Technikentwicklung und Unternehmensorganisation - ISF München
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Daniel Bieber, Gerd Möll<br />
<strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong><br />
<strong>Unternehmensorganisation</strong><br />
Zur Rationalisierung<br />
von Innovationsprozessen<br />
in der Elektroindustrie<br />
Campus Verlag<br />
Frankfurt / New York<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
<strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong><br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
Veröffentlichungen aus dem<br />
Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung e.V.<br />
<strong>ISF</strong> <strong>München</strong><br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
Die Erarbeitung wesentlicher Teile dieses Bandes wurde von der<br />
Stiftung Volkswagenwerk gefördert (Az.II/62914).<br />
Die Erstellung der Buchfassung erfolgte im Rahmen der Arbeiten<br />
des Sonderforschungsbereichs 333 der Universität <strong>München</strong>,<br />
"Entwicklungsperspektiven von Arbeit", Teilprojekt B 3.<br />
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme<br />
Bieber, Daniel:<br />
<strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong> : zur<br />
Rationalisierung von Innovationsprozessen in der<br />
Elektroindustrie / Daniel Bieber ; Gerd Möll. -<br />
Frankfurt/Main ; New York : Campus Verlag, 1993<br />
(Veröffentlichungen aus dem Institut für Sozialwissenschaftliche<br />
Forschung e.V., <strong>ISF</strong> <strong>München</strong>)<br />
ISBN 3-593-34732-6<br />
NE: Möll, Gerd:<br />
Die Veröffentlichungen werden herausgegeben vom Institut<br />
für Sozialwissenschaftliche Forschung e.V. (<strong>ISF</strong>), <strong>München</strong>.<br />
Copyright © 1993 bei <strong>ISF</strong>, <strong>München</strong>.<br />
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt.<br />
Jede Verwertung ohne Zustimmung des Instituts ist unzulässig. Das gilt<br />
insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen<br />
<strong>und</strong> die Einspeicherung <strong>und</strong> Verarbeitung in elektronischen Systemen.<br />
Vertrieb: Campus Verlag, Heerstraße 149,6000 Frankfurt 90.<br />
Druck <strong>und</strong> Bindung: Druckerei Novotny, Starnberg.<br />
Printed in Germany.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
Vorwort<br />
I.<br />
Dieser nunmehr einer breiteren Öffentlichkeit vorgestellte Text hat eine<br />
Geschichte, auf die hier kurz eingegangen werden soll. Er entstand<br />
zunächst im Kontext eines in Frankfurt gemeinsam mit Gerhard Brandt<br />
begonnenen Forschungsprojektes, das unter dem Titel "Organisatorische<br />
<strong>und</strong> technologische Innovationspotentiale in der verwissenschaftlichten<br />
Industrie <strong>und</strong> ihre gesellschaftlichen Implikationen" von der Stiftung<br />
Volkswagenwerk in den Jahren 1987-1989 gefördert wurde. Daneben haben<br />
auch Überlegungen in diesen Text Eingang gef<strong>und</strong>en, auf die die Autoren<br />
in ihrer neuen Arbeitsumgebung gleichsam mit der Nase gestoßen<br />
wurden. Dennoch ist diese Arbeit noch stark den "Frankfurter" Traditionen<br />
der industriesoziologischen Forschung verhaftet, was uns freilich nicht<br />
gehindert hat, die gr<strong>und</strong>legenden Engführungen sowohl der Frankfurter<br />
wie auch konkurrierender Ansätze zu diskutieren.<br />
Diese Arbeit knüpft an Überlegungen an, die eine Arbeitsgruppe am<br />
Fachbereich Gesellschaftswissenschaften der Johann Wolfgang Goethe-<br />
Universität <strong>und</strong> im Institut für Sozialforschung seit Ende 1984 entwickelt<br />
hat. Zu dieser Gruppe gehörten neben Gerhard Brandt <strong>und</strong> den Autoren<br />
Eckart Teschner, Ingo Braun <strong>und</strong> Helge Peukert. Die "Entdeckung" der<br />
Fragestellung <strong>und</strong> die Erkenntnis, daß sich von einer Auseinandersetzung<br />
mit der Organisations- <strong>und</strong> Innovationsforschung wichtige Impulse für die<br />
Industriesoziologie im allgemeinen <strong>und</strong> für eine Weiterentwicklung <strong>und</strong><br />
gegebenenfalls eine Revision des Subsumtionstheorems im besonderen<br />
erwarten lassen, gehen auf Gerhard Brandt zurück. Ihm war vor allem<br />
daran gelegen, gesellschaftstheoretische Fragestellungen im Rahmen der<br />
Projektarbeit zu verfolgen. Nach dem Tode Gerhard Brandts haben wir<br />
uns allerdings stärker auf die Aufarbeitung der Literatur zur Organisations-<br />
<strong>und</strong> Innovationsforschung sowie auf die Beschäftigung mit empirischen<br />
<strong>und</strong> methodischen Problemen der Erfassung von Innovationspotentialen<br />
in der Elektroindustrie konzentriert. Nicht zuletzt aus diesem Gr<strong>und</strong><br />
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tragen wir allein die Verantwortung für diese Arbeit, über deren letztlich<br />
vorläufigen Charakter wir uns keinerlei Illusionen hingeben.<br />
Der vorliegende Text wurde von den Autoren gemeinsam verfaßt <strong>und</strong><br />
stellt eine gründlich überarbeitete Fassung des Abschlußberichts unseres<br />
Forschungsvorhabens dar. Diesen haben wir im August 1990 der Stiftung<br />
Volkswagenwerk vorgelegt. Die hier präsentierten Ergebnisse beruhen<br />
zum Teil auf Vorarbeiten, die wir in den Jahren 1988-1990 geleistet haben.<br />
Daß wir nun, da wir in anderen Arbeitszusammenhängen stehen, das eine<br />
oder andere "ganz anders" machen würden, ist nicht zuletzt das Verdienst<br />
der Kollegen, die uns am Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung in<br />
<strong>München</strong> <strong>und</strong> am Lehrstuhl Technik <strong>und</strong> Gesellschaft in Dortm<strong>und</strong><br />
auszuhalten haben <strong>und</strong> die, soweit das die alltägliche Belastung in diesen<br />
Institutionen zuläßt, die Zeit fanden, sich mit unseren Überlegungen auseinanderzusetzen.<br />
Hervorzuheben sind hier - in alphabetischer Reihenfolge<br />
- Norbert Altmann, Reinhard Bachmann, Manfred Deiß, Volker<br />
Döhl, Burkart Lutz, Thomas Malsch, Ulrich Mill, Dieter Sauer, Barbara<br />
Weißbach <strong>und</strong> Hans-Jürgen Weißbach.<br />
II.<br />
Das Projekt, über dessen Ergebnisse wir hier berichten, hätte sicher zu einem<br />
besseren Abschluß gebracht werden können, wäre Gerhard Brandt<br />
nicht im November 1987 gestorben. Die Fortsetzung der Forschungsarbeit<br />
<strong>und</strong> die Erstellung dieses Buchs waren freilich nur möglich, da sich in einem<br />
wirklich erstaunlichen Maße gezeigt hat, daß - obwohl die Zeiten immer<br />
härter werden - kollegiale Zusammenarbeit <strong>und</strong> professionelle Solidarität<br />
auch unter Sozialwissenschaftlern noch nicht ganz ausgestorben sind.<br />
Unser Dank gilt vor allem dem Ökonomen Gerd Fleischmann, der spontan<br />
bereit war, die im Rahmen der Interdisziplinären Arbeitsgruppe Technikforschung<br />
(IATF) mit Gerhard Brandt begonnene Zusammenarbeit<br />
mit uns fortzusetzen. Wer weiß, was ohne diese nicht nur institutionelle<br />
Unterstützung aus diesem Projekt <strong>und</strong> den Autoren dieses Berichts geworden<br />
wäre.<br />
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Verpflichtet sind wir auch den Mitarbeitern unseres Projekts. Ihre Vorarbeiten<br />
waren bei der Durchdringung des empirischen Materials eine große<br />
Hilfe. Klaus-Jürgen Drick <strong>und</strong> Michael Ertel danken wir für ihre Unterstützung<br />
bei der Erstellung der Branchenanalyse der Elektrotechnischen<br />
Industrie, Heiner Köhnen <strong>und</strong> Willi Konrad für ihre Vorarbeiten zu den<br />
Kapiteln über neue Formen der Unternehmenskooperation <strong>und</strong> der <strong>Unternehmensorganisation</strong><br />
in der Elektro- <strong>und</strong> Elektronikindustrie.<br />
Unterstützung, Anregung <strong>und</strong> Solidarität, die sich nicht im gr<strong>und</strong>- <strong>und</strong> inhaltslosen<br />
Schulterklopfen erschöpften, wurde uns auch von anderen<br />
Kollegen der Fachbereiche Gesellschaftswissenschaften <strong>und</strong> Wirtschaftswissenschaften<br />
der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt zuteil.<br />
Zu erwähnen sind hier insbesondere Gerd Bender, Reinhard Breßler<br />
<strong>und</strong> Thomas Heimer, denen wir wichtige Anregungen <strong>und</strong> Hinweise verdanken.<br />
Für die Förderung unseres Forschungsvorhabens danken wir nochmals der<br />
Stiftung Volkswagenwerk <strong>und</strong> namentlich Frau Dr. Helga Junkers.<br />
Danken möchten wir den Kolleginnen vom <strong>ISF</strong> <strong>München</strong>, <strong>und</strong> zwar Karla<br />
Kempgens, die die unzähligen Tabellen <strong>und</strong> Schaubilder in eine für die<br />
Druckfassung geeignete Form gebracht hat, <strong>und</strong> Christa Hahlweg, die die<br />
umfangreiche Arbeit der Endkorrektur <strong>und</strong> der buchtechnischen Fertigstellung<br />
des Manuskripts übernommen hat.<br />
III.<br />
Wir möchten diese Gelegenheit nutzen <strong>und</strong> unsere Verpflichtung all jenen<br />
gegenüber zum Ausdruck bringen, die uns in einer schweren Zeit ermuntert<br />
haben, die Arbeit an der gemeinsam mit Gerhard Brandt entwickelten<br />
Fragestellung fortzusetzen.<br />
Zuallererst ist hier Frau Angelika Brandt zu nennen, die, obwohl selbst<br />
mit einer äußerst schwierigen Situation konfrontiert, die Ruhe fand, uns<br />
Mut zu machen.<br />
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Wichtig war uns auch die Solidarität <strong>und</strong> Unterstützung, die wir von Gerd<br />
Bender, Reinhard Breßler, Gerd Fleischmann, Ludwig von Friedeburg,<br />
Lothar Hack, Irmgard Hack, Klaus Hermann, Thomas Heimer, Heiner<br />
Köhnen, Willi Konrad, Steffen Koolmann, Renate Rotisseau, Rudi<br />
Schmiede, Wilhelm Schumm <strong>und</strong> Heinz Steinert erfahren haben. Wenn<br />
wir uns heute als Mitglieder der scientific Community betrachten dürfen,<br />
so haben wir dies nicht zuletzt all diesen Menschen zu verdanken, die angesichts<br />
einer wahrlich schwer aushaltbaren Situation zu uns gestanden<br />
haben.<br />
<strong>München</strong>/Dortm<strong>und</strong>, im September 1992<br />
Daniel Bieber<br />
Gerd Möll<br />
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Inhalt<br />
Vorwort 1<br />
Verzeichnis der Abbildungen 9<br />
Verzeichnis der Tabellen 10<br />
Teil A<br />
Desiderate der industriesoziologischen Forschung<br />
Einleitung 15<br />
1.1 Gr<strong>und</strong>annahmen <strong>und</strong> Engführungen der Industriesoziologie<br />
15<br />
1.2 Organisation <strong>und</strong> Innovation als Thema der Industriesoziologie<br />
24<br />
1.3 Der Beitrag der Regulationsschule zur Erklärung<br />
wissenschaftlich-technischen Wandels 26<br />
1.4 <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> systemische Rationalisierung 28<br />
1.5 Die strukturelle Bedeutung der Elektroindustrie 34<br />
1.6 Ein kurzer Aufriß der Argumentation 38<br />
TeilB<br />
Was kann die Industriesoziologie von der Organisations<strong>und</strong><br />
Innovationsforschung lernen?<br />
2. Veränderte Bedingungen von Unternehmensstrategien<br />
<strong>und</strong> ihre Reflexion in der wissenschaftlichen Diskussion 45<br />
2.1 Aktuelle Unternehmensprobleme <strong>und</strong> ihre Interpretation<br />
durch die Industriesoziologie 46<br />
2.2 Zur Entwicklung des "Theorems der reellen Subsumtion"<br />
bei Gerhard Brandt 51<br />
3. Annäherungen an das Thema "Innovation in der Industrie" 69<br />
3.1 Objektbezogener Innovationsbegriff 69<br />
3.2 Prozessualer Innovationsbegriff 75<br />
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3.3 Das Innovationsproblem in der Organisationsforschung<br />
79<br />
3.4 Zur historischen Entwicklung des Innovationsproblems<br />
in der Industrie 95<br />
3.5 Bedingungen unternehmerischer FuE-Strategien 105<br />
3.6 Integrationsversuch industriesoziologischer <strong>und</strong><br />
innovationstheoretischer Sichtweisen: die zentralen<br />
Risiken kapitalistischer Produktion 113<br />
4. "Systemische Rationalisierung" - Eine adäquate Antwort<br />
der Industriesoziologie auf neue Herausforderungen? 118<br />
TeilC<br />
Branchenanalyse der Elektro- <strong>und</strong> Elektronikindustrie<br />
5. Die ökonomische Struktur der Elektro- <strong>und</strong> Elektronikindustrie<br />
147<br />
5.1 Abgrenzung der Branche 147<br />
5.2 Die Bedeutung der Elektroindustrie 151<br />
5.3 Die Bedeutung der Mikroelektronik: Halbleiter<br />
<strong>und</strong> Software 154<br />
5.4 Produktions- <strong>und</strong> Absatzstruktur 171<br />
5.5 Konzentrationsgrad, Unternehmens- <strong>und</strong> Betriebsstruktur<br />
173<br />
5.6 Außenhandel 177<br />
5.7 Produktionsfaktoren in der Elektroindustrie 178<br />
5.8 Branchenwirtschaftliche Entwicklung 181<br />
5.9 Beschäftigungs- <strong>und</strong> Qualifikationsstruktur 193<br />
Wissenschaftlich-technologisches Innovationspotential<br />
in der Elektro- <strong>und</strong> Elektronikindustrie 197<br />
6.1 Probleme des Umgangs mit dem vorliegenden<br />
statistischen Material 197<br />
6.2 Forschung <strong>und</strong> Entwicklung in der Elektroindustrie 207<br />
6.3 Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungspotentiale im Branchenvergleich<br />
210<br />
6.4 Das Verhältnis von Investitionen <strong>und</strong> FuE-Aufwendungen<br />
in der Elektroindustrie 213<br />
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6.5 Finanzierungsformen von Forschung <strong>und</strong> Entwicklung 219<br />
6.6 Interne <strong>und</strong> externe FuE-Aufwendungen 219<br />
6.7 Konzentration der FuE-Aufwendungen 221<br />
6.8 Die Bedeutung der Gr<strong>und</strong>lagenforschung als Moment<br />
der FuE-Aufwendungen 226<br />
6.9 Beschäftigungsstruktur in Forschung <strong>und</strong> Entwicklung<br />
der Elektroindustrie 228<br />
6.10 Innovationsaufwendungen 232<br />
6.11 Zusammenfassung wichtiger Ergebnisse der innovationsbezogenen<br />
Branchenanalyse 239<br />
TeilD<br />
Strategien <strong>und</strong> Strukturen innovativer Unternehmen -<br />
Drei Forschungshypothesen <strong>und</strong> erste Schritte zu ihrer<br />
empirischen Überprüfung<br />
Neue Formen der <strong>Unternehmensorganisation</strong> 251<br />
7.1 Funktionale versus divisionale Organisationsstruktur<br />
251<br />
7.2 Modifikation divisionaler Unternehmensstrukturen<br />
255<br />
7.3 Dezentralisierung versus Zentralisierung 256<br />
7.4 Dezentralisierung industrieller Innovationspotentiale<br />
264<br />
Die Innovation von Innovationsprozessen -<br />
oder: Zeit ist Geld 267<br />
8.1 Sequentieller versus simultaner Innovationsprozeß 267<br />
8.2 Der Faktor "Zeit" im Innovationsprozeß 269<br />
8.3 "Simultaneous Engineering" 272<br />
8.4 Simultaneous Engineering <strong>und</strong> Zulieferer 277<br />
8.5 Simultaneous Engineering <strong>und</strong> Werkstoffe 279<br />
8.6 Expertensysteme in der Produktentwicklung 286<br />
8.7 Problemfelder simultaner Innovationsprozesse 288<br />
8.8 Rationalitätskonfigurationen im Innovationsprozeß 292<br />
8.9 Resümee 295<br />
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9. Externe Arrangements zur Minimierung von Unternehmensrisiken<br />
297<br />
9.1 Kooperationen 302<br />
9.2 Risiken externer Kooperationen 319<br />
9.3 Joint-ventures 322<br />
9.4 Externes Unternehmenswachstum 326<br />
9.5 Risiken externen Unternehmenswachstums 335<br />
9.6 Probleme externer organisationaler Arrangements<br />
für die Interessenvertretung 336<br />
9.7 Resümee 340<br />
Teil E<br />
Geht der Industriesoziologie die Arbeit aus?<br />
10. Innovation, Organisation <strong>und</strong> Industriesoziologie -<br />
Ein Resümee 351<br />
10.1 Zweifel am traditionellen Rationalisierungsverständnis<br />
der Industriesoziologie 351<br />
10.2 Umbruch industrieller Organisationsstrukturen 355<br />
10.3 <strong>Technikentwicklung</strong> als Handlungsparameter 357<br />
10.4 Organisation <strong>und</strong> Innovation 359<br />
10.5 Ein neuer Innovationstyp? 362<br />
10.6 Bedeutungsverlust der Fertigung in der verwissenschaftlichten<br />
Industrie? 366<br />
10.7 Zur Entwicklung der sozialwissenschaftlichen Technikforschung<br />
369<br />
10.8 Gesamtgesellschaftliche Aspekte der zunehmenden<br />
Bedeutung organisierter Innovation in der Industrie 373<br />
Literatur 379<br />
Das Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung e.V. <strong>München</strong> 402<br />
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Verzeichnis der Abbildungen<br />
Abb. 2.1:<br />
Abb. 3.1:<br />
Abb. 3.2:<br />
Abb. 3.3:<br />
Abb. 3.4:<br />
Abb. 5.1:<br />
Abb. 5.2:<br />
Abb. 5.3:<br />
Abb. 5.4:<br />
Abb. 5.5:<br />
Abb. 5.6:<br />
Abb. 5.7:<br />
Abb. 5.8:<br />
Abb. 6.1:<br />
Abb. 6.2:<br />
Abb. 7.1:<br />
Abb. 7.2:<br />
Abb. 7.3:<br />
Abb. 7.4:<br />
Abb. 8.1:<br />
Das Verhältnis von Markt- <strong>und</strong> Zeitökonomie 48<br />
Organische <strong>und</strong> mechanistische Organisationsstrukturen 84<br />
Grad der Unsicherheit in verschiedenen Subsystemen<br />
der Unternehmung 86<br />
Unsicherheitsgrade verschiedener Innovationstypen 109<br />
Unterschiedliche FuE-Strategien 111<br />
Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungsausgaben, Umsatz <strong>und</strong><br />
Beschäftigung bei Plessey 158<br />
Anwendungsbereiche der Mikroelektronik 159<br />
Durchschnittliches reales Wachstum der Produktion<br />
(1977-1986) 172<br />
Umsatz <strong>und</strong> Beschäftigung der elf größten<br />
Elektrounternehmen der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland<br />
(1987) 176<br />
Konjunkturelle Entwicklung der Elektroindustrie<br />
(1978- 1987) 184<br />
Entwicklung der Nettoproduktion (preisbereinigt) 189<br />
Bruttoanlageinvestitionen <strong>und</strong> Produktion in der<br />
Elektrotechnischen Industrie 190<br />
Umsatzrendite (nach Steuern) <strong>und</strong> Investionsquote<br />
in der Elektro- <strong>und</strong> Elektronikindustrie 191<br />
Behandlung von Abgrenzungsproblemen zur Definition<br />
von FuE in den OECD-Richtlinien 200<br />
Nominale <strong>und</strong> reale FuE-Aufwendungen bei Bosch 203<br />
Funktionale Organisationsstruktur 253<br />
Divisionale Organisationsstruktur 254<br />
Traditionelle Organisationsstruktur bei Siemens 257<br />
Modifizierte Organisationsstruktur bei Siemens 259<br />
Ergebniswirkungen von Zeiten <strong>und</strong> Kosten bei<br />
unterschiedlicher Produktlebensdauer 270<br />
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Abb. 8.2: Methode des Simultaneous Engineering 274<br />
Abb. 9.1: Größere Kooperationen in der Halbleiterindustrie 310<br />
Abb. 9.2:<br />
Verschiedene Formen des Technologietransfers<br />
bei mikroelektronischen Komponenten 318<br />
Verzeichnis der Tabellen<br />
Tab. 5.1:<br />
Tab. 5.2:<br />
Stellung <strong>und</strong> Entwicklung der Elektrotechnischen<br />
Industrie in Relation zum Verarbeitenden Gewerbe 152<br />
Wichtige Industriezweige nach ausgewählten<br />
Indikatoren (1986) 154<br />
Tab. 5.3: Anwendungsbereiche der Mikroelektronik 160<br />
Tab. 5.4:<br />
Tab. 5.5:<br />
Tab. 5.6:<br />
Ausgaben für Datenverarbeitung in der B<strong>und</strong>esrepublik<br />
Deutschland (1986-1993) 165<br />
Der Markt für Software in der B<strong>und</strong>esrepublik nach<br />
Software-Arten 165<br />
Der Markt für Software in der B<strong>und</strong>esrepublik nach<br />
Software-Anbietern 168<br />
Tab. 5.7: Produktionsstruktur der Elektroindustrie 171<br />
Tab. 5.8: Außenhandelsverflechtungen 178<br />
Tab. 5.9:<br />
Anteil der Löhne am Produktionswert in<br />
ausgewählten Industriezweigen (1987) 179<br />
Tab. 5.10: Kapitalintensität ausgewählter Branchen 180<br />
Tab. 5.11: Investitionsentwicklung 183<br />
Tab. 5.12:<br />
Investitionsquoten ausgewählter Bereiche der<br />
Elektro- <strong>und</strong> Elektronikindustrie 185<br />
Tab. 5.13: Investitionsquoten in der Subbranche Bauelemente 187<br />
Tab. 5.14:<br />
Tab. 5.15:<br />
Rentabilität in der Elektrotechnischen Industrie <strong>und</strong><br />
im Verarbeitenden Gewerbe 192<br />
Beschäftigungsstruktur in der Elektro- <strong>und</strong><br />
EDV-Industrie (Angestelltenanteil) 194<br />
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Tab. 5.16: Beschäftigungsstruktur der Siemens AG 194<br />
Tab. 5.17:<br />
Tab. 5.18:<br />
Tab. 5.19:<br />
Tab. 6.1:<br />
Tab. 6.2:<br />
Tab. 6.3:<br />
Tab. 6.4:<br />
Tab. 6.5:<br />
Tab. 6.6:<br />
Tab. 6.7:<br />
Tab. 6.8:<br />
Tab. 6.9:<br />
Tab. 6.10:<br />
Tab. 6.11:<br />
Anteil der Angestellten an den Beschäftigten<br />
in der Elektroindustrie <strong>und</strong> im Verarbeitenden<br />
Gewerbe 195<br />
Anteil der Universitäts- <strong>und</strong> Fachhochschulabsolventen<br />
an den Beschäftigten in der Elektroindustrie 195<br />
Anteil der Facharbeiter an den gewerblichen<br />
Arbeitnehmern in der Elektroindustrie 196<br />
FuE-Aufwand von Unternehmen der Elektroindustrie<br />
nach Größenklassen 208<br />
FuE-Gesamtaufwendungen in der Gesamtwirtschaft<br />
<strong>und</strong> in ausgewählten Branchen 211<br />
FuE-Beschäftigte im Verarbeitenden Gewerbe <strong>und</strong><br />
in ausgewählten Branchen in Prozent des Verarbeitenden<br />
Gewerbes 212<br />
Vergleich der Aufwendungen für FuE <strong>und</strong> für<br />
Investitionen in der Elektroindustrie inkl.<br />
Büromaschinen- <strong>und</strong> EDV-Industrie 214<br />
Vergleich der Aufwendungen für Investitionen,<br />
Beteiligungen <strong>und</strong> FuE bei der Siemens AG 217<br />
Eigenfinanzierte FuE-Aufwendungen ausgewählter<br />
Branchen 220<br />
Interne <strong>und</strong> externe FuE-Aufwendungen der<br />
Unternehmen ausgewählter Branchen 222<br />
FuE-Aufwendungen der Unternehmen der Elektrotechnik<br />
nach Beschäftigtengrößenklassen 223<br />
FuE-Aufwendungen ausgewählter Unternehmen der<br />
Elektroindustrie 224<br />
Anteil der Gr<strong>und</strong>lagenforschung an den internen<br />
FuE-Aufwendungen in der Elektro- <strong>und</strong> Elektronikindustrie<br />
227<br />
FuE-Beschäftigtengruppen in Unternehmen<br />
des Verarbeitenden Gewerbes <strong>und</strong> der Elektro<strong>und</strong><br />
Elektronikindustrie 229<br />
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Tab. 6.12:<br />
Tab. 6.13:<br />
Tab. 6.14:<br />
Tab. 6.15:<br />
Tab. 6.16:<br />
Tab. 6.17:<br />
Tab. 6.18:<br />
Tab. 6.19:<br />
Kennzahlen zum FuE-Personal im Verarbeitenden<br />
Gewerbe <strong>und</strong> in der Elektro- <strong>und</strong> Elektronikindustrie<br />
230<br />
Anteil der Angestellten im FuE-Bereich<br />
in der Elektroindustrie 231<br />
Innovationsaufwendungen im Verarbeitenden<br />
Gewerbe 233<br />
Anteil von FuE-Kosten an den Innovationsaufwendungen<br />
in der Elektroindustrie <strong>und</strong> dem<br />
Investitionsgüter produzierenden Gewerbe 234<br />
Anteil der FuE-Aufwendungen an den Innovationskosten<br />
der Elektroindustrie 235<br />
Anteil der experimentellen Entwicklung an den<br />
Innovationsaufwendungen in der Elektroindustrie <strong>und</strong><br />
dem Investitionsgüter produzierenden Gewerbe 236<br />
Anteil von Forschung an den Innovationsaufwendungen<br />
der Elektroindustrie <strong>und</strong> dem Investitionsgüter<br />
produzierenden Gewerbe 237<br />
Anteil der Innovationsaufwendungen für<br />
unterschiedliche Innovationsarten in der<br />
Elektrotechnischen Industrie 238<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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Teil A<br />
Desiderate der industriesoziologischen<br />
Forschung<br />
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1. Einleitung<br />
"Mit Gr<strong>und</strong> kann daher behauptet werden, daß die industriesoziologische<br />
Forschung sich aufgr<strong>und</strong> ihrer Festlegungen<br />
bislang gegenüber Veränderungen ihres Gegenstandsbereichs<br />
immunisiert, sofern sie ihr Gegenstands<strong>und</strong><br />
Problemverständnis berühren, ohne sich der verheerenden<br />
Folgen bewußt zu werden, die sich daraus längerfristig<br />
für den Bestand der Disziplin ergeben."<br />
(Brandt 1984, S. 205)<br />
1.1 Gr<strong>und</strong>annahmen <strong>und</strong> Engführungen der Industriesoziologie<br />
Nicht nur in der ökonomischen <strong>und</strong> politologischen Diskussion, sondern<br />
auch in der Industriesoziologie gilt es fast schon als Allgemeinplatz, daß<br />
das bislang vorherrschende Modell industrieller Massenproduktion in eine<br />
Krise geraten ist (vgl. Piore, Sabel 1984; Kern, Schumann 1984; Aglietta<br />
1979; Hirsch, Roth 1986). Auch Autoren, die weiterhin von der Dominanz<br />
industriell-kapitalistischer Massenproduktion ausgehen, konstatieren einen<br />
einschneidenden Wechsel vorherrschender Rationalisierungsstrategien,<br />
<strong>und</strong> zwar in Richtung auf eine "systemische Rationalisierung" (Altmann<br />
u.a. 1986; Baethge, Oberbeck 1986; ähnlich Child 1985). Gemeinsam<br />
ist den genannten Ansätzen, daß sie, wenn auch mit sehr unterschiedlichen<br />
Begründungen, eine Krise oder gar das Ende der "tayloristischen Syndromatik"<br />
(Bechtle, Lutz 1989) konstatieren <strong>und</strong>, wiederum unter Rückgriff<br />
auf sehr unterschiedliche Argumentationsmuster, den Übergang zu neuen<br />
Formen der Organisation gesellschaftlicher Arbeit postulieren.<br />
Weitere Gemeinsamkeiten lassen sich, zumindest für den engeren Bereich<br />
der Industriesoziologie, auf der Ebene unausgewiesener (weil den Autoren<br />
selbstverständlicher) Gr<strong>und</strong>annahmen festhalten. So wird in aller Regel<br />
von der vorherrschenden Stellung des Prozesses der unmittelbaren Produktion<br />
in Industrieunternehmen ausgegangen. Nur vereinzelt finden die<br />
sogenannten "indirekt produktiven Funktionen" in der materiellen Produktion<br />
die Aufmerksamkeit der industriesoziologischen Forschung (vgl.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
Asendorf 1979; Malsch, Weißbach, Fischer 1982; Jürgens, Malsch, Dohse<br />
1989). Auch diejenigen Arbeitsprozesse, die in der Industrie - fernab der<br />
unmittelbaren Produktion - in der Verwaltung ablaufen, werden erst neuerdings<br />
von einem Gegenstand der Angestellten- zu einem Gegenstand<br />
der Industriesoziologie (Baethge, Oberbeck 1986). Aus unserer Sicht entscheidender<br />
ist aber der Umstand, daß die Frage der Erzeugung von wissenschaftlich-technischen<br />
Produkt- <strong>und</strong> Prozeßinnovationen 1<br />
in der industriesoziologischen<br />
Diskussion über die Veränderungen von Unternehmensstrukturen<br />
nahezu vollkommen ausgeblendet bleibt. Um Mißverständnissen<br />
vorzubeugen: In der Tat hat sich die Industriesoziologie der<br />
Frage der Entstehung von Technik angenommen (vgl. u.a. Lutz 1989). Dabei<br />
standen aber meist Probleme der Auswahl von Produktionstechnologien<br />
<strong>und</strong> deren Implementation in den Prozeß der unmittelbaren Produktion<br />
im Vordergr<strong>und</strong> (Döhl 1989; Hirsch-Kreinsen 1989). Unberücksichtigt<br />
blieben in diesen Arbeiten die Erzeugungsprozesse technologischer<br />
Innovationen wie Produktneuerungen oder gr<strong>und</strong>legende wissenschaftlichtechnische<br />
Entwicklungen, die beispielsweise die Basis für computergesteuerte<br />
Maschinen darstellen. Wenn wir also von "weißen Flecken" auf<br />
der Landkarte industriesoziologischen Wissens in bezug auf die Technik<br />
sprechen, meinen wir immer den Prozeß der - vergleichsweise produktionsfernen<br />
- Erzeugung von wissenschaftlich-technischem Wissen, das -<br />
wenn auch zunehmend auf die Belange der unmittelbaren Produktion bezogen<br />
(s. Kapitel 8) - oftmals nur vermittelt über lange Handlungsketten in<br />
die industrielle Produktion Eingang findet.<br />
Die These, die in dieser Arbeit ein Stück weit entwickelt werden soll, behauptet<br />
dagegen, daß die Unternehmen auch im Vergleich zur Optimie-<br />
1 Die Soziologie verfügt im Gr<strong>und</strong>e über keinen Innovationsbegriff, der dem<br />
Stand der Entwicklung angemessen wäre. Entweder haftet dem soziologischen<br />
Begriff der Innovation ein Moment von Zufälligkeit an, das im Zeitalter der industriellen<br />
Großforschung mit ihren weitreichenden Planungshorizonten geradezu<br />
anachronistisch anmutet (Nowotny 1987). Oder man hat einen Innovationsbegriff,<br />
der - an Schumpeter angelehnt - als Innovation das gekonnte Zusammenführen<br />
bekannter Techniken in neuen Produkten ansieht. Insbesondere<br />
in einigen Bereichen der Elektro-, vor allem aber innerhalb der Elektronikindustrie<br />
sind viele innovative Produkte ohne einen gewissen Anteil an (Gr<strong>und</strong>lagen-)<br />
Forschung gar nicht zu entwickeln (bspw. I&K-Technologien). Zur Kritik<br />
dieses Verständnisses von Innovation, das auch Schumpeter nicht gerecht wird,<br />
vgl. Coombs u.a. 1987; zu unserem eigenen Innovationsbegriff s. Kapitel 3.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
ung des materiellen Produktionsprozesses einen immer größeren Aufwand<br />
für die Produktion technologischer Innovationen <strong>und</strong> deren Rationalisierung<br />
treiben. Damit reagiert das Management auf den Umstand,<br />
daß für das Überleben von Unternehmen am Markt nicht mehr ausschließlich<br />
eine effiziente Organisation der materiellen Produktion ausreichend<br />
ist, sondern daß dafür zunehmend auch die Fähigkeit ausschlaggebend<br />
wird, technologische Innovationen hervorzubringen. Wir begreifen<br />
also die Rationalisierung des unmittelbaren Arbeitsprozesses nur als eine<br />
Strategie unter anderen, mit denen Unternehmen versuchen, sich gegenüber<br />
einer zunehmend turbulenten Umwelt zu behaupten <strong>und</strong> diese nach<br />
Möglichkeit unter Kontrolle zu bringen. Indem wir somit gleichsam den<br />
Primat der unmittelbaren Produktion in Frage stellen (freilich ohne uns<br />
modischen Thesen wie der vom "Ende der Arbeitsgesellschaft" (Offe) oder<br />
der von einem Übergang in die "Informationsgeseilschaft" (Bell) anzuschließen),<br />
ziehen wir die genannten Gr<strong>und</strong>annahmen derjenigen Positionen<br />
in Zweifel, die in der Diskussion um die Strukturveränderungen kapitalistischer<br />
Industriegesellschaften <strong>und</strong> Entwicklungstendenzen von Arbeit<br />
den Ton angeben.<br />
Dafür lassen sich mindestens zwei Argumente anführen: Erstens halten<br />
wir industriesoziologische Erklärungsansätze für unzureichend, die Rationalisierungsprozesse<br />
der unmittelbaren Produktion ohne Berücksichtigung<br />
der Organisation des Gesamtunternehmens <strong>und</strong> der zwischenbetrieblichen<br />
Arbeitsteilung untersuchen. Will man derartige Prozesse analysieren, so<br />
erscheint "eine Ausweitung unseres Diskurses, <strong>und</strong> zwar zunächst auf die<br />
Betriebs- <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong> als Entstehungszusammenhang<br />
betrieblicher Strategien des Arbeitskräfteeinsatzes" (Brandt 1987, S. 207)<br />
sinnvoll zu sein. Angesichts des Standes der Rationalisierung in den Kernbereichen<br />
(groß-)industrieller Produktion reicht es aber nicht länger aus,<br />
bei der Analyse von Rationalisierungsstrategien ausschließlich die Ebene<br />
ins Blickfeld zu nehmen, die für gewöhnlich mit Industriearbeit gleichgesetzt<br />
wird. Hält man sich etwa an den Rationalisierungsbegriff, wie er in<br />
Teilen der Organisationssoziologie bzw. der Organisationsforschung verwandt<br />
wird, muß man nämlich die Frage aufwerfen, ob Rationalisierung<br />
sich ausschließlich auf die unmittelbare Produktion bezieht.<br />
"Veränderungen des Arbeitsprozesses sind (in der Organisationssoziologie)<br />
nur ein Faktor neben anderen, beispielsweise den Variationen des be-<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
trieblichen Leistungsspektrums, den Änderungen der Produktpalette, der<br />
Neudefinition von Marktzuständigkeiten, usw." (Engfer 1989, S. 31).<br />
Damit steht der in der Industriesoziologie immer noch dominierende Rationalisierungsbegriff<br />
zur Disposition, der sich wesentlich auf Prozesse der<br />
unmittelbaren Produktion, verstanden als konkrete Arbeit an einem materiellen<br />
Produkt, bezieht. Von vergleichbarer Bedeutung dürfte allerdings<br />
auch die Annahme sein, daß Rationalisierungsmaßnahmen, die gar nicht<br />
auf den Arbeitsprozeß gerichtet sind, auf die Organisation der Arbeitsplatzebene<br />
durchschlagen (können). Daraus leiten wir die Forderung einer<br />
intensiveren Auseinandersetzung (der Industriesoziologie) mit den Wirkungen<br />
<strong>und</strong> Rückwirkungen subsystemübergreifender Rationalisierung<br />
ab. 2<br />
Zweitens halten wir es für dringend erforderlich, einen "technologischen<br />
Determinismus der zweiten Generation" zu überwinden, als dessen Charakteristikum<br />
es gelten kann, zwar den "gesellschaftlich endogenen Charakter<br />
der Technik" zu betonen (Lutz, Schmidt 1977), letztlich aber Technik<br />
als gegeben zu unterstellen, die dann je nach Interessenlage des Anwenders<br />
oder dem Ergebnis der innerbetrieblichen Auseinandersetzungen<br />
in bestimmter Weise angewandt wird. Es geht also darum, den allgemein<br />
geteilten Anspruch, über bloße Technikfolgenforschung hinauszukommen,<br />
ernst zu nehmen <strong>und</strong> sich deshalb auch der Frage zuzuwenden, wie im industriellen<br />
Kontext die wissenschaftlich-technische Entwicklung vorangetrieben<br />
wird, die dann zu den Folgen beiträgt, die bislang den bevorzugten<br />
Gegenstand industriesoziologischer Neugier darstellten (Lutz 1987; 1983).<br />
Beim derzeitigen Stand der Forschung <strong>und</strong> im begrenzten Rahmen dieser<br />
Arbeit war es allerdings nicht möglich, bis zur Analyse von Arbeitsprozessen<br />
in denjenigen Unternehmensabteilungen vorzudringen, deren Hauptaufgabe<br />
in der Produktion verwertbarer wissenschaftlich-technischer Innovationen<br />
zu sehen ist. Uns kam es deshalb zunächst nur darauf an, einige<br />
2 "Blickt man über die engen Grenzen des unmittelbaren Produktionsprozesses<br />
hinaus, so zeigt sich, daß die bisher vorzugsweise betrachteten Veränderungen<br />
in eine umfassende Veränderung der Organisationsweise von Industrieunternehmen<br />
eingebettet sind" (Voskamp, Wittemann, Wittke 1989, S. 11). Aussagen<br />
dieses Typs findet man in industriesoziologischen Beiträgen häufiger. In der Regel<br />
bleiben sie jedoch - wie auch in diesem Fall - für den weiteren Fortgang der<br />
Analyse von Rationalisierung ziemlich folgenlos.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
der organisationsstrukturellen Rahmenbedingungen zu diskutieren, die die<br />
Arbeit in diesen Abteilungen bis zu einem gewissen Grade vorstrukturieren.<br />
Zudem schien es uns wichtig, den Veränderungen der <strong>Unternehmensorganisation</strong><br />
<strong>und</strong> ihren Rationalisierungseffekten wenigstens ansatzweise<br />
auf die Spur zu kommen, da diese in der westdeutschen Industriesoziologie<br />
bislang kaum eine Rolle spielen.<br />
Nach unserem Eindruck scheint in weiten Teilen der Organisationstheorie<br />
<strong>und</strong> der Industriesoziologie bei der Frage nach dem Verhältnis zwischen<br />
Veränderungen der Unternehmens- bzw. Betriebsorganisation <strong>und</strong> der<br />
Arbeitsorganisation bis vor kurzem eine unausgesprochene Nullhypothese<br />
vorgeherrscht zu haben. Demnach wäre sowohl die Organisation der unmittelbaren<br />
Produktion als auch generell die Arbeitsplatzebene vom Wandel<br />
der <strong>Unternehmensorganisation</strong> mehr oder weniger unabhängig. Wir<br />
gehen im Unterschied dazu von der Annahme aus, daß ein derartiger<br />
Wandel, mittelbar oder unmittelbar, auch die Ebene der Arbeitsorganisation<br />
tangiert.<br />
Zunächst verweist ein Umbau der <strong>Unternehmensorganisation</strong> auf eine<br />
Veränderung der strategischen Orientierung des Unternehmens, die potentiell<br />
für alle Arbeitsprozesse von Belang sein kann. Dabei können sich<br />
unternehmensorganisatorische Maßnahmen der Ausdifferenzierung <strong>und</strong><br />
Integration von Funktionen <strong>und</strong> Funktionsbereichen auf Form <strong>und</strong> Umfang<br />
der in den unterschiedlichen Abteilungen verbleibenden oder hinzukommenden<br />
Arbeitsaufgaben <strong>und</strong> -inhalte auswirken <strong>und</strong> damit bis auf<br />
den einzelnen Arbeitsplatz durchschlagen. 3<br />
Spürbar werden Veränderungen<br />
der <strong>Unternehmensorganisation</strong> für die Beschäftigten darüber hinaus<br />
etwa in den Fällen, in denen Umsetzungen <strong>und</strong> der Abbau von Arbeitsplätzen<br />
erfolgen oder Produktionsprozesse derart aufgespalten werden,<br />
daß einzelne Betriebe die Fähigkeit verlieren, vollständige Produkte<br />
bzw. Anlagen herzustellen (s. Kapitel 7 <strong>und</strong> 9). Zwar hat die westdeutsche<br />
Industriesoziologie die Entwicklung von Qualifikationsanforderungen, von<br />
Strukturen der Arbeitsorganisation <strong>und</strong> des Technikeinsatzes für viele<br />
Branchen auf der Ebene einzelner Betriebe untersucht. Die Einflüsse or-<br />
3 Allerdings setzt der Nachweis dieser Wirkungskette im Einzelfall detaillierte<br />
empirische Forschung voraus, die wir im Rahmen dieser Arbeit nicht leisten<br />
konnten (s. aber Kapitel 7).<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
ganisationsstruktureller Veränderungen auf die Gestaltung der Arbeitsorganisation<br />
geraten ihr jedoch erst neuerdings in das Blickfeld. 4<br />
So ist in den letzten Jahren etwa darauf hingewiesen worden, daß der<br />
westdeutschen Industriesoziologie eine Managementsoziologie fehlt:<br />
"Diese Lücke behindert uns in einer Periode gr<strong>und</strong>legenden Wandels, in<br />
der veränderte Verwertungsbedingungen <strong>und</strong> Interpretationen die Suche<br />
nach adäquaten Produktionskonzepten stimulieren, in besonderem Maße"<br />
(Kern, Schumann 1984, S. 26).<br />
Dieser Aussage kann ohne Schwierigkeiten zugestimmt werden (vgl. auch<br />
Dohse 1986; Deutschmann 1989; Brandt 1984). Allerdings ist nach unserem<br />
Eindruck die konstatierte Lücke sehr viel größer, als Kern <strong>und</strong> Schumann<br />
annehmen. Obwohl sie das Fehlen einer Managementsoziologie<br />
immer wieder beklagt haben, wurden, soweit wir sehen, weder von ihnen<br />
noch im engeren Umkreis des SOFI in Göttingen Anstrengungen unternommen,<br />
diesem Mangel durch eigene Forschung abzuhelfen. Dies kann<br />
kaum verw<strong>und</strong>ern, wenn man berücksichtigt, daß Kern <strong>und</strong> Schumann an<br />
der Zentralität des Produktionsprozesses festhalten <strong>und</strong> der Ertrag von eigenständigen<br />
Forschungen über "das" Management für die Analyse von<br />
Arbeitsprozessen unsicher ist. Wenn, so läßt sich vermuten, Kern <strong>und</strong><br />
Schumann das Management für einen wichtigen Forschungsgegenstand<br />
halten, dann nur deshalb, weil sie der Überzeugung sind, der Rekurs auf<br />
dort stattfindende Auseinandersetzungen zwischen "Traditionalisten" <strong>und</strong><br />
4 Natürlich hat die Industriesoziologie sich schon immer auch mit Organisationsstrukturen<br />
beschäftigt. Sie beschränkte ihre Analyse dann jedoch meist auf den<br />
Bereich der Arbeitsorganisation in Produktion <strong>und</strong> Verwaltung. Erst in jüngster<br />
Zeit erforschen Industriesoziologen intensiver die Implikationen von Veränderungen<br />
der <strong>Unternehmensorganisation</strong> für die Arbeitsorganisation. So etwa das<br />
Automobilprojekt des Wissenschaftszentrums Berlin (WZB) (Jürgens, Malsch,<br />
Dohse 1989), das den starken Einfluß von konzernspezifischen Faktoren auf die<br />
Regulierungsformen von Arbeit in der unmittelbaren Produktion herausgearbeitet<br />
hat, oder das Projekt über Montageautomation, das unlängst am <strong>ISF</strong> abgeschlossen<br />
wurde <strong>und</strong> den Auswirkungen von Maßnahmen der Reorganisation<br />
multinationaler Konzerne auf die Organisation der Montagearbeit nachgeht<br />
("simulierte Fabrik") (Tokunaga u.a. 1991; Moldaschl 1991; Düll, Bechtle 1991).<br />
Als Beispiele für die wachsende Bereitschaft von Industriesoziologen, den Zusammenhang<br />
von Unternehmens- <strong>und</strong> Arbeitsorganisation zum Thema ihrer<br />
Forschung zu machen, können auch diejenigen Ansätze gelten, die sich mit der<br />
zwischenbetrieblichen Arbeitsteilung auseinandersetzen (vgl. verschiedene Beiträge<br />
in Altmann, Sauer 1989; Kern, Säbel 1989).<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
"Modernisten" über die richtige Produktionsphilosophie könne zur Erklärung<br />
von Rationalisierungsstrategien beitragen. Letztlich interessiert sie<br />
das Management also nur als (mit-)verursachende Variable von Veränderungen<br />
auf der Ebene der Arbeitsorganisation. Dagegen läßt sich festhalten,<br />
daß eine auch nur oberflächliche Auseinandersetzung mit den in der<br />
Management- <strong>und</strong> Organisationstheorie vorliegenden Ansätzen für die<br />
traditionelle Industriesoziologie insofern einen gewissen Erkenntniszuwachs<br />
erbracht hätte, als dort wie selbstverständlich davon ausgegangen<br />
wird, daß die Beschäftigung mit den Unwägbarkeiten des Produktions<strong>und</strong><br />
Arbeitsprozesses nur eine von vielen Aktivitäten des Managements<br />
darstellt (Staehle 1985; Räsänen 1986). 5<br />
Nach unserer Einschätzung können etwa diejenigen Anstrengungen des<br />
Managements, die auf eine, wie auch immer geartete, Reorganisation des<br />
Gesamtunternehmens <strong>und</strong> seiner Beziehungen zur Unternehmensumwelt<br />
abzielen, 6<br />
von der industriesoziologischen Forschung nicht länger vernachlässigt<br />
oder als exogene Variable behandelt werden. Die aktuellen<br />
Restrukturierungen der Betriebe, Unternehmen <strong>und</strong> Konzerne erfolgen<br />
vor dem Hintergr<strong>und</strong> steigender Flexibilitäts- <strong>und</strong> Innovationsanforderungen,<br />
die sich entgegen den Vorstellungen so mancher Industriesoziologen<br />
nicht ausschließlich durch Maßnahmen auf der Ebene der materiellen<br />
Produktion, sondern vor allem durch neuartige organisatorische Arrangements<br />
- wie z.B. veränderte Formen der Integration der innovativen Abteilungen<br />
- erfüllen lassen.<br />
Wenn es auch überzogen ist, "Wissenschaft <strong>und</strong> Technologie als erste Produktivkraft"<br />
(Habermas 1968) zu thematisieren <strong>und</strong> diese in einen Gegensatz<br />
zur gleichsam "normalen", materiellen Arbeit zu rücken, so wird doch<br />
in solchen Ansätzen immerhin noch zur Kenntnis genommen, daß in fortgeschrittenen<br />
kapitalistischen Gesellschaften der Erzeugung neuen wissenschaftlich-technischen<br />
Wissens große Bedeutung zukommt. Die Vertre-<br />
5 Auch in der im anglo-amerikanischen Sprachraum geführten Labour-Process-<br />
Debate finden sich Hinweise, daß "das Management" nicht ausschließlich mit<br />
der Organisation des unmittelbaren Produktionsprozesses befaßt ist (Friedman<br />
1987, S. 103).<br />
6 Immerhin Aktivitäten, die (nicht nur) für die beteiligten Manager Arbeit darstellen<br />
(vgl. Teulings 1986) <strong>und</strong> deren Analyse durchaus Beiträge zu einer Soziologie<br />
der Arbeit liefern könnte - würde sich diese umfassender definieren, als<br />
sie dies zur Zeit noch für sinnvoll hält.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
ter der Unternehmensinteressen sind eben nicht, wie in der Industriesoziologie<br />
häufig stillschweigend unterstellt, vor allem mit den widerspenstigen<br />
Bestrebungen der Arbeiter in der unmittelbaren Produktion, sondern<br />
auch mit dem Management von Technologie beschäftigt.<br />
Das Management von Technologie bedeutet nicht einfach die Berücksichtigung<br />
neuer Technologien bei der (Re-)Organisation von Arbeits- <strong>und</strong><br />
Fertigungsstrukturen. Technologiemanagement umfaßt darüber hinaus<br />
strategische <strong>und</strong> operative Entscheidungen über Forschung <strong>und</strong> Entwicklung<br />
(FuE), Produktgestaltung, Marketing <strong>und</strong> Personalentwicklung<br />
(Dodgson 1989; Loveridge, Pitt 1990; Müller 1985). Zu den sichtbaren Ergebnissen<br />
derartiger Aktivitäten zählen u.a. die Beschleunigung von FuE-<br />
Prozessen, die Veränderung von intra- <strong>und</strong> interorganisatorischen Innovationsverläufen<br />
im Hinblick auf die stärkere Einbeziehung marktnaher Bereiche<br />
<strong>und</strong> der Fertigung oder der Aufbau transnationaler FuE-Netzwerke.<br />
Nimmt man das Gesagte ernst, so ergeben sich Konsequenzen, die für die<br />
Industrie-, aber auch für die Wissenschafts- <strong>und</strong> Industriesoziologie von<br />
Belang sind: Zum einen ist eine allein auf den unmittelbaren Arbeitsprozeß<br />
bezogene Analyse von Rationalisierungsstrategien in Industrieunternehmen<br />
unzureichend, bezieht sie nicht auch diejenigen Funktionen in<br />
ihre Analyse ein, denen zu Zeiten beschleunigten technologischen Wandels<br />
eine Schlüsselrolle bei der Bewältigung verschärfter Konkurrenzanforderungen<br />
zukommt. Zum anderen wird eine Wissenschafts- <strong>und</strong> Techniksoziologie<br />
defizitär, die sich auf den Erzeugungszusammenhang neuer<br />
Technologien konzentriert <strong>und</strong> dabei übersieht, daß zunehmend Anwendungskontexte,<br />
d.h. auch Fragen der Produktionsorganisation, bei der Erzeugung<br />
dieser Technologien eine entscheidende Rolle spielen. Wir gehen<br />
im folgenden davon aus, daß eine systematische Analyse der Veränderungen,<br />
die die <strong>Unternehmensorganisation</strong> im Zusammenhang mit der ökonomischen<br />
<strong>und</strong> wissenschaftlich-technischen Entwicklung erfährt, wichtige<br />
Einsichten in die Entwicklungsdynamik der verwissenschaftlichten industriellen<br />
Produktion erwarten läßt. Zugleich aber unterstellen wir, daß die<br />
Kenntnis der organisationsstrukturellen Einbindung wichtiger Teile der<br />
gesellschaftlichen Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungspotentiale in industriellkapitalistische<br />
Kontexte unser Wissen darüber erweitern kann, wie der<br />
Prozeß der Generierung neuer Technologien funktioniert.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
Da man, ohne einem negativ gefärbtem technologischem Determinismus<br />
zu verfallen, davon ausgehen muß, daß einmal mit Erfolg in die soziale<br />
Realität implementierte Techniken (<strong>und</strong> Technologien) sich nicht ohne<br />
weiteres wieder aus ihr entfernen lassen (Winner 1977), ist es sinnvoll, die<br />
(nicht nur in der Industriesoziologie) vorherrschende Konzentration der<br />
Analyse auf den "stage of application" um die Perspektive des "stage of<br />
origination" neuer Technologien (Robins, Webster 1985, S. 20) zu erweitern.<br />
Dies scheint vor allem notwendig, damit die (Industrie-)Soziologie<br />
nicht stets vor "vollendete Tatsachen" (Hack 1988) sich gestellt sieht. 7<br />
Wenn wir die Analyse der Generierung technologischer Innovationen<br />
nicht der (neuerdings modischen) "Technik-Soziologie" überlassen, sondern<br />
als originären, aber bislang vernachlässigten Zweig der Industriesoziologie<br />
ansehen, so trägt dies dem (dort vernachlässigtem) Umstand<br />
Rechnung, daß zur Erzeugung neuer Technologien menschliche Arbeit<br />
notwendig ist, die in zunehmendem Maße industriell organisiert wird.<br />
Immerhin sind in der jüngeren Vergangenheit auch von seiten der Industriesoziologie<br />
Analysen vorgelegt worden, die sich bemühen, das "wechselseitige<br />
Begründungsverhältnis" der "Industrialisierung der Wissenschaft"<br />
<strong>und</strong> der "Verwissenschaftlichung der Industrie" zu erhellen (Hack, Hack<br />
1985). Allerdings ist das große Verdienst dieser Studien zugleich ihre zentrale<br />
Schwäche. Wird zwar zum ersten Mal in der Geschichte der (westdeutschen)<br />
Industriesoziologie thematisiert, worin die Relevanz der FuE-<br />
Abteilungen zu sehen ist, die absolut <strong>und</strong> relativ einen immer größeren<br />
Stellenwert in Unternehmen der science based industries haben; <strong>und</strong> wird<br />
7 So selbstverständlich, wie sich dem heutigen Betrachter die technologischen<br />
Artefakte präsentieren, sind sie ja nicht zu dem geworden, was sie nun sind. Im<br />
Prozeß der Entwicklung von technischen/technologischen Artefakten wurden<br />
neben den letztlich erfolgreichen Strategien immer auch Nebenwege eröffnet<br />
bzw. abgeschnitten, die aus der (wissenschaftlichen) Versenkung geholt zu haben,<br />
das Verdienst von Technikhistorikern ist. Neben den bekannten Studien<br />
über die Entwicklung der Kernkraftindustrie in der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland,<br />
die zeigen, daß es nicht vorrangig technologische Gründe waren, die in<br />
letzter Konsequenz zum "Schnellen Brüter" geführt haben (Radkau 1983), sind<br />
hier auch Studien zu nennen, die für vergleichsweise "harmlosere" Alltagstechnologien<br />
die historisch vorhandenen alternativen Entwicklungspfade der sozialwissenschaftlichen<br />
Diskussion (wieder) erschließen, z.B. für Kühlschränke<br />
(Cowan-Schwartz 1985), Fahrräder (Pinch, Bijker 1984), das Telefon (Rammert<br />
1989) <strong>und</strong> Glühbirnen (Hughes 1979) (vgl. für einen Teil der Produktionstechnologie<br />
Noble 1978; Hirsch-Kreinsen 1989; für die Entwicklung der Mikrobiologie<br />
Yoxen 1981).<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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von den Autoren auch mit einer Fülle von empirischem Material belegt,<br />
daß die Arbeit in den industriellen FuE-Abteilungen einem Prozeß der<br />
Industrialisierung unterliegt, der sich nicht einfach auf die in der Sphäre<br />
der materiellen Produktion bewährten Rationalisierungsstrategien stützen<br />
kann, so bleibt doch eigentümlich dunkel, worin nun die "Verwissenschaftlichung<br />
der Produktion" bestehen soll. Im Gr<strong>und</strong>e handelt es sich, folgt<br />
man der Argumentation der Autoren, auch gar nicht um ein wechselseitiges<br />
Begründungsverhältnis, sondern eher um ein sehr einseitiges, da in<br />
den Labors der großindustriellen Forschungsorganisationen Tatsachen geschaffen<br />
werden, die lediglich ihrer "Vollendung" (Hack 1988) harren. Allerdings<br />
ist diese Schwäche in der Argumentation erklärbar, da - wie die<br />
Autoren selbst nachweisen - die Erzeugung wissenschaftlich-technischen<br />
Wissens anderen "Gesetzmäßigkeiten" folgt als die Umsetzung dieses Wissens<br />
in die "unmittelbare Produktion". Die Fortschritte in Wissenschaft<br />
<strong>und</strong> Technik bedingen eben nicht in direkter <strong>und</strong> eindeutiger Weise Veränderungen<br />
auf der Ebene der materiellen Produktion. Nach unserem<br />
Eindruck deutet sich jedoch eine Entwicklung dergestalt an, daß im Rahmen<br />
wissenschaftlich-technischer Arbeitsprozesse - räumlich <strong>und</strong> zeitlich<br />
von der Sphäre der unmittelbaren Produktion geschieden - wichtige Vorentscheidungen<br />
darüber fallen, wie die Arbeitsprozesse dort zu organisieren<br />
sind. Gleichwohl bestehen immer noch Spielräume, deren "Breite" zu<br />
erheben Gegenstand empirischer Forschung sein sollte (vgl. Ortmann,<br />
Windeler 1989).<br />
1.2 Organisation <strong>und</strong> Innovation als Thema der Industriesoziologie<br />
Uns geht es im folgenden nicht darum, eine Analyse der Arbeitsprozesse<br />
in Unternehmen der industriellen Produktion oder in Dienstleistungsunternehmen<br />
vorzulegen. Wir wollen vielmehr zeigen, welche organisationsstrukturellen<br />
Veränderungen sich in Unternehmen abzeichnen, die der<br />
Durchführung wissenschaftlich-technischer Innovationsvorhaben immer<br />
größere Aufmerksamkeit widmen <strong>und</strong> dabei das Innovationsgeschehen in<br />
zunehmendem Maße (wieder) in übergreifende Rationalisierungsstrategien<br />
einbeziehen.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
Vor allem in den als verwissenschaftlicht geltenden Industriezweigen<br />
(Chemie, Elektro) sind die Unternehmen angesichts veränderter ökonomischer<br />
Rahmenbedingungen gehalten, nicht nur die Effizienz <strong>und</strong> Flexibilität<br />
ihrer Produktion zu steigern, sondern verstärkt auch aktiv an der<br />
technologischen Entwicklung selbst teilzunehmen. Der hieraus resultierende<br />
Zwang zum Auf- <strong>und</strong> Ausbau eigener Innovationspotentiale setzt<br />
sie in die Lage, wissenschaftlich-technische Neuerungen nicht nur als Kontextbedingung,<br />
sondern auch als Handlungsparameter zu begreifen. Damit<br />
wird der Prozeß der Erzeugung neuer Produkte <strong>und</strong> Verfahren für die<br />
Entwicklung unternehmerischer Strategien immer wichtiger. Hierbei steht<br />
das Management vor dem Problem, einerseits den Besonderheiten von<br />
schlecht vorstrukturierbaren <strong>und</strong> einer äußeren Kontrolle schwer zugänglichen<br />
Tätigkeiten von Wissenschaftlern <strong>und</strong> Ingenieuren Rechnung zu tragen,<br />
ohne andererseits ihre Ökonomisierung, Planung <strong>und</strong> Steuerung im<br />
Interesse der Unternehmensziele zu gefährden.<br />
Unsere Arbeit geht deshalb der Frage nach, mit welchen organisatorischen<br />
Mitteln Unternehmensleitungen versuchen, innovatorische Kapazitäten zu<br />
mobilisieren, ohne dabei Steuerungs- <strong>und</strong> Kontrollpotentiale einzubüßen,<br />
<strong>und</strong> macht dabei die gesamte <strong>Unternehmensorganisation</strong> zum Thema. Bei<br />
der Aufarbeitung der organisations- <strong>und</strong> innovationstheoretischen Literatur<br />
<strong>und</strong> bei einer Analyse der Unternehmensberichterstattung konnten wir<br />
feststellen, daß sich eine Tendenz zur Integration aller Unternehmensfunktionen<br />
als Moment einer umfassenden Rationalisierung abzeichnet,<br />
von der auch die innovativen Bereiche betroffen sind. Mit der Absicht, die<br />
Entwicklungszeiten neuer Produkte <strong>und</strong> Verfahren zu verkürzen, greifen<br />
die Unternehmen zu neuartigen organisatorischen Regelungen <strong>und</strong> modernen<br />
Informations- <strong>und</strong> Kommunikationstechnologien, die die überkommenen<br />
Grenzziehungen zwischen funktionalen Unternehmensbereichen<br />
aufzuweichen beginnen. In Umrissen deutet sich damit auch ein<br />
Wandel im Ablauf von Innovationsprozessen an, der durch eine stärkere<br />
Überlappung einzelner Innovationsphasen gekennzeichnet ist ("reziproke<br />
Interdependent, s. Kapitel 8). Darüber hinaus ist in Unternehmen, die in<br />
einer technologisch <strong>und</strong> ökonomisch turbulenten Umwelt agieren (müssen),<br />
durchgängig ein Trend zur umfassenden Restrukturierung ihrer Aufbauorganisation<br />
zu identifizieren, der Tendenzen einer Dezentralisierung<br />
mit einer Stärkung der Kontrollpotentiale an der Unternehmensspitze<br />
verbindet (s. Kapitel 7). Schließlich ist auch erkennbar, daß die Unternehmen,<br />
<strong>und</strong> unter ihnen vor allem die größeren, zum Zwecke der Kosten<strong>und</strong><br />
Risikominimierung in verstärktem Maße auf "externe" Innovationspo-<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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tentiale <strong>und</strong> -arrangements zurückgreifen. Durch die verschiedensten<br />
Formen der Kooperation, Beteiligung <strong>und</strong> Akquisition werden von den betreffenden<br />
Unternehmen die Grenzen der eigenen Organisation transzendiert<br />
<strong>und</strong> diese damit selbst zum Gegenstand von Strategien. Neben den<br />
Veränderungen interner Organisationsstrukturen sind somit auch die<br />
brancheninternen <strong>und</strong> branchenübergreifenden Kooperations- <strong>und</strong> Konkurrenzbeziehungen<br />
<strong>und</strong> die damit verb<strong>und</strong>enen organisationsstrukturellen<br />
Veränderungen (s. Kapitel 9) zu untersuchen.<br />
Es ist freilich nicht damit zu rechnen, daß diese Veränderungen industrieller<br />
Organisationsstrukturen, die mit einem einschneidenden Wandel der<br />
betrieblichen Beschäftigungs- <strong>und</strong> Qualifikationsstrukturen einhergehen<br />
