kennzeichen der verbindlicheren<br />

Formen der Unternehmenskooperation ist beispielsweise ein<br />

rigider Personalabbau, der trotz relativen Wachstums der Umsätze bzw.<br />

der Produktion allein durch organisatorische Maßnahmen möglich wird.<br />

Einige Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit mögen dies verdeutlichen.<br />

1985 erwarb Daimler-Benz 28,7 % des Gr<strong>und</strong>kapitals der AEG. Im selben Jahr<br />

wurde die <strong>Unternehmensorganisation</strong> der AEG entscheidend verändert. Die bisherigen<br />

Unternehmensbereiche des AEG-Konzerns Inland wurden in elf juristisch unselbständige<br />

Geschäftsbereiche <strong>und</strong> in drei juristisch selbständige Tochtergesellschaften<br />

umgewandelt. Im Rahmen dieser Neuordnung kam es im Frühjahr 1987 zu<br />

Reorganisationen des Geschäftsbereichs Marine- <strong>und</strong> Sondertechnik. Die bisherigen<br />

fünf geographisch getrennten Produktionsstätten wurden in zwei Standorten (Hamburg<br />

<strong>und</strong> Wedel) zusammengefaßt. 116<br />

116 AEG faßt Marinetechnik zusammen, FAZ 22.4.87.<br />

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Im Herbst 1987 begann der Konzern, den Bereich Energietechnik neu zu strukturieren.<br />

Damit sollte ein neues Geschäftsfeld "Turbinen, Elektrische Maschinen <strong>und</strong><br />

Kraftwerksanlagen" geschaffen werden, für das innerhalb von drei Jahren Investitionen<br />

in Höhe von 250 Mio. DM geplant waren. Außerdem wurde angekündigt, die<br />

Aktivitäten auf dem Gebiet der Leittechnik im Geschäftsbereich Industrieanlagen<br />

zusammenzufassen. Innerhalb der AEG Kanis wird dies mit einem Abbau von 600<br />

Arbeitsplätzen verb<strong>und</strong>en sein. 117<br />

Ende 1987 wurde ebenfalls damit begonnen, den Bereich Büro- <strong>und</strong> Kommunikationstechnik<br />

zu konzentrieren. 118<br />

Schon 1984 stellte eine Arbeitsgruppe "Olympia"<br />

beim AEG-Vorstand fest, daß Olympia mit neun AEG-Bereichen zusammenarbeiten<br />

könnte, z.B. mit ATM Computer, der Abteilung Informatik oder den beiden<br />

Software-Häusern GEI <strong>und</strong> AST. Synergieeffekte sollten sich bei der Entwicklung<br />

neuer Produkte, beim Vertrieb <strong>und</strong> der Logistik ergeben. 119<br />

Ende 1987 faßte der<br />

Konzern seine Tätigkeiten auf den Gebieten der Büro- Informations- <strong>und</strong> Kommunikationstechnik<br />

in dem neuen Geschäftsbereich AEG Olympia AG zusammen. In<br />

Sachen Kommunikationstechnologie war die AEG bisher an vielen Standorten vertreten.<br />

Die stark auf die Produktion von Schreibmaschinen fixierte Olympia AG tat<br />

sich ohne eine Anbindung an die Kommunikationstechnologie als Systemanbieter<br />

für Büroorganisation überaus schwer <strong>und</strong> produzierte zweistellige Millionenverluste.<br />

Die neue "AEG-Olympia AG" arbeitet mit den Forschungsinstituten von AEG, dem<br />

Bereich "Netze" der AEG Kabel AG <strong>und</strong> anderen Geschäftsbereichen eng zusammen.<br />

Weiterhin ist eine enge Zusammenarbeit mit der Dornier System GmbH auf<br />

büro- <strong>und</strong> kommunikationstechnischem Gebiet vorgesehen. 120<br />

Schwerpunkte ihres<br />

Angebots werden Textverarbeitung <strong>und</strong> Kommunikation, Microcomputer <strong>und</strong> multifunktionale<br />

Arbeitsplatzsysteme, Erkennungssysteme, Briefverteil- <strong>und</strong> Sortiersysteme,<br />

mobile Funktechnik, Sender- <strong>und</strong> Übertragungssysteme sowie Datennetze<br />

sein. Als 100 %ige Tochtergesellschaft der AEG Olympia AG wurde die AEG<br />

Olympia System GmbH gegründet, die vor allem spezielle Systeme <strong>und</strong> Branchenlösungen<br />

der Büro- <strong>und</strong> Kommunikationstechnik sowie "Netzwerke" entwickeln <strong>und</strong><br />

anbieten sollte. Gemäß dem Aufsichtsratsvorsitzenden der Muttergesellschaft<br />

Daimler-Benz, E. Reuter, ist diese Neubildung "aus der geschäftspolitischen Gesamtstrategie<br />

des Daimler-Benz-Konzerns entstanden <strong>und</strong> in diese eingeb<strong>und</strong>en". 121<br />

Die Zahl der Beschäftigten soll bis Ende 1989 um rd. 600 verringert werden, das<br />

sind etwa ein Fünftel der derzeit rd. 3.000 Beschäftigten.<br />

Die Umstrukturierungen des Konzerns werden in Zukunft noch andere Bereiche<br />

betreffen. Als eines der nächsten Felder wird die Kraftfahrzeugelektronik betroffen<br />

sein. Zur Zeit produziert der Konzern Autoelektronik in acht b<strong>und</strong>esdeutschen Fa-<br />

117 AEG-Kommunikation wird zusammengefaßt, Börsen-Zeitung 9.12.87.<br />

118 Das hat uns keiner zugetraut, Industriemagazin 15.9.84.<br />

119 Die Zeit drängt, WirtschaftsWoche, 1.1.88.<br />

120 AEG konzentriert Büro- <strong>und</strong> Kommunikationstechnik, VWD 9.12.87.<br />

121 Die Zeit drängt, WirtschaftsWoche, 1.1.88.<br />

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iken, die zu unterschiedlichen Bereichen - etwa AEG Kabel oder dem Bereich Serienprodukte<br />

- gehören. 122<br />

Ein weiteres markantes Beispiel ist die Umstrukturierung der Alcatel nach dem Zusammenschluß<br />

von CGE <strong>und</strong> ITT. In den spanischen Betrieben Sesa <strong>und</strong> Mesa<br />

(vormals ITT) sollen zwischen 1986 <strong>und</strong> 1989 insgesamt 6.000 von 16.000 Arbeitern<br />

entlassen werden. 123<br />

Die ehemals zu ITT gehörende SEL entließ vor allem in Berlin<br />

<strong>und</strong> Stuttgart 1986 890 Arbeiter, 1987 weitere 700, <strong>und</strong> 1988 sollten ebenfalls 1.100<br />

Stellen gestrichen werden 124<br />

- knapp 5 % der nach dem Verkauf an Nokia verbliebenen<br />

rd. 23.600 Beschäftigten, denn mehr als 8.000 Beschäftigte wurden mit der<br />

Veräußerung der Sparte Unterhaltungselektronik einfach "verkauft". Noch 1986 betonte<br />

SEL, daß alle Arbeitsgebiete unverändert weitergeführt werden sollen. Doch<br />

schon ein Jahr später, am 1.1.88, verkaufte SEL die Sparte Unterhaltungselektronik<br />

an die finnischeNokia. Eine Betriebsvereinbarung, die erst zwei Monate zuvor über<br />

die Sanierung der Unterhaltungselektronik abgeschlossen wurde, wurde damit hinfällig.<br />

125<br />

Nokia reduzierte, nachdem es die Sparte Unterhaltungselektronik übernommen<br />

hatte, im Laufe des ersten Jahres nach der Übernahme die Zahl der Beschäftigten<br />

in den Audio/Video-Werken von 8.000 auf 6.500 bis 7.000. Für 1989<br />

kündigte der neue Leiter der Nokia-Unterhaltungselektronik, Jacques Noel, einen<br />

weiteren Stellenabbau an. 126<br />

Bei Thomson lassen sich die Konsequenzen einer Strategie der Schaffung "optimaler<br />

Betriebsgrößen unter europäischen Bedingungen" verfolgen. Thomson hatte in der<br />

Vergangenheit Firmen wie Saba, Nordmende, Dual <strong>und</strong> Telefunken gekauft <strong>und</strong> war<br />

in der B<strong>und</strong>esrepublik Marktführer im Bereich Unterhaltungselektronik geworden.<br />

1987 übernahm das Unternehmen die britische Ferguson <strong>und</strong> wurde nicht nur<br />

Marktführer in England, sondern rückte auch auf den vierten Platz am Weltmarkt<br />

für Farb-TVs auf. Trotz einer Steigerung der Produktion reduzierte Thomson die<br />

Belegschaft zwischen 1984 <strong>und</strong> 1987 von 36.000 auf 29.000 Mitarbeiter mit der immer<br />

wiederkehrenden Begründung optimaler Betriebsgrößen. 127<br />

In Zukunft werden<br />

bei Nordmende/Bremen von 1.100 Arbeitern 300 übrig bleiben. Noch 1988 sollen in<br />

Frankreich drei Werke mit mehr als 1.000 Arbeitsplätzen geschlossen, die Fertigung<br />

122 Nokia streicht kräftig Stellen, FR 17.1.89.<br />

123 CGE awaits a spanish guarantee, Financial Times 6.4.87. Ein neuer Telefonbauriese<br />

ist geboren, SZ 31.12.86.<br />

124 SEL sieht Fortbestand nicht gefährdet, FR 4.8.86. SEL fühlt sich nachhaltig<br />

stärker, SZ Mai 87. Weitere Konsolidierung in der europäischen Unterhaltungselektronik,<br />

NZ 12.12.87.<br />

125 Protest gegen Übernahme von SEL durch Nokia, FAZ 15.12.87. Schwere<br />

Vorwürfe gegen den Vorstand, Handelsblatt 21.12.87. Harsche Kritik am Verkauf<br />

von Nokia, FAZ 23.12.87.<br />

126 Nokia streicht kräftig Stellen, FR 17.1.89.<br />

127 Thomson wird bei Ferguson Marktführer auch noch in England, FAZ 20.6.87.<br />

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nach Italien verlagert werden. 128<br />

In der B<strong>und</strong>esrepublik fanden weitreichende Veränderungen<br />

der Produktionsorganisation statt, die sich mit dem Begriff der "simulierten<br />

Fabrik" umschreiben läßt (vgl. Düll, Bechtle 1988). Diese Reorganisation des<br />

gesamten Ablaufs der Produktion wird von einer gr<strong>und</strong>legenden Restrukturierung<br />

der FuE-Organisation begleitet, die ebenfalls in nennenswertem Umfang - hochqualifizierte<br />

- Arbeitskräfte einspart (s. Kapitel 4).<br />

Auch die Fusion der schwedischen ASEA <strong>und</strong> der schweizerischen BBC zur ABB zu<br />

Beginn des Jahres 1988 blieb nicht ohne Auswirkungen auf die Beschäftigten. Da<br />

das Lohnniveau für hochqualifizierte Arbeitskräfte in Schweden um 50 % unter dem<br />

der Schweiz liegt, werden diese Unterschiede zu einem konzerninternen Wettbewerb<br />

genutzt. Die schwedischen Unternehmensteile erhalten die arbeitsintensiven<br />

Aufträge - Einzel- <strong>und</strong> Kleinstserienfertigung im Turbinengeschäft. Alle stehenden<br />

Teile werden nach Mannheim verlagert, so daß in der Schweiz nur noch die beweglichen<br />

Teile <strong>und</strong> nicht mehr ganze Anlagen hergestellt werden können. Allein in Baden,<br />

einem traditionellen Standort der alten BBC, kostet die Umstrukturierung<br />

2.500 Arbeitsplätze (Turbinenfabrik). Begründet wird die Verlagerung mit der Parallelfabrikation<br />

in Mannheim <strong>und</strong> Baden sowie einem zu geringen Diversifikationsgrad<br />

in Baden. Zu lange habe die alte BBC auf den stagnierenden Kraftwerksbau<br />

gesetzt. In Schweden dagegen sei die Diversifizierung seit Anfang der 70er Jahre<br />

erfolgreich verlaufen; beispielsweise produziert ABB dort 2.000 Roboter pro Jahr.<br />

In der B<strong>und</strong>esrepublik - größter nationaler Produktionsstandort mit 40.000 Beschäftigten<br />

- sollen 4.000 Beschäftigte abgebaut werden; insbesondere im größten Werk<br />

in Mannheim (z.Z. 7.000 Beschäftigte).<br />

In allen genannten Fällen stellt sich das Problem einer konzernübergreifenden<br />

bzw. internationalen Interessenvertretung. In aller Regel existiert<br />

nicht einmal eine gesamteuropäische Belegschaftsvertretung. Weitab vom<br />

betrieblichen Geschehen werden von den Konzernleitungen die zentralen<br />

Entscheidungen getroffen, auf die die betroffenen Betriebsräte keinen<br />

Einfluß haben (zu Problemen überbetrieblicher Interessenvertretung vgl.<br />

Altmann, Düll 1987).<br />

9.7 Resumee<br />

"These developments, not surprisingly, are particular^ common in technology-intensive<br />

industries (...). Both the motivations for collaboration and<br />

the organizational forms that result are quite varied. Firms pursue cooperative<br />

agreements in order to gain fast access to new technologies or new<br />

markets, to benefit from economies of scale in joint research and/or pro-<br />

128 Thomson wird bei Ferguson Marktführer auch noch in England, FAZ 20.6.87.<br />

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duction, to tap into sources of know-how located outside the bo<strong>und</strong>aries of<br />

the firm, and to share the risks for activities that are beyond the scope or<br />

capability of a single organization" (Powell 1990, S. 315).<br />

Die analytisch differenzierten Beschreibungen dieses Kapitels über externe<br />

organisatorische Arrangements haben unter Rückgriff auf allgemein<br />

zugängliches Material zeigen sollen, daß die verschärften Anforderungen<br />

des Marktes an die Unternehmen (steigende Komplexität der Produkte,<br />

erhöhte Variantenzahl, stärkerer Preis- <strong>und</strong> Kostendruck <strong>und</strong> verkürzte<br />

Produktlebenszyklen) sowie zyklische konjunkturelle Schwankungen es<br />

diesen vielfach geraten erscheinen lassen, die Produktion von Gütern, vor<br />

allem aber die Erzeugung neuer Technologien in einer Organisationsform<br />

voranzutreiben, die sich stark auf externe Ressourcen stützt. Dabei bilden<br />

sich neuartige organisationsübergreifende Arrangements heraus, die sich<br />

zum Teil mit dem Begriff des Netzwerks beschreiben lassen. 129<br />

Die Unternehmen, die auf diese Strategien zurückgreifen, sind daran interessiert,<br />

über die Gestaltung von Austauschbeziehungen mit anderen<br />

Organisationen ihre Flexibilität <strong>und</strong> ihr Innovationspotential zu erhöhen,<br />

die eigene Kostenstruktur zu verbessern, Risiken auf andere Unternehmen<br />

zu verlagern (Child 1987) <strong>und</strong> sich im internationalen Raum neue<br />

Märkte zu eröffnen. Neuartige Arrangements dieses Typs umfassen neben<br />

unternehmensübergreifenden Formen der arbeitsteilig organisierten Produktion<br />

130<br />

auch betriebsübergreifende Produktionsverbünde, in denen<br />

verschiedene Prozesse unternehmensintern bestimmten Betrieben zugeordnet<br />

werden. Die im Wege der vertikalen oder horizontalen Integration<br />

geschaffenen unternehmensinternen organisationalen Arrangements haben<br />

bereits eine gewisse Tradition (vgl. Chandler 1977) <strong>und</strong> standen deshalb<br />

nicht im Zentrum unserer Darstellung. Konzentriert haben wir uns<br />

vielmehr darauf, in analytischer Perspektive zu rekonstruieren, wie sich<br />

die Risikovermeidungsstrategie einer Externalisierung bzw. eines Rück-<br />

129 Die Zahl der Ansätze, die bei der Erklärung unternehmensübergreifender<br />

Kooperationsbeziehungen auf den Begriff des Netzwerks rekurrieren, nimmt<br />

ständig zu. Dabei wird die von Williamson eingeführte, entlang eines Kontinuums<br />

zwischen markt- <strong>und</strong> hierarchieförmigen Beziehungen konstruierte Unterscheidung<br />

als zu mechanistisch kritisiert <strong>und</strong> die Eigenständigkeit des sozialen<br />

Phänomens "Netzwerk" betont (vgl. Powell 1990, S. 299).<br />

130 Der Begriff der Produktion umfaßt nach unserem Verständnis materielle <strong>und</strong><br />

immaterielle Produktionsprozesse.<br />

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griffs auf externe Ressourcen (gleich welcher Art: Wissen, Technologie,<br />