(s. Abschnitt 5.9) sich linear <strong>und</strong> störungsfrei durchsetzen werden. Zu<br />
vermuten ist vielmehr, daß ihre Durchsetzung mit vielfältigen Widerständen<br />
<strong>und</strong> Störungen verb<strong>und</strong>en ist ("etwa dem organisatorischen Konservativismus",<br />
vgl. Child u.a. 1987) <strong>und</strong> daß sich dabei in Abhängigkeit von<br />
branchen- <strong>und</strong> unternehmensspezifischen Bedingungen außerordentlich<br />
divergierende Entwicklungsmuster herausbilden.<br />
Insgesamt dürfte nur durch die Einbeziehung des gesamten Kontextes der<br />
<strong>Unternehmensorganisation</strong> - das schließt die Berücksichtigung der Dimension<br />
der Unternehmensstrategie als vermittelnde Variable zwischen<br />
den sozio-ökonomischen Einflußfaktoren <strong>und</strong> der Ebene der Organisationsstruktur<br />
mit ein - eine zulängliche Interpretation von Veränderungen<br />
in betrieblichen Teilbereichen möglich sein. Wir begreifen die gegenwärtig<br />
in der verwissenschaftlichten Industrie zu registrierende Umstrukturierung<br />
<strong>und</strong> Rationalisierung der <strong>Unternehmensorganisation</strong> als eine Antwort auf<br />
die doppelte Herausforderung durch veränderte ökonomische Rahmenbedingungen<br />
<strong>und</strong> den wissenschaftlich-technischen Wandel. Die Stärkung<br />
des Anpassungs- <strong>und</strong> Innovationspotentials der Unternehmen wird dabei<br />
zu einer primären Zielgröße.<br />
1.3 Der Beitrag der Regulationsschule zur Erklärung wissenschaftlich-technischen<br />
Wandels<br />
Zwar hat die Industriesoziologie, <strong>und</strong> namentlich die westdeutsche, den<br />
Kontext der <strong>Unternehmensorganisation</strong> <strong>und</strong> die Problematik eines sich<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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verschärfenden Zwangs zur Produktion wissenschaftlich-technischer Innovationen<br />
bislang weitgehend vernachlässigt (vgl. Hack 1984). Außerhalb<br />
der engen Grenzen der Disziplin lassen sich aber Versuche feststellen, diesen<br />
Problemen Rechnung zu tragen.<br />
Innerhalb der sozial- <strong>und</strong> wirtschaftswissenschaftlichen Literatur scheinen<br />
am ehesten Konzepte der französischen Regulationsschule geeignet zu<br />
sein, diese Defizite zu beheben <strong>und</strong> sowohl organisationsstrukturelle Veränderungen<br />
wie die Verwissenschaftlichung der Produktion als Momente<br />
der industriell-kapitalistischen Entwicklung zu interpretieren <strong>und</strong> aufeinander<br />
zu beziehen. In den Kategorien dieser Schule können technologische<br />
<strong>und</strong> organisatorische Innovationen als Ausdruck der Krise eines bestimmten<br />
Akkumulationsregimes <strong>und</strong> der diesem korrespondierenden Regulationsformen<br />
<strong>und</strong> zugleich als mögliche Antworten auf diese Krise, als<br />
Vorboten eines neuen Akkumulationsregimes <strong>und</strong> neuer Regulationsformen<br />
begriffen werden.<br />
Akzeptiert man, wenn auch unter Vorbehalt, diese Konzepte, so ist die aktuelle<br />
Situation kapitalistischer Gesellschaften durch eine tiefgreifende<br />
Krise des fordistischen Akkumulationsmodells geprägt. Diese äußert sich<br />
darin, daß überkommene Formen der Massenproduktion angesichts neuartiger<br />
Marktanforderungen an Grenzen gestoßen sind. Die heute zu beobachtende<br />
Tendenz der fortschreitenden Verwissenschaftlichung der industriellen<br />
Produktion, die auf einer Inkorporation der wissenschaftlichtechnischen<br />
Entwicklung in die Unternehmensstruktur beruht, <strong>und</strong> die<br />
damit einhergehenden organisationsstrukturellen Veränderungen können<br />
durchaus als Momente einer Transformation des Industriekapitalismus interpretiert<br />
werden. Ob sich freilich neben den notwendigen technisch-wissenschaftlichen<br />
<strong>und</strong> organisationsstrukturellen Bedingungen der Lösung<br />
der Strukturkrise entwickelter kapitalistischer Industriegesellschaften auch<br />
die hinreichenden Bedingungen sozio-ökonomischer Art herausbilden, ist<br />
entscheidend vom Wandel <strong>und</strong> der Wandlungsfähigkeit des überkommenen<br />
Sozial- <strong>und</strong> Wirtschaftssystems abhängig. Manches spricht dafür, daß<br />
sich gegenwärtig Veränderungen dieser Art auf breiter Front vollziehen,<br />
auch wenn sich die auf gesamtgesellschaftlicher Ebene herausbildenden<br />
neuartigen Regulationsweisen bzw. institutionellen Arrangements von<br />
Land zu Land <strong>und</strong> von Ebene zu Ebene unterscheiden. So ist auf der Makroebene<br />
mit konkurrierenden Formen der Wirtschaftspolitik, auf der<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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Branchenebene mit unterschiedlichen Strukturen (z.B. im Hinblick auf die<br />
Bedeutung der Großunternehmen), auf der Unternehmensebene mit disparaten<br />
Ausprägungen der <strong>Unternehmensorganisation</strong> zu rechnen.<br />
Mögen die Arbeiten der Regulationsschule auch einen groben Interpretationsrahmen<br />
für die uns interessierende Fragestellung abgeben, so ist doch<br />
nicht zu übersehen, daß ihre Analysen in vielen Punkten noch immer tentativ<br />
<strong>und</strong> skizzenhaft bleiben <strong>und</strong> häufig nicht über metaphorische Umschreibungen<br />
hinauskommen. Selbst von Vertretern dieser Schule wird<br />
verschiedentlich eingeräumt, daß der Rolle von Wissenschaft <strong>und</strong> Technik<br />
für die Entwicklung industriell-kapitalistischer Gesellschaften innerhalb<br />
des Regulationsansatzes noch keineswegs die notwendige Aufmerksamkeit<br />
zuteil geworden ist <strong>und</strong> erklärungskräftigere Konzepte als Desiderat anzusehen<br />
sind (vgl. Boyer 1988). Auch nach unserem Eindruck fehlt es nach<br />
wie vor an überzeugenden makro-ökonomischen Konzepten zur Erklärung<br />
des wissenschafthch-technischen Wandels <strong>und</strong> an geglückten Versuchen,<br />
diesbezügliche Entwicklungen auf gesamtgesellschaftlicher Ebene <strong>und</strong><br />
Veränderungen auf der Meso- <strong>und</strong> Mikroebene der Unternehmens- bzw.<br />
Arbeitsorganisation theoretisch zu vermitteln (vgl. Bieber, Brandt, Möll<br />
1987).<br />
1.4 <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> systemische Rationalisierung<br />
Immerhin finden sich in den Arbeiten verschiedener Regulationstheoretiker<br />
durchaus Hinweise, die unsere Annahmen über die Restrukturierung<br />
der <strong>Unternehmensorganisation</strong> stützen können. So wird etwa darauf aufmerksam<br />
gemacht, daß sich die strategische Orientierung <strong>und</strong> damit die<br />
Gesamtorganisation von Unternehmen in einem tiefgreifenden Wandel<br />
befinden. Aglietta, der Spiritus rector der Regulationsschule, vertritt beispielsweise<br />
die Auffassung, daß die Organisation der Großunternehmen<br />
im Neo-Fordismus den Charakter eines "globalen Systems" annimmt, das<br />
durch die Integration aller Unternehmensteile als Zielgröße der Rationalisierung<br />
gekennzeichnet ist (Aglietta 1979, S. 257) <strong>und</strong> zu einer "sternförmigen"<br />
Organisationsstruktur des Unternehmens führe. Diese Umstrukturierung<br />
der <strong>Unternehmensorganisation</strong> vollziehe sich auf der Basis von<br />
modernen Automations- <strong>und</strong> Informationstechnologien, die auch bei flexi-<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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len <strong>und</strong> dezentralen Organisationsformen die Möglichkeit zentraler Kontrolle<br />
gewährleisten. Überlegungen zu einer qua technisch-organisatorischer<br />
Maßnahmen angestrebten Integration der verschiedenen Unternehmensfunktionen<br />
<strong>und</strong> der damit verb<strong>und</strong>enen Konsequenzen für unternehmerische<br />
Kontrollstrategien werden auch von Roobeek (1987) angestellt:<br />
"Instead of concentrating control on the labour process, now control will be<br />
intensified along the whole chain from the research link to the marketing<br />
link" (Roobeek 1987, S. 145).<br />
Damit vertritt sie eine Auffassung von Rationalisierung, die über das hinaus<br />
geht, was in der neueren westdeutschen Industriesoziologie als "neuer<br />
Rationalisierungstyp" oder als "systemische Rationalisierung" (Altmann<br />
u.a. 1986; Baethge, Oberbeck 1986) bezeichnet wird <strong>und</strong> die unserer Vorstellung<br />
von systemischer bzw. integrativer Rationalisierung nahekommt<br />
(s. Kapitel 4). Nach unserem Eindruck werden nämlich die vorliegenden<br />
Entwürfe zur systemischen Rationalisierung der industriellen Wirklichkeit<br />
- zumindest in technologisch fortgeschrittenen Branchen - insofern nicht<br />
gerecht, als sie den Bereich der Erzeugung (gr<strong>und</strong>legend) neuer Technologien<br />
<strong>und</strong> dessen Relevanz für die Unternehmensstrategie, <strong>Unternehmensorganisation</strong><br />
<strong>und</strong> die Restrukturierung ganzer Branchen weitgehend<br />
ausblenden.<br />
Kapitalistische Rationalisierungsstrategien richten sich heute nicht in isolierter<br />
Weise ausschließlich auf Arbeitsprozesse in der unmittelbaren Produktion<br />
oder in der Zirkulation, sondern beziehen sich auf den Prozeß der<br />
Verwertung insgesamt. Ein solcher sich auf alle Momente des Verwertungsprozesses<br />
beziehender Typus systemischer oder integrativer Rationalisierung<br />
kann durchaus die Kombination traditioneller (tayloristischer<br />
oder fordistischer) Formen der Organisation der unmittelbaren Arbeit mit<br />
neuen Formen der Unternehmens- <strong>und</strong> Betriebsorganisation implizieren.<br />
Dabei sind neue, flexibel einsetzbare (Fertigungs-)Technologien offensichtlich<br />
mit traditionellen Formen der Arbeitsorganisation ebenso zu vereinbaren<br />
(vgl. Lutz, Hirsch-Kreinsen 1987), wie in vielen Fällen gr<strong>und</strong>legend<br />
neue Formen der <strong>Unternehmensorganisation</strong> mit traditionellen Fertigungsverfahren<br />
kompatibel sind. Es spricht jedenfalls einiges für unsere<br />
These, daß die Rationalisierung der unmittelbaren Produktion weder das<br />
einzige oder auch nur das wichtigste Mittel ist, mit dem das Unternehmen<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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seine Unabhängigkeit von Umweltbedingungen bewahren kann, noch daß<br />
das Management gegenwärtig bevorzugt mit der Reorganisation des Arbeitsprozesses<br />
beschäftigt ist. Diese Auffassung wird auch von Coombs<br />
vertreten:<br />
"There is some evidence that whilst management teams may not use production<br />
technology in a post-Fordist way, they may be developing new attitudes to their<br />
markets, and to the need for more flexibilityin overall corporate behaviour.<br />
These attitudes may reflect an acceptance of that part of the broader post-Fordist<br />
diagnosis which centres on segmentation of markets, more rapid and radical<br />
change in markets, and a consequent emphasis on innovation and flexibility<br />
whilst maintaining effeciency" (Coombs 1988, S. 29 f.; Hervorhebungen von uns<br />
- DB/GM).<br />
Wir vermuten also, daß Veränderungen auf der Ebene des unmittelbaren<br />
Produktionsprozesses nur angemessen als Moment integrativer Rationalisierungsstrategien<br />
zu verstehen sind. In dieser Perspektive besitzen beispielsweise<br />
"neue Produktionskonzepte" nur insoweit Diffusionschancen,<br />
als sie für die Steigerung der Anpassungs- <strong>und</strong> Innovationsfähigkeit der<br />
Unternehmen geeignet erscheinen. Das bedeutet allerdings nicht notwendigerweise<br />
eine generelle Aufwertung der Fertigungsarbeit, da die Herstellung<br />
innovativer Produkte häufig auch auf Basis traditioneller (tayloristischer)<br />
Formen der Arbeitsorganisation bzw. mit einem geringen Anteil<br />
qualifizierter Arbeitskräfte an der Fertigungsbelegschaft möglich ist.<br />
Die Lage stellt sich in den Unternehmen des sog. High-Tech-Sektors, zu<br />
dem viele Unternehmen der Elektroindustrie zu zählen sind, so dar, daß<br />
übergreifende Rationalisierungsstrategien entwickelt <strong>und</strong> durchgesetzt<br />
werden, die weit über eine bloße Reorganisation der Fertigung hinausreichen.<br />
Zunehmend werden auch die innovativen Abteilungen von Zulieferanten<br />
stärker in die Pflicht genommen, ohne daß dies zu einem Verlust<br />
an technischer Kompetenz in den Zentren der Kapitalakkummulation führen<br />
muß. Damit werden hoch formalisierte Organisationsformen, die die<br />
8 Damit unterscheiden wir uns vom Münchner Ansatz betrieblicher Autonomiestrategien<br />
(Altmann, Bechtle 1971; Bechtle 1980) in doppelter Weise. Zum<br />
einen sehen wir den Betrieb im Prozeß der Kapitalverwertung als Instanz der Sicherung<br />
von Autonomie nicht als zentral an, sondern das gesamte Unternehmen<br />
(so neuerdings auch Düll, Bechtle 1988 <strong>und</strong> Altmann u.a. 1986). Zum anderen<br />
stellt sich die Frage nach dem Stellenwert des unmittelbaren Produktionsprozesses<br />
im Zeitalter der "permanenten Innovation" anders als in der Phase fordistischer<br />
Massenproduktion.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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Tätigkeiten des Unternehmens einer starr sich durchhaltenden vertikalen<br />
<strong>und</strong> horizontalen Arbeitsteilung unterwerfen <strong>und</strong> die ausdifferenzierten<br />
Unternehmensfunktionen in ein hierarchisch gegliedertes Kontrollsystem<br />
einbeziehen, zunehmend in Frage gestellt <strong>und</strong> tendenziell durch neue, weniger<br />
starre Organisationsformen abgelöst. Insbesondere in der Elektro<strong>und</strong><br />
Elektronikindustrie ist eine Tendenz zu Organisationsstrukturveränderungen<br />
auszumachen, die weit über die eigenen Unternehmensgrenzen<br />
hinausreichen. 9 Zwar lassen sich auch für frühere Phasen der Entwicklung<br />
industrieller (Groß-)Unternehmen Versuche einer durchgreifenden Reorganisation<br />
der Unternehmensstruktur nachweisen - so etwa die im Zusammenhang<br />
mit dem Übergang zu großen, diversifizierten Unternehmen<br />
der Massenproduktion stehende Durchsetzung einer divisionalen <strong>Unternehmensorganisation</strong><br />
(Beniger 1986; Chandler 1962) oder die erstmalige<br />
Integration von Forschung <strong>und</strong> Entwicklung in die Organisation des Unternehmens<br />
(Dennis 1987) -, diese gewinnen aber unter dem Druck verkürzter<br />
Produktlebenszyklen (Vernon 1966) heute eine neue Qualität. Auf<br />
das engste verknüpft sind sie <strong>und</strong> die ihnen korrespondierenden Unternehmensstrategien<br />
mit der Entwicklung technisch-wissenschaftlicher<br />
Neuerungen, sei es, daß diese von den Unternehmensleitungen genutzt<br />
<strong>und</strong> gefördert oder auch aus eigenen Stücken vorangetrieben werden, sei<br />
es, daß diese nur als von außen gesetzter Zwang wirksam werden.<br />
Im Anschluß an Brandt läßt sich feststellen, daß sich der "technologische<br />
Kapitalismus" 10<br />
(Karpik 1977; Kellner 1989) vom traditionellen Industrie-<br />
9 So heißt es in der Zusammenfassung einer Studie von Poutrel <strong>und</strong> Queisser<br />
über Entwicklungstendenzen europäischer Großunternehmen: "In diesen neu<br />
strukturierten Industrie- <strong>und</strong> Dienstleistungsunternehmen werden Synergien<br />
hauptsächlich durch Mobilität <strong>und</strong> Managementfähigkeiten, durch den Austausch<br />
von Technologie <strong>und</strong> Information zwischen den verschiedenen Einheiten<br />
des dezentralisierten "Network" entstehen; kennzeichnend für die neuen, risikominimierenden<br />
Strukturen sind dann nicht mehr straff organisierte Hierarchien,<br />
sondern lose verb<strong>und</strong>ene Unternehmensbereiche, die als Konzernverb<strong>und</strong><br />
aktiv sind" (Ifo-Schnelldienst 1990, S. 5).<br />
10 Dieser Begriff findet sich bei Karpik, der zwischen historisch unterschiedlichen<br />
Formen des Kapitalismus unterscheidet, die durch die je spezifische Kombination<br />
von Industrie <strong>und</strong> Wissenschaft gekennzeichnet seien. Als wichtigstes Kennzeichen<br />
des "technologischen Kapitalismus", der seit den 60er Jahren in den<br />
technologisch fortgeschrittenen Großunternehmen der Chemischen, Pharmazeutischen<br />
<strong>und</strong> Elektroindustrie, mittlerweile aber auch in kleinen <strong>und</strong> mittleren<br />
Unternehmen im High-Tech-Bereich sichtbar werde, gilt Karpik zufolge die<br />
hohe Innovationsrate der Produkte durch die planmäßige <strong>und</strong> kombinierte Nutzung<br />
von wissenschaftlichem Wissen <strong>und</strong> technologischen Erfindungen.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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kapitalismus insofern unterscheidet, als sich in ihm technisch-wissenschaftliche<br />
Innovationen sowohl als Kontextbedingung wie auch als Handlungsparameter<br />
der von den Unternehmensleitungen betriebenen Umstellung<br />
von Unternehmenspolitik <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong> geltend<br />
machen <strong>und</strong> in der einen wie in der anderen Bedeutung eine Schlüsselrolle<br />
übernehmen (Brandt 1987). Ob ein Unternehmen in der industriellen<br />
Produktion reüssiert, hängt nämlich zunehmend von seiner Fähigkeit ab,<br />
die wissenschaftlich-technische Entwicklung zu bestimmen. Auch wenn<br />
hochgradig riskante Entwicklungen im Bereich von Basistechnologien zu<br />
einem beträchtlichen Teil von staatlichen (vgl. das Mega-Chip-Projekt<br />
oder Jessi) oder suprastaatlichen Institutionen gefördert werden (EG: Eureka,<br />
Esprit, Pace, Brite, Prometheus etc.), gehörte - jenseits aller Diskussionen<br />
um "Demand-Pull" oder "Technology-Push" als agens movens der<br />
technologischen Entwicklung - die Implementation neuer Produkt- <strong>und</strong><br />
Prozeßtechnologien immer schon zu den Aufgaben privater Unternehmungen.<br />
So konnte schon vor geraumer Zeit festgehalten werden, daß "der<br />
Stand industrialisierter Rationalität ein Stadium erreicht hat, in dem technologisches<br />
Wissen betrieblich produziert wird" (Bahr 1970, S. 42 f.).<br />
Neu ist <strong>und</strong> wichtiger scheint uns zu sein, daß der technische Fortschritt<br />
für Unternehmen zu einem eigenständigen Handlungsparameter aufrückt<br />
<strong>und</strong> sich dies auch in der Ressourcenverteilung im Unternehmen niederschlägt:<br />
"In der Tat ist der Forschungswettbewerb in allen expansiven Produktionsweisen<br />
weit wichtiger geworden als etwa die Preiskonkurrenz. Es<br />
sind die Laboratorien, die darüber entscheiden, wer sich den größten Umsatzanteil<br />
erringt" (Mohler 1968, S. 330). So sind in der Elektrotechnischen<br />
Industrie insgesamt, aber auch in einzelnen Unternehmen (z.B. Siemens),<br />
die FuE-Aufwendungen im Verhältnis zu den Sachinvestitionen überproportional<br />
<strong>und</strong> kontinuierlich gestiegen <strong>und</strong> Hegen bei den führenden Unternehmen<br />
seit den 70er Jahren deutlich über den Ausgaben für Investitionen<br />
(s. Abschnitt 6.4). Zwar wird ein Großteil der im Ausland getätigten<br />
Investitionen ebenso wie der Aufkauf ausländischer Unternehmen von<br />
der amtlichen 11 <strong>und</strong> halbamtlichen 12 Statistik nur unscharf erfaßt. Dennoch<br />
kann wohl davon ausgegangen werden, daß sich im veränderten Verhältnis<br />
von FuE-Aufwendungen <strong>und</strong> den Aufwendungen für Sachinvestitionen<br />
ein einschneidender Strukturwandel widerspiegelt. Dies gilt um so<br />
11 Etwa der des Statistischen B<strong>und</strong>esamtes.<br />
12 Etwa der des Zentralverbandes Elektrotechnik <strong>und</strong> Elektronikindustrie.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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mehr, als insbesondere im Bereich der science based industries verschiedene<br />
Formen der Kooperation von Unternehmen stets auch, mitunter sogar<br />
vorrangig, vorangetrieben werden, um die Risiken technologischer Innovationen<br />
zu minimieren <strong>und</strong> die Erträge durch möglichst globale <strong>und</strong><br />
schnelle Vermarktung zu optimieren.<br />
Gerade große Unternehmen verfolgen inzwischen Innovationsstrategien,<br />
die mittels vertikaler Integration den Zugang zu wissenschaftlich-technischen<br />
Potentialen anderer Länder bzw. Unternehmen eröffnen (Internationalisierung<br />
der Forschung) bzw. die - im technologischen Bereich<br />
immer unsichere - Kooperation auf eine sichere Basis stellen sollen (s.<br />
Kapitel 9). Sofern es sich um internationale Kooperationen handelt, geht<br />
diesem Prozeß in der Regel zunächst ein starkes Wachstum der Exporte,<br />
daran anschließend eine Internationalisierung der Produktion voraus<br />
(Oesterheld, Wortmann 1988, S. 4). Allerdings muß davon ausgegangen<br />
werden, daß die Bedeutung der hauptsächlich mit der Erzeugung neuer<br />
Technologien betrauten Unternehmensfunktionen nicht nur quantitativ,<br />
sondern auch qualitativ zunimmt, in der Elektroindustrie vor allem wegen<br />
der für einige Bereiche charakteristisch engen Verknüpfung von Produkt<strong>und</strong><br />
Prozeßinnovation <strong>und</strong> dem relativ hohen Gewicht der Gr<strong>und</strong>lagenforschung<br />
13 (s. Abschnitt 6.8).<br />
Daß die Bedeutung der innovativen Unternehmensfunktionen zunimmt<br />
<strong>und</strong> die Erzeugung neuer Produkte <strong>und</strong> neuer Technologien zu einem zentralen<br />
Moment von Wettbewerbsstrategien aufgerückt ist, wird auch an<br />
den gravierenden Veränderungen der industriellen Sozialstruktur deutlich.<br />
Das Verhältnis von Wissenschaftlern <strong>und</strong> Ingenieuren einerseits <strong>und</strong> Beschäftigten<br />
in Produktion <strong>und</strong> industrieller Dienstleistung andererseits<br />
verschiebt sich in vielen Branchen zugunsten der erstgenannten Berufsgruppen.<br />
Zum einen sinkt dort die Zahl der in der Produktion beschäftigten<br />
Arbeitskräfte aufgr<strong>und</strong> fortschreitender Rationalisierung relativ, mitunter<br />
auch absolut ab. 14<br />
Zum anderen nimmt umgekehrt der Anteil der<br />
13 Sony gibt beispielsweise 25 % seines FuE-Etats (1989 1,01 Mrd. Dollar = 6 %<br />
vom Umsatz) für sog. "precompetitive research" aus (vgl. Business Week 25.6.90,<br />
S. 28). Siemens gibt in seinem Geschäftsbericht für 1989 einen Anteil von 7 %<br />
der FuE-Aufwendungen für "anwendungsnahe Gr<strong>und</strong>lagenforschung" an.<br />
14 Dieser Trend in der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland wird überlagert bzw. verschärft<br />
durch den wachsenden Anteil der Auslandsproduktion, wobei oftmals<br />
zunächst Low-Tech-Produkte <strong>und</strong> -Produktionen ins Ausland verlagert werden.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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Wissenschaftler <strong>und</strong> Ingenieure an den Beschäftigten absolut <strong>und</strong> relativ<br />
zu. Diese Tendenzen treten in der Elektro- <strong>und</strong> Elektronikindustrie verschärft<br />
zutage, wo, vor allem im Investitionsgütersektor, neben den Prozeß<br />
der unmittelbaren Produktion vielfältige Arbeitsprozesse treten, die häufig<br />
integraler Bestandteil industrieller Produktion (i.e.S.) sind. 15<br />
In wichtigen<br />
Bereichen der Elektroindustrie ist der Markterfolg nicht mehr ausschließlich<br />
von der (ehedem mit dem Produkt identischen) Hardware, sondern<br />
auch von der Qualität der mitgelieferten <strong>und</strong>/oder ins Produkt inkorporierten<br />
("embedded") Software (s. Abschnitt 5.3.2) sowie von industriellen<br />
Dienstleistungen abhängig. Aus diesem Gr<strong>und</strong> werden zunehmend hochqualifizierte,<br />
zu einem erheblichen Prozentsatz akademisch ausgebildete,<br />
Arbeitskräfte in der Elektroindustrie beschäftigt, <strong>und</strong> zwar nicht ausschließlich<br />
im Bereich von FuE, sondern auch in der Produktion, in produktionsnahen<br />
Bereichen wie Qualitätssicherung <strong>und</strong> Instandhaltung sowie<br />
im Vertrieb. Sowohl dieser Wandel in den Beschäftigtenstrukturen als<br />
auch die veränderten Relationen bei den Ausgaben für Sachinvestitionen<br />
<strong>und</strong> FuE sprechen für die These, daß wir es heute mit einer neuen, von<br />
der Industriesoziologie noch nicht hinreichend erhellten Form industrieller<br />
Wirklichkeit zu tun haben.<br />
1.5 Die strukturelle Bedeutung der Elektroindustrie<br />
Ausgehend von der Erfahrung, daß die industrielle Produktion gegenwärtig<br />
einem gr<strong>und</strong>legenden Wandel unterliegt, haben wir in dieser Arbeit<br />
Veränderungen der Organisationsstruktur in der verwissenschaftlichten<br />
Industrie untersucht. Daß wir uns dabei in erster Linie auf die Elektro<strong>und</strong><br />
Elektronikindustrie beziehen, ist kein Zufall. Diesem Industriezweig<br />
(kam <strong>und</strong>) kommt für die sozio-ökonomische Entwicklung in zweifacher<br />
15 "Stärker noch als im Bereich des allgemeinen Maschinenenbaus gilt für den Bereich<br />
der Elektrotechnik <strong>und</strong> auch der modernen Systemtechnologien, daß 'Produkte'<br />
nicht nur abstrakt gefertigt, sondern montiert <strong>und</strong> installiert, gewartet<br />
<strong>und</strong> repariert (Service-Abkommen) werden müssen, was bei Kraftwerken <strong>und</strong><br />
Schaltanlagen, Signalsystemen <strong>und</strong> Computernetzen, Nachrichtenübertragungsanlagen<br />
<strong>und</strong> MSR-Installationen Bestandteil der Sicherung der Funktionsfähigkeit<br />
der Anlagen <strong>und</strong> Installationen ist. 'Gewährleistung' ist hier häufig integraler<br />
Bestandteil der industriellen Produktion, wenn man dem 'Produktions'-Begriff<br />
eine zeitgemäße Bedeutung (gültig seit dem Beginn des Jahrh<strong>und</strong>erts etwa)<br />
geben will" (Hack 1988, S. 159).<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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Hinsicht eine Schlüsselrolle zu. Zum einen hat er, was hier nicht weiter<br />
ausgeführt werden soll (s. Kapitel 5), ein enormes ökonomisches Gewicht<br />
in der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland; er wird vom Umsatz <strong>und</strong> vom Beschäftigungsvolumen<br />
her zu den vier Kernbereichen der Volkswirtschaft<br />
gezählt. Zum anderen, <strong>und</strong> das erscheint uns hier wichtiger, ist die Elektro-<br />
<strong>und</strong> Elektronikindustrie von Anfang an eine "science based industry"<br />
(s. Abschnitt 3.4), d.h., sie war <strong>und</strong> ist in hohem Maße von der Entwicklung<br />
der Wissenschaft <strong>und</strong> Technologie abhängig. Nach Schulz-Hanßen<br />
"steuert die Elektroindustrie mit ihren Produkt-Technologien in einem<br />
weit überdurchschnittlichen Maße zum gesamtwirtschaftlichen technischen<br />
Fortschritt bei, wenn sie nicht sogar als der intensivste Förderer des technischen<br />
Fortschritts im Industrialisierungsprozeß (...) anzusprechen ist."<br />
Dabei kommt ihr eine Rolle zu, "deren Gewicht zunimmt, je weiter der gesamte<br />
Entwicklungsprozeß fortgeschritten ist. Die Erklärung für die überragende<br />
Stellung der Elektroindustrie im Industrialisierungsprozeß liegt in<br />
der naturwissenschaftlich-forschungsbezogenen <strong>und</strong> technischen Basis dieses<br />
Industriezweiges" (Schulz-Hanßen 1970, S. 242).<br />
Die entscheidenden Basisinnovationen in der Schwachstrom-, der Starkstromtechnik,<br />
der Entwicklung der Funktechnik <strong>und</strong> der elektronischen<br />
Datenverarbeitung waren schon in historisch frühen Phasen der industriellen<br />
Entwicklung durch einen hohen Input an wissenschaftlichem <strong>und</strong><br />
technischem Wissen gekennzeichnet. Dieser Trend wird heute noch dadurch<br />
verstärkt, weil sich Produktinnovationen der Elektroindustrie in<br />
vielen Bereichen nur durch den Rückgriff auf Forschungen vorantreiben<br />
lassen, die in eher traditioneller Sichtweise dem Feld der anwendungsfernen<br />
Gr<strong>und</strong>lagenforschung zugeordnet wurden. Zu nennen sind hier u.a.<br />
Atomtechnologien, die Mikroelektronik 16<br />
<strong>und</strong> die Satellitentechnik. Interessant<br />
ist die Elektro- <strong>und</strong> Elektronikindustrie deshalb vor allem unter<br />
dem Gesichtspunkt der wachsenden Bedeutung von Wissenschaft für den<br />
weiteren Gang der ökonomischen Entwicklung. Insbesondere die gr<strong>und</strong>legenden<br />
Innovationen wie die Erzeugung von Strom <strong>und</strong> die Mikroelektronik<br />
gelten als Auslöser von neuen Stadien in der ökonomischen Entwicklung.<br />
So wird häufig die Elektrotechnik als Auslöser der zweiten, die Mi-<br />
16 "Apart from the scale of the innovation and the scale of its impact, the technology<br />
of semiconductor electronics is distinguished by its very great dependence<br />
of science. Perhaps more than any other innovation, modern electronics owes its<br />
existence to science; it is truly an innovation based on science" (Braun, Macdonald<br />
1982, S. 1; Hervorhebungen von uns - DB/GM).<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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kroelektronik als Auslöser der dritten Phase der Industrialisierung oder<br />
gar der "dritten industriellen Revolution" begriffen (Ruppert 1983, S. 30, S.<br />
36). 17<br />
Die wissenschaftlich-technische Entwicklung wird heute in großem Umfang<br />
direkt im industriellen Kontext vorangetrieben. Bereits die technische<br />
Gr<strong>und</strong>lage der modernen Mikroelektronik, der Transistor, wurde im Rahmen<br />
großindustrieller Forschungsorganisation (bei dem US-amerikanischen<br />
Telekommunikationsunternehmen AT&T) entwickelt (Braun, Macdonald<br />
1982; Halfmann 1984). Dabei führt die Tatsache, daß die Wissenschaft<br />
den Unternehmen nicht mehr wie noch zu Marx' Zeiten als "Gratisproduktivkraft"<br />
zur Verfügung steht, 18 sondern trotz (bzw. wegen) hoher<br />
Unsicherheiten große Bestandteile des Unternehmenskapitals bindet,<br />
dazu, daß auch die Arbeit in den Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungsabteilungen<br />
"industrialisiert" wird (Hack, Hack 1985).<br />
Zugleich aber scheint für die Elektroindustrie, zumindest für einige ihrer<br />
Teilbereiche, auch aus technologischen Gründen eine simultane Bearbeitung<br />
bzw. eine enge Verknüpfung von Produkt- <strong>und</strong> Prozeßinnovation unabweisbar<br />
zu werden. Diese Entwicklung ist in der Elektroindustrie zumindest<br />
weiter fortgeschritten als beispielsweise im Maschinenbau (vgl.<br />
Häusler 1990) oder in der Automobilindustrie. Nicht zuletzt aus diesem<br />
Gr<strong>und</strong> ist es sinnvoll, sich über neuartige Formen der Gestaltung von Innovationsprozessen<br />
in derjenigen Branche zu unterrichten, die in dieser<br />
Hinsicht eine Vorreiterrolle einnimmt.<br />
Darüber hinaus kommt der Elektro- <strong>und</strong> vor allem der Elektronikindustrie<br />
Schlüsselbedeutung für den weiteren Prozeß der Rationalisierung zu.<br />
Trotz der Vielfalt divergierender Positionen, die die westdeutsche Indu-<br />
17 Es ist hier nicht der Ort, auf die Probleme einer derartigen Definition der verschiedenen<br />
industriellen Revolutionen einzugehen. Sinnvoller erscheint uns, von<br />
verschiedenen Phasen der (kapitalistischen) Industrialisierung zu sprechen (vgl.<br />
Hack 1988, S. 15 ff.).<br />
18 Marx war sich da im übrigen nicht so sicher, wie es die einschlägigen, immer<br />
wieder zitierten Ausführungen im "Kapital" nahelegen. "So zeigt sich bei der näheren<br />
Betrachtung des Kapitals, daß es einerseits eine bestimmte historische<br />
Entwicklung der Produktivkräfte voraussetzt - unter diesen Produktivkräften<br />
auch die Wissenschaft -, andererseits sie vorantreibt <strong>und</strong> forciert" (Marx 1953, S.<br />
587).<br />
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striesoziologie der 70er <strong>und</strong> 80er Jahre geprägt hat, läßt sich Einigkeit in<br />
bezug auf die entscheidende Bedeutung neuer Informations- <strong>und</strong> Kommunikationstechnologien<br />
feststellen. Ob eine weitreichende Subsumtion<br />
lebendiger Arbeit unter das Kapital durch neue "Organisationstechnologien"<br />
(Brandt u.a. 1978), ob "Neue Produktionskonzepte" durch neue Produktionstechnologien<br />
(Kern, Schumann 1984) oder ob schließlich ein<br />
"Neuer Rationalisierungstyp" mit Tendenzen einer zwischenbetrieblichen<br />
Vernetzung (Altmann u.a. 1986) postuliert werden, stets spielen die Resultate<br />
von Innovationsanstrengungen in der Elektro- <strong>und</strong> Elektronikindustrie<br />
unter den erklärenden Variablen eine zentrale Rolle. Um so erstaunlicher<br />
ist es, daß in der industriesoziologischen Forschung die Elektro- <strong>und</strong><br />
Elektronikindustrie bislang kaum untersucht worden ist. Im Frankfurter<br />
Institut für Sozialforschung (IfS) wurden zu Beginn der 80er Jahre zwei<br />
Studien durchgeführt, die sich auch mit der Rationalisierungsentwicklung<br />
der Elektroindustrie beschäftigten (Benz-Overhage u.a. 1982; Teschner,<br />
Hermann 1981), im Göttinger SOFI wurde, wie vielfach angemerkt worden<br />
ist, die Elektroindustrie bspw. in den Arbeiten von Kern, Schumann<br />
(1970; 1984) nicht zu den industriellen Kernsektoren gezählt; erst in jüngster<br />
Zeit wird dort eine Studie zur Rationalisierungsdynamik der Elektroindustrie<br />
durchgeführt (Voskamp, Wittemann, Wittke 1989), <strong>und</strong> auch<br />
im Münchner <strong>ISF</strong> gibt es bislang nur zwei Untersuchungen, die sich auf<br />
die Elektroindustrie bzw. auf Prozesse der Montageautomation in diesem<br />
Kernbereich industrieller Produktion beziehen (Altmann u.a. 1982; Tokunaga<br />
u.a. 1991; Moldaschl 1991; Düll, Bechtle 1991). 19<br />
Daß die Elektro- <strong>und</strong> Elektronikindustrie allerdings keine Branche im eigentlichen<br />
Sinne ist, sondern in sehr unterschiedliche Subbranchen mit unterschiedlichen<br />
Innovationsverläufen <strong>und</strong> Produktionsprozessen zerfällt,<br />
ist ein Umstand, der uns während der Arbeit an unserer Branchenanalyse<br />
(Kapitel 5 <strong>und</strong> 6) immer deutlicher wurde. Wichtig erscheint uns auch ein<br />
anderes Ergebnis dieser Analyse: Obwohl sich das von uns ursprünglich<br />
anvisierte Ziel, Innovationspotentiale auf dem Aggregationsniveau von<br />
Daten über die sehr heterogene Branche der Elektroindustrie zu ermit-<br />
19 Ist somit die Elektroindustrie im Gegensatz zum (Werkzeug-)Maschinenbau<br />
oder der Automobilindustrie weitgehend "terra incognita" innerhalb der industriesoziologischen<br />
Forschung (Voskamp, Wittemann, Wittke 1989), so gilt das<br />
erst recht, wenn man sich nicht länger mit einer Erforschung der Rationalisierungsprozesse<br />
in der materiellen Produktion bescheiden möchte (vgl. Heisig u.a.<br />
1985).<br />
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teln, nur sehr begrenzt hat realisieren lassen, können die dabei gewonnenen<br />
Erkenntnisse als Bestätigung unserer zentralen These einer absolut<br />
<strong>und</strong> relativ wachsenden Bedeutung der innovativen Potentiale im Rahmen<br />
der Unternehmensaktivitäten angesehen werden. Eine Überprüfung weitergehender<br />
Annahmen <strong>und</strong> Hypothesen auf Branchenebene scheint dagegen<br />
durch (zu) viele Unsicherheiten belastet. Notwendig wären hier<br />
Fallstudien in einzelnen Unternehmen unterschiedlicher Größe <strong>und</strong> mit<br />
unterschiedlichen Schwerpunkten in den einzelnen Subbranchen der Elektroindustrie.<br />
Wo es uns möglich war <strong>und</strong> aus Gründen der Darstellung<br />
sinnvoll schien, haben wir deshalb auf Informationen über einzelne Unternehmen<br />
zurückgegriffen, die über die Wirtschaftsberichterstattung allgemein<br />
zugänglich sind. Damit wären wir an dem Punkt angelangt, einen<br />
kurzen Überblick über Organisation <strong>und</strong> Inhalt dieser Arbeit zu geben.<br />
1.6 Ein kurzer Aufriß der Argumentation<br />
Angeleitet von der Annahme, daß den Industrieunternehmen als intermediärer<br />
Instanz gesellschaftlicher Organisation - zumal unter den absehbaren<br />
Bedingungen weitgehender Deregulierung der Güter- <strong>und</strong> Arbeitsmärkte<br />
- zentrale Bedeutung für eine gelingende oder nicht gelingende<br />
Transformation des überkommenen Modells der Massenproduktion bzw.<br />
des traditionellen Industriekapitalismus in Richtung auf einen "technologischen<br />
Kapitalismus" zukommt, stehen zwei Fragenkomplexe im Zentrum<br />
dieser Arbeit:<br />
(1) Gibt es Anhaltspunkte dafür, daß Technik <strong>und</strong> Wissenschaft (bzw.<br />
technische <strong>und</strong> wissenschaftliche Arbeit) nicht nur auf gesamtgesellschaftlicher<br />
Ebene zur Gr<strong>und</strong>lage der Produktivkraftentwicklung werden, sondern<br />
auch zum vorrangigen Gegenstand der Unternehmensaktivitäten aufrücken?<br />
(2) Wenn diese Annahme zutreffend sein sollte: mit welchen organisationsstrukturellen<br />
Problemen <strong>und</strong> Veränderungen ist dann die forcierte<br />
Schaffung <strong>und</strong> Nutzung innovativer Potentiale verb<strong>und</strong>en?<br />
Um zu einer Klärung dieser Fragen zu kommen, soll zunächst in Teil B -<br />
in knapper Form - dargestellt werden, wie die aktuellen Unternehmens-<br />
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probleme in den Arbeiten der neueren Industriesoziologie verhandelt<br />
werden (Abschnitt 2.1). Dies wird ergänzt durch einen längeren Exkurs<br />
über die Entwicklung des "Subsumtionsansatzes" bei Gerhard Brandt. Hier<br />
wird begründet <strong>und</strong> aufgezeigt, warum durch eine Organisationsanalyse<br />
von Unternehmen der verwissenschaftlichten Industrie sowie durch eine<br />
Analyse industrieller Innovationspotentiale die Industriesoziologie aus erkenntnishemmenden<br />
Engführungen herausgeführt werden könnte (Abschnitt<br />
2.2).<br />
Wegen der zentralen Bedeutung, die in dieser Arbeit dem Begriff der Innovation<br />
zukommt, folgt eine Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen<br />
Innovationsbegriffen, wie sie in der Innovations- <strong>und</strong> Organisationsforschung<br />
geläufig sind (Abschnitt 3.1 <strong>und</strong> 3.2). Anschließend beschäftigen<br />
wir uns eingehender mit organisationstheoretischen <strong>und</strong> wirtschaftswissenschaftlichen<br />
Arbeiten zur Innovationsthematik im engeren Sinne, um zu<br />
erhellen, wie sich diese aus der Perspektive einzelner Unternehmen darstellt<br />
(Abschnitt 3.3). Da die theoretische Beschäftigung mit Fragen der<br />
organisierten technologischen Innovation eine Reaktion auf reale Problemstellungen<br />
sein dürfte, gehen wir im folgenden auf die historische<br />
Entwicklung des Innovationsproblems in der verwissenschaftlichten Industrie<br />
ein (Abschnitt 3.4 <strong>und</strong> 3.5). Allerdings sind wir nicht der Auffassung,<br />
daß Unternehmen über der Beschäftigung mit der Innovationsproblematik<br />
die traditionell vorherrschenden Anforderungen der Effizienz <strong>und</strong> Flexibilität<br />
vernachlässigen (können). Nach unserer Einschätzung zeichnet sich<br />
die gegenwärtige Situation gerade durch den Zwang aus, diese tendenziell<br />
widersprüchlichen Anforderungskomplexe gleichzeitig zu bearbeiten. In<br />
Auseinandersetzung mit dem englischen Industriesoziologen <strong>und</strong> Organisationstheoretiker<br />
John Child entwickeln wir deshalb die These, daß sich<br />
in der industriellen Praxis eine integrative Bearbeitung der Ineffizienz-,<br />
Flexibilitäts- <strong>und</strong> Innovationsrisiken abzeichnet (Abschnitt 3.6).<br />
Vor dem Hintergr<strong>und</strong> dieser These unternehmen wir schließlich unter Bezug<br />
auf die neuere industriesoziologische Diskussion zur "systemischen<br />
Rationalisierung" den Versuch, einen Rationalisierungsbegriff zu formulieren,<br />
in dessen Zentrum nicht länger allein der materielle Produktionsprozeß<br />
steht, sondern der auch die darüber hinausgehenden bzw. auf andere<br />
Unternehmensfunktionen (insbesondere die der Innovationsbewältigung)<br />
gerichteten Rationalisierungsanstrengungen umfaßt (Kapitel 4).<br />
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Ein weiterer Schwerpunkt unserer Arbeit besteht in einer Branchenanalyse<br />
der Elektrotechnischen Industrie, von der wir uns einen genaueren<br />
Überblick über die ökonomische Entwicklung <strong>und</strong> das Innovationspotential<br />
dieser Branche erhoffen (Teil C). Dabei taucht das Problem auf, daß<br />
die dafür notwendigen Daten häufig nur auf einem sehr hohen Aggregationsniveau<br />
zugänglich sind, was Strukturinterpretationen außerordentlich<br />
erschwert. Das gilt vor allem für die vorliegenden Informationen über das<br />
Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungspotential. Immerhin läßt sich aus den vorfindlichen<br />
Datenreihen eine Bestätigung unserer These vom Bedeutungszuwachs<br />
von Forschung <strong>und</strong> Entwicklung in der Industrie entnehmen. Es<br />
gibt deutliche Hinweise darauf, daß, zumindest in der von uns untersuchten<br />
Elektro- <strong>und</strong> Elektronikindustrie, die Fähigkeit zur wissenschaftlich<br />
induzierten Innovation von Produkten <strong>und</strong> (Produktions-)Prozessen für<br />
den ökonomischen Erfolg an Bedeutung gewonnen hat <strong>und</strong> die Erzeugung<br />
<strong>und</strong> Kontrolle von wissenschaftlichem <strong>und</strong> technologischem Wissen zu<br />
zentralen Größen sowohl in der Zielhierarchie als auch im Wettbewerb<br />
von Unternehmen avanciert sind. Darüber hinausgehende Hinweise auf<br />
Organisationszusammenhänge auf der Unternehmensebene sind so aber<br />
kaum zu erhalten. Unser Versuch, diese Defizite durch den Rückgriff auf<br />
allgemein zugängliche Informationen der Wirtschafts- <strong>und</strong> Unternehmensberichterstattung<br />
auszugleichen <strong>und</strong> auf diese Weise zu genaueren<br />
Einschätzungen über Struktur <strong>und</strong> Organisation von Forschung <strong>und</strong> Entwicklung<br />
in Industrieunternehmen zu kommen, liegt zwar nahe, kann jedoch<br />
nur als erster Schritt angesehen werden <strong>und</strong> intensive Fallstudien in<br />
einzelnen Unternehmen nicht ersetzen.<br />
Um die organisationsstrukturellen Implikationen der zunehmenden Bedeutung<br />
wissenschaftlich-technischer Innovationsaktivitäten im Rahmen<br />
des veränderten Anforderungsprofils an die Unternehmen zu ermitteln,<br />
behandeln wir in Teil D folgende Fragen:<br />
(1) Welche Motive stehen hinter den gegenwärtig zu beobachtenden Umstrukturierungen<br />
auf der Ebene der <strong>Unternehmensorganisation</strong> <strong>und</strong> welche<br />
Organisationsformen bilden sich dabei heraus (Einleitung von Teil D<br />
<strong>und</strong> Kapitel 7)?<br />
(2) Welche organisatorischen Veränderungen zeichnen sich bei der<br />
Durchführung von wissenschaftlich-technischen Innovationsvorhaben in<br />
der Industrie ab (Kapitel 8)?<br />
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(3) In welcher Weise manifestiert sich das Bemühen der Unternehmen zur<br />
simultanen Bewältigung von Innovations-, Nachfrage- <strong>und</strong> Ineffizienzrisiken<br />
in unternehmensübergreifenden Strategien <strong>und</strong> organisatorischen Arrangements<br />
(Kapitel 9)?<br />
Im letzten Teil (Teil E) fassen wir die wichtigsten Überlegungen <strong>und</strong> Ergebnisse<br />
dieser Arbeit zusammen <strong>und</strong> versuchen, einen Ausblick auf weiterführende<br />
Forschungsfragen zu geben.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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TeilB<br />
Was kann die Industriesoziologie<br />
von der Organisations- <strong>und</strong><br />
Innovationsforschung lernen?<br />
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2. Veränderte Bedingungen von Unternehmensstrategien<br />
<strong>und</strong> ihre Reflexion in der wissenschaftlichen<br />
Diskussion<br />
Ausgangspunkt der folgenden Überlegungen zum Wandel überkommener<br />
Formen der Unternehmens-, Betriebs- <strong>und</strong> Arbeitsorganisation im Bereich<br />
der industriellen Produktion ist die Frage, welche Problemkonstellationen<br />
für die betreffenden Unternehmen gegenwärtig im Vordergr<strong>und</strong><br />
stehen. Wir wählen damit bewußt eine stärker managementorientierte<br />
Perspektive, da sie den Blick auf mögliche Ursachen aktueller Rationalisierungs-<br />
<strong>und</strong> Reorganisationsmaßnahmen eröffnen kann. Bei der Klärung<br />
dieser Frage beziehen wir uns auf die Ergebnisse neuerer Arbeiten der<br />
Industriesoziologie <strong>und</strong> der Organisationsforschung. Während sich die Industriesoziologie<br />
bislang bevorzugt mit der Rationalisierung von Arbeitsprozessen<br />
in der unmittelbaren Produktion auseinandergesetzt hat <strong>und</strong><br />
sich bei der Analyse fast zwangsläufig auf die Ebene der Arbeitsorganisation<br />
konzentrierte, 1<br />
richtete sich der Blick der Organisationsforschung,<br />
soweit sie sich mit Rationalisierungsprozessen in Industrieunternehmen<br />
befaßte, stärker auf den gesamten Bereich der <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
Deshalb werden von dieser Disziplin betriebliche Problemfelder <strong>und</strong> -lösungen<br />
diskutiert, die von Industriesoziologen oftmals vernachlässigt werden.<br />
Zu denken ist hier insbesondere an das Problem der Organisation<br />
wissenschaftlich-technischer Innovationsprozesse. Indem hier ansatzweise<br />
versucht wird, diese beiden Sichtweisen miteinander zu kombinieren, sollen<br />
traditionelle Grenzziehungen überschritten <strong>und</strong> ein zulänglicheres Bild<br />
der Bedingungen des industriellen Rationalisierungsgeschehens gewonnen<br />
werden.<br />
1 Eine Ausnahme stellt das am WZB durchgeführte international vergleichende<br />
Projekt über die Automobilindustrie dar, das versucht, am Beispiel internationaler<br />
Konzerne Veränderungen der Arbeitsorganisation mit Veränderungen der<br />
<strong>Unternehmensorganisation</strong> in Verbindung zu bringen (vgl. Jürgens, Malsch,<br />
Dohse 1989, S. 82 ff.; Dohse 1986). Interessant ist dabei wiederum, daß die Autoren<br />
auch die betrieblichen Funktionsbereiche untersuchen, die normalerweise<br />
in der Industriesoziologie weniger Aufmerksamkeit finden, im Zusammenhang<br />
mit systemischen Rationalisierungskonzepten aber an Bedeutung gewinnen: Instandhaltung,<br />
Qualitätssicherung <strong>und</strong> Logistik (vgl. Bieber, Sauer 1991).<br />
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2.1 Aktuelle Unternehmensprobleme <strong>und</strong> ihre Interpretation<br />
durch die Industriesoziologie<br />
In zahlreichen Studien der neueren industriesoziologischen Forschung<br />
stehen die arbeitsbezogenen Auswirkungen derjenigen Unternehmensstrategien<br />
im Mittelpunkt, die mit Hilfe von neuen Organisations-, Fertigungs<strong>und</strong><br />
Steuerungstechnologien auf die Vermittlung zwischen potentiell widersprüchlichen<br />
Anforderungen an die betrieblichen Produktionsprozesse<br />
zielen. Diese rivalisierenden Anforderungen lassen sich näher bestimmen<br />
als Zielkonflikt zwischen der Ökonomisierung <strong>und</strong> der Flexibilisierung des<br />
Produktionsapparates <strong>und</strong> des Arbeitseinsatzes.<br />
In Arbeiten des Frankfurter Instituts für Sozialforschung wurde versucht,<br />
dieses Spannungsverhältnis unter Rückgriff auf die Konzepte der Zeitbzw.<br />
Produktionsökonomie <strong>und</strong> der Wert- bzw. Marktökonomie zu erfassen.<br />
Mit dieser, auf die Arbeiten Sohn-Rethels zurückgehenden, kategorialen<br />
Unterscheidung sollten ursprünglich zwei alternative Formen "gesellschaftlicher<br />
Synthesis" bezeichnet werden, die durch unterschiedliche<br />
Formen der "Kommensuration" von lebendiger <strong>und</strong> vergegenständlichter<br />
Arbeit charakterisiert sind.<br />
"Während die Marktökonomie den gesellschaftlichen Zusammenhang der<br />
in privaten Unternehmen geleisteten Teilarbeiten über den Warentausch<br />
sicherstellt, ist die Produktionsökonomie darauf angelegt, den gesellschaftlichen<br />
Charakter des Arbeitsprozesses durch eine unmittelbare 'Kommensuration'<br />
von lebendiger <strong>und</strong> vergegenständlichter Arbeit, von menschlichen<br />
Arbeitsleistungen <strong>und</strong> Maschinenleistungen zu gewährleisten"<br />
(Brandt u.a. 1977, S. 4).<br />
Diese kategoriale Unterscheidung hat im Laufe der Zeit mehrere Revisionen<br />
erfahren (Abb. 2.1). 2<br />
So wurde in der ersten Reformulierung der<br />
Begriffe die Hoffnung auf die systemsprengende Macht zeitökonomischer<br />
Vergesellschaftung ad acta gelegt, aber die Produktions- <strong>und</strong> Zeitökonomie<br />
weiterhin als Ausdruck einer eigenständigen Entwicklungslogik begriffen,<br />
die zwar nicht unabhängig von den Bedingungen der Kapitalverwertung<br />
besteht, jedoch tendenziell mit der Logik des Marktes bzw. der<br />
2 Zu den am Frankfurter IfS vorgenommenen Revisionen des auf Sohn-Rethel<br />
zurückgehenden Konzepts "reeller Subsumtion" vgl. Brandt 1981; zur Entwicklung<br />
des Theorems bei Brandt selbst s. Abschnitt 2.2.<br />
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Marktökonomie kollidiere (Brandt u.a. 1978). Dieser Auffassung zufolge<br />
ist die Zeitökonomie als Ökonomie der reellen Subsumtion des Arbeitsprozesses<br />
unter den Verwertungsprozeß eine vom Prinzip der Marktökonomie<br />
unabhängige <strong>und</strong> selbständige Einflußgröße, die zum dominierenden<br />
Strukturprinzip des Produktionsprozesses aufgerückt ist.<br />
Demgegenüber kann jedoch festgehalten werden, daß hinter den Zwängen<br />
zur zeitlichen Optimierung des Einsatzes der verschiedenen Produktionsfaktoren<br />
der Zwang steht, den in den produzierten Waren enthaltenen<br />
Wert (inkl. des Mehrwerts) auf Absatzmärkten zu realisieren. Und dieser<br />
Realisierungszwang macht sich innerhalb des Produktionsprozesses als<br />
Ökonomisierungs- oder, wenn man so will, als Zeitdruck geltend. Folglich<br />
kann man nicht von einer eigenständigen Logik des Produktionsprozesses<br />
unter den Bedingungen kapitalistischer Warenproduktion ausgehen. Die<br />
potentiell divergierenden Erfordernisse in puncto Ökonomisierung <strong>und</strong><br />
Marktreagibilität, die im historischen Verlauf in durchaus unterschiedlicher<br />
Relation zueinander stehen können, verdanken sich somit nicht unterschiedlichen<br />
Gesetzmäßigkeiten, sondern gehen beide zurück auf den in<br />
kapitalistischen Ökonomien konstitutiven Zwang zur Verwertung des in<br />
Produktionsmitteln <strong>und</strong> Arbeitskraft verauslagten Werts. Im übrigen kann<br />
man festhalten, daß Sohn-Rethel (1970, S. 179) in seiner Konstruktion des<br />
Widerspruchs zwischen Markt- <strong>und</strong> Zeitökonomie <strong>und</strong> bei der Begründung<br />
seiner These einer systemsprengenden Dominanz der Zeit- über die<br />
Marktökonomie "übersehen" hatte, daß diese sich im Rahmen der Marxschen<br />
Theorie, auf die er sich berief, nur schwer verorten lassen. Marx<br />
hatte nämlich die These, daß sich "schließlich alle Ökonomie in Ökonomie<br />
der Zeit auflöst", unter der Bedingung formuliert, daß "gemeinschaftliche<br />
Produktion vorausgesetzt" werden könne (vgl. Marx 1953, S. 89).<br />
Nach unserem Eindruck dienen die Konzepte Zeit- <strong>und</strong> Marktökonomie<br />
in neueren Arbeiten des Instituts für Sozialforschung nicht mehr zur<br />
Kennzeichnung unterschiedlicher Vergesellschaftungsprinzipien, sondern -<br />
gesellschaftstheoretisch weniger anspruchsvoll - nur noch zur Benennung<br />
des Gegensatzes unterschiedlicher Anforderungskomplexe an die Unternehmen<br />
(Benz-Overhage u.a. 1982; Kündig 1984). Damit geht eine Abkehr<br />
von Vorstellungen einher, die der Zeitökonomie eine Dominanz über die<br />
Marktökonomie zuschreiben (Abb. 2.1). Produktionsökonomische Anforderungen,<br />
die sich auf die betriebliche Kostenstruktur <strong>und</strong> dabei insbesondere<br />
auf die kosten- <strong>und</strong> zeitminimierende Integration von Teilbereichen<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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<strong>und</strong> Teilprozessen des Produktionsablaufs beziehen, behielten zwar ihre<br />
Bedeutung. Die marktökonomischen Erfordernisse, bei denen es sich im<br />
wesentlichen um die Flexibilität <strong>und</strong> Anpassungsfähigkeit der Fertigungsprozesse<br />
an Veränderungen auf den Absatzmärkten handelt, gewännen<br />
demgegenüber jedoch an Gewicht.<br />
In den Versuchen, die Kategorien Markt- <strong>und</strong> Zeitökonomie, verstanden<br />
als widersprüchliche Anforderungskomplexe, mit der sogenannten Fordismus-Diskussion<br />
(vgl. Hirsch, Roth 1986) in Verbindung zu bringen,<br />
deutet sich das Bestreben an, mit ihrer Hilfe zur Beschreibung <strong>und</strong> Analyse<br />
historischer Entwicklungslinien kapitalistischer Gesellschaften beizutragen<br />
(Bieber, Brandt, Möll 1987). Demnach wäre der Fordismus, als ein<br />
auf Massenproduktion <strong>und</strong> Massenkonsum beruhendes Akkumulationsregime,<br />
durch die Dominanz der Prinzipien der Zeitökonomie gegenüber<br />
denen der Marktökonomie charakterisiert. Die auf den Fordismus folgende<br />
Formation, das neo- oder auch post-fordistische Akkumulationsregime,<br />
würde im Unterschied dazu durch die "Revitalisierung" der Marktgegenüber<br />
der Zeitökonomie geprägt sein. Für die Unternehmen impliziere<br />
diese Verschiebung den erhöhten Zwang zur Flexibilisierung ihres<br />
Produktionsapparates bei gleichzeitiger Nutzung von Produktivitätspotentialen,<br />
wie sie die zeitökonomische Strukturierung des Produktionsprozesses<br />
ermögliche. Die Erfüllung dieser gegensätzlichen Anforderungen<br />
werde durch die Fortschritte im Bereich neuer Informations-, Steuerungs<strong>und</strong><br />
Organisationstechnologien maßgeblich begünstigt.<br />
Der mit dieser These umschriebene Sachverhalt wird von den Ergebnissen<br />
neuerer industriesoziologischer Arbeiten bestätigt (vgl. Kern, Schumann<br />
1984; Altmann u.a. 1986). Es besteht offenbar Konsens darüber, daß neben<br />
dem "verschärften Wettbewerb um verbleibende Marktanteile, der zu<br />
einem härteren Konkurrenzkampf auf der Preisebene führt", die "flexible<br />
Reaktion <strong>und</strong> Anpassung an komplexere <strong>und</strong> ständig wechselnde<br />
Marktanforderungen" zu den zentralen Herausforderungen an die Unternehmen<br />
gehört (Sauer 1988, S. 333). Zwar seien Ökonomisierungs- <strong>und</strong><br />
Flexibilisierungsanforderungen schon immer, wenn auch in von Branche<br />
zu Branche <strong>und</strong> von Produkt zu Produkt unterschiedlicher Intensität, eine<br />
wesentliche Kontextbedingung von Unternehmensstrategien gewesen. Die<br />
gegenwärtige Situation zeichne sich jedoch durch die Intensivierung <strong>und</strong><br />
das simultane Auftreten dieser Erfordernisse aus.<br />
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Die Flexibilisierungsanforderungen lassen sich danach unterscheiden, ob<br />
sie quantitativer oder qualitativer Art sind. Während es bei quantitativer<br />
Flexibilität um die Anpassung der Produktionsmenge an die Schwankungen<br />
der Nachfrage geht, sehen sich die Unternehmen im Hinblick auf<br />
qualitative Flexibilität einem ganzen Katalog von Anforderungen gegenüber.<br />
Gefordert werden von ihnen u.a. folgende Fähigkeiten (vgl. ebd.;<br />
Schumann 1986):<br />
Ausweitung der Produktpalette,<br />
Erhöhung der Variantenvielfalt,<br />
Verkürzung von Innovationszyklen,<br />
Steigerung der Qualität,<br />
Berücksichtigung differenzierter K<strong>und</strong>enwünsche.<br />
Es kennzeichnet die industriesoziologische Forschung, daß sie den Konsequenzen<br />
dieser Anforderungen bevorzugt auf der Ebene des unmittelbaren<br />
Produktionsprozesses nachgeht. Dabei verweisen einige der aufgeführten<br />