Kapital etc.) als Maßnahme erweist, die Risiken auf gleichsam erweiterter<br />

Stufenleiter produziert.<br />

Wichtig scheint uns an der in diesem Kapitel entwickelten Typologie ihre<br />

gleichsam durch den wachsenden Grad an Verbindlichkeit konstituierte<br />

Logik: von den verschiedenen Arten externer Kooperation über joint-ventures<br />

bis hin zu den verschiedenen Formen des externen Unternehmenswachstums.<br />

Vermittelt wurde diese Zuordnung nicht allein über die<br />

Williamson'sche Alternative "Markt" oder "Hierarchie", sondern auch über<br />

den Risikobegriff von Child, den wir in Abschnitt 3.6 aufgenommen haben.<br />

Hinzu trat die Überlegung, daß die Strategie einer Schaffung von "negotiated<br />

environments" (Cook 1977) aufgr<strong>und</strong> potentiell divergierender Interessenlagen<br />

der Beteiligten mit Notwendigkeit zu Verhältnissen führt, die<br />

eine gewisse Instabilität beinhalten. Wir sind also in unserer Darstellung<br />

von der Hypothese einer "Risikospirale" ausgegangen, ohne allerdings unsere<br />

ursprünglich vertretene Auffassung beizubehalten, derzufolge dem<br />

Trend zu externen organisationalen Arrangements aufgr<strong>und</strong> der diesen<br />

inhärenten, prinzipiellen Unsicherheiten perspektivisch ein Trend der<br />

Reinternalisierung folge (vgl. Bieber, Brandt, Möll 1987; Bieber, Möll<br />

1989). Diese These ließ sich nicht aufrechterhalten, weil die Aufarbeitung<br />

des empirischen Materials deutlich gemacht hat, daß die in diesen unternehmensübergreifenden<br />

Arrangements dominanten Unternehmen in den<br />

verschiedenen Formen externer organisationaler Arrangements durchaus<br />

über ausreichende Markt-, Macht- <strong>und</strong> wissenschaftlich-technische Potentiale<br />

zur Absicherung bzw. zum Ausbau ihrer Position verfügen (vgl. Bieber,<br />

Sauer 1991; Bieber 1992), eine Reinternalisierung also nicht in jedem<br />

Falle notwendig ist.<br />

Die vorstehenden Ausführungen haben darüber hinaus zeigen sollen, daß<br />

die Einführung <strong>und</strong> Durchsetzung unternehmensübergreifender Organisationsstrukturen<br />

für die Unternehmen die (häufig genutzte) Chance bietet,<br />

extern wie intern funktionsübergreifende, integrative Mechanismen zu<br />

stärken. Wenn also Unternehmen bei der Verfolgung ihrer Geschäftstätigkeit<br />

auf außerhalb ihres unmittelbaren Zugriffsbereichs liegende Ressourcen<br />

zurückgreifen <strong>und</strong> diese Strategie quantitativ an Bedeutung gewinnt,<br />

so ändert sich nicht nur die Qualität ihrer Außenkontakte, sondern<br />

auch die "interne Umwelt" der Unternehmen selbst. Es werden davon etwa<br />

die Machtpositionen einzelner Unternehmensfunktionen tangiert, die<br />

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"dominant coalition" (Child) eines Unternehmens wird sich mit einiger<br />

Wahrscheinlichkeit anders zusammensetzen, Aufbau- <strong>und</strong> Ablauforganisation<br />

des Unternehmens können sich einschneidend verändern. Externe<br />

Kooperation hat also nicht nur Wirkungen nach "außen", sondern schlägt<br />

ebenso nach "innen" durch <strong>und</strong> wird häufig durch unternehmensinterne<br />

Reorganisations- <strong>und</strong> Rationalisierungsmaßnahmen begleitet.<br />

Im Rahmen der Etablierung <strong>und</strong> Verbreitung neuartiger organisatorischer<br />

Arrangements kommt nach unserem Eindruck dem Umgang mit dem Faktor<br />

Zeit eine wachsende Bedeutung zu (s. Kapitel 8). Verkürzte Produkt<strong>und</strong><br />

Prozeßlebenszyklen führen dazu, daß zum einen die Zeit, die ein Produkt<br />

bis zur Serien- bzw. Marktreife braucht ("time to market"), einschneidend<br />

verkürzt werden muß, <strong>und</strong> daß zum anderen alle wichtigen internationalen<br />

Märkte gleichzeitig bedient werden müssen, wenn sich die<br />

gestiegenen Innovationskosten amortisieren sollen. Dieser Zeitdruck wird<br />

durch die vom Markt geforderte zunehmende Komplexität der Produkte<br />

<strong>und</strong> die wachsende Variantenvielfalt noch zusätzlich verschärft, weil diese<br />

die Bewältigung von größeren Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungsanstrengungen<br />

in kürzerer Zeit notwendig machen. Dies wiederum erfordert die verstärkte<br />

Nutzung der Ressourcen aller in die Kooperationsvorhaben eingeb<strong>und</strong>enen<br />

Unternehmen. Da auch die Risiken technologischer Entwicklungen<br />

zunehmen, drängen sich dazu Formen der externen Entwicklungskooperation<br />

auf.<br />

Die wachsende Bedeutung der Gestaltung überbetrieblicher Produktionsprozesse<br />

in der Perspektive systemischer Rationalisierung <strong>und</strong> der wachsende<br />

Zeitdruck führen dazu, daß von den Unternehmen organisatorische<br />

Arrangements gef<strong>und</strong>en werden müssen, die es erlauben, die zentralen<br />

Unternehmensrisiken integrativ zu bewältigen. Unsere These ist, daß auch<br />

die unternehmensübergreifende Arbeitsteilung nicht im Rahmen eines<br />

Modells der linearen Abfolge der verschiedenen, aufeinander bezogenen<br />

Arbeitsschritte (sequentielles Modell), sondern nur als Ausdruck netzwerkförmig<br />

organisierter simultaner <strong>und</strong> paralleler Abarbeitung verschiedenster<br />

Problemlagen interpretierbar ist (Modell reziproker Interdependenz<br />

- s. Abschnitt 3.3).<br />

Die hier beschriebenen Prozesse unternehmensübergreifender Reorganisation<br />

<strong>und</strong> Rationalisierung sind ein Resultat von Planungen des Manage-<br />

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ments. Ein erweiterter Rückgriff auf externe Ressourcen kann deshalb als<br />

Ergebnis einer systematischen <strong>und</strong> geplanten Rationalisierungsstrategie<br />

verstanden werden. Wie aber die zahlreichen Meldungen über das Scheitern<br />

derartiger Vorhaben belegen, kann dabei nicht von einem reibungslosen<br />

Ablauf ausgegangen werden. Wir vermuten deshalb, daß sich die Bildung<br />

von interorganisatorischen Arrangements bis hin zu "strategischen"<br />

Netzwerken (Sydow 1992) nur dann als attraktive Rationalisierungsstrategie<br />

erweist, wenn mit der sukzessiven Durchsetzung externer Kooperation<br />

<strong>und</strong> den damit sich verbindenden betrieblichen Reorganisationsmaßnahmen<br />

die Lernprozesse innerhalb des Managements eine neue Qualität erreichen.<br />

Dieses wird in immer stärkerem Maße "genötigt", systemische<br />

Momente zum direkten Bezugspunkt betrieblicher <strong>und</strong> betriebsübergreifender<br />

Rationalisierungsaktivitäten zu machen. Nach unserem Eindruck -<br />

immer häufiger ist von Unternehmen als "lernende Organisationen" die<br />

Rede (vgl. Sattelberger 1991) - ist in vielen Fällen ein Reflexiv-Werden<br />

von Unternehmensstrategien festzustellen (intentionales Handeln bezieht<br />

sich bewußt auf die vorgängigen Resultate seiner selbst). Unternehmen<br />

beginnen heute, systematischer als früher zu "lernen" (Deutschmann<br />

1989).<br />

Es ist davon auszugehen, daß die Möglichkeiten zum Aufbau weiterreichender<br />

Planungskompetenz <strong>und</strong> die Chancen, sie auch zu realisieren, sich<br />

vor allem in den Gravitationszentren solcher organisatorischer Arrangements<br />

finden werden. Durchgreifende Planungskompetenz hängt stark von<br />

der Verfügung über verschiedene Machtpotentiale ab. Soweit Planungskompetenz<br />

auch in Beziehung zur Entscheidungskompetenz steht, ist die<br />

Frage, an welchen Orten sie sich konzentriert <strong>und</strong> welche Verlagerungsprozesse<br />

dabei stattfinden, von hoher Bedeutung für die Debatte über veränderte<br />

politische Interventions- <strong>und</strong> Gestaltungsmöglichkeiten in betriebliche<br />

Rationalisierungsprozessen.<br />

Abschließend sollen einige knappe Thesen zu den gesellschaftlichen Implikationen,<br />

den Chancen <strong>und</strong> Risiken unternehmensübergreifender Arrangements<br />

vorgestellt werden.<br />

(1) Externe organisatorische Arrangements, die bis zur Bildung von strategischen<br />

Netzwerken oder von Produktionsnetzwerken reichen kön-<br />

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nen, 131<br />

stellen keine Überwindung der Massenproduktion dar, sondern<br />

dienen einer Modifikation derselben.<br />

(2) Auch das organisational Arrangement des Großunternehmens ist<br />

damit einstweilen noch nicht an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit gekommen.<br />

Zwar sind in der Industriesoziologie im Zusammenhang mit einer<br />

zunehmend netzwerkförmigen Organisation der Ökonomie derartige<br />

Vorstellungen durchaus präsent (vgl. Mill, Weißbach 1992). Es stellt sich<br />

aber die Frage, ob der Trend zu desintegrierten, dezentralen <strong>und</strong> vernetzten<br />

Strukturen tatsächlich mit einem Machtverlust der Zentralen verb<strong>und</strong>en<br />

ist, wie immer wieder behauptet wird. 132<br />

Der Formwandel <strong>und</strong> das<br />

Scheitern vieler externer organisationaler Arrangements verweist unserer<br />

Auffassung nach auf Beziehungen zwischen den beteiligten Unternehmen,<br />

bei denen "mutual trust" <strong>und</strong> "mutual benefits" durch gegenseitiges<br />

Mißtrauen <strong>und</strong> einseitige Übervorteilung konterkariert werden.<br />

(3) Einmütigkeit herrscht in den Wirtschafts- <strong>und</strong> Sozialwissenschaften<br />

darüber, daß hochgradig vertikal integrierte Unternehmen gut gerüstet<br />

waren, Aufgaben wahrzunehmen, die durch Verfahren der standardisierten<br />

industriellen Massenproduktion bei weitgehend normierten K<strong>und</strong>enwünschen<br />

in einer nicht durch raschen technischen Fortschritt geprägten<br />

Umwelt zu charakterisieren sind. In dem Moment aber, wo sich die Nachfrage<br />

erheblich differenziert, die technologisch vermittelte Konkurrenz<br />

sich verschärft, weitere Rationalisierungserfolge in der materiellen Produktion<br />

sowie Erfolge bei der immateriellen Produktion von Produkt- <strong>und</strong><br />

Prozeßinnovationen sich nur noch mit exorbitant hohen Investitionen erzielen<br />

lassen, werden die strategische Konzentration auf Kernaktivitäten<br />

sowie die vertikale Desintegration zu neuen Rationalisierungsmitteln -<br />

wenn nicht zu neuen Rationalisierungszielen.<br />

131 In der wissenschaftliche Diskussion dominiert bei der Auseinandersetzung<br />

über Netzwerke der Begriff des "strategischen Netzwerks". Darunter fallen einige<br />

der Kooperationsformen, die wir in diesem Kapitel behandelt haben. Daneben<br />

gibt es den Begriff der "Produktionsnetzwerke", den Mitarbeiter des <strong>ISF</strong><br />

<strong>München</strong> in die Diskussion gebracht haben (vgl. Deiß, Döhl 1992). Darunter<br />

sind verbindliche Formen der netzwerkförmig organisierten Produktion zu verstehen,<br />

also technisch-organisatorisch eng verb<strong>und</strong>ene Produktionssysteme<br />

(Bieber 1992).<br />

132 G. Brandt hat in seiner Auseinandersetzung mit Piore <strong>und</strong> Sabel ähnliche<br />

Vorbehalte angemeldet (vgl. Brandt 1986b).<br />

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(4) Externe organisatorische Arrangements können als Versuch verstanden<br />

werden, die "effektive Unternehmensgrenze" (Williamson 1985) so zu<br />

ziehen, daß Eigentum <strong>und</strong> tatsächliche Verfügung über Produktionsmittel<br />

auseinanderfallen. Dazu wiederum ist es aus Sicht der dominanten Unternehmen<br />

sinnvoll, das bestehende Machtgefälle, das unter anderem aus der<br />

Unternehmensgröße resultiert, zu nutzen. Die Chancen, eigene Interessen<br />

in den vernetzten Strukturen durchsetzen zu können, sind nicht gleich verteilt.<br />

(5) Die Konkurrenzverhältnisse werden eine einschneidende Veränderung<br />

erfahren, da zukünftig nicht mehr einzelne Kapitale, sondern in immer<br />

stärkerem Umfang Netzwerke gegeneinander konkurrieren werden. Die<br />

Position des einzelnen Unternehmens wird verstärkt davon abhängen, in<br />

welche Netzwerke es in welchem Umfang <strong>und</strong> auf welche Weise eingeb<strong>und</strong>en<br />

ist. Dadurch werden kleinere <strong>und</strong> mittlere Unternehmen daran interessiert,<br />

am Erfolg der dominanten Unternehmen mitzuwirken, denn<br />

deren Stärke wird für das eigene Überleben wichtig. Folglich kann es für<br />

bestimmte Unternehmen sinnvoll sein, sich bewußt als abhängiges Unternehmen<br />

zu definieren <strong>und</strong> Autonomieverluste in Kauf zu nehmen, um die<br />

eigene Autonomie zu wahren. Aber auch Großunternehmen versuchen,<br />

durch das Überschreiten von Unternehmensgrenzen auf den Märkten<br />

neue Maßstäbe zu setzen (offensive Variante) oder das eigene Überleben<br />

zu sichern (defensive Variante). In jedem Fall werden damit Branchen<strong>und</strong><br />

Marktstrukturen berührt: "And, in some circumstances, large firms<br />

are joining together to create 'global Strategic partnerships' (...) that shift<br />

the very basis of competition to a new level - from firm vs. firm to rival<br />

transnational groupings of collaborators" (Powell 1990, S. 314).<br />

(6) Bei der Gestaltung unternehmensübergreifender Netzwerke läßt sich<br />

in bezug auf die in der Theoriebildung beständig gegeneinander gestellten<br />

Alternativen Markt oder Hierarchie keine eindeutige Tendenz feststellen.<br />

Je nach Situation, allgemeiner Unternehmensstrategie, Größe der beteiligten<br />

Unternehmen, spezifisch nationalen Bedingungen (Kartellgesetze, industrielle<br />

Beziehungen) etc., lassen sich unterschiedliche Formen externer<br />

organisationaler Arrangements identifizieren. Aussagen, die eine eindeutige<br />

Entwicklungsrichtung in die eine oder andere Richtung postulieren,<br />

sind somit zumindest in der Elektro- <strong>und</strong> Elektronikindustrie empirisch<br />

nicht gedeckt.<br />

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(7) Die in diesem Kapitel thematisierten gesellschaftlichen Voraussetzungen<br />

<strong>und</strong> Folgen der Bildung von verschiedenen Formen unternehmensübergreifender<br />