Erfordernisse darauf, daß ihre Bewältigung keineswegs zu den primären<br />
oder alleinigen Aufgaben des Fertigungsbereichs gehört. Die Rede ist<br />
hier von den Aktivitäten, mit denen Unternehmen befaßt sind, für die die<br />
Fähigkeit zur wissenschaftlich induzierten Innovation von Produkten <strong>und</strong><br />
Fertigungsverfahren zu einer unverzichtbaren Erfolgsbedingung geworden<br />
ist. Wenn die Verfügung über theoretisches Wissen <strong>und</strong> die Erzeugung<br />
<strong>und</strong> Kontrolle der wissenschaftlich-technischen Entwicklung zu zentralen<br />
Größen sowohl in der Zielhierarchie von Unternehmen als auch im Unternehmenswettbewerb<br />
avancieren, gerät ein Bereich ins Blickfeld, der von<br />
der Industriesoziologie normalerweise ausgeblendet wird: die Durchführung<br />
von wissenschaftlich-technologischen Innovationsvorhaben in Industrieunternehmen.<br />
3<br />
Es war Gerhard Brandt, der Mitte der 80er Jahre innerhalb der Industriesoziologie<br />
die Auffassung vertreten <strong>und</strong> einen Gutteil zu ihrer Durchset-<br />
3 Zu den wenigen Ausnahmen gehören die Arbeiten von Hack (Hack, Hack 1985;<br />
Hack 1988) <strong>und</strong> Rammert (1988).<br />
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zung beigetragen hat, angesichts veränderter Verwertungsbedingungen<br />
käme der <strong>Technikentwicklung</strong> nicht länger die Rolle einer letztlich eben<br />
doch exogenen, weil jeweils gegebenen Größe zu, sondern es komme vielmehr<br />
darauf an, sie als Handlungsparameter unternehmerischer Strategien<br />
zu fassen. Bis es dazu kam, war ein sehr weiter Weg zurückzulegen,<br />
der im folgenden in Umrissen nachgezeichnet werden soll. 4<br />
2.2 Zur Entwicklung des "Theorems der reellen Subsumtion" bei<br />
Gerhard Brandt<br />
Gerhard Brandt eröffnete im September 1985 seinen Beitrag zur Horkheimer-Konferenz<br />
mit den Sätzen:<br />
"Der Fall, um den es geht, scheint, so wie die Dinge liegen, abgeschlossen<br />
<strong>und</strong> entschieden zu sein. Und auch der Anlaß dieser Konferenz sollte nicht<br />
davon abhalten, sich das abschließende Urteil einzugestehen. Das mit dem<br />
Namen Max Horkheimer <strong>und</strong> dem des Instituts für Sozialforschung verb<strong>und</strong>ene<br />
Projekt einer materialistischen Gesellschaftstheorie muß als gescheitert<br />
gelten" (Brandt 1986a, S. 279).<br />
Er wußte zu diesem Zeitpunkt, daß das Projekt einer Theorie der reellen<br />
Subsumtion, das auch mit seinem Namen verb<strong>und</strong>en war, in den Augen<br />
vieler Sozialwissenschaftler ebenfalls als gescheitert galt - <strong>und</strong> er wußte<br />
dies nicht erst seit 1985. Nichtsdestotrotz hat Brandt in diesem Beitrag den<br />
Horkheimer der "Notizen" (Horkheimer 1974) zum Kronzeugen einer<br />
"subsumtionstheoretischen Fassung der Kritik der Politischen Ökonomie"<br />
gemacht. Hielt er also weiterhin an der Notwendigkeit einer Subsumtionstheorie<br />
fest, so ließen ihn doch zahlreiche kritische Einwände nicht unbeeindruckt.<br />
Zwar können wir im folgenden diese Einwände nicht umfassend<br />
würdigen, möchten aber dennoch den Versuch wagen, die Überlegungen<br />
zu rekonstruieren, die Brandt zum Anlaß nahm, von traditionellen Fas-<br />
4 Das folgende Kapitel beruht weitgehend auf einem Vortrag, den wir auf dem<br />
"Symposium für Gerhard Brandt" im Juli 1988 vorgetragen haben. Ziel dieser<br />
Veranstaltung war es, sich aus Sicht verschiedener Autoren mit der "Entwicklungsdynamik<br />
des modernen Kapitalismus" (so der Titel) <strong>und</strong> den Leistungen<br />
<strong>und</strong> Defiziten des Subsumtionsansatzes auseinanderzusetzen. Die Beiträge dieser<br />
Veranstaltung wurden von Wilhelm Schumm herausgegeben (Schumm<br />
1989).<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
sungen des Subsumtionstheorems Abstand zu nehmen. Soweit wir sehen,<br />
beziehen sich seine Versuche einer neuerlichen Revision auf (1) den Status<br />
des Subsumtionstheorems selbst, (2) die mit ihm verb<strong>und</strong>ene Fixierung<br />
auf materielle Produktionsprozesse <strong>und</strong> (3) die Annahme einer mehr oder<br />
weniger bruchlosen Durchsetzung der kapitalistischen Entwicklungslogik.<br />
Die Probleme des Subsumtionstheorems führten ihn u.a. zu einer Auseinandersetzung<br />
mit der "labour process debate", der Regulationsschule <strong>und</strong><br />
der Organisationsforschung. Die Beschäftigung mit diesen sehr disparaten<br />
Strängen der Theoriebildung erbrachte zwar keine Lösung für eines der<br />
Hauptprobleme der Subsumtionstheorie - die Vermittlung zwischen Theorie<br />
<strong>und</strong> Empirie -, resultierte aber in der Entwicklung von Fragestellungen,<br />
die bislang in der industriesoziologischen Diskussion weitgehend vernachlässigt<br />
werden.<br />
Das am Frankfurter Institut für Sozialforschung unter maßgeblicher Mitwirkung<br />
von Brandt entwickelte "Theorem der reellen Subsumtion der Arbeit<br />
unter das Kapital", meist kurz "Subsumtionstheorem" genannt, hat<br />
weit über den engen Kreis der Mitarbeiter des Instituts hinaus industriesoziologische<br />
Forschung in der B<strong>und</strong>esrepublik beeinflußt. Dieser Ansatz,<br />
der unmittelbar <strong>und</strong> mittelbar ("Markt- <strong>und</strong> Produktionsökonomie" (Sohn-<br />
Rethel)) an zentrale Kategorien der Kritik der Politischen Ökonomie anknüpft,<br />
erfreute sich unter Industriesoziologen <strong>und</strong> Gesellschaftstheoretikern<br />
bis in die 80er Jahre hinein großer Reputation. Insbesondere die Begriffe<br />
der "Markt- <strong>und</strong> Produktionsökonomie" haben Eingang in viele industriesoziologische<br />
Studien gef<strong>und</strong>en (vgl. Altmann u.a. 1982; Sauer 1983,<br />
S. 66; Kern, Schumann 1984, S. 20), auch wenn damit keine Übernahme<br />
des theoretischen Bezugsrahmens "der Frankfurter" verb<strong>und</strong>en war (vgl.<br />
Kern 1982; Altmann u.a. 1982, S. 311; etwas skeptischer Lutz, Hirsch-<br />
Kreinsen 1987, S. 160).<br />
Dennoch war das Theorem der reellen Subsumtion der Arbeit unter das<br />
Kapital stets Gegenstand lebhafter Diskussionen. Es gehörte vor allem<br />
durch die Leistungslohnstudie (Schmiede, Schudlich 1976) <strong>und</strong> die sog.<br />
"Computerstudien" (Brandt u.a. 1978; Benz-Overhage u.a. 1982) für einige<br />
Zeit zum mainstream industriesoziologischer Theoriebildung <strong>und</strong> Forschung.<br />
Inzwischen haben die Auseinandersetzungen um das Subsumtionstheorem<br />
- entgegen der Wahrnehmung Rammerts (1988, S. 30) - jedoch<br />
eher den Charakter von Nachhutgefechten. Zutreffend ist wohl die Einschätzung<br />
Malschs, daß die Thesen, die im Anschluß an das Subsumtions-<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
theorem entwickelt wurden, "sich auf dem Rückzug befinden oder in einen<br />
Gärungsprozeß übergegangen sind, der noch andauert" (Malsch 1987a, S.<br />
78). Warum das Subsumtionstheorem in der soziologischen Diskussion<br />
heute eine eher randständige Position einnimmt, kann in diesem Kontext<br />
nicht eingehend erörtert werden. Es scheint jedoch nicht abwegig, einen<br />
gewissen Trendbruch im politischen Bewußtsein (nicht nur) der Sozialwissenschaftler<br />
zu konstatieren (vgl. Brandt 1983). Neben diesem Umschwung<br />
im "Überbau" sind es jedoch vor allem Strukturveränderungen<br />
auf der Ebene der gesellschaftlichen Produktion <strong>und</strong> Reproduktion, die<br />
zentrale Annahmen des Theorems der reellen Subsumtion in Frage stellen<br />
<strong>und</strong> zu einem teilweisen Umbau seines "Paradigmakerns" zwingen.<br />
Bevor wir jedoch die Entwicklung rekonstruieren, die Brandt ein solches<br />
Anliegen immer dringender erscheinen ließ, sind zunächst einige Stärken<br />
des Subsumtionstheorems zu benennen.<br />
In der "labour process debate" (vgl. Thompson 1983; Hildebrandt, Seltz<br />
1987; Knights, Willmott 1990) <strong>und</strong> in der westdeutschen Industriesoziologie<br />
ist unumstritten, daß Harry Braverman (1974/1977) das Verdienst zukommt,<br />
den "unmittelbaren Arbeitsprozeß", der innerhalb der materialistischen<br />
Theorie seit Marx' "Kapital" kaum noch eine Rolle gespielt hatte,<br />
erneut in das Zentrum der marxistischen Diskussion gerückt zu haben.<br />
Damit konnten auf der Ebene der gesellschaftlichen Arbeit, die noch immer<br />
die Basis der Reproduktion kapitalistischer Gesellschaften darstellt<br />
<strong>und</strong> eine weit über den Produktionsprozeß hinausweisende Bedeutung hat<br />
(Baethge, Kern, Schumann 1988), gesellschaftliche Formbestimmungen<br />
dingfest gemacht werden. Dagegen hatte die b<strong>und</strong>esrepublikanische Industriesoziologie<br />
in den 50er <strong>und</strong> 60er Jahren den Arbeitsprozeß <strong>und</strong> sogar<br />
das Arbeiterbewußtsein gründlich analysiert, beide aber als vor allem<br />
durch die technische Entwicklung bestimmt begriffen. Hoffnungen <strong>und</strong> Befürchtungen<br />
hinsichtlich der Entwicklung des Arbeitsprozesses resultierten<br />
somit aus Spekulationen über den weiteren, gesellschaftlich "exogen" begründeten<br />
Gang des technischen Fortschritts.<br />
Die erste Computerstudie (Brandt u.a. 1978) <strong>und</strong> die Leistungslohnstudie<br />
(Schmiede, Schudlich 1976) stellen innerhalb der westdeutschen Industriesoziologie<br />
erste Versuche dar, den Arbeitsprozeß daraufhin zu befragen,<br />
inwiefern sich hier spezifische gesellschaftliche Formbestimmungen geltend<br />
machen, also an ihm selbst nachzuweisen, daß er als Verwertungspro-<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
zeß organisiert ist. Diese Leistung ist um so höher einzuschätzen, als das<br />
Werk Sohn-Rethels, das für die Frankfurter Subsumtionstheorie die Folie<br />
der Argumentation bildete, sich auf den Arbeitsprozeß eher unter dem<br />
Gesichtspunkt einer Denkformenanalyse einläßt. Braverman hätte sich<br />
also eher als Gewährsmann der Subsumtionstheorie angeboten als Sohn-<br />
Rethel, denn dieser mußte erst "vom Kopf auf die Füße gestellt" werden,<br />
wobei er, wie aus der englischen Neuausgabe von "Intellectual and Manual<br />
Labour" (Sohn-Rethel 1978) ersichtlich, durchaus mitgeholfen hat. Und<br />
eben darin ist ein weiteres Verdienst der Vertreter der Subsumtionstheorie<br />
zu sehen: Sie haben zu einer Zeit, da andere, woran sie heute ungern<br />
erinnert werden, noch eine gewisse Revolutionssemantik pflegten, den in<br />
der marxistischen Diskussion virulenten Hoffnungen auf eine letztlich<br />
durch die Logik der Produktivkraftentwicklung induzierte Umwälzung der<br />
kapitalistischen Produktionsverhältnisse die Gr<strong>und</strong>lage entzogen. Allerdings,<br />
so muß man zugeben, sind sie als Kritiker eines "revolutionstheoretischen<br />
Überschusses" in der Marxschen Theorie regelmäßig bei einer "negativen<br />
Revolutionstheorie" gelandet, die ex ante die Vergeblichkeit<br />
emanzipatorischer Anstrengungen aus den Strukturbedingungen kapitalistischer<br />
Verwertung deduziert (vgl. Brandt, Papadimitriou 1990, S. 208 f.; 5<br />
Breuer 1977).<br />
Hatte Sohn-Rethel, <strong>und</strong> mit ihm unzählige andere, noch geglaubt, die<br />
stofflichen Bedingungen des Produktionsprozesses widersprächen seiner<br />
Natur als Verwertungsprozeß, ja wären mit diesem unverträglich, argumentieren<br />
"die Frankfurter" genau umgekehrt. Sie insistieren darauf, daß<br />
der Arbeitsprozeß, wenn nicht die kapitalistische Gesellschaft als solche,<br />
den Imperativen der Kapitalverwertung subsumiert sei. Damit ist nun keineswegs,<br />
wie immer wieder unterstellt wurde, eine bruchlose <strong>und</strong> totale<br />
Subsumtion aller sozialen Tatbestände unter das Kapital postuliert worden<br />
- auch wenn die Logik der Argumentation einen solchen Schluß mitunter<br />
nahelegt. Zwar kann hier nicht im einzelnen auf die Revisionen des Subsumtionstheorems<br />
eingegangen werden (vgl. hierzu Brandt 1981), es soll<br />
aber gezeigt werden, wie Brandt sich gegen derlei totalisierende <strong>und</strong> gera-<br />
5 Die Beiträge der Kolloquienreihe "Industriesoziologischer Technikbegriff' sind<br />
leider nie publiziert worden. Zitiert wird deshalb die von Brandt <strong>und</strong> Papadimitriou<br />
überarbeitete Fassung in Brandt 1990, S. 189 ff., die sich in mehreren<br />
Punkten von der als grauer Literatur zirkulierenden Fassung unterscheidet.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
dezu apokalyptische Interpretationen der gesellschaftlichen Entwicklung<br />
abzusichern gedachte.<br />
Damit sind wir bereits bei der Kritik, die am Subsumtionstheorem geübt<br />
wurde. Diese bezieht sich sowohl auf theoretische wie auf empirische<br />
Aspekte. Als theoretisch unausgereift gelten beispielsweise der Begriff abstrakter<br />
Arbeit <strong>und</strong> das daraus abgeleitete Konzept der "Abstraktifizierung".<br />
Diese, so wird behauptet, könnten den Ambivalenzen der realen<br />
Entwicklung des Arbeitsprozesses nicht gerecht werden. Empirisch-methodische<br />
Kritik bezieht sich im wesentlichen auf die Frage, ob handfeste<br />
empirische Forschung durch das Subsumtionstheorem überhaupt sinnvoll<br />
angeleitet werden könne. War zunächst eher die Einschätzung vorherrschend,<br />
daß die empirischen Ergebnisse in mehr oder weniger verkürzter<br />
Weise aus den theoretischen Vorklärungen abgeleitet wurden - mitunter<br />
stand der Vorwurf mangelnder Neugier im Raum -, so wird in jüngster<br />
Zeit sogar ein Widerspruch zwischen theoretischen Vorannahmen <strong>und</strong><br />
empirischen Resultaten postuliert (Bergmann u.a. 1986, S. 30).<br />
Von den Frankfurter Vertretern des Subsumtionstheorems wurde der<br />
Vorwurf einer problematischen Ineinssetzung von theoretischen Annahmen<br />
<strong>und</strong> vordergründigen empirischen Evidenzen im Gr<strong>und</strong>e frühzeitig<br />
akzeptiert, ohne daß jedoch dieser Einsicht entscheidende Konsequenzen<br />
auf theoretischer Ebene gefolgt wären. Dennoch blieben die empirischen<br />
Bef<strong>und</strong>e der Leistungslohnstudie <strong>und</strong> der beiden Computerstudien mindestens<br />
bis zum Erscheinen der radikale Trendbrüche postulierenden Analysen<br />
von Piore <strong>und</strong> Sabel sowie Kern <strong>und</strong> Schumann im Rahmen des mainstreams<br />
industriesoziologischer Forschung, wenn sie diesen nicht mitbestimmten.<br />
Die These eines zunehmenden Bedeutungsverlustes menschlicher<br />
Arbeit im Produktionsprozeß, die These der zunehmenden zeitökonomischen<br />
Durchstrukturierung der Produktion <strong>und</strong> die These einer zunehmenden<br />
Abstraktifizierung der Arbeit konnten zu Zeiten der "fordistischen<br />
Rationalisierung" offensichtlich ausreichende empirische Evidenz<br />
mobilisieren, um nicht gleich als vollkommen fehlgeleitet angesehen werden<br />
zu müssen. Solange sich jedenfalls eine Vielzahl von empirischen Phänomenen<br />
mittels subsumtionstheoretischer Vorannahmen schlüssig interpretieren<br />
ließ, bestand kein Gr<strong>und</strong>, das Theorem der reellen Subsumtion<br />
in seiner traditionellen Form gr<strong>und</strong>legend in Frage zu stellen: Zunächst<br />
stand eher eine Ausweitung seines Geltungsanspruchs auf den Bereich der<br />
Wissenschaft <strong>und</strong> der Technik auf der Tagesordnung.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
Bevor nun näher darauf eingegangen wird, soll hier, wiederum sehr verkürzt,<br />
eine Richtung der Theoriebildung <strong>und</strong> Forschung diskutiert werden,<br />
die in den Augen Gerhard Brandts <strong>und</strong> vieler anderer Autoren für die<br />
Entwicklung des Subsumtionstheorems von erheblicher Bedeutung ist.<br />
Die im angelsächsischen Sprachraum im Anschluß an Braverman (1974)<br />
geführte "labour process debate" mußte bei den Vertretern des Subsumtionstheorems<br />
für eine produktive Verunsicherung sorgen. Schließlich hatte,<br />
so die allgemein geteilte Einschätzung (vgl. Littler 1982, S. 26; Coombs<br />
1985, S. 187), Braverman auf den Begriff der "real Subordination of labour<br />
<strong>und</strong>er capital" nur verzichtet, weil die englische Übersetzung der Marxschen<br />
"Resultate des unmittelbaren Produktionsprozesses" noch nicht vorgelegen<br />
hatte. Da sich die Vertreter des Subsumtionstheorems mittlerweile<br />
auf Braverman berufen (Benz-Overhage u.a. 1982, S. 85; Schmiede,<br />
von Greiff 1985), lassen sich die in der Kritik an diesem Autor entwickelten<br />
Gegenpositionen cum grano salis auch auf das Subsumtionstheorem<br />
<strong>und</strong> die aus ihm abgeleiteten Aussagen zur Entwicklung des Arbeitsprozesses<br />
beziehen. Dies wollen wir nun in der gebotenen Knappheit tun, uns<br />
dabei allerdings nicht auf den Fortgang der "labour process debate" konzentrieren<br />
(vgl. dazu Littler 1987; Wood 1986; Lappe 1986), sondern uns<br />
ausschließlich auf die für Brandt exemplarische Bedeutung dieser Diskussion<br />
beschränken. An ihr nämlich wollte er zeigen, "wie man sich eine offene,<br />
eine nichtfestgelegte materialistische Industriesoziologie vorzustellen<br />
hat" (Brandt 1984, S.211).<br />
Mit Littler (1982) <strong>und</strong> Burawoy (1978; 1979) argumentiert Brandt, daß die<br />
Stärke der auf den Arbeitsprozeß konzentrierten Analysen Bravermans<br />
durch eine "Abstraktion von allen weiteren Bezügen ökonomischer, politischer<br />
<strong>und</strong> ideologischer Art erkauft" sei (Brandt 1984, S. 211), womit<br />
sowohl die Subjektivität der unmittelbaren Produzenten als auch das darin<br />
angelegte, wenn auch vielfach weitgehend ohnmächtige Widerstandspotential<br />
aus der Analyse kategorial ausgeblendet werde. Auch die von Braverman<br />
behauptete Entwicklung einer sich stetig verstärkenden Trennung von<br />
Disposition <strong>und</strong> Ausführung im Arbeitsprozeß <strong>und</strong> die Abstraktion von<br />
"inneren Widersprüchen <strong>und</strong> Grenzen der vom Management verfolgten<br />
Kontrollstrategien" (ebd.) wird von Brandt hier sehr kritisch beurteilt. So<br />
bezog er in der Auseinandersetzung mit den Arbeiten der "labour process<br />
debate" den gegen Braverman gewandten Vorwurf des "impliziten Funktionalismus"<br />
(Littler 1982) auf die traditionellen Versionen des Subsumti-<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
onstheorems zurück. Dieser besteht im Paradox, einerseits eine unversöhnliche<br />
Widerspenstigkeit des Lohnarbeiters gegen die Autorität des<br />
Kapitals anzunehmen, andererseits aber den Klassenkonflikt auf der<br />
Ebene des Arbeitsprozesses weitgehend zu vernachlässigen oder diesen,<br />
wo er doch ins Blickfeld gerät, stets als zugunsten des Kapitals vorentschieden<br />
anzusehen (vgl. ebd., S. 27 f.). Zudem hat die "labour process debate"<br />
gezeigt, daß die Reorganisation des Arbeitsprozesses nicht allein als<br />
Resultat bewußt betriebener Strategien der Unternehmensleitungen, sondern<br />
auch als Resultat von Auseinandersetzungen verschiedener Gruppen<br />
im Unternehmen zu verstehen ist. Dieser Bef<strong>und</strong> kann wiederum gegen<br />
Braverman <strong>und</strong> damit gegen vereinfachende Versionen des Subsumtionstheorems<br />
gewandt werden. Ist die Vorstellung einer nahezu unumschränkten<br />
Herrschaft des Kapitals im Unternehmen hinfällig, so kommt den Bemühungen<br />
um eine Sicherung der Leistungs- <strong>und</strong> Kooperationsbereitschaft<br />
naturgemäß eine höhere Aufmerksamkeit zu (vgl. Burawoy 1979).<br />
Wichtig ist, daß Brandt mit der Aufnahme zentraler Momente der "labour<br />
process debate" Ebenen der Analyse erschließt, die (nicht nur) in Frankfurt<br />
bis dahin aus industriesoziologischen Analysen weitgehend ausgeblendet<br />
blieben: die Dialektik von Anpassung <strong>und</strong> Widerstand, von Kontrolle<br />
<strong>und</strong> Konsens. Damit scheint er von der dem Frankfurter Subsumtionstheorem<br />
innewohnenden "Logik der Vollendung" abzurücken.<br />
Das wird auch dort deutlich, wo Brandt (1983) eine "Metaphysik der reellen<br />
Subsumtion" kritisiert, die diejenigen Friktionen <strong>und</strong> Widersprüche<br />
vernachlässige, die bei der Integration der heterogenen stofflichen Voraussetzungen<br />
in den kapitalistischen Produktionsprozeß notwendigerweise<br />
auftreten. Diese "Metaphysik der reellen Subsumtion" zeichne sich dadurch<br />
aus, daß sie, ohne sich hinreichend der Gefahr empirischer Widerlegung<br />
auszusetzen, zu schnell <strong>und</strong> unter Vernachlässigung "entgegenwirkender<br />
Ursachen" von der Entwicklungslogik kapitalistischer Gesellschaften<br />
auf deren tatsächliche Entwicklungsdynamik schließen zu können<br />
glaube. Aus einer durchaus sinnvollen Arbeitshypothese bzw. einer idealtypischen<br />
Konstruktion werde so leicht eine apriorische Gewißheit, die<br />
empirische Forschung letztlich überflüssig mache. Mag man auch in den<br />
Publikationen der Frankfurter Industriesoziologen genügend Belege für<br />
derlei vereinfachende Interpretationen finden, so läßt sich doch bei Brandt<br />
selbst recht früh eine Distanzierung von der Vorstellung einer eindimensionalen<br />
<strong>und</strong> unilinearen Entwicklungslogik feststellen, die zu Recht von<br />
vielen Kritikern des Subsumtionstheorems immer wieder moniert wurde.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
So hat er beispielsweise durchaus nicht nur Stefan Breuer <strong>und</strong> Klaus-<br />
Dieter Oetzel im Auge, wenn er festhält, daß "die Frankfurter nicht immer<br />
der ihnen angestammten Neigung widerstanden (haben), sich eine totalisierte<br />
<strong>und</strong> apokalyptische Version der Subsumtionstheorie zu eigen zu<br />
machen, <strong>und</strong> die reelle Subsumtion der Arbeit unter das Kapital als einen<br />
stetig fortschreitenden <strong>und</strong> sich vollendenden Prozeß zu begreifen"<br />
(Brandt 1984, S. 201).<br />
Bei den Versuchen der Modifikation <strong>und</strong> Präzisierung subsumtionstheoretischer<br />
Annahmen standen nach unserer Auffassung vor allem zwei<br />
Aspekte im Vordergr<strong>und</strong>: Zum einen wurden die Aussagen zum Verhältnis<br />
von Markt- <strong>und</strong> Zeitökonomie mehrfach reformuliert, zum anderen<br />
sind erhebliche Anstrengungen unternommen worden, einen Begriff von<br />
"Technik" zu entwickeln, der sozialwissenschaftlichen Ansprüchen genügt.<br />
Auf den ersten Aspekt wurde bereits eingegangen (s. Abschnitt 2.1; vgl.<br />
auch Brandt 1981, S. 40 ff.). An dieser Stelle sollen nun die Brandtschen<br />
Überlegungen zur Entwicklung eines Technikbegriffs rekonstruiert werden,<br />
die für den Fortgang seiner theoretischen Arbeiten von erheblicher<br />
Bedeutung waren.<br />
Bereits die erste Computerstudie (Brandt u.a. 1978, S. 46 ff.) hatte versucht,<br />
einen materialistischen Technikbegriff zu entwickeln, der es erlaubt,<br />
Technik als gesellschaftlich-historisches Projekt <strong>und</strong> nicht als gesellschaftsneutralen<br />
Sachverhalt zu erfassen, d.h. als gesellschaftlich "endogen"<br />
zu thematisieren (vgl. Lutz, Schmidt 1977). Allerdings wird die Analyse<br />
hier noch auf das Verhältnis von Arbeitsorganisation <strong>und</strong> kapitalistischer<br />
Technologie <strong>und</strong> auf die darin angelegten Abstraktionsprozesse zentriert.<br />
Die theoretischen Anstrengungen verbleiben somit zunächst auf der<br />
Ebene der Anwendung der Technologie im Arbeitsprozeß. Indem Brandt<br />
u.a. die EDV-Technologie als Organisationstechnologie bestimmen, postulieren<br />
sie eine technologisch induzierte Aufhebung der überkommenen<br />
Trennung von Technisierung <strong>und</strong> Organisierung als jeweils alternative,<br />
analytisch zu trennende Rationalisierungsstrategien. Durch die Entwicklung<br />
des betrieblichen Informatisierungsprozesses rücke die Organisationstechnologie<br />
zum Steuerungsorgan des produktiven Gesamtarbeiters<br />
auf <strong>und</strong> werde so zum Träger kapitalistischer Vergesellschaftung.<br />
In einem neueren Aufsatz versuchen Brandt <strong>und</strong> Papadimitriou (1983),<br />
den Geltungsanspruch des Subsumtionstheorems über den Bereich der<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
materiellen Arbeit hinaus auszudehnen - <strong>und</strong> damit nicht nur die Anwendung,<br />
sondern auch den Prozeß der Erzeugung wissenschaftlicher Erkenntnisse<br />
<strong>und</strong> neuer Technologien zu thematisieren. Im Anschluß an eine<br />
Defizitanalyse, die den gängigen, instrumentellen Technikbegriff des Marxismus<br />
<strong>und</strong> weiter Teile der westdeutschen Industriesoziologie einer kritischen<br />
Würdigung unterzieht, werden einige Thesen in bezug auf die Entwicklung<br />
von Wissenschaft, Technik <strong>und</strong> menschlicher Arbeit formuliert.<br />
Dabei wird auch das Frankfurter Institut nicht vom Vorwurf der Nutzung<br />
eines "instrumentellen Technikbegriffs" freigesprochen:<br />
"Gemeinsam zu sein scheint diesen Lösungsversuchen bei allen Differenzen<br />
wiederum, daß 'kapitalistische Technik' als kapitalistisch angewandte<br />
Technik verstanden wird, als eine Technik also, die für Zwecke der Kapitalverwertung<br />
instrumentalisiert wird, selbst aber einer von diesen Zwekken<br />
unabhängigen Eigenlogik folgt. Das gilt auch für das Frankfurter Institut,<br />
dessen metaphorischer Sprachgebrauch nicht darüber hinwegtäuschen<br />
kann, daß analytisch auch weiterhin zwischen ökonomischen Zwekken<br />
<strong>und</strong> technischen Mitteln unterschieden wird" (Brandt, Papadimitriou<br />
1983, S. 140).<br />
Die Autoren legen zwar großen Nachdruck darauf, daß kapitalistische Gesellschaften<br />
notwendig auf systemfremde Substratbedingungen rekurrieren<br />
müssen - neben der menschlichen Arbeit auch Wissenschaft <strong>und</strong> Technik;<br />
sie betonen aber zugleich, daß diese einem Prozeß zunehmender reeller<br />
Subsumtion unterworfen seien. Dieser bezieht sich nicht nur auf die Arbeitsbedingungen<br />
der Wissenschaftler, denen allerdings von seiten des<br />
Kapitals notgedrungen eine relative Autonomie zugestanden wird, sondern<br />
auch, sieht man einmal von seinen formativen Phasen ab, auf die<br />
Entwicklung des Wissenschaftssystems selbst. Und auch die Arbeitsbedingungen<br />
der Wissenschaftler <strong>und</strong> Ingenieure unterscheiden sich, so Brandt<br />
<strong>und</strong> Papadimitriou, nur so lange von denen der Arbeiter in der unmittelbaren<br />
Produktion, wie eine durchgängige Algorithmisierbarkeit ihrer Arbeit<br />
nicht möglich ist <strong>und</strong> dadurch ihre vollständige Subsumtion zunächst<br />
verhindert wird. Die Argumentation mündet schließlich in die These ein,<br />
der Prozeß wissenschaftlicher Erkenntnis selbst sei "bis in seine Struktur<br />
hinein der Steuerung durch Verwertungsimperative unterworfen" <strong>und</strong> externe<br />
<strong>und</strong> interne Regulative seien "aufgr<strong>und</strong> der offenen Struktur dieses<br />
Prozesses in unauflöslicher Weise miteinander" verb<strong>und</strong>en. Damit sei die<br />
gängige Unterscheidung von Produktivkräften <strong>und</strong> Produktionsverhältnissen<br />
nicht länger haltbar. Darüber hinaus werde diese durch den Umstand<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
hinfällig, daß die wissenschaftlich-technische Arbeit zunehmend zur Basis<br />
der Kapitalverwertung aufrücke. Technik <strong>und</strong> Wissenschaft, so argumentieren<br />
Brandt <strong>und</strong> Papadimitriou in Anlehnung an eine Formulierung Habermas'<br />
(1968, S. 79 ff.), werden zur ersten "Produktivkraft", was seinen<br />
Ausdruck in Gestalt einer "technischen Wertform" finde, die an die Stelle<br />
der auf abstrakter Arbeit beruhenden Wertform trete. Der Begriff der<br />
"technischen Wertform", der auf Bahr (1973) zurückgeht, sollte für Brandt<br />
vor allem die Funktion haben, an der von vielen Kritikern der Marxschen<br />
Arbeitswertlehre (wie eben z.B. Habermas) vernachlässigten kapitalistischen<br />
Formbestimmtheit von Wissenschaft <strong>und</strong> Kapital festhalten zu können<br />
(vgl. Brandt 1984, S. 213).<br />
Die von Wolfgang Krohn <strong>und</strong> Werner Rammert auf dem Dortm<strong>und</strong>er Soziologentag<br />
1984 vorgetragene Kritik an diesem Aufsatz (Krohn, Rammert<br />
1985) hat Brandt zum Anlaß genommen, in einem Ende des Jahres 1985 in<br />
Bielefeld gehaltenen Vortrag "zum Technikbegriff der materialistischen<br />
Theorietradition" (Brandt 1985) einige Modifikationen des Frankfurter<br />
Theorie- <strong>und</strong> Forschungsprogramms vorzunehmen. Dieser Vortrag beinhaltet<br />
den Versuch, den Entwurf eines materialistischen Begriffs der Technik,<br />
der im Gr<strong>und</strong>e einer Logik der Vollendung folgt, da er den heterogenen<br />
Substratbedingungen kapitalistischer Produktion tendenziell jede Eigenständigkeit<br />
abspreche, "in entscheidenden Punkten zu überdenken <strong>und</strong><br />
zu revidieren" (S. 16). Zunächst gibt Brandt den Kritikern des Subsumtionstheorems<br />
recht, die eine Vernachlässigung politischer <strong>und</strong> sozio-kultureller<br />
Handlungsorientierungen monieren. Auch die von Krohn <strong>und</strong><br />
Rammert (1985) gegen das Subsumtionstheorem erhobenen Einwände, es<br />
handele sich um ein Modell, das (1) "keine systematischen Grenzen" kapitalistischer<br />
Vergesellschaftung kenne, (2) Interdependenzbeziehungen zwischen<br />
Industrie <strong>und</strong> Forschung ausschließlich als Subsumtionsbeziehungen<br />
thematisiere <strong>und</strong> (3) sich "die analytisch relevante Frage (schenke), wie<br />
die Interdependenz zwischen Erkenntnis <strong>und</strong> Ökonomie ohne Leistungsverlust<br />
organisierbar ist" (S. 427), werden von Brandt akzeptiert. Damit<br />
gibt er die den traditionellen Fassungen des Subsumtionstheorems eigene<br />
"Logik der Vollendung", nach der sich im Gr<strong>und</strong>e die Verwertungslogik<br />
ohne ernstzunehmende Brüche durchsetzt, weitgehend auf. Hatten Krohn<br />
<strong>und</strong> Rammert immerhin noch zugestanden, daß das Subsumtionstheorem<br />
in bezug auf den "innerbetrieblichen Anwendungs- <strong>und</strong> Implementationsaspekt<br />
neuer Technologien aufrecht erhalten werden" könne (S. 426), legen<br />
die Überlegungen Brandts zur Entwicklungslogik fortgeschrittener kapita-<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
listischer Gesellschaften die Vermutung nahe, daß er an der theoretischen<br />
Tragfähigkeit traditioneller Fassungen des Subsumtionstheorems <strong>und</strong> ihrer<br />
Ergiebigkeit für empirische Forschung auch für den Bereich zweifelte,<br />
für den es ursprünglich entwickelt worden war, den Bereich der unmittelbaren<br />
Produktion. Hier, wie bereits in dem Aufsatz "Marx <strong>und</strong> die neuere<br />
deutsche Industriesoziologie" (1984) <strong>und</strong>, noch deutlicher, in dem Versuch,<br />
den späten Horkheimer für eine Weiterentwicklung des Subsumtionstheorems<br />
zum Subsumtionsmodell in Anspruch zu nehmen (Brandt<br />
1986a), wird das Subsumtionstheorem von Brandt auf einem Abstraktionsniveau<br />
reformuliert, das die Differenz zwischen allgemeinen (meta-)<br />
theoretischen Annahmen <strong>und</strong> operationalisierbaren, empirischer Forschung<br />
zugänglichen Fragestellungen weiter vergrößert. Somit reduziert<br />
sich das Subsumtionsmodell auf die - freilich f<strong>und</strong>amentale - Feststellung,<br />
daß in kapitalistischen Gesellschaften die Tauschabstraktion konstitutiv<br />
für alle gesellschaftlichen Prozesse sei, also auch die Entwicklung von Wissenschaft<br />
<strong>und</strong> Technik durchdringe. 6<br />
Im "technologischen Kapitalismus"<br />
sei jedoch nicht mehr die abstrakte (materielle) Arbeit, sondern die wissenschaftliche<br />
(immaterielle) Arbeit Gr<strong>und</strong>lage der Tauschabstraktion.<br />
Damit ist die nur scheinbar akademische Frage gestellt, ob die verwissenschaftlichte<br />
Technik anstelle der materiellen Arbeit zum zentralen Substrat<br />
gesellschaftlicher Synthesis wird, die allerdings auch weiterhin die<br />
Form der Tauschabstraktion hat, oder ob sie selbst zur vorherrschenden<br />
Form gesellschaftlicher Synthesis aufrückt <strong>und</strong> damit die Tauschabstraktion<br />
aus ihrer ehemals zentralen Rolle verdrängt.<br />
Fassen wir den bisherigen Gang der Argumentation dieses Abschnitts zusammen.<br />
Die Rekonstruktion des Brandtschen Versuchs, den Geltungsanspruch<br />
des Subsumtionstheorems auszuweiten, hat gezeigt, daß das<br />
zunächst vernachlässigte Problem der Widerspenstigkeit der Substratbedingungen<br />
"Technik" <strong>und</strong> "Wissenschaft" (ihrer autonomen Eigenlogik) zu<br />
einer weitergehenden Revision des Subsumtionsmodells zwingt. Ein nichtinstrumenteller<br />
Begriff der Technik kann sich eben nicht in der Anwendung<br />
der Subsumtionslogik auf einen neuen Bereich erschöpfen, sondern<br />
muß sich auf die dort geltenden Bedingungen, Widerstände <strong>und</strong> Grenzen<br />
6 Damit wird ein Motiv aufgenommen, das Adorno in seinem Eröffnungsvortrag<br />
zum 16. Deutschen Soziologentag in Frankfurt 1968 sehr stark gemacht hatte:<br />
die wechselseitige Vermittlung von Produktivkräften <strong>und</strong> Produktionsverhältnissen<br />
(vgl. Adorno 1969).<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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der Subsumtion einlassen. Die Schlußfolgerungen, die Brandt zunächst nur<br />
anläßlich der Entwicklung eines sozialwissenschaftlichen Technikbegriffs<br />
gezogen hatte, gehen im weiteren Gang seiner theoretischen Reflexionen<br />
weit über diesen Bereich hinaus <strong>und</strong> schlagen auf den ursprünglichen Geltungsbereich<br />
des Subsumtionstheorems zurück. So wird, nimmt man zentrale<br />
Motive der "labour process debate" ernst (vgl. Willmott 1990; Knights<br />
1990; Burawoy 1978), der menschlichen Arbeitskraft als Substratbedingung<br />
kapitalistischer Produktion mehr Autonomie <strong>und</strong> Widerspruchspotential<br />
zugemessen werden müssen, als das traditionelle Versionen des<br />
Subsumtionstheorems taten, wenn sie beispielsweise von einer "fortschreitenden<br />
Überformung aller systemfremden Bedingungen" (Brandt 1981, S.<br />
51) kapitalistischer Produktion sprachen.<br />
Will die Industriesoziologie an der Analyse der gesellschaftlichen Arbeit<br />
festhalten, so der Tenor der Brandtschen Überlegungen, so muß sie darüber<br />
hinaus die traditionelle Fixierung auf den Prozeß der unmittelbaren<br />
Produktion aufgeben (beispielsweise <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong><br />
in die Analyse einbeziehen) <strong>und</strong> zugleich eine abstraktere<br />
Fassung des Theorems der reellen Subsumtion entwickeln (vgl. Neuendorff<br />
1989). Damit stellt sich allerdings das Problem der Vermittlung<br />
abstrakter (meta-)theoretischer Annahmen mit den Notwendigkeiten empirischer<br />
Forschung neu.<br />
Im Zusammenhang mit der Entwicklung eines materialistischen Technikbegriffs<br />
steht der Versuch Brandts, innerhalb der marxistischen Theorie<br />
<strong>und</strong> der westdeutschen Industriesoziologie zwischen einer am Produktionsmodell<br />
<strong>und</strong> einer am Subsumtionsmodell orientierten Lesart der Kritik<br />
der Politischen Ökonomie zu unterscheiden. Auf einen Nenner gebracht<br />
versteht er unter dem Produktionsmodell eine an der Produktivkraftentwicklung<br />
<strong>und</strong> am Arbeitsbegriff orientierte Lesart der Marxschen Theorie,<br />
während die subsumtionstheoretische Lesart stärker auf abstrakte gesellschaftliche<br />
Formbestimmungen wie die Wertform in ihren historischen<br />
Ausprägungen <strong>und</strong> auf unterschiedliche Vergesellschaftungsmodi abhebt.<br />
Die Implikationen dieses Modells liegen,<br />
"negativ formuliert, zunächst darin, daß die Arbeit aus ihrer gesellschaftskonstituierenden<br />
Rolle herausgelöst <strong>und</strong> nicht mehr als Gr<strong>und</strong> <strong>und</strong> Subjekt<br />
von Vergesellschaftungsprozessen, sondern als deren Moment <strong>und</strong> Produkt<br />
betrachtet wird (ohne daß, was ausdrücklich zu betonen ist, die Be-<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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deutung der Arbeit für die Reproduktion kapitalistischer Gesellschaften in<br />
Frage gestellt würde)" (Brandt 1984, S. 209).<br />
Mit diesen Überlegungen setzt sich Brandt von Fassungen des Subsumtionstheorems<br />
ab, die, indem sie von allen Kontextbedingungen kapitalistischer<br />
Entwicklung abstrahieren, von einer unilinearen Durchsetzung der<br />
Kapitalverwertungslogik in der gesellschaftlichen Wirklichkeit ausgingen.<br />
Es sei im Gegenteil zu berücksichtigen, daß die Entwicklungsdynamik des<br />
Kapitalismus in Abhängigkeit von historisch <strong>und</strong> national spezifischen Bedingungen<br />
nachhaltig geprägt werde, <strong>und</strong><br />
"die in Abhängigkeit von diesen Bedingungen eingeschlagenen Entwicklungspfade<br />
einen außerordentlich verschiedenartigen Verlauf nehmen"<br />
(Brandt, Papadimitriou 1983, S. 16).<br />
Damit, so eine Formulierung Brandts anläßlich der Horkheimer Konferenz,<br />
eröffnet eine subsumtionstheoretische Fassung der Kritik der Politischen<br />
Ökonomie, in<br />
"Abgrenzung von der marxistischen Tradition <strong>und</strong> in Anlehnung an eher<br />
latente Motive auch des Marxschen Spätwerks Einsicht(en) in die Mechanismen,<br />
die durch Krisen <strong>und</strong> Widersprüche hindurch die Reproduktion<br />
des gegenwärtigen Kapitalismus ermöglichen" (Brandt 1986a, S. 291).<br />
Eine derart "geläuterte" Fassung des Subsumtionstheorems, die eine vorschnelle<br />
Ineinssetzung von Entwicklungslogik <strong>und</strong> Entwicklungsdynamik<br />
kapitalistischer Gesellschaften vermeidet, führte Brandt zur intensiven Beschäftigung<br />
mit den Arbeiten der sogenannten Regulationsschule. Deren<br />
Stellenwert wird vor allem dort deutlich, wo sich Brandt mit Arbeiten auseinandersetzte,<br />
die vermeintliche Gewißheiten über die historischen Entwicklungslinien<br />
<strong>und</strong> absehbaren Tendenzen der kapitalistischen Organisation<br />
von Arbeit in Zweifel zogen.<br />
Das Jahr 1984 hat gute Chancen, als das Jahr der "Paradigmenwechsel" in<br />
die Geschichte der Industriesoziologie einzugehen. Horst Kern <strong>und</strong> Michael<br />
Schumann stellten das "Ende der Arbeitsteilung" <strong>und</strong> eine damit<br />
verb<strong>und</strong>ene Rehabilitation der Industriearbeit in Aussicht (Kern, Schumann<br />
1984), Michael Piore <strong>und</strong> Charles Sabel verkündeten das "Ende der<br />
Massenproduktion" (Piore, Sabel 1984), <strong>und</strong> Burkart Lutz konnte nachweisen,<br />
daß die Entwicklung kapitalistischer Gesellschaften keiner durch-<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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gängigen Logik folgt <strong>und</strong> es sich bei der Vorstellung "immerwährender<br />
Prosperität" lediglich um einen "kurzen Traum" handelt (Lutz 1984). Trotz<br />
starker Vorbehalte gegen die "Botschaft" der beiden ersten Autorenpaare<br />
stellten deren empirische Bef<strong>und</strong>e, vor allem die von Piore <strong>und</strong> Sabel aufgedeckten<br />
Strukturveränderungen des modernen Industriekapitalismus,<br />
für Brandt den Anlaß dar, die Haltbarkeit der von ihm vertretenen Fassung<br />
des Subsumtionstheorems neu zu überdenken (vgl. Brandt 1985;<br />
1986b). 7<br />
Zwar war er wie die genannten Autoren der Auffassung, daß herkömmliche<br />
Formen der Unternehmens-, Betriebs- <strong>und</strong> Arbeitsorganisation,<br />
die auf die strikte Trennung zwischen Planung <strong>und</strong> Ausführung sowie<br />
auf die systematische Nutzung der "economies of scale" ausgerichtet sind,<br />
in Anbetracht der veränderten ökonomischen Rahmenbedingungen zunehmend<br />
unter Druck geraten. Vorrangig klärungsbedürftig war für ihn<br />
jedoch, wie die sich auf den verschiedenen Ebenen der industriellen Sozialstruktur<br />
abzeichnenden Veränderungen, die häufig mit mehr oder weniger<br />
einprägsamen Formeln wie "Deregulierung", "flexible Spezialisierung",<br />
"Reprofessionalisierung" etc. umschrieben werden, wechselseitig zusammenhängen,<br />
worin ihre gesellschaftliche Relevanz besteht, <strong>und</strong> ob diese<br />
Fragen (noch) mit Hilfe von subsumtionstheoretischen Annahmen adäquat<br />
geklärt werden können.<br />
Bei der Beschäftigung mit diesen zentralen Fragen knüpfte Brandt an die<br />
Arbeiten der sogenannten "Regulationsschule" an (vgl. Aglietta 1979; Lipietz<br />
1985; Hirsch 1985; Hirsch, Roth 1986). Obwohl es sicherlich übertrieben<br />
ist, von einer einheitlichen Schule im strengen Sinne zu sprechen,<br />
verbindet die meisten " Regulationisten" der gemeinsame Anspruch, "ein<br />
reduktionistisches Herangehen an die ökonomische Dynamik kapitalistischer<br />
Gesellschaften zu überwinden" (Jessop 1988, S. 380). Sie begreifen<br />
die industriell-kapitalistische Entwicklung als eine durch Krisen <strong>und</strong> Brüche<br />
geprägte, in der historisch je spezifische Formen der Integration gesellschaftlicher<br />
Produktion <strong>und</strong> Konsumtion ("Akkumulationsregime") mit<br />
7 In einer Sammelrezension, die den eine (Industrie-)soziologische Mode vorsichtig<br />
ironisierenden Titel "Vor einem Paradigmenwechsel?" trägt, setzt sich Brandt<br />
gründlich mit Lutz einerseits <strong>und</strong> Piore <strong>und</strong> Sabel andererseits auseinander. Dabei<br />
wird die ungeheuere Faszination deutlich, die für ihn von dem Versuch ausging,<br />
die Entwicklung des Industriekapitalismus über einen großen Zeitraum zu<br />
verfolgen <strong>und</strong> in einer historisierenden Verfahrensweise Strukturbrüche in dieser<br />
Entwicklung zu identifizieren; vgl. auch Brandts Arbeit über die englischen<br />
Minenarbeitergewerkschaften (Brandt 1975).<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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je bestimmten Modi der Regulation (spezifische institutionelle Formen<br />
<strong>und</strong> gesellschaftliche Normen) einander ablösen, ohne daß dadurch notwendigerweise<br />
die kapitalistische Produktionsweise insgesamt bedroht<br />
wäre. Die Gestalt einer neuen gesellschaftlichen Formation ist freilich ex<br />
ante unbestimmt <strong>und</strong> hängt, wie Brandt im Anschluß an Hirsch <strong>und</strong> Roth<br />
(1986) betont, von den politischen <strong>und</strong> ökonomischen Kräfteverhältnissen<br />
<strong>und</strong> dem Ausgang der entsprechenden sozialen Auseinandersetzungen ab.<br />
Derartige Konflikte können zwar in einer Übergangsphase den Bestand<br />
des Kapitalismus prinzipiell gefährden. Bezogen auf die aktuelle Entwicklung<br />
gilt den Regulationstheoretikern die gegenwärtige Transformation<br />
des durch Massenproduktion <strong>und</strong> Massenkonsum standardisierter Güter<br />
gekennzeichneten fordistischen Akkumulationsregimes jedoch als Strukturbruch,<br />
der die an das Waren- <strong>und</strong> Lohnverhältnis geb<strong>und</strong>ene Identität<br />
des Kapitalismus nicht in Frage stellt. Insofern kann der Regulationsansatz<br />
als Versuch verstanden werden, die "historische Plastizität <strong>und</strong> Regenerationsfähigkeit<br />
des modernen Kapitalismus" (Brandt) zum Thema zu<br />
machen.<br />
In seiner Auseinandersetzung mit Piore <strong>und</strong> Sabel wird deutlich, daß es<br />
diese Gr<strong>und</strong>ausrichtung war, die Brandt an den Analysen der Regulationsschule<br />
faszinierte, wenn er auch ihren tentativen <strong>und</strong> skizzenhaften Charakter<br />
nicht verkannte: Die von Vertretern dieser Schule vorgelegten Arbeiten<br />
hätten aber anders als die Piore/Sabelsche Studie in theoretisch<br />
f<strong>und</strong>ierter Weise deutlich machen können, daß die im Zuge der Restrukturierung<br />
des überkommenden Systems der Massenproduktion zu registrierenden<br />
"Veränderungen der nach wie vor wirksamen Logik der Kapitalverwertung<br />
gehorchen <strong>und</strong> darauf ausgerichtet sind, die Subsumtion aller Arbeits- <strong>und</strong><br />
Lebensverhältnisse unter die Anforderungen der Kapitalakkumulation neu<br />
zu begründen, auch wenn die Regulationsformen, auf die die Subsumtion<br />
sich stützt, nicht eindeutig vorgezeichnet sind" (Brandt 1986b, S. 118).<br />
Hielt Brandt somit an der Unerläßlichkeit einer Theorie der Subsumtion<br />
fest, betonte er andererseits das Erfordernis, diese "im Sinn einer historischen<br />
Kapitalismustheorie zu revidieren, die auch die Brüche noch erfaßt,<br />
durch die hindurch die Entwicklungslogik des Kapitalismus sich durchsetzt"<br />
(ebd., S. 119). Als die "Aufgabe einer adäquaten Kapitalismustheorie,<br />
die sich auch weiterhin als Subsumtionstheorie versteht", sah er<br />
schließlich an, genau diese Reproduktionsmechanismen <strong>und</strong> Regulations-<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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formen, die sich als Krisenlösungen für den Bestand des Kapitalismus zu<br />
bewähren haben,<br />
"zu identifizieren <strong>und</strong> zu beachten, daß diese von Entwicklungsphase zu<br />
Entwicklungsphase <strong>und</strong> von Gesellschaftssphäre zu Gesellschaftssphäre variieren<br />
<strong>und</strong> dabei wiederum nicht eindeutig vorgezeichnet sind, sondern in<br />
Form funktionaler Äquivalente auftreten" (Brandt 1986b, S. 119).<br />
Sucht man nun in den Arbeiten der Regulationsschule nach Hinweisen auf<br />
potentielle Krisenlösungen auf der Ebene des Produktionssystems, so finden<br />
sich in aller Regel nur wenig differenzierte Darstellungen. Zwar fehlt<br />
es von ihrer Seite nicht an Versuchen, nach den bereits sichtbaren Konturen<br />
einer noch unbekannten, auf den Fordismus folgenden Formation<br />
Ausschau zu halten; allerdings ist das von ihr antizipierte neo- oder auch<br />
post-fordistische Akkumulationsmodell bislang ein eher diffuses <strong>und</strong> empirisch<br />
keineswegs gesättigtes Konzept geblieben. Dabei fällt auf, daß die<br />
wissenschaftlich-technische Entwicklung nur als fertiges Resultat, als Abfolge<br />
bedeutender Neuerungen in den Blick gerät <strong>und</strong> allein daraufhin<br />
diskutiert wird, inwieweit sie eine notwendige Bedingung für einen Ausweg<br />
aus der Krise darstellt. Die Prozesse der Entwicklung neuer Technologien<br />
bleiben hingegen ausgeblendet. Dies verw<strong>und</strong>ert um so mehr, als<br />
gerade in gesellschaftlichen Umbruchsituationen auf dem Gebiet der<br />
<strong>Technikentwicklung</strong> entscheidende Weichen für die zukünftige gesellschaftliche<br />
<strong>und</strong> politische Entwicklung gestellt werden.<br />
Fassen wir wiederum zusammen: Hatte unsere Auseinandersetzung mit<br />
Brandts Versuch der Entwicklung eines materialistischen Technikbegriffs<br />
ergeben, daß das Theorem der reellen Subsumtion eine einschneidende<br />
Veränderung erfährt, indem es seinen Geltungsbereich erweitert <strong>und</strong><br />
seine Aussagen auf einer (noch) höheren Abstraktionsebene ansiedelt, so<br />
hat der Versuch, zwischen hochabstrakten Aussagen zur Entwicklungslogik<br />
<strong>und</strong> zur Entwicklungsdynamik kapitalistischer Gesellschaften zu vermitteln,<br />
zur Aufnahme von Überlegungen der Regulationsschule geführt.<br />
Diese gerät insbesondere wegen ihrer Fähigkeit ins Blickfeld, Kontinuität<br />
<strong>und</strong> Brüche in der Entwicklung kapitalistischer Gesellschaften angemessen<br />
zu reflektieren, weil sie eher als traditionelle Versionen des Subsumtionstheorems<br />
in der Lage zu sein scheint, Strukturveränderungen der gesellschaftlichen<br />
Arbeit, die sich nicht länger als "immer mehr vom gleichen"<br />
(Beck 1988) diskutieren lassen, zum Gegenstand auch gesellschaftstheore-<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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tischer Überlegungen zu machen. Als problematisch erweist sich dort allerdings<br />
unter anderem die bislang ungenügende Thematisierung von<br />
Technik <strong>und</strong> <strong>Technikentwicklung</strong> durch die Vertreter der Regulationsschule<br />
(Boyer 1988). Für das Subsumtionstheorem, wie es von Brandt in<br />
den letzten Jahren fortentwickelt wurde, läßt sich nach diesem kurzen<br />
Durchgang durch die einzelnen Phasen seiner Entwicklung festhalten, daß<br />
er die "klassischen" Versionen der Theorie der Subsumtion, auf die sich in<br />
der Regel die Kritik bezieht, zugunsten einer reformulierten Version derselben<br />
aufgegeben hat. Diese neue Fassung des Subsumtionstheorems<br />
zeichnet sich dadurch aus, daß sie erstens einen erweiterten Geltungsbereich<br />
hat, weil sie die traditionelle Fixierung der Industriesoziologie auf<br />
den Prozeß der unmittelbaren Produktion überwindet. Zweitens wird das<br />
Subsumtionstheorem gleichsam weiter "abstraktifiziert", da die Tauschabstraktion<br />
als Modus der gesellschaftlichen Organisation der Arbeit zentral<br />
gestellt wird. Dabei wird allerdings der Begriff der Arbeit weiter gefaßt<br />
<strong>und</strong> nicht mehr an die Verausgabung von Arbeitskraft an einem materiellen<br />
Produkt geb<strong>und</strong>en. Drittens schließlich wird unterstellt, daß die historische<br />
Entwicklung des Kapitalismus keiner durchgängigen Logik folgt.<br />
Die Frage der Tragfähigkeit des Subsumtionstheorems in dieser erneut<br />
revidierten (<strong>und</strong> hier nur grob umrissenen) Form ließ sich naturgemäß<br />
nicht am grünen Tisch theoretisch-methodischer Reflektion entscheiden.<br />
Für Brandt wie für uns stand deshalb außer Frage, daß auch diese erneuerte<br />
Fassung des Subsumtionstheorems der empirischen Überprüfung bedarf.<br />
Nicht zuletzt diesem Zweck sollte das Forschungsprojekt dienen,<br />
über dessen Ergebnisse hier berichtet wird.<br />
Wir konnten uns allerdings nicht in dem ursprünglich anvisierten Umfang<br />
den Erfordernissen einer Fortentwicklung der Gesellschaftstheorie (vgl.<br />
Bieber, Brandt, Möll 1987) stellen, da wir uns im Rahmen des Projekts gezwungen<br />
sahen, größeres Gewicht auf die Erstellung der Branchenanalyse<br />
(s. Teil C) <strong>und</strong> die Entwicklung <strong>und</strong> erste Überprüfung von Forschungshypothesen<br />
(s. Teil D) zu legen. Aus diesem Gr<strong>und</strong> sind - was niemand mehr<br />
bedauert als die Autoren - notwendige Erweiterungen <strong>und</strong> Klärungen des<br />
Subsumtionstheorems im folgenden implizit geblieben. Auch hätten wir<br />
uns eine gründlichere Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen Implikationen<br />
der zunehmenden Bedeutung technologischer <strong>und</strong> organisatorischer<br />
Innovationspotentiale in der Industrie gewünscht. Immerhin aber<br />
konnte an den Vorschlag Brandts angeknüpft werden, den traditionellen<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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Gegenstandsbereich der Industriesoziologie durch das Themenfeld von<br />
Innovation <strong>und</strong> Organisation zu erweitern. Aufzunehmen war außerdem<br />
die Frage nach der Widersprüchlichkeit <strong>und</strong> den Grenzen der sich in bestimmten<br />
Organisationsstrukturen niederschlagenden Managementstrategien,<br />
um so wenigstens auf dieser Ebene der Frage nach den Schranken<br />
der reellen Subsumtion der Arbeit unter das Kapital nachzugehen. Insbesondere<br />
in diesem Kontext ist es in der Tat angezeigt, den konzeptionellen<br />
Bezugsrahmen der traditionellen industriesoziologischen Forschung auszuweiten<br />
<strong>und</strong> sich Theorietraditionen zuzuwenden, die dem Problem der<br />
Organisation von Innovationsprozessen sowie ihrer strukturellen Einbindung<br />
in industriell geprägte Kontexte schon etwas länger nachgehen. Dazu<br />
ist zunächst auf den Innovationsbegriff einzugehen, der für den weiteren<br />
Gang der Argumentation einige Bedeutung hat.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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3. Annäherungen an das Thema "Innovation in der<br />
Industrie"<br />
Die Auskünfte, die einschlägige wirtschaftswissenschaftliche <strong>und</strong> organisationstheoretische<br />
Handwörterbücher zum Stichwort Innovation (etymologisch:<br />
Erneuerung) bereithalten, zeugen davon, daß es einen einheitlichen<br />
<strong>und</strong> allgemein geteilten Begriff von Innovation nicht gibt. Auch in Forschungsarbeiten,<br />
die sich mit den Voraussetzungen, dem Verlauf <strong>und</strong> den<br />
Auswirkungen von Neuerungsprozessen befassen, werden verschiedene<br />
Definitionen <strong>und</strong> Konzepte verwendet <strong>und</strong> je nach Fragestellung <strong>und</strong> erkenntnisleitenden<br />
Interessen unterschiedliche Aspekte des Phänomens<br />
Innovation hervorgehoben. Ein erster Orientierungsversuch über Inhalt,<br />
Verwendungsweisen <strong>und</strong> Problemgehalt des Innovationsbegriffs, der zu<br />
einer für die Analyse des Innovationsgeschehens in Industrieunternehmen<br />
sinnvollen Begriffsbestimmung verhelfen soll, kann an der Unterscheidung<br />
zwischen objektbezogenen (Innovation als Ergebnis eines Neuerungsprozesses)<br />
<strong>und</strong> prozessualen (Innovation als Erneuerungsprozeß) Definitionsversuchen<br />
ansetzen (vgl. Marr 1980).<br />
3.1 Objektbezogener Innovationsbegriff<br />
Bei objektbezogenen Definitionen ist vor allem die Unterscheidung zwischen<br />
technologisch neuen Produkten (Produktinnovation) <strong>und</strong> neuen<br />
Herstellungsverfahren (Prozeß- oder Verfahrensinnovation) von Bedeutung.<br />
Rosenberg hat nachdrücklich darauf hingewiesen, daß es keineswegs<br />
ausreicht, sich bei der Untersuchung des technischen Wandels allein auf<br />
Prozeßinnovationen zu konzentrieren:<br />
"Technical progress is typically treated as the introduction of new processes<br />
that reduce the cost of producing an essentially unchanged product. (...) At<br />
the same time, however, to ignore product innovation and qualitative improvements<br />
in products is to ignore what may very well have been the most<br />
important long-term contribution of technical progress to human welfare"<br />
(Rosenberg 1982, S. 4).<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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Dieser Vorwurf trifft beileibe nicht nur die ökonomischen Disziplinen,<br />
sondern in gewisser Weise auch die industriesoziologische Forschung, die<br />
sich bislang in der Hauptsache mit den Implikationen neuer Prozeßtechnologien,<br />
aber kaum mit der Thematik der Produktinnovation beschäftigt<br />
hat. 8<br />
Zunehmend gilt das Interesse auch neuartigen Werkstoffen (Materialinnovationen)<br />
sowie neuen Organisationsformen (Strukturinnovationen),<br />
die häufig in engem Zusammenhang mit Produkt- <strong>und</strong> Verfahrensinnovationen<br />
stehen. So behaupten einzelne Studien, daß die Verwirklichung von<br />
mehr als 60 % der in den nächsten 20 Jahren zu erwartenden wichtigsten<br />
Neuerungen auf allen Feldern der Naturwissenschaft <strong>und</strong> der Technik entscheidend<br />
von der Entwicklung geeigneter Werkstoffe abhängt. Gleichzeitig<br />
verweisen Organisationstheoretiker auf die wechselseitige Verschränkung<br />
von organisationsstrukturellen <strong>und</strong> technologischen Innovationen:<br />
"Die erhöhten Marktanforderungen an Produkt- <strong>und</strong> Prozeßinnovationen<br />
verlangen eine Intensivierung der Bemühungen um innovationsfördernde<br />
Organisationsstrukturen. Erst organisatorische Innovationen verwandeln<br />
technische Innovationen in marktliche Erfolge" (Bühner 1988, S. 146).<br />
Wichtige Divergenzen bei den Begriffsbestimmungen technologischer Innovationen,<br />
auf die wir uns zunächst konzentrieren wollen, beziehen sich<br />