Arrangements haben durchgreifende Wirkungen auf die<br />

Möglichkeiten der Interessenvertretung für die abhängig Beschäftigten.<br />

Diese Folgen sind nach unserem Eindruck bislang weder in der politischen<br />

<strong>und</strong> gewerkschaftlichen Diskussion hinreichend erkannt noch im Rahmen<br />

wissenschaftlicher Diskurse in der gebührenden Weise thematisiert worden.<br />

(8) Schließlich ist eine theoretische Forderung zu nennen, die wir selbst<br />

allerdings auch noch nicht erfüllen konnten: Der im "Münchner" Strategiebegriff<br />

bislang dominierende Bezug auf den einzelnen Betrieb (Bechtle<br />

1980) müßte auf die Ebene von interorganisatorischen Arrangements ausgeweitet<br />

werden, um die Position von Betrieben <strong>und</strong> Unternehmen in<br />

Netzwerken <strong>und</strong> die sich daraus ergebenden Konsequenzen für ihre "Strategiefähigkeit",<br />

für die dort beschäftigten Arbeitskräfte etc. präzise bestimmen<br />

zu können. Daneben müßte erörtert werden, ob die gängige industriesoziologische,<br />

zumindest dem Münchner <strong>und</strong> Frankfurter Ansatz immanente<br />

Rationalitätsvermutung in bezug auf das Management zutrifft.<br />

Auf den in diesem Kapitel untersuchten Phänomenbereich bezogen impliziert<br />

dies die Frage, ob die von uns entwickelte Hypothese einer immer<br />

häufiger <strong>und</strong> immer stärker auf externe Ressourcen sich stützende Strategie<br />

der Risikobewältigung mit der Beobachtung verträglich ist, daß Unternehmen<br />

trotz gegebener Möglichkeiten sich nicht notwendig für die "objektiv"<br />

beste Strategie entscheiden müssen. Was in einer bestimmten historischen<br />

Situation unternehmensstrategisch "richtig" oder "rational" ist, erweist<br />

sich - wie man aus der Diskussion des situativen Ansatzes in der Organisationsforschung<br />

lernen kann (s. Abschnitt 3.3) - immer erst ex post.<br />

In kapitalistisch verfaßten Gesellschaften sind alle Anstrengungen einer<br />

bewußten Planung der Markt-, Technologie- <strong>und</strong> Unternehmensentwicklung<br />

mit dem Problem konfrontiert, daß auch die rationalste Strategie sich<br />

noch als Moment des Scheiterns erweisen kann.<br />

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TeilE<br />

Geht der Industriesoziologie<br />

die Arbeit aus?<br />

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10. Innovation, Organisation <strong>und</strong> Industriesoziologie<br />

Ein Resümee<br />

10.1 Zweifel am traditionellen Rationalisierungsverständnis der<br />

Industriesoziologie<br />

Wie man aus der Biologie lernen kann, besitzt die Untersuchung des Verhaltens<br />

eines isolierten Individuums aus einer hochvergesellschafteten<br />

Gattung wie etwa den Ameisen nur geringen Erkenntniswert, da sich nur<br />

ein ganzer Ameisenstaat wirklich "ameisenhaft" verhält. Nach unserem<br />

Eindruck verhält es sich bei der Untersuchung von einzelnen Arbeitsplätzen<br />

oder auch einzelnen Abteilungen in modernen Industrieunternehmen<br />

ganz ähnlich. Angesichts der zunehmenden Einführung <strong>und</strong> Vernetzung<br />

informationstechnologischer Systeme sowie der forcierten Etablierung abteilungs-,<br />

betriebs- <strong>und</strong> unternehmensübergreifender organisatorischer<br />

Arrangements werden industriesoziologische Forschungsstrategien, die<br />

sich auf Einzelarbeitsplätze oder eine einzelne Abteilung konzentrieren,<br />

defizitär. 1<br />

Um sich nicht den Vorwurf einzuhandeln, einem Naturforscher<br />

zu gleichen, der das Verhalten einzelner Ameisen untersucht, ohne sich<br />

für den Ameisenhaufen zu interessieren, muß die Industriesoziologie ihr<br />

traditionelles Untersuchungsfeld erweitern <strong>und</strong> sich der Erforschung organisatorischer<br />

Probleme des Gesamtunternehmens zuwenden (Brandt<br />

1987). Erst vor diesem Hintergr<strong>und</strong> ist auch eine Beantwortung der Frage<br />

möglich, ob die Rationalisierung der unmittelbaren Produktion noch immer<br />

den überragenden Stellenwert besitzt, den ihr weite Teile der industriesoziologischen<br />

Forschung zumessen, oder ob sich in dieser Hinsicht<br />

zumindest bei bestimmten Unternehmenstypen ein Wandel abzeichnet.<br />

Es ist durchaus offen, ob sich wesentliche Aufschlüsse über heute bereits<br />

umgesetzte <strong>und</strong> zukünftig noch an Bedeutung gewinnende Rationalisierungs-<br />

<strong>und</strong> Innovationsstrategien in der Industrie allein durch einen "er-<br />

1 "Was heute, wie es scheint, gefragt ist, ist nicht mehr Forschung über einzelne<br />

Arbeitsprozesse <strong>und</strong> Arbeitsbedingungen, sondern über Strukturen horizontaler<br />

<strong>und</strong> vertikaler Arbeitsteilung in <strong>und</strong> zwischen Unternehmen <strong>und</strong> deren Veränderungen"<br />

(Deutschmann 1989, S. 374; Hervorhebungen im Original).<br />

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weiterten methodischen Zugriff 1<br />

(Schumann u.a. 1989), wie er beispielhaft<br />

am Göttinger SOFI mit Hilfe von sogenannten "Breitenerhebungen" versucht<br />

wird, gewinnen lassen. Wenn dort vom Wandel der Konzepte betrieblicher<br />

Rationalisierung die Rede ist, dann wird dabei an der traditionellen<br />

Konzentration auf das Produktionsgeschehen festgehalten. 2<br />

Eine<br />

solche Konzeption läuft nach unserer Ansicht Gefahr dazu beizutragen,<br />

daß die Industriesoziologie nur immer mehr über immer weniger weiß.<br />

Notwendig <strong>und</strong> erfolgversprechender zu sein scheint uns dagegen ein erweiterter<br />

thematischer <strong>und</strong> konzeptioneller Zugriff, der die Ebenen der<br />

Betriebs- <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong> sowie der interorganisatorischen<br />

Beziehungen in die industriesoziologische Analyse einbezieht <strong>und</strong> dabei<br />

auch den Bedingungen <strong>und</strong> Veränderungen in der Dimension der Unternehmenspolitik<br />

Beachtung schenkt. Nur auf diese Weise läßt sich dem<br />

Umstand Rechnung tragen, daß die Dynamik der industriellen Entwicklung<br />

nicht mehr allein mit Blick auf die unmittelbare Produktionsarbeit zu<br />

erfassen ist. Gerade dann, wenn die zeitliche, organisatorische <strong>und</strong> technische<br />

Integration vormals getrennter Unternehmensaktivitäten (FuE, Produktion,<br />

Marketing <strong>und</strong> Vertrieb) zunehmend ins Zentrum industrieller<br />

Strategien rückt, bedarf es selbst bei bereichsspezifisch orientierten Analysen<br />

einer die Gesamtorganisation einbeziehenden Perspektive, um zu<br />

verläßlichen Interpretationen zu gelangen.<br />

Noch in der ersten Hälfte der 80er Jahre war es für Industriesoziologen<br />

alles andere als selbstverständlich, die Frage nach veränderten Formen<br />

der <strong>Unternehmensorganisation</strong> aufzuwerfen. Die Diskussion über Gründe<br />

<strong>und</strong> Kriterien für die Entwicklung <strong>und</strong> Wahl von Unternehmensstrukturen<br />

blieb der betriebswirtschaftlichen <strong>und</strong> wirtschaftshistorischen Organisationsforschung<br />

überlassen. 3<br />

Erst seit Mitte der 80er Jahre zielen einige industriesoziologische<br />

Ansätze, die den aktuellen Entwicklungstendenzen in<br />

2 Immerhin wird an einer Stelle eingeräumt, daß es in der Chemischen Industrie<br />

für die Behauptung am Markt in vielen Bereichen entscheidender sei, "in Forschung<br />

<strong>und</strong> Entwicklung die Nase vorn zu haben, als in der Produktion die letzten<br />

Rationalisierungsreserven zu erschließen" (Schumann u.a. 1989, S. 57).<br />

3 Es ist durchaus bemerkenswert, daß für Autoren wie Chandler <strong>und</strong> seine Kollegen<br />

(Chandler, Daems 1980) die Entwicklungsgeschichte der modernen <strong>Unternehmensorganisation</strong><br />

ohne Berücksichtigung des Formwandels der Organisation<br />

kapitalistischer Arbeitsprozesse geschrieben werden kann. Man kann hier<br />

durchaus von einer komplementären wissenschaftlichen Blindheit von Industriesoziologie<br />

<strong>und</strong> Organisationsforschung sprechen.<br />

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der Industrie unter dem Stichwort "systemische Rationalisierung" nachspüren,<br />

auf eine Berücksichtigung umfassenderer technisch-organisatorischer<br />

Zusammenhänge (s. Kapitel 4). Bemerkenswert ist freilich nicht so<br />

sehr, daß sich die Industriesoziologie inzwischen mit "systemischen", nicht<br />

mehr an einzelnen Arbeitsplätzen ansetzenden Rationalisierungsstrategien<br />

beschäftigt. Viel interessanter ist die Frage, wie dies geschieht. Bei genauerem<br />

Hinsehen zeigt sich nämlich, daß die traditionelle Orientierung<br />

nach wie vor die bestimmende Rolle spielt. So kann oftmals nur schwer<br />

oder gar nicht der Versuchung widerstanden werden, bei allen Überlegungen<br />

weiterhin die Fertigung in den Mittelpunkt zu stellen. Dementsprechend<br />

werden Unternehmen meist einseitig als Technikanwender begriffen,<br />

denen die technisch-wissenschaftliche Entwicklung eine Reihe von<br />

neuen Produktions-, Organisations- <strong>und</strong> Steuerungstechnologien zur Verfügung<br />

stellt, mit deren Hilfe Rationalisierungsmaßnahmen initiiert werden<br />

können. Die Rolle von Unternehmen als Technikentwickler - insbesondere<br />

die Strategie der Produktinnovation - findet demgegenüber sehr<br />

viel weniger Beachtung. Als Konsequenz ergibt sich daraus, daß trotz der<br />

im Begriff der systemischen Rationalisierung angelegten Ausweitung des<br />

Blicks auf die gesamte <strong>Unternehmensorganisation</strong> weiterhin an der Dominanz<br />

der materiellen Produktion festgehalten <strong>und</strong> gar nicht erst die<br />

Frage aufgeworfen wird, ob nicht in wichtigen Industriezweigen <strong>und</strong> Unternehmen<br />

längst andere Rationalisierungsfelder an Bedeutung gewonnen<br />

haben oder gar zum zentralen Thema geworden sind. Nimmt man dagegen<br />

die von aufmerksamen Beobachtern in den zurückliegenden ein bis zwei<br />

Jahrzehnten registrierten Veränderungen der Sozialstruktur organisierter<br />

Industriearbeit 4<br />

ernst, scheint es gute Gründe dafür zu geben, die Frage<br />

nach neuen Rationalisierungsschwerpunkten auf die Tagesordnung der industriesoziologischen<br />

Forschung zu setzen.<br />

Nicht nur nach unserem Eindruck ist das traditionelle Rationalisierungsverständnis<br />

der Industriesoziologie ihrem Gegenstand längst nicht mehr<br />

4 "Mit Arbeiten in der 'unmittelbaren Produktion' materieller Güter sind in vielen<br />

Industrieunternehmen nur noch 10 bis 15 % der Beschäftigten befaßt. Der<br />

größte Teil der Facharbeiter ist in Vertrieb <strong>und</strong> Wartung, Forschung <strong>und</strong> Entwicklung,<br />

Ingenieurwesen <strong>und</strong> Werkstätten tätig, also nicht mehr in der Fertigung.<br />

Zugleich liegt der Anteil der Angestellten in vielen Industrieunternehmen<br />

inzwischen bei 65 % <strong>und</strong> sogar darüber. Die Zahl der Hochschul- <strong>und</strong> Fachhochschulabsolventen<br />

ist in wichtigen Hochtechnologie-Unternehmen teilweise<br />

bereits größer als die der Facharbeiter" (Hack 1988, S. 25).<br />

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angemessen. In jüngster Zeit haben zahlreiche Industriesoziologen darauf<br />

hingewiesen, daß dieses Verständnis stark am Taylorismus orientiert, war<br />

<strong>und</strong> betriebliche Rationalisierung dementsprechend eingeschränkt als Effektivierung<br />

des (materiellen) Produktionsprozesses verstanden wurde<br />

(Engfer 1989; Wittke 1990). Wie wir gesehen haben, trifft diese Feststellung<br />

ein gutes Stück weit auch noch auf diejenigen Untersuchungen zu, die<br />

dem Verlauf <strong>und</strong> den Auswirkungen "systemischer Rationalisierungsmaßnahmen"<br />

nachgehen (s. Kapitel 4). Selbst die an sich sehr hilfreichen Vorschläge,<br />

dem breiten Spektrum "betrieblicher «Rationalisierungsmöglichkeiten»<br />

dadurch Rechnung zu tragen, in dem man "betriebliche Modernisierungsprozesse<br />

<strong>und</strong> -Strategien nach ihren jeweiligen Rationalisierungsgegenständen<br />

bzw. Rationalisierungsebenen" unterscheidet (Pries 1988, S.<br />

29), 5 leiden darunter, den solcherart erweiterten Blickwinkel allzu schnell<br />

wieder auf die materiellen Produktionsprozesse zu verengen. So richtig es<br />

z.B. ist, nach dem Zusammenhang zwischen neuen Produkten <strong>und</strong> der Arbeitsorganisation<br />

in der Fertigung zu fragen, so riskant ist es, deshalb den<br />

Entstehungsprozeß von Produktinnovationen <strong>und</strong> dessen wachsende strategische<br />

Bedeutung innerhalb des Unternehmens zu vernachlässigen.<br />

Um zu einem angemesseneren Rationalisierungsbegriff zu kommen, der<br />

nicht länger der überkommenen industriesoziologischen Engführung verhaftet<br />

bleibt, bedarf es außer einer Differenzierung des Rationalisierungsbegriffs<br />

zusätzlich einer Umorientierung der Analyse. Veränderungen auf<br />

der Ebene des "shop floor" müssen dabei in den übergeordneten organisatorischen<br />

<strong>und</strong> strategischen Zusammenhang gestellt werden, damit ihre<br />

(begrenzte) Bedeutung erkennbar wird. Auf diese Weise könnte sich nämlich<br />

herausstellen, daß Fragen "betrieblicher Arbeitsgestaltung nur einen,<br />

eher nachgeordneten, Aspekt unter anderen darstellen" (Brandt 1987, zitiert<br />

nach Brandt 1990, S. 340). Insgesamt dürfte nur durch die Berücksichtigung<br />

der gesamten <strong>Unternehmensorganisation</strong> eine zulängliche In-<br />

5 "Rationalisierung kann auf das Produkt zielen (z.B. Standardisierung oder Spezialisierung<br />

der Produktpalette, Baukastensysteme, Produktinnovationen), auf<br />

das technisch-organisatorische Fertigungssystem (Mechanisierung, Automatisierung,<br />

Informatisierung, Flexibilisierung, Kontinuisierung, Logistik), auf die<br />

Arbeitsorganisation (Veränderung der horizontalen <strong>und</strong> vertikalen Arbeitsteilung,<br />

der Kooperationsformen, der organisatorischen Steuerung <strong>und</strong> Kontrolle<br />

von Arbeitshandeln <strong>und</strong> Leistungsverausgabung) oder schließlich auf die Arbeitskräfte<br />

('Psychologisierung' oder 'Mechanisierung' der personenbezogenen<br />

Arbeits- <strong>und</strong> Leistungserstellung; low trust' oder 'high trust'; Arbeits- <strong>und</strong> Leistungspolitik)"<br />

(Pries 1988, S. 29; Hervorhebungen im Original).<br />

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terpretation von Veränderungen in betrieblichen Teilbereichen möglich<br />

sein.<br />

10.2 Umbruch industrieller Organisationsstrukturen<br />

Wie der aktuellen Unternehmensberichterstattung der Tages- <strong>und</strong> Wirtschaftspresse,<br />

aber auch neueren Beiträgen zur industriesoziologischen<br />

<strong>und</strong> betriebswirtschaftlichen Organisationsforschung zu entnehmen ist, erfährt<br />

die Organisationsstruktur der industriellen Produktion in entwickelten<br />

Industriegesellschaften gegenwärtig einschneidende Veränderungen.<br />

Geltend machen sich diese Veränderungen auf je verschiedenen Ebenen<br />

der industriellen Organisationsstruktur <strong>und</strong> werden in der Presse <strong>und</strong> in<br />

der sozialwissenschaftlichen Literatur für gewöhnlich auch in spezifischer<br />

Weise für einzelne Ebenen behandelt.<br />

So wird von einflußreichen Vertretern der industriesoziologischen Forschung<br />

behauptet, auf der Ebene der Arbeitsorganisation eröffne sich im<br />

Zuge der Einführung neuer Technologien ein Rationalisierungspotential,<br />

das entgegen den lange Zeit dominierenden Strategien fortschreitender<br />

Arbeitsteilung im Sinne einer neuerlichen Aufgabenintegration genutzt<br />

werden könne <strong>und</strong> im Kernbereich der industriellen Produktion vom Management<br />

auf der Gr<strong>und</strong>lage "Neuer Produktionskonzepte" (Kern, Schumann)<br />

auch genutzt werde. Diese Auffassung ist zwar alles andere als unumstritten,<br />

aber auch von Kritikern wird eingeräumt, daß wir es mit neuen<br />

Rationalisierungsmustern auf dieser Organisationsebene zu tun haben, deren<br />

Konsequenzen für die industrielle Arbeit einstweilen freilich unbestimmt<br />

seien.<br />

Aus der Wirtschaftsberichterstattung <strong>und</strong> aus zahlreichen Darstellungen<br />

von Unternehmensberatern ist bekannt, daß hoch formalisierte, hierarchisch-bürokratische<br />

Formen der <strong>Unternehmensorganisation</strong> angesichts<br />

veränderter Wettbewerbsbedingungen auf nationalen <strong>und</strong> internationalen<br />

Märkten rapide an Popularität einbüßen. Hält man sich an diese Quellen,<br />

dann lassen sich zwar bedeutsame organisationsstrukturelle Veränderungen<br />

auf Unternehmensebene auch für historisch frühere Phasen nachweisen;<br />

unter dem Postulat einer "Flexibilisierung der Organisationsstruktur"<br />

gewinnen diese aber heute eine neue Qualität.<br />

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Schließlich werden sowohl in der einschlägigen fachwissenschaftlichen<br />

Diskussion wie in der politischen Öffentlichkeit Veränderungen auf der<br />

interorganisatorischen Ebene erörtert, die sich in neuen Formen der Kooperation<br />

zwischen Unternehmen gleicher oder verschiedener Größenordnung<br />

<strong>und</strong> mit ähnlichen oder unterschiedlichen Produktionsprogrammen<br />

manifestieren. Im Unterschied zu traditionellen Kooperationsabkommen,<br />

bei denen das Motiv der Erleichterung des Marktzugangs (speziell<br />

im Ausland) im Vordergr<strong>und</strong> stand, beziehen sich viele der aktuellen<br />

Kooperationen auf gemeinsame Aktivitäten in mehreren Abschnitten der<br />

Wertschöpfungskette wie z.B. Produktion, Beschaffung sowie Forschung<br />

<strong>und</strong> Entwicklung (Contractor, Lorange 1988; Bieber, Sauer 1991).<br />

Schon aus dieser holzschnittartigen Darstellung wird deutlich, daß gegenwärtige<br />

Rationalisierungsmaßnahmen auf sehr unterschiedlichen Ebenen<br />

ansetzen <strong>und</strong> es deshalb zumindest begründungspflichtig wäre, wenn die<br />

industriesoziologische Rationalisierungsforschung von dieser Mehrdimensionalität<br />

organisatorischer Rationalisierungsanstrengungen abstrahieren<br />

zu können glaubt. Allerdings besteht die Schwierigkeit darin, daß die hier<br />

angeführten organisationsstrukturellen Veränderungstendenzen zwar in<br />

neueren Beiträgen zahlreicher Disziplinen thematisiert, aber kaum einmal<br />

auf ihren wechselseitigen Zusammenhang <strong>und</strong> darüber hinaus auf ihre gesamtgesellschaftliche<br />

Bedeutung hin diskutiert werden. Von wenigen Ausnahmen<br />

abgesehen, 6 steht eine systematische Behandlung dieser Veränderungen<br />

in ihrer Interdependenz <strong>und</strong> im Kontext technisch-wissenschaftlicher<br />

wie sozio-ökonomischer Veränderungen einstweilen noch aus <strong>und</strong> ist<br />

6 Zu diesen Ausnahmen zählen Arbeiten, die im Rahmen der durch die sogenannten<br />

"Regulationsschule" ausgelösten (Post-/Neo-)Fordismus-Diskussion<br />

vorgelegt worden sind (vgl. zur Übersicht Hübner, Mahnkopf 1988). Eine wesentliche<br />

Schwäche derartiger Beiträge besteht allerdings darin, zwischen bestimmten<br />

Phasen des Kapitalismus <strong>und</strong> bestimmten Formen der (Arbeits-)<br />

Organisation direkte <strong>und</strong> eindeutige Verknüpfungen zu unterstellen, die vor<br />

dem Hintergr<strong>und</strong> vorliegender empirischer <strong>und</strong> historischer Untersuchungen<br />

der verschiedensten Industriezweige höchst angreifbar sind (vgl. Bechtle, Lutz<br />

1989). Gegen diesen Konnex zwischen Produktions- <strong>und</strong> Gesellschaftsform ist<br />

z.B. eingewandt worden, daß selbst in den Hochzeiten der Taylor- <strong>und</strong> Fordepoche<br />

in der b<strong>und</strong>esrepublikanischen Wirtschaft, d.h. in den 50er <strong>und</strong> 60er Jahren,<br />

"die Großserienfertigung mit klassisch nach Taylor standardisierter Produktion<br />

nur in der Automobilindustrie <strong>und</strong> in bestimmten Bereichen der Konsumgüterindustrie<br />

vorherrschte, <strong>und</strong> auch in der Elektroindustrie, in der im allgemeinen<br />

zwei Drittel der Produktion auf die Investitionsgüterindustrie entfallen, dieser<br />

Fertigungstyp wohl nie dominant gewesen ist" (Schmidt 1987, S. 250).<br />

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meist allenfalls Gegenstand von Forderungen <strong>und</strong> programmatischen Erklärungen.<br />

Auch unsere Arbeit kann dieses Desiderat nicht wirklich einlösen.<br />

Im Vordergr<strong>und</strong> unserer Überlegungen stand vielmehr die Frage, auf<br />

welche Weise sich Charakter <strong>und</strong> Beschaffenheit von Industrieunternehmen<br />

verändern, die zunehmend auf die Entwicklung <strong>und</strong> Nutzung technologischer<br />

Innovationen setzen.<br />

10.3 <strong>Technikentwicklung</strong> als Handlungsparameter<br />

Um zu einer Klärung dieser Frage zu kommen, war es sinnvoll, auf der<br />

von der (west-)deutschen Industriesoziologie vernachlässigten Ebene der<br />

<strong>Unternehmensorganisation</strong> anzusetzen. Dahinter stand die Vermutung,<br />

daß die Analyse von Veränderungen des Gesamtunternehmens eher Hinweise<br />

auf die allgemeinen Problemlagen der Unternehmen sowie Aufschlüsse<br />

über den Wandel der Unternehmensziele <strong>und</strong> -Strategien verspricht<br />

als die Untersuchung von Veränderungen in einzelnen Abteinlungen<br />

oder an einzelnen Arbeitsplätzen.<br />

Für eine Überprüfung unserer Überlegungen erschien die Elektrotechnische<br />

<strong>und</strong> die mit dieser engverb<strong>und</strong>ene, in der amtlichen Statistik aber üblicherweise<br />

gesondert ausgewiesene EDV-Industrie besonders geeignet, da<br />

sie sich (1.) in einer Phase organisationsstruktureller Veränderungen befindet,<br />

die teilweise als Antwort auf rückläufige Unternehmensgewinne<br />

verstanden werden können, <strong>und</strong> sie (2.) aufgr<strong>und</strong> des Tempos <strong>und</strong> der<br />

Ausstrahlung des sich hier vollziehenden technischen Wandels, speziell auf<br />

dem Gebiet der Mikroelektronik, eine Schlüsselrolle für die gesamte industrielle<br />

Entwicklung hat. Wir haben zu zeigen versucht (s. Kapitel 7 bis 9),<br />

daß das Erscheinungsbild der aktuellen Reorganisationskonzepte in diesem<br />

Industriezweig durch die Bildung stärker markt- <strong>und</strong> k<strong>und</strong>enorientierter<br />

Unternehmensstrukturen sowie die Optimierung funktions- <strong>und</strong> unternehmensübergreifender<br />

Abläufe bestimmt wird. Entscheidend ist nun, daß<br />

diese Konzepte <strong>und</strong> die ihnen korrespondierenden Unternehmensstrategien<br />

aufs engste mit der Entwicklung technisch-wissenschaftlicher Neuerungen<br />

verb<strong>und</strong>en sind. Einerseits spielen neue I&K-Technologien als Organisations-,<br />

Kontroll- <strong>und</strong> Steuerungstechnologien eine zentrale Rolle bei<br />

der Umgestaltung der Unternehmensstrukturen. Die veränderten Muster<br />

des Zusammenspiels von Zentralisierungsprozessen <strong>und</strong> Prozessen der<br />

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Dezentralisierung wären ohne diese neuen Technologien überhaupt nicht<br />

möglich. Andererseits sind wesentliche Reorganisationsmaßnahmen darauf<br />

ausgerichtet, die Entwicklung <strong>und</strong> Vermarktung technischer Innovationen<br />

zu fördern. Organisatorische Maßnahmen dieser Art können somit<br />

als Hinweis dafür angesehen werden, daß die technisch-wissenschaftliche<br />

Entwicklung nicht nur als Erwartungs-, sondern in zunehmendem Maße<br />

auch als Handlungsparameter der Unternehmenspolitik zu begreifen ist.<br />

Wie unsere Branchenanalyse der Elektro- <strong>und</strong> Elektronikindustrie gezeigt<br />

hat (s. Abschnitt 6.2), gibt es genügend Anhaltspunkte für die Behauptung,<br />

daß sowohl kleine als auch die großen Unternehmen dieses Wirtschaftszweigs<br />

versuchen, die technisch-wissenschaftliche Entwicklung in Gestalt<br />

technischer Innovationen zum zentralen Handlungsparameter ihrer Verwertungsstrategien<br />

zu machen bzw. bereits erfolgreich gemacht haben. Als<br />

wichtige Indikatoren dafür können die Veränderungen der Beschäftigtenstruktur,<br />

des Wertschöpfungsanteils <strong>und</strong> der Ressourcenverteilung zugunsten<br />

von Forschung <strong>und</strong> Entwicklung gelten. 7<br />

Die damit einhergehende<br />

Verschiebung in der Hierarchie der Unternehmensziele, durch die die Fähigkeit<br />

zur zeitgerechten Entwicklung <strong>und</strong> Vermarktung neuer Technologien<br />

eine höhere Priorität gewinnt, 8<br />

ist freilich in ihren Konsequenzen<br />

bislang von der Industriesoziologie kaum zur Kenntnis genommen worden.<br />

Dabei fehlt es zu diesem Thema keineswegs an provokativen Thesen, wie<br />

sie insbesondere von seiten der betriebswirtschaftlichen Organisationstheorie<br />

geäußert werden. Dort wird etwa für den High-Tech-Bereich ein<br />

strategischer Bedeutungsverlust der Fertigung bei gleichzeitiger Bedeu-<br />

7 An dieser Stelle sei nochmals ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die Ausgaben<br />

für FuE nur ein grober Indikator für das Innovationspotenial sein können,<br />

da sich Innovationsprozesse nicht auf Forschung <strong>und</strong> Entwicklung reduzieren<br />

lassen. "The process of R&D has often been equated with innovation. If innovation<br />

consisted solely of R&D, <strong>und</strong>erstanding innovation would be far simpler<br />

and the real problems would be far less interesting. Successful innovation requires<br />

the coupling of the technical and the economic, rather than being solely a<br />

matter of 'technology push' or 'market pull' (...), in ways that can be accommodated<br />

by the organization while also meeting market needs, and this implies<br />

close cooperation among many activities in the marketing, R&D, and production<br />

functions" (Mowery, Rosenberg 1989, S. 9)<br />

8 Mit dieser Formulierung soll keineswegs in Frage gestellt werden, daß Industrieunternehmen<br />

in erster Linie profitorientiert sind. Auf welche Weise das "Formalziel<br />

Gewinnerzielung" jedoch verwirklicht wird, ist a priori nicht festgelegt.<br />

Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />

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tungszunahme von FuE <strong>und</strong> marktnahen Bereichen postuliert (Bleicher<br />

1983). 9<br />

10.4 Organisation <strong>und</strong> Innovation<br />

Die Frage nach den Mitteln, mit denen Industrieunternehmen ihr wissenschaftlich-technisches<br />

Innnovationspotential verstärken <strong>und</strong> erfolgreicher<br />

nutzen können, ist im Laufe der letzten drei bis vier Jahrzehnte zum Gegenstand<br />

einer umfangreichen <strong>und</strong> ständig wachsenden Literaturproduktion<br />

geworden. Hierbei dominieren allerdings Beiträge, die man als "Rezepte-Literatur"<br />

bezeichnen könnte, während an sozialwissenschaftlicher<br />

Forschung <strong>und</strong> empirisch gestützter Theoriebildung zu diesem Thema ein<br />

erheblicher Mangel besteht.<br />

Aus den wenigen empirischen Untersuchungen zum Thema 10<br />

<strong>und</strong> aus<br />

Praktikerberichten weiß man immerhin, daß die Unternehmen mit der<br />

Inkorporation wissenschaftlich-technischer Arbeitszusammenhänge <strong>und</strong><br />

des dazugehörigen Personals zwar ihr innovatives Potential in den vergangenen<br />

Jahren beträchtlich erhöht haben, sich jedoch gleichzeitig mit erheblichen<br />

Integrationsproblemen konfrontiert sehen. Diese Probleme<br />

9 "Allein der hohe Aufwand für Forschung <strong>und</strong> Entwicklung bringt eine Fokusverschiebung<br />

des Managements von der 'Logistik' der Produktion <strong>und</strong> Beschaffung<br />

weg <strong>und</strong> hin zur marktnahen Gestaltung einer neuen Idee mit sich. Für Unternehmungen,<br />

die sich auf eine 'Grenzverschiebung' im technologischen Neuland<br />

konzentrieren, wird die Effizienz des Herstellungsprozesses <strong>und</strong> seiner Kosten<br />

weit weniger bedeutsam als für Unternehmungen, die sich im Feld bekannter<br />

<strong>und</strong> allgemein zugänglicher Technologien bewegen. Für Unternehmungen der<br />

Spitzentechnologien ist es weit wichtiger, mit einer Innovation als erster auf dem<br />

Markt zu sein, um sich dort eine Position aufzubauen, die den Markteintritt von<br />

Folgern erschwert" (Bleicher 1983, S. 248).<br />

10 Vor allem für den Bereich der B<strong>und</strong>esrepublik fehlt es an empirischen Untersuchungen<br />

über industrielle Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungsorganisationen, während<br />

die Literaturlage für die englischsprachigen Länder günstiger aussieht. In<br />

jüngster Zeit wurden allerdings von betriebswirtschaftlicher Seite empirische<br />

Studien zum Thema "Management von Forschung, Entwicklung <strong>und</strong> Innovation"<br />

(Brockhoff, Domsch 1989/1990) vorgelegt.<br />

11 "The main problem affecting the R&D function has always been caused by its<br />

lack of integration with the enterprise. Such a problem makes it difficult to pass<br />

from invention to innovation - that is, to turn the invention into processes and<br />

products to be changed on the market" (Petroni 1983, S. 15).<br />

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werden vor allem mit der Besonderheit innovativer Arbeitsprozesse <strong>und</strong><br />

den spezifischen Orientierungsmustern von Naturwissenschaftlern <strong>und</strong> Ingenieuren<br />

erklärt (s. Abschnitt 3.4.5). Sie dürften wesentlich dazu beitragen,<br />

daß die schnelle Umsetzung wissenschaftlich-technischer Kenntnisse<br />

in marktfähige Produkte noch immer als einer der besonders kritischen<br />

Punkte von Innovationsprozessen gilt (Geschka, Wünnenberg 1988).<br />

Im historischen Verlauf lassen sich unterschiedliche Muster der Einbindung<br />

von FuE-Bereichen in die <strong>Unternehmensorganisation</strong> identifizieren,<br />

die von relativ weitgehender Unabhängigkeit bis hin zu enger Kontrolle<br />

reichen. So wie heute von erfolgreichen Trainern der Fußballb<strong>und</strong>esliga<br />

die Strategie der "kontrollierten Offensive" gepredigt wird, empfehlen<br />

neuerdings erfolgreiche Techniksoziologen für das Management von Innovationsprozessen<br />

das Konzept der "kontrollierten Autonomie" (Rammert<br />

1988). 12 In beiden Fällen geht es darum, die Funktionserfordernisse innovativer<br />

<strong>und</strong> kreativer Tätigkeiten anzuerkennen, ohne deshalb ein bestandsgefährdendes<br />