auf das Problem, aus welcher Perspektive etwas als "neu" bezeichnet werden<br />
kann. Damit ist die Frage nach dem Referenzrahmen von Innovationen<br />
aufgeworfen. "Neu kann eine Problemlösung für das mit der Entwicklung<br />
befaßte Individuum bzw. soziale System sein, für seine Umwelt allgemein<br />
oder für spezifische Adressaten(-Gruppen)" (Marr 1980, Sp. 949).<br />
Hier sind nun verschiedene Bezugspunkte für die Beurteilung von Innovationen<br />
genannt, von denen in betriebswirtschaftlich <strong>und</strong> organisationstheoretisch<br />
orientierten Studien meist die einzelne Organisation bzw. das einzelne<br />
Unternehmen einerseits <strong>und</strong> der Markt andererseits im Vordergr<strong>und</strong><br />
stehen. Wird als Bezugspunkt das jeweils innovierende Unternehmen<br />
gewählt, spricht man von einem "subjektiven" Innovationsbegriff (Rogers,<br />
Shoemaker 1971). In dieser Sichtweise gilt z.B. die Entwicklung eines<br />
8 Vgl. aber zur Produktinnovation: Beuschel, Gensior, Sorge 1988; zum Verhältnis<br />
von Hersteller-Anwender-Beziehung: Döhl 1989; verschiedene Beiträge in Deiß,<br />
Döhl 1992; zur Einheit von Produkt- <strong>und</strong> Prozeßinnovation: Jürgens, Malsch,<br />
Dohse 1989.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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neuen Fertigungsverfahrens oder einer neuen Produktionsanlage, mit der<br />
ein Unternehmen auf den Investionsgütermarkt tritt, als Produkt- <strong>und</strong><br />
nicht als Prozeßinnovation. Dagegen wird der Einkauf <strong>und</strong> die Einführung<br />
einer neuen Fertigungstechnologie, die von einem Zulieferunternehmen<br />
entwickelt wurde, nicht als Innovation, sondern als Adoption bezeichnet.<br />
Auffassungsunterschiede in bezug auf die unternehmensbezogene Perspektive<br />
bestehen jedoch darüber, ob eine Innovation nur für das innovierende<br />
Unternehmen selbst oder auch für den Markt neu sein muß. Für die<br />
erste Variante plädiert etwa Kieser, der in bezug auf Produktinnovationen<br />
von folgender Bestimmung ausgeht:<br />
"Von Produktinnovation wird dann gesprochen, wenn eine Unternehmung<br />
ein Produkt auf den Markt bringt, das bisher nicht im Produktionsprogramm<br />
dieser Unternehmung enthalten war; wird das betreffende oder ein<br />
ähnliches Produkt von der Konkurrenz bereits auf dem Markt angeboten,<br />
so ist zwar die Lösung einiger Teilprobleme der Produktinnovation für die<br />
Unternehmung einfacher, es müssen aber im Prinzip dieselben Phasen des<br />
Innovationsprozesses durchlaufen werden wie bei einer völligen Neuentwicklung"<br />
(Kieser 1973, S. 9).<br />
Zu den Vertretern der zweiten Version zählt dagegen Bühner, der als<br />
Produktinnovationen nur Neuerungen gelten läßt, "die über verbesserte<br />
oder neue Produkte auf die Erschließung von neuen Märkten gerichtet<br />
sind" (Bühner 1988, S. 143).<br />
Eine weitere begriffliche Schwierigkeit besteht darin, zwischen einem<br />
neuen <strong>und</strong> einem nur verbesserten Produkt zu unterscheiden. So sind z.B.<br />
Firmenangaben zum Umsatzanteil mit neuen Produkten, die die Innovationsträchtigkeit<br />
eines Unternehmens belegen sollen, mit Vorsicht zu genießen,<br />
da meist ein Kriterium für den Neuheitsgrad fehlt. Gleichwohl findet<br />
sich in der Literatur häufig der Vorschlag, neue Produkte, die nicht<br />
stark innovativ sind, <strong>und</strong> neue, "alternative" Produkte, die neue Anwendungsbereiche<br />
<strong>und</strong> Märkte erschließen sollen, auseinander zu halten. Im<br />
ersten Fall spricht man auch von Produktmodifikation, deren Bedeutung<br />
gegenüber völlig neuen Produkten von zahlreichen Autoren hervorgehoben<br />
wird.<br />
"Attention tends to be focused on the research, design and development<br />
work involved in getting from an idea or invention to an innovation on the<br />
market for the first time. However, just as important are the processes of<br />
successive redesign, component improvement and evolution of the product<br />
to improve its Performance and reduce its cost" (Roy 1986, S. 7).<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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Viele Untersuchungen haben darauf hingewiesen, daß die ökonomischen<br />
Vorteile von späteren Verbesserungen einer gr<strong>und</strong>legenden technischen<br />
Innovation oftmals größer sind als die Kostenersparnisse, die bei ihrer ursprünglichen<br />
Einführung erzielt wurden (Rosenberg 1982, S. 7 f.).<br />
Die Absicht, unterschiedliche Qualitäten von technologischen Innovationen<br />
zu berücksichtigen, liegt auch der Gegenüberstellung von Basisinnovationen<br />
<strong>und</strong> Verbesserungsinnovationen bei G. Mensch (1977) zugr<strong>und</strong>e.<br />
Eine technologische Basisinnovation ist für ihn ein technisches Ereignis,<br />
"bei dem der neu entdeckte Stoff oder das neu entwickelte Verfahren<br />
erstmals in fabrikmäßiger Produktion angewendet wurde oder bei dem für<br />
das neue Produkt erstmals ein organisierter Markt geschaffen wurde"<br />
(Mensch 1977, S. 134). Demgegenüber stehen Verbesserungsinnovationen,<br />
die sich dadurch auszeichnen, daß mit ihnen "schon existierende Technologien<br />
rationalisiert, renoviert <strong>und</strong> modernisiert werden" (ebd., S. 131).<br />
Diese Definitionsversuche sind indes nicht unproblematisch. Zwar weisen<br />
sie den Vorteil auf, "empirisch einigermaßen verläßlich überprüfbare Kriterien<br />
für die Identifizierung von Basisinnovationen anzugeben: erstmalige<br />
fabrikmäßige Anwendung <strong>und</strong> organisierter Markt. Die Definition sagt<br />
aber nichts darüber aus, was an solchen Innovationen basal sein soll <strong>und</strong><br />
was sie von einer Verbesserungsinnovation unterscheiden soll" (Halfmann<br />
1984, S. 62).<br />
Halfmann schlägt deshalb einen Innovationsbegriff vor, der stärker den<br />
Erzeugungskontext <strong>und</strong> die sozialen <strong>und</strong> technischen Auswirkungen von<br />
Innovationen berücksichtigt. Als Basisinnovationen bezeichnet er<br />
"die Produkte oder Verfahren, die einerseits neues wissenschaftliches Wissen,<br />
generiert nach industriellen Zweckbestimmungen, inkorporieren, deren<br />
industrielle Ausbeutung andererseits einen entscheidenden Effekt auf<br />
die Steigerung der Produktivität der Arbeit hat <strong>und</strong> deren Diff<strong>und</strong>ierung in<br />
die Systeme der Herstellung von Gütern eine Umorganisation des Systems<br />
der gesellschaftlichen Arbeitsteilung bewirkt" (Halfmann 1984, S. 63).<br />
Innovationen, die nicht unmittelbar die Produktivkraft der Arbeit steigern<br />
oder die Organisation der gesellschaftlichen Arbeitsteilung verändern, bezeichnet<br />
Halfmann als "einfache technische Innovationen". Neben den Erzeugungsbedingungen,<br />
die mit den Ausdrücken "neues wissenschaftliches<br />
Wissen" <strong>und</strong> "industrielle Zweckbestimmungen" beschrieben werden, gilt<br />
also vor allem die Rationalisierungswirkung als Unterscheidungsmerkmal<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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der beiden Innovationsbegriffe. Implizit scheint freilich auch das Kriterium<br />
Innovationshöhe eine Rolle zu spielen, wenn Halfmann den "entscheidenden<br />
Effekt" auf die Produktivitätssteigerung betont.<br />
Allerdings sind auch diese Begriffsbestimmungen, wenn man sie zur Analyse<br />
des betrieblichen Innovationsgeschehens <strong>und</strong> den dabei auftretenden<br />
Problemen heranziehen will, mit Schwierigkeiten behaftet. So lassen sich<br />
z.B. Basisinnovationen in aller Regel erst ex post als solche identifizieren.<br />
Sie werden nämlich<br />
"nicht in einer unabänderlichen Form einmal entwickelt, eingeführt <strong>und</strong><br />
später nur noch kopiert, sondern Entwicklung <strong>und</strong> Einführung einer Basisinnovation<br />
sind historisch betrachtet lang andauernde Prozesse, die sehr<br />
viel mehr Zeit erfordern, als es den landläufigen Vorstellungen der 'revolutionierenden'<br />
neuen Technologien entspricht <strong>und</strong> deren Bedeutung als<br />
Basisinnovation oft erst in einem relativ weit fortgeschrittenen Stadium der<br />
Diffusion erkannt wird" (FhG 1984, S. 54).<br />
Eine Basisinnovation erweist sich eher als<br />
"eine lange Kette von Verbesserungsinnovationen (...), die sich von anderen<br />
Innovationen insbesondere durch ihre Länge, nicht notwendigerweise<br />
durch den innovatorischen Gehalt des einzelnen Gliedes unterscheidet"<br />
(ebd., S. 56).<br />
Bevor wir zu den prozessualen Definitionsversuchen übergehen wollen,<br />
soll ein kurzes Zwischenresümee gezogen werden: Zur Untersuchung der<br />
Innovationsprobleme in industriellen Unternehmen scheint ein "subjektiver"<br />
Innovationsbegriff, der die Sicht des Innovierenden reflektiert, sinnvoller<br />
zu sein als ein Innovationsbegriff, der stärker auf die durch eine Innovation<br />
ausgelösten (externen) Veränderungen abhebt. Als Innovation<br />
sollen für die hier verfolgte Fragestellung deshalb<br />
gelten.<br />
"alle in einem Unternehmen entwickelten technologisch neuen Produkte<br />
bzw. technischen Verbesserungen bereits auf dem Markt eingeführter Produkte<br />
(Produktinnovation) oder technische Verbesserungen des unternehmensinternen<br />
Produktions- <strong>und</strong> Distributionssystems (Prozeßinnovation)"<br />
(FhG 1984, S. 57)<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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Damit ist allerdings nicht das Problem gelöst, mit welchen Kriterien man<br />
den Neuigkeitsgrad einer Innovation bestimmen könnte. Außerdem werden<br />
hier die gesellschaftlichen Auswirkungen der Innovation vernachlässigt,<br />
da wir nicht in erster Linie an speziellen Ergebnissen (z.B. Rationalisierungswirkungen),<br />
sondern vor allem an den Organisationsformen von<br />
Innovationsprozessen interessiert sind. Damit soll nicht bestritten werden,<br />
daß die intendierten Folgen einer bestimmten Innovation Einfluß auf die<br />
Art der Organisation ihres Erzeugungsprozesses haben können. Entscheidender<br />
für die hier verfolgte Fragestellung sind jedoch die Generierungsbedingungen<br />
<strong>und</strong> die Eigenarten von Aufgaben, die auf die Erzeugung von<br />
Innovationen gerichtet sind (s. Abschnitt 3.4).<br />
Versucht man nun, technologische Innovationstypen zu unterscheiden, von<br />
denen angenommen werden kann, daß mit ihrer Durchführung für das<br />
Unternehmen unterschiedliche (organisatorische) Anforderungen <strong>und</strong><br />
Probleme verb<strong>und</strong>en sind bzw. unterschiedliche strategische Ziele verfolgt<br />
werden, so sind (zumindest) sechs denkbare Kombinationen von Interesse:<br />
Al<br />
A2<br />
Bl<br />
B2<br />
Cl<br />
C2<br />
neues Produkt mit neuem Herstellungsverfahren,<br />
neues Produkt ohne Änderung des Produktionsapparates,<br />
verbessertes Produkt mit neuem oder verändertem Herstellungsverfahren,<br />
verbessertes Produkt ohne Veränderung des Produktionsapparates,<br />
neues Herstellungsverfahren,<br />
verbessertes Herstellungsverfahren.<br />
Bei den Kombinationen Al, A2, Bl <strong>und</strong> B2 ist außerdem von Interesse, ob<br />
damit auch eine Marktinnovation verb<strong>und</strong>en ist bzw. ob das Produkt auf<br />
dem Konsumgüter- oder auf dem Investitionsgütermarkt angeboten wird,<br />
da ein Zusammenhang zwischen dem Innovationsverlauf <strong>und</strong> den jeweiligen<br />
Bedingungen des Absatzmarktes bestehen dürfte. Im weiteren Verlauf<br />
dieser Arbeit werden wir zu zeigen versuchen, daß vor allem die Kombination<br />
Al, also die simultane Produkt- <strong>und</strong> Prozeßinnovation, in der Elektro<strong>und</strong><br />
Elektronikindustrie gegenwärtig an Bedeutung gewinnt, ohne deshalb<br />
bereits zur dominierenden Strategie der Produktentwicklung geworden zu<br />
sein (s. Kapitel 8).<br />
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3.2 Prozessualer Innovationsbegriff<br />
Bei einigen der bislang diskutierten Definitionsversuche wurde bereits auf<br />
den Prozeßcharakter von Innovationen hingewiesen. Allerdings herrscht in<br />
der Literatur keine Einigkeit darüber, welche Tätigkeiten <strong>und</strong> Resultate<br />
unter der Bezeichnung "Innovationsprozeß" zusammengefaßt werden sollen.<br />
So reservieren einige Ökonomen - wie etwa Schumpeter oder Mansfield<br />
- den Begriff der Innovation für die Phase der Durchsetzung einer<br />
Neuerung in der Unternehmung oder ihrer Umwelt. Der Entstehungskontext<br />
von Innovationen, d.h. die Phase der Ideenentwicklung bzw. Invention<br />
bleibt bei dieser Interpretationsform außer Betracht. Die " «Durchsetzung»<br />
neuer Kombinationen wird bei Schumpeter zum Inbegriff unternehmerischer<br />
Leistung. Die Schaffung neuer Problemlösungspotentiale<br />
wird vollständig negiert, sie sind als «tote Möglichkeiten» vorgegeben <strong>und</strong><br />
brauchen nur aufgegriffen <strong>und</strong> durchgesetzt zu werden" (Pfeiffer, Staudt<br />
1975, Sp. 1945). Erst in seinen späteren Arbeiten berücksichtigte Schumpeter<br />
auch die Entstehungsphase von Innovationen (Schumpeter 1950). In<br />
der angelsächsischen Literatur ist es deshalb mittlerweile üblich, zwischen<br />
"Schumpeter Mark I" <strong>und</strong> "Schumpeter Mark II" zu unterscheiden.<br />
"An important distinguishing feature between the two Schumpeterian<br />
viewpoints is that while inventive activity was entirely exogenous for<br />
Schumpeter Mark I it became at least partly endogenous for Schumpeter<br />
Mark II, since it was mostly conducted within large oligopolistic firms.<br />
Thus he acknowledged in his later work the growing institutionalisation of<br />
R&D" (Coombs u.a. 1987, S. 95).<br />
Im Gegensatz zu restriktiven Auffassungen von Innovation stehen Versuche,<br />
die prozessuale Betrachtungsweise auszuweiten <strong>und</strong> alle Aktivitäten<br />
<strong>und</strong> Phasen zu berücksichtigen, die von der Initiierung einer Neuerung bis<br />
zu ihrer Durchsetzung auf dem Markt bzw. im Unternehmen notwendig<br />
sind. Ein Beispiel dafür liefert die folgende Definition: "Innovationen sind<br />
Änderungsprozesse, die die Unternehmung im Interesse der Regeneration<br />
<strong>und</strong> des Wachstums ihres Struktur- <strong>und</strong> Leistungspotentials zum ersten<br />
Mal durchführt <strong>und</strong> die sich von der Problematisierung einer Situation bis<br />
zur Umsetzung der Lösung in Praxis erstrecken" (Bendixen 1976, S. 11).<br />
Innerhalb der Innovationsforschung finden sich zahlreiche Vorschläge, den<br />
Innovationsprozeß in analytisch voneinander unterscheidbare Phasen zu<br />
zerlegen (vgl. Thom 1980, S. 45 f.). Der Innovationsablauf wird dabei in<br />
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den meisten Fällen unter dem Gesichtspunkt der inhaltlichen Innovationsaktivitäten<br />
strukturiert. Obwohl über die Zahl der zu berücksichtigenden<br />
Phasen kein Konsens besteht, wird in der Regel zumindest zwischen einer<br />
Phase der Ideengenerierung <strong>und</strong> einer Phase der Ideenrealisierung bzw.<br />
Implementation unterschieden. 9<br />
Oftmals werden die einzelnen Phasen<br />
auch noch weiter ausdifferenziert oder zusätzliche Phasen (wie etwa die<br />
der Ideenakzeptierung) eingeführt. Eine ganz allgemein auf das Innovationsverhalten<br />
von betriebswirtschaftlichen Organisationen bezogene Unterteilung<br />
des Innovationsprozesses wird von Marr (1980) vorgeschlagen.<br />
Er unterscheidet zwischen den Phasen<br />
(1) Problemformulierung,<br />
(2) Problemanalyse,<br />
(3) Ideenentwicklung <strong>und</strong> Lösungsversuch,<br />
(4) Lösungspräsentation,<br />
(5) Innovationsbewertung <strong>und</strong> -akzeptanz,<br />
(6) Realisierung <strong>und</strong> Akzeptanzkontrolle.<br />
Dagegen konzentriert sich Kieser bei seinem Gliederungsversuch allein<br />
auf den Prozeß der Produktinnovation. Dabei differenziert er zwischen<br />
fünf Phasen:<br />
"Ideenfindung - das Finden einer Idee für ein neues Produkt;<br />
Konzipierung - der detaillierte Entwurf eines neuen Produktes;<br />
Akzeptierung - die Entscheidung, das neue Produkt bis zur Fertigungsreife<br />
zu entwickeln;<br />
Realisierung - die Schaffung der produktionstechnischen <strong>und</strong> marktlichen<br />
Voraussetzungen für die Ausbringung;<br />
Implementierung - die Produktion des neuen Produkts <strong>und</strong> seine Einführung<br />
auf dem Markt" (Kieser 1973, S. 18; Hervorhebungen im Original).<br />
9 Auf die Schwierigkeiten, die sich bei der Ausdifferenzierung unterschiedlicher<br />
Teilbereiche von Forschung <strong>und</strong> Entwicklung ergeben, wird im Rahmen der<br />
Analyse industrieller Innovationspotentiale eingegangen (s. Kapitel 6).<br />
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Mittlerweile wird kaum noch bestritten, daß derartige Phasenmodelle des<br />
Innovationsprozesses nur eine erste Annäherung an das wirkliche Geschehen<br />
bieten können. Zwischen modellhafter Abbildung <strong>und</strong> empirisch zu<br />
beobachtenden Innovationsverläufen können jedoch Diskrepanzen bestehen.<br />
"Die Unterteilung der technischen Entwicklung in Phasen ist ein Hilfsmittel<br />
zur Analyse, das jedoch nicht überschätzt werden darf, da die praktische<br />
Abgrenzung der Entwicklungsphasen bei technischen Neuerungen Schwierigkeiten<br />
macht. Größtenteils entspricht die Reihenfolge nicht dem zeitlichen<br />
Ablauf, die Stadien sind sehr stark verflochten <strong>und</strong> man beobachtet<br />
Wechselwirkungen innerhalb der Stadien" (Lahner, Ulrich 1969, S. 478).<br />
Wohl auch aus diesem Gr<strong>und</strong> plädiert Rammert (1988) in seiner Arbeit<br />
über Innovationsprozesse in Industrieunternehmen für einen alternativen<br />
Ansatz zur Phasenbeschreibung. Er möchte Phasenmodelle technischer<br />
Innovationsprozesse nicht allein durch das Kriterium der rein inhaltlich zu<br />
unterscheidenden Aktivitäten bestimmen, sondern Innovation nur dann<br />
als phasenartig beschreiben, wenn sich einzelne Stadien auch nach den<br />
Gesichtspunkten der beteiligten Akteure, der Rationalitätskonfigurationen<br />
10<br />
<strong>und</strong> der Entscheidungszäsuren als unterscheidbar erweisen. Allerdings<br />
unterscheidet sich das von ihm favorisierte Modell, das sich auf die<br />
von Zündorf <strong>und</strong> Grunt (1982) vorgeschlagene Differenzierung in vier<br />
Hauptphasen stützt (1. Problemdefinition <strong>und</strong> Ideenfindung; 2. Suche<br />
nach Problemlösungskonzepten <strong>und</strong> Vorstudien; 3. Konzeption <strong>und</strong> Vorversuch;<br />
4. Erprobung, Fertigung, Markteinführung), im Ergebnis nicht<br />
gr<strong>und</strong>sätzlich von den oben beschriebenen Phaseneinteilungen. Bei seinen<br />
weiteren Ausführungen stößt man jedoch auf einige Ungereimtheiten. So<br />
postuliert er auf der einen Seite eine "funktional notwendige Abfolge von<br />
Innovationsphasen" <strong>und</strong> eine damit zusammenhängende "Irreversibilität<br />
der einzelnen Bearbeitungsschritte", die zusammen mit der "flexiblen Beziehung<br />
zwischen Innovationsobjekt <strong>und</strong> -verfahren" zu den "unhintergehbaren<br />
Faktoren für eine gelungene Produktinnovation" gehören (Rammert<br />
1988, S. 200 f.). Es müsse z.B. "erst die Entscheidung über die Notwendigkeit<br />
einer Innovation getroffen werden, um mit der FuE-Arbeit beginnen<br />
zu können" (ebd.). Auf der anderen Seite betont aber auch er, daß "die<br />
Phasenhaftigkeit der Innovation sich nicht in einem zeitlich starren Nacheinander<br />
der Stadien darstellen muß, sondern sich die einzelnen Gefüge<br />
10 Auf das Problem der Rationalitätskonfiguration bei Rammert wird noch einzugehen<br />
sein (s. Kapitel 8).<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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(...) überlappen" (ebd., S. 102). Angestrebt wird mit dieser Argumentation<br />
eine Unterscheidung zwischen der Logik <strong>und</strong> der Dynamik des Innovationsprozesses.<br />
Während die "unhintergehbaren Faktoren" für geglückte Innovationen<br />
auf die Logik des Innovationsprozesses verweisen sollen, führten<br />
"erst die organisations- <strong>und</strong> produktspezifischen Besonderheiten (...)<br />
zu speziellen Ausformungen der Innovationsverläufe auf der empirisch<br />
beobachtbaren Ebene" (ebd., S. 202).<br />
Nun finden sich jedoch in dem von Rammert präsentierten empirischen<br />
Material Hinweise auf geglückte Innovationsprozesse, bei denen die als<br />
unverzichtbar geltende Phasenabfolge offenk<strong>und</strong>ig nicht eingehalten<br />
wurde. So wird z.B. in einer Fallstudie davon berichtet, daß die Ideenfindung<br />
<strong>und</strong> das Finden eines Problemlösungskonzepts der formalen Innovations-<br />
<strong>und</strong> Investitionsentscheidung vorausgegangen ist (ebd., S. 170). Damit<br />
wäre die von Rammert postulierte Abfolge von Innovationsphasen<br />
umgekehrt worden, die Dynamik des Innovationsprozesses hätte die vermeintliche<br />
Logik desselben außer Kraft gesetzt, ohne daß deshalb das Innovationsvorhaben<br />
gescheitert wäre. So weit, so gut. Aber indem Rammert<br />
mit der Logik des Innovationsprozesses bestimmte unhintergehbare Faktoren<br />
für gelungene Innovationsprozesse verknüpft, die sich im Einzelfall<br />
aber als sehr wohl hintergehbar erweisen, gerät er mit seinem an sich sinnvollen<br />
Versuch, Logik <strong>und</strong> Dynamik von Innovationsprozessen zu trennen,<br />
in Schwierigkeiten.<br />
Bei allen Problemen <strong>und</strong> Unterschieden im Detail scheint uns der generelle<br />
Vorzug von phasenorientierten, ganzheitlichen Konzeptualisierungsversuchen<br />
technologischer Innovationsprozesse darin zu bestehen, daß sie<br />
der bis vor kurzem weit verbreiteten <strong>und</strong> ursprünglich auch von Schumpeter<br />
vertretenen Auffassung, die Erforschung <strong>und</strong> Entwicklung neuer Technologien<br />
seien außer- oder vorökonomische Vorgänge, eine Absage erteilen.<br />
Durch die Einbeziehung der Phase der Ideengenerierung in die Phasenmodelle<br />
wird die in der industriellen Realität längst bewerkstelligte Integration<br />
der systematischen <strong>und</strong> zielgerichteten Produktion neuen wissenschaftlich-technischen<br />
Wissens in den ökonomischen Kontext auch<br />
konzeptionell nachvollzogen.<br />
Wie noch zu zeigen sein wird, genügen aber die vorliegenden, sequentiell<br />
orientierten Phasenmodelle nicht (mehr), um der Realität von technologischen<br />
Innovationsprozessen in Industrieunternehmen gerecht werden zu<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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können. Die gegenwärtig bei der Organisation <strong>und</strong> Steuerung von Produktentwicklungsprozessen<br />
zu beobachtenden Versuche, die klassischen<br />
Standardprozesse der Phasenorganisation durch die Integration <strong>und</strong> Parallelisierung<br />
von Entwicklungsaktivitäten zu rationalisieren, lassen eine<br />
Modifikation der überkommenen Betrachtungsweise geboten erscheinen<br />
(s. Kapitel 8).<br />
3.3 Das Innovationsproblem in der Organisationsforschung<br />
Wie im vorangegangenen Abschnitt bereits deutlich geworden ist, findet<br />
die Innovationsproblematik bislang vor allem in den ökonomischen Disziplinen<br />
Berücksichtigung. Dabei spannt sich der Bogen von den Arbeiten<br />
Schumpeters, der schon frühzeitig auf die Tragweite der Innovationskonkurrenz<br />
aufmerksam gemacht hat (Schumpeter 1911), bis zu den jüngsten<br />
Versuchen der Betriebswirtschaftslehre, auch den Bereich von FuE <strong>und</strong><br />
Innovation mit ihren Methoden zu durchdringen (Brockhoff 1988). In einem<br />
Tagungsbericht der "Schmalenbach-Gesellschaft - Deutsche Gesellschaft<br />
für Betriebswirtschaft" heißt es, daß die "internationale Wettbewerbsfähigkeit<br />
der Unternehmen in Zukunft mehr denn je durch die Innovationspolitik<br />
bestimmt" werde. Folglich komme "dem Forschungs- <strong>und</strong><br />
Entwicklungsbereich in der Unternehmung ein immer höherer Stellenwert<br />
zu" (Blohm, Danert 1983, S. V). Verschiedentlich wird für den Bereich der<br />
"Spitzentechnologie" sogar die These von der Priorität der Produktentwicklung<br />
<strong>und</strong> -Vermarktung gegenüber der Optimierung der Fertigungseffizienz<br />
vertreten (Bleicher 1983). Auch innerhalb der Managementliteratur<br />
häufen sich in den letzten Jahren die Beiträge, die auf die zunehmende<br />
strategische Bedeutung der Technologie(-Entwicklung) für den Unternehmenserfolg<br />
hinweisen (Friar, Horwitch 1985; Loveridge, Pitt 1990) <strong>und</strong><br />
die "Diffusion der Innovationsaufgaben quer über organisatorische Bereiche<br />
des Unternehmens" prognostizieren (Röthig 1989, S. 311). Zur Frage<br />
innovationsfördernder <strong>und</strong> -hinderlicher Organisationsstrukturen schließlich<br />
hegen zahlreiche Arbeiten aus der Organisationstheorie vor, die jedoch<br />
oftmals allein von normativer Provenienz sind.<br />
Wer sich heute positiv auf organisationstheoretische Arbeiten beziehen<br />
will, weil sie im Gegensatz zum mainstream der industriesoziologischen<br />
Forschung das organisatorische bzw. betriebliche Innovationshandeln zum<br />
Untersuchungsgegenstand machen, stößt sehr rasch auf ein nicht unerheb-<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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liches Problem. Die meisten der in Frage kommenden Arbeiten stehen auf<br />
der Basis eines Paradigmas oder haben sogar entscheidend zu dessen Begründung<br />
beigetragen, das zwar bis vor einiger Zeit die organisationstheoretische<br />
Forschung dominiert <strong>und</strong> sich allgemeiner Anerkennung erfreut<br />
hat, mittlerweile jedoch heftiger Kritik aus den verschiedensten Richtungen<br />
ausgesetzt ist <strong>und</strong> kaum noch von seinen ehemaligen Anhängern <strong>und</strong><br />
Vertretern verteidigt wird. Bei dem in Rede stehenden Paradigma handelt<br />
es sich um den kontingenztheoretischen oder auch situativen Ansatz, der<br />
in den 60er Jahren zunächst im angelsächsischen Sprachraum seinen Siegeszug<br />
antrat <strong>und</strong> mit der üblichen Verzögerung auch in der westdeutschen<br />
Forschungslandschaft, <strong>und</strong> zwar vor allem von der Betriebswirtschaftslehre,<br />
rezipiert wurde. Die gegenwärtige Situation ist jedoch, so<br />
scheint es, nicht nur durch eine ausgeprägte Krise dieses Paradigmas gekennzeichnet.<br />
Von einflußreichen Theoretikern wird gleichzeitig eine<br />
Krise des Organisationsdenkens überhaupt konstatiert, die nicht nur auf<br />
der theoretischen, sondern auch auf der praktischen Ebene angesiedelt sei<br />
(Benson 1983). Die Krise der Organisationspraxis verweist auf einschneidende<br />
Veränderungen der gegenwärtigen sozio-ökonomischen Bedingungen<br />
(s. Kapitel 5 <strong>und</strong> 7) <strong>und</strong> manifestiert sich u.a. im nicht mehr überschaubaren<br />
Angebot an vermeintlichen Problemlösungskonzepten professionalisierter<br />
Organisations- bzw. Unternehmensberater. Die Krise der<br />
Theoriebildung zeigt sich an einer bemerkenswerten Vielfalt von alternativen<br />
Ansätzen, die sich um neue Sichtweisen <strong>und</strong> Fragerichtungen bemühen.<br />
Obwohl zahlreiche dieser sich kritisch auf den situativen Ansatz beziehenden<br />
Beiträge häufig genug kaum über programmatische Aussagen<br />
hinausgekommen sind, müssen nach unserem Eindruck viele der dabei<br />
vorgebrachten Einwände ernst genommen werden (s.u.). Gleichzeitig stellt<br />
sich jedoch auch die Frage, wie mit den Ergebnissen von den Studien <strong>und</strong><br />
Untersuchungen umzugehen ist, deren theoretischer Bezugsrahmen mittlerweile<br />
völlig diskreditiert scheint. Da es nach unserem Eindruck in der<br />
"post-kontingenztheoretischen" Literatur bislang an Untersuchungen zur<br />
hier interessierenden Innovationsthematik mangelt, stellt sich dieses Problem<br />
bei der von uns verfolgten Fragestellung besonders nachhaltig. Wir<br />
haben uns unter diesen Bedingungen dafür entschieden, wenigsten diejenigen<br />
Arbeiten zu diskutieren, die auf zentrale Organisationsprobleme innovationsorientierter<br />
Unternehmen aufmerksam machen <strong>und</strong> auf potentielle<br />
Lösungsstrategien eingehen. Es handelt sich dabei im einzelnen um<br />
die Arbeiten von Burns <strong>und</strong> Stalker (1961); Lawrence <strong>und</strong> Lorsch (1967)<br />
sowie von Zaltman u.a. (1973), die alle mehr oder weniger explizit der<br />
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Frage nachgehen, mit welchen Mitteln das Management die Einbindung<br />
innovativer Arbeitsaufgaben in die Organisationsstruktur industrieller Unternehmen<br />
bewerkstelligt <strong>und</strong> dabei eine Balance zwischen den widersprüchlichen<br />
Anforderungen operativer Effizienz einerseits <strong>und</strong> Innovationsfähigkeit<br />
andererseits aufrechterhalten kann.<br />
Wichtige Aufschlüsse über die Konsequenzen der "Institutionalisierung<br />
der Innovation" (Kieser 1984) in Industrieunternehmen versprechen insbesondere<br />
Arbeiten der sozialwissenschaftlichen Organisationsforschung.<br />
Zwar galt die Planung <strong>und</strong> Kontrolle von Invention <strong>und</strong> Innovation aufgr<strong>und</strong><br />
ihres vermeintlich irrationalen Charakters lange Zeit als <strong>und</strong>urchführbar.<br />
Die Auffassung,<br />
"daß die Entdeckung einzig das Kind der Imagination sei, daß Forschung<br />
jeder Organisation spotte <strong>und</strong> daß jedes Bemühen, die wissenschaftliche<br />
Arbeit zu rationalisieren, eine bürokratische Maßnahme sei, die nur die<br />
geistige Freiheit des Wissenschaftlers <strong>und</strong> folglich den Prozeß der Entdekkung<br />
selbst beeinträchtigen könne" (Langier, zitiert nach Krauch 1970, S.<br />
17),<br />
erfreute sich breiter Anerkennung. Aber inzwischen wird allgemein akzeptiert,<br />
daß die Entstehung <strong>und</strong> Durchsetzung technologischer Innovationen<br />
immer weniger als das Werk heroischer Einzelpersonen, sei es der geniale<br />
Einzelerfinder, sei es der schöpferisch tätige Unternehmer, angesehen<br />
werden kann, sondern zunehmend als das Produkt kollektiver Anstrengungen<br />
innerhalb von komplexen organisatorischen Kontexten aufzufassen<br />
ist. Dennoch muß die Organisation von wissenschaftlich-technischer Industrieforschung<br />
als paradoxer Prozeß verstanden werden "i.S.v.: 'Industrialisierung<br />
der Wissenschaft' ist 'von der Sache her' unmöglich <strong>und</strong> sie vollzieht<br />
sich zugleich in den Industrielabors alltäglich dauerhaft <strong>und</strong> verbindlich"<br />
(Hack 1984, S. 176).<br />
Im Zuge der seit den 50er Jahren forcierten systematischen betriebswirtschaftlichen<br />
Analyse der Industrieforschung hat die Frage nach den für innovative<br />
Zwecke geeigneten Organisationsformen innerhalb der Organisationsforschung<br />
an Bedeutung gewonnen. Es gilt als ausgemacht, daß Organisationsstrukturen<br />
zu den maßgeblichen Faktoren gehören, die die Innovationsfähigkeit<br />
von Organisationen unmittelbar beeinflussen (Müller,<br />
Schienstock 1978). Allerdings überwiegen in diesem Zusammenhang Hypothesen<br />
<strong>und</strong> Konzepte, die sich auf die verschiedensten Innovationsfor-<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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men in generell allen Arten von Organisationen, angefangen von Krankenhäusern<br />
<strong>und</strong> Schulen bis hin zu Forschungsinstituten <strong>und</strong> Industrieunternehmen,<br />
beziehen (Zaltman u.a. 1973). Daraus resultieren meist<br />
Aussagen auf sehr hohem Abstraktionsniveau, die notwendigerweise den<br />
bedeutsamen Unterschieden zwischen verschiedenen Innovationsarten<br />
sowie zwischen privatwirtschaftlichen <strong>und</strong> öffentlichen Organisationen<br />
kaum gerecht werden können.<br />
Wichtiger als diese auf die Schaffung einer allgemeinen innovationsorientierten<br />
Organisationstheorie gerichteten Versuche sind für die hier verfolgte<br />
Fragestellung diejenigen Ansätze, die sich explizit mit dem Innovationsgeschehen<br />
in Industrieunternehmen befassen. An prominenter Stelle<br />
steht dabei eine Studie, die zu folgender Diagnose kommt:<br />
"There are signs that industry organized according to principles of bureaucracy<br />
- by now traditional - is no longer able to accomodate the new<br />
elements of industrial life in the affluent second half of the twentieth century.<br />
These new demands are made by large-scale research and development<br />
and by industry's new relationship with its markets. Both demand a<br />
much greater flexibility in internal organization, much higher levels of<br />
commitment to the commercial aims of the company from all its members,<br />
and an even higher proportion of administrators, controllers and monitors<br />
to operatives."<br />
Diese, aus heutiger Sicht sehr aktuell anmutende Auffassung vertrat der<br />
britische Organisationssoziologe Tom Burns im Jahre 1963 (Burns 1963)<br />
<strong>und</strong> bezog sich dabei auf die Ergebnisse einer bereits in den 50er Jahren<br />
gemeinsam mit G.M. Stalker durchgeführten Untersuchung in der englischen<br />
<strong>und</strong> der sich herausbildenden schottischen Elektroindustrie. Die Autoren<br />
stellten die These auf, daß unter den Bedingungen eines beschleunigten<br />
technologischen Wandels <strong>und</strong> bei rasch wechselnden Marktbedingungen<br />
anstelle einer stark formalisierten <strong>und</strong> zentralisierten ("mechanistisch-bürokratischen")<br />
Organisationsstruktur ein flexibles <strong>und</strong> anpassungsfähiges<br />
("organisches") Struktur- <strong>und</strong> Managementsystem geeigneter<br />
sei. Bürokratische Strukturen seien zwar lange Zeit sehr effizient gewesen,<br />
könnten jedoch die angesichts des raschen technologischen Wandels notwendig<br />
gewordene Flexibilität nicht sichern. Ob die Einführung eines flexibleren<br />
Organisationstyps jedoch eine notwendige oder lediglich eine<br />
mögliche unternehmensstrategische Maßnahme ist, blieb von den Autoren<br />
eigentümlich unbestimmt (Crozier, Friedberg 1979). Allerdings legen viele<br />
ihrer Aussagen die Interpretation nahe, daß sich unter bestimmten Um-<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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Weitbedingungen auch bestimmte Strukturformen mehr oder weniger<br />
zwangsläufig herausbilden. Dem entgegenstehende Äußerungen, die z.B.<br />
den politischen Charakter von Organisationsentscheidungen betonen<br />
(s.u.), wurden in der organisationstheoretischen Rezeption dieser Studie<br />
freilich meist vernachlässigt. Die Eigenschaften organischer <strong>und</strong> mechanistischer<br />
Strukturen kann die nachfolgende Abbildung (Abb. 3.1) verdeutlichen.<br />
Die Beschreibung des "organischen" Organisationstypus deutet auf eine<br />
gr<strong>und</strong>legende Umstrukturierung der gesamten bürokratischen <strong>Unternehmensorganisation</strong><br />
hin, die sich in verschiedenen Dimensionen niederschlägt.<br />
Von Bedeutung sind vor allem: (1) Veränderungen in den Leitungs-<br />
<strong>und</strong> Autoritätsstrukturen, wobei die Beziehungen zwischen Vorgesetzten<br />
<strong>und</strong> Untergebenen eher den Charakter von Beratungen als den<br />
von Anordnungen haben; (2) Wandel der Beziehungen zwischen unterschiedlichen<br />
Unternehmensbereichen, wobei mehr Wert auf die direkte<br />
Kommunikation <strong>und</strong> Interaktion zwischen den verschiedenen Stellen unter<br />
zeitweiliger Umgehung des Instanzenwegs gelegt wird (laterale Kommunikations-<br />
<strong>und</strong> Interaktionsmuster). Das gilt besonders für das potentiell<br />
konfliktreiche Zusammenspiel zwischen dem Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungsbereich<br />
einerseits <strong>und</strong> dem Fertigungsbereich andererseits; (3) Veränderungen<br />
auf der Ebene des Arbeitsprozesses, <strong>und</strong> zwar auf unterschiedlichen<br />
Hierarchieebenen, wobei auf die exakte Festlegung der einzelnen<br />
Arbeitsplätze <strong>und</strong> der entsprechenden Aufgabenzusammensetzung<br />
verzichtet wird.<br />
Es ist wahrscheinlich kein Zufall, daß Kritik an bürokratischen Organisationsmustern<br />
ausgerechnet im Rahmen einer Studie geäußert wird, die<br />
sich mit Organisationsproblemen in der Elektroindustrie beschäftigt. Zumindest<br />
die britische Elektroindustrie befand sich nach dem Zweiten<br />
Weltkrieg in einer Umbruchsituation (ausgelöst durch den Rückgang militärischer<br />
<strong>und</strong> staatlicher Forschungsinteressen), die von Burns <strong>und</strong> Stalker<br />
vor allem unter dem Gesichtspunkt des technologischen Innovationsgeschehens<br />
<strong>und</strong> der Marktbedingungen betrachtet wurde:<br />
"When novelty and unfamiliarity in both market situation and technical information<br />
become the accepted order of things, a f<strong>und</strong>amentally différent<br />
kind of management System becomes appropriate from that which applies<br />
to a relatively stable commercial technical environment" (Burns, Stalker<br />
1971, S. VII).<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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Die Studie von Burns <strong>und</strong> Stalker läßt sich somit als Versuch lesen, den<br />
Grenzen bürokratisch-tayloristischer Organisations- <strong>und</strong> Arbeitsstrukturen<br />
auf die Spur zu kommen. Das ist nicht zuletzt deshalb von Interesse, da die<br />
in Rede stehenden Bedingungen - rasche Veränderungen der Märkte,<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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Produkt- <strong>und</strong> Prozeßtechnologien - auch bzw. vor allem für die aktuelle<br />
ökonomische Situation kennzeichnend sind. Allerdings dürften die Unternehmen<br />
heute durch den Übergang von der Elektromechanik zur Elektronik<br />
<strong>und</strong> die Bedeutungsverschiebung von der Hardware zur Software sowie<br />
durch die Globalisierung des Wettbewerbs vor sehr viel höheren Anforderungen<br />
stehen als die von Burns <strong>und</strong> Stalker in den 50er Jahren untersuchten<br />
Firmen (s. Kapitel 5). Hinzu kommen erhebliche Veränderungen<br />
in den Beschäftigungsstrukturen der Unternehmen <strong>und</strong> die Implikationen<br />
der zunehmenden Informatisierung in allen betrieblichen Bereichen.<br />
Die von Burns <strong>und</strong> Stalker ausgesprochenen Gestaltungsempfehlungen<br />
vermitteln den Eindruck, daß Unternehmen, die sich einer durch hohe<br />
technologische <strong>und</strong> kommerzielle Dynamik bestimmten Umwelt gegenüber<br />
sehen, ihre gesamte Organisationsstruktur auf diese Bedingungen<br />
einzustellen hätten. Innovationsorientierte Unternehmen wären demnach<br />
wesentlich durch die Ausprägungen ihrer Gesamtorganisation von Unternehmen<br />
unterschieden, für die die Erzeugung technologischer Innovationen<br />
keine oder nur eine marginale Rolle spielt. Eine derartige Auffassung<br />
wird allerdings durch die Ergebnisse anderer organisationstheoretischer<br />
Arbeiten in Frage gestellt. Zu diskutieren sind deshalb (1) die einflußreiche<br />
Studie von Lawrence <strong>und</strong> Lorsch (1967), die der Frage nachgeht, ob<br />
unterschiedliche Umweltsektoren auch unterschiedliche Organisationsformen<br />
in verschiedenen Organisationsbereichen erfordern, sowie (2) die<br />
Arbeit zum "innovatorischen Dilemma" von Zaltman u.a. (1973), die den<br />
Prozeßcharakter von Innovationsvorhaben zum Ausgangspunkt von Gestaltungsempfehlungen<br />
macht.<br />
(1) Gegen den Ansatz, Organisation <strong>und</strong> Organisationsumwelt als jeweils<br />
monolithischen Block zu begreifen, wendet sich die Untersuchung von<br />
Lawrence <strong>und</strong> Lorsch (1967), die sowohl die Umwelt als auch die Organisationsstruktur<br />
nicht nur global (im Hinblick auf das Gesamtsystem), sondern<br />
auch sektoral (im Hinblick auf die Subsysteme) betrachtet. Die Autoren<br />
zählen neben Produktion <strong>und</strong> Absatz auch Forschung <strong>und</strong> Entwicklung<br />
zu den zentralen Subsystemen industrieller Unternehmen, denen bestimmte<br />
Umweltsektoren zugeordnet werden, die sich durch den jeweiligen<br />
Grad an Unsicherheit unterscheiden (Abb. 3.2).<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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Lawrence <strong>und</strong> Lorsch kamen zu dem Ergebnis, daß Unternehmen unter<br />
den Bedingungen eines raschen technologischen Wandels <strong>und</strong> häufiger<br />
Produktmodifikation <strong>und</strong> -innovation die Funktion der Innovationsbewältigung<br />
an besondere Organisationseinheiten übertragen (in der Regel<br />
FuE-Abteilungen), die dann im Vergleich zu den übrigen Abteilungen<br />
(z.B. Absatz <strong>und</strong> Produktion) eine geringere formale Strukturierung auf-<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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weisen. Unternehmen, für die technisch-wissenschaftliche Neuerungen als<br />
Handlungsparameter ihrer Strategien von Bedeutung sind, könnten sich<br />
demnach damit begnügen, anstelle der gesamten <strong>Unternehmensorganisation</strong><br />
lediglich den FuE-Bereich gemäß dem "organischen" Idealtypus zu<br />
strukturieren, während die übrigen Bereiche stärker "mechanistisch" zu<br />
organisieren wären. Diese Sichtweise kann im Gegensatz zu der von Burns<br />
<strong>und</strong> Stalker den Umstand berücksichtigen, daß die Gesamtorganisation<br />
von Unternehmen in der Regel nicht über alle Funktionsbereiche hinweg<br />
in gleicher Weise strukturiert ist, sondern bereichsspezifische Unterschiede<br />
aufweist.<br />
(2) Auch Überlegungen, wie sie innerhalb der Innovationstheorie zum<br />
Verhältnis von Organisationsstruktur <strong>und</strong> Innovation angestellt werden,<br />
sprechen gegen die Fruchtbarkeit einer pauschalierenden Betrachtung <strong>und</strong><br />
Charakterisierung der Gesamtorganisation. Unter Hinweis auf den Prozeßcharakter<br />
von Innovationen wird dort die These vertreten, daß für die<br />
einzelnen Phasen des Innovationsprozesses sehr unterschiedliche Organisationsformen<br />
förderlich seien. Bestimmte Ausprägungen der Organisationsstruktur,<br />
die während der Phase der Ideenfindung <strong>und</strong> Konzipierung<br />
von Innovationen als geeignet gelten, wie z.B. geringe Formalisierung <strong>und</strong><br />
Zentralisierung, hätten in der Phase der Einführung <strong>und</strong> Nutzung von Innovationen<br />
dysfunktionale Auswirkungen <strong>und</strong> umgekehrt. Dieser Zusammenhang<br />
wird von Zaltman u.a. als "organisatorisches" oder auch "innovatorisches"<br />
Dilemma bezeichnet:<br />
"It is important to note the innovation dilemma involved: the desireable<br />
degree of Organization that facilitates initiation is opposite those<br />
desireable in magnitude and direction to be operative during the Implementation<br />
stage" (Zaltman u.a. 1973, S. 159; Hervorhebungen von uns -<br />
DB/GM).<br />
Von einem Dilemma zu reden, macht jedoch nur dann Sinn, wenn man unterstellt,<br />
alle Unternehmensbereiche müßten gleichermaßen an der Ideengenerierung<br />
<strong>und</strong> Ideenimplementierung beteiligt sein. Zieht man dagegen<br />
das theoretische Modell von Lawrence <strong>und</strong> Lorsch zu Rate, dann ergibt<br />
sich eine einfache Lösung des Dilemmas: Die während der unterschiedlichen<br />
Phasen des Innovationsprozesses anfallenden Aufgaben werden an<br />
verschiedene Untereinheiten der Organisation übertragen. Abteilungen,<br />
die für die Ideengenerierung verantwortlich sind (in bezug auf technologische<br />
Innovationen gewöhnlich die Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungsabteilun-<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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gen), wären dementsprechend anders strukturiert als Abteilungen, die mit<br />
der Implementierung von Innovationen beschäftigt sind (etwa die Fertigungsabteilungen).<br />
Aus diesen Differenzen, so Lawrence <strong>und</strong> Lorsch, erwachsen<br />
jedoch Schwierigkeiten, da der Koordinationsbedarf zur Integration<br />
verschiedener Unternehmensfunktionen um so größer ist, je unterschiedlicher<br />
die jeweiligen Organisationsstrukturen sind. Schließt man sich<br />
dieser These an, dann besteht das Problem im Finden geeigneter Koordinationsinstrumente.<br />
Es stellt sich allerdings die Frage, inwieweit diese<br />
Überlegungen auch dann plausibel sind, wenn eine phasenspezifische Zuordnung<br />
von Organisationsbereichen nicht ohne weiteres unterstellt werden<br />
kann. Zudem gibt es eine Reihe von Hinweisen darauf, daß bestimmte<br />
Ausprägungen organisatorischer Merkmale nicht nur der Ideengenerierung,<br />
sondern auch der Ideenimplementierung förderlich sind (Kasper<br />
1982). Die pauschale Ablehnung bürokratisierter Regelungen für die<br />
Phase der Ideenfindung <strong>und</strong> Konzipierung von Innovationen wäre demnach<br />
ebenso verfehlt wie die <strong>und</strong>ifferenzierte Befürwortung hochgradig<br />
formalisierter Strukturen bei der Innovationseinführung. Vor dem Hintergr<strong>und</strong><br />
dieser Einwände haben einzelne Autoren sogar die provokative<br />
Frage aufgeworfen,<br />
"ob es sich bei diesem Paradigma (des organisatorischen Dilemmas)<br />
tatsächlich um ein reales Strukturierungsproblem innovationskompetenter<br />
Organisationen oder lediglich um ein Dilemma der organisationstheoretischen<br />
Innovationsforschung handelt" (Wicher 1985, S. 359).<br />
Eine überzeugende <strong>und</strong> empirisch abgesicherte Antwort dieser Frage steht<br />
allerdings einstweilen aus. Zwar scheint es plausibel, besondere Funktionserfordernisse<br />
innovativer Tätigkeiten im Unterschied zu routinemäßigen<br />
Tätigkeiten anzunehmen. Es fragt sich nur, worin diese Besonderheiten<br />
jeweils bestehen <strong>und</strong> auf welche Weise sie in bestimmten Phasen des<br />
Innovationsprozesses <strong>und</strong> in den verschiedenen Abteilungen innovierender<br />
Unternehmen auftreten <strong>und</strong> berücksichtigt werden müssen. Diese<br />
Probleme wollen wir jedoch vorerst zurückstellen (s. Teil D). An dieser<br />
Stelle soll zunächst auf einige Schwächen des theoretischen Bezugsrahmens<br />
der diskutierten Ansätze zur Organisations- <strong>und</strong> Innovationsproblematik<br />
eingegangen werden.<br />
Die vorgestellten Arbeiten können als Kritik an der von der traditionellen<br />
Management- <strong>und</strong> Organisationslehre vertretenen Annahme gelten, es<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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existiere eine, von den spezifischen Kontextbedingungen unabhängige, optimale<br />
Organisationsstruktur. Sie versuchen dagegen zu zeigen, daß je<br />
nach Umweltsituation <strong>und</strong> Art der Arbeitsaufgaben die effizienteste Organisationsform<br />
sehr unterschiedlich beschaffen sein kann. Die damit umrissene<br />
Betrachtungsweise, die zur Gr<strong>und</strong>lage des sogenannten situativen<br />
oder auch kontingenztheoretischen Ansatzes geworden ist, läßt sich vereinfacht<br />
in Form einer dreigliedrigen Wirkungskette darstellen:<br />
Situation<br />
der<br />
Organisation<br />
formale<br />
Organisationsstruktur<br />
Effizienz<br />
der<br />
Organisation<br />
Mit diesem Modell wird ein sehr einseitiges Verhältnis zwischen "Situation"<br />
<strong>und</strong> "Organisation" unterstellt sowie eine deterministische oder<br />
quasi-mechanistische Auffassung vertreten, derzufolge sich unter bestimmten<br />
Kontextbedingungen mehr oder weniger zwangsläufig bestimmte<br />
Strukturformen herausbilden. Dem Management wird in diesem Bezugsrahmen<br />
nur die Möglichkeit eingeräumt, die eine, unter den gegebenen<br />
Bedingungen richtige (d.h. effiziente), Organisationsentscheidung zu treffen<br />
oder Fehler zu machen. Nicht ohne Gr<strong>und</strong> hat sich der situative Ansatz<br />
damit den Vorwurf zugezogen, sowohl das Vorhandensein von Entscheidungsspielräumen<br />
bei der Organisationsgestaltung (funktionale Äquivalente)<br />
als auch von unternehmenspolitischen Einflußmöglichkeiten auf<br />
die Umwelt von vornherein auszuschließen.<br />
Kann diesen Kritikpunkten möglicherweise noch durch die Erweiterung<br />
<strong>und</strong> Modifizierung des situativen Gr<strong>und</strong>modells Rechnung getragen werden<br />
(vgl. Segler 1981), so wiegen andere Einwände ungleich schwerer.<br />
Dazu gehört z.B. der Vorwurf, aus den empirischen Ergebnissen der kontingenztheoretischen<br />
Forschung ließe sich nur der Schluß ziehen, daß weder<br />
die Situation die Organisationsstruktur, noch daß die Organisationsstruktur<br />
die Effizienz bestimme. Zu heterogen oder gar widersprüchlich<br />
seien die diversen Bef<strong>und</strong>e, um die behaupteten oder unterstellten Wirkungszusammenhänge<br />
überzeugend belegen zu können (Türk 1989).<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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Aus unserer Sicht scheint, ungeachtet der möglichen Relevanz methodischer<br />
Detailkritik, vor allem die Vernachlässigung der historischen <strong>und</strong> sozio-ökonomischen<br />
Bedingungen, die für die Entstehung <strong>und</strong> Entwicklung<br />
von Organisation bzw. Unternehmen von Bedeutung sind, entscheidend<br />
dazu beigetragen zu haben, daß der situative Ansatz mit seinen Ergebnissen<br />
in eine veritable Krise geraten ist. So fehlt ein tragfähiger gesellschaftstheoretischer<br />
Rahmen, um überhaupt erkennen <strong>und</strong> beurteilen zu<br />
können, was die beobachteten Differenzen <strong>und</strong> Widersprüche in den empirischen<br />
Bef<strong>und</strong>en bedeuten. Mit der fehlenden Bezugnahme auf die gesellschaftlichen<br />
Rahmenbedingungen geht die Nichtberücksichtigung von<br />
gesellschaftlichen Konstruktionsprinzipien vorfindbarer Organisationsstrukturen<br />
einher. Diese gesellschaftstheoretische Abstinenz (vgl. Zey-<br />
Ferrell, Aiken 1981) hängt wohl nicht unwesentlich damit zusammen, daß<br />
sich die situative Organisationstheorie bei ihrer Themenwahl allzu stark<br />
den Managementinteressen verpflichtet fühlt <strong>und</strong> sich deshalb von der<br />
Frage nach der möglichst effizienten Organisationsgestaltung leiten läßt,<br />
ohne die Spezifika des kapitalistischen Effizienzbegriffes zu reflektieren<br />
(Salaman 1979). Daß sich dabei Fragen der sozialen Herrschaft in Unternehmen,<br />
wie sie im Bereich der Industriesoziologie im Anschluß an Marx<br />
<strong>und</strong> Weber lange Zeit bearbeitet wurden, nicht mehr stellen, liegt auf der<br />
Hand (Clegg, Dunkerley 1980).<br />
Unter kapitalistischen Produktionsbedingungen, so die Einsicht sich kritisch<br />
verstehender Industriesoziologie, dienen organisatorische Strukturierungen<br />
nicht allein zur planvollen Koordination der einzelnen Teilarbeiten<br />
zu einem effizienten Gesamtprozeß. Viele der im Rahmen der sog. "labour<br />
process debate" entstandenen Arbeiten haben betriebliche Organisationsstrukturen<br />
als Mittel zur Kontrolle <strong>und</strong> Leitung einer potentiell widerspenstigen<br />
Arbeitskraft thematisiert (Braverman 1977; Edwards 1981).<br />
Damit wird ein zentrales Konstruktionsprinzip kapitalistischer Arbeitsorganisationen<br />
benannt, mit dem sich der Anschluß an die gesellschaftlichen<br />
Voraussetzungen der Organisation von Industrieunternehmen herstellen<br />
läßt. Wie neuere arbeitspolitische Ansätze gezeigt haben, darf diese kontrolltheoretische<br />
Perspektive allerdings nicht überzogen werden. Zu berücksichtigen<br />
sind insbesondere die inneren Widersprüche <strong>und</strong> Grenzen<br />
der vom Management verfolgten Organisationsstrategien wie auch das<br />
Belegschaftshandeln, das den Prozeß der Organisationsgestaltung mitbeeinflußt<br />
(vgl. Burawoy 1978; 1985).<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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Die Bedeutung des Einflusses unterschiedlicher betrieblicher Akteursgruppen<br />
auf die Entwicklung <strong>und</strong> den Bestand von organisatorischen<br />
Strukturierungen war bereits in der Studie von Burns <strong>und</strong> Stalker (1961)<br />
zum Vorschein gekommen. Im Gegensatz zu den Erwartungen der Autoren<br />
<strong>und</strong> letztlich auch im Gegensatz zum Tenor ihrer Hauptaussagen hatten<br />
keineswegs alle der von ihnen untersuchten Unternehmen angesichts<br />
der veränderten Umweltbedingungen den Übergang von einer mechanistischen<br />
zu einer organischen Organisationsstruktur vollzogen. Statt dessen<br />
konnte in einigen Fällen der Versuch beobachtet werden, den neuen Gegebenheiten<br />
mit einer Verschärfung der bürokratischen Organisationsgestaltung<br />
zu begegnen. Dieses Festhalten an vermeintlich bewährten Organisationsprinzipien<br />
galt den Autoren als dysfunktionale bzw. pathologische<br />
Form des mechanistischen Organisationssystems <strong>und</strong> wurde mit den Funktionsweisen<br />
der in den betreffenden Unternehmen bestehenden Macht<strong>und</strong><br />
Prestigesysteme erklärt. Dieser Bef<strong>und</strong> läßt erhebliche Zweifel an der<br />
unterstellten Anpassungsnotwendigkeit der Organisationsform an Veränderungen<br />
der Umwelt aufkommen. Statt einer zwangsläufigen Adaption<br />
an veränderte Umweltbedingungen zeigt sich hier vielmehr der politische<br />
Charakter von Gestaltungsentscheidungen sowie ein Spielraum, über den<br />
Unternehmen gegenüber äußeren Anforderungen verfügen (Crozier,<br />
Friedberg 1979).<br />
Auf die Existenz von Entscheidungsspielräumen <strong>und</strong> die Bedeutung strategischer<br />
Wahlmöglichkeiten der innerhalb eines Unternehmens "dominierenden<br />
Koalition" oder "Kerngruppe" hatte Child bereits in einem vielbeachteten,<br />
1972 veröffentlichten Aufsatz hingewiesen, der eine Kritik der<br />
quasi-deterministischen Situation-Struktur-Modelle beinhaltet. Child führte<br />
bestehende Gestaltungsmöglichkeiten nicht allein auf das Vorhandensein<br />
funktionaler Äquivalente zurück, sondern betonte die in diesem Zusammenhang<br />
bedeutsamen Auswirkungen von umweltbezogenen Strategien,<br />
durch die eine Organisation das Ausmaß an Komplexität <strong>und</strong> Dynamik<br />
seiner Umwelt beeinflussen kann. Darüber hinaus relativierte er die<br />
effizienzbezogenen Wirkungen von Organisationsstrukturen <strong>und</strong> benannte<br />
neben der Wahl der Produkt-Markt-Strategie <strong>und</strong> der Struktur noch weitere<br />
organisationale Aktionsparameter wie Betriebsgröße, Technologie<br />
<strong>und</strong> personelle Ressourcen (Child 1972). Damit erweiterte Child das<br />
Spektrum der bedeutsamen Variablen gegenüber dem simplen Kontext-<br />
Struktur-Modell ganz erheblich. Gleichzeitig versuchte er, nicht nur deterministische<br />
Beziehungen zwischen den Variablen, sondern auch Rück-<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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koppelungsbeziehungen zu berücksichtigen. Trotz der verschiedentlich kritisierten<br />
Vagheit der von Child verwendeten Begriffe (Montanari 1979)<br />
war sein Modell Orientierungsrahmen für weitere Ansätze, denen es um<br />
eine präzisere Fassung einzelner Aspekte geht. Erwähnt sei nur der Ansatz<br />
von Miles <strong>und</strong> Snow (1978), der um den Nachweis bemüht ist, daß<br />
auch innerhalb einer Branche sehr unterschiedliche Strategie-Struktur-<br />
Kombinationen beobachtbar <strong>und</strong> überlebensfähig sind. Außerdem versuchen<br />
die Autoren herauszuarbeiten, daß es in Unternehmen längerfristig<br />
nicht nur um die organisatorische Anpassung an vorausgegangene strategische<br />