Risiko einzugehen. Für Forschungs- <strong>und</strong> Innovationsprozesse<br />

bedeutet dies eine tendenzielle Substitution zentralistischer Eingriffssteuerung<br />

durch die Förderung lateraler Kooperations- <strong>und</strong> Kommunikationsmuster<br />

sowie die Beschränkung der Kontrolle auf die infrastrukturellen<br />

Rahmenbedingungen (ebd.). Von anderen Autoren wird seit Anfang<br />

der 80er Jahre eine Lockerung der Erfolgskriterien registriert, die<br />

allerdings mit einem höheren Abstraktionsgrad der Beurteilungs- <strong>und</strong><br />

Kontrollmethoden einhergehe (Hack 1990). Um derartige Einschätzungen<br />

angemessen beurteilen zu können, bedürfte es freilich einer breiteren empirischen<br />

Basis.<br />

Ein zentrales Thema unserer Arbeit waren die organisationsstrukturellen<br />

Implikationen, die mit der wachsenden Bedeutung der systematischen<br />

Produktion neuen wissenschaftlich-technischen Wissens <strong>und</strong> seiner Umsetzung<br />

in neue Verfahren <strong>und</strong> Produkte im Rahmen der Unternehmensaktivitäten<br />

verb<strong>und</strong>en sind. Unsere Analyse konzentrierte sich im wesentlichen<br />

auf die Ebene der Unternehmens- <strong>und</strong> Betriebsorganisation sowie<br />

auf unternehmensübergreifende Arrangements. Die dabei zu Tage geförderten<br />

Ergebnisse lassen sich in drei Hypothesen über absehbare Entwicklungstendenzen<br />

zusammenfassen:<br />

12 Vgl. etwa den Begriff der "directed autonomy" bei Yoxen (1981).<br />

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(1) Veränderungen der <strong>Unternehmensorganisation</strong>, die mit der Anpassungsnotwendigkeit<br />

an die Bedingungen hochdynamischer Märkte mit<br />

schnellen Produktlebenszyklen begründet werden, zielen auf den Abbau<br />

bürokratisch-hierarchischer Strukturen <strong>und</strong> die Dezentralisierung von<br />

Entscheidungsbefugnissen auf der operativen Ebene bei gleichzeitiger<br />

Aufrechterhaltung oder Verstärkung zentraler (informationstechnologisch<br />

gestützter) Steuerungs- <strong>und</strong> Kontrollpotentiale auf den oberen Hierarchieebenen.<br />

Dies impliziert auch eine Dezentralisierung von FuE-Potentialen,<br />

wodurch Marktanforderungen immer unmittelbarer zu maßgeblichen<br />

Einflußfaktoren der Arbeit von Technikern, Ingenieuren <strong>und</strong> Wissenschaftlern<br />

werden.<br />

(2) Organisatorische Veränderungen von Innovationsprozessen: Mit der<br />

Absicht, Produktentwicklungszeiten zu reduzieren, kommen neuartige organisatorische<br />

Arrangements zur Einführung, die eine Optimierung der -<br />

die einzelnen funktionalen Unternehmenseinheiten übergreifenden - Koordination<br />

gewährleisten sollen. Derartig organisierte Innovationsprozesse<br />

lassen sich nicht mehr mit Hilfe linear-sequentieller Modelle abbilden.<br />

Was sich vielmehr abzeichnet, ist ein Wandel im Ablauf von Innovationsprozessen,<br />

der sich in einer stärkeren Überlappung der einzelnen Phasen<br />

<strong>und</strong> in einer Bedeutungszunahme der Anfangsstadien des Innovationsprozesses<br />

niederschlägt.<br />

(3) Gestaltung der inter-organisatorischen Beziehungen: Da technologische<br />

Entwicklungen auf zahlreichen Feldern immer aufwendiger <strong>und</strong> kostspieliger<br />

werden, greifen die Unternehmen, <strong>und</strong> unter ihnen vor allem die<br />

größeren, mit dem Ziel der Kosten- <strong>und</strong> Risikominimierung in zunehmenden<br />

Maße auf "externe" Innovationspotentiale <strong>und</strong> -arrangements zurück.<br />

Dabei lassen sich sehr unterschiedliche Formen der Kooperation, Beteiligung<br />

<strong>und</strong> Akquisition identifizieren, mit deren Hilfe die Unternehmen die<br />

Grenzen der eigenen Organisation transzendieren bzw. erweitern <strong>und</strong><br />

sowohl brancheninterne wie branchenübergreifende Beziehungen eingehen.<br />

Die beschriebenen Tendenzen indizieren die von den Unternehmensleitungen<br />

verfolgte Intention, durch die Flexibilisierung von Unternehmenspolitik<br />

<strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong> sowohl unternehmensinterne wie<br />

unternehmensübergreifende Innovationspotentiale freizusetzen, um über<br />

eine aktive Gestaltung des wissenschaftlich-technischen Wandels auf um-<br />

Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />

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kämpften Märkten weiterhin (oder wieder) erfolgreich agieren zu können.<br />

Völlig falsch wäre es freilich anzunehmen, daß sich der anvisierte Trend<br />

zur Flexibilisierung der Unternehmensstruktur widerspruchslos <strong>und</strong> friktionsfrei<br />

durchsetzt. Wie bei allen organisatorischen Rearrangements, die<br />

mit weitreichenden Konsequenzen verb<strong>und</strong>en sind, ist auch hier mit mannigfachen<br />

Widerständen <strong>und</strong> Problemen zu rechnen. Des weiteren muß<br />

davon ausgegangen werden, daß die Flexibilisierungskonzepte selbst spannungsgeladen<br />

sind, <strong>und</strong> die Bewältigung dieser Spannungen eine permanente<br />

Bearbeitung von seiten des Managements erfordert. Bei zukünftigen<br />

Analysen müßten diese Friktionen <strong>und</strong> Spannungen sowie die darauf bezogenen<br />

Lösungsversuche sehr viel eingehender berücksichtigt werden, als<br />

uns dies auf Basis des verfügbaren Materials möglich gewesen ist.<br />

10.5 Ein neuer Innovationstyp?<br />

Neue Organisationskonzepte, soweit sie der Aktivierung von Innovationspotentialen<br />

dienen sollen, können gleichermaßen als Voraussetzung <strong>und</strong><br />

Folge eines sich abzeichnenden neuartigen Innovationstyps in zentralen<br />

Bereichen der verwissenschaftlichten Industrie angesehen werden. Wichtige<br />

Merkmale dieses neuen Typs sind:<br />

Bedeutungszuwachs von Forschung <strong>und</strong> Entwicklung im Rahmen der<br />

Zielhierarchie von Unternehmensstrategien;<br />

Bedeutungszunahme des Faktors Zeit für das Management von Innovationsvorhaben;<br />

damit einhergehend: Beschleunigung von Innovationsprozessen durch<br />

die Parallelisierung von vormals sequentiell ablaufenden Aktivitäten;<br />

Bedeutungszunahme von Versuchen der Antizipation <strong>und</strong> der verbindlichen<br />

Vorbestimmung von Produkt <strong>und</strong> Fertigungsrealität im<br />

Zuge der Verkopplung von Produkt-, Prozeß- <strong>und</strong> Materialinnovation;<br />

verstärkter Rückgriff auf wissenschaftliches Wissen;<br />

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erhöhte Anstrengungen zur Informatisierung von Innovationsprozessen;<br />

stärkerer Zugriff auf "externe" Innovationspotentiale;<br />

zunehmender Markt- <strong>und</strong> Fertigungsbezug der FuE-Arbeit. 13<br />

Die Erforschung der Konturen dieses sich abzeichnenden neuen Innovationstyps,<br />

seiner Konsequenzen <strong>und</strong> Vorbedingungen sowie seines Verbreitungsgrades<br />

scheint uns eine wichtige Aufgabe der Industriesoziologie zu<br />

sein, die bislang bestenfalls am Rande angegangen worden ist. Der sich in<br />

diesem Innovationstyp manifestierende Formwandel industrieller Forschungs-<br />

<strong>und</strong> Innovationsprozesse 14<br />

hat nicht nur Auswirkungen auf die<br />

Konkurrenz- <strong>und</strong> Branchenstrukturen oder auf das Verhältnis zwischen<br />

Technologie <strong>und</strong> Wissenschaft, sondern auch für Struktur <strong>und</strong> Strategie<br />

der betreffenden Unternehmen. An dieser Stelle sollen wenigstens zwei<br />

absehbare Implikationen auf Unternehmensebene benannt werden (s. Abschnitt<br />

3.6): Erstens wird die Bewältigung des Innovationsrisikos immer<br />

weniger zur alleinigen Aufgabe von Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungsbereichen,<br />

sondern immer stärker zur Funktionsbestimmung der gesamten <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />

Die Tendenz zur isoliert-spezialisierten Absiedlung<br />

von Innovationskraft im Unternehmen wird abgelöst durch den Trend<br />

zur Diffusion der Innovationsaufgaben quer über die organisatorischen<br />

13 Wir unterstellen nicht, daß die genannten Dimensionen immer oder auch nur in<br />

den meisten Fällen gemeinsam auftreten müssen. Auch können die einzelnen<br />

Merkmale von Fall zu Fall verschieden stark ausgeprägt sein. In Abhängigkeit<br />

von der jeweiligen "Innovationshöhe" des betreffenden Vorhabens dürften deshalb<br />

recht unterschiedliche Konstellationen zu beobachten sein. Der analytisch<br />

rekonstruierte "Neue Innovationstyp" ist folglich als Idealtypus im Sinne Webers<br />

zu verstehen.<br />

14 Einiges spricht zwar dafür, daß sich die Art <strong>und</strong> Weise der Organisation <strong>und</strong><br />

Durchführung von technologischen Innovationsvorhaben in Industrieunternehmen<br />

verändert hat; daraus ist jedoch nicht unbedingt eine Logik abzuleiten, die<br />

auf seiten der Unternehmen eine ungebremste Innovationsdynamik <strong>und</strong> eine<br />

passive Hinnahme von Markt- <strong>und</strong> K<strong>und</strong>enanforderungen aller Art impliziert.<br />

Zwar werden allenthalben Rezepte angeboten, die die Unternehmen im Interesse<br />

der Steigerung ihrer Wettbewerbsfähigkeit "innovativer" <strong>und</strong> "flexibler" machen<br />

sollen. Kontraproduktive Effekte dieser Empfehlungen <strong>und</strong> Strategien, die<br />

im Gegensatz zur empfohlenen Hyperflexibilität <strong>und</strong> Innovationsdynamik stehen,<br />

werden dagegen nach unserem Eindruck eher unterschätzt.<br />

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Bereiche des Unternehmens hinweg. Damit in Zuammenhang steht - zweitens<br />

-, daß die Bearbeitung des Innovationsrisikos zunehmend unter Beachtung<br />

der aus dem Nachfrage- <strong>und</strong> dem Ineffizienzrisiko erwachsenden<br />

Anforderungen erfolgt.<br />

Organisationstheoretische Konzeptualisierungen, die den ausdifferenzierten<br />

Funktionsbereichen (Subsystemen) der Unternehmen noch problemlos<br />

bestimmte Umweltsektoren mit jeweils spezifischen Unsicherheitsgraden<br />

zuordnen konnten (s. Abschnitt 3.3), verlieren unter diesen Bedingungen<br />

an Plausibilität. Es scheint nicht mehr länger möglich zu sein, bestimmte<br />

Unternehmensbereiche durch die Funktion der exklusiven Bearbeitung<br />

eines speziellen Unternehmensrisikos charakterisieren zu können.<br />

Weder wird in den FuE-Bereichen allein über Ideen für neue Produkte<br />

<strong>und</strong> Verfahren nachgedacht, noch sind Abteilungen wie Produktion oder<br />

Vertrieb lediglich mit der routinemäßigen Abwicklung von Fertigung,<br />

Montage <strong>und</strong> Verkauf befaßt.<br />

Ansätze zur simultanen Bearbeitung struktureller Unternehmensrisiken,<br />

die sowohl auf strategischer wie auf operativer Ebene zu beobachten sind<br />

(s. Kapitel 8 <strong>und</strong> 9), deuten darauf hin, daß FuE-Abteilungen verstärkt mit<br />

Fragen der Produktionsökonomie <strong>und</strong> Marktgängigkeit technologischer<br />

Innovationen konfrontiert sind. Von Bedeutung ist dabei der Umstand,<br />

daß sich im Management mehr <strong>und</strong> mehr die Erkenntnis durchsetzt, daß<br />

der größte Teil der späteren Gesamtkosten eines Produkts bereits im Anfangsstadium<br />

der Entwicklung festgelegt wird. Außerdem gehen von den<br />

FuE-Abteilungen (inkl. der Konstruktion) in zeitlicher Hinsicht wichtige<br />

Einflüsse auf die Dauer der gesamten Durchlaufzeit aus. Ins Blickfeld geraten<br />

damit Rationalisierungsmaßnahmen, die sich auf dieses Anfangsstadium<br />

beziehen. Stichworte dazu sind: numerische Optimierung, Simulation<br />

von Produkteigenschaften <strong>und</strong> Produktionsbedingungen, montagegerechte<br />

Konstruktion <strong>und</strong> variantenorientierte Produktgestaltung (Albien u.a.<br />

1990).<br />

Weiterhin zeichnet sich ab, daß Produktion <strong>und</strong> marktnahe Bereiche zunehmend<br />

in den Innovationsprozeß involviert werden. Als Beleg dafür<br />

kann die funktionsübergreifende Zusammensetzung von Projektteams bei<br />

der Wertanalyse (vgl. Bender 1992) oder beim Simultaneous Engineering<br />

gelten (s. Kapitel 8). Insbesondere Vertrieb <strong>und</strong> Produktion sind in diesem<br />

Zusammenhang als Lieferanten von neuen Ideen oder Verbesserungsvor-<br />

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schlägen von Bedeutung. 15<br />

Dadurch tragen sie zu einer Entwicklung bei,<br />

die auf gesamtwirtschaftlicher Ebene zur Etablierung von Märkten führt,<br />

die u.a. durch immer komplexer werdende Produkte <strong>und</strong> Systeme sowie<br />

durch verkürzte Produktlebenszyklen gekennzeichnet sind. Unternehmen,<br />

die auf diesen Märkten agieren, stehen unter erheblichem (von ihnen mitproduziertem)<br />

Zeit- <strong>und</strong> Flexibilitätsdruck: 16<br />

Die Zeitspanne für die Auslegung<br />

<strong>und</strong> Optimierung der Fertigung eines Produktes wird immer kürzer.<br />

Gleichzeitig reduziert sich die Laufdauer einer bestimmten Fertigung<br />

<strong>und</strong> ihre jeweilige Losgröße. Darüber hinaus stellt sich in einigen Bereichen<br />

ein bislang eher vernachlässigtes Problem mit erheblicher Schärfe:<br />

Die rasche <strong>und</strong> häufig komplexe Produktinnovation muß dem K<strong>und</strong>en<br />

"vermittelt" werden.<br />

Es ist eine empirisch offene Frage, mit welchen Strategien das Management<br />

diese veränderten Anforderungen be- <strong>und</strong> verarbeitet <strong>und</strong> welche<br />

Auswirkungen damit für Industriearbeit verb<strong>und</strong>en sein werden. Die Industriesoziologie<br />

sollte bei der Erforschung der Bandbreite möglicher (Re-)<br />

Aktionen der Unternehmen allerdings versuchen, über die bekannten<br />

Diskussionen um die Chancen "Neuer Produktionskonzepte", um "anthropozentrische"<br />

<strong>und</strong> "technozentrische" Entwicklungspfade hinauszukommen.<br />

Statt dessen müßte sie sehr viel stärker als bislang die Möglichkeit<br />

berücksichtigen, daß sich die strategische Bedeutung von Werkstatt <strong>und</strong><br />

Fertigung bei der Abarbeitung der angesprochenen Anforderungen zugunsten<br />

von vor- <strong>und</strong> nachgelagerten Bereichen verringert.<br />

15 "An important development in industrial enterprises is the increased connection<br />

between R&D-management and other company functions including production,<br />

marketing and financing,with strong emphasis being placed on identifying possibilities<br />

for technology-market-combinations. This so-called 'interface' management<br />

has been established to stimulate constant feedback from other company-functions<br />

in order to perform R&D as an intensive iterative process" (Anderson<br />

u.a. 1990, S. 123).<br />

16 Damit soll nicht einem "Marktdeterminismus" das Wort geredet werden. Wie<br />

die organisationstheoretische Kritik am situativen Ansatz gezeigt hat, ist die Annahme<br />

eines Umwelt-(bzw. Markt-)Determinismus in vielen Fällen irreführend,<br />

da er die strategischen Optionen der Unternehmen vernachlässigt: "A company<br />

may look for a market niche to match its organizational strategy, or it may serve<br />

the market in a way that tallies with what it perceives to be its organizational and<br />

skill strengths" (Sorge, Streeck 1988, S. 26).<br />

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10.6 Bedeutungsverlust der Fertigung in der verwissenschaftlichten<br />

Industrie?<br />

Um wenigstens anzudeuten, in welche Richtung eine derart motivierte<br />

Forschung gehen könnte, sollen in gebotener Kürze zwei potentielle Untersuchungsfelder<br />

darstellt werden. Dazu kann an wichtige Aspekte des<br />

von uns behaupteten neuen Innovationstyps angeknüpft werden: (a) Rationalisierungsstrategien<br />

beziehen sich nicht mehr allein entweder auf die<br />

Prozeßgestaltung oder auf die Produktgestaltung, sondern zielen zunehmend<br />

auf die Verkopplung von Produkt- <strong>und</strong> Prozeßinnovation, (b) Angestrebt<br />

wird dabei im Zuge der Informatisierung des Innovationsprozesses<br />

die Einrichtung einer einheitlichen Datenbasis in Form eines elementorientierten,<br />

integrierten Produktmodells. Dort können die während der<br />

Produktgestaltung rechnergestützt erzeugten Daten red<strong>und</strong>anzfrei <strong>und</strong><br />

strukturiert abgelegt werden. Auf diese Weise soll eine Datenbasis entstehen,<br />

auf die mit verschiedenen technischen Hilfsmitteln zur Unterstützung<br />

der Produkt- <strong>und</strong> Prozeßinnovation zurückgegriffen werden kann. Zu diesen<br />

Hilfsmitteln zählen u.a. Simulationsverfahren, die Produkteigenschaften<br />

<strong>und</strong> Produktionsabläufe abbilden können. Im Idealfall werden Produkt<br />

<strong>und</strong> Produktionsprozeß in wechselseitiger Abstimmung computergerecht<br />

modularisiert <strong>und</strong> standardisiert (Ehrlenspiel 1990), so daß nicht nur eine<br />

modellhafte Vorwegnahme (Simulation) der Produkteigenschaften, sondern<br />

auch der Produktion erfolgen kann.<br />

Mögen diese Vorstellungen auch eine gehörige Portion Zukunftsmusik<br />

enthalten, die bevorzugt bei öffentlichkeitswirksamen Auftritten gespielt<br />

wird, so ist doch nicht zu übersehen, daß Simulationen von Produkteigenschaften<br />

sowie von Produktionsabläufen auf dem besten Wege sind, sich in<br />

den Planungsabteilungen der Industrie zu etablieren (Scharf, Spies 1990).<br />

In den Bereich des Möglichen rücken auf diese Weise realitätsmächtige<br />

Vorentscheidungen im Planungsstadium, die auf der Basis der Simulation<br />

der Arbeits- <strong>und</strong> Personalorganisation den verbleibenden Spielraum auf<br />

der Fertigungsebene weitgehend festlegen können (Zülch 1989). Unter<br />

diesen Bedingungen könnte es zu einer Umkehr des von Malsch (1984;<br />

1987a) beschriebenen Kreislaufs des Produktionswissens kommen. Ausgangspunkt<br />

wäre fürderhin nicht mehr das in den Köpfen der Arbeiter<br />

vorhandene Erfahrungswissen, das vom Management angeeignet <strong>und</strong> in<br />

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kontextfreies, abstraktifiziertes Planungswissen verwandelt wird, um anschließend<br />

in Form objektivierten Wissens in den Produktionsprozeß zurückzukehren.<br />

Am Anfang stünden jetzt wissenschaftlich begründete Gesamtkonzepte,<br />

die auf der Basis fortgeschrittener Computertechnologien<br />

zur "Systematisierung <strong>und</strong> Vervollständigung von Prozessen der symbolischen<br />

Antizipation realer Abläufe" <strong>und</strong> einer "verbindlichen Vorwegdefinition<br />

realer Prozesse <strong>und</strong> deren Regulierung" beitragen könnten (Hack<br />

1988).<br />

Eine sozialwissenschaftliche Untersuchung dieser Mechanismen der "organisierten<br />

Antizipation" (Bender 1986) hätte freilich nach den Hindernissen<br />

<strong>und</strong> Grenzen dieser Vorgehensweise zu fragen. Wird man gegenwärtig<br />

wohl noch erhebliche Abstriche an der Realitätsmächtigkeit <strong>und</strong> -tüchtigkeit<br />

derartiger Versuche der Vorwegnahme von Fertigungswirklichkeit<br />

machen müssen, kann man auf diesem Feld dennoch ein sich abzeichnendes<br />

Rationalisierungspotential sehen, das die Bedeutung von den der Fertigung<br />

vorgelagerten Planungsbereichen unterstreicht <strong>und</strong> dessen Auswirkungen<br />

auf die Entwicklung der Industriearbeit nach unserem Eindruck<br />

bislang kaum untersucht worden ist. Bei der Erforschung industrieller Arbeitsbedingungen,<br />

die gerade unter dem Vorzeichen eines neuen Innovationstyps<br />

unverzichtbar bleibt, sollte dieses Potential jedenfalls nicht vernachlässigt<br />

werden. Ferner wäre zu untersuchen, in welchem Verhältnis es<br />

zu der viel beschworenen Wiederentdeckung der "Ressource Mensch" in<br />

der Produktion steht.<br />

Über den Zusammenhang zwischen dem veränderten Stellenwert des Innovationsrisikos<br />

im Rahmen von Unternehmensstrategien <strong>und</strong> den Möglichkeiten<br />

<strong>und</strong> Grenzen neuer Formen der Arbeitsgestaltung auf der Shopfloor-Ebene<br />

läßt sich einstweilen nur spekulieren. Eine plausible Annahme<br />

scheint indes zu sein, daß eine Rehabilitation der menschlichen Arbeit in<br />

der Produktion am ehesten dann erfolgen wird, wenn dies im Interesse der<br />

Aufrechterhaltung oder Schaffung von Innovationsfähigkeit <strong>und</strong> Flexibilität<br />

funktional ist. Allerdings dürfte es voreilig sein, überall dort, wo Strategien<br />

der organisierten Produktinnovation zum Tragen kommen, auf das<br />

zwanglose Vordringen "Neuer Produktionskonzepte" zu hoffen. Unter welchen<br />

Bedingungen die Fertigung <strong>und</strong> Montage innovativer Produkte eine<br />

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Reprofessionalisierung der betreffenden Arbeitskräfte begünstigt, kann<br />

nur durch empirische Untersuchungen ermittelt werden. 17<br />

Man versteht jedenfalls immer weniger, was "Industrie" heute bedeutet,<br />

wenn man sich bei der Analyse ausschließlich auf die Bereiche der materiellen<br />

Produktion konzentriert. Was sich nämlich seit einigen Jahren abzeichnet,<br />

ist ein gr<strong>und</strong>legender Wandel von Industriearbeit, der dazu führt,<br />

daß diese nicht länger (wie selbstverständlich) mit materieller Arbeit<br />

gleichgesetzt werden kann. Das gilt vor allem, aber nicht nur, für die<br />

"science based industries", zu denen an erster Stelle die Elektro- <strong>und</strong> Elektronik-,<br />

die Chemische <strong>und</strong> die Luft- <strong>und</strong> Raumfahrtindustrie zählen, <strong>und</strong><br />

in denen "Wissenschaft <strong>und</strong> Technologie oder immaterielle statt materieller<br />

Arbeit zur Basis der Kapitalverwertung aufrücken" (Brandt 1987).<br />

Ähnliche Tendenzen sind auch in der Automobilindustrie <strong>und</strong> in wichtigen<br />

Teilen des Maschinenbaus zu beobachten.<br />

Klar zu sein scheint, daß der von uns favorisierte erweiterte "thematische<br />

Zugriff in seiner empirischen Umsetzung mit einem eigenen "konzeptionellen<br />

Zugriff verb<strong>und</strong>en werden muß. Um den veränderten Struktur<strong>und</strong><br />

Funktionszusammenhängen in industriellen <strong>Unternehmensorganisation</strong>en<br />

auf die Spur zu kommen, dürfen nach unserer Auffassung mehrere<br />

Umstände nicht aus den Augen verloren werden:<br />

(a) Eine isolierte Betrachtung einzelner Abteilungen oder Arbeitsplätze ist<br />

immer weniger sinnvoll. Das gilt besonders bei der Analyse von industri-<br />

17 Dabei könnte auch die Gültigkeit der folgenden Aussage eines FuE-Managers<br />

der Elektroindustrie aus den späten 70er Jahren überprüft werden, die sich auf<br />

die wichtiger werdende Planung <strong>und</strong> Kontrolle von Produktionsabläufen <strong>und</strong><br />

Produkten bezieht: "Je mehr wir im Moment im Vorfeld technologisch bessere<br />

Lösungen finden, desto weniger Qualifikationen brauchen wir am Ende, wenn es<br />

produziert wird. (...) Durch die Vorfeldarbeiten, die immer besser, präziser<br />

werden, die mehr Einsatz von technischen Mitteln i.d.R. zur Folge haben, haben<br />

wir unten am Ende das Ergebnis, daß für weite Mitarbeiterbereiche die Qualifikationsanforderungen<br />

sinken statt steigen" (zitiert nach Heisig u.a. 1985, S. 30).<br />

Möglicherweise ist der in diesem Statement zum Ausdruck kommende Planungsoptimismus<br />

ein Reflex des zu diesem Zeitpunkt noch funktionierenden<br />

Modells der traditionellen Massenproduktion, der mit der Krise dieser Produktionsweise<br />

seinen Gr<strong>und</strong> verloren hat. Denkbar ist allerdings auch eine zwischenzeitliche<br />

Weiterentwicklung <strong>und</strong> Verfeinerung entsprechender Planungs<strong>und</strong><br />

Kontrollkonzepte, die gerade unter den Bedingungen nicht-standardisierter<br />

Produktion zu den geschilderten Qualifikationsauswirkungen führen.<br />

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eilen Innovationsprozessen. Dementsprechend kann auch die Funktion<br />

des Managements sinnvollerweise nicht mehr auf die Planung <strong>und</strong> Kontrolle<br />

des Arbeitsprozesses reduziert werden.<br />

(b) Systemische Rationalisierungsmaßnahmen dürfen nicht verkürzt als<br />

technische Rationalisierungsprozesse begriffen werden. Zwar spielen der<br />

Einsatz von I&K-Technologien <strong>und</strong> die Ansätze zur datentechnischen Integration<br />

hierbei unbestreitbar eine wesentliche Rolle. Deshalb darf jedoch<br />

die Bedeutung der organisationsstrukturellen Maßnahmen bei der<br />

Restrukturierung unternehmensinterner <strong>und</strong> unternehmensübergreifender<br />

Funktionen <strong>und</strong> Abläufe nicht unterschätzt werden.<br />

(c) Systemische Rationalisierung setzt nicht notwendigerweise eine systematische<br />

<strong>und</strong> umfassende Planung voraus, obwohl sie Implikationen für<br />

alle Teilbereiche der <strong>Unternehmensorganisation</strong> haben kann. Von daher<br />

können z.B. Veränderungen auf der Ebene des Arbeitsprozesses durchaus<br />

eher Nebenfolge anstatt Resultat bewußter Managementstrategien sein.<br />

(d) Ganz allgemein sollten deshalb Unternehmensstrategien nicht von<br />

vornherein als Ausfluß bewußter <strong>und</strong> beständiger Zielverfolgung konzipiert<br />

werden (müssen). Ohne die Frage nach dem Ausmaß an Stringenz,<br />

mit dem das Management bestimmte Strategien verfolgt, auszuschließen,<br />

kann Strategie als modus operandi der Unternehmensführung verstanden<br />

werden, der sich auch unabhängig von kohärenten Entscheidungen entwickelt<br />

<strong>und</strong> Realitätsmächtigkeit erlangt (Littler 1987). In dieser Perspektive<br />

werden Strategien eher (von außen) rekonstruiert als (innerhalb des<br />

Managements) rational konstruiert.<br />

10.7 Zur Entwicklung der sozialwissenschaftlichen Technikforschung<br />

Es gehört mittlerweile zum guten Ton innerhalb der industriesoziologischen<br />

Zunft, jeglicher Form des technologischen Determinismus eine<br />

deutliche Absage zu erteilen. Seit der Entdeckung des Umstandes, daß<br />

identische Technologien mit sehr unterschiedlichen Formen der Arbeitsteilung<br />

<strong>und</strong> Arbeitsorganisation sowie mit verschiedenen Personal- <strong>und</strong><br />

Qualifikationsstrukturen kombiniert werden können, hat sich die For-<br />

Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />

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schling auf die betrieblichen Bedingungen konzentriert, die bei der Entscheidung<br />

über die Nutzung bzw. Nicht-Nutzung dieser Spielräume eine<br />

Rolle spielen. Ein zweiter Schritt bei der Abkehr von technikdeterministischen<br />

Auffassungen wurde durch die Einsicht befördert, daß nicht nur die<br />

Einsatz- <strong>und</strong> Nutzungsformen von Technologien Gegenstand des interessengeleiteten<br />

Handelns sozialer Akteure sein können. Auch die wissenschaftlich-technische<br />

Entwicklung gilt vielen Autoren mittlerweile als sozialer<br />

Prozeß, der sozialwissenschaftlicher Erklärung <strong>und</strong> gesellschaftlichen<br />

Steuerungsversuchen zugänglich ist (MacKenzie, Wajcman 1985; Weingart<br />

1989). Während sich schon ganze Bibliotheken mit den Arbeiten derer<br />

füllen lassen, die sich der Frage nach den sozialen Folgen neuer Technologien<br />

widmen <strong>und</strong> während an Forschungen über alternative Einsatzformen<br />

ebenfalls kein Mangel herrscht, dürften sich die sozialwissenschaftlichen<br />

Ergebnisse zum Thema Technikgenese recht bequem in einem nicht allzu<br />

großen Regal unterbringen lassen. Der Stand der Forschung zur Technikgenese<br />

wird von Kennern der nationalen <strong>und</strong> internationalen Forschungslage<br />

bestenfalls als "bruchstückhaft" bezeichnet. Die meisten Bef<strong>und</strong>e <strong>und</strong><br />

Thesen orientierten sich, so zumindest Lutz (1990), entweder an einzelnen<br />

exzeptionellen Technikobjekten, so daß deren Verallgemeinerungsfähigkeit<br />

beeinträchtigt sei, oder unterstellten eine vereinfachende Verursachungslogik.<br />

Nicht erwähnt werden in dieser Kritik von Lutz diejenigen Arbeiten,<br />

denen es nicht primär um die Untersuchung der Entstehungsprozesse bestimmter<br />

Technologien, sondern um die Analyse des gesellschaftlichen<br />

Orts der Erzeugung neuen wissenschaftlichen <strong>und</strong> technischen Wissens<br />

geht. Wir zählen derartige Studien, die außerordentlich wichtige Erkenntnisse<br />

über die Produktion wissenschaftlich-technischer Innovationen bereithalten,<br />

gleichwohl ebenfalls zur sozialwissenschaftlichen Technikgeneseforschung.<br />

Zu nennen sind in diesem Zusammenhang zunächst einmal<br />

wissenschaftssoziologische Arbeiten, die unter dem Label "Labor-Studien"<br />

firmieren (vgl. etwa Knorr-Cetina 1984; Latour, Woolgar 1979; Lynch<br />

1985) <strong>und</strong> die dafür gesorgt haben, daß alltägliche Arbeits- <strong>und</strong> Kommunikationsprozesse<br />

in Forschungslaboratorien zu einem anerkannten Gegenstand<br />

empirischer soziologischer Analyse geworden sind. So verdienstvoll<br />

es ist, durch diesen Zugriff den sozialen Charakter der Produktion<br />

wissenschaftlicher Tatsachen <strong>und</strong> der dazu gehörigen "technologischen Artefakte"<br />

(Pinch, Bijker 1984) erhellt zu haben, so problematisch ist es, dabei<br />

von den objektivierten Strukturzusammenhängen zu abstrahieren, in<br />

Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />

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die Laboratorien als Orte der Erzeugung neuen wissenschaftlichen <strong>und</strong><br />

technologischen Wissens eingebettet sind. Gerade für den Bereich der industriellen<br />

Forschung <strong>und</strong> Entwicklung ist das Bild eines einzelnen,<br />

scheinbar allein für sich bestehenden Forschungslabors, völlig unzutreffend.<br />

Wie dem eher spärlichen empirischen Material zum Thema industrielle<br />

Forschung <strong>und</strong> Entwicklung, das bislang von im weitesten Sinne Industrie-<br />