Entscheidungen, sondern auch um einen organisatorischen Vorlauf<br />
für zukünftige Strategien geht (Welge 1987, S. 215). Strategische Entscheidungen,<br />
so kann daraus gefolgert werden, werden selbst wieder von der<br />
bestehenden Organisationsstruktur geprägt. Offen bleibt jedoch auch in<br />
diesem Ansatz, woher Strategien kommen <strong>und</strong> wodurch die Prozesse bestimmt<br />
werden, in denen Strategien, Strukturen <strong>und</strong> Situationsbedingungen<br />
aufeinander abgestimmt bzw. wie bestehende Gestaltungsmöglichkeiten<br />
wieder geschlossen werden (Kieser, Kubicek 1983).<br />
Wie schon erwähnt, plädiert der situative Ansatz für die Überwindung von<br />
Gestaltungsempfehlungen mit universalistischem Geltungsanspruch <strong>und</strong><br />
setzt statt dessen auf situationsgerechte Strukturentscheidungen, die unter<br />
je spezifischen Kontextbedingungen optimale organisatorische Lösungen<br />
herbeiführen. Dadurch vernachlässigt er jedoch eine Einsicht, zu der organisationstheoretische<br />
Beiträge gekommen sind, die den Vor- <strong>und</strong> Nachteilen<br />
bestimmter Organisationsformen nachgehen: Es existieren keine in<br />
sich problemlosen Organisationsformen (vgl. z.B. Eisenführ 1970; für den<br />
FuE-Bereich Kern, Schröder 1977). Mit jeder Organisationsentscheidung,<br />
die sich als Lösungsversuch eines bestimmten Problems versteht, sind wieder<br />
neue Probleme verb<strong>und</strong>en. Renate Mayntz (1985) hat diesen Zusammenhang<br />
am Beispiel der Forschungsorganisation untersucht. Sie vertritt<br />
in ihrer Studie die These, "daß jede organisatorische Lösung spannungsgeladen<br />
ist <strong>und</strong> daß deshalb das Management fortdauernd mit der Bewältigung<br />
dieser Spannungen zu tun hat" (S. 32). Für alle Arten von Forschungseinrichtungen<br />
sieht sie diese Gr<strong>und</strong>spannung "im Tatbestand der<br />
betriebsförmigen Organisation von Forschungstätigkeit schlechthin beschlossen"<br />
(S. 35). Der Widerspruch zwischen den ein besonderes Maß an<br />
Autonomie verlangenden Forschungsaufgaben <strong>und</strong> den mit jeder Art von<br />
Betriebsförmigkeit verb<strong>und</strong>enen Regeln könne nicht durch eine an einem<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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estimmten Punkt getroffene "richtige" Organisationsentscheidung gelöst<br />
werden, sondern bedürfe der fortlaufenden tagtäglichen Bewältigung.<br />
Diese Aussagen sind unter dem Gesichtspunkt der Beurteilung <strong>und</strong> Relativierung<br />
von in der Managementliteratur zu Hauf angebotenen organisatorischen<br />
Problemlösungen als äußerst hilfreich anzusehen. Es ist allerdings<br />
zu bezweifeln, ob die angesprochenen, nicht aufhebbaren Spannungen<br />
allein in der Sache selbst begründet sind. Eine gewichtige Rolle dürften<br />
auch die bestehenden Interessenunterschiede zwischen lohnabhängiger<br />
Arbeit <strong>und</strong> dem Management spielen. Die nicht unerheblichen Bemühungen<br />
des Managements zur Kontrolle von Arbeitskraft, die ein gleichmäßig<br />
hohes Intensitätsniveau der Arbeitsanstrengungen sichern sollen, sprechen<br />
für diese Annahme. Dabei muß freilich auf die Differenzen geachtet werden,<br />
die zwischen unterschiedlichen Beschäftigtengruppen bestehen <strong>und</strong><br />
die von manchen Autoren mit dem Klassencharakter kapitalistischer Gesellschaften<br />
erklärt werden (Salaman 1981). So lassen sich z.B. unterschiedliche<br />
Kontrollstrategien im Bereich wissenschaftlich-technischer Arbeit<br />
einerseits <strong>und</strong> materieller Arbeit andererseits beobachten (Fox 1974;<br />
Friedman 1977). Gleichwohl ist auch hierbei vor dem Mißverständnis zu<br />
warnen, Widerstände gegen das Management ließen sich definitiv beseitigen,<br />
wenn nur geeignete Kontrollstrategien zur Anwendung kämen (Child<br />
1984).<br />
Resümierend läßt sich festhalten, daß die hier diskutierten alternativen<br />
Ansätze Einsichten in die Konstruktionsprinzipien <strong>und</strong> den Charakter von<br />
formalen Organisationsstrukturen eröffnen, die der situative Ansatz nicht<br />
bieten kann. Erhellt wird neben der "Unvollständigkeit" <strong>und</strong> Widersprüchlichkeit<br />
organisatorischer Strukturierungen vor allem die Bedeutung einer<br />
Arena organisatorischen Handelns, die jenseits der offiziellen, in Handbüchern<br />
<strong>und</strong> Organigrammen festgelegten Organisationsstrukturen liegt.<br />
Dieses Handeln, das konfliktorischen wie kooperativen Charakter besitzen<br />
kann <strong>und</strong> dem unterschiedliche Ziele <strong>und</strong> Interesse zugr<strong>und</strong>e liegen, kann<br />
seinerseits wieder Einfluß auf die Ausgestaltung offizieller Organisationsstrukturen<br />
haben. Angenommen wird damit also nicht eine Dualität zwischen<br />
formaler <strong>und</strong> informeller Organisation, sondern eine dialektische<br />
Beziehung zwischen den offiziellen organisatorischen Regelungen <strong>und</strong><br />
dem Handeln unterschiedlicher Akteure mit divergierenden Zielen <strong>und</strong><br />
Zwecken (vgl. Watson 1980).<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
Unser Anliegen war hier nicht, eine umfassende Kritik der lange Zeit dominierenden<br />
Variante organisationstheoretischer Forschung zu liefern<br />
<strong>und</strong> eine Bestandsaufnahme der dazu bislang vorliegenden Beiträge <strong>und</strong><br />
Alternativansätze durchzuführen (vgl. dazu Türk 1989). Uns ging es vielmehr<br />
darum, einige aus unserer Sicht triftige Einwände gegenüber dem<br />
die Organisationstheorie lange beherrschenden situativen Ansatz zu reflektieren,<br />
um seinen Erklärungsdefiziten auf die Spur zu kommen. Bei<br />
allen Vorbehalten, die man deshalb gegenüber den Ergebnissen dieser<br />
Forschungstradition haben muß, läßt sich aus ihnen <strong>und</strong> der sich daran anschließenden<br />
Kritik doch eine Reihe von wichtigen Hinweisen entnehmen,<br />
die für unser Thema von Bedeutung sind: Spätestens mit dem Wechsel<br />
von der Perspektive des geschlossenen Systems zur Perspektive des offenen<br />
Systems (Scott 1986) hat sich die Organisationstheorie auch intensiver<br />
mit der Frage beschäftigt, ob es ein organisatorisches Dilemma zwischen<br />
operativer Stabilität <strong>und</strong> innovatorischer Dynamik bzw. zwischen Routineverrichtungen<br />
<strong>und</strong> innovatorischen Arbeitsaufgaben gibt <strong>und</strong> wie es ggf. zu<br />
bewältigen ist. Zwar läßt sich über die von den verschiedenen Ansätzen<br />
vorgeschlagenen Problemdefinitionen <strong>und</strong> Lösungsmöglichkeiten diskutieren.<br />
Wichtiger ist jedoch, daß die aufgeworfene Fragestellung auf ein Problem<br />
verweist, nämlich die Integration <strong>und</strong> Nutzung innovativer Potentiale<br />
in formalen Organisationen, das, obwohl es an Brisanz gewonnen hat,<br />
theoretisch bislang nicht befriedigend gelöst werden konnte.<br />
Gerade in einer Situation, in der Rationalisierungsstrategien zunehmend<br />
auf die Reorganisation des Gesamtunternehmens sowie der unternehmensübergreifenden<br />
Arrangements zielen, erscheint uns auch das breitere<br />
Rationalisierungsverständnis der Organisationstheorie hilfreich zu sein.<br />
Anders als die Industriesoziologie, die sich erst in jüngster Zeit wieder um<br />
die Formulierung eines umfassenderen Rationalisierungsbegriffs bemüht<br />
(s. Kapitel 4), hat die Organisationsforschung sich nicht auf die Ebene des<br />
Produktionsprozesses konzentriert, sondern meist die gesamte Organisation<br />
in den Blick genommen (Engfer 1989). Bei dieser Sichtweise ist die<br />
Reorganisation bzw. Rationalisierung des unmittelbaren Produktionsprozesses<br />
nur ein Moment unter anderen. Die Ausblendung wichtiger Bereiche<br />
<strong>und</strong> hierarchischer Ebenen der <strong>Unternehmensorganisation</strong>, deren Betrachtung<br />
notwendig ist, um den Stellenwert von Veränderungen auf der<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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Ebene des Arbeitsprozesses adäquat einschätzen zu können, kann so vermieden<br />
werden. 11<br />
Von Bedeutung sind ebenfalls die zuerst von Child vorgebrachten Einwände<br />
gegen die deterministische Erklärung von Unternehmensstrukturen<br />
durch Umweltbedingungen. Obwohl hier weder die an diese Kritik anknüpfende<br />
Literatur in gebührender Weise diskutiert, noch zur Weiterentwicklung<br />
dieses theoretischen Ansatzes beigetragen werden kann,<br />
erscheint uns die Einsicht wichtig, daß (Groß-)Unternehmen nicht als<br />
bloße Umweltanpasser zu verstehen, sondern ihre strategischen Möglichkeiten<br />
zur Umweltwahl <strong>und</strong> -Veränderung zu berücksichtigen sind.<br />
Schließlich ist der angesprochene Hinweis auf die inhärente Widersprüchlichkeit<br />
<strong>und</strong> Spannungsgeladenheit organisatorischer Regelungen außerordentlich<br />
wichtig. Offenk<strong>und</strong>ig gibt es nicht nur keinen "one best way" des<br />
Organisierens, sondern auch keine Organisationsstrukturen, die neben<br />
Stärken nicht auch Schwächen aufweisen. Reorganisationsmaßnahmen<br />
sind demnach immer nur scheinbar endgültige Problemlösungen, die keineswegs<br />
allein aufgr<strong>und</strong> des Wandels organisationsexterner Bedingungen<br />
unter Veränderungsdruck geraten. Organisationsformen, die eigentlich<br />
Probleme beseitigen sollen, scheinen vielmehr immer wieder aufs neue<br />
welche aufzuwerfen (s. Kapitel 8 <strong>und</strong> 9). Ein Gutteil des manageriellen<br />
Tagesgeschäfts dürfte mit Bemühungen ausgefüllt sein, diese Paradoxie<br />
jedweder organisatorischen Lösung zu bearbeiten.<br />
3.4 Zur historischen Entwicklung des Innovationsproblems in der<br />
Industrie<br />
Die organisationstheoretische Diskussion zur Innovationsproblematik<br />
verlief nicht im luftleeren Raum, sondern kann als Reaktion auf sich real<br />
vollziehende Veränderungen begriffen werden. Im folgenden soll deshalb<br />
auf die historische Entwicklung der "Institutionalisierung von Innovation"<br />
in der <strong>Unternehmensorganisation</strong> eingegangen werden.<br />
11 Allerdings muß hinzugefügt werden, daß zumindest die hier diskutierten organisationstheoretischen<br />
Ansätze dieses Potential nicht voll ausgeschöpft haben.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
3.4.1 Wissenschaftsbasierte Industrien<br />
Die Institutionalisierung industrieller Forschungslaboratorien setzte in<br />
den letzten beiden Jahrzehnten des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts ein. Es ist keineswegs<br />
zufällig, daß diese Entwicklung in der Chemischen <strong>und</strong> der Elektrotechnischen<br />
Industrie ihren Ausgang genommen hat, da sich der "technische<br />
Fortschritt" innerhalb dieser beiden Branchen von Anfang an durch einen<br />
engen Wissenschaftsbezug auszeichnete.<br />
"Insbesondere die Starkstromtechnik, die synthetische Chemie, die physikalisch<br />
begründete Optik <strong>und</strong> die verschiedenen Formen der großtechnischen<br />
Verfahren setzten von Anbeginn wissenschaftliche Theorien <strong>und</strong><br />
Methoden sowie entsprechende Meßverfahren <strong>und</strong> -instrumente voraus<br />
(Hack 1988, S. 30; Hervorhebungen im Original).<br />
Spätestens am Ende der 20er Jahre verfügten Großkonzerne wie General<br />
Electric, American Telephone and Telegraph oder Du Pont in den USA<br />
<strong>und</strong> Siemens, AEG, Hoechst oder BASF in Deutschland über firmeneigene<br />
Forschungslaboratorien. Zweifellos haben das Wachstum des industriellen<br />
FuE-Potentials <strong>und</strong> die damit verb<strong>und</strong>enen Veränderungen in<br />
den Wettbewerbsformen Großunternehmen begünstigt <strong>und</strong> den Prozeß<br />
der wirtschaftlichen Konzentration beschleunigt. Zumindest wurde die<br />
Elektrotechnische <strong>und</strong> die Chemische Industrie in Deutschland <strong>und</strong> den<br />
USA schon bald nach der Jahrh<strong>und</strong>ertwende von einigen wenigen (Universal-)Firmen<br />
beherrscht (vgl. Czada 1969). Daraus ist jedoch nicht zu<br />
folgern, daß FuE-Abteilungen generell zur notwendigen Voraussetzung für<br />
die Hervorbringung technologischer Innovationen geworden wären. So<br />
verdanken z.B. einige der erfolgreichsten Elektronikunternehmen der 70er<br />
<strong>und</strong> 80er Jahre wie Apple oder Hewlett-Packard ihre ersten Erfolge keineswegs<br />
ausgebauten FuE-Apparaten. 12<br />
Obwohl sich die Zahl der Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungslaboratorien im<br />
privaten Sektor seit dem Ende des Ersten Weltkriegs bis heute enorm erhöht<br />
hat (vgl. Rammert 1983, S. 98), darf zweierlei nicht übersehen werden:<br />
12 Gleichwohl profitierten sie von den Ergebnissen der Halbleiterforschung, die<br />
vorwiegend in großindustriellen Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungseinrichtungen<br />
vorangetrieben wurde.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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(1) Die geringe wissenschaftliche Bedeutung der von den Unternehmen<br />
neu gegründeten Forschungslabors:<br />
"Only a few of these new (R&D) facilities engaged in research of any<br />
scientific consequence. (...) Most of the so-called research laboratories<br />
were actually used for the numbler purposes of product testing and market<br />
support" (Graham 1985a, S. 50).<br />
(2) Diese Entwicklung verlief auch nicht ohne Brüche <strong>und</strong> Rückschläge. So<br />
wurde die Wachstumsdynamik des industriellen FuE-Potentials zum ersten<br />
Mal durch die Weltwirtschaftskrise gebremst.<br />
"Zunehmende Absatzschwierigkeiten im Zusammenhang mit der Weltwirtschaftskrise<br />
veranlaßten die Unternehmen, Kosten einzusparen, wovon<br />
auch das forschende Personal betroffen war" (Eckert, Schubert 1986, S.<br />
133).<br />
Forschung <strong>und</strong> Entwicklung als ausdifferenzierte Unternehmensfunktionen<br />
verloren dabei zeitweilig ihren Ruf als Versicherung gegen ökonomische<br />
Einbrüche. Auch der eigentlichen Wachstumsperiode organisierter<br />
Industrieforschung, die zu Beginn der 50er Jahre einsetzte, ging eine<br />
(wenn auch kurze) Phase voraus, die aufgr<strong>und</strong> der vorübergehenden Kürzung<br />
staatlicher bzw. militärischer Forschungsausgaben durch eine gewisse<br />
Zurückhaltung auf der Unternehmensseite geprägt war. 13<br />
Ähnliches gilt<br />
für den Zeitraum zwischen 1966 <strong>und</strong> 1975 in bezug auf die staatliche Unterstützung<br />
der Industrieforschung in den USA (Graham 1985b).<br />
Trotzdem kann festgehalten werden, daß sich im Laufe der letzten 100<br />
Jahre durch die Institutionalisierung technologischer Innovationen in Privatunternehmen<br />
ein Heer von Technikern, Ingenieuren <strong>und</strong> Wissenschaftlern<br />
herausgebildet hat, das in industriellen Kontexten wissenschaftlich-technische<br />
Problemstellungen <strong>und</strong> Anforderungen systematisch bearbeitet.<br />
Dabei haben bis in die Gegenwart hinein die Chemische <strong>und</strong> die<br />
Elektrotechnische Industrie eine Spitzenposition in Hinblick auf die Höhe<br />
ihrer Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungsausgaben behauptet (s. Kapitel 6). Sie<br />
gelten noch immer als die Prototypen wissenschaftlich f<strong>und</strong>ierter Industriezweige<br />
(science based industries), wenngleich mittlerweile zahlreiche<br />
13 Zu den nationalspezifischen Unterschieden vgl. Burns, Stalker 1961; Graham<br />
1985a; Hack, Hack 1985.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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traditionelle <strong>und</strong> neue Industrien (u.a. Stahlverarbeitung, Maschinenbau,<br />
Textil-, Nahrungsmittel- <strong>und</strong> Automobilindustrie) ihrem Vorbild gefolgt<br />
sind <strong>und</strong> ebenfalls den bewußten <strong>und</strong> planvollen Einsatz von Wissenschaft<br />
forciert haben.<br />
3.4.2 Reasons and Motives<br />
Die Gründe für das industrielle Interesse an wissenschaftlicher Forschung<br />
werden von Noble auf eine einfache Formel gebracht:<br />
"The major reason for this rush to science is not hard to fathom: there was<br />
money in it" (Noble 1977, S. 111).<br />
Allerdings bedurfte es erst der Schaffung bestimmter institutioneller Voraussetzungen,<br />
insbesondere der Ausarbeitung eines geeigneten Patentrechts,<br />
bevor Unternehmen gewillt waren, in die Produktion wissenschaftlich-technologischen<br />
Wissens zu investieren:<br />
"Eine direkte Beteiligung der Industrie an der Forschung blieb (...) bis zum<br />
Ende des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts die Ausnahme, da die Industriellen nicht an<br />
naturwissenschaftlicher Erkenntnis, sondern an deren profitablen Verwendung<br />
interessiert waren. Erst als wirksame Patentgesetze die ausschließliche<br />
Nutzung eigener Forschungsergebnisse sicherten, errichteten Industriefirmen<br />
Forschungslaboratorien als Mittel für den Konkurrenzkampf<br />
(Eckert, Schubert 1986, S. 33).<br />
Neuere Arbeiten von Wirtschafts- <strong>und</strong> Technikhistorikern haben gezeigt,<br />
daß sich die Unternehmen von der aktiven Teilnahme an der wissenschaftlich-technischen<br />
Entwicklung die exklusive Verfügung über Wissen<br />
versprachen, das vor allem zur Erzielung technologisch begründeter Vorteile<br />
in Form von Patenten, neuen Produkten <strong>und</strong> Verfahrenstechniken<br />
nutzbar gemacht werden sollte (Graham 1985b). Die Entscheidung für den<br />
Aufbau unternehmenseigener Laboratorien kann aber auch als Versuch<br />
verstanden werden, die Abhängigkeit von nur schwer oder gar nicht zu<br />
kontrollierenden externen Quellen des technologischen Wandels (wie z.B.<br />
unabhängige Einzelerfinder, Hochschulgelehrte, private Erfinderbüros<br />
oder Konkurrenzunternehmen) <strong>und</strong> die davon ausgehende Bedrohung der<br />
eigenen Marktposition zu vermindern. 14<br />
14 Vgl. dazu den Begriff des Innovationsrisikos bei Child 1987 (s. Abschnitt 3.6).<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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"Large corporations invested in research because they were faced with the<br />
possibility of losing valuable markets to competitors with more advanced<br />
technologies. The new laboratories replaced older, more uncertain methods<br />
of dealing with technological change by making the firm itself the<br />
source of patentable products and processes" (Dennis 1987, S. 484).<br />
Zur Verminderung von Unsicherheit sollte auch die dadurch möglich gewordene<br />
Errichtung einer Markteintrittsbarriere beitragen, die nur noch<br />
von Mitbewerbern übersprungen werden konnte, die über die nötigen Mittel<br />
zur Schaffung eines konkurrenzfähigen FuE-Potentials verfügten (ebd.,<br />
S. 487).<br />
Ungeachtet dessen, ob man eher den offensiven Charakter des Entschlusses<br />
zur Schaffung eigener FuE-Kapazitäten hervorhebt oder stärker das<br />
Motiv der Risikoreduktion betont, das hinter dieser strategischen Entscheidung<br />
stand, läßt sich festhalten, daß es den Unternehmen darum ging,<br />
mit neuen Mitteln die Kontrolle über den Markt zu erhöhen <strong>und</strong> der Konkurrenz<br />
Herr zu werden.<br />
3.43 Wissenschaft <strong>und</strong> industrielle Technik<br />
Durch die Herausbildung einer eigenständig organisierten Industrieforschung<br />
veränderte sich das Verhältnis zwischen Wissenschaft <strong>und</strong> industrieller<br />
Technik nachhaltig. Diese Veränderung machte sich insbesondere<br />
in der Art <strong>und</strong> Weise der Entwicklung neuer Produkte <strong>und</strong> der Verbesserung<br />
<strong>und</strong> Veränderung von Produktionsprozessen bemerkbar. Die Produktion<br />
neuen wissenschaftlich-technischen Wissens <strong>und</strong> seine Umsetzung<br />
in verwertbare Resultate erfuhren eine Systematisierung <strong>und</strong> Verstetigung.<br />
Beides wurde gleichsam auf erweiterter Stufenleiter durchgeführt.<br />
Während der technologische Wandel in den klassischen Industriezweigen<br />
(craft based industries) wesentlich vom Einfallsreichtum <strong>und</strong> der Erfahrung<br />
derjenigen Personen abhing, die direkt in der Produktion beschäftigt<br />
oder funktional eng mit dieser verb<strong>und</strong>en waren, führten die zunehmende<br />
Verwissenschaftlichung <strong>und</strong> die wachsende Komplexität der Technologie<br />
in den verwissenschaftlichten Industrien zur Ausdifferenzierung einer<br />
Gruppe speziell qualifizierter Arbeitskräfte, deren Aufgabe in der systematischen<br />
Hervorbringung technologischer Innovationen bestand. Zwar<br />
wurden auch weiterhin wichtige Erfindungen von Fertigungsingenieuren<br />
<strong>und</strong> privaten Erfindern gemacht, technische Verbesserungen der Herstel-<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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lungsprozesse von den Produktionsarbeitern angeregt. Dennoch vollzog<br />
sich in bezug auf die <strong>Technikentwicklung</strong> eine deutliche Gewichtsverlagerung<br />
zugunsten eines funktional selbständigen FuE-Bereichs innerhalb der<br />
<strong>Unternehmensorganisation</strong>, die es gerechtfertigt läßt erscheinen, von einer<br />
neuen Stufe der industriellen Entwicklung zu sprechen. Die Automatisierung<br />
zahlreicher Produktionsstätten <strong>und</strong> die Expansion der Nachrichten-<br />
<strong>und</strong> Computertechnik, der Unterhaltungselektronik <strong>und</strong> eines Großteils<br />
der Medizintechnik, die ohne elektronische Bauteile aus halbleitenden<br />
Werkstoffen (s. Abschnitt 8.5) nicht denkbar wären,<br />
"stehen heute nicht nur für die Beschleunigung des wissenschaftlich-technischen<br />
Wandels, sondern auch für eine fortgeschrittene Stufe verwissenschaftlicher<br />
Technik. Entwickelt wurde sie vornehmlich in den Laboratorien<br />
großer Elektrokonzerne, deren internationaler Wettbewerb um<br />
Marktanteile seit Mitte dieses Jahrh<strong>und</strong>erts immer stärker auf dem Terrain<br />
der Forschungskonkurrenz ausgetragen wird. Die Industrieforschung<br />
erfuhr dadurch eine gigantische Ausweitung <strong>und</strong> rückte in eine Schlüsselstellung<br />
des die gesamte soziale Realität durchdringenden Industrialisierungsprozesses<br />
vor" (Eckert, Osietzki 1989, S. 138).<br />
3.4.4 Industrieforschung - reelle Subsumtion der Wissenschaft?<br />
Trotz einiger Wachstumsunterbrechungen haben im Laufe der letzten 50<br />
Jahre fast alle bedeutenden industriellen Großunternehmen immer größer<br />
werdende FuE-Potentiale aufgebaut. Verschiedene Autoren sprechen<br />
deshalb auch vom Zeitalter der "industrialisierten Forschung" (Ravetz<br />
1973) oder von einer "Forschungsrevolution" (Freeman 1974). Es ging den<br />
Unternehmen nicht mehr darum, allein auf die Ergebnisse von Wissenschaft<br />
<strong>und</strong> Forschung zurückgreifen zu können. Angestrebt wurde vielmehr,<br />
auch die Prozesse der wissenschaftlich f<strong>und</strong>ierten Entwicklung<br />
technischer Neuerungen einer planvollen Kontrolle zu unterwerfen, um so<br />
Richtung <strong>und</strong> Geschwindigkeit der technologischen Entwicklung (mit-)<br />
bestimmen zu können. Hält man sich an die Auffassung von H. Braverman,<br />
dann besteht gerade darin das entscheidend Neue:<br />
"Die gr<strong>und</strong>legende Innovation liegt nicht in der Chemie, Elektronik, automatischen<br />
Maschinerie, Luftfahrt, Atomphysik oder irgendeinem der Produkte<br />
dieser Wissenschaftstechnologien, sie liegt vielmehr in der Umformung<br />
der Wissenschaft selbst in Kapital" (Braverman 1977, S. 132).<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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Es fragt sich allerdings, wie <strong>und</strong> bis zu welchem Grade diese "Einverleibung<br />
der Wissenschaft in das kapitalistische Unternehmen" (ebd., S. 126)<br />
bewerkstelligt werden kann, oder anders formuliert: Handelt es sich bei<br />
der Beziehung zwischen Industrie <strong>und</strong> Wissenschaft um ein bloßes Unterordnungsverhältnis,<br />
wie von Braverman unterstellt, oder gestaltet sich dieser<br />
Zusammenhang in Wirklichkeit sehr viel weniger einseitig?<br />
Es ist nun an dieser Stelle noch einmal (s. Abschnitt 2.2) auf das Frankfurter<br />
"Theorem der reellen Subsumtion" zurückzukommen, denn auch<br />
Brandt <strong>und</strong> Papadimitriou haben noch 1983 die These vertreten, die<br />
"Rationalisierung oder auch 'Taylorisierung 5<br />
geistiger Arbeit" spräche "für<br />
eine auf real gesellschaftlicher Ebene sich vollziehende Subsumtion von<br />
Wissenschaft <strong>und</strong> Technik unter Imperative der Kapitalverwertung"<br />
(Brandt, Papadimitriou 1990, S. 203).<br />
Wie in diesem Zitat schon angedeutet, setzt sich nach Auffassung der Autoren<br />
die Tendenz einer zunehmenden reellen Subsumtion nicht nur in der<br />
unmittelbaren Produktion, sondern auch im Wissenschaftssystem selbst<br />
durch.<br />
"Bedienen sich diese Strategien (einer Rationalisierung wissenschaftlichtechnischer<br />
Arbeit - DB/GM) auch über weite Strecken der Maßnahmen,<br />
die sich bei der Rationalisierung körperlicher Arbeit bewährt haben, so<br />
greifen sie angesichts der besonderen Merkmale geistig-wissenschaftlicher<br />
Arbeit tendenziell auch auf das Wissenschaftsverständnis als deren Begründungszusammenhang<br />
über. Von ausschlaggebender Bedeutung ist dabei,<br />
ob es gelingt, auch den Prozeß wissenschaftlicher Reflexion nach dem<br />
Modell "gesteuerter Autonomie" in einen Prozeß algorithmischer Problemlösungen<br />
zu transformieren. So jedenfalls stellt sich die Logik der<br />
Subsumtion geistig-wissenschaftlicher Tätigkeit unter das Kapital dar, <strong>und</strong><br />
in dem Maße, in dem sie sich durchsetzt, nähert sich die kapitalistische<br />
Form der Arbeitsteilung einem geschlossenen <strong>und</strong> sich selbst steuernden<br />
System an" (ebd., S. 205).<br />
Zwar warnen Brandt <strong>und</strong> Papadimitriou in diesem Aufsatz vor einer<br />
"Überdehnung des Subsumtionsmodells" (S. 207) <strong>und</strong> weisen ausdrücklich<br />
darauf hin, daß die "reelle Subsumtion" sich in Ansehung von "Wissenschaft<br />
<strong>und</strong> Technik in widerspruchsvoller Form vollzieht <strong>und</strong> in ihrem<br />
Ablauf auch hier durch Widerstände modifiziert <strong>und</strong> möglicherweise gebrochen<br />
wird" (ebd., S. 208). Dennoch gehen sie so weit, eine gr<strong>und</strong>legende<br />
Differenz zwischen den Produktivkräften für das Kapital <strong>und</strong> den<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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Produktivkräften des Kapitals zu konstruieren. Dabei wird dann - entgegen<br />
den anderslautenden Bek<strong>und</strong>ungen - in spekulativer Weise eine Subsumtion<br />
der Wissenschaft unter das Kapital postuliert:<br />
"Kapitalistische Wissenschaft <strong>und</strong> Technik ist nicht gleichbedeutend mit<br />
kapitalistisch angewandter Wissenschaft <strong>und</strong> Technik. Vielmehr verhält es<br />
sich so, daß mit fortschreitender Organisation des Wissenschaftsbetriebes<br />
der Prozeß wissenschaftlicher Erkenntnis selbst bis in seine Struktur hinein<br />
der Steuerung durch Verwertungsimperative unterworfen wird bzw. externe<br />
<strong>und</strong> interne Regulative sich aufgr<strong>und</strong> der offenen Struktur dieses<br />
Prozesses in unauflöslicher Weise verbinden" (ebd., S. 206).<br />
Durch die von Krohn <strong>und</strong> Rammert (1985) vorgetragene Kritik an dieser<br />
Ausdehnung des Subsumtionsmodells auf den Prozeß der Wissenschafts<strong>und</strong><br />
<strong>Technikentwicklung</strong> reagierte zumindest G. Brandt mit einer doch<br />
sehr weitgehenden Zurücknahme dieser Version des Subsumtionsmodells<br />
(s. Abschnitt 2.2).<br />
Neuere Forschungsarbeiten, die auf der Grenze zwischen Wissenschaftsforschung<br />
<strong>und</strong> Industriesoziologie angesiedelt sind, lassen jedenfalls vermuten,<br />
daß sich<br />
"eine Formulierung wie 'Industrialisierung der Wissenschaft' (...) nicht als<br />
eine selbstverständliche Deskription unproblematischer empirischer Tendenzen<br />
handhaben (läßt)", sondern "vielmehr als Paradoxon zu definieren"<br />
ist (Hack 1984, S. 13).<br />
Anzunehmen ist weiterhin, daß die Auflösung dieses Paradoxons, d.h. die<br />
erfolgreiche Integration der Wissenschaft in die kapitalistische Produktion,<br />
nicht nur zur Veränderung wissenschaftlicher Arbeitsprozesse führt,<br />
sondern auch mit einem gravierenden Wandel von <strong>Unternehmensorganisation</strong><br />
<strong>und</strong> Unternehmensstrategien verb<strong>und</strong>en ist. Den Veränderungen<br />
der beiden letztgenannten Gegenstandsbereiche soll im folgenden nachgegangen<br />
werden. Dabei wird deutlich werden, daß sich Organisationsprobleme<br />
industrieller Forschung <strong>und</strong> Entwicklung <strong>und</strong> damit verb<strong>und</strong>ene<br />
Fragen der Unternehmenspolitik im historischen Verlauf verändert haben.<br />
3.4.5 Industrielles FuE-Management<br />
Solange das FuE-Personal der Unternehmen zahlenmäßig gering <strong>und</strong> die<br />
finanziellen Aufwendungen für Forschung <strong>und</strong> Entwicklung gemessen am<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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Umsatz bzw. an der Umsatzrendite niedrig waren, bestand wenig Anlaß<br />
<strong>und</strong> Anreiz zu einer substantiellen Rationalisierung dieses Bereichs. Dem<br />
entsprach, daß der Prozeß der Ausdifferenzierung industrieller Forschungsarbeit<br />
zunächst noch stark durch Arbeitszusammenhänge geprägt<br />
war, die an die Fähigkeiten <strong>und</strong> Kenntnisse einzelner Personen geb<strong>und</strong>en<br />
waren. Erst allmählich bildeten sich im Zuge des quantitativen Anwachsens<br />
des industriellen Forschungspotentials komplexere Formen der Forschungsorganisation<br />
mit der entsprechenden Objektivation von Arbeitsbedingungen<br />
<strong>und</strong> Tätigkeitsbereichen heraus. An die Stelle des Einzelerfinders<br />
traten arbeitsteilige Kooperationsformen, die in die hierarchischen<br />
Organisations- <strong>und</strong> Entscheidungsstrukturen der Unternehmen eingeb<strong>und</strong>en<br />
werden mußten. Der Direktor eines westdeutschen Elektrounternehmens<br />
beschreibt diesen Wandel so:<br />
"In früheren Zeiten haben Forscher <strong>und</strong> Entwickler in kleinen organisatorischen<br />
Einheiten oder als 'Einzelkämpfer' oft ein isoliertes Dasein geführt,<br />
um dann irgendwann Ideen hervorzubringen <strong>und</strong> in die Tat umzusetzen.<br />
(...) Betrachtet man einmal, wie vorhandene Ideen in der Vergangenheit<br />
verwirklicht wurden - nämlich in der Regel langsam, unsystematisch<br />
<strong>und</strong> oft zufällig -, dann erscheint dieses Umfeld früherer, zweifellos<br />
hervorragender Erfindungen, Entwicklungen <strong>und</strong> konstruktiver Realisierungen<br />
im Vergleich zu heute idyllisch. In der modernen FuE-Welt gelten -<br />
zumindest was erfolgreiche Unternehmen <strong>und</strong> Branchen betrifft - heute<br />
andere Gesetze. Trotz zum Teil hoher Verantwortung <strong>und</strong> Selbständigkeit<br />
sind Forscher <strong>und</strong> Entwickler integrierte Teile mittlerer oder großer Organisationseinheiten.<br />
Durch die interdependenten Entscheidungs- <strong>und</strong> Realisierungsprozesse<br />
in den Unternehmen <strong>und</strong> den gemeinsamen Rahmen,<br />
innerhalb dessen sich diese Prozesse abspielen, sind heute die oft höchstqualifizierten<br />
Mitarbeiter auch an die ökonomischen, sozialen <strong>und</strong> technologischen<br />
Spiehegeln ihres Unternehmens geb<strong>und</strong>en" (Fritsche 1984, S.<br />
284 f.).<br />
Diese Anbindung setzt freilich voraus, daß die Unternehmensleitung die<br />
Aufgabe der Planung <strong>und</strong> Organisation von wissenschaftlich-technischen<br />
Arbeitsprozessen <strong>und</strong> der Integration von wissenschaftlich-technischen<br />
Arbeitskräften in die <strong>Unternehmensorganisation</strong> erfolgreich bewältigt.<br />
Noch Mitte der 50er Jahre wurde jedoch von Managementtheoretikern<br />
festgestellt:<br />
"It used to be said that the way to do industrial research was to hire good<br />
scientists and leave them alone. Certainly no such simple formula can be<br />
taken seriously today. But neither have we arrived at the point where dis-<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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covery of the secrets of succesful research and development management<br />
can be claimed" (Shepard 1956, S. 295).<br />
Offenk<strong>und</strong>ig standen einer problemlosen Übertragung von in der materiellen<br />
Produktion bewährten Industrialisierungs- bzw. Rationalisierungsmaßnahmen<br />
auf die Produktion wissenschaftlich-technischen Wissens<br />
Hindernisse entgegen, die auf Besonderheiten von FuE-Aktivitäten verweisen.<br />
Hervorgehoben werden in diesem Zusammenhang neben dem Autonomiebedürfnis<br />
der Wissenschaftler <strong>und</strong> den hohen Wissensanforderungen<br />
vor allem die kreativen Bestandteile wissenschaftlich-technischer Arbeitsprozesse:<br />
"Der kreative Gehalt ergibt sich unmittelbar aus der Definition von FuE,<br />
wonach diese Aktivitäten als singulär <strong>und</strong> nicht-repetitiv zu begreifen sind.<br />
Dem widerspricht nicht, daß es innerhalb des weiten Aktivitätenspektrums<br />
von FuE eine Reihe von Tätigkeiten gibt, die als Folge von Spezialisierung<br />
<strong>und</strong> Standardisierung an Hilfskräfte delegierbar sind <strong>und</strong> so den eigentlich<br />
kreativen Prozeß entlasten. Das Spezifikum von Forschungsprojekten,<br />
nämlich nicht mehrfach identisch wiederholbar zu sein, bleibt davon unberührt"<br />
(Fischer 1982, S. 20).<br />
Derartige funktionsnotwendige Besonderheiten wissenschaftlicher Tätigkeiten<br />
haben zur Folge, daß überdehnte Subsumtionsvorstellungen offenk<strong>und</strong>ig<br />
keine Entsprechung in der betrieblichen Wirklichkeit finden. Industrielle<br />
Strategien der Einbindung wissenschaftlicher Forschung müssen<br />
gewährleisten,<br />
"daß sich nicht nur die Wissenschaftler bis zu einem gewissen Grade mit<br />
dem abfinden, was ihnen der Industriebetrieb abverlangt, sondern daß dieser<br />
auch umgekehrt die Bedingungen einhält, ohne die wissenschaftliches<br />
Arbeiten unfruchtbar bleiben muß" (Hetzler 1965, S. 74).<br />
Aus der prinzipiellen Anerkennung der Besonderheiten wissenschaftlicher<br />
Arbeit durch die Unternehmensleitungen ist allerdings nicht auf einen<br />
Verzicht von Rationalisierungsanstrengungen durch das Management zu<br />
schließen. Es ist gerade ein Kennzeichen der neueren Entwicklung im Bereich<br />
des FuE-Managements, daß in immer neuen Anläufen Versuche gestartet<br />
werden, die Transparenz <strong>und</strong> Kontrollierbarkeit dieser Tätigkeiten<br />
zu erhöhen <strong>und</strong> gleichzeitig die Einbindung des FuE-Personals ins Unternehmen<br />
abzusichern (vgl. Domsch, Jochum 1984; Staudt 1986; Brockhoff,<br />
Picot, Urban 1988). Auf diesen Punkt wird zurückzukommen sein (s. Kapitel<br />
7 <strong>und</strong> 8).<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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3.5 Bedingungen unternehmerischer FuE-Strategien<br />
Die planmäßige Entfaltung von Wissenschaft <strong>und</strong> Technologie im privaten<br />
Sektor <strong>und</strong> das entsprechende Anwachsen industrieller FuE-Potentiale<br />
führten nicht nur zu Veränderungen der Organisation wissenschaftlicher<br />
Forschung, sondern berührten auch die Konzeption der Unternehmenspolitik.<br />
Anders formuliert: Die systematische Produktion neuen Wissens<br />
<strong>und</strong> neuer Technologien erforderte auf innovative Arbeitsprozesse bezogene<br />
Planungs- <strong>und</strong> Kontrollstrategien, erlaubte aber auch neue, auf den<br />
Markt gerichtete Wettbewerbsstrategien. Mit der Inkorporation technischwissenschaftlicher<br />
Arbeitszusammenhänge <strong>und</strong> des dazugehörigen Personals<br />
strebten die Unternehmen eine Erhöhung ihres innovatorischen Potentials<br />
an, um sich den Unsicherheiten der außerbetrieblichen Technologieentwicklung<br />
zu entziehen <strong>und</strong> technologisch begründete Konkurrenzvorteile<br />
zu erringen. Durch eine hinter dem Rücken der Akteure sich vollziehende<br />
Verallgemeinerung dieser Strategie wurde das Erreichen dieses<br />
intendierten Ziels jedoch immer wieder in Frage gestellt.<br />
Das betriebliche Vermögen, wissenschaftliches <strong>und</strong> technologisches Wissen<br />
zu erzeugen, in neue Produkte umzusetzen <strong>und</strong> diese zu vermarkten,<br />
wurde in den science based industries zu einem maßgeblichen Mittel der<br />
Konkurrenz.<br />
"Preiskonkurrenz wird damit tendenziell ersetzt durch 'qualitativen', auf<br />
Produktgestaltung <strong>und</strong> Produktdifferenzierung beruhenden Wettbewerb.<br />
Daraus entwickeln sich einerseits die auf scheinbare Produktdifferenzierung<br />
abzielenden, den Gebrauchswert der Produkte überhaupt nicht tangierenden<br />
manipulativen Marktstrategien, andererseits wurzelt hier der<br />
Zwang, durch Aufnahme neuer Produkte oder die 'Verbesserung' bestehender<br />
marktstrategische Vorteile zu erringen, die von den Konkurrenten -<br />
anders als bei Preisveränderungen - kurzfristig nicht eingeholt werden<br />
können" (Hirsch 1974, S. 180).<br />
Der von den Konkurrenzbedingungen herrührende Zwang zur fortwährenden<br />
Produktinnovation sorgt allerdings in wichtigen Bereichen für eine<br />
Steigerung des Entwicklungstempos technologischer Neuerungen <strong>und</strong> für<br />
ein rascheres Veralten bestehender Produkte (s.u.).<br />
"Die mit der wissenschaftlichen induzierten Innovation gegebene Chance<br />
der Gewinnverbesserung wird durch den beschleunigten Produktinnovationszyklus<br />
zum erhöhten Risiko des Verlustes" (Rammert 1983, S. 104).<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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Aus der wettbewerbsbedingten Beschleunigung des technologischen Wan<br />
dels resultiert somit eine neue Form von Unsicherheit.<br />
Empirische Untersuchungen über die Erfolgsquote von FuE-Projekten<br />
haben gezeigt, daß mit der Durchführung von FuE-Aktivitäten eine Reihe<br />
weiterer Unsicherheiten interner <strong>und</strong> externer Art verb<strong>und</strong>en ist (vgl.<br />
Kern, Schröder 1977). Neben der generellen Ergebnisunsicherheit (ist das<br />
gewünschte Resultat technisch überhaupt zu erreichen?) zählen die Zeit<strong>und</strong><br />
die Kostenunsicherheit (ist das gewünschte Resultat in der vorgegebenen<br />
Zeit <strong>und</strong> mit dem vorgegebenen Aufwand zu erreichen?) zu den internen<br />
Unsicherheiten. Dazu kommt als externe Quelle von Unsicherheit<br />
die Ungewißheit über den potentiellen Markterfolg. Gelegentlich wird<br />
darüber hinaus auch eine allgemeine Geschäftsunsicherheit ("general business<br />
uncertainty") hervorgehoben, die aufgr<strong>und</strong> des längeren Zeithorizonts<br />
von Innovationsprojekten gegenüber anderen Investitionstypen besonders<br />
wichtig sei (Freeman 1974, S. 223). Da der Markt <strong>und</strong> die allgemeine ökonomische<br />
Situation zumindest indirekt die Entscheidung darüber beeinflussen,<br />
wie hoch der Zeit- <strong>und</strong> Kostenaufwand für den Prozeß der Erzeugung<br />
einer technologischen Innovation sein darf, verliert jedoch die gängige<br />
Unterscheidung zwischen "internen" <strong>und</strong> "externen" Unsicherheiten<br />
einen Teil ihrer Plausibilität. Verschiedene Autoren ziehen es deshalb vor,<br />
zwischen einem Effektivitätsproblem <strong>und</strong> einem Effizienzproblem zu unterscheiden.<br />
Was damit gemeint ist, läßt sich mit Hilfe von zwei Fragen<br />
verdeutlichen, mit denen sich für gewöhnlich das FuE-Management auseinanderzusetzen<br />
hat:<br />
" «Tun wir das Richtige?» <strong>und</strong> «Tun wir das richtig, was wir tun?» Die erste<br />
Frage richtet sich auf die Herbeiführung von Effektivität, die zweite auf<br />
Effizienz oder Produktivität" (Brockhoff 1984, S. 3).<br />
Daran wird deutlich, daß sich das Effizienzproblem mit dem überschneidet,<br />
was üblicherweise zu den internen Unsicherheiten gezählt wird.<br />
Ebenso besteht eine Entsprechung zwischen dem Effektivitätsproblem <strong>und</strong><br />
der externen Unsicherheit von FuE-Prozessen.<br />
Allerdmgs ist die These von der besonderen Unsicherheit industrieller<br />
FuE-Aktivitäten nicht unumstritten. Gegen eine derartige Auffassung wird<br />
z.B. eingewandt,<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
"daß es keinen Gr<strong>und</strong> gibt anzunehmen, FuE-Projekte seien a priori <strong>und</strong><br />
per se mit größerer Unsicherheit <strong>und</strong> höherem Risiko verb<strong>und</strong>en als andere<br />
denkmögliche Aktivitäten der Unternehmung. Vielmehr läßt sich<br />
ganz pointiert sagen, daß die Unternehmungen aus der Fülle aller möglichen<br />
FuE-Projekte genau die Vorhaben auswählen können <strong>und</strong> in der Regel<br />
auch auswählen, die dem Profil ihrer Sicherheitspräferenzen <strong>und</strong> ihrer<br />
personellen <strong>und</strong> organisatorischen Kompetenz entsprechen" (Fischer 1982,<br />
S. 23).<br />
Daraus sei jedoch nicht zu folgern, Innovation wäre zur Routine <strong>und</strong> voraussagbar<br />
geworden. "Für die These, durch Integration von Invention <strong>und</strong><br />
Innovation in die Unternehmung würden diese Tätigkeiten profan <strong>und</strong> beliebig<br />
machbar, gibt es keine Stützung, im Gegenteil" (ebd., S. 36). Eine rationalistische<br />
Auffassung von Innovation, wie sie sehr prägnant von<br />
Schumpeter vertreten wird, sei, so wird weiter argumentiert, mit praktischen<br />
Erfahrungen nicht vereinbar.<br />
Dies gilt auch für die innerhalb der Innovationstheorie häufig geäußerte<br />
Annahme, mit dem Voranschreiten des Innovationsvorhabens gehe eine<br />
Routinisierung der Aufgabenvollzüge <strong>und</strong> damit eine Abnahme von Unsicherheit<br />
einher:<br />
"Unterzieht man Voraussagen über Forschung, Entwicklung <strong>und</strong> Produktion<br />
einer vergleichenden Betrachtung, so fällt die starke Abnahme der<br />
Unsicherheiten in der genannten Folge ins Auge. Je weiter man bei einem<br />
Entwicklungsprozeß in technisches Neuland vordringt, also noch Forschung<br />
betreiben muß, um so ungenauer werden die Vorausschätzungen.<br />
Hat man jedoch mit dem Projekt einmal begonnen, so nehmen die Unsicherheiten<br />
ab" (Krauch 1970, S. 126).<br />
Dieser Einschätzung lassen sich jedoch Aussagen aus der betrieblichen Innovationspraxis<br />
gegenüberstellen, die Zweifel daran aufkommen lassen, ob<br />
wirklich "jede Unsicherheit mit einer charakteristischen Geschwindigkeit<br />
kleiner wird" (ebd.).<br />
Das folgende Zitat eines Ingenieurs aus einer Untersuchung in FuE-Abteilungen<br />
elektrotechnischer Unternehmen belegt, daß auch fortgeschrittene<br />
Innovationsphasen mit hohen Unsicherheitsgraden behaftet sein<br />
können:<br />
"Zum Teil verHefen FuE über Pilotserie <strong>und</strong> Nullserie hinaus problemlos.<br />
Erst wenn wir in die Produktion gingen, wenn der Stückzahlzwang da war,<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
kamen die eigentlichen Probleme so richtig auf den Tisch" (Interviewauszug,<br />
zitiert in Heisig u.a. 1985, S. 49).<br />
Auf aktuelle Versuche, das hier angesprochene Problem der Fertigungsüberleitung<br />
in den Griff zu nehmen, wird noch ausführlicher einzugehen<br />
sein (s. Kapitel 8).<br />
Die Bedeutung des Widerspruchs zwischen einer die Unsicherheit betonenden<br />
<strong>und</strong> einer die Unsicherheit negierenden Position läßt sich genauer<br />
kalkulieren, wenn man auf eine von Freeman (1974) entwickelte Zusammenstellung<br />
(s. nebenstehende Abb. 3.3) zurückgreift, die den Zusammenhang<br />
zwischen Unsicherheitsgrad <strong>und</strong> Innovationstyp aufzeigt.<br />
Daraus wird ersichtlich, daß die Höhe der Unsicherheit vom jeweiligen<br />
Innovationstyp abhängt. So gelten etwa marktbezogenen Produktinnovationen<br />
gegenüber betriebsinternen Prozessinnovationen als unsicherer, da<br />
sie nicht nur mit technischer Unsicherheit, sondern zusätzlich mit Marktunsicherheit<br />
verb<strong>und</strong>en sind.<br />
Auch wenn sich über die verschiedenen Zuordnungen, die Freeman vornimmt,<br />
sicherlich streiten läßt, wird an diesen Überlegungen doch deutlich,<br />
daß sich die Unternehmen durch den Versuch, die mit dem externen<br />
technologischen Wandel verb<strong>und</strong>enen Unsicherheiten im eigenen Hause<br />
kalkulierbar zu machen, eine Reihe von neuen Unsicherheiten einhandeln.<br />
Es ist daher leicht nachzuvollziehen, daß Unternehmen versuchen, diese<br />
neuen Unsicherheiten wiederum möglichst gering zu halten.<br />
"Da f<strong>und</strong>amentale Neuentwicklungen durch ihre Unsicherheit <strong>und</strong> die mit<br />
ihrer Realisierung verb<strong>und</strong>enen Gefahr der Entwertung des vorhandenen<br />
capital fixe außerordentlich risikoreich sind, besteht eine generelle Tendenz<br />
zu kleindimensionierten technologischen Neuerungen, die es erlauben,<br />
ohne größere Profitrisiken die jeweilige Konkurrenzposition gerade<br />
eben zu halten oder sukzessive zu verbessern. Solange marginale technologische<br />
Veränderungen <strong>und</strong> Diversifikationsmaßnahmen genügen, um Konkurrenzvorsprünge<br />
oder Marktanteile zu sichern, müssen durchgreifende<br />
Neuentwicklungen dem einzelnen Kapital als unrentabel <strong>und</strong> unzweckmäßig<br />
erscheinen. Aus diesem Zusammenhang resultiert der vielfach konstatierte<br />
'Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungskonservatismus' der Industrie, d.h.<br />
die Beschränkung auf Projekte mit kurzen 'pay off-Perioden" (Hirsch<br />
1974, S. 183 f.).<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
Quelle: Freeman, 1974<br />
Abbildung 3.3 Unsicherheitsgrade verschiedener Innovationstypen<br />
Aber welche Möglichkeiten gibt es, wenn Maßnahmen dieses Typs nicht<br />
ausreichen? Freeman zumindest benennt eine Reihe denkbarer Innovationsstrategien<br />
- imitative, defensive, abhängige, traditionalistische, opportunistische,<br />
offensive -, von denen zwei, nämlich die offensive <strong>und</strong> die de-<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
fensive - mehr sein sollen, als bloße Strategien der Nachahmung oder der<br />
marginalen Modifikation (s. nebenstehende Abb. 3.4).<br />
Eine defensive Strategie kann dabei genauso forschungsintensiv sein wie<br />
eine offensive; der Unterschied zwischen beiden liegt wesentlich in der<br />
Beschaffenheit <strong>und</strong> dem gewählten Zeitpunkt der Innovation. Allerdings<br />
wird man wohl kaum ein Unternehmen finden (Kleinunternehmen vielleicht<br />
ausgenommen), das sich exklusiv auf eine Strategie festgelegt hat.<br />
Wahrscheinlicher ist der Fall, daß die Unternehmen je nach Situation von<br />
einer Strategie zu einer anderen wechseln oder in unterschiedlichen<br />
Marktsegmenten unterschiedliche Strategien verfolgen. Von großem Interesse<br />
ist dann die Frage, die leider durch die von Freeman vorgelegte<br />
Typologie zur Klassifizierung von Innovationsstrategien unbeantwortet<br />
bleibt, unter welchen Bedingungen diese verschiedenen Strategien jeweils<br />
zum Einsatz kamen oder kommen, sowie - noch wichtiger für die hier verfolgte<br />
Fragestellung - mit welchen internen <strong>und</strong> externen organisatorischen<br />
Konsequenzen diese Strategien verb<strong>und</strong>en sind.<br />
Resümierend läßt sich feststellen, daß sich die Eigenarten <strong>und</strong> Merkmale<br />
technologischer Innovationsprozesse im historischen Ablauf z.T. einschneidend<br />
verändert haben. Zu nennen sind vor allem zwei wesentliche<br />
Aspekte: die zunehmende Verwissenschaftlichung technologischer Innovationen<br />
<strong>und</strong> die mit der wachsenden Komplexität von Forschungs- <strong>und</strong><br />
Entwicklungsaktivitäten einhergehende Bedeutungszunahme formaler Organisationen<br />
bei der Innovationsbewältigung gegenüber dem einzelnen Erfinder<br />
oder Forscher.<br />
Beobachter sind sich außerdem einig darüber, daß sich gegenwärtig in zentralen<br />
Technologiefeldern (z.B. in der Elektronik- <strong>und</strong> Halbleiterindustrie)<br />
die Geschwindigkeit der wissenschaftlich-technischen Entwicklung beschleunigt<br />
hat. Als Beleg dafür dient vor allem die Tendenz zu verkürzten<br />
Produktlebenszyklen,<br />
"<strong>und</strong> zwar sowohl auf den Gebieten klassischer Technik wie erst recht<br />
überall dort, wo die Halbleitertechnik, die Technik der integrierten Schaltkreise<br />
<strong>und</strong> die Digitaltechnik eine Rolle spielen. (...) Bei integrierten<br />
Schaltkreisen kann man damit rechnen, daß sich die Zahl der auf einem<br />
Chip untergebrachten Bauelemente alle vier Jahre verdoppelt <strong>und</strong> gleichzeitig<br />
der Preis pro Funktion auf die Hälfte zurückgeht. Die Prozessoren<br />
<strong>und</strong> Speicher elektronischer Datenverarbeitungsanlagen, die diese inte-<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
grierten Schaltkreise als Kernstück enthalten, werden alle vier Jahre um<br />
die Hälfte billiger bei gleichzeitig meistens auf das Doppelte gestiegener<br />
Leistungsfähigkeit" (Plettner 1980, S. 20 f.).<br />
Für die wissenschaftlich-technischen Arbeitskräfte impliziert diese Beschleunigung<br />
des Wissensumschlags<br />
"einerseits eine kontinuierliche Entwertung des beruflichen Wissens durch<br />
Prozesse der Transformation in technologische Systeme <strong>und</strong> forciertes<br />
Veralten <strong>und</strong> andererseits eine beträchtlich verstärkte Anstrengung zur<br />
ständigen Erneuerung des beruflichen Wissens durch eine Vielzahl von<br />
Weiterbildungsveranstaltungen" (Hack 1988, S. 39; Hervorhebungen im<br />
Original).<br />
Für die Unternehmen sind damit im Gegenzug neuartige Probleme der<br />
Rekrutierung <strong>und</strong> Personalpolitik in Forschung <strong>und</strong> Entwicklung verb<strong>und</strong>en<br />
(vgl. Domsch, Jochum 1984).<br />
Mit der zunehmenden Verwissenschaftlichung der Arbeitsmittel, Arbeitsmaterialien<br />
<strong>und</strong> Produkte geht ein steigender Ressourceneinsatz der Unternehmen<br />
in Forschung <strong>und</strong> Entwicklung einher (s. Kapitel 6).<br />
"Das FuE-Budget beginnt bereits das eigentliche Investitionsbudget bzw.<br />
die Hardware-Investitionen zu übersteigen, wie ein Blick in die Bilanzen<br />
bzw. Geschäftsberichte insbesondere der Elektro- <strong>und</strong> Elektronikindustrie<br />
unschwer erkennen läßt; von den eigentlichen Datenverarbeitungsunternehmen<br />
ganz zu schweigen. Die Bedeutung dieser FuE-Kostenexplosion<br />
zeigt sich auch darin, daß das FuE-Budget in Technologie-Unternehmen<br />
bereits 10 % des Gesamtumsatzes <strong>und</strong> mehr beträgt, wobei nach Aussagen<br />
von Branchenexperten dieser Trend zur immer stärkeren Kosten- <strong>und</strong> Investitions-Akkumulation<br />
im FuE-Sektor in Zukunft eher an Dynamik gewinnt<br />
<strong>und</strong> ein Ende nicht abzusehen ist" (Pfeiffer 1983, S. 58).<br />
Hier liegt denn auch ein wichtiger Gr<strong>und</strong> dafür, daß das Effizienzproblem<br />
in Forschung <strong>und</strong> Entwicklung entscheidend an Bedeutung gewinnt.<br />
Schließlich steigern sich durch die Forderungen der Abnehmer nach Systemlösungen<br />
anstelle von Einzellösungen <strong>und</strong> dem damit einhergehenden<br />
Komplexitätszuwachs der Aufgabenstellungen die Anforderungen an das<br />
Management von FuE-Prozessen. Dies alles zusammengenommen läßt es<br />
gerechtfertigt erscheinen, von einer neuen Qualität des Innovationsproblems<br />
zu sprechen. Dafür spricht auch, daß Innovationsanstrengungen<br />
immer weniger vom übrigen Unternehmensgeschehen abgeschottet wer-<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
den - im Gegenteil. Wie man diesen Umstand begrifflich fassen kann, soll<br />
mit Hilfe einiger Überlegungen von Child gezeigt werden.<br />
3.6 Integrationsversuch industriesoziologischer <strong>und</strong> innovationstheoretischer<br />
Sichtweisen: die zentralen Risiken kapitalistischer<br />
Produktion<br />
Während die Industriesoziologie den materiellen Produktionsprozeß <strong>und</strong><br />
dessen Entwicklung unter veränderten marktlichen <strong>und</strong> technologischen<br />
Bedingungen in den Mittelpunkt ihrer Forschung stellt <strong>und</strong>, abgesehen von<br />
wenigen Ausnahmen, dem wissenschaftlich-technischen Innovationsgeschehen<br />
in Industrieunternehmen keine Beachtung schenkt, konzentrieren<br />
sich innovationstheoretische Ansätze meist allein auf die Innovationsproblematik<br />
<strong>und</strong> vernachlässigen dabei alle übrigen Anforderungen an die<br />
Unternehmen. Einen Ansatz, diese beiden Stränge miteinander zu verknüpfen,<br />
sehen wir in der von dem englischen Industriesoziologen <strong>und</strong> Organisationstheoretiker<br />
John Child vorgeschlagenen Ausdifferenzierung unterschiedlicher<br />
Anforderungskomplexe ("Strategic challenges"), die seiner<br />
Auffassung zufolge die Unternehmen in entwickelten kapitalistischen Industriegesellschaften<br />
besonders beschäftigen. Child (1987) unterscheidet<br />
dabei zwischen dem "demand risk", dem "inefficiency risk" <strong>und</strong> dem "innovation<br />
risk". 15<br />
Als Nachfragerisiko bezeichnet Child<br />
"the risk of sharply fluctuating demand or even the collapse of markets. It<br />
is associated with the threat of severe recession - already experienced twice<br />
since 1973 - coupled with intensifying world competition and the entry of<br />
newly industrializing nations. It is exacerbated by rapid changes in taste<br />
and by advances in product specification" (Child 1987, S. 34).<br />
15 In der einschlägigen betriebswirtschaftlichen Literatur dominieren zwei Varianten<br />
des Risikobegriffs (Strebel 1968). Der eine bezieht sich auf die Gefahr des<br />
Mißerfolgs einer Aktivität, durch den ein Verlust an Kapital oder Gewinn droht.<br />
Der andere bezieht sich auf die Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines zukünftigen<br />
Ereignisses, die dem Betroffenen bekannt ist. Child verwendet den Begriff<br />
in der ersten Bedeutungsform.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
Das hier in Rede stehende Nachfragerisiko ist somit nicht mit dem strukturellen<br />
Problem zu verwechseln, daß für die Unternehmen Quantität <strong>und</strong><br />
Qualität der zahlungsfähigen Nachfrage in der Regel ungewiß ist, <strong>und</strong> es<br />
sich meist erst nachträglich herausstellt, ob die verausgabten Mittel wieder<br />
eingespielt werden können bzw. der in den Produkten vergegenständlichte<br />
Wert realisiert werden kann. 16<br />
Child benennt dagegen lediglich einige Faktoren, die dieses strukturelle<br />
Problem in der aktuellen ökonomischen Situation verschärfen <strong>und</strong> den<br />
Unternehmen ein höheres Maß an Fertigungsflexibilität abverlangen.<br />
Das lneffizienzrisiko wird von Child darauf zurückgeführt, daß ein Unternehmen<br />
gegenüber seinen Konkurrenten durch suboptimale Organisation<br />
seiner Produktion in bezug auf seine (Stück-)Kosten ins Hintertreffen geraten<br />
kann:<br />
"This generates the need to increase control over operations, and therefore,<br />
to improve operational information so that inefficiencies and associated<br />
costs (such as inventory) may be reduced to a minimum" (ebd.).<br />
Es geht hier also um das Problem einer verstärkten Kontrolle <strong>und</strong> Ökonomisierung<br />