<strong>und</strong> organisationssoziologischer Seite präsentiert worden ist, 18<br />

entnommen<br />

werden kann, stellen moderne FuE-Organisationen in der Industrie<br />

nämlich äußerst komplexe Gebilde dar (Zündorf, Grünt 1982), deren<br />

Funktion zudem nicht allein in der Entwicklung technischer Neuerungen<br />

besteht. Von wachsender Bedeutung ist z.B. auch die Funktion als Frühwarnsystem,<br />

das rechtzeitig technologische Sackgassen erkennt <strong>und</strong> das<br />

wissenschaftlich-technische Umfeld im Auge behält.<br />

Nach unserer Auffassung gehört es zu den vornehmsten Aufgaben einer<br />

Forschungsrichtung, die sich über die Bedeutung der Technikgenese für<br />

die Entwicklung moderner Gesellschaften im klaren ist, die gesellschaftlichen<br />

Orte eingehender zu inspizieren, an denen das wissenschaftliche <strong>und</strong><br />

technologische Wissen produziert wird, mit dem ggf. gesellschaftliche<br />

Strukturen gr<strong>und</strong>legend verändert werden können. Insofern läßt sich die<br />

vorliegende Arbeit auch als explorativen Versuch verstehen, genau diese<br />

Aufgabe anzugehen. Gerade wenn es stimmt, daß in differenzierten Gesellschaften<br />

die Entstehung neuer Techniken für die meisten Handlungsbereiche<br />

ein exogener Prozeß ist, der, wenn überhaupt, jedenfalls woanders<br />

gesteuert wird (v.d. Daele 1989), gilt es, dieses "woanders" präziser zu<br />

analysieren. In einer auf Wissensproduktion <strong>und</strong> technologische Innovationen<br />

ausgerichteten Gesellschaft gehören dazu zweifellos die industriellen<br />

Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungsbereiche mit ihren weitreichenden Verknüpfungen<br />

sowohl innerhalb der Unternehmen als auch über die Grenzen<br />

einzelner Unternehmen hinaus.<br />

Damit ist zumindest auch schon angedeutet, in welche Richtung die weitere<br />

Erforschung von technologischen Innovationspotentialen gehen<br />

könnte. Hält man sich an die von Shrum (1985) vorgetragene Periodisie-<br />

18 "Allein über das Frankfurter 'Institut für Sozialforschung' gibt es mehr Untersuchungen<br />

von Sozialwissenschaftlern (bzw. Ideengeschichtlern) - (...) - als über<br />

alle westdeutschen Industrieforschungsemrichtungen zusammengenommen"<br />

(Hack, Hack 1990, S. 254).<br />

Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />

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ung, dann standen in einer ersten Phase der Innovationsforschung, die als<br />

"Ereignis-Geschichtsbeschreibung" bezeichnet wird, einzelne Erfindungen<br />

<strong>und</strong> Erfinder im Zentrum der Untersuchungen. In der sich anschließenden<br />

Periode wurde die Bedeutung von Organisationen, vor allem von Industrieunternehmen<br />

<strong>und</strong> ihren FuE-Potentialen hervorgehoben, 19<br />

während<br />

man neuerdings das Augenmerk auf umfassende Innovationssysteme 20<br />

richtet. In dieser Abfolge macht sich die wachsende Komplexität der<br />

Technikerzeugung in fortgeschrittenen Industriegesellschaften geltend,<br />

ohne daß man freilich deshalb sagen könnte, für die Ebene einzelner Organisationen<br />

existierten bereits im ausreichendem Maße Erkenntnisse, auf<br />

die beim Übergang auf die nächsthöhere Komplexitätsebene problemlos<br />

zurückgegriffen werden könnte. Außerdem sind die Bemühungen, einen<br />

Kooperationszusammenhang zwischen Staat, Wissenschaft <strong>und</strong> Industrie<br />

in Fragen der Forschungs- <strong>und</strong> Technologiepolitik zu etablieren, nicht<br />

ganz neu. Festzustellen wäre demnach auf dieser Ebene, was sich ggf. innerhalb<br />

<strong>und</strong> zwischen diesen drei Sektoren im Hinblick auf Institutionalisierungs-<br />

<strong>und</strong> Kooperationsformen bei der wissenschaftlich basierten<br />

Technologieentwicklung geändert hat. Überprüft werden könnten in diesem<br />

Zusammenhang dann z.B. Thesen, die eine Tendenz zur Einschränkung<br />

von marktfernen Forschungsaktivitäten in den Unternehmen bei<br />

gleichzeitiger Delegation derartiger Aufgaben an Universitäten <strong>und</strong> unabhängige<br />

Forschungsinstitute behaupten.<br />

19 Shrum sieht folgende Mängel dieser Ansätze: "At best, the firm-basedview is an<br />

'organization set' (Evan) approach to the problem. Direct relations between a<br />

focal organization and other organizations are considered but indirect linkages<br />

and potentially important relations among these organizations are generally<br />

ignored. The view is incomplete in treating firmsas autonomous actors in conceiving<br />

and carrying an innovation to term, when much of the activity of knowledge<br />

production is carried on in quite a different context. The event-history<br />

view, on the other hand, tends to focus on individuals and intellectual developments<br />

to the exclusion of social and organizational facts" (Shrum 1985, S. 8).<br />

20 Diese Innovationssysteme werden von Shrum auch als technische Systeme bezeichnet:<br />

"A technical system may be defined as a centrally administered network<br />

of actors (organizational as well as individual) oriented toward the achievement<br />

of a set of related technological objectives. It is, in essence, an organization<br />

for producing innovation, an entity which specializes in collective problem solving<br />

(ebd., S. 15).<br />

Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />

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10.8 Gesamtgesellschaftliche Aspekte der zunehmenden Bedeutung<br />

organisierter Innovation in der Industrie<br />

Wir verkennen nicht, daß die von uns behaupteten Veränderungen der industriellen<br />

Organisationsstruktur von großer Tragweite sind <strong>und</strong> bei der<br />

Beantwortung der in den Sozialwissenschaften aufgeworfenen Frage einer<br />

gr<strong>und</strong>legenden Transformation des bestehenden Sozial- <strong>und</strong> Wirtschaftssystems<br />

nützlich sein können. Unterstellt wird eine solch gr<strong>und</strong>legende<br />

Transformation etwa, wenn von der Ablösung industrieller durch post-industrielle<br />

Gesellschaften die Rede ist, wenn ein Wandel von der "Arbeitsgesellschaft"<br />

zur "Informationsgesellschaft" oder zur "programmierten Gesellschaft"<br />

postuliert oder wenn gar ein Übergang von kapitalistischen zu<br />

post-kapitalistischen Gesellschaften behauptet wird. In bestimmter Weise<br />

sind - <strong>und</strong> auch dies ist uns bewußt - diese einen gr<strong>und</strong>legenden Wandel<br />

unterstellenden Ansätze ein Reflex auf Veränderungen, deren sichtbarer<br />

Ausdruck unter anderem neue Organisationsmodelle <strong>und</strong> veränderte industrielle<br />

Sozialstrukturen sind. Dennoch sehen wir keinen Anhaltspunkt<br />

dafür, daß diese Veränderungen eine Systemtransformation anzeigen,<br />

sondern halten sie eher für Symptome einer Modifikation des bestehenden<br />

kapitalistischen Wirtschafts- <strong>und</strong> Sozialsystems, dessen Identität dadurch<br />

nicht in Frage gestellt wird.<br />

Unsere Vorstellungen über den Charakter dieser Modifikation lassen sich<br />

dahingehend konkretisieren, daß wir in den von uns notierten organisationsstrukturellen<br />

Veränderungen Indikatoren für den Versuch von Großunternehmen<br />

in der verwissenschaftlichten Industrie sehen, ihr Flexibilitäts-<br />

<strong>und</strong> Innovationspotential zu erhöhen, um damit unter verschärften<br />

Wettbewerbsbedingungen bestehen zu können. 21<br />

Was sich recht trivial anhört<br />

<strong>und</strong> wohl mittlerweile ein beliebter Gemeinplatz geworden ist, auf<br />

dem sich so ziemlich jeder einfinden kann, entwickelt seine Brisanz freilich<br />

erst dann, wenn man genauer nachfragt, was das eigentlich bedeutet. Deshalb<br />

mag es nützlich sein, nochmals an die Debatte über ein mögliches<br />

Ende der Massenproduktion zu erinnern.<br />

21 Trotz der Gefahr uns zu wiederholen, sei nochmals betont, daß die allenthalben<br />

konstatierte Verschärfung der Wettbewerbsbedingungen nicht als rein exogene<br />

Entwicklung zu verstehen ist, wenn es auch aus der Sicht des einzelnen Unternehmens<br />

meist so aussehen mag. Die Unternehmen tragen durch die von ihnen<br />

verfolgten Strategien zu dieser Veränderung der Verwertungsbedingungen recht<br />

tatkräftig bei - mit der Konsequenz, daß ihnen die nicht-intendierten Folgen<br />

ihres eigenen Handelns als verschärfte Marktanforderungen entgegentreten.<br />

Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />

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Diese Diskussion bezieht einen Teil ihres Reizes nicht zuletzt daraus, daß<br />

parallel zur Krise der Massenproduktion eine Krise des Großunternehmens<br />

impliziert wird. Durch die bislang unterschätzte "Größe der Kleinen"<br />

(Aiginger, Tichy 1985) scheint es möglich geworden, dem Prinzip "small is<br />

beautiful" doch noch zum Durchbruch zu verhelfen: Von Landesregierungen<br />

eingesetzte Kommissionen prophezeien goldene Zeiten für innovationsfähige<br />

Klein- <strong>und</strong> Mittelbetriebe; Befürworter der "flexiblen Spezialisierung"<br />

sehen Chancen für eine "Yeoman-Democracy" genannte Variante<br />

des Individualismus, in der der Staat für die Schaffung von Bedingungen<br />

verantwortlich ist, die zur Entstehung einer Republik von Kleineigentümern<br />

führen sollen (Piore, Sabel 1985); verschiedentlich wird sogar über<br />

die tendenzielle Auflösung formaler Organisation spekuliert (Mill, Weißbach<br />

1992).<br />

Nach unserem Eindruck spricht jedoch einstweilen einiges dafür, daß sich<br />

das "angeschlagene" Modell der Massenproduktion <strong>und</strong> mit ihm das<br />

Großunternehmen als Organisationsform, wenn auch in modifizierter<br />

Weise, noch eine Zeitlang wird halten können. Das bedeutet freilich nicht,<br />

daß alles mehr oder weniger beim alten bleibt. Sollte es den Großunternehmen<br />

gelingen, Formen "flexibler Spezialisierung" in ihre traditionellen<br />

Produktions- <strong>und</strong> Organisationsstrukturen zu integrieren, wird sich nicht<br />

nur ihr Erscheinungsbild nachhaltig ändern. Wenn Massenproduktion <strong>und</strong><br />

"flexible Spezialisierung" nicht mehr als konkurrierende, sondern als komplementäre<br />

Prinzipien zu verstehen sind (Brandt 1986b), werden sich neben<br />

den unternehmensinternen Strukturen vor allem die unternehmensübergreifenden<br />

Verflechtungsbeziehungen <strong>und</strong> Kooperationsmuster verändern.<br />

22<br />

Dabei können Kleinfirmen zwar durchaus in der Lage sein,<br />

selbst in High-Tech-Bereichen bestimmte Marktnischen zu besetzen. Es<br />

gibt allerdings zahlreiche Beispiele dafür, daß zum überwiegenden Teil<br />

eher eine Beherrschungsbeziehung zwischen Großunternehmen <strong>und</strong><br />

Kleinbetrieben zu erwarten ist. 23<br />

22 Vgl. dazu die innerhalb der Organisationstheorie - <strong>und</strong> neuerdings auch in der<br />

Industriesoziologie - geführte Debatte über Netzwerke, die als institutionelle<br />

Alternative zu preisdeterminierten <strong>und</strong> hierarchischen Austauschbeziehungen<br />

gelten (Thorelli 1986; Grabher 1988; Bieber 1992; Mill, Weißbach 1992.)<br />

23 Das bedeutet freilich nicht, wie die jüngere Vergangenheit gerade im Elektrobereich<br />

gezeigt hat, daß die Organisationsform des Großunternehmens eine Garantie<br />

für ökonomische Erfolge <strong>und</strong> Schutz vor "fre<strong>und</strong>lichen" oder "unfre<strong>und</strong>lichen<br />

Übernahmen" wäre.<br />

Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />

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Die Diskussion über den Wandel moderner Unternehmens- <strong>und</strong> Marktstrukturen<br />

ist keinesfalls eine rein akademische Übung. Das wird schnell<br />

deutlich, wenn man die gesellschaftliche Funktion von Großunternehmen<br />

in kapitalistischen Industriegesellschaften berücksichtigt. Bekanntlich fehlt<br />

es in kapitalistisch verfaßten Ökonomien an einer zentralen Planungsinstanz.<br />

Die Funktion der gesellschaftlichen Koordination wird deshalb in<br />

nicht unerheblichem Maße zur inneren Angelegenheit von Großunternehmen.<br />

Aufgr<strong>und</strong> des Umfangs ihrer Investitionsentscheidungen muß der<br />

Ort der gesellschaftlichen Kontrolle <strong>und</strong> Koordination eher bei ihnen als<br />

beim Staat gesucht werden.<br />

Diese Koordinations- <strong>und</strong> Kontrollfunktion wird noch offensichtlicher,<br />

wenn man die Ausgabenstruktur für Forschung <strong>und</strong> Entwicklung betrachtet.<br />

Die einschlägigen Statistiken belegen die überragende sozio-ökonomische<br />

Bedeutung der innerhalb der Industrie durchgeführten Forschung<br />

<strong>und</strong> Entwicklung. Der von der Wirtschaft aufgebrachte Anteil an den FuE-<br />

Gesamtausgaben in der B<strong>und</strong>esrepublik hat mittlerweile die 70 %-Marke<br />

überschritten. Berücksichtigt man außerdem, daß ein Gutteil der akademischen<br />

Anstrengungen zur Produktion neuen wissenschaftlichen <strong>und</strong> technischen<br />

Wissens in enger Kooperation mit der Industrie erfolgt, so muß<br />

deren Bedeutung noch höher veranschlagt werden. Betrachtet man die<br />

FuE-Aufwendungen der Unternehmen nach Beschäftigtengrößenklassen<br />

(s. Abschnitt 6.7), so wird unschwer die Dominanz der Großunternehmen<br />

sichtbar. Mit ihren komplexen Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungsorganisationen<br />

<strong>und</strong> den dazu gehörigen Wissenschaftlern <strong>und</strong> Ingenieuren verfügen<br />

sie über Möglichkeiten, denen auf gesellschaftlicher bzw. politischer Ebene<br />

nichts Vergleichbares gegenübersteht. Es liegt auf der Hand, daß sich mit<br />

diesem forschungs- <strong>und</strong> technologiepolitisch hochrelevanten Potential eine<br />

beträchtliche gesellschaftliche Macht verbindet.<br />

Indem hier die Machtpotentiale von Großunternehmen <strong>und</strong> damit auch<br />

die Bedeutung von dort entwickelten Strategien hervorgehoben werden,<br />

soll weder einem unhaltbaren Voluntarismus das Wort geredet noch die<br />

gesellschaftliche oder technologische Entwicklung auf die in einigen Konzernzentralen<br />

getroffenen forschungs- <strong>und</strong> technologiepolitischen Entscheidungen<br />

zurückgeführt werden. Auch liegt uns nichts ferner, als verschwörungstheoretische<br />

Varianten aus der Debatte über den Monopolkapitalismus<br />

wiederzubeleben. Aber gerade in Zeiten, in denen die Technikforschung<br />

eine Kehrtwendung gemacht hat - von einer Innovationstheorie,<br />

Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />

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die den exogenen Charakter von Technik betont, zu einer Auffassung, die<br />

von einer beträchtlichen Formbarkeit <strong>und</strong> Plastizität der Technologie ausgeht<br />

- scheint es uns nötig daran zu erinnern, daß vor allem bei der Entwicklung<br />

technologischer Systeme, ob willentlich <strong>und</strong> planmäßig oder gedankenlos<br />

<strong>und</strong> unbeabsichtigt, politische <strong>und</strong> soziale Strukturierungen eingebaut<br />

werden, die die Spielräume bei der Anwendung dieser Systeme<br />

einschränken oder vorwegbestimmen. Der programmatischen Erklärung<br />

W. Rammerts kann deshalb durchaus zugestimmt werden:<br />

"Wer gegenwärtig kompetent die Folgen neuer Techniken abschätzen will,<br />

kann dies nicht ohne genauere Kenntnis über die sozialen Bedingungen<br />

der Erzeugung <strong>und</strong> Gestaltung technischer Produkte angehen. Denn in den<br />

organisierten Prozessen der <strong>Technikentwicklung</strong>, in den Forschungsinstituten<br />