derjenigen Aktivitäten <strong>und</strong> Bereiche, die mittelbar oder unmittelbar<br />
an der Leistungserstellung beteiligt sind.<br />
Schließlich unterscheidet Child noch das Innovationsrisiko, das Unternehmen<br />
droht, wenn sie den (Produkt-)Innovationen ihrer Konkurrenten<br />
nichts Adäquates entgegen zu setzen haben. Nachdrücklich verweist er vor<br />
allem auf die Bedeutung einer effektiven Informationsverarbeitung <strong>und</strong><br />
von organisatorischen Maßnahmen bei der Bewältigung dieses Risikos.<br />
"Most commentators agree that innovative capability depends on effective<br />
information processing in a number of aspects: including access to sources<br />
16 Child legt seinem Konzept also einen anderen Risikobegriff zugr<strong>und</strong>e als Marx,<br />
der das Risiko kapitalistischer Produktion in der Realisation des Werts verortet:<br />
"Andererseits ist es ebenso klar, daß auch von den gewöhnlichen ökonomischen<br />
Bestimmungen aus das Kapital, das nur seinen Wert erhalten könnte, ihn nicht<br />
erhielte. Die Risikos der Produktion müssen kompensiert sein. Das Kapital muß<br />
sich erhalten in den Schwankungen der Preise. Die Entwertung des Kapitals, die<br />
fortwährend vor sich geht durch Erhöhung der Produktivkraft, muß kompensiert<br />
sein" (Marx 1953, S. 224).<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
of concepts and ideas; the integration of internal specialist contributions to<br />
the development and commercialization of those concepts; and the ability<br />
to achieve sufficient operational flexibilityto support new and evolving<br />
product specifications. The organizational contribution here turns on the<br />
integration of inputs to innovation from a range of sources (some external<br />
of the enterprise) and the facilitation of speedy implementation attuned to<br />
commercial needs" (ebd.).<br />
Die drei genannten Risiken 17<br />
werden von Child als gegenwärtig zentrale<br />
strategische Herausforderungen an die Unternehmen verstanden, die<br />
diese durch den Einsatz neuer Informations- <strong>und</strong> Kommunikationstechnologien<br />
<strong>und</strong> durch die Nutzung neuartiger organisatorischer Arrangements<br />
in den Griff zu bekommen suchten. Dabei zeichne sich tendenziell<br />
eine Abkehr von hierarchisch koordinierten Transaktionen <strong>und</strong> eine Zunahme<br />
von über den Markt vermittelten Transaktionen ab (vgl. dazu<br />
Williamson 1985).<br />
Übersetzt man nun die von Child vorgeschlagenen Risikobegriffe 18<br />
in die<br />
Sprache industrie- <strong>und</strong> techniksoziologischer Untersuchungen, dann ergeben<br />
sich folgende Entsprechungen:<br />
Nachfragerisiko = Produktionsflexibilität<br />
Ineffizienzrisiko = Produktionseffizienz<br />
Innovationsrisiko = Produktinnovation<br />
17 Die von Child in den Mittelpunkt des Interesses gerückten Risiken sind nicht die<br />
einzigen, mit denen sich Unternehmen auseinanderzusetzen haben. Zu nennen<br />
wären etwa Risiken des Kapital- <strong>und</strong> Arbeitsmarkts, der Wechselkursentwicklung<br />
<strong>und</strong> politische Risiken (staatliche bzw. suprastaatliche Eingriffe, Standardisierungen<br />
etc.).<br />
18 Wir verwenden in diesem Kontext einen anderen, eher betriebswirtschaftlich<br />
orientierten Risikobegriff als beispielsweise Beck (1986) oder Evers <strong>und</strong><br />
Nowotny (1987). Weder halten wir die gegenwärtige Gesellschaft für eine, die<br />
durch Risiken konstituiert wird, noch interessieren uns die versicherungstechnischen<br />
Mechanismen zur Entschärfung (<strong>und</strong> Reproduktion) sozialer "Unsicherheiten".<br />
Die Verwendung des Begriffs "Risiko" unterstellt im übrigen immer,<br />
also auch bei uns, eine Transformation von Unsicherheit in berechenbare<br />
Größen. Diese Transformation setzt wiederum einen gesellschaftlich verbindlichen<br />
Mechanismus voraus, den man - einer Frankfurter Tradition folgend - auch<br />
"Realabstraktion" nennen könnte (vgl. Sohn-Rethel 1990; Brandt u.a. 1978; neuerdings<br />
Kurz 1987).<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> lassen sich Stärken <strong>und</strong> Schwächen der Childschen<br />
Terminologie verdeutlichen. Ihr Vorzug liegt u.E. speziell darin, daß<br />
mit ihrer Hilfe der Herausbildung eines neuen bzw. gewandelten Anforderungsprofils<br />
an Industrieunternehmen begrifflich Rechnung getragen werden<br />
kann. Zahlreiche Unternehmen können sich nämlich nicht mehr allein<br />
darauf konzentrieren, ihren Produktionsapparat gemäß den gegebenen<br />
Ökonomisierungs- <strong>und</strong> Flexibilisierungsanforderungen zu gestalten. Veränderte<br />
Wettbewerbsbedingungen haben vielmehr dazu beigetragen, die<br />
Erzeugung technologischer Innovationen <strong>und</strong> die erfolgreiche Vermarktung<br />
derselben zunehmend in das Zentrum ihrer Tätigkeit rücken zu lassen.<br />
Zwar war für die Unternehmen die Fähigkeit zur Produkt- <strong>und</strong> Prozeßinnovation<br />
schon früher (überlebens-)wichtig, um durch das Anbieten<br />
neuer Produkte oder durch die Entwicklung <strong>und</strong> Anwendung neuer Verfahren<br />
Konkurrenzvorteile zu erringen. Es gibt aber Anzeichen dafür, daß<br />
gerade in Zeiten veränderter Nachfragestrukturen (verschärfte Konkurrenz<br />
auf den Weltmärkten, Differenzierung der K<strong>und</strong>enwünsche etc.), erhöhten<br />
Kostendrucks <strong>und</strong> beschleunigten wissenschaftlich-technischen<br />
Wandels die Fähigkeit, technologische Innovationen zu generieren <strong>und</strong><br />
kommerziell zu nutzen, erheblich an Bedeutung gewinnt. Von Theoretikern,<br />
die sich mit dem Zusammenhang von "Langen Wellen" der wirtschaftlichen<br />
Entwicklung kapitalistischer Gesellschaften <strong>und</strong> der wissenschaftlich-technischen<br />
Entwicklung auseinandersetzen, wird sogar die -<br />
zumindest für den Bereich der Elektroindustrie, der stark von Gr<strong>und</strong>lagenentwicklungen<br />
abhängig ist, zutreffende - These formuliert, daß "der<br />
Druck zum risikoreichen Umschalten auf neue Technologien gerade dann<br />
am stärksten ist, wenn auch die Risiken zukünftiger Marktentwicklung am<br />
größten sind" (Kleinknecht 1984, S. 66).<br />
Allerdings weist der Beitrag Childs auch einige Schwächen auf. So verwendet<br />
er einen sehr restriktiven Innovationsbegriff, der sich allein auf<br />
Produktinnovationen bezieht, die Erforschung <strong>und</strong> Entwicklung neuer<br />
Produktionstechnologien jedoch vernachlässigt. Damit gerät er in Gefahr<br />
zu übersehen, daß in vielen Bereichen Produkt- <strong>und</strong> Prozeßinnovationen<br />
eng verkoppelt sind <strong>und</strong> gleichzeitig realisiert werden (s. Kapitel 8). Darüber<br />
hinaus verzichtet Child darauf, dem Innovationsrisiko <strong>und</strong> den Maßnahmen<br />
zu dessen Bewältigung ausführlicher nachzugehen. Damit hängt<br />
zusammen, daß sich das "innovation risk" in seinem Verständnis in erster<br />
Linie auf einen potentiellen technologischen Rückstand gegenüber der<br />
Konkurrenz, jedoch nicht auf die mit der Generierung von neuen Tech-<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
nologien zusammenhängende Unsicherheit bezieht. Darin mag auch mitbegründet<br />
sein, daß die vorgeschlagene Risikounterscheidung das Mißverständnis<br />
impliziert, lediglich der unmittelbare Produktionsprozeß unterliege<br />
gestiegenen Effizienz- <strong>und</strong> Flexibilitätsanforderungen, nicht jedoch<br />
der Innovationsprozeß. Schließlich fehlt auch ein Versuch, in systematischer<br />
Weise die möglichen Zusammenhänge zwischen den drei Risiken zu<br />
untersuchen. Es findet sich lediglich ein Hinweis auf die Notwendigkeit<br />
"operationaler Flexibilität" bei der Implementation von neuen oder verbesserten<br />
Produktspezifikationen. Damit wird zumindest angedeutet, daß,<br />
in Childs Terminologie, die Bewältigung des Innovationsrisikos <strong>und</strong> des<br />
Nachfragerisikos nicht voneinander unabhängig sind. Behält man die hier<br />
notierten Einwände jedoch im Gedächtnis bzw. erweitert den Begriff des<br />
Innovationsrisikos um die genannten Aspekte, so scheint es möglich zu<br />
sein, die Childschen Risikokategorien in analytischer Weise für unsere<br />
Problemstellung nutzbar zu machen.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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4. "Systemische Rationalisierung" - Eine adäquate Antwort<br />
der Industriesoziologie auf neue Herausforderungen?<br />
Im folgenden wollen wir uns noch einmal der industriesoziologischen Forschung<br />
zuwenden <strong>und</strong> vor dem Hintergr<strong>und</strong> der von Child vorgeschlagenen<br />
Risikounterscheidungen die dort neuerdings vertretene These der<br />
Herausbildung neuer, "systemischer" Rationalisierungsstrategien diskutieren.<br />
Es sind die von Altmann u.a. (1986) für die Ebene der unmittelbaren<br />
Produktion einerseits, die von Baethge <strong>und</strong> Oberbeck (1986) für den Bereich<br />
der industriellen Verwaltung <strong>und</strong> der Dienstleistungen andererseits<br />
ausgemachten neuen "Typen" der Rationalisierung, mit denen wir uns im<br />
folgenden auseinandersetzen. Ohne daß die Autoren direkt darauf verweisen,<br />
wird hier nämlich die zentrale Rolle der Organisationsstrukturen, in<br />
die die untersuchten Bereiche jeweils eingebettet sind, für den Rationalisierungsprozeß<br />
herausgestellt. Es geht uns also darum, neuere Erkenntnisse<br />
der Industriesoziologie mit den von uns postulierten Organisationsstrukturveränderungen<br />
in entwickelten kapitalistischen Gesellschaften in<br />
Beziehung zu setzen. Unsere Behauptung, um dies vorwegzunehmen, ist,<br />
daß sich die These einer "systemischen Rationalisierung" nur dann sinnvoll<br />
diskutieren läßt, wenn man die Beziehungen zwischen den organisatorischen<br />
Strategien zur Beherrschung des Innovationsrisikos, des Nachfrage<strong>und</strong><br />
vor allem des Ineffizienzrisikos zu klären versucht.<br />
Bedeutende industriesoziologische Forschungsinstitute, namentlich das<br />
SOFI in Göttingen <strong>und</strong> das Münchner <strong>ISF</strong>, heben in neueren Veröffentlichungen<br />
auf "systemische Rationalisierungsprozesse" ab. Obwohl Mitarbeiter<br />
beider Institute mit dem selben Begriff arbeiten, sind weder die<br />
empirischen Bezugspunkte noch die Interpretationen der Ursachen, die<br />
nach Auffassung der unterschiedlichen Forschergruppen zu systemischen<br />
Rationalisierungsprozessen geführt haben, problemlos aufeinander zu beziehen.<br />
Auch in bezug auf die Folgen systemischer Rationalisierungsprozesse<br />
bestehen in entscheidenden Punkten divergierende Einschätzungen.<br />
Wir werden im folgenden zunächst die Gemeinsamkeiten im Begriff systemischer<br />
Rationalisierung herausarbeiten, um dann etwas präziser auf<br />
die Differenzen einzugehen, die sich aus dem unterschiedlichen empiri-<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
schen Bezug <strong>und</strong> den unterschiedlichen theoretischen Gr<strong>und</strong>annahmen<br />
ergeben.<br />
Wie bereits ausgeführt (s. Abschnitt 2.2), war insbesondere Gerhard<br />
Brandt darum bemüht, eine Subsumtionstheorie zu entwickeln, die - am<br />
Subsumtionsmodell Arnasonscher Provenienz orientiert (vgl. Arnason<br />
1988) - nahezu alle Gr<strong>und</strong>annahmen traditioneller Fassungen des Subsumtionstheorems<br />
einer weitreichenden (Selbst-) Kritik <strong>und</strong> Revision unterwerfen<br />
sollte (Brandt 1986a; 1986b; vgl. Bieber, Brandt, Möll 1987). Dabei<br />
konnte, wie Brandt in seinem Aufsatz "Marx <strong>und</strong> die neuere deutsche Industriesoziologie"<br />
bereits 1984 herausgearbeitet hatte, 19<br />
noch am ehesten<br />
an den Münchner Ansatz betrieblicher Autonomiestrategien angeknüpft<br />
werden. Anknüpfungspunkte, die sich für eine revidierte Subsumtionsthese<br />
nutzen lassen, ergeben sich insbesondere dann, wenn der "Münchner<br />
Ansatz" aus seiner Fixierung auf den Einzelbetrieb gelöst <strong>und</strong> zu einer<br />
Theorie "systemischer Rationalisierung" weiterentwickelt wird. 20<br />
Aus diesem<br />
Gr<strong>und</strong> werden wir uns etwas ausführlicher mit dem Münchner Versuch,<br />
"systemische" oder "integrative" Rationalisierungsprozesse zu thematisieren,<br />
auseinandersetzen.<br />
In industriesoziologischen Diskussionen wird nun allerdings i.d.R. der<br />
"Neue Rationalisierungstyp" (Altmann u.a. 1986) mit den "Neuen Produktionskonzepten"<br />
(Kern, Schumann 1984) verglichen <strong>und</strong> nicht der Begriff<br />
systemischer Rationalisierung nach Altmann u.a. mit dem Begriff systemischer<br />
Rationalisierung, wie er von Baethge <strong>und</strong> Oberbeck vertreten wird<br />
(vgl. Wittemann, Wittke 1986 <strong>und</strong> neuerdings Bechtle, Lutz 1989). Dies<br />
Verfahren liegt deshalb nahe, weil<br />
sich - wie noch zu zeigen sein wird - die<br />
19 Von der industriesoziologischen Disziplin weitgehend unbemerkt bzw. gründlich<br />
mißverstanden stellt diese Auseinandersetzung Brandts mit der westdeutschen<br />
Industriesoziologie im allgemeinen <strong>und</strong> dem Subsumtionstheorem im besonderen<br />
einen ersten Wendepunkt seiner theoretischen Entwicklung dar. Übersieht<br />
man dies, so kann man natürlich leicht all die Differenzierungen, die essentiellen<br />
Reformulierungen seiner theoretischen Positionen <strong>und</strong> die Erweiterungen des<br />
Gegenstandsbereichs industriesoziologischer Forschung, die Brandt im Zuge<br />
seiner weiteren Arbeit immer wichtiger wurden, schlicht als Immunisierungsstrategie"<br />
abtun. Man läuft dann allerdings Gefahr, sich gegen das immer noch<br />
nicht ausgeschöpfte Anregungspotential des Subsumtionsansatzes zu immunisieren.<br />
20 Vgl. als ersten Versuch in dieser Richtung: Sauer 1983.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
Arbeiten von Altmann u.a. wie auch von Kern <strong>und</strong> Schumann weitgehend<br />
auf die Ebene der unmittelbaren Produktion konzentrieren. Die Attraktivität<br />
des im folgenden angestellten Vergleiches ergibt sich für uns nicht<br />
aus der historisch zufälligen, identischen Begriffswahl durch renommierte<br />
Münchner <strong>und</strong> Göttinger Industriesoziologen, sondern vielmehr daraus,<br />
daß an unterschiedlichen Forschungsfragen <strong>und</strong> in unterschiedlichen Forschungsfeldern<br />
empirisch arbeitende Kollegen mindestens an einem Punkt<br />
zu dem selben Resultat gelangt sind: Traditionelle, an Einzelverrichtungen<br />
ansetzende, punktuelle Rationalisierungsstrategien werden zunehmend ineffizient<br />
<strong>und</strong> deshalb tendenziell durch einen neuen Typus kapitalistischer<br />
Rationalisierung ersetzt, der über einzelne Arbeitsplätze sowie über die<br />
Grenzen des einzelnen Betriebs <strong>und</strong> Unternehmens hinausgreift <strong>und</strong> es<br />
aus diesem Gr<strong>und</strong>e verdient, "systemisch" genannt zu werden.<br />
Einigkeit besteht zwischen den verschiedenen Protagonisten systemischer<br />
Rationalisierung zunächst darüber, daß neue Technologien der Informationsverarbeitung<br />
<strong>und</strong> der Daten-Kommunikation die Integration räumlich<br />
<strong>und</strong> zeitlich auseinander liegender Produktionsprozesse sowie deren zeitgleiche<br />
ideelle Abbildung in den der Produktion vor- oder nachgelagerten<br />
Bereichen ermöglichen. Implizit wird damit ein starkes, wenn auch in der<br />
industriesoziologischen Diskussion über systemische Rationalisierung bislang<br />
vernachlässigtes Argument der ersten Frankfurter Computerstudie<br />
aufgenommen, demzufolge EDV-Technologien als Organisationstechnologien<br />
fungieren, die (1) zum Produktionsobjekt in einem organisatorisch<br />
vermittelten Verhältnis stehen, (2) nicht auf Teilvorgänge zugeschnitten<br />
sind, sondern sich auf organisatorische Gesamtzusammenhänge stützen,<br />
(3) deren Funktion nicht in der Produktion selbst besteht, sondern in deren<br />
Steuerung <strong>und</strong> (4) die keine Produktionskapazitäten schaffen, sondern<br />
vorhandene ausnutzen (Brandt u.a. 1978, S. 67 f.).<br />
Beide Ansätze gehen weiterhin davon aus, daß sich, vermittelt über die<br />
neuen I&K-(Informations- <strong>und</strong> Kommunikations-)Technologien für die<br />
Unternehmen Chancen eröffnen, überkommene Formen gesellschaftlicher<br />
Arbeitsteilung zwischen Unternehmen verschiedener Größenordnung,<br />
aber auch zwischen Unternehmen <strong>und</strong> K<strong>und</strong>en zu verändern. Im übrigen<br />
sehen beide Ansätze die systemische Rationalisierung auch als Resultat<br />
neuer strategischer Orientierungen des Managements, die, da traditionelle<br />
Strategien des klassischen Taylorismus <strong>und</strong> Fordismus zunehmend suboptimal<br />
werden, nach längeren <strong>und</strong> gründlichen Analysen des gesamten Ar-<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
eitsprozesses "von oben" in das Unternehmen hereingedrückt werden.<br />
"Von oben" meint in diesem Zusammenhang zum einen, daß dem Versuch<br />
systemischer Rationalisierung ein Prozeß jahrelanger Prozeßanalyse vorausgeht,<br />
21<br />
<strong>und</strong> zum anderen, daß systemische Rationalisierung "von der<br />
Organisation des gesamten Funktionsprozesses her, d.h. mit der Perspektive<br />
der Veränderung von komplexen Funktionszusammenhängen <strong>und</strong> der<br />
Realisierung mehrerer Wirkungspotentiale (...) entwickelt <strong>und</strong> durchgesetzt"<br />
wird (Baethge, Oberbeck 1986, S. 23). Hier ist nun eine erste Differenz<br />
der beiden Ansätze festzuhalten. Zwar verläuft der Prozeß der<br />
Durchsetzung systemischer Rationalisierung nach Auffassung der Autoren<br />
im <strong>ISF</strong> keinesfalls bewußtlos, sondern wird durchaus vom Management<br />
geplant. Dennoch haben sie herausgearbeitet, daß sich systemische Rationalisierung<br />
erst ex post, als Summe unterschiedlicher Einzelmaßnahmen<br />
durchsetzt; sie ist damit zunächst das analytische Konstrukt dessen, was<br />
sich gleichsam hinter dem Rücken der Akteure durchgesetzt hat. 22<br />
Indem sowohl Altmann u.a. als auch Baethge <strong>und</strong> Oberbeck den Typus systemischer<br />
Rationalisierung als Ausdruck eines Strukturbruchs interpretieren,<br />
der klassische, punktuell ansetzende <strong>und</strong> auf der Steigerung tayloristischer<br />
Arbeitsteilung beruhende Rationalisierungsstrategien obsolet<br />
werden läßt, unterstellen sie implizit einen Formwandel kapitalistischer<br />
Akkumulation - oder in den Worten der Regulationisten: ein neues Akkumulationsregime<br />
- ohne sich freilich intensiv darum zu bemühen, ihre<br />
anregenden empirischen Bef<strong>und</strong>e mit einer Theorie historischer Veränderungen<br />
innerhalb entwickelter kapitalistischer Gesellschaften in Beziehung<br />
zu setzen. Beim gegenwärtigen Stand der Diskussion wird man zudem den<br />
an der Diskussion beteiligten Kontrahenten den Vorwurf nicht ersparen<br />
21 Beide Positionen erwecken mitunter den Eindruck, als ließen sich Technisierungs-<br />
<strong>und</strong> Rationalisierungsstrategien ohne größere Reibungsverluste durchsetzen,<br />
als wäre die jeweils vorfindbare soziale Realität auch die ehedem "von<br />
oben" intendierte Realität. Sie vernachlässigen damit die insbesondere in der<br />
angelsächsischen labour process debate betonte Dimension des Aushandelns,<br />
des Konfliktes <strong>und</strong> Konsenses, kurz der Mikropolitik in Unternehmen (vgl. Burawoy<br />
1978; 1979). Man kann hier gewisse Parallelen zu zentralen Versäumnissen<br />
der traditionellen Frankfurter Version des Subsumtionstheorems feststellen<br />
(vgl. Baethge, Oberbeck 1986, S. 25; Altmann u.a. 1986 sind da etwas vorsichtiger,<br />
vgl. auch Sauer, Altmann 1989, S. 8; Döhl 1989).<br />
22 Mit Bezug auf die Technisierung verschiedener Abläufe im Unternehmen haben<br />
die Autoren dies im Begriff des "Computerisierungssogs" zusammengefaßt (vgl.<br />
Döhl u.a. 1989, S. 233 ff.; Deiß u.a. 1989).<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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können, bei einer jeweils analytisch gut begründeten Beschreibung neuer<br />
Rationalisierungsstrategien in denjenigen Funktionsbereichen des Unternehmens<br />
stehen geblieben zu sein, die traditionell mit der Bearbeitung des<br />
Nachfrage- <strong>und</strong> des Ineffizienzrisikos betraut sind, der Verwaltung/<br />
Dienstleistung <strong>und</strong> der Produktion.<br />
Beide Ansätze weisen, wie bereits erwähnt, den (neuen) Technologien,<br />
insbesondere EDV-gestützten Technologien, einen hohen Stellenwert zu,<br />
beziehen sich also auf einen in gewisser Hinsicht vergleichbaren Sachverhalt:<br />
den Einsatz von Technologien in Produktion <strong>und</strong> Verwaltung. Die Interpretation<br />
dieses Phänomens kommt nun allerdings zu sehr verschiedenen<br />
Resultaten. Halten die Münchner daran fest, daß der Kern betrieblicher<br />
Strategien sich auf die flexiblenPotentiale von Technik richtet <strong>und</strong><br />
die flexiblen Potentiale der Arbeitskraft strategisch an Bedeutung verlieren,<br />
womit sie eine Trendwende in der Ausrichtung betrieblicher Rationalisierungsstrategie<br />
postulieren, so ist für die Göttinger die systemische Rationalisierung<br />
eine "neue Stufe in der Entwicklung von Büroarbeit", die<br />
"nicht als radikaler Bruch mit bisherigen Organisationsprinzipien" zu werten<br />
ist, sondern als deren "konsequentes Technisieren" zu gelten hat, die<br />
"nun eine neue Dynamik freisetzt" (S. 21)P Dabei stehen die neuen EDVgestützten<br />
Technologien in einer bewährten Tradition der Verwaltungsrationalisierung<br />
<strong>und</strong> sind als vorläufiges Ende einer "säkularen Entwicklung<br />
der zunehmenden Formalisierang <strong>und</strong> Standardisierung gesellschaftlicher<br />
Austauschverhältnisse <strong>und</strong> Verkehrsformen" (ebd.; Hervorhebungen<br />
im Original) anzusehen.<br />
Wenden wir uns nun zunächst der Göttinger Lesart systemischer Rationalisierung<br />
zu. Hier hat man (ähnlich wie auch in <strong>München</strong> - s.u.) erkannt,<br />
daß die Arbeit verschiedener Abteilungen des (Dienstleistungs-)Unter-<br />
23 Damit freilich argumentieren Baethge <strong>und</strong> Oberbeck im Gr<strong>und</strong>e widersprüchlich:<br />
Zum einen wird ein Richtungswechsel in der Arbeitsorganisation behauptet,<br />
der im Abschied vom Taylorismus begründet sein soll, zum anderen<br />
können sie keinen "radikalen Bruch", sondern nur "konsequente Technisierung"<br />
(S. 29) feststellen. Um den wohlmeinenden Leser vollends zu verwirren, wird<br />
dann im folgenden a) der Begriff des Taylorismus für Verwaltungsarbeit generell<br />
als unzutreffend, weil unreflektiert von der Produktion auf diese übertragen,<br />
abgelehnt <strong>und</strong> b) der Begriff partiell für die Phase der sog. Zweiten Computer-<br />
Generation gelten gelassen, allerdings nur für diejenigen Arbeitsplätze, bei<br />
denen der Mensch zum Anhängsel der Maschine geworden ist.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
nehmens durchaus nicht nur auf die Rationalisierung der "Innenwelt" des<br />
Unternehmens gerichtet ist, sondern die Gestaltung der Unternehmens-<br />
Umwelt-Beziehungen mit einschließt. So wird von Baethge <strong>und</strong> Oberbeck<br />
die Verbesserung der Dienstleistungsqualität der Arbeit von Angestellten,<br />
vor allem in bezug auf Marktrepräsentanz, aber auch in bezug auf<br />
Marktantizipation als strategisches Ziel systemischer Rationalisierungskonzepte<br />
vorgestellt.<br />
Die Autoren unterscheiden zwischen primären <strong>und</strong> sek<strong>und</strong>ären Wirkungen<br />
der systemischen Rationalisierung. Die primären Wirkungen systemischer<br />
Rationalisierung sehen sie in einem epochalen Wandel der Kontrollmöglichkeiten<br />
des Managements begründet, das durch die neuen mikroelektronischen<br />
Datenverarbeitungstechnologien nicht nur das Ergebnis<br />
von Arbeitstätigkeiten schneller erfassen, sondern auch den Arbeitsablauf<br />
selbst umfassend dokumentieren kann. Damit wird die Position des einzelnen<br />
Angestellten trotz breiterer Tätigkeitspalette <strong>und</strong> höherer Qualifikation<br />
"unwiderruflich schwächer" (S. 36); in bezug auf die "betriebliche<br />
Position", so Baethge <strong>und</strong> Oberbeck, gebe es "zunächst einmal keine Rationalisierungsgewinner"<br />
(ebd.). Weitere primäre Folgen systemischer Rationalisierung<br />
sind nach Auffassung der Autoren, daß ein wachsendes Angebot<br />
qualifizierter Arbeitskräfte am Markt ins Leere läuft. Ferner verliert<br />
der Dienstleistungssektor endgültig seine Kompensationsfunktion für die<br />
in der unmittelbaren Produktion freigesetzten Arbeitskräfte, weil er aufgr<strong>und</strong><br />
der nunmehr verstärkt einsetzenden Rationalisierungsdynamik zunehmend<br />
selbst Arbeitskräfte freisetzen wird.<br />
Auf längere Sicht gesehen sind jedoch die sek<strong>und</strong>ären Wirkungen systemischer<br />
Rationalisierung in ihrer Relevanz für das Beschäftigungssystem erheblich<br />
höher einzuschätzen. Diese resultieren aus dem sukzessiven Kennenlernen<br />
<strong>und</strong> Ausschöpfen der Potentiale, die in den zur Zeit eingesetzten<br />
EDV-Systemen schlummern (Lernkurve), werden aber erst im nächsten<br />
Jahrzehnt zum Tragen kommen. Unter den sek<strong>und</strong>ären Wirkungen<br />
verstehen Baethge <strong>und</strong> Oberbeck weiter diejenigen Personaleinsparungseffekte,<br />
welche aus der Externalisierung von Projektentwicklungsarbeit,<br />
einer vollständigen Durchsetzung des Kostenstellendenkens <strong>und</strong> einem<br />
flexibilisierten Arbeitseinsatz resultieren. Es scheint uns nicht unwichtig,<br />
darauf hinzuweisen, daß Baethge <strong>und</strong> Oberbeck in diesem Kontext vor allem<br />
auf die quantitativen Effekte systemischer Rationalisierung für das<br />
Beschäftigungssystem abheben, nicht jedoch auf die "internen", qualita-<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
tiven Veränderungen der Arbeitssituation selbst. Diese sind nach ihrer<br />
Auffassung von zu vielen kontingenten, externen Faktoren abhängig (z.B.<br />
Akzeptanz bestimmter Telekommunikationstechnologien) <strong>und</strong> daher ex<br />
ante nicht bestimmbar. Neben der internen Dynamik systemischer Rationalisierung<br />
konstatieren Baethge <strong>und</strong> Oberbeck auch eine "Optimierung<br />
der komplexen Unternehmen-Markt-Beziehungen" (S. 39), haben dabei<br />
allerdings lediglich die Angestelltenarbeit im Auge, die mit der Gestaltung<br />
der Zirkulationsbeziehungen des Unternehmens beschäftigt ist. 24<br />
In bezug<br />
auf die Entwicklungsmöglichkeiten <strong>und</strong> Qualifikationsanforderungen der<br />
Angestellten prognostizieren die Autoren eine zweischneidige Entwicklung.<br />
Die Arbeitsplätze im Angestelltenbereich werden, so spitzen sie ihre<br />
Argumentation zu, "in ihrer Mehrheit attraktiv sein", aber "sie werden rar<br />
sein" (S. 35). Einer externen Segmentation -<br />
"Wer in diesen Dienstleitungsunternehmen drin ist, besitzt neben seinem<br />
privilegierten Arbeitsplatz auch relativ günstige Entwicklungschancen. Wer<br />
draußen ist, hat keines von beiden <strong>und</strong> nur eine düstere Zukunftsperspektive"<br />
(S. 44)<br />
korrespondiert unternehmensintern eine Polarisierung in den Qualifikationsanforderungen,<br />
allerdings (verglichen mit dem in der industriesoziologischen<br />
Tradition üblichen Polarisierungsbegriff, vgl. Kern, Schumann<br />
1970) mit umgekehrten Vorzeichen. Entgegen weitverbreiteten Annahmen<br />
über eine umfassende Dequalifizierung geistiger Angestelltenarbeit durch<br />
EDV-gestützte Technologien kommen Baethge <strong>und</strong> Oberbeck zu einer<br />
anderen Prognose: An inhaltlichen Kriterien gemessen werden die Qualifikationsanforderungen<br />
andere sein als die traditionell geforderten; sie<br />
werden durch eine Verbindung von Reaktionsschnelligkeit, Abstraktionsfähigkeit,<br />
Konzentrationsfähigkeit <strong>und</strong> Genauigkeit gekennzeichnet sein.<br />
Damit werden Eigenschaften gefordert, die auch bislang für qualifizierte<br />
24 Immerhin können wir hier eine weitere Bestätigung für unsere These finden,<br />
daß Markt- <strong>und</strong> Produktionsökonomie nicht in der Weise als Gegensatz angesehen<br />
werden können, wie das die traditionellen Versionen des Subsumtionstheorems<br />
taten. Wie insbesondere Kocka am Beispiel der historischen Entwicklung<br />
des Siemens-Konzerns nachgewiesen hat, bilden sich in Unternehmen recht früh<br />
Abteilungen heraus, deren Funktion darin besteht, markt- <strong>und</strong> produktionsökonomische<br />
Anforderungen zu vermitteln (Kocka 1969). Auch aus der organisationstheoretischen<br />
Literatur lassen sich vielfältige Belege für diese These anführen<br />
(vgl. für die amerikanische Entwicklung Chandler 1962; Noble 1977, S. 257<br />
ff.).<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
Angestelltenarbeit bedeutsam waren. Der einzelne Sachbearbeiter, der systemunterstützt<br />
ein ungleich größeres Tätigkeitsfeld wird bearbeiten können,<br />
wird zugleich in ein "Netz systemvermittelter Kommunikation <strong>und</strong><br />
Kontrolle" (S. 33) gezwängt, wodurch sich, folgt man Baethge <strong>und</strong> Oberbeck,<br />
die Bedeutung seines Erfahrungswissens erheblich vermindert (S.<br />
64). 25 Die Autoren sehen also das Aufgabengebiet des einzelnen Sachbearbeiters<br />
als erweitert, seine berufliche Autonomie (in technisch gesetzten<br />
Grenzen) gesteigert <strong>und</strong> seine Verantwortung gestärkt, dennoch aber<br />
seine betriebliche Position als geschwächt an.<br />
Fassen wir die Auseinandersetzung mit Baethge/Oberbeck zusammen:<br />
Das "Systemische" im Prozeß systemischer Rationalisierung bleibt in diesem<br />
Kontext wesentlich auf das Subsystem der industriellen Verwaltung,<br />
der Zirkulation, also auf den Bereich der, wenn wir uns einer reichlich antiquiert<br />
anmutenden Ausdrucksweise bedienen dürfen, unproduktiven Arbeit<br />
bezogen. Eine Prozeßanalyse im Sinne einer Analyse des Gesamtprozesses<br />
kapitalistischer Verwertung findet nur in Maßen statt. Andere Unternehmensfunktionen<br />
als die von Baethge <strong>und</strong> Oberbeck untersuchten<br />
Bereiche der industriellen Verwaltung <strong>und</strong> Dienstleistung bleiben trotz des<br />
Verweises auf das systemische neuer Rationalisierungsstrategien ausgeblendet,<br />
die Analyse also letztlich "subsystemisch". Dennoch ist, trotz der<br />
annotierten Vorbehalte, der von den Autoren geleistete Versuch der Bestimmung<br />
neuer Rationalisierungsstrategien im Angestelltenbereich als<br />
"systemisch" für unsere Fragestellung von Interesse, weil hier aufgr<strong>und</strong><br />
empirischer Erfahrungen die neue Qualität von Rationalisierungsstrate-<br />
25 Es ist u.a. dieser Sachverhalt, die Entwertung von Erfahrungswissen durch<br />
Übertragung dieser Wissenselemente auf die Maschine, der in der industriesoziologischen<br />
Diskussion mit "Taylorismus" <strong>und</strong> "Fordismus" assoziiert wird (vgl.<br />
Pries 1988; Jürgens, Malsch, Dohse 1989). Insofern verw<strong>und</strong>ert die schroffe Ablehnung<br />
dieser Begriffe durch Baethge <strong>und</strong> Oberbeck schon, obwohl andererseits<br />
ihre Kritik überzogener Taylorismuskonzepte durchaus überzeugt (vgl.<br />
auch Oberbeck 1987, S. 160 f.). Wichtig ist in diesem Zusammenhang<br />
der Hinweis, daß der Enteignung von "traditionellen" Wissensbeständen regelmäßig<br />
die Aneignung neuer Wissenselemente folgt (Malsch 1987a). Es<br />
bleibt aber die Frage, ob nicht auch ein Formwandel des Taylorismus denkbar<br />
ist, der zwar auf erhöhtem Qualifikationsniveau ansetzt, zugleich aber die durch<br />
die neuen Technologien gegebenen Kontrollpotentiale (wo notwendig) nutzt<br />
<strong>und</strong> die von Braverman als zentral angesehene Trennung von Vorstellung <strong>und</strong><br />
Ausführung auf einer höheren <strong>und</strong> abstrakteren Ebene reproduziert, indem<br />
diese in den Medien der Hard- <strong>und</strong> Software technisch sedimentiert, petrifiziert<br />
<strong>und</strong> durch entsprechende organisatorische Arrangements abgesichert wird.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
gien herausgearbeitet wurde, die nicht an Einzelarbeitsplätzen ansetzen,<br />
sondern sich auf den Arbeitsprozeß als ganzen beziehen.<br />
Wenden wir uns nun den Entwürfen einiger Mitarbeiter des Münchner Instituts<br />
für Sozialwissenschaftliche Forschung (<strong>ISF</strong>) zu, die etwa zur selben<br />
Zeit wie Baethge <strong>und</strong> Oberbeck einen Trend zu systemischen Rationalisierungsstrategien<br />
ausgemacht haben. 26<br />
Analog den in der Organisationstheorie (noch) vorherrschenden Annahmen<br />
des situativen Ansatzes (s. Abschnitt 3.3) gehen auch die Münchner<br />
Vertreter einer These "systemischer" Rationalisierung davon aus, daß die<br />
Unternehmen mit dem "Neuen Rationalisierungstyp" auf starke Veränderungen<br />
in ihrer Umwelt reagieren, die sich knapp mit verschärfter (Weltmarkt-)Konkurrenz<br />
<strong>und</strong> erhöhten Flexibilitätsanforderungen umschreiben<br />
lassen. 27<br />
Allerdings sind die Vertreter des Münchner Ansatzes systemischer Rationalisierung<br />
in bezug auf die Prognose zukünftiger Entwicklungen industrieller<br />
Arbeit sehr viel vorsichtiger als Baethge <strong>und</strong> Oberbeck oder Kern<br />
26 Vgl. Altmann u.a. 1986, nach unserem Wissen immer noch die geschlossenste<br />
Darstellung dessen, was nach Auffassung der Münchner Kollegen unter dem<br />
"Neuen Rationalisierungstyp" zu verstehen ist. Neuere Veröffentlichungen konzentrieren<br />
sich meist auf bestimmte Einzelaspekte systemischer Rationalisierung,<br />
beispielsweise auf die Abnehmer-Zulieferer-Problematik (vgl. die Beiträge<br />
von Döhl <strong>und</strong> Deiß sowie von Sauer, Altmann in Altmann, Sauer 1989), auf die<br />
Probleme betrieblicher Interessenvertretung (vgl. Sauer 1989; Deiß 1988) <strong>und</strong><br />
auf die Prozesse der Technikselektion in Unternehmen (Döhl 1989). Eine überarbeitete<br />
Fassung des Begriffs systemischer Rationalisierung, die insbesondere<br />
auch die Frage der Technikgenese angemessen berücksichtigt, findet sich in<br />
Sauer u.a. 1992, mit Bezug auf die arbeitsteilige Entwicklung neuer Produkte in<br />
der Automobilindustrie in Bieber, Sauer 1991.<br />
27 Es kann vermutet werden, daß der neue Rationalisierungstyp sich neben diesen<br />
der Umwelt zuzuordnenden Anforderungen auch dem Umstand verdankt, daß<br />
in der Tradition fordistisch-tayloristischer Rationalisierung stehende Strategien<br />
einer "Vermehrung des Immergleichen" (Beck 1988), im Sinne einer Vertiefung<br />
der Arbeitsteilung bei Verschärfung der Trennung von Ausführung <strong>und</strong> Vorstellung,<br />
einer Standardisierung von Arbeitsvöllzügen bei Durchplanung sämtlicher<br />
Produktionsstufen, einer Steigerung der Kontrolle der Beschäftigten bei<br />
verschärfter Wissensenteignung <strong>und</strong> breiter Dequalifizierung nicht mehr tragen.<br />
Darüber herrscht in der gesamten Industriesoziologie im Gr<strong>und</strong>e Einigkeit. Die<br />
kontrovers diskutierte Frage ist, aufgr<strong>und</strong> welcher Ursachen <strong>und</strong> mit welchen<br />
Folgen dieser Zusammenbruch ehemals erfolgreicher Strategien erfolgt.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
<strong>und</strong> Schumann (vgl. Bechtle, Lutz 1989): Sehen letztere den Zug der Zeit<br />
eindeutig in Richtung einer umfassenden "Rehabilitierung" der (verbliebenen)<br />
Produktions- bzw. Dienstleistungsarbeit im Sinne eines "Endes der<br />
Arbeitsteilung" abfahren (allerdings bei verschärfter externer Segmentation),<br />
so sind Altmann u.a. in bezug auf die Folgen systemischer Rationalisierungsstrategien<br />
für die Beschäftigten erheblich skeptischer. Dabei legen<br />
sie sich freilich nicht auf eine Position fest, derzufolge der neue Rationalisierungstyp<br />
nur eine Verschärfung der problematischen Entwicklungen<br />
darstellt, die aus der Geschichte der Rationalisierung nur allzu gut bekannt<br />
sind. Vielmehr betonen sie, daß der neue Typus von Rationalisierung<br />
- mindestens auf der strategischen Ebene - gleichsam in Dimensionen<br />
vorstößt, die mit traditionellen industriesoziologischen Erklärungsversuchen<br />
kaum mehr zu begreifen sind (vgl. Altmann u.a. 1986, S. 194 ff., S.<br />
201 ff.).<br />
Zunächst verweist der am <strong>ISF</strong> vertretene Begriff systemischer Rationalisierung<br />
auf drei Dimensionen der Rationalisierung, die bislang in sozialwissenschaftlichen<br />
Untersuchungen bestenfalls am Rande angesprochen<br />
wurden. So wird - in Übereinstimmung mit Baethge <strong>und</strong> Oberbeck - (erstens)<br />
der primär gesamtsystembezogene Ansatz systemischer Rationalisierung<br />
thematisiert, der darauf gerichtet ist, "betriebliche Teilprozesse<br />
zunächst in datentechnischen Dimensionen zu erfassen, organisatorisch<br />
neu zu ordnen <strong>und</strong> letztlich datentechnisch zu vernetzen" (ebd., S. 191).<br />
Nicht der einzelne Arbeitsschritt ist die Zielgröße von Rationalisierungsstrategien,<br />
sondern der gesamte Produktionsprozeß bzw. darüber hinaus<br />
der gesamte Prozeß der Kapitalverwertung (vom Kauf von Rohmaterialien<br />
<strong>und</strong> Zulieferprodukten bis hin zum Verkauf der Waren <strong>und</strong> den sich daran<br />
anschließenden Rückkopplungseffekten; vgl. etwa Deiß u.a. 1989).<br />
Erheblich stärker als bei Baethge <strong>und</strong> Oberbeck werden (zweitens) die<br />
Wirkungen des neuen Rationalisierungtyps auf zwischenbetriebliche Zusammenhänge<br />
herausgearbeitet. Dies schließt beispielsweise eine gr<strong>und</strong>legende<br />
Neustrukturierung der Abnehmer-Zulieferer-Beziehung ein, die<br />
von einer Verringerung der Fertigungstiefe beim Abnehmer bis hin zu<br />
neuen Anforderungen an die FuE, die Qualitätssicherung <strong>und</strong> die Logistik<br />
der Zulieferunternehmen reichen können (vgl. auch Bieber, Sauer 1991).<br />
Kennzeichnend ist in dieser Perspektive jedoch die über den eigenen (Abnehmer-)Betrieb<br />
hinausweisende Perspektive der technisch-organisatori-<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
schen Anbindung fremder Unternehmenseinheiten. "Autonomie des Betriebs"<br />
(Altmann, Bechtle 1971) stellt sich in dieser Perspektive nicht mehr<br />
allein über die Gestaltung des eigenen Produktionsprozesses her, sondern<br />
schließt die (strategische Entscheidung über die) Gestaltung der Außengrenzen<br />
des Betriebs ein. Damit wird es möglich, einen bislang modernisierungs-<br />
<strong>und</strong> kapitalismustheoretisch ausgeschlossenen, inzwischen aber<br />
"real existierenden" Sachverhalt zu erörtern: das Paradox nämlich, daß<br />
Unternehmen ihre Profitabilität durch das Abschmelzen des eigenen Produktionsprogramms<br />
erhöhen <strong>und</strong> nicht, wie in der ökonomischen Theorie<br />
bislang vorwiegend diskutiert, im Zuge horizontaler oder vertikaler Integration<br />
ausbauen.<br />
Schließlich richten sich (drittens), so Altmann u.a., Strategien der systemischen<br />
Rationalisierung primär auf die "flexiblen/elastischen Potentiale von<br />
Technik". Damit geht ein zunehmender Bedeutungsverlust von Arbeitskraft<br />
als elastischer Potenz im Produktionsprozeß einher, ohne daß Altmann<br />
u.a. deshalb der Arbeitskraft jegliche Relevanz absprechen - vor allem<br />
während den Implementationsphasen neuer Technologien wird ihrer<br />
Auffassung zufolge noch qualifizierte Arbeitskraft gebraucht (Sauer 1987,<br />
S. 148). Insbesondere diese dritte These steht in krassem Widerspruch zu<br />
dem Szenario künftiger Industriearbeit, wie es beispielsweise von Kern<br />
<strong>und</strong> Schumann oder Piore <strong>und</strong> Sabel entwickelt wurde. Die Autoren vertreten<br />
allerdings nicht die sog. "Restarbeitsthese", die ein zentrales Moment<br />
des Frankfurter Subsumtionstheorems darstellt. Diese Restarbeitsthese<br />
besagt extrem verkürzt, daß das Kapital aus prinzipiellen Gründen<br />
der Arbeitskraft mißtraut (Transformationsproblem) <strong>und</strong> deshalb mit<br />
Macht die menschenleere Fabrik anstrebt - weshalb notwendige Konsequenz<br />
jeder Rationalisierung eine umfassende Verminderung der Zahl der<br />
Beschäftigten im Produktionsprozeß bei einschneidender Entqualifizierung<br />
ist. Altmann u.a. weisen dagegen darauf hin, daß in den Rationalisierungsstrategien<br />
der Unternehmen zukünftig die menschliche Arbeitskraft<br />
als Bezugspunkt, d.h. als strategischer Ansatzpunkt von Rationalisierung,<br />
an Bedeutung verHeren wird <strong>und</strong> Personalkosteneinsparungseffekte - womit<br />
sie sich übrigens in Übereinstimmung mit Baetghe <strong>und</strong> Oberbeck befinden<br />
- von den Unternehmen "mitgenommen" werden, nicht aber primäres<br />
Rationalisierungsziel sind. Dies liegt auch (<strong>und</strong> vor allem?) daran, daß<br />
die materielle Gestalt moderner Organisationstechnologien selbst "systemisch"<br />
zu sein scheint (I&K-Technologien). Vorrangiges Interesse an Ra-<br />
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tionalisierung ist dieser Interpretation zufolge, die Gesamtverfügbarkeit<br />
des Systems (über Prozeß- <strong>und</strong> Unternehmensgrenzen hinweg) zu erhöhen.<br />
Zusammengenommen ergeben die drei wesentlichen strategischen Stoßrichtungen<br />
des neuen Rationalisierungstyps insofern eine neue Qualität,<br />
als sie es dem Management erlauben, die externe Unternehmensumwelt in<br />
das Kalkül avancierter Strategien zur Minimierung von Ineffizienz- <strong>und</strong><br />
Nachfragerisiken einzubeziehen. Insbesondere für das Verhältnis kleiner<br />
zu großen Unternehmen bzw. für das Verhältnis zwischen Zulieferer- <strong>und</strong><br />
Abnehmerunternehmen ergeben sich unter der Perspektive systemischer<br />
Rationalisierung weitreichende Veränderungen, die dahin tendieren,<br />
durch rigoroses Setzen auf die Marktkräfte die Zahl der Marktteilnehmer<br />
zu verringern. Diese Prozesse wiederum haben vielfältige Auswirkungen<br />
auf die Beschäftigten, die sich unter dem Vorzeichen systemischer Rationalisierung<br />
nicht der isolierten (intraorganisatorischen) Rationalisierungsstrategie<br />
eines Unternehmens verdanken, sondern dem interorganisatorischen<br />
Netzwerk (mit den Großunternehmen als entsprechenden Zentren),<br />
in das das Einzelunternehmen "eingebettet" ist. Das gilt nicht nur für neue<br />
Anforderungen in bezug auf die unmittelbare Produktion oder unmittelbar<br />
mit dieser verb<strong>und</strong>ene Bereiche (Qualitätssicherung, Logistik), sondern<br />
auch (<strong>und</strong> gerade) für den an Relevanz gewinnenden Bereich der Erzeugung<br />
neuer Produkt- <strong>und</strong> Prozeßtechnologien. Dieser Bereich stand allerdings<br />
in den Münchner Arbeiten zur systemischen Rationalisierung bislang<br />
nicht im Mittelpunkt; Technikgeneseforschung wurde hier vorwiegend unter<br />
dem Gesichtspunkt des Verhältnisses von Herstellern <strong>und</strong> Anwendern<br />
betrieben (vgl. etwa Deiß u.a. 1990; Döhl 1989).<br />
In bezug auf die durchschnittliche Qualifikationsentwicklung kommen<br />
Altmann u.a. allerdings zu gänzlich anderen Resultaten als Baethge <strong>und</strong><br />
Oberbeck. Da die Unternehmen verstärkt auf die elastische Potenz von<br />
Technik setzten, komme der qualifizierten menschlichen Arbeit nur in Implementationsphasen<br />
neuer Technologien <strong>und</strong> an wenigen Schlüsselarbeitsplätzen<br />
eine zentrale Rolle zu. Daraus, wie auch aus der Perspektive,<br />
daß der einzelne Arbeitsplatz nur im Verhältnis zum gesamten Produktionssystem<br />
gesehen wird, resultiert eine insgesamt schwächere Position der<br />
Arbeitskraft gegenüber dem Management. Vielleicht ist dies der Punkt,<br />
um ein Defizit der gängigen Industriesoziologie anzusprechen. Die die in-<br />
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dustriesoziologische Diskussion beherrschende Fragestellung, ob kapitalistische<br />
Rationalisierung "in der Haupttendenz" dequalifizierende <strong>und</strong> degradierende<br />
Wirkungen beinhalte oder ob nicht für die Arbeitskräfte,<br />
mindestens für die "Rationalisierungsgewinner", neue, bessere Zeiten anbrechen,<br />
scheint uns in der Schärfe, mit der die alternativen Entwicklungspfade<br />
industrieller Arbeit gegeneinander gestellt werden, nicht fruchtbar<br />
zu sein. Zum einen wird nämlich häufig unvergleichbares gemessen, zum<br />
anderen reicht die Rekonstruktion der Qualifikationssituation nicht zur<br />
Beschreibung der Lage der Arbeitenden aus (vgl. Schmiede 1987;<br />
Türk 1985). Für das Konzept der "systemischen Rationalisierung", wie es<br />
von Altmann u.a. in Gr<strong>und</strong>zügen entwickelt worden ist, ist eine breite leistungspolitische<br />
Nutzung der Arbeitskraft denkbar, ohne daß die strategische<br />
Präferenz der Unternehmen für die "Technik als elastisches Potential"<br />
in Frage gestellt werden müßte. Diese breite Nutzung der Arbeitskraft<br />
wiederum muß nicht notwendig mit einer allgemeinen Erhöhung der<br />
abgeforderten Qualifikationsprofile verb<strong>und</strong>en sein.<br />
Unseres Erachtens ist an Altmann u.a. nicht zu kritisieren, daß sie keinen<br />
aus der Systemtheorie oder aus anderen theoretischen Verweisungszusammenhängen<br />
hergeleiteten Systembegriff haben, 28<br />
sondern daß sie die<br />
in dem Begriff des "Systemischen" angelegten Möglichkeiten in bezug auf<br />
empirische Fragestellungen <strong>und</strong> analytische Konzepte nicht umfassend<br />
ausschöpfen. Zwar ist in der Redeweise vom "Systemischen" implizit angelegt,<br />
daß die organisatorisch <strong>und</strong> technologisch gestützte Integration<br />
bislang unterschiedlicher Aufgabenstellungen neue Rationalisierungspotentiale<br />
eröffnet. Dieser Gedanke wird aber in zweierlei Hinsicht nicht zu<br />
Ende gedacht.<br />
Zum einen wird weiterhin der Produktionsprozeß, <strong>und</strong> zwar - so zumindest<br />
unser Eindruck - in seiner materiellen Gestalt, als das Zentrum der<br />
28 Um es deutlich zu sagen: Die immer wieder vorgetragene Kritik, die unterschiedlichen<br />
Positionen, die mit dem Begriff der "systemischen Rationalisierung"<br />
arbeiten, verfügten nicht über einen systemtheoretisch ausgearbeiteten "Systembegriff"<br />
(vgl. Faber, Wehrsig 1989, S. 3 ff.), kann insofern nicht überzeugen, als<br />
die angegriffenen Autoren nicht vorhaben, sich innerhalb des systemtheoretischen<br />
Sprachspiels zu verorten, sondern den Systembegriff erkennbar ausschließlich<br />
auf analytischer Ebene verwenden.<br />
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Analyse, als ausschließliches Zentrum der Kapitalverwertung angesehen. 29<br />
Anregungen, wie sie etwa von Sauer während seines Beitrags auf dem<br />
Hamburger Soziologentag gegeben wurden (Sauer 1987), werden nicht<br />
(oder nur sehr verkürzt) aufgenommen. Sauer hatte u.a. darauf hingewiesen,<br />
daß "betriebliche Teilbereiche (z.B. Organisations- <strong>und</strong> Finanzabteilungen,<br />
Controlling), die auf abstraktere Verwertungszwecke ausgerichtet<br />
sind, eine zunehmend wichtigere Rolle erhalten" (ebd., S. 149), während<br />
umgekehrt "noch stofflich geprägte betriebliche Teilbereiche (vor allem<br />
Funktionen in der unmittelbaren Fertigung) an Bedeutung verHeren"<br />
(ebd.). Trotzdem wird weiterhin die Vorstellung genährt, veränderte Umweltanforderungen,<br />
die man im Anschluß an Child als größeres Ineffizienz-<br />
<strong>und</strong> Nachfragerisiko fassen kann <strong>und</strong> die von Altmann u.a. als erhöhter<br />
Ökonomisierungs- <strong>und</strong> Flexibilisierungsdruck umschrieben werden,<br />
ließen sich vor allem durch den Einsatz neuer Technologien <strong>und</strong> neuer<br />
Organisationstrukturen in der Fertigung begegnen.<br />
Zum anderen teilt der Münchner Ansatz systemischer Rationalisierung<br />
eine zentrale Schwäche der westdeutschen Industriesoziologie, 30 indem er<br />
durch die eben beschriebene Konzentration der analytischen <strong>und</strong> empirischen<br />
Anstrengungen auf den unmittelbaren Produktionsprozeß den Bereich<br />
der Entwicklung neuer (Produkt- <strong>und</strong> Prozeß-)Technologien ver-<br />
29 Nach unserer Auffassung muß sich die Industriesoziologie angesichts umfassender<br />
Strukturveränderungen in fortgeschrittenen Industriegesellschaften von der<br />
überkommenen Gleichsetzung von "produktiver" <strong>und</strong> "materieller" Arbeit lösen.<br />
Theoretisch war diese Ineinssetzung je schon fragwürdig, aber sie hatte immerhin<br />
empirisch einiges für sich. Diese Plausibilität geht nun vollends verloren, da<br />
die entwickelten kapitalistischen Gesellschaften sich zwar nicht in "Dienstleistungsgesellschaften"<br />
verwandeln, aber sich die industrielle Sozialstruktur doch<br />
einschneidend zugunsten des sogenannten tertiären Sektors <strong>und</strong> in Richtung auf<br />
einen "technologischen Kapitalismus" verändert.<br />
30 Damit soll nicht bestritten werden, daß die Entwicklung neuer Prozeßtechnologien<br />
<strong>und</strong> die Beziehungen zwischen Herstellern <strong>und</strong> Anwendern derselben seit<br />
Jahren einen Schwerpunkt der Arbeiten des Münchner <strong>ISF</strong> darstellen (vgl. etwa<br />
Deiß u.a. 1989; Döhl 1989; Hirsch-Kreinsen 1989; Deiß u.a. 1990; Deiß, Hirsch-<br />
Kreinsen 1992). In diesen Arbeiten wird aber übersehen, daß aufgr<strong>und</strong> der gestiegenen<br />
Bedeutung der Entwicklung neuer Produkt- <strong>und</strong> Prozeßtechnologien -<br />
insbesondere in der verwissenschaftlichten Industrie - "die Technik" von einer<br />
Kontextbedingung zu einem zentralen Parameter der Unternehmensstrategie<br />
aufrückt, wie auch die damit verb<strong>und</strong>ene Restrukturierung der gesamten <strong>Unternehmensorganisation</strong><br />
nicht die ihr zukommende Aufmerksamkeit erfährt.<br />
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nachlässigt. Trotz des Hervorhebens der Tendenz einer zunehmenden<br />
strategischen Forcierung der elastischen Potentiale der Technik bleibt die<br />
Perspektive insofern traditionell, als vor allem die Folgen des Einsatzes<br />
neuer Technologien im Mittelpunkt des Forschungsinteresses stehen, nicht<br />
aber die Prozesse der Erzeugung dieser Technologien selbst. So recht also<br />
die Autoren u.E. haben, wenn sie hervorheben, daß die Unternehmen zunehmend<br />
stärker auf die flexiblen Potentiale der Technik denn auf die der<br />
Arbeitskraft setzen, so wenig reizen sie das in dieser These liegende Potential<br />
aus. Der strategische Bezug auf Technik im Prozeß systemischer<br />
Rationalisierung geht nämlich erheblich weiter, als Altmann u.a. (bislang<br />
zumindest) meinen. So genießt im Top-Management der Prozeß der Entwicklung<br />
neuer Technologien eine sehr hohe Priorität, weil nur die Entwicklung<br />
neuer Produkte <strong>und</strong> Verfahren erlaubt, den gestiegenen Anforderungen<br />
an Flexibilität <strong>und</strong> Ökonomisierung zu genügen. Dies gilt vor<br />
allem dann, wenn - wie etwa in der Elektro- <strong>und</strong> Elektronikindustrie - inkrementale<br />
wie radikale Innovationen einen hohen Einsatz wissenschaftlich-technischen<br />
Wissens erfordern <strong>und</strong> Produkt- <strong>und</strong> Prozeßinnovationen<br />
simultan vorangetrieben werden müssen.<br />
Die bislang nicht weiter getriebene Analyse der Erzeugungsprozesse neuer<br />
Technologien bei Altmann u.a. ist um so bedauerlicher, als, wie wir hoffen<br />
im folgenden zeigen zu können, der Prozeß wissenschaftlich-technischer<br />
Innovation im Zeichen verkürzter Produktlebenszyklen mindestens in<br />
zwei, wenn nicht drei Dimensionen strukturanalog der von Altmann u.a.<br />
für den Bereich der materiellen Produktion entwickelten Logik systemischer<br />
Rationalisierung verläuft (ohne daß wir die Differenzen dieser<br />
höchst unterschiedlichen "Produktionsprozesse" (in Sohn-Rethelscher Diktion:<br />
Hand- <strong>und</strong> Kopfarbeit) für irrelevant halten würden - s.u.). Um diese<br />
Strukturanalogie wenigstens anzudeuten: Zu vermuten ist immerhin (erstens),<br />
daß die Versuche einer Rationalisierung des Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungsbereichs<br />
früher als im Bereich der materiellen Produktion auf<br />
den gesamten FuE-Prozeß <strong>und</strong> nicht auf einzelne Teile desselben bezogen<br />
waren, weil sich auch im Verständnis des (Forschungs-)Managements die<br />
Prozesse geistiger Arbeit nur unter Berücksichtigung ihres prozeßhaften<br />
Charakters rationalisieren lassen.<br />
Daneben (zweitens) wurde <strong>und</strong> wird zunehmend - insbesondere in hochriskanten<br />
"Technologiefeldern" - eine das einzelne Unternehmen über-<br />
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greifende Kooperation bei der Produkt- <strong>und</strong> Prozeßinnovation zur vorherrschenden<br />
Strategie - nicht nur, aber vor allem in der Elektroindustrie<br />
(s. Kapitel 9). Dieser Trend geht einher mit einer starken Internationalisierung<br />
von Forschung <strong>und</strong> Entwicklung. Und (drittens) schließlich scheint<br />
gerade in der Produktentwicklung der "Technikbezug" stark an Boden zu<br />
gewinnen (CAD, FEM etc.). 31<br />
Seit Erscheinen des Aufsatzes zum "Neuen Rationalisierungstyp" in der<br />
"Sozialen Welt" 1986 haben sich Altmann u.a. um eine Präzisierung verschiedener<br />
Kategorien ihres analytischen Konzepts bemüht. Ihre Überlegungen<br />
kreisen dabei primär um das Moment des strategischen Einbezugs<br />
der Unternehmensumwelt in die Rationalisierungsstrategie (vor allem)<br />
großer Unternehmen. Hierbei steht das veränderte Verhältnis der Großunternehmen<br />
zu ihren Zulieferern im Vordergr<strong>und</strong> (vgl. Altmann, Sauer<br />
1989; Deiß, Döhl 1992). In diesem Zusammenhang haben nun auch die<br />
Begriffe der systemischen <strong>und</strong> der integrativen Rationalisierung, die ursprünglich<br />
synonym gebraucht worden waren, eine nicht unerhebliche Differenzierung<br />
erfahren. Diese soll im folgenden kurz rekonstruiert werden,<br />
um dann in einem zweiten Schritt eine Erweiterung des Begriffs vorzuschlagen,<br />
die nach unserer Meinung einen produktiveren Umgang mit diesen<br />
Begriffen ermöglicht.<br />
Fassen wir jedoch zunächst unsere Würdigung des Münchner Ansatzes zusammen.<br />
Die Betonung der integrierenden <strong>und</strong> traditionelle Grenzziehungen<br />
transzendierenden Wirkung systemischer Rationalisierungskonzepte<br />
kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß das Zentrum der Überlegungen<br />
der unmittelbare Produktionsprozeß, daß das systemische auf das Subsystem<br />
der Produktion, auf einen traditionellen Begriff "produktiver Arbeit"<br />
bezogen bleibt <strong>und</strong> diese noch immer das geheime Zentrum der Analyse<br />
des "Systems Unternehmen" oder gar des "Systems Betrieb" 32<br />
darstellt.<br />
Das steht in einem gewissen Gegensatz zu Überlegungen, wie sie von Alt-<br />
31 "Apparatebezug der Wissenschaften <strong>und</strong> Verwissenschaftlichung der Technologie"<br />
(vgl. Hack, Hack 1985, S. 599 ff.).<br />
32 Auf den impliziten Widerspruch zwischen einem Konstatieren des Voranschreitens<br />
systemischer Rationalisierungsstrategien einerseits <strong>und</strong> dem Festhalten<br />
am überkommenen Betriebsbegriff des Münchner Ansatzes betrieblicher<br />
Autonomiestrategien andererseits haben wir bereits hingewiesen (vgl. Pohlmann<br />
1989; vgl. auch Hessinger 1988, S. 246 ff.).<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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mann u.a. (1986), vor allem aber von Sauer (1987) angestellt wurden. Immerhin,<br />
<strong>und</strong> dies soll hier noch einmal nachdrücklich festgehalten werden,<br />
kann man innerhalb des Münchner Ansatzes eher als im Göttinger Ansatz<br />
systemischer Rationalisierung theoretisch, aber auch empirisch den heutigen<br />
Stand der "Produktionsmodernisierung" (vgl. Pries, Schmidt, Trinczek<br />
1989) diskutieren. Dieser besteht wohl darin, daß Rationalisierungsmaßnahmen<br />
auf der Ebene der materiellen Produktion nicht ohne Bezug auf<br />
Bereiche außerhalb derselben durchgeführt werden. Man kann den im Zusammenhang<br />
des Münchner Ansatzes vorgelegten Arbeiten immerhin den<br />
Hinweis entnehmen, daß die Diskussion verschiedenster Formen <strong>und</strong><br />
Wirkungen von Rationalisierung ohne den Rekurs auf Funktionen, die<br />
außerhalb der traditionell von der Industriesoziologie untersuchten Bereiche<br />
liegen, defizitär wird (vgl. insbesondere Altmann, Sauer 1989).<br />
Ähnlich früheren Veröffentlichungen aus dem Kontext unseres Projekts<br />
(Bieber, Möll 1988) operieren auch Altmann u.a. mit dem Begriff der "integrativen<br />
Rationalisierung". Es scheint uns daher sinnvoll zu sein, kurz<br />
auf die Verwendung der Begriffe systemischer <strong>und</strong> integrativer Rationalisierung<br />
am Münchner <strong>ISF</strong> einzugehen. Folgt man den Erläuterungen von<br />
Sauer <strong>und</strong> Altmann, so ist "systemische" Rationalisierung nicht Ausfluß<br />
bewußter Planung, sondern setzt sich gleichsam hinter dem Rücken der<br />
Akteure durch:<br />
"Wir verwenden den Begriff 'systemisch' zur Bezeichnung eines objektiven<br />
Sachverhalts, der auf (noch) nicht identifizierte <strong>und</strong>/oder potentiell angelegte<br />
Wirkungszusammenhänge verweist. Gemeint ist damit also keineswegs,<br />
daß eine solche Rationalisierung durchgreifend (<strong>und</strong> systematisch!)<br />
geplant ist, aber daß sie letztlich auf alle Teilprozesse des gesamt- <strong>und</strong><br />
überbetrieblichen Ablaufes einwirkt" (Sauer, Altmann 1989, S. 8).<br />
Damit soll nun keineswegs behauptet werden, daß systemische Rationalisierung<br />
ein nicht-intendiertes Resultat von strategischen Entscheidungen<br />
des Managements sei. Vielmehr verwahren sich die Autoren gegen ein<br />
Verständnis systemischer Rationalisierung, demzufolge die soziale Realität<br />
ohne Abstriche Resultat der Entscheidungen allmächtiger Manager sei,<br />
die ihre Interessen <strong>und</strong> Strategien durchsetzen können, ohne irgendwo auf<br />
limitierende Faktoren zu stoßen. Sie wenden sich also gegen eine allzu<br />
stromlinienförmige Interpretation systemischer Rationalisierung, wie sie<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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eispielsweise von Baethge <strong>und</strong> Oberbeck 33<br />
vorgelegt worden ist, die aber<br />
auch im ersten Aufsatz zum neuen Rationalisierungstyp der Münchner<br />
durchaus noch nahegelegt wurde. Wie dem auch sei, gegen die systemische<br />
setzen die Autoren die integrative Rationalisierung ab:<br />
"Konkrete Rationalisierungspolitiken, die intentional auf solche Verknüpfungen<br />
(d.h. systemische Rationalisierung - DB/GM) angelegt sind, bezeichnen<br />
wir im allgemeinen als "integrativ" orientiert, entsprechende konkrete<br />
Maßnahmen als integrative Rationalisierung" (Sauer, Altmann 1989,<br />
S. 8).<br />
Die "integrative" Rationalisierung ist demzufolge der "systemischen" strukturell<br />
vorgeordnet, die integrative tendiert also zu einem Übergang in die<br />
systemische Rationalisierung. Damit ergibt sich aber das bislang nicht befriedigend<br />
gelöste Problem, wie man präzise systemische von integrativer<br />
Rationalisierung unterscheidet.<br />
Stellt man die vorgängige Beschränkung der industriesoziologischen<br />
Sichtweise auf den materiellen Produktionsprozeß in Rechnung, so scheint<br />
das Konzept systemischer Rationalisierung ein sinnvolles Instrument zur<br />
Erfassung <strong>und</strong> Beschreibung neuer Rationalisierungsstrategien zu sein, die<br />
sich nicht länger durch Rekurs auf einen eng begrenzten Bereich des Betriebs<br />
resp. des Unternehmens erfassen lassen. Angesichts tiefgreifender<br />
Verwerfungen in der industriellen Sozialstruktur, die bislang nur in Ansätzen<br />
Gegenstand der Forschung sind (vgl. Bechtle, Lutz 1989; Hack, Hack<br />
1986), erscheint uns allerdings eine umfangslogische Erweiterung der Be-<br />
33 "Systemische Rationalisierungsprozesse sind dadurch gekennzeichnet, daß unter<br />
Nutzung neuer, mikroelektronisch basierter Datenverarbeitungs- <strong>und</strong> Kommunikationstechnik<br />
der betriebliche <strong>und</strong> überbetriebliche Informationsfluß, die<br />
Kommunikation über <strong>und</strong> die Kombination von Daten, die Organisation der<br />
Betriebsabläufe <strong>und</strong> die Steuerung der unterschiedlichen Funktionsbereiche in<br />
einer Verwaltung bzw. in einem Unternehmen in einem Zug neu gestaltet werden<br />
(Baethge, Oberbeck 1986, S. 22; Hervorhebungen im Original). "Natürlich<br />
stellen die Entwicklungen auf dem Gebiet der Datenverarbeitungs- <strong>und</strong> Kommunikationstechnik<br />
die technische Basis für systemische Rationalisierungsprozesse<br />
dar, mit ihrer Verfügbarkeit wird allerdings nicht schon ein fertiges Konzept<br />
zur Veränderung von Ablaufstrukturen <strong>und</strong> Bearbeitungsformen gesetzt.<br />
Solche Konzepte werden erst in einem (...) Prozeß systematischer Planung <strong>und</strong><br />
Vorbereitung entwickelt, wobei Entscheidungen über die je spezifische Nutzungsform<br />
der Technik ... getroffen werden" (ebd., S. 25; Hervorhebungen von<br />
uns - DB/GM).<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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griffe der systemischen <strong>und</strong> der integrativen Rationalisierung sinnvoll. Wir<br />
haben bereits darauf hingewiesen, daß der zentrale Stellenwert systemischer<br />
Rationalisierung nicht nur im Transzendieren von Betriebs- <strong>und</strong> Unternehmensgrenzen<br />
zu sehen ist, sondern auch (<strong>und</strong> nach unserer Auffassung<br />
vorrangig!) im Hinausgreifen über die Ebene der unmittelbaren Produktion<br />
in Richtung auf die innovativen Abteilungen des Unternehmens.<br />
Aus diesem Gr<strong>und</strong>e mag es um der begrifflichen Klarheit willen sinnvoll<br />
sein, den Begriff der systemischen Rationalisierung nicht länger auf den<br />
Bereich der materiellen Produktion zu beschränken, sondern ihn auch auf<br />
diejenigen Rationalisierungsbestrebungen auszuweiten, die auf die Einbeziehung<br />
anderer betrieblicher Funktionen bzw. anderer Bereiche des Unternehmens<br />
mittels neuartiger, integrativer organisatorischer Arrangements<br />
abzielen. 34<br />
Implizit ist damit allerdings unterstellt, daß die systemische Rationalisierung,<br />
so wie sie von Altmann u.a. analysiert wird, nur dann greift, wenn sie<br />
auch auf die Organisationsstrukturen zwischen <strong>und</strong> innerhalb von Unternehmen<br />
bezogen wird. Man hätte dann in Rechnung zu stellen, daß die systemische<br />
Rationalisierung des unmittelbaren Produktionsprozesses nur<br />
ein Moment übergreifender Rationalisierungsstrategien ist, die entwickelt<br />
wurden, um bislang brachliegende Rationalisierungsreserven (wie z.B. die<br />
schnellere <strong>und</strong> kostengünstigere Umsetzung von FuE in konkrete Produkte,<br />
wie die Gestaltung der zwischenbetrieblichen Arbeitsteilung auch<br />
oberhalb der Ebene der materiellen Produktion etc.) zu erschließen.<br />
Unsere These, daß die vorliegenden Entwürfe systemischer Rationalisierung<br />
der industriellen Wirklichkeit insofern nicht gerecht werden, als sie<br />
den Bereich der Erzeugung neuer Technologien <strong>und</strong> dessen Relevanz für<br />
34 Altmann u.a. argumentieren, man ist geneigt zu sagen: wider bessere Einsicht<br />
(vgl. Altmann u.a. 1986, S. 196), stets unter Bezugnahme auf die analytische Dimension<br />
des Einzelbetriebs. Gerade die systemische Rationalisierung in ihren<br />
betriebs-, vor allem aber unternehmensübergreifenden Dimensionen relativiert<br />
aber entscheidend die Zentralität des Einzelbetriebs als Ort der Vermittlung gesellschaftlicher<br />
Anforderungen <strong>und</strong> privater Interessen an Mehrwertproduktion<br />
(so noch Altmann, Bechtle 1971; Bechtle 1980). Darauf verweist auf empirischer<br />
Ebene das im gleichen Hause entwickelte Konzept der "simulierten Fabrik",<br />
ohne daß daraus allerdings entsprechende theoretische Schlußfolgerungen gezogen<br />
würden (vgl. Düll, Bechtle 1988). Es bleibt im übrigen weitgehend offen, in<br />
welchem Verhältnis der neue Ansatz des neuen Rationalisierungstyps zum "alten"<br />
Münchner Betriebsansatz steht.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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die Unternehmensstrategie nahezu vollkommen ausblenden, läßt sich am<br />
Beispiel der Reorganisation des deutschen Teils eines multinationalen<br />
Konzerns der Elektrotechnik recht anschaulich belegen. Düll <strong>und</strong><br />
Bechtle 35<br />
(1988) haben unlängst dargestellt, wie im Bereich der Elektronikindustrie<br />
Konzepte einer "simulierten Fabrik" entwickelt <strong>und</strong> umgesetzt<br />
werden. Dabei wird angestrebt, verkaufsfähige Produkte nicht mehr in<br />
einzelnen angestammten Fertigungsstätten zu erzeugen, sondern im Rahmen<br />
eines Produktionsverb<strong>und</strong>s bestimmte Fertigungsaufgaben einzelnen<br />
Konzernbetrieben zuzuweisen. In den verschiedenen Werken dieses Konzerns,<br />
die bislang jeweils über alle gängigen Produktionsstufen verfügten<br />
<strong>und</strong> jedes für sich verkaufsfähige Produkte hergestellt hatten, soll nun die<br />
Fertigung auf einzelne Komponenten reduziert werden, die zentral in einem<br />
Werk zum erst dann verkaufsfähigen Endprodukt montiert werden.<br />
Die so produzierten Geräte werden schließlich an die einzelnen Vertriebsgesellschaften<br />
geliefert, die sie unter ihrem traditionellen Markennamen<br />
vermarkten.<br />
Neben diesem von Düll <strong>und</strong> Bechtle hervorgehobenen Aspekt der Umwandlung<br />
von räumlich <strong>und</strong> zeitlich weit auseinanderliegenden Produktionsstätten<br />
zu einer "simulierten Fabrik" lassen sich weitere strategisch relevante<br />
Elemente der Reorganisation dieses westdeutschen Konzernbestandteils<br />
ausmachen, die kaum identifiziert werden können, wenn man<br />
sich wie Düll <strong>und</strong> Bechtle in der Analyse allein auf den Produktionsbereich<br />
des Unternehmens konzentriert. Einige sollen hier wenigstens angedeutet<br />
werden, wobei wir uns auf allgemein zugängliche Darstellungen der<br />
Wirtschaftspresse stützen. So soll (erstens) unter dem Namen der französischen<br />
Konzernmutter die Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungsabteilung des<br />
Konzerns an einem Standort konzentriert werden (wobei man die Beschäftigten<br />
im unklaren darüber Heß, wo dies sein würde). Zum zweiten<br />
wird das Rationalisierungspotential in der Produktion mit ca. 18 % der<br />
bislang beschäftigten Arbeitskräfte bis 1990 angegeben. Diese sollen allein<br />
durch die (Re-)Organisation der Fertigung überflüssig werden. Drittens<br />
wird energisch die Entwicklung neuer Produkte gefördert <strong>und</strong> vorange-<br />
35 Unsere Auseinandersetzung mit dem Konzept der simulierten Fabrik bezieht<br />
sich ausschließlich auf Düll, Bechtle 1988. Neuere Texte aus dem Münchner <strong>ISF</strong><br />
legen den Schluß nahe, daß das Konzept der simulierten Fabrik nicht im geplanten<br />
Umfang realisiert werden konnte (vgl. Düll, Bechtle 1991; Moldaschl<br />
1991).<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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trieben, weshalb viertens im Bereich Forschung <strong>und</strong> Entwicklung das Personal<br />
um ca. 20 % aufgestockt wird. Diese Fakten, die, wie erwähnt, dem<br />
Beitrag von Düll <strong>und</strong> Bechtle so nicht zu entnehmen sind, lassen sich als<br />
Hinweise darauf interpretieren, daß die Reorganisation eines kompletten<br />
Teilkonzerns (<strong>und</strong> der hier genannte ist kein Einzelfall) nicht allein auf die<br />
Steigerung der Produktivität durch extensivere Nutzung der economies of<br />
scale <strong>und</strong> einer Steigerung der Flexibilität durch flexible Standardisierung<br />
abzielt. Dieser Umbau soll nämlich auch dazu dienen, qua Organisationsstrukturveränderung<br />
<strong>und</strong> Ausbau der innovativen Potentiale des Unternehmens<br />
die Produktivität in bezug auf die Erzeugung neuer Produkte<br />
(<strong>und</strong> wohl auch neuer Produktionsverfahren) zu erhöhen. Es geht dabei<br />
nicht nur darum, den Anforderungen des Marktes nach einer umfassenden,<br />
technologisch anspruchsvollen Produktpalette nachzukommen, sondern<br />
auch darum, die durch den Konzernzusammenschluß möglicherweise<br />
auftretenden Innovationsrisiken (wie z.B. überflüssige Doppelentwicklungen)<br />
effektiv in den Griff zu bekommen. 36<br />
Der Ausbau der FuE-Potentiale<br />
<strong>und</strong> ihre Konzentration an einem Ort soll also dem Zweck dienen, in kürzerer<br />
Zeit <strong>und</strong> mit weniger Kosten als bisher üblich neue Produkte entwickeln<br />
zu können. In diesem Zusammenhang hat demnach nicht nur das<br />
Interesse des Topmanagements an der Koordinierungsfunktion (Düll,<br />
Bechtle 1988, S. 99), sondern auch an einer verstärkten Planungs- <strong>und</strong><br />
Kontrollkapazität zur Reduzierung von Innovationsrisiken ein Rolle gespielt.<br />
Als Resümee unserer Rekonstruktion der Ansätze des <strong>ISF</strong> <strong>und</strong> des SOFI<br />
läßt sich festhalten, daß beide Lesarten systemischer Rationalisierung<br />
durch die Konzentration der Analyse auf die angestammten Untersuchungsbereiche<br />
<strong>und</strong> durch das Festhalten an überkommenen Theorietraditionen<br />
die Möglichkeiten verschenken, die im Begriff der systemischen<br />
Rationalisierung prinzipiell angelegt sind. Nun könnte der Schluß naheliegen,<br />
man müsse nur das Konzept der systemischen Rationalisierung mit<br />
"Produktions-Dominante" mit dem Konzept systemischer Rationalisierung<br />
mit "Zirkulations-Dominante" verknüpfen, um zu einem wirklich integrati-<br />
36 Die Notwendigkeit der Reorganisation von Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungsabteilungen<br />
ergibt sich in letzter Zeit immer häufiger aus der Tatsache, daß Unternehmen<br />
sich zusammenschließen oder zusammengeschlossen werden, weil es<br />
einem oder beiden Partnern auf die innovativen Potentiale des anderen ankommt<br />
oder weil ein Zusammenschluß erfolgt, um die Innovationsrisiken auf<br />
mehrere Schultern zu verteilen (s. Kapitel 9).<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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ven Konzept zu gelangen. Neben gewissen theoretischen <strong>und</strong> methodischen<br />
Problemen, die sich dabei unweigerlich ergeben, auf die wir in diesem<br />
Kontext aber nicht weiter eingehen können (vgl. aber Brandt 1984),<br />
sehen wir vor allem die Gefahr, daß dabei die <strong>Unternehmensorganisation</strong><br />
<strong>und</strong> der zu beobachtende Ausbau der innovativen Potentiale der Unternehmen<br />
als zunehmend wichtiger werdende Ansatzpunkte von Rationalisierung<br />
weiterhin unterbelichtet bleiben. Allerdings lassen sich aus den genannten<br />
Ansätzen Schlüsse auf die von uns ins Auge gefaßten Formen integrativer,<br />
organisatorischer Rationalisierung ziehen. Deren Zweck, so unsere<br />
These, ist darin zu sehen, eine simultane Beherrschung des Nachfrage-,<br />
Ineffizienz- <strong>und</strong> Innovationsrisikos sicherzustellen. Die von den<br />
Münchner <strong>und</strong> Göttinger Kollegen festgestellten Tendenzen einer systemischen<br />
Rationalisierung sind demnach nur angemessen zu interpretieren,<br />
wenn der gestiegene Stellenwert der Institutionalisierung von Innovation"<br />
in der <strong>Unternehmensorganisation</strong> Berücksichtigung findet. Bevor wir uns<br />
jedoch mit den aktuellen Unternehmensstrategien der Technologieentwicklung<br />
(s. Kapitel 7 bis 9) beschäftigen, halten wir es für angebracht,<br />
zunächst in groben Strichen die Konturen der Elektro- <strong>und</strong> Elektronikbranche<br />
nachzuzeichnen.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
TeilC<br />
Branchenanalyse der Elektro- <strong>und</strong><br />
Elektronikindustrie<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
"Man kann davon ausgehen, daß das Wachstum einer<br />
Branche unter anderem von dem jeweiligen Aufwand abhängt,<br />
mit dem in ihr Forschung <strong>und</strong> Entwicklung betrieben<br />
werden. Ein Stillstand auf dem FuE-Gebiet bedeutet<br />
Verlust an Wettbewerbsfähigkeit <strong>und</strong> damit Rückgang<br />
des Wachstums im Vergleich zu anderen Ländern."<br />
(Krings 1980, S. 44)<br />
"Zwischen der Wettbewerbsposition eines Unternehmens<br />
oder einer ganzen Branche <strong>und</strong> der FuE-Tätigkeit besteht<br />
ein gegenseitiges Ursache-Wirkungsverhältnis. Man<br />
kann davon ausgehen, daß hohe Umsätze bei guter Ertragslage<br />
die Firmen zu hohen FuE-Aufwendungen befähigen,<br />
daß aber auch das Wachstum eines Unternehmens<br />
oder einer Branche unter anderem von dem jeweiligen<br />
Aufwand abhängt, mit dem Forschung <strong>und</strong> Entwicklung<br />
betrieben werden."<br />
(Berger 1984, S. 53 f.)<br />
Diese Aussagen belegen beispielhaft einen in der aktuellen wirtschaftswissenschaftlichen<br />
<strong>und</strong> -politischen Diskussion bestehenden Konsens über die<br />
Bedeutung von Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungsaufwendungen für das<br />
Wachstum <strong>und</strong> die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen, Branchen<br />
<strong>und</strong> ganzen Volkswirtschaften. Einigkeit besteht jedoch weitgehend darüber,<br />
daß der Zusammenhang zwischen FuE-Aufwand <strong>und</strong> wirtschaftlichem<br />
Erfolg kein linearer <strong>und</strong> deterministischer ist (Brockhoff 1988). Von<br />
großem Interesse ist daher die Frage, mit welchen Strategien <strong>und</strong> organisatorischen<br />
Arrangements industrielle Unternehmen versuchen, ihre FuE-<br />
Potentiale zu mobilisieren. Bevor man nun eine derartige Fragestellung<br />
auf Unternehmensebene zu beantworten sucht, ist es sinnvoll, sich<br />
zunächst einmal auf Branchenebene mit wesentlichen Kontextbedingungen<br />
des betrieblichen Innovationsgeschehens zu befassen.<br />
Mit der vorliegenden Branchenanalyse der Elektro- <strong>und</strong> Elektronikindustrie<br />
sollen zwei Ziele verfolgt werden: (1) Anhand von gängigen ökonomischen<br />
Indikatoren soll in einem ersten Schritt (Kapitel 5) ein Überblick<br />
über charakteristische Strukturmerkmale <strong>und</strong> wesentliche Aspekte der<br />
wirtschaftlichen Entwicklung dieser Branche sowie über ihren Stellenwert<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
im Rahmen der Gesamtindustrie der b<strong>und</strong>esrepublikanischen Wirtschaft<br />
geboten werden; (2) anschließend wird (Kapitel 6), soweit dies auf der Basis<br />
von auf Branchenebene aggregierten Daten überhaupt möglich ist, der<br />
Versuch unternommen, das Innovationspotential der Elektrotechnischen<br />
Industrie zu ermitteln. Dabei geht es uns sowohl um einen Vergleich mit<br />
anderen Industriezweigen, die in größerem Umfang Forschung <strong>und</strong> Entwicklung<br />
betreiben, als auch um die Analyse von branchenspezifischen<br />
Strukturmerkmalen des FuE-Potentials der Elektroindustrie. Anzumerken<br />
ist bereits an dieser Stelle, daß das (zumindest ansatzweise quantifizierbare)<br />
FuE-Potential einer Branche nur einen Teil ihres (insgesamt noch<br />
weniger verläßlich zu bestimmenden) Innovationspotentials darstellt (Abschnitt<br />
6.10). Dies ist einer der Gründe, warum eine Branchenanalyse die<br />
Untersuchung des Innovationsgeschehens in der Elektroindustrie nur vorbereiten<br />
kann.<br />
Die amtliche Statistik ist zunächst darauf gerichtet, Kontinuität <strong>und</strong> Abweichung<br />
von vorherrschenden Tendenzen der industriellen Wirtschaftsleistung<br />
<strong>und</strong> deren Voraussetzungen auf hohem Aggregationsniveau abzubilden.<br />
Dabei werden nach dem Gesetz der großen Zahl "zufällige" Sonderentwicklungen<br />
mit gegenläufigen Bewegungen abgeglichen <strong>und</strong> in ihrer<br />
Auswirkung auf die Gesamtdarstellung u.U. kompensiert oder verdeckt.<br />
Auf aggregierten Daten beruhende Leistungsmerkmale wie das Bruttosozialprodukt,<br />
der Jahresumsatz oder auch das jährliche Produktionsergebnis<br />
eines Unternehmens sind ihrem Wesen nach unspezifisch. Sie erlauben<br />
keine Rückschlüsse auf die vielfältigen <strong>und</strong> zum Teil durchaus gegenläufigen<br />
Einzelbewegungen oder -leistungen, die am Zustandekommen des Gesamtergebnisses<br />
beteiligt waren. Die aus ihnen abgeleiteten Kennziffern<br />
reagieren entweder gar nicht oder nur relativ schwerfällig auf technologische<br />
<strong>und</strong> organisatorische Umstrukturierungen, obwohl diese immer in irgendeiner<br />
Form am Ergebnis teilhatten. Andererseits müssen - bis zu einem<br />
gewissen Grade - solche Zahlen gegenüber strukturellen Wandlungen<br />
sogar unempfindlich bleiben, weü ansonsten Bestandsaufnahmen, Tendenzaussagen<br />
<strong>und</strong> Vergleiche unmöglich würden.<br />
Für die Analyse von Branchenstrukturen der Elektroindustrie liegen wichtige<br />
Arbeiten vor, die aus recht unterschiedlichen Lagern stammen. Zu<br />
nennen wären hier vor allem die Arbeiten von M. Breitenacher u.a. (1974)<br />
<strong>und</strong> von M. Berger (1984), die am Ifo-Institut entstanden sind; eine an der<br />
Theorie des Staatsmonopolistischen Kapitalismus orientierte Branchen-<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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analyse von J. Goldberg (1985), der dem Institut für Marxistische Studien<br />
<strong>und</strong> Forschungen angehört; eine schon etwas ältere Branchenstudie vom<br />
Wirtschafts- <strong>und</strong> Sozialwissenschaftlichen Institut des Deutschen Gewerkschaftsb<strong>und</strong>es<br />
(1973); die Branchenberichte des Instituts für Bilanzanalysen<br />
(1976; 1980), zu denen in der Hauptsache Unternehmensvertreter <strong>und</strong><br />
Angehörige des Zentralverbands Elektrotechnik- <strong>und</strong> Elektronikindustrie<br />
(ZVEI) beigetragen haben; die statistischen Berichte des ZVEI; einige<br />
Branchenanalysen der volkswirtschaftlichen Abteilungen der Banken<br />
(Commerzbank, Hypo-Bank); schließlich die materialreiche Studie von P.<br />
Czada (1969), die die historische Entwicklung der Branche am Beispiel<br />
der "Berliner Elektroindustrie in der Weimarer Zeit" behandelt. Wer sich<br />
für eine Branchenanalyse im "klassischen Sinne" interessiert, sei auf diese<br />
Arbeiten verwiesen. Sie haben aus unserer Sicht jedoch den Mangel, daß<br />
sie der wachsenden Relevanz von Forschung <strong>und</strong> Entwicklung fast ausnahmslos<br />
1<br />
nur am Rande Beachtung schenken. Demgegenüber haben die<br />
Beiträge zur Analyse der Elektroindustrie, die in den Publikationen des<br />
B<strong>und</strong>esverbandes der Deutschen Industrie zum Thema Industrieforschung<br />
erschienen sind (vgl. BDI 1979, S. 153 ff.; BDI 1982, S. 221 ff.), den Vorteil,<br />
daß sie sich dezidiert mit der Innovationsproblematik <strong>und</strong> ihrem Zusammenhang<br />
mit der allgemeinen Branchenentwicklung befassen. Allerdings<br />
beruhen diese Analysen zum FuE-Potential auf relativ altem Datenmaterial.<br />
Darüber hinaus machen sie deutlich, daß auf dieser Untersuchungsebene<br />
die Organisationsformen von FuE <strong>und</strong> die Innovationsabläufe<br />
in den Unternehmen nicht zum Gegenstand der Analyse gemacht<br />
werden können.<br />
Die Arbeit an der hier vorliegenden Branchenanalyse wurde im Februar<br />
1989 im wesentlichen abgeschlossen. Daraus erklärt sich, daß im folgenden<br />
auf scheinbar "verjährte" Daten zurückgegriffen wird. Da sich aber an den<br />
von uns in der Elektro- <strong>und</strong> Elektronikindustrie identifizierten Strukturmerkmalen<br />
nichts Gr<strong>und</strong>legendes geändert hat, schien uns nun, im Jahre<br />
1992, eine Aktualisierung der Daten nicht notwendig. Wichtiger als Tagesaktualität<br />
ist unserer Auffassung nach ein Raster zur Verfügung zu haben,<br />
mit dessen Hilfe zum einen die Branchenentwicklung in der Elektro- <strong>und</strong><br />
Elektronikindustrie (re-)konstruiert werden kann - ohne die methodischen<br />
Probleme einer Branchenanalyse einfach zu unterschlagen. Zum anderen<br />
1 Eine Ausnahme stellt der Beitrag von Krings im Branchenbericht des Instituts<br />
für Bilanzanalysen (1980) dar.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
aber ist eine Anschlußfähigkeit in dem hier präsentierten Raster gegeben,<br />
so daß die im folgenden präsentierten Datenreihen bei Bedarf fortzuschreiben<br />
sind.<br />
Seit dem Abschluß der wesentlichen Arbeiten an dieser Branchenanalyse<br />
sind nun einige Texte erschienen, die ebenfalls Aussagen zur Entwicklung<br />
der Elektro- <strong>und</strong> Elektronikindustrie insgesamt enthalten; zu nennen sind<br />
hier vor allem Voskamp, Wittemann <strong>und</strong> Wittke (1989) vom SOFI Göttingen;<br />
Beuschel, Gensior <strong>und</strong> Sorge (1988) vom WZB in Berlin sowie der<br />
Beitrag von Gensior zu dem von der Erlanger Forschergruppe herausgegebenen<br />
Band (Pries, Schmidt, Trinczek 1989). Das besondere Verdienst<br />
der Erlanger Gruppe ist es, in einem statistischen Anhang (ebd.) Material<br />
angeboten zu haben, das einen Vergleich der Elektroindustrie mit anderen<br />
Branchen ermöglicht. Da die genannten Beiträge den hier entwickelten<br />
Thesen entweder nicht substantiell widersprechen oder sie aber nicht tangieren,<br />
2 erschien uns eine intensive Auseinandersetzung mit diesen Arbeiten<br />
verzichtbar.<br />
2 So wird dort der uns interessierende Zusammenhang zwischen der zunehmenden<br />
Bedeutung von Innovationsprozessen <strong>und</strong> den weitreichenden Organisationsstrukturveränderungen<br />
in der Industrie weitgehend ausgeblendet.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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5. Die ökonomische Struktur der Elektro- <strong>und</strong><br />
Elektronikindustrie<br />
5.1 Abgrenzung der Branche<br />
Schwierigkeiten, auf der Ebene der Branchenanalyse zu Aussagen über<br />
Strukturmerkmale <strong>und</strong> Innovationspotentiale der Elektro- <strong>und</strong> Elektronikindustrie<br />
zu kommen, resultieren auch aus der Tatsache, daß in verschiedenen<br />
Kontexten verschiedene Definitionen "der Elektroindustrie" verwandt<br />
werden. 3<br />
Neben diesem definitorischen Problem stellt sich zudem<br />
die Frage, ob man überhaupt eine eindeutige Identität der Elektro- <strong>und</strong><br />
Elektronikindustrie ausmachen kann <strong>und</strong> worin diese ggf. besteht. Im folgenden<br />
soll zunächst das Definitionsproblem angesprochen <strong>und</strong> daran anschließend<br />
diskutiert werden, inwiefern es überhaupt sinnvoll ist, von "der<br />
Elektroindustrie" zu reden. 4<br />
Die amtliche Statistik (Statistisches Jahrbuch) <strong>und</strong> die wirtschaftswissenschaftlichen<br />
Forschungsinstitute (Ifo, DIW etc.) einerseits, der Stifterverband<br />
der Deutschen Wissenschaft, der ZVEI <strong>und</strong> die B<strong>und</strong>esbank andererseits<br />
verwenden teüweise unterschiedliche Abgrenzungskriterien. Offenk<strong>und</strong>ig<br />
gehen je nach Interessenlage verschiedene Bereiche in die jeweilige<br />
Branchendefinition ein. So werden seit 1970 auch die in der amtlichen<br />
Statistik als Gütergruppe 5050 geführten "Geräte <strong>und</strong> Einrichtungen<br />
für die elektronische Datenverarbeitung" vom ZVEI zur Elektroindustrie<br />
gezählt - im Unterschied zu der vom Statistischen B<strong>und</strong>esamt vorgenommenen<br />
Abgrenzung. Die Produktion von Software geht hingegen nur teil<br />
-<br />
3 Auf die mitunter unterschiedlichen quantitativen Angaben bei denselben Quellen<br />
können wir nicht in jedem Falle eingehen. Sie resultieren i.d.R. aus Veränderungen<br />
der Erhebungsmethode, aus veränderten gesetzlichen Vorschriften<br />
(Bilanzrichtlinien) u.ä. Wo die Angaben die "normale Schwankungsbreite" überschreiten<br />
<strong>und</strong> uns dies für die Interpretation von Belang zu sein schien, haben<br />
wir dies angemerkt.<br />
4 "Die Elektrotechnische Industrie stellt sich, bezogen auf die Produkt- <strong>und</strong> Fertigungsstruktur,<br />
als inhomogenste aller hier ausgewiesenen Einzelbranchen dar,<br />
weshalb eine Charakterisierung des typischen Betriebs wenig Sinn macht"<br />
(Schultz-Wüd u.a. 1989, S. 52).<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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weise - soweit sie Bestandteil von Hardware ist - in die statistischen Angaben<br />
des ZVEI ein; als eigenständiger Produktionsbereich wird sie dort jedenfalls<br />
bislang nicht geführt (s. Abschnitt 5.3.2). Obwohl das Ifo-Institut<br />
(also auch Breitenacher u.a. <strong>und</strong> Berger), das DIW <strong>und</strong> die volkswirtschaftlichen<br />
Abteilungen der Banken der vom Statistischen B<strong>und</strong>esamt<br />
vorgenommenen Abgrenzung folgen, greifen sie bei vielen Berechnungen<br />
auf Daten des ZVEI (der einer anderen Abgrenzung folgt) zurück. Das<br />
muß nicht, kann aber zu Komplikationen führen: Beispielsweise stellen<br />
sich Angaben über die relative Größe der Elektroindustrie in einem anderen<br />
Licht dar, wenn man den Bereich der Allgemeinen Datenverarbeitung<br />
(ADV) aus der Berechnung herausnimmt. Uns blieb angesichts dieser Situation<br />
nur, einem Vorschlag Goldbergs (1985, S. 251) folgend, zur Ausschöpfung<br />
des statistischen Materials teilweise unterschiedliche Abgrenzungskriterien<br />
zu nutzen. Sofern es möglich <strong>und</strong> praktikabel ist, werden<br />
Werte für die Gütergruppe 5050 separat aufgeführt. Dies ist auch deshalb<br />
sinnvoll, da bestimmte, sich in der Elektrotechnischen Industrie insgesamt<br />
abzeichnende Trends (steigende Kapitalintensität, zunehmender Angestelltenanteil<br />
an den Beschäftigtenzahlen) in dieser Teilbranche am deutlichsten<br />
ausgeprägt sind.<br />
Wichtiger scheint uns das Problem der Heterogenität dessen zu sein, was<br />
gemeinhin, auch von den an der amtlichen Statistik sich orientierenden<br />
Analysen, der Branche "Elektrotechnische Industrie" subsumiert wird.<br />
Darunter fallen so unterschiedliche Produktionssparten wie:<br />
Elektrizitätserzeugung <strong>und</strong> -Umwandlung,<br />
Elektrizitätsverteilung,<br />
Vorerzeugnisse <strong>und</strong> sonstiges,<br />
Nachrichtentechnik,<br />
Meß- <strong>und</strong> Regeltechnik,<br />
- EDV,<br />
Kfz-Ausrüstung,<br />
sonstige Investitionsgüter,<br />
Unterhaltungselektronik,<br />
Hausgeräte,<br />
Leuchten <strong>und</strong> Lampen,<br />
Bauelemente,<br />
Montagen <strong>und</strong> Reparaturen.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
Diese wiederum lassen sich grob in<br />
Investitionsgüter,<br />
Gebrauchsgüter,<br />
Vorerzeugnisse <strong>und</strong> sonstiges<br />
einteilen.<br />
Es ist evident, daß sich hier in bezug auf Absatzmärkte (Investitions- <strong>und</strong><br />
Konsumgüter, Produktion für den Staat bzw. öffentliche Unternehmen), in<br />
bezug auf Produktionsbedingungen (Einzel- vs. Massenproduktion), in bezug<br />
auf den notwendigen wissenschaftlich-technischen Aufwand (Low-<br />
Tech vs. High-Tech) <strong>und</strong> in bezug auf die Abhängigkeit von externen Ressourcen<br />
<strong>und</strong> Märkten (Rohstoffintensität <strong>und</strong> Exportabhängigkeit) erhebliche<br />
Differenzen feststellen lassen. 5<br />
Hält man sich an M. Aglietta, so wäre<br />
allein die Tatsache, daß innerhalb des statistischen Konstrukts "Elektro<strong>und</strong><br />
Elektronikindustrie" unterschiedliche Gebrauchswerte mittels unterschiedlicher<br />
Produktionsprozesse hergestellt werden, kein Problem, das<br />
dazu zwingen würde, von diesem Konstrukt Abschied zu nehmen, denn<br />
"die Organisation von Unternehmen in einer industriellen Branche impliziert<br />
in keiner Weise eine vollkommene Ähnlichkeit in den Produktionsprozessen.<br />
Von diesem Standpunkt aus kann sich eine Branche auch<br />
schlicht als eine Ansammlung unterschiedlicher Produktionslinien präsentieren.<br />
Das sollte keinesfalls überraschen. Die Homogenisierung der Produktionsbedingungen<br />
findet ausschließlich in Wertbegriffen statt" (Aglietta<br />
1979, S. 290; eigene Übersetzung - DB/GM).<br />
Ernster wird die Lage, wenn man dem Fortgang der Argumentation<br />
Agliettas noch ein wenig Aufmerksamkeit schenkt. Für ihn ist nämlich die<br />
werttheoretisch begründete Angleichung der Produktions- <strong>und</strong> Austauschnormen<br />
ausschlaggebendes Kriterium. Seine "synthetische" Definition<br />
der industriellen Branche lautet entsprechend:<br />
"Die Branche ist der ökonomische Raum, der durch Kapitale geformt wird,<br />
die denselben Austausch- <strong>und</strong> Produktionsnormen unterworfen sind" (ebd.,<br />
S. 291; eigene Übersetzung - DB/GM).<br />
5 Auch Czada stellt sich angesichts dieser heterogenen Struktur die Frage, "ob<br />
<strong>und</strong> unter welchen Kriterien die Elektroindustrie überhaupt als ein einheitlicher<br />
Industriezweig anzusehen ist" (Czada 1969, S. 272).<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
Dieser Definition wird "die" Elektro- <strong>und</strong> Elektronikindustrie nur teilweise<br />
gerecht. Dennoch erscheint es sinnvoll, am traditionellen Sprachgebrauch<br />
festzuhalten, wenn man auf historische Momente der Entwicklung von Unternehmensstrukturen<br />
in der Elektroindustrie rekurriert. In dieser haben<br />
sich nämlich (nicht nur in Deutschland) vergleichsweise früh Universalkonzerne<br />
(Siemens <strong>und</strong> AEG) herausgebildet, die mehr oder weniger das<br />
gesamte Spektrum stark- <strong>und</strong> schwachstromtechnischer Produkte herstellten<br />
<strong>und</strong> so auch die Maßstäbe für die erheblich kleineren Spezialunternehmen<br />
setzten. P. Czada faßt in seiner Untersuchung der Berliner Elektroindustrie<br />
in der Weimarer Zeit, die einen Gutteil der deutschen Elektroindustrie<br />
repräsentierte, 6<br />
den Sachverhalt wie folgt zusammen:<br />
"(...) so erweist sich die nahezu sämtliche Produktionszweige umfassende<br />
Aktivität der Berliner Universalfirmen (Siemens <strong>und</strong> AEG) zugleich als<br />
Bindeglied zwischen den Branchen <strong>und</strong> darüber hinaus als ein die Entwicklung<br />
der Elektroindustrie bestimmender Faktor. Von ihnen ausgehend<br />
oder zu ihnen führend, setzte sich der in der Krise der Jahrh<strong>und</strong>ertwende<br />
beginnende Konzentrationsprozeß nach dem Ersten Weltkrieg in verstärktem<br />
Maße fort <strong>und</strong> brachte, verb<strong>und</strong>en mit einer Ausweitung der<br />
Kartellierung, die meisten Branchen der Elektrotechnik unter den Einfluß<br />
oder die Beherrschung der beiden Konzerne" (Czada 1969, S. 273).<br />
Es könnte also als Kriterium für die Zugehörigkeit zur Elektrobranche<br />
festgehalten werden, daß genau dann, wenn sich ein Unternehmen in einem<br />
Markt engagiert, der zur Einflußsphäre von Universalunternehmen<br />
der Elektroindustrie gehört, es zu dieser Branche zu zählen ist.<br />
Allerdings, <strong>und</strong> dies kompliziert die Lage ein wenig, sind auch hier gegenläufige<br />
Entwicklungen festzustellen. Mit dem "AEG-Kollaps Ende der 70er<br />
Jahre" (Hautsch 1982, S. 73), spätestens jedoch mit dem Vergleich der<br />
AEG im Herbst 1982 ist die Definition des Elektromarkts durch die, wie<br />
Hautsch es nennt, "Monopolgruppierung Siemens/AEG" (ebd.) an einem<br />
wohl nicht nur vorläufigen Ende angelangt. Auch andere Unternehmen<br />
haben nämlich, allerdings eher freiwillig <strong>und</strong> unter strategischen Gesichtspunkten,<br />
ihr Produktionsspektrum verkleinert, um sich auf zukunftsträchtige<br />
Teilmärkte konzentrieren zu können. Interessant ist, daß in diesem<br />
Kontext regelmäßig auch auf den gestiegenen FuE-Aufwand verwiesen<br />
6 1925 umfaßte die Berliner Elektroindustrie r<strong>und</strong> 25 % der im Deutschen Reich<br />
gezählten Betriebe, bei denen rd. 50 % der Beschäftigten arbeiteten (vgl. Czada<br />
1969, S. 285 ff.).<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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wird, der diese Beschränkung auf bestimmte Marktsegmente notwendig<br />
mache (s. Kapitel 7). Nach unserer Einschätzung wird sich die zukünftige<br />
Entwicklung so darstellen, daß die "ganz Großen" wie Siemens, Bosch oder<br />
andere im Weltmaßstab konkurrierende Unternehmen kaufen, was ihnen<br />
an zusätzlichen Produktionslinien sinnvoll erscheint, um in großem Maßstab<br />
"economies of scope" <strong>und</strong> "economies of scale" zu realisieren, während<br />
diejenigen, die mangels Masse nicht mithalten können, sich zu Spezialanbietern<br />
entwickeln werden. 7<br />
Die Verhältnisse auf dem Welt-Elektromarkt<br />
sind aber, nicht zuletzt durch vielfältige Formen der Kooperation<br />
konkurrierender Unternehmen (s. Kapitel 9), zur Zeit kaum dazu angetan,<br />
langfristig gültige Entwicklungstrends antizipieren zu wollen: So ist es jedoch<br />
durchaus zweifelhaft, ob beispielsweise Siemens seine "Universal-<br />
Strategie" auf Dauer wird aufrechterhalten können. Diese Frage, wiewohl<br />
von einigem Interesse auch für (zukünftige) Branchenanalysen, muß hier<br />
offen bleiben. Trotz der notierten Probleme erscheint es uns sinnvoll, diejenigen<br />
Unternehmen als zur Elektroindustrie zugehörig zu definieren, die<br />
zur Einflußsphäre der internationalen Universalunternehmen gehören.<br />
52 Die Bedeutung der Elektroindustrie<br />
Zwar gehört die Elektroindustrie nicht zu den Wegbereitern der ersten<br />
Phase der industriellen Revolution <strong>und</strong> sie war auch nicht in nennenswertem<br />
Umfang an ihr beteiligt. Sie hat aber in Deutschland etwa seit Beginn<br />
dieses Jahrh<strong>und</strong>erts kontinuierlich an Bedeutung gewonnen <strong>und</strong> einen, nur<br />
mit dem Straßenfahrzeugbau <strong>und</strong> der Chemischen Industrie vergleichbaren<br />
Aufschwung genommen. Die zweite Phase der industriellen Revolution<br />
kann mit einer Ausdifferenzierung wissenschaftlich-technischer Abteilungen<br />
innerhalb der <strong>Unternehmensorganisation</strong> in Verbindung gebracht<br />
werden, <strong>und</strong> zwar auch <strong>und</strong> gerade in der Elektroindustrie (s. Abschnitt<br />
3.4). In einer dritten Phase der industriellen Revolution schließlich<br />
werden aufgr<strong>und</strong> der Fortschritte auf dem Gebiet der Mikroelektronik die<br />
in der Elektro- <strong>und</strong> Elektronikindustrie produzierten Innovationen stärker<br />
als je zuvor zur Produktionsvoraussetzung anderer Branchen. Gleichzeitig<br />
ist die Elektroindustrie selbst in hohem Maße Anwender der von ihr ent-<br />
7 Dies impliziert durchaus, daß sie sich auch von bestimmten Märkten zurückziehen.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
wickelten Technologien. Durch die zunehmende Relevanz der Mikroelektronik<br />
werden entscheidende Parameter des technisch-organisatorischen<br />
Wandels in der gesamten Industrie <strong>und</strong> im Dienstleistungsbereich innerhalb<br />
der Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungsabteilungen der Elektroindustrie<br />
gesetzt. Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß deshalb nicht nur die<br />
Fertigungs-, sondern auch die Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungstiefe in anderen<br />
Branchen zugunsten der Elektroindustrie sinken. Damit nimmt nicht<br />
nur das technologische, sondern auch das ökonomische Gewicht der Elektroindustrie<br />
innerhalb der Gesamtwirtschaft zu. Einige Zahlen, die diese<br />
Entwicklung für die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg nachzeichnen, mögen<br />
dies belegen (Tab. 5.1).<br />
Die Wachstumsdynamik der Elektrotechnik lag bereits in den frühen 50er<br />
Jahren eindeutig über dem Durchschnitt des Verarbeitenden Gewerbes,<br />
obwohl ihre Ausgangslage überaus schwierig war. So waren relevante Teile<br />
der Branche im näheren Umkreis von Berlin oder in Berlin selbst konzen-<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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triert (Czada 1969), <strong>und</strong> die deutsche Elektroindustrie spielte nach dem<br />
Zweiten Weltkrieg am Weltmarkt zunächst kaum eine Rolle. 8<br />
"Das Produktionswachstum der westdeutschen Elektroindustrie wurde in<br />
der ersten Hälfte der 50er Jahre durch eine Reihe von Faktoren beeinflußt.<br />
Einmal bestand ein erheblicher Nachholbedarf für elektrotechnische<br />
Erzeugnisse. Zum anderen mußte die Elektroindustrie für die durch Zonentrennung<br />
<strong>und</strong> Kriegszerstörung verloren gegangenen Fertigungskapazitäten<br />
neue Betriebe errichten. Hinzu kam schließlich der Wiederaufbau<br />
des Exports. Als Mitte der 50er Jahre die Wiederaufbauphase im wesentlichen<br />
abgeschlossen war, erhielt die Elektroindustrie neue kräftige Wachstumsimpulse<br />
durch die geradezu stürmisch anwachsende Nachfrage nach<br />
elektrotechnischen Gebrauchsgütern. Insgesamt belief sich das durchschnittliche<br />
Produktionswachstum der Elektrotechnischen Industrie von<br />
1950 bis 1960 auf 15,7 % pro Jahr gegenüber 9,5 % im Industriedurchschnitt.<br />
In der Zeit von 1970 hat sich zwar das Wachstum der Elektroindustrie<br />
deutlich verlangsamt, lag aber mit 8 % im Jahresdurchschnitt immer<br />
noch merklich über dem Expansionstempo der Gesamtindustrie ( + 5,6 %)<br />
in dieser Periode" (Breitenacher u.a. 1974, S. 21).<br />
Das relative Wachstum der Elektroindustrie ist nicht zu verwechseln mit<br />
Veränderungen absoluter Zahlen. Dennoch kann Tabelle 5.2 einen Blick<br />
für die zunehmende Bedeutung der Elektroindustrie im Strukturwandel<br />
vermitteln: Da die (sozial-)statistische Dominanz des sog. "industriellen<br />
Sektors" sich insgesamt verringert, können große Branchen ihren Anteil an<br />
den jeweiligen Indikatoren entsprechend den Regeln der Statistik noch<br />
ausbauen. Die nachfolgende Tabelle kann nur belegen, daß innerhalb der<br />
statistischen Kategorie der Gesamtindustrie die Bedeutung der Elektro<strong>und</strong><br />
Elektronikindustrie zunimmt. Man kann aufgr<strong>und</strong> dieser Daten allerdings<br />
nur Vermutungen darüber anstellen, warum das so ist.<br />
Die Elektroindustrie gehört zu den vier größten Industriezweigen der<br />
B<strong>und</strong>esrepublik, wie der Vergleich nach ausgewählten Indikatoren mit anderen<br />
Branchen zeigt. Bezieht man den EDV-Bereich mit ein, dann ist die<br />
Elektrobranche der beschäftigungsstärkste Industriezweig der b<strong>und</strong>esrepublikanischen<br />
Wirtschaft (Tab. 5.2).<br />
8 Weltmarktanteil 1950: knapp 6 % (vgl. Berger 1984, S.15).<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
Tab. 5.2:<br />
Wichtige Industriezweige nach ausgewählten Indikatoren (1986)<br />
Erläuterungen:<br />
Umsatz: in Mio. DM, ohne Umsatz-(Mehrwert-)Steuer<br />
Beschäftigte: Durchschnittswert errechnet aus 12 Monaten<br />
Bruttoanlagevermögen: in Mio. DM zu Preisen von 1980<br />
Bruttoanlageinvestitionen: in Mio. DM zu Preisen von 1980<br />
Quellen: Görzig u.a. 1987; Statistisches Jahrbuch<br />
5.3 Die Bedeutung der Mikroelektronik: Halbleiter <strong>und</strong> Software<br />
Es sind vor allem zwei technologische Strukturbrüche, die sich seit etwa<br />
dreißig Jahren in der Elektro- <strong>und</strong> Elektronikindustrie vollziehen: der<br />
Übergang von der Elektromechanik zur Elektronik <strong>und</strong> die wachsende<br />
Bedeutung von Halbleitern <strong>und</strong> Software. Beide Entwicklungen stehen in<br />
einem Zusammenhang; die folgenden Abschnitte konzentrieren sich vor<br />
allem auf die wachsende Bedeutung von Halbleitern <strong>und</strong> Software, da andere<br />
industriesoziologische Arbeiten die Probleme des Übergangs von der<br />
Elektromechanik zur Elektronik bereits umfassend abgehandelt haben.<br />
Auf einen knappen Nenner gebracht, lassen sich die Konsequenzen dieses<br />
Übergangs wie folgt zusammenfassen:<br />
"Die Substitution elektromechanischer durch elektronische Bauteile reduziert<br />
die Anzahl der Produktteile, vereinfacht deren Montage, verbilligt das<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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Gesamtprodukt <strong>und</strong> verändert nachhaltig die restriktiven Rahmenbedingungen<br />
technischer, organisatorischer <strong>und</strong> marktökonomischer Art, denen<br />
die Elektroindustrie Rechnung zu tragen hat. Eine der wichtigsten Folgen<br />
dieser sogenannten "dritten industriellen Revolution", die ihren technischen<br />
Ausdruck in der "Einführung apparativer Intelligenz (...) durch Halbleiterintegration"<br />
fand (Röhrig 1977, S. 13), ist die radikale Reduktion der Fertigungszeit.<br />
So gingen die Fertigungsst<strong>und</strong>en beim Bau des Fernschreibers<br />
durch die erfolgte Substitution seiner elektromechanischen Teile durch<br />
elektronische auf ein Drittel zurück (Baur 1977, S. 24). Etliche Arbeiten<br />
vor allem in der Vorfertigung sind durch diesen Substitutionsprozeß obsolet<br />
geworden, so daß, "wo früher gestanzt, gedreht, gegossen, geschraubt<br />
usw. wurde, werden heutzutage Leiterplatten gefertigt, mit integrierten<br />
Schaltungen bestückt, verlötet <strong>und</strong> mit Steckerleisten versehen (ebd., S.<br />
19)" (Benz-Overhage u.a. 1982, S. 100).<br />
Die Substitution elektromechanischer durch elektronische Bauteile basiert<br />
auf einer rasanten Entwicklung der Mikroelektronik, die wiederum auf<br />
Vorleistungen durch die Halbleiter- <strong>und</strong> Software-Industrie angewiesen<br />
ist. Beide Branchen befinden sich aus diesem Gr<strong>und</strong>e in einem Wachstumsprozeß,<br />
der allerdings durch unterschiedliche Ausgangslagen <strong>und</strong><br />
Verlaufsformen charakterisiert ist.<br />
5.3.1 Halbleiter<br />
Kommen wir zunächst auf die Halbleiterbranche zu sprechen, die man mit<br />
einigem Recht als terra incognita bezeichnen kann. 9<br />
Halbleiter sind gleichsam<br />
der Rohstoff der Mikroelektronik 10<br />
<strong>und</strong> wegen ihrer vielseitigen Ein-<br />
9 "Es besteht ein frappierender Gegensatz zwischen der enormen struktur- <strong>und</strong><br />
industriepolitischen Bedeutung, die dieser Branche hierzulande zugeschrieben<br />
wird, <strong>und</strong> dem äußerst dürftigen Wissen, welches die Öffentlichkeit, selbst die<br />
empirischen Wissenschaften, über diesen Industriezweig besitzt" (Welsch 1990,<br />
S. 212 f.).<br />
10 "Mit der Bezeichnung 'Halbleiter' wird eigentlich nicht das Produkt, sondern das<br />
in dieser Branche verwandte Material angesprochen. Halbleiter sind Stoffe, deren<br />
elektrische Leitfähigkeit zwischen der von Metallen <strong>und</strong> von Isolatoren liegt.<br />
Das dominierende Halbleitermaterial ist Silizium. Auf Siliziumscheiben werden<br />
die mikroelektronischen Schaltkreise aufgetragen. So entstehen je nach Gestaltungszweck<br />
Transistoren, Dioden oder integrierte Halbleiterschaltungen, wobei<br />
man bei letzteren wiederum zwischen Mikroprozessoren <strong>und</strong> Speicher-Chips<br />
(...) unterscheiden kann" (ebd., S. 214).<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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setzbarkeit typische Massenprodukte. Der rapide Kosten- <strong>und</strong> Preisverfall,<br />
durch den dieses Marktsegment gekennzeichnet ist, läßt sich auf das hohe<br />
Innovationstempo, aber auch auf die Existenz von Überkapazitäten zurückzuführen.<br />
Diese resultieren daraus, daß Unternehmen bzw. Nationen,<br />
die um den strategischen Stellenwert einer eigenständigen Verfügung über<br />
die Ressource Halbleiter wissen, bemüht sind, eigene Kapazitäten zu erhalten<br />
bzw. auszubauen, auch wenn die Ökonomisierung dieses Bereichs<br />
zwischenzeitlich monetäre Verluste einbringt (Siemens beispielsweise<br />
schreibt seit Jahren in diesem Unternehmensbereich rote Zahlen). Zwar<br />
ist durchaus umstritten, ob eine eigene Rohstoffbasis, eine "nationale<br />
Halbleiterreserve" wirklich unabdingbar ist; 11<br />
in letzter Konsequenz haben<br />
sich jedoch in den großen Industrienationen bislang noch immer diejenigen<br />
politischen Kräfte durchgesetzt, die Interesse an einer nationalen<br />
Halbleiterindustrie besitzen <strong>und</strong> deshalb bereit sind, dafür auch staatliche<br />
Mittel bereitzustellen bzw., wie man ironisch formulieren könnte, in Anspruch<br />
zu nehmen (Braun, Macdonald 1982, S. 165 ff.; Ferguson 1985).<br />
Man kann davon ausgehen, daß die inzwischen erreichte Dominanz japanischer<br />
Halbleiterhersteller wesentlich auf das vom MITI initiierte<br />
VLSI(Very Large Scale Integration)-Programm zurückzuführen ist. Dort<br />
werden die Anstrengungen japanischer Elektronikunternehmen gebündelt,<br />
um die jahrzehntelange Vorherrschaft der USA auf dem Halbleitermarkt<br />
zu brechen (vgl. Dertouzos u.a. 1989). Demgegenüber spielt die b<strong>und</strong>esdeutsche<br />
Halbleiterindustrie auf dem Weltmarkt nur eine untergeordnete<br />
11 Gemeinhin wird in diesem Zusammenhang eine Stärkung des (ökonomischen<br />
<strong>und</strong> technologischen) Gewichts der Bauelementehersteller postuliert, <strong>und</strong> war<br />
wegen der Möglichkeit der "Vorwärtsintegration" (Bauteilehersteller produzieren<br />
z.B. Uhren); vgl. Vahlberg, Wiemann (1978, S. 89 ff.) <strong>und</strong> Althans (1981, S.<br />
12 ff). Ebenso wie den genannten Autoren erscheint auch Nora <strong>und</strong> Mine (1979)<br />
der Verzicht auf eine eigene Bauelementeindustrie als nationales Risiko: "Der<br />
Unterschied zwischen einem Bauelement <strong>und</strong> einem Kleincomputer wird immer<br />
geringer. Werden ohne Bauelementeindustrie die Informatikhersteller rechtzeitig<br />
die technologischen Veränderungen erkennen können?" (Nora, Minc 1979, S.<br />
105). Dagegen argumentiert Friedrichs: "Andererseits ist die Frage immer noch<br />
offen, ob die Eigenproduktion von Chips wirklich so wichtig ist. Es gibt heute<br />
mindestens zwei Länder, die Chips in jeder gewünschten Menge <strong>und</strong> Qualität<br />
anbieten. Der Wert der Chips in durchschnittlichen, mit Mikroelektronik ausgestatteten<br />
Produkten beträgt nur 10 % der Kosten des Gesamtprodukts" (Friedrichs<br />
1982, S. 218).<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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Rolle. Lediglich ein Drittel des Inlandsbedarfs an integrierten Schaltungen<br />
wird von einheimischen Produzenten hergestellt (Welsch 1990).<br />
Das Problem für die Hersteller von Halbleitern besteht darin, daß hier in<br />
extremer Weise Innovations-, Ineffizienz- <strong>und</strong> Nachfragerisiken wirksam<br />
sind, <strong>und</strong> zwar gleichzeitig <strong>und</strong> mit sich gegenseitig verstärkenden Effekten.<br />
Die Entwicklung neuer Halbleiter- <strong>und</strong> Chip-Generationen steht unter<br />
hohem Zeitdruck <strong>und</strong> verschlingt große FuE-Etats. Die Produktion ist<br />
insbesondere in der Anlaufphase höchst problematisch (Stichworte: Reinraumtechnik<br />
<strong>und</strong> Mikrostrukturen), <strong>und</strong> die Nachfrage unterliegt starken<br />
Schwankungen.<br />
"Da der hohe Anfangspreis jeder neuen Speicherchip-Generation nach der<br />
Einführung sehr schnell absinkt, können nur die Firmen, die technologisch<br />
an der Spitze stehen <strong>und</strong> als erste die neuen Chips auf den Markt bringen,<br />
die immer höheren Entwicklungs- <strong>und</strong> Investitionskosten wieder verdienen"<br />
(Oesterheld, Wortmann 1988, S. 70).<br />
Innovationen müssen also unter extremem Zeitdruck erzeugt <strong>und</strong> auf den<br />
Markt gebracht werden. Dies ist auch die Auffassung von v. Gizycki <strong>und</strong><br />
Schubert (1984), die die Marktanteile, die notwendig sind, um die gestiegenen<br />
FuE-Kosten zu amortisieren, als Funktion der Position des Unternehmens<br />
in der technologisch vermittelten Konkurrenz, mithin als Funktion<br />
des Erfolgs in FuE ansehen. Damit formulieren sie im Gr<strong>und</strong>e das<br />
zentrale "Innovationsdilemma" der Halbleiterbranche, nämlich den Zwang<br />
zur permanenten Innovation:<br />
"Semiconductor firms not investing sufficiently and continuously in R&D<br />
are doomed because they fall behind competitors in their endeavours to<br />
produce front-edge technology products. Companies lagging behind technologically<br />
are not in a position to capture a sufficiently large market segment<br />
rapidly enough to make sufficient profits for the next ro<strong>und</strong> of R&D<br />
investments" (v. Gizycki, Schubert 1984, S. 51).<br />
Nicht zuletzt wegen der Massierung von Risiken (Innovations-, Ineffizienz<strong>und</strong><br />
Nachfragerisiko) <strong>und</strong> wegen des Schlüsselcharakters dieser Technologie<br />
ist die Unterstützungsbereitschaft nationaler Regierungen für diese<br />
Branche hoch. Daneben sind die Unternehmen selbst darum bemüht,<br />
diese Risikopotentiale durch Kooperationen zu minimieren (s. Kapitel 9).<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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Allerdings sind auch eminente Steigerungsraten für FuE-Aufwendungen<br />
noch keine Garantie für Konkurrenzerfolge. Da viele Unternehmen - teilweise<br />
mit finanzieller Unterstützung durch die jeweiligen nationalen Regierungen<br />
- eine "leading edge strategy" fahren, kann es in der Konkurrenz<br />
auch Verlierer geben. Die von v. Gizycki <strong>und</strong> Schubert präsentierte Abbildung<br />
(Abb. 5.1) über die Halbleiter-Aktivitäten des inzwischen von GEC<br />
<strong>und</strong> Siemens übernommenen britischen Unternehmens Plessey verdeut-<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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Büro <strong>und</strong> Handel<br />
Elektronisches Notizbuch;<br />
Spracherkennung <strong>und</strong> -ausgabe;<br />
Speicherschreibmaschinen;<br />
Verkaufsterminal;<br />
Datenspeicherung; Kopiergeräte;<br />
Registrierkassen;<br />
Diktiergeräte<br />
Industrie<br />
Lagerhaltung; Maschinensteuerung;<br />
Positionierung;<br />
Verpackungsautomaten;<br />
Sicherheitseinrichtungen;<br />
Roboter; Netzplantechnik;<br />
Drehzahlregelung; Dosierung;<br />
Waagen<br />
Energie, Umwelt,<br />
Sicherheit<br />
Solartechnik; Wärmepumpe;<br />
Alarmsysteme; R<strong>und</strong>steuerung;<br />
Schaltnetzteile; elektronische<br />
Scheckkarte; polizeiliches<br />
Fahndungssystem;<br />
Personenidentifikation; Beleuchtungsregelung<br />
\ t<br />
Kommunikation<br />
Fernkopierer; Fernschreiber;<br />
Telefonsysteme; Personenrufsysteme;<br />
Bildfernsprecher;<br />
Satellitenkommunikation;<br />
Teletext; Kabelfernsehen mit<br />
Rückkanal; Bildschirmtext<br />
Mikroelektronik<br />
Medizin<br />
Computertomographie; Patientenüberwachung;<br />
Schriftleser<br />
für Blinde; Herzschrittmacher;<br />
Fieberthermometer;<br />
Blutdruckmesser; Analysengeräte;<br />
Sonographie; Narkosegeräte;<br />
Insulingeber<br />
Auto <strong>und</strong> Verkehr<br />
Flugsicherungseinrichtungen;<br />
Fahrkartenautomaten;<br />
Platzreservierung; Auto-Diagnose-Systeme;<br />
Antiblockierbremssystem;<br />
Getriebesteuerung;<br />
Abstandsradar; Bordcomputer;<br />
Ampelsteuerung<br />