<strong>und</strong> Industrielabors fallen schon die Vorentscheidungen über Gestalt<br />

<strong>und</strong> Verwendung neuer Produkte <strong>und</strong> damit auch für einen Teil der Folgen"<br />

(Rammert 1990, S. 335).<br />

Und ein zentraler gesellschaftlicher Ort, wo diese Vorentscheidungen fallen,<br />

sind die Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungsorganisationen multinationaler<br />

Großunternehmen.<br />

Zumindest für diese Organisationen dürfte auch die These zutreffend sein,<br />

daß Wissenschaft <strong>und</strong> Technologie oder immaterielle anstatt materieller<br />

Arbeit zur wichtigsten Gr<strong>und</strong>lage der Kapitalverwertung avancieren<br />

(Brandt 1987). Ob es deshalb auch schon gerechtfertigt ist, von einem aufkommenden<br />

Wissenschaftskapitalismus (Rammert) oder einem technologischen<br />

Kapitalismus (Karpik) zu sprechen, muß aufgr<strong>und</strong> der Vagheit<br />

<strong>und</strong> Unausgeführtheit dieser Konzepte einstweilen offen bleiben. Aber<br />

wenn es auf Unternehmensebene gelingt, in Kooperation mit staatlicher<br />

Forschung <strong>und</strong> akademischer Wissenschaft, die technisch-wissenschaftlichen<br />

Voraussetzungen eines neuen ökonomischen Aufschwungs herauszubilden,<br />

müßte das als weiterer Beleg für die Regenerationsfähigkeit des<br />

modernen Kapitalismus gewertet werden. Und gerade in Zeiten gesellschaftlicher,<br />

politischer <strong>und</strong> ökonomischer Umbrüche, in denen die Weichen<br />

für die weitere Entwicklung neu gestellt werden, stellt die Verfügung<br />

über wissenschaftlich-technische Potentiale eine Machtressource erster<br />

Güte dar. Dies unterstreicht noch einmal die Bedeutung derjenigen Unternehmen,<br />

die in der Lage sind, die wissenschaftliche <strong>und</strong> technische<br />

Entwicklung aktiv voranzutreiben. Allerdings müßten sich neben den notwendigen<br />

technisch-wissenschaftlichen Bedingungen einer neuen Prosperi-<br />

Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />

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tätsperiode auch die hinreichenden Bedingungen sozio-ökonomischer Art<br />

herausbilden, die einen solchen Aufschwung erst ermöglichen. Manches<br />

spricht dafür, daß sich auf der Ebene des Sozial- <strong>und</strong> Wirtschaftssystems<br />

gegenwärtig Veränderungen dieser Art vollziehen, die die Gr<strong>und</strong>lage einer<br />

neuen, sich selbst verstärkenden "Prosperitätskonstellation" (Bechtle, Lutz<br />

1989) bilden könnten. Freilich sind dabei erhebliche Belastungs- <strong>und</strong> Gefährdungspotentiale<br />

für die bestehenden Arbeits- <strong>und</strong> Lebensverhältnisse<br />

nicht zu übersehen. Deshalb muß der neuerdings modische Optimismus,<br />

die Entwicklungsdynamik des Kapitalismus bringe nach dem "Ende der<br />

Arbeitsteilung" (mit Fragezeichen) <strong>und</strong> dem "Ende der Massenproduktion"<br />

(ohne Fragezeichen) gravierende positive Veränderungen für die abhängig<br />

Beschäftigten mit sich, ernsthaft in Frage gestellt werden.<br />

Alle Versuche, die die immer wieder geäußerte Forderung nach einer<br />

stärkeren Hinwendung der Industriesoziologie zur Gesellschaftstheorie<br />

(vgl. Schmiede 1983; Malsch 1987b; Sauer 1987) einlösen wollen, hätten<br />

darüber hinaus zu reflektieren, was es für die Entwicklung marktwirtschaftlich<br />

organisierter Gesellschaften bedeutet, daß der technische Fortschritt<br />

für bestimmte Unternehmen nicht länger nur eine (hinzunehmende)<br />

Kontextbedingung ist, sondern in immer stärkerem Maße zu einem<br />

zentralen Handlungsparameter ihrer Strategien aufrückt. Sowohl für<br />

die Weiterentwicklung einer historisch gerichteten Gesellschaftstheorie als<br />

auch für die Soziologie der gesellschaftlichen Arbeit dürfte es jedenfalls<br />

nicht länger möglich sein zu vernachlässigen, daß<br />

"die Reproduktion entwickelter Industriegesellschaften auf sie (Wissenschaft<br />

im Sinn lebendiger wissenschaftlicher Arbeit <strong>und</strong> Technik als Verkörperung<br />

wissenschaftlicher Arbeit) <strong>und</strong> nicht mehr oder nicht mehr allein<br />

auf im unmittelbaren Produktionsprozeß geleistete Arbeit sich stützt"<br />

(Brandt, Papadimitriou 1990, S. 205).<br />

Eben darauf haben wir aufmerksam machen wollen. Es steht aber zu befürchten,<br />

daß weite Teile der Industriesoziologie die in dieser These enthaltene<br />

Herausforderung noch immer nicht wahrgenommen haben.<br />

Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />

http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890


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Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />

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York.<br />

ZVEI (Zentralverband der Elektrotechnik- <strong>und</strong> Elektronikindustrie e.V.): Statistische<br />

Berichte, mehrere Jahrgänge, Frankfurt.<br />

Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />

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DAS INSTITUT FÜR SOZIALWISSENSCHAFTLICHE FORSCHUNG E.V.<br />

- <strong>ISF</strong> MÜNCHEN -<br />

Das <strong>ISF</strong> ist ein eingetragener Verein mit anerkannter Gemeinnützigkeit.<br />

Es besteht seit 1965. Mitglieder des Vereins sind überwiegend langjährige<br />

Mitarbeiter des <strong>ISF</strong>.<br />

Die Leitung des Instituts obliegt einem Institutsrat, der aus wissenschaftlichen<br />

Mitarbeitern <strong>und</strong> einer Verwaltungsangestellten besteht. Alle sind<br />

langjährige Mitarbeiter des <strong>ISF</strong>; sie zeichnen für jeweils unterschiedliche<br />

Ressorts verantwortlich.<br />

Den Forschungsschwerpunkten entsprechend arbeiten drei bis sechs Wissenschaftler<br />

gleichberechtigt in eigenverantwortlichen Projektgruppen zusammen.<br />

Sie führen neben den Projekten der Auftragsforschung auch<br />

theoretische Gr<strong>und</strong>lagenarbeiten im Rahmen des Sonderforschungsbereichs<br />

333 "Entwicklungsperspektiven von Arbeit" der Ludwig-Maximilians-Universität<br />

<strong>München</strong> durch. Überschneidungen in der Zuständigkeit<br />

einzelner Wissenschaftler für Teilprojekte dienen dem Erfahrungsaustausch,<br />

der gemeinsamen Weiterentwicklung theoretischer Ansätze sowie<br />

der Koordination <strong>und</strong> Abklärung der Forschungsergebnisse. Synergieeffekte<br />

können auf diese Weise erreicht werden.<br />

Derzeit beschäftigt das <strong>ISF</strong> rd. 25 fest angestellte wissenschaftliche Mitarbeiter<br />

mit sozial-, wirtschafts- <strong>und</strong> ingenieurwissenschaftlicher Ausbildung,<br />

nicht selten mit einer Zusatz- oder Doppelqualifikation (Wirtschaftswissenschaften/Soziologie,<br />

Jurisprudenz/Soziologie bzw. Nationalökonomie,<br />

Ingenieurwissenschaften/Soziologie, Psychologie/Nationalökonomie). Interdisziplinäre<br />

Zusammenarbeit ist damit gewährleistet, der Schwerpunkt<br />

liegt bei der Industriesoziologie. Die wissenschaftlichen Mitarbeiter haben<br />

überwiegend langjährige Forschungserfahrung. Mehr als zehn Mitarbeiterinnen<br />

kümmern sich um Organisations-, Verwaltungs- <strong>und</strong> Schreibarbeiten.<br />

Wissenschaftliche <strong>und</strong> studentische Hilfskräfte <strong>und</strong> zeitweilig herangezogene<br />

Experten für Spezialgebiete ergänzen den Mitarbeiterstab.<br />

Ein Überblick über die bisherigen Arbeiten <strong>und</strong> Veröffentlichungen ist<br />

über das Institut erhältlich.<br />

INSTITUT FÜR SOZIALWISSENSCHAFTLICHE FORSCHUNG E.V. - <strong>ISF</strong> MÜNCHEN<br />

Jakob-Klar-Straße 9 - 80796 <strong>München</strong> 40 - Tel. 089/272921-0 - Fax 089/272921-60<br />

Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />

http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890


Ausgewählte Buchveröffentlichungen 1988 -1993<br />

Böhle, Fritz; Milkau, Brigitte: Vom Handrad zum Bildschirm - Eine Untersuchung<br />

zur sinnlichen Erfahrung im Arbeitsprozeß, Frankfurt/New York 1988.<br />

Ernst, Angelika: Dauerbeschäftigung <strong>und</strong> Flexibilität in Japan - Beschäftigungspolitik<br />

japanischer Unternehmen in Rationalisierungs- <strong>und</strong> Krisenphasen, Frankfurt/New<br />

York 1988.<br />

<strong>ISF</strong> <strong>München</strong> (Hrsg.): Arbeitsorganisation bei rechnerintegrierter Produktion - Zur<br />

Einführung neuer Techniken in der Metallindustrie, KfK-PFT 137, Karls-ruhe<br />

1988.<br />

Altmann, Norbert; Sauer, Dieter (Hrsg.): Systemische Rationalisierung <strong>und</strong> Zulieferindustrie<br />

- Sozialwissenschaftliche Aspekte zwischenbetrieblicher Arbeitsteilung,<br />

Frankfurt/New York 1989.<br />

Döhl, Volker; Altmann, Norbert; Deiß, Manfred; Sauer, Dieter: Neue Rationalisierungsstrategien<br />

in der Möbelindustrie I - Markt <strong>und</strong> Technikeinsatz, Frankfurt/New<br />

York 1989.<br />

Deiß, Manfred; Altmann, Norbert; Döhl, Volker; Sauer, Dieter: Neue Rationalisierungsstrategien<br />

in der Möbelindustrie II - Folgen für die Beschäftigten, Frankfurt/New<br />

York 1989.<br />

Düll, Klaus; Lutz, Burkart (Hrsg.): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> Arbeitsteilung im internationalen<br />

Vergleich - Fünf Aufsätze zur Zukunft industrieller Arbeit,<br />

Frankfurt/New York 1989.<br />

<strong>ISF</strong> <strong>München</strong> (Hrsg.): Strategische Optionen der Organisations- <strong>und</strong> Personalentwicklung<br />

bei CIM - Beiträge zur Initiative CIM-Technologie-Transfer, KfK-PFT<br />

148, Karlsruhe 1989.<br />

Köhler, Christoph; Preisendörfer, Peter (Hrsg.): Betrieblicher Arbeitsmarkt im<br />

Umbruch - Analysen zur Mobilität, Segmentation <strong>und</strong> Dynamik in einem<br />

Großbetrieb, Frankfurt/New York 1989.<br />

Lutz, Burkart; Moldaschl, Manfred: Expertensysteme <strong>und</strong> industrielle Facharbeit -<br />

Ein Gutachten über denkbare qualifikatorische Auswirkungen von Expertensystemen<br />

in der fertigenden Industrie, Frankfurt/New York 1989.<br />

Schultz-Wild, Rainer; Nuber, Christoph; Rehberg, Frank; Schmierl, Klaus: An der<br />

Schwelle zu CIM - Strategien, Verbreitung, Auswirkungen, RKW-Verlag, Verlag<br />

TÜV Rheinland, Eschborn/Köln 1989.<br />

Behr, Marhild von; Köhler, Christoph (Hrsg.): Werkstattoffene CIM-Konzepte -<br />

Alternativen für CAD/CAM <strong>und</strong> Fertigungssteuerung, KfK-PFT 157, Karlsruhe<br />

1990.<br />

Deiß, Manfred; Döhl, Volker; Sauer, Dieter, unter Mitarbeit von Altmann, Norbert:<br />

Technikherstellung <strong>und</strong> Technikanwendung im Werkzeugmaschinenbau - Automatisierte<br />

Werkstückhandhabung <strong>und</strong> ihre Folgen für die Arbeit, Frankfurt/New<br />

York 1990.<br />

Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />

http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890


Hirsch-Kreinsen, Hartmut; Schultz-Wild, Rainer; Köhler, Christoph; Behr, Marhild<br />

von: Einstieg in die rechnerintegrierte Produktion - Alternative Entwicklungspfade<br />

der Industriearbeit im Maschinenbau, Frankfurt/New York 1990.<br />

Rose, Helmuth (Hrsg.): Programmieren in der Werkstatt - Perspektiven für Facharbeit<br />

mit CNC-Maschinen, Frankfurt/New York 1990.<br />

Düll, Klaus; Bechtle, Günter, unter Mitarbeit von Moldaschl, Manfred: Massenarbeiter<br />

<strong>und</strong> Personalpolitik in Deutschland <strong>und</strong> Frankreich - Montagerationalisierung<br />

in der Elektroindustrie I, Frankfurt/New York 1991.<br />

Mendius, Hans Gerhard; Wendeling-Schröder, Ulrike (Hrsg.): Zulieferer im Netz -<br />

Zwischen Abhängigkeit <strong>und</strong> Partnerschaft, Neustrukturierung der Logistik am<br />

Beispiel der Automobilzulieferung, B<strong>und</strong> Verlag, Köln 1991.<br />

Moldaschl, Manfred: Frauenarbeit oder Facharbeit? - Montagerationalisierung in<br />

der Elektroindustrie II, Frankfurt/New York 1991.<br />

Semlinger, Klaus (Hrsg.): Flexibilisierung des Arbeitsmarktes - Interessen, Wirkungen,<br />

Perspektiven, Frankfurt/New York 1991.<br />

Tokunaga, Shigeyoshi; Altmann, Norbert; Nomura, Masami; Hiramoto, Atsushi: Japanisches<br />

Personalmanagement - ein anderer Weg? - Montagerationalisierung in<br />

der Elektroindustrie III, Frankfurt/New York 1991.<br />

Altmann, Norbert; Köhler, Christoph; Meil, Pamela (eds.): Technology and Work in<br />

German Industry, Routledge, London/New York 1992.<br />

Böhle, Fritz; Rose, Helmuth: Technik <strong>und</strong> Erfahrung - Arbeit in hochtechnisierten<br />

Systemen, Frankfurt/New York 1992.<br />

Deiß, Manfred; Döhl, Volker (Hrsg.): Vernetzte Produktion - Automobilzulieferer<br />

zwischen Kontrolle <strong>und</strong> Autonomie, Frankfurt/New York 1992.<br />

Grüner, Hans: Mobilität <strong>und</strong> Diskriminierung - Deutsche <strong>und</strong> ausländische Arbeiter<br />

auf einem betrieblichen Arbeitsmarkt, Frankfurt/New York 1992.<br />

Tokunaga, Shigeyoshi; Altmann, Norbert; Demes, Helmut (eds.): New Impacts on<br />

Industrial Relations - Internationalization and Changing Production Strategies,<br />

Iudicium Verlag, <strong>München</strong> 1992.<br />

Bieber, Daniel; Möll, Gerd: <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong> -<br />

Zur Rationalisierung von Innovationsprozessen in der Elektroindustrie, Frankfurt/New<br />

York 1993.<br />

Drexel, Ingrid: Das Ende des Facharbeiteraufstiegs? - Neue mittlere Bildungs- <strong>und</strong><br />

Karrierewege in Deutschland <strong>und</strong> Frankreich - ein Vergleich, Frankfurt/New<br />

York 1993.<br />

Drexel, Ingrid (Hrsg.): Jenseits von Individualisierung <strong>und</strong> Angleichung - Die Entstehung<br />

neuer Arbeitnehmergruppen in vier europäischen Ländern, Frankfurt/New<br />

York 1993 (Veröffentlichung in Vorbereitung).<br />

Fischer, Joachim: Der Meister - Ein Arbeitskrafttypus zwischen Erosion <strong>und</strong> Stabilisierung,<br />

Frankfurt/New York 1993 (Veröffentlichung in Vorbereitung).<br />

Hirsch-Kreinsen, Hartmut: NC-Entwicklung als gesellschaftlicher Prozeß - Amerikanische<br />

<strong>und</strong> deutsche Innovationsmuster der Fertigungstechnik, Frankfurt/New<br />

York 1993 (Veröffentlichung in Vorbereitung).<br />

Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />

http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890

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