Haushalts- <strong>und</strong><br />
Konsumgüter<br />
Gefriertruhen; Herde; Uhren;<br />
Staubsauger; Nähmaschine;<br />
Geschirrspüler; Waschmaschine;<br />
Wäschetrockner;<br />
Heimcomputer; Taschenrechner;<br />
Heizkostenverteiler;<br />
Lampendimmer<br />
Unterhaltung <strong>und</strong><br />
Freizeit<br />
Videotext; Orgel-Spiele; Videorecorder;<br />
Kamera; Fernseher;<br />
Radio/Hi-Fi; Archivierung;<br />
Elektronenblitz; Lehrcomputer;<br />
elektronisches<br />
Wörterbuch; Fernsteuerungen<br />
Quelle: Scheinost 1988, S. 99<br />
Abbildung 5.2<br />
Anwendungsbereiche der Mikroelektronik<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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licht, daß hohe Ausgaben für FuE keine Garantie für den Unternehmenserfolg<br />
<strong>und</strong> erst recht keine Beschäftigungsgarantie darstellen. 12<br />
Wegen des enorm verbesserten Preis-Leistungsverhältnisses, d.h. immer<br />
mehr Schaltkreise werden bei sinkenden Kosten auf einem Chip untergebracht,<br />
haben sich die Einsatzgebiete der Mikroelektronik stark ausgeweitet.<br />
Vorstehende Abbildung 5.2 zeigt, welche Anwendungen derzeit möglich<br />
erscheinen bzw. bereits realisiert sind.<br />
Mitte der 80er Jahre fand in Europa der Großteil der Chips in der Telekommunikationsindustrie<br />
Verwendung. Die Anteile der verschiedenen<br />
Anwendungsbereiche auf dem europäischen Markt veranschaulicht Tabelle<br />
5.3.<br />
Tab. 5.3:<br />
Anwendungsbereiche der Mikroelektronik<br />
Telekommunikation 23,5 %<br />
Industrieelektronik 22,4 %<br />
Computerindustrie 20,2 %<br />
Konsumelektronik 20,3 %<br />
Staat/Militär 9,0 %<br />
Autoelektronik 4,6 %<br />
Quelle: Dataquest 1984; zitiert nach Oesterheld, Wortmann 1988, S. 71<br />
12 Allerdings läßt sich dem Text von v. Gizycki <strong>und</strong> Schubert nicht entnehmen, ob<br />
sich die der Abbildung zugr<strong>und</strong>ehegenden Daten auf das Gesamtunternehmen<br />
Plessey oder nur auf seine Halbleitersparte beziehen. Plessey war immerhin<br />
1978 noch der sechstgrößte europäische Anbieter von Halbleitern, allerdings mit<br />
einem Marktvolumen, das weniger als einem Viertel des zehntgrößten US-amerikanischen<br />
Anbieters entspricht <strong>und</strong> genauso groß war wie das des zehntgrößten<br />
japanischen Anbieters von Halbleitern (ebd., S. 43). Siemens macht, wie erwähnt,<br />
seit mehreren Jahren im Halbleiterbereich zum Teil enorme Verluste,<br />
kann sich aber den Erwerb von Plessey leisten. Die Frage ist also, ob nicht nur<br />
relative Anteile, sondern absolute Größen beim FuE-Investment über den Erfolg<br />
entscheiden, <strong>und</strong> welche intervenierenden Variablen (Unterstützung durch<br />
die nationalen Regierungen, konjunkturelle Situation etc.) noch eine Rolle<br />
spielen.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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Die größten Wachstumsraten werden für die Bereiche Automobilelektronik<br />
<strong>und</strong> Datentechnik prognostiziert. Vor allem bei den neuen Computergenerationen<br />
wird aufgr<strong>und</strong> deren Leistungsfähigkeit mit einem immensen<br />
Bedarfszuwachs an Speicher-Chips gerechnet (Welsch 1990).<br />
Ist der "klassische" Halbleiter ein typisches Massenprodukt, das erst in<br />
Verbindung mit anderen Chips oder Mikroprozessoren eine komplette<br />
Schaltung ergab, so hat sich inzwischen ein Markt für anwenderspezifische<br />
Schaltkreise (appliance specific integrated circuits, sog. ASICs) entwickelt.<br />
Die Vorteile von ASICs liegen vor allem in der Verbilligung der Produktion<br />
von Endprodukten, da wiederum einige Arbeitsvorgänge entfallen<br />
können (wie etwa das "Bestücken mit integrierten Schaltungen, verlöten<br />
<strong>und</strong> mit Steckerleistungen versehen", die Baur (1977) noch als Fortschritt<br />
gegenüber der Elektromechanik gesehen hatte). Risiken liegen darin, daß<br />
das Know-how vom Endproduzenten zu den Halbleiterherstellern wandert<br />
<strong>und</strong> diese in die Lage versetzt werden, im Wege der Vorwärtsintegration<br />
"fremde" Märkte zu erobern (die bekanntesten Beispiele sind Uhren <strong>und</strong><br />
Taschenrechner). Dieses Risiko dürfte innerhalb Europas noch größer<br />
sein als auf anderen Märkten, da hier die meisten Hersteller von Halbleitern<br />
große, vertikal integrierte Unternehmen sind, deren Schwerpunkt<br />
weniger auf der Herstellung von Halbleitern als auf der Produktion von<br />
Endprodukten liegt (v. Gizycki, Schubert 1984, S. 40). 13 Entsprechend liegt<br />
der Grad der Eigennutzung selbstproduzierter Halbleiter bei bis zu 50 %,<br />
wird sich aber wegen der Breite der abzudeckenden Palette von Produkten,<br />
die mit Mikroelektronik ausgestattet werden, tendenziell eher verringern<br />
(ebd., S. 42).<br />
Auch bei Halbleitern, insbesondere aber bei k<strong>und</strong>enspezifischen Schaltungen,<br />
nimmt der Aufwand, der vor Anlauf einer Produktion (in den Bereichen<br />
FuE <strong>und</strong> Software-Entwicklung) betrieben werden muß, stark zu.<br />
Dieser Umstand, zusammen mit den enormen Preisschwankungen <strong>und</strong> der<br />
Unstetigkeit der Kapazitäts- <strong>und</strong> Produktionsentwicklung, dürfte mit dazu<br />
beitragen, daß Nachzügler auf diesem Gebiet kaum Chancen haben dürf-<br />
13 Philips, Siemens, ITT, SGS-Ates, Thomson-CSP, Plessey, Ferranti teilen sich im<br />
Jahre 1978 den Großteil des europäischen Marktes untereinander auf. Es<br />
spricht für die Dynamik des Elektronikmarkts im allgemeinen <strong>und</strong> des Halbleitermarkts<br />
im besonderen, daß diese Aufzählung durch die verschiedenen Formen<br />
der Kooperation (inkl. Übernahmen) nur mehr historischen Wert hat.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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ten, den einmal verpassten Anschluß an die Entwicklung aus eigener Kraft<br />
wieder herzustellen.<br />
532 Software<br />
Der Halbleiter ist nur eine zentrale Voraussetzung des durchgreifenden<br />
Erfolgs der Mikroelektronik.<br />
"Mikroelektronik braucht zu ihrer Entwicklung <strong>und</strong> Anwendung Software,<br />
d.h. eine logische Kette von Befehlen zur Steuerung eines mikroelektronischen<br />
Schaltsystems" (Scheid 1988, S. 6). 14<br />
Mit der wachsenden Verbreitung der Mikroelektronik nimmt dementsprechend<br />
die Bedeutung der Software zu; nur durch anwendungs- <strong>und</strong> k<strong>und</strong>enspezifische<br />
sowie durch benutzerfre<strong>und</strong>liche Software kann sich die<br />
Mikroelektronik "integral <strong>und</strong> universell über die Erzeugungsstufen vieler<br />
oder aller Produktionsstufen" (ebd., S. 5) ausbreiten.<br />
"Der Bedarf an hochkomplexer <strong>und</strong> gleichzeitig spezieller Anwendungssoftware<br />
wird sich in dem Maß ausweiten, wie die zum Einsatz dieser Programme<br />
erforderliche leistungsfähige Technik zu ständig fallenden Preisen<br />
angeboten <strong>und</strong> eingesetzt wird" (Charlier 1988, S. 54).<br />
Die gegenwärtige <strong>Technikentwicklung</strong> ist somit durch eine zunehmende<br />
Relevanz der Software geprägt, die die Kostenstruktur der Produkte, aber<br />
auch die Kostenstruktur vieler Bereiche der FuE in der Elektro- <strong>und</strong> Elektronikindustrie<br />
affiziert. Diese Veränderung wird durch den Wandel des<br />
Funktion/Preis-Verhältnisses bei Halbleitern <strong>und</strong> bei Hardware noch verstärkt.<br />
Nach U.Briefs lag das Verhältnis der Kosten für Hard- <strong>und</strong> Software<br />
in den 60er Jahren bei 80:20, während es Anfang der 80er Jahre bereits<br />
20:80 lautete (Briefs 1980, S. 35). Hält man sich an andere Quellen,<br />
fällt der Strukturwandel nicht ganz so dramatisch aus. Laut Angaben von<br />
Infratest lagen 1988 in der B<strong>und</strong>esrepublik die Aufwendungen für Software<br />
etwa ein Drittel über den Ausgaben für Hardware. Ein vergleichbarer<br />
Strukturwandel läßt sich auch in bezug auf die Entwicklungskosten<br />
feststellen:<br />
14 R. Scheid ist Hauptgeschäftsführer des ZVEI.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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"Bei der Entwicklung von Großrechnern z.B. ist der Wertschöpfungsanteil<br />
der Systemsoftware drei- bis viermal so groß wie der des Hardwareanteils"<br />
(Scheid 1988, S. 6).<br />
Neben diesen relativen Veränderungen steigt der Kostenanteil <strong>und</strong> der<br />
Produktionswert der Software auch absolut. In diesem Markt- bzw. Produktionssegment<br />
werden, trotz der stark abweichenden Schätzungen über<br />
den Umfang dieses Marktes, die größten Wachstumsraten erwartet. So<br />
unstrittig also die generelle Wachstumstendenz ist, so schwierig ist eine<br />
realistische Einschätzung der vorliegenden Prognosen. Das liegt vor allem<br />
daran, daß die Umrisse des Software-Marktes nicht exakt zu definieren<br />
sind, da der Begriff Software kein einheitliches Produkt bezeichnet. Es<br />
kann darunter System-Software (das Betriebssystem) oder Anwendungs-<br />
Software (Programme) verstanden werden. Letzere läßt sich nochmals unterscheiden<br />
nach Standard-Software (Lösungen für allgemeine Aufgaben<br />
wie z.B. Textverarbeitung oder Finanzbuchhaltung) <strong>und</strong> Individual-Software<br />
(z.B. branchen- oder unternehmensspezifische Lösungen). Zum<br />
Software-Umsatz gehören außerdem Ausgaben für Schulung <strong>und</strong> Beratung<br />
oder für externe Rechenzentrumsleistung (Processing Services).<br />
Um die Bedeutung der Software angemessen erfassen zu können, ist freilich<br />
nicht allein der Markt für Software zu analysieren, sondern es sind<br />
auch die Beträge in Rechnung zu stellen, die von Unternehmen aufgebracht<br />
werden, um Produkte überhaupt durch geeignete Software funktionsfähig<br />
zu machen ("embedded software"). Diese sind bislang statistisch<br />
nicht ausgewiesen <strong>und</strong> nur sehr schwer zu erfassen (s.u.). Siemens gibt beispielsweise<br />
im Geschäftsbericht 1989 an, bei einem Gesamtaufwand von<br />
6,9 Mrd. DM für Forschung <strong>und</strong> Entwicklung "r<strong>und</strong> ein Drittel" für die<br />
Software-Entwicklung auszugeben. Das wären immerhin r<strong>und</strong> 2,3 Mrd.<br />
DM. Eine neuere Untersuchung über den Software-Markt in der BRD<br />
zählt zwar T&K-Beratungs- <strong>und</strong> Planungsleistungen", I&K-Training" <strong>und</strong><br />
"Facilities-Management" zur Software, nicht aber die sog. "versteckte"<br />
(embedded) Software, die nach Angaben derselben Studie "heute bereits<br />
ein Drittel der gesamten Software-Produktion ausmacht" (Buschmann u.a.<br />
1989, S. 11).<br />
Die methodischen Schwierigkeiten, die in den vorliegenden Daten (durch<br />
ihre Konzentration auf den Markt für Software-Produkte) zu einer notori-<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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schen Unterbewertung der Entwicklung von Software führen, verdeutlicht<br />
ein Vertreter des ZVEI wie folgt:<br />
"Wie kaum in einem anderen Bereich zeigt sich in der I&K-Technik ein<br />
Wandel in der Wertschöpfungsstruktur, der sich in einem schnell wachsenden<br />
Anteil der Dienstleistungen ausdrückt. Da diese Dienstleistungen<br />
nur zu einem geringen Teil offen verrechnet werden, entziehen sie sich einer<br />
Erfassung im bestehenden statistischen System. Zum Teil werden<br />
Dienstleistungen in Form von Projektierungs- <strong>und</strong> Engineeringsaufgaben,<br />
Erstellung von EDV-Software <strong>und</strong> Finanzierungssonderkosten, Beratung,<br />
Wartung <strong>und</strong> Schulung zwar mit K<strong>und</strong>en fakturiert <strong>und</strong> finden sich im Gesamtumfang<br />
des Umsatzes wieder, zu einem erheblichen Teil werden sie<br />
aber "verdeckt" in den Geräte- <strong>und</strong> Anlagepreisen kalkuliert. In diesem<br />
Fall ist ihr Umfang nicht nachweisbar <strong>und</strong> dürfte von Produktbereich zu<br />
Produktbereich, oft von Firma zu Firma oder gar von Auftrag zu Auftrag<br />
unterschiedlich erfolgen. Das herkömmliche statistische Informationssystem<br />
bietet jedoch keine Ansatzpunkte zur Lösung der unterschiedlichen<br />
"Wertigkeit" der gemeldeten Daten.<br />
Nach einhelliger Auffassung sind die industriellen Dienstleistungen für<br />
eine immer größere Anzahl elektrotechnischer Erzeugnisse - vor allem der<br />
wachstumsintensiven I&K-Bereiche - marktentscheidend. Hinzu kommt,<br />
daß durch das Zusammenwachsen <strong>und</strong> -wirken verschiedener Produktbereiche<br />
immer mehr problemorientierte <strong>und</strong> damit dienstleistungsintensive<br />
K<strong>und</strong>enlösungen gef<strong>und</strong>en werden müssen. Vorsichtige Schätzungen haben<br />
gezeigt, daß ihr Umfang bis zu 45 % des gesamten Anlagenwertes erreichen<br />
kann" (Scheinost 1988, S. 100; Hervorhebungen von uns -<br />
DB/GM).<br />
Obwohl die folgenden Tabellen über die Entwicklung des Software-Markts<br />
die tatsächlichen Ausgaben für Software <strong>und</strong> damit den eingetretenen<br />
Strukturwandel nur unzureichend wiedergeben, verdeutlichen sie doch die<br />
steigende Bedeutung der Software-Produktion. Zu beachten ist hier allerdings,<br />
daß bei den verschiedenen Versuchen, den Wandel der industriellen<br />
Wertschöpfungsstruktur zu erfassen, regelmäßig die Produktion von Software<br />
in der Kategorie der (gesamten) industriellen Dienstleistung aufgeht<br />
(<strong>und</strong> damit darin untergeht).<br />
Zu erkennen ist in Tabelle 5.4 eine deutliche Verschiebung des Verhältnisses<br />
zwischen den Ausgaben für Hard- <strong>und</strong> Software, die sich auch in<br />
den nächsten Jahren fortsetzen soll. Während der Hardware-Anteil relativ<br />
an Bedeutung verHeren wird, sorgt die steigende Nachfrage nach Software<br />
für eine weitere Expansion des gesamten EDV-Geschäfts.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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Tab. 5.5:<br />
Der Markt für Software in der B<strong>und</strong>esrepublik nach Software-Arten<br />
(in Mrd. DM)<br />
Standard-<br />
Software<br />
Anwender-<br />
Software<br />
Processing<br />
Services<br />
Sonstiges<br />
Summe<br />
1980 0,6 1,6 1,1 0,1 3,4<br />
1981 1,0 2,4 1,5 0,3 5,2<br />
1982 1,3 3,3 1,9 0,3 6,8<br />
1983 1,8 4,0 2,2 0,3 8,3<br />
1984 2,3 5,2 2,8 0,5 10,8<br />
1985 3,0 6,3 3,2 0,6 13,1<br />
1986 3,9 7,6 3,6 0,7 15,8<br />
1987 4,8 9,0 4,0 0,8 18,6<br />
Quelle: VDMA-Fachgemeinschaft Büro- <strong>und</strong> Informationstechnik<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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Untersucht man, welche Software-Arten die größten Wachstumsraten<br />
aufweisen, so ergibt sich das vorstehende Bild (Tab. 5.5).<br />
Demnach hat Standard-Software (Steigerungsrate: 700 %) den größten<br />
Zuwachs zu verzeichnen, gefolgt von Anwender-Software (487,5 %) <strong>und</strong><br />
den sog. Processing Services (38,4 %). Deutlich zu erkennen ist neben der<br />
absoluten auch die relative Zunahme von Standard-Software, deren Anteil<br />
am Gesamtmarkt im Zeitraum 1980 bis 1987 von 17,2 % auf 25,8 % zugenommen<br />
hat. Dieser Zuwachs der Standard-Software beschleunigt den<br />
Wandel von einem Verkäufer- zu einem Käufermarkt. Da dabei zunehmend<br />
für anonyme Abnehmer produziert werden muß, erhöht sich auch<br />
das Risiko der Programmentwicklung. Allerdings ist in der vom VDMA<br />
publizierten Übersicht offensichtlich der Umfang der von den Anwendern<br />
selbst produzierten Software unterschätzt worden. Eine von verschiedenen<br />
Verbänden in Auftrag gegebene Infratest-Studie schätzt das Marktvolumen<br />
des Jahres 1988 auf 32,2 Mrd. DM, wovon über 20 Mrd. DM auf die<br />
Eigenentwicklungen der EDV-Anwender entfallen. Dabei handelt es sich<br />
um die Datentechnik-Abteilungen in mittleren <strong>und</strong> großen Industrieunternehmen.<br />
Unsere Analyse des Software-Marktes hat bislang ergeben, daß die Bedeutung<br />
von Software absolut <strong>und</strong> relativ zunimmt <strong>und</strong> auf dem Software-<br />
Markt zwei bedeutende, erhebliche Arbeitskapazitäten bindende Bereiche<br />
der Software-Produktion stark unterschätzt werden oder gar nicht auftauchen:<br />
von Anwendern erstellte Software 15<br />
<strong>und</strong> "embedded Software", die<br />
als integraler Bestandteil von Systemen verkauft wird. Interessiert man<br />
sich nun für mögliche Folgen der zunehmenden Bedeutung von Software<br />
für die Entwicklung industrieller Sozialstrukturen <strong>und</strong> Veränderungen in<br />
der Struktur der Wertschöpfung, so muß man zunächst in Rechnung stellen,<br />
daß die Produktivität in der Software-Herstellung relativ niedrig ist<br />
<strong>und</strong> sich im Unterschied zur Hardware-Produktion vergleichbare Sprünge<br />
im Preis-Leistungsverhältnis nicht eingestellt haben. Bisher ließen sich<br />
derartige Fragen kaum durch den Rückgriff auf die öffentliche Statistik<br />
einer Klärung näherbringen. Eine Untersuchung des ZVEI zeigt jedoch<br />
immerhin, wie sich durch die zunehmende Bedeutung der Software - noch<br />
verstärkt durch ihre Integration in Hardware-Produkte - der industrielle<br />
15 Erst in jüngster Zeit sind Bestrebungen der Anwender erkennbar, ihre eigenerstellte<br />
Software auf dem Markt anzubieten.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
Wertschöpfungsprozeß verändert. Diese Erhebung hat allerdings den<br />
Nachteil, nur über ein kleines Sample berichten zu können, das wahrscheinlich<br />
überproportional viele Großunternehmen enthält <strong>und</strong> somit<br />
nicht repräsentativ ist. Zudem liegen nur einige Schlußfolgerungen bzw.<br />
Interpretationen durch Vertreter des ZVEI vor, da die Studie bislang<br />
nicht veröffentlicht wurde. 16<br />
"Eine bei 20 Unternehmen der Elektroindustrie (...) zum Jahresanfang<br />
1988 durchgeführte (unveröffentlichte) Püotstudie hat ergeben, daß jeder<br />
dritte Beschäftigte mit der Erstellung von Software bzw. industriellen<br />
Dienstleistungen befaßt ist. Nach industrieinternen Schätzungen hat sich<br />
der Anteil der Software, gemessen an der Nettowertschöpfung des Sektors,<br />
in den letzten zehn Jahren von etwa 10 auf 25 % mehr als verdoppelt. Ansichts<br />
der (...) Wachstumsraten der Softwareerstellung wird die Entwicklung<br />
sich - vielleicht sogar beschleunigt - fortsetzen" (Scheid 1988, S. 8;<br />
Hervorhebungen von uns - DB/GM). 1<br />
Dies gilt um so mehr, wenn man einen weiten Software-Begriff verwendet,<br />
der auch den Folgeaufwand einer Programmimplementation zu den Software-Kosten<br />
selbst rechnet:<br />
"Softwareentwicklung ist humankapital-intensiv, <strong>und</strong> Softwareanwendung<br />
löst einen hohen Folgeaufwand für Beratung, Wartung, K<strong>und</strong>en- <strong>und</strong> Mitarbeiterschulung<br />
aus" (Scheid 1988, S. 21).<br />
Aus diesem Gr<strong>und</strong>e kann es kaum verw<strong>und</strong>ern, daß sich nach Einschätzung<br />
von Branchenkennern die Struktur des Software-Marktes selbst stark<br />
verändert. Gefragt ist nicht mehr das einzelne Produkt, sondern das Projekt<br />
oder das System. Damit steigen auch die Entwicklungskosten <strong>und</strong> verstärken<br />
einen Trend, der sich bereits aus technologisch naheliegenden<br />
Gründen angebahnt hatte: In zunehmendem Umfang wird der Software-<br />
Markt zum Geschäftsfeld großer Hardware-Hersteller. Die nachfolgende<br />
Tabelle 5.6 läßt diesen Tatbestand allerdings nur ahnen, da - wie bereits<br />
16 Auch die nachfolgenden Erhebungen, die von der Infratest-industria GmbH<br />
durchgeführt wurden, sind nur für ausgewählte Teile der Öffentlichkeit zugänglich.<br />
17 Methodisch basierte diese Studie auf einem Input-Konzept, demzufolge die<br />
"anteiligen Arbeitsst<strong>und</strong>en in bezug auf die Software-Erstellung erfragt wurden<br />
<strong>und</strong> aus diesem Arbeitszeitanteil auf die Wertschöpfung hochgerechnet" wurde<br />
(Scheid 1988, S. 19). Auf diese Weise ließ sich der in die konventionelle Hardware<br />
eingegangene Wertanteil der Software getrennt erfassen.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
erwähnt - die Daten des VDMA die von Anwendern selbst erstellte Software<br />
nur ungenügend berücksichtigen.<br />
Tab. 5.6:<br />
Der Markt für Software in der B<strong>und</strong>esrepublik nach Software-Anbietern<br />
(in Mrd. DM)<br />
Hardware- Software Sonstige Anwender- Summe<br />
Hersteller u. System- Anbieter erstellte<br />
häuser<br />
Software<br />
1980 1,0 1,7 0,2 0,5 3,4<br />
1981 1,5 2,4 0,4 0,9 5,2<br />
1982 2,0 3,0 0,5 1,3 6,8<br />
1983 2,4 3,7 0,4 1,8 8,3<br />
1984 3,2 4,8 0,3 2,5 10,8<br />
1985 3,9 5,9 0,2 3,1 13,1<br />
1986 4,7 7,0 0,3 3,8 15,8<br />
1987 5,5 8,4 0,4 4,3 18,6<br />
Quelle: VDMA-Fachgemeinschaft Büro- <strong>und</strong> Informationstechnik<br />
Deutlich wird in dieser Aufstellung immerhin, daß der Anteil der Software-<br />
<strong>und</strong> System-Häuser an Gesamtmarkt von 50 % im Jahr 1980 auf<br />
45,2 % im Jahr 1987 zurückgegangen ist. Der wachsende Anteil der Hardware-Hersteller<br />
am gesamten Software- <strong>und</strong> Service-Umsatz in der B<strong>und</strong>esrepublik<br />
bleibt dagegen unsichtbar. Nach Untersuchungen der Beratungsfirma<br />
Diebold erhöhte sich dieser Anteil zwischen 1984 <strong>und</strong> 1987 von<br />
29 % auf 42 %. Diese Marktveränderungen gehen auf seiten der Hersteller<br />
mit umfassenden Restrukturierungsmaßnahmen einher.<br />
"Die großen Firmen haben die Zeichen der Zeit erkannt. Sie haben erkannt,<br />
daß Hardware heute nur noch im Zusammenwirken mit entsprechender<br />
Software verkauft werden kann. Auf diese Entwicklung versuchen<br />
sie zu reagieren, indem sie ihren Markterfolg zunehmend im Softwarebereich<br />
suchen. Entsprechende Umstrukturierungen der Unternehmen werden<br />
vorangetrieben. Das große Strategiekonzept 'SAA' der IBM lebt davon,<br />
daß es eine einheitliche Architektur sowohl der verschiedenen Computertypen<br />
als auch der gesamten von IBM hergestellten Software verspricht"<br />
(Küche 1989, S. 41).<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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IBM liefert noch weitere Indizien für den Wandel der Computerindustrie<br />
von einer "Hardware- zu einer Software-Welt". So wurde zum Beispiel die<br />
Hardware-Fabrik in Hannover zu einem "Software- <strong>und</strong> Service-Zentrum"<br />
umstrukturiert. Außerdem wurde die Kooperation mit Software-Häusern<br />
weiter verstärkt. Mittlerweile arbeitet IBM mit etwa 700 bis 800 Software-<br />
Häusern in der B<strong>und</strong>esrepublik zusammen. Unter den gegebenen Arbeitsmarktbedingungen<br />
scheint dies der einzig gangbare Weg zu sein, um<br />
in ausreichendem Umfang Software-Know-how zu erschließen.<br />
Einiges spricht dafür, daß die Wachstumsdynamik im Software-Bereich<br />
anhalten wird:<br />
"Als Gründe für den stetig gewachsenen <strong>und</strong> weiter wachsenden Einfluß<br />
der Softwareentwicklung in der Computerindustrie lassen sich nennen:<br />
eine Vielzahl bestehender alter Programme <strong>und</strong> Datenmengen, die gewartet<br />
<strong>und</strong> fortgeschrieben werden müssen,<br />
höhere Anforderungen der Anwender an die Leistungsfähigkeit der Datenhaltung<br />
<strong>und</strong> der Programmsysteme ('integrierte System'),<br />
größere Anzahl von Computerbenutzern mit unterschiedlichen Anforderungen"<br />
(Kliche 1989, S. 41).<br />
Wie das beschleunigte Vordringen der Hardware-Hersteller in den Software-Markt<br />
zeigt, findet bei diesen Unternehmen eine strategische Umorientierung<br />
statt. Dazu waren die Voraussetzungen insofern günstig, da<br />
sie "mit ihren Software-Entwicklungsabteilungen bereits heute die größten<br />
,<br />
Software-Unternehmen ,<br />
sind" (Buschmann u.a. 1989, S. 121). Darüber<br />
hinaus ist selbst bei großen Konzernen mit bereits umfangreicher EDV-<br />
Kompetenz im eigenen Hause die Strategie zu beobachten, sich an den sogenannten<br />
"unabhängigen" Software-Häusern zu beteiligen. Allerdings ist,<br />
zumindest nach Auffassung von H. O. Henkel, dem Vorstandsvorsitzenden<br />
von IBM Deutschland, dem Marktführer für Hard- <strong>und</strong> Software, die<br />
technologische Entwicklung des EDV-Markts auch von der Hardware-<br />
Seite abhängig:<br />
"Bei allen Verschiebungen in Richtung Software <strong>und</strong> Dienstleistungen<br />
dürfen wir die Bedeutung der technologischen Entwicklungen, sprich<br />
Hardware, nicht unterschätzen. Viele der heutigen Anwendungen waren<br />
nur möglich <strong>und</strong> bezahlbar durch das günstige Preis-Leistungsverhältnis<br />
unserer Rechner. Ohne Innovationen in der Hardware wäre zudem die<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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Entwicklung bei der Software gar nicht möglich gewesen (...). Ich halte die<br />
gängige Aussage, daß Hardware weniger wichtig ist als Software, für blanken<br />
Unsinn" (Henkel 1989; zitiert nach High-Tech 3/1989, S. 32).<br />
Nicht zuletzt das verstärkte Engagement der Hardware-Hersteller im<br />
Software-Bereich wird nach Auffassung einschlägiger Marktforschungsinstitute<br />
den Konzentrationsprozeß innerhalb der Branche verstärken, in der<br />
noch 1988 über 6.000 Anbieter tätig waren, von denen die Mehrzahl weniger<br />
als fünf Mitarbeiter beschäftigte (FAZ v. 17.2.88). Dabei wird der<br />
Konzentrationsprozeß in Deutschland zunächst die größeren Software-<br />
Unternehmen treffen. Allerdings beschäftigen in der B<strong>und</strong>esrepublik nur<br />
r<strong>und</strong> 70 Software-Unternehmen mehr als 100 Mitarbeiter.<br />
"Im Vergleich zu den französischen <strong>und</strong> englischen Software-Unternehmen<br />
sind diese Unternehmen immer noch 'Zwerge'. Ihre internationale Marktbedeutung<br />
ist bisher gering" (Buschmann u.a. 1989, S. 27).<br />
Insgesamt dürfte die Position von kleineren, Software herstellenden Unternehmen<br />
nicht stärker werden <strong>und</strong> das paradoxerweise nicht zuletzt wegen<br />
des Trends zu sogenannten offenen Systemen. Dieser habe, so heißt es<br />
lapidar in einer Ausgabe des Diebold Management Report, "viele Software-Häuser<br />
zur verlängerten Werkbank der DV-Hersteller gemacht"<br />
(1989, S. 10). Weitere Ursachen sind die häufige Unterkapitalisierung,<br />
Schwächen in Marketing <strong>und</strong> Vertrieb sowie mangelnde Auslandserfahrung,<br />
die vor allem kleinere Software-Firmen zu Kooperationen, Beteiligungen<br />
<strong>und</strong> auch zu Fusionen zwingen.<br />
Daran sind gerade auch Unternehmen außerhalb der Elektroindustrie interessiert,<br />
wie das starke unmittelbare oder mittelbare Engagement der<br />
meisten Automobilhersteller zeigt. Kooperation ist ein strategisch eingesetztes<br />
Mittel, um den Anschluß an die Entwicklung von "Zukunftstechnologien"<br />
zu halten oder das eigene Produktspektrum besser gegen Nachfrageeinbrüche<br />
abzusichern. Kooperation ist aber, wie noch zu zeigen sein<br />
wird (s. Kapitel 9), nicht nur in der Software-Branche ein wichtiges Thema.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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5.4 Produktions- <strong>und</strong> Absatzstruktur<br />
Ein wesentliches Merkmal der Elektrotechnischen Industrie ist ihre<br />
außerordentlich breite Produktpalette, die von der Glühbirne über den<br />
Mikrochip bis hin zum Kernkraftwerk reicht. Dementsprechend vielfältig<br />
sind die vorfindlichen Produktionsprozesse, die das Spektrum zwischen<br />
einfacher Handarbeit <strong>und</strong> vollautomatischer Fertigung abdecken. Die<br />
Produktionsstruktur dieses Wirtschaftszweiges wird gewöhnlich in drei Erzeugnisgruppen<br />
untergliedert: Investitionsgüter, Gebrauchsgüter, Vorerzeugnisse<br />
<strong>und</strong> sonstiges (Tab. 5.7). Dabei hat sich der Schwerpunkt der<br />
elektrotechnischen Produktion eindeutig zum Investionsgüterbereich hin<br />
verlagert; dieser hatte 1987 einen Anteil von 64,3 % an der Gesamtproduktion.<br />
Die höchsten Wachstumsraten dieses Bereichs weisen die Nachrichtentechnik,<br />
die Meß- <strong>und</strong> Regeltechnik sowie die Bauelemente auf<br />
(Abb. 5.3 <strong>und</strong> Tab. 5.7), allesamt Produktionsbereiche, denen in der Wirt-<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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Schaftsberichterstattung häufig das Prädikat "zukunftsträchtig <strong>und</strong> innovativ"<br />
zuerkannt wird <strong>und</strong> die dazu beigetragen haben, daß es seit den 60er<br />
Jahren zu einer Strukturverschiebung von der Starkstrom- zur Schwachstromtechnik<br />
gekommen ist. Neuerdings verzeichnet auch die Kfz-Elektrik<br />
bedeutende Zuwächse. Gerade diese Produktgruppe macht deutlich, daß<br />
auch Teile der Investitionsgüterproduktion direkt von der Entwicklung des<br />
privaten Konsums abhängig sind.<br />
Energietechnik<br />
Nachrichtentechnik<br />
Meß- <strong>und</strong> Regeltechnik<br />
Haushaltsgeräte<br />
Unterhaltungselektronik<br />
Kfz-Elektrik<br />
Beleuchtungstechnik<br />
Bauelemente<br />
Elektrotechnik<br />
Bruttosozialprodukt<br />
Quellen: ZVEI; Hypo Bank: Volkswirtschaftliche Abteilung<br />
Abbildung 5.3<br />
Durchschnittliches reales Wachstum der Produktion<br />
(1977-1986; in Prozent)<br />
Nach einer Analyse der Hypo-Bank (Mai 1987) neigt die Mehrzahl der<br />
Unternehmen gerade in Wachstumsbereichen wie Nachrichtentechnik,<br />
Meß- u. Regeltechnik sowie Bauelemente zu Kapazitätserweiterungen. In-<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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wieweit damit auch verstärkte Anstrengungen für Forschung <strong>und</strong> Entwicklung<br />
verb<strong>und</strong>en sind, ist auf der Basis des vorliegenden Materials für die<br />
gegenwärtige Situation nicht ersichtlich. Hält man sich aber an die Angaben<br />
des BDI für den Zeitraum zwischen 1966 <strong>und</strong> 1976, so scheint die Annahme<br />
eines positiven Zusammenhangs zwischen Wachstumsbereichen<br />
<strong>und</strong> dem jeweiligen FuE-Aufwand plausibel zu sein (vgl. BDI 1979, S. 223<br />
f.).<br />
Im Gebrauchsgüterbereich, dessen Anteil bei 17 % an der Produktion<br />
liegt, dominieren die Unterhaltungselektronik <strong>und</strong> die elektrotechnischen<br />
Hausgeräte. Dieser Bereich besitzt gegenüber den 60er <strong>und</strong> 70er Jahren<br />
einen deutlich geringeren relativen Anteil an der Gesamtproduktion. Die<br />
restlichen 18,7 % der Produktion entfallen zu annähernd gleichen Teilen<br />
auf Bauelemente, Montagen <strong>und</strong> Reparaturen sowie auf sonstige Vorerzeugnisse.<br />
Wie erwähnt (s. Abschnitt 5.3.2) gibt es in den gängigen Darstellungen<br />
zur Entwicklung der Elektrotechnischen Industrie nur wenige<br />
Angaben über die wachsende Bedeutung der Software-Produktion, insbesondere<br />
für den Bereich der "embedded software".<br />
Zum Abnehmerkreis des breiten Produktspektrums der Elektroindustrie<br />
gehören sowohl private <strong>und</strong> industrielle Nachfrager als auch der Staat<br />
(Deutsche B<strong>und</strong>espost, Deutsche B<strong>und</strong>esbahn, B<strong>und</strong>eswehr). Darüber<br />
hinaus wird ein Großteil der elektrotechnischen Investitionsgüter <strong>und</strong><br />
Bauelemente von der Elektroindustrie selbst weiterverarbeitet oder eingesetzt.<br />
5.5 Konzentrationsgrad, Unternehmens- <strong>und</strong> Betriebsstruktur<br />
Die Elektrotechnische Industrie zeichnet sich durch einen hohen Konzentrationsgrad<br />
aus. Der Gr<strong>und</strong> dafür ist z.T. in den besonderen Produktionsbedingungen<br />
der Branche zu suchen. Großtechnische Systeme der Energie-<br />
<strong>und</strong> Nachrichtentechnik begünstigten aufgr<strong>und</strong> des hohen Kapitalaufwandes<br />
schon historisch früh die Herausbildung finanzstarker Großunternehmen.<br />
Zieht man als Indikator für den Konzentrationsgrad die Umsatz- <strong>und</strong> Beschäftigtenanteile<br />
der jeweils größten Unternehmen heran, so zeigt sich<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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innerhalb der Elektroindustrie während der 70er Jahre zum einen eine gegenüber<br />
den meisten anderen Branchen hohe Konzentration, zum anderen<br />
ein Fortschreiten des Konzentrationsprozesses. Nach Angaben des ZVEI<br />
erzielten z.B. 1978 die neun größten Unternehmen mehr als die Hälfte des<br />
Umsatzes <strong>und</strong> beschäftigten mehr als 50 % der in der gesamten Branche<br />
tätigen Arbeitskräfte. Damit hat sich der Anteil dieser Unternehmen gegenüber<br />
1974 deutlich erhöht (vgl. Institut für Bilanzanalysen 1980). Orientiert<br />
man sich an der Konzentrationsstatistik der Monopolkommision,<br />
so ist dieser Anteil bis 1983 zwar wieder etwas zurückgegangen; dennoch<br />
liegt das Schwergewicht nach wie vor bei den wenigen Großunternehmen.<br />
Bezogen auf einzelne Produktbereiche liegt der Konzentrationsgrad (hier:<br />
der Anteil der jeweils drei, sechs oder zehn größten Unternehmen am<br />
Produktionswert) z.T. sehr viel höher (vgl. Monopolkommision, Hauptgutachten<br />
1984/85, S. 334).<br />
"Dabei ist vor allem zu beachten, daß die expandierenden, technologisch<br />
zukunftsträchtigen Bereiche durchweg überdurchschnittlich stark konzentriert<br />
sind: Dies gilt für die Nachrichtentechnik, die Meß- <strong>und</strong> Regeltechnik<br />
<strong>und</strong> die ADV-Anlagen" (Goldberg 1985, S. 290).<br />
Dementsprechend zeigt sich auch bei den Ausgaben für Forschung <strong>und</strong><br />
Entwicklung eine Dominanz der Unternehmen mit mehr als 10.000 Beschäftigten.<br />
Auf diese Firmen entfiel 1983 ein Anteil von 70,1 % am gesamten<br />
FuE-Aufwand der Elektroindustrie. Im Vergleich zu den Jahren<br />
1971 bis 1977, in denen dieser Anteil noch zwischen 85 % <strong>und</strong> 90 % lag, ist<br />
allerdings ein deutlicher Rückgang zu verzeichnen, der jedoch nicht als ein<br />
Nachlassen im FuE-Engagement der Großunternehmen verstanden werden<br />
darf (s. Abschnitt 6.7).<br />
Neben diesen Großunternehmen, die auf die Entwicklungsdynamik der<br />
Branche ganz entscheidenden Einfluß nehmen, gibt es eine große Zahl von<br />
kleineren <strong>und</strong> mittleren Unternehmen. Die vormals gültige Gleichsetzung:<br />
Großunternehmen = Universalunternehmen, Klein- <strong>und</strong> Mittelunternehmen<br />
= SpezialUnternehmen, scheint indes nicht mehr uneingeschränkt<br />
gültig zu sein. Es zeichnet sich die Entwicklung ab, daß auch Großunternehmen<br />
sich verstärkt auf spezifische Kernbereiche konzentrieren <strong>und</strong><br />
nicht mehr den Anspruch einer möglichst breiten Produktpalette vertreten<br />
(s. Teil D). Einzig Siemens <strong>und</strong> neuerdings, wenn auch mit Abstrichen,<br />
Bosch können noch als deutsche Universalunternehmen der Elektro- <strong>und</strong><br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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Elektronikindustrie gelten. Die Sonderstellung dieser beiden Unternehmen<br />
kommt auch in einer Aufstellung zum Ausdruck, die die beschäftigungs-<br />
<strong>und</strong> umsatzstärksten Elektrokonzerne in der B<strong>und</strong>esrepublik<br />
Deutschland erfaßt (Abb. 5.4). Bei der Interpretation der Konzentrationstendenzen<br />
der Elektroindustrie ist der hohe Grad interner Verflechtung<br />
unter den größten Elektrokonzernen zu berücksichtigen (z.B. Bosch-Siemens-Hausgeräte<br />
GmbH, Philips-Gr<strong>und</strong>ig). Bemerkenswert ist auch der<br />
hohe Grad externer Verflechtung, also die starke Stellung der nationalen<br />
Töchter multinationaler Universal- <strong>und</strong> Spezialkonzerne (wie IBM,<br />
Philips, ABB, SEL). Neben diesen Verflechtungen der Großunternehmen<br />
untereinander gibt es eine Vielzahl kleinerer <strong>und</strong> mittlerer Unternehmen,<br />
die direkt oder indirekt unter dem Einfluß dieser Großunternehmen stehen.<br />
18<br />
Bezogen auf die Innovationstätigkeit innerhalb der Elektrotechnischen Industrie<br />
zeichnet sich eine Arbeitsteilung zwischen Großunternehmen <strong>und</strong><br />
kleineren Firmen ab (vgl. Schmalholz, Scholz 1985). Angewandte Forschung,<br />
in Ansätzen auch Gr<strong>und</strong>lagenforschung, sowie experimentelle<br />
Entwicklung sind die Domäne von Großunternehmen. Die systematische<br />
Durchführung von FuE-Arbeit in diesen Bereichen, die das Zusammenspiel<br />
einer großen Zahl von zusammenhängenden Teilprojekten erfordert,<br />
ist die Gr<strong>und</strong>lage für die Realisierung von komplexen technologischen<br />
Produkten <strong>und</strong> Systemen. Demgegenüber sind für kleinere Unternehmen<br />
diejenigen Entwicklungstätigkeiten charakteristisch, bei denen nicht ein<br />
hoher Aufwand für Innovationstätigkeiten Voraussetzung ist, sondern wo<br />
es auf spezialisierte <strong>und</strong> marktnahe Wissensbestände <strong>und</strong> Fähigkeiten ankommt.<br />
Oft werden von diesen Firmen Marktbereiche erschlossen, die von<br />
Großunternehmen, in des Wortes doppelter Bedeutung, nicht wahrgenommen<br />
werden.<br />
18 Zu Siemens gehören: Osram, Hell, Vacuumschmelze Hanau, RBU, Interatom,<br />
Heimann usw.; zu Bosch gehören: Blaupunkt, Telenorma, ANT <strong>und</strong> jeweils viele<br />
andere kleinere Unternehmen (vgl. Geschäftsberichte; vgl. Hoppenstedt, Konzerne<br />
aktuell, mehrere Ausgaben).<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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5.6 Außenhandel<br />
Die Elektrotechnische Industrie gehört zu den exportintensivsten Branchen<br />
der westdeutschen Wirtschaft. Mit einer Exportquote gemessen am<br />
Umsatz von ca. 40 % <strong>und</strong> einem Anteil von über 11 % (ohne ADV) am<br />
Warenexport der Gesamtindustrie lag sie 1987 hinter dem Maschinenbau,<br />
dem Fahrzeugbau <strong>und</strong> der Chemischen Industrie an vierter Stelle (vgl. Ifo<br />
1988). Ihr Anteil an der Elektroausfuhr der westlichen Industrieländer<br />
weist, nachdem er zwischen 1950 <strong>und</strong> 1970 kontinuierlich angestiegen <strong>und</strong><br />
danach merklich zurückgegangen war, seit 1985 erneut eine steigende<br />
Tendenz auf. Mit einer Quote von 16,7 % im Jahre 1987 nahm die westdeutsche<br />
Elektroindustrie hinter Japan <strong>und</strong> den USA den dritten Platz auf<br />
dem Weltelektromarkt ein (vgl. ZVEI 1988). Bei der Interpretation derartiger<br />
Ranglisten, die Aufschluß über die Wettbewerbsposition eines Landes<br />
versprechen, sind neben Wechselkursveränderungen jedoch vor allem<br />
veränderte Investitionsstrategien von Unternehmen zu beachten. So ist<br />
seit den 70er Jahren eine Umorientierung in der Außenhandelsstrategie<br />
der westdeutschen Elektroindustrie zu verzeichnen, die in Richtung einer<br />
"Exportsubstitution durch Auslandsfertigung" (Benz-Overhage u.a. 1982)<br />
geht. Der Kampf um ausländische Marktanteile wird dabei nicht mehr allein<br />
durch Exporte;, sondern durch die Produktion im Ausland geführt.<br />
"Die Unternehmen der Elektrotechnischen Industrie besaßen Ende 1985<br />
für nicht weniger als 13,9 Mrd. DM direkte Beteiligungen im Ausland, vor<br />
allem in den USA <strong>und</strong> Westeuropa. Ende 1976 waren es erst 5,1 Mrd. DM.<br />
Dagegen wurden ausländische Beteiligungen in der B<strong>und</strong>esrepublik im<br />
gleichen Zeitraum von 6,2 Mrd. DM auf 4,9 Mrd. DM abgebaut" (Hypo<br />
Bank, Mai 1987, S. 4).<br />
Da die Import- <strong>und</strong> Exportquoten seit einer Reihe von Jahren fast ununterbrochen<br />
steigen, hat sich die Außenhandelsverflechtung erheblich erhöht<br />
(Tab. 5.8). Dabei war durchgehend ein deutlicher Exportüberschuß<br />
zu verzeichnen. Zusätzlich muß berücksichtigt werden, daß die Abhängigkeit<br />
von ausländischen Abnehmern noch stärker ist als durch die Exportquote<br />
ersichtlich, da ein Gutteil der elektrotechnischen Produktion Bestandteil<br />
von weiterverarbeiteten Erzeugnissen wird <strong>und</strong> deshalb zu den<br />
sogenannten indirekten Ausfuhren zählt.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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Die Ein- <strong>und</strong> Ausfuhrquoten der einzelnen Erzeugnisbereiche sind sehr<br />
unterschiedlich. Hohe Exportanteile zeigen sich vor allem bei den Bauelementen<br />
der Elektronik (1981: 92,9 %) <strong>und</strong> der Unterhaltungselektronik<br />
(1981: 61,3 %). Geringe Ausfuhranteile wiesen die Nachrichtentechnik<br />
<strong>und</strong> die Kfz-Elektronik auf (1981 jeweils 30 %). Die stärksten Wachstumsraten<br />
bei den Exporten lagen im Bereich der Schwachstrom-Investitionsgüter.<br />
Die Frage, ob tatsächlich, wie etwa vom BDI (1979) angedeutet,<br />
eine positive Korrelation zwischen der Höhe der Ausfuhrquoten bestimmter<br />
Warenklassen <strong>und</strong> der jeweiligen FuE-Quote besteht, kann allerdings<br />
angesichts des hohen Aggregationsniveaus, auf dem die Daten über FuE-<br />
Ausgaben vorliegen, nicht entschieden werden.<br />
5.7 Produktionsfaktoren in der Elektroindustrie<br />
Sofern man in Anbetracht der heterogenen Produktionsstruktur der Elektroindustrie<br />
überhaupt von einer Branche sprechen kann, gilt diese als re-<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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lativ arbeitsintensiv. Betrachtet man den Anteil der Löhne <strong>und</strong> Gehälter<br />
am Produktionswert, so liegt dieser in der Elektroindustrie fast so hoch<br />
wie im Maschinenbau (Tab. 5.9). 19<br />
Tab. 5.9:<br />
Anteil der Löhne am Produktionswert in ausgewählten Industriezweigen<br />
(1987 - in Prozent)<br />
Elektrotechnik inkl. Rep. von elektrotech. Haushaltsgeräten 27,16<br />
Maschinenbau 28,75<br />
Straßenfahrzeugbau, Reparaturen von Kfz. usw. 20,31<br />
Chemische Industrie 18,77<br />
Durchschnitt des Verarbeitenden Gewerbes 21,19<br />
Quelle: Ifo 1988<br />
Die Kapitalintensität der Elektroindustrie, also das Brutto-Anlagevermögen<br />
je Beschäftigten, liegt seit 1970 unter dem Durchschnitt des Verarbeitenden<br />
Gewerbes, aber auch unter dem Durchschnitt der Chemieindustrie,<br />
der Automobilindustrie <strong>und</strong> des Maschinenbaus. Die Kapitalintensität war<br />
1986 in der Elektroindustrie nahezu auf dem gleichen Niveau wie im Maschinenbau,<br />
erst 1987 stieg der Wert leicht über den des Maschinenbaus<br />
(Tab. 5.10).<br />
Allerdings sind auch in dieser Frage weitere Differenzierungen notwendig,<br />
da die Elektroindustrie ein sehr breit gefächertes Produktionsprogramm<br />
aufweist. Je nach markt- <strong>und</strong> produktionsökonomischen Anforderungen<br />
<strong>und</strong> je nach Stand der Technik sind Kapital-, Material- <strong>und</strong> Lohnintensität<br />
der elektrotechnischen Produktion höchst unterschiedlich. Die Jahresproduktion<br />
je Beschäftigten, 20<br />
die vom ZVEI für die einzelnen Güterklassen<br />
19 Für 1987 gibt der ZVEI folgende Werte an (Arbeitslöhne <strong>und</strong> Gehälter bezogen<br />
auf 1.000 DM Produktionswert): Elektroindustrie DM 299, Maschinenbau<br />
DM 288 (ZVEI 1988).<br />
20 Zur Definition der "Jahresproduktion je Beschäftigten" vgl. auch Berger 1984, S.<br />
48.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
der Produktionsstatistik erhoben wird, ist, unterstellt man wie üblich eine<br />
enge (Wechsel-)Beziehung von Lohn- <strong>und</strong> Kapitalintensität, eine Maßzahl,<br />
die Aufschluß über den Produktivitätsfortschritt unterschiedlicher Segmente<br />
der Elektroindustrie geben kann. Im Jahre 1987 wurde die höchste<br />
Produktion je Beschäftigten 21<br />
in Konsumgüterbereichen bzw. in Bereichen,<br />
die ohne großen technologischen Aufwand oder mit Methoden der<br />
Massenproduktion produzieren können, erzielt. Investitionsgüter liegen in<br />
der Regel unterhalb des Durchschnitts; die Ausnahme von dieser Regel<br />
stellen solche Produkte dar, die in großen Serien aufgelegt werden; zu<br />
nennen ist hier vor allem die Automobilelektronik. Forschungs- <strong>und</strong> entwicklungsintensive<br />
Bereiche weisen wiederum, wenn in ihnen keine hohen<br />
Stückzahlen produziert werden, vergleichsweise niedrige Produktionswerte<br />
pro Beschäftigten aus. Dies dürfte daran liegen, daß die Arbeitsleistung<br />
21 Das Statistische B<strong>und</strong>esamt unterscheidet zusätzlich noch zwischen dem Produktionsergebnis<br />
je Arbeiter <strong>und</strong> je Arbeiterst<strong>und</strong>e" <strong>und</strong> dem "Produktionsergebnis<br />
je Beschäftigten <strong>und</strong> je Beschäftigtenst<strong>und</strong>e" (vgl. Statistisches B<strong>und</strong>esamt<br />
1988, S. 185 f.).<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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der FuE-Abteilungen mindestens teilweise direkt in die Berechnung dieser<br />
Kategorie eingeht. 22<br />
Die Entwicklung der Jahresproduktion je Beschäftigten kann jedoch nur<br />
zu einer groben Orientierung bezüglich der Produktivitätsentwicklung der<br />
Elektroindustrie <strong>und</strong> ihrer Unterabteilungen beitragen. Die marktökonomischen<br />
Bedingungen einer Subbranche schlagen insofern auf die Produktionsbedingungen<br />
durch, als sich in Bereichen mit starkem Marktwachstum<br />
<strong>und</strong> entsprechender Produktionsausweitung auch der höchste Produktivitätsfortschritt<br />
je Beschäftigten feststellen läßt. Seit Mitte der 70er Jahre<br />
sind insbesondere Meß- <strong>und</strong> Regeltechnik, Nachrichtentechnik <strong>und</strong> elektrische<br />
Kfz-Ausrüstungen zu nennen, Subbranchen der Elektroindustrie<br />
also, die von der Miniaturisierung elektronischer Bauelemente stark profitieren<br />
<strong>und</strong> die eine enge Verbindung von Produkt- <strong>und</strong> Prozeßinnovation<br />
aufweisen.<br />
5.8 Branchenwirtschaftliche Entwicklung<br />
Krisentheoretische Überlegungen zum Zusammenhang von ökonomischer<br />
<strong>und</strong> technologischer Entwicklung haben wir bislang vernachlässigt. Gleichwohl<br />
kann kein Zweifel darüber bestehen, daß eine Beziehung zwischen<br />
der allgemeinen zyklischen Bewegung der Konjunktur <strong>und</strong> bestimmten<br />
Entwicklungsschritten der <strong>Technikentwicklung</strong> besteht. Wie eng diese tatsächlich<br />
ist <strong>und</strong> in welchem Maße langfristige ökonomische Entwicklungen<br />
einerseits ("lange Wellen") oder kurzfristige konjunkturelle Schwankungen<br />
andererseits den technischen Wandel beeinflussen, ist nach unserem Eindruck<br />
in der ökonomischen Literatur theoretisch einstweilen noch offen<br />
<strong>und</strong> empirisch erst in Ansätzen erforscht (vgl. Mensch 1977; Dosi u.a.<br />
1988; Blackburn u.a. 1985; Kleinknecht 1984)/ 5<br />
22 Dies gilt wohl vor allem für die Bauelemente, die Nachrichtentechnik <strong>und</strong> die<br />
Einrichtungen zur Elektrizitätserzeugung <strong>und</strong> -Umwandlung; vgl. Berger 1984, S.<br />
48; ZVEI1988; Tab. 15).<br />
23 Auch in Techniksoziologie <strong>und</strong> Technikgeschichte dominieren Ansätze, die<br />
gleichsam evolutionstheoretisch bestimmte <strong>Technikentwicklung</strong>en aus den<br />
(wechselnden) K<strong>und</strong>enpräferenzen erklären ("demand pull"). Seltener (dafür<br />
aber um so überzeugender) sind Versuche, bestimmte Entwicklungen der Technik<br />
aus den Vorteilen für ihre Hersteller zu erklären (vgl. den Aufsatz von Cowan-Schwartz<br />
mit dem schönen Titel: How the refrigerator got its hum, 1985).<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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Fragen dieser Art waren nicht Gegenstand unserer Untersuchung. Uns<br />
ging es vielmehr um die Klärung des Zusammenhangs von allgemeinen<br />
ökonomischen Entwicklungen <strong>und</strong> organisationsstrukturellen Veränderungen,<br />
die auf eine Stärkung innovativer Potentiale der Unternehmens<br />
zielen. Wie sich im weiteren Durchgang durch die von uns unter diesem<br />
Gesichtspunkt erarbeitete Branchenanalyse der Elektro- <strong>und</strong> Elektronikindustrie<br />
zeigen wird, besteht ein Zusammenhang zwischen konjunkturellen<br />
Krisen <strong>und</strong> Veränderungen der Ressourcenausstattung von FuE-Abteilungen.<br />
Konzentriert man sich auf die Entwicklung der Branche insgesamt,<br />
so lassen sich beispielsweise für die beiden sogenannten "Ölkrisen"<br />
1974/75 <strong>und</strong> 1980/81 Wachstumsrückgänge bei der finanziellen Ausstattung<br />
von FuE-Abteilungen feststellen; verglichen mit dem absoluten <strong>und</strong><br />
relativen Sinken der Aufwendungen für Investitionen nehmen sich diese<br />
jedoch eher bescheiden aus (s. Abschnitt 6.4; Tab. 6.S). 24<br />
Aufgr<strong>und</strong> des<br />
uns vorhegenden Materials gehen wir jedoch davon aus, daß sich die im<br />
Zuge ökonomischer Krisen bzw. weltweit nur schwacher Wachstumsdynamik<br />
verschärfenden Konkurrenzbedingungen in einer Forcierung derjenigen<br />
Anstrengungen der Unternehmen niederschlagen, die zur Beschleunigung<br />
des wissenschaftlich-technischen Wandels führen.<br />
In den Jahren 1981 <strong>und</strong> 1982 erlebte die Elektrotechnische Industrie einen<br />
konjunkturellen Einbruch, der sich unter anderem in einem Rückgang der<br />
Beschäftigtenzahl <strong>und</strong> einer sinkenden Produktion bemerkbar machte.<br />
Seit 1983 verzeichnet sie einen neuen Investitionsschub, der sich in steigenden<br />
Wachstumsraten bei den Brutto-Anlageinvestitionen niederschlägt<br />
(Tab. 5.11). Gleichzeitig stieg die Investitionsquote zwischen 1981 <strong>und</strong><br />
1987 von 3,8 % auf 6,1 % an <strong>und</strong> lag ab 1984 erstmals seit 1970 über dem<br />
Durchschnitt des Verarbeitenden Gewerbes. Bezieht man die Investitionsentwicklung<br />
der EDV-Industrie mit ein, die allerdings nur gemeinsam mit<br />
der Büromaschinen-Industrie ausgewiesen ist, so wird die Wachstumsdynamik<br />
der Elektroindustrie noch deutlicher.<br />
24 Anhand der krisenhaften Entwicklung der AEG läßt sich zeigen, daß die Krise<br />
eines Unternehmens stark auf dessen Ressourcenverteilung durchschlagen kann,<br />
zumindest wenn man sich an die absoluten Zahlen hält. Analysiert man jedoch<br />
das Verhältnis der diversen Aufwendungen zur Zukunftssicherung, so läßt sich<br />
auch in diesem Fall unsere These eines absoluten <strong>und</strong> relativen Bedeutungszuwachses<br />
der FuE-Abteilungen aufrechterhalten (vgl. die Geschäftsberichte von<br />
AEG).<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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Zwar zeigten die Umsatzzahlen auch nach 1987 leicht nach oben, insgesamt<br />
blieb die Entwicklung jedoch deutlich hinter den Erwartungen zurück<br />
(Abb. 5.5).<br />
"Die von den Wechselkursen ausgehende Unsicherheit im Außenhandel<br />
hatte im 1. Halbjahr (1987) auch auf den Auftragseingang aus dem Inland<br />
übergegriffen. Die Besserung im 2. Halbjahr reicht nicht aus, um die anfängliche<br />
Schwäche voll auszugleichen. Der Branchenaufschwung, der 1983<br />
technologie-induziert begonnen <strong>und</strong> 1985 seinen Höhepunkt erreicht hatte,<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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kam in seinem fünften Jahr zum Stillstand. Erstmals seit langem blieb damit<br />
die Produktionsentwicklung in der Elektrobranche unter dem gesamtwirtschaftlichen<br />
Wachstum" (Commerzbank Branchen-Bericht K35, S. 1).<br />
Differenziert man die Elektroindustrie nach einzelnen Subbranchen, ergibt<br />
sich ein sehr heterogenes Bild, das einen Zusammenhang zwischen<br />
Wachstumsraten <strong>und</strong> Investitionsquote erkennen läßt. Die vorhegenden<br />
Zahlen unterstreichen den überdurchschnittlichen Investitionsaufwand bei<br />
den Bauelementen <strong>und</strong> den elektrotechnischen Ausrüstungen für Kraftfahrzeuge.<br />
Relativ niedrige Quoten zeigen sich bei den elektrotechnischen<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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Gebrauchsgütern, die seit geraumer Zeit nur unterdurchschnittlich zum<br />
Wachstum der Branche beigetragen haben (Tab. 5.12).<br />
Die auf Branchenebene erhobenen Brutto-Anlageinvestitionen geben freilich<br />
nur einen beschränkten Einblick in die Investitionsaktivitäten der Unternehmen.<br />
"Brutto-Anlageinvestitionen beziffern den Wert der Bruttozugänge auf betriebliche<br />
Sachanlagekonten während des Geschäftsjahres ohne MWSt,<br />
aber einschließlich der Investitionssteuer. (...) Eingeschlossen sind selbsterstellte<br />
Anlagen, aktivierte Großreparaturen <strong>und</strong> Anschaffungen geringwertiger<br />
Wirtschaftsgüter mit Anlagecharakter. Dagegen ist der Erwerb<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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von unbebauten Gr<strong>und</strong>stücken, betrieblichen Wohnungsbauten, gebrauchten<br />
Anlagen <strong>und</strong> der Zukaut ganzer Betriebe oder Investitionen in<br />
Zweigniederlassungen im Ausland nicht enthalten; desgleichen der Erwerb<br />
von Beteiligungen, Wertpapieren, Konzessionen, Patenten, Lizenzen <strong>und</strong><br />
Finanzanlagen" (Görzig u.a. 1987; Hervorhebungen von uns - DB/GM).<br />
Die Angaben über Brutto-Anlageinvestitionen auf Branchenebene sparen<br />
damit jene Bereiche an Direktinvestitionen im Ausland aus, die gerade in<br />
jüngster Zeit aus strategischen Gründen getätigt werden, nicht zuletzt um<br />
Zugang zu neuen Technologien zu erhalten (s. Kapitel 9). Dagegen läßt<br />
sich auf der Ebene eines multinationalen Konzerns wie Siemens durchaus<br />
eine Unterscheidung in Sachanlage- <strong>und</strong> Beteiligungsinvestitionen durchführen.<br />
Die letzteren erfuhren vom Geschäftsjahr 1983/84 (200 Mio. DM)<br />
über 1984/85 (500 Mio. DM) bis 1986/87 (1,5 Mrd. DM) einen starken<br />
Anstieg; fielen 1986/87 auf 600 Mio. DM, um 1987/88 - bei einem insgesamt<br />
leicht verringertem Investitionsvolumen - auf 1,1 Mrd. DM zu steigen<br />
(s. auch Abschnitt 6.4). Die aktuell zu beobachtende Zunahme an transnationalen<br />
Kooperationen, Akquisitionen <strong>und</strong> Fusionen ist unter anderem<br />
im Zusammenhang mit der Vorbereitung (nicht nur) von Siemens auf den<br />
Europäischen Binnenmarkt 1992 zu sehen (Siemens-Geschäftsbericht<br />
1988; s. Kapitel 9). Darin drückt sich der Umstand aus, daß die kapitalintensive<br />
Fertigung <strong>und</strong> die hohen Forschungsaufwendungen durch nationale<br />
Absatzstrategien nicht mehr zu amortisieren sind.<br />
Konzentriert man sich bei der Betrachtung der Investitionstätigkeit auf<br />
den Bereich der Bauelemente, der wegen seiner hohen technologischen<br />
Bedeutung für die ökonomische Entwicklung der Elektroindustrie (<strong>und</strong><br />
die anderer Branchen) einen Schwerpunkt der Investitionstätigkeit darstellt<br />
(s. Abschnitt 5.3.1), ergibt sich nebenstehendes Bild (Tab. 5.13).<br />
Bemerkenswert ist, daß, hält man sich an die Geschäftsberichte von Siemens,<br />
im Bereich Bauelemente hohe, nicht exakt ausgewiesene Verluste<br />
erzielt wurden (mit Ausnahme der Geschäftsjahre 1984-1985). Ausdrücklich<br />
bekennt sich Siemens im Bauelemente-Sektor zu einer strategisch angelegten,<br />
antizyklischen Investitionspolitik:<br />
"Wir werden unsere Strategie fortsetzen, unabhängig von der aktuellen<br />
Konjunktur auf Wachstumsgebieten wesentliche Beiträge zum technischen<br />
Fortschritt zu leisten" (Siemens-Geschäftsbericht 1986, S. 16).<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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Tab. 5.13:<br />
Investitionsquoten in der Subbranche Bauelemente (in Prozent)<br />
1983 1984 1985 1986 1987 1988<br />
Elektrotechn. Industrie 7,8 11,2 21,0 34,1 25,2 -<br />
Siemens* 17,2 28,3 46,8 33,8 19,7<br />
* Geschäftsjahre 1983/84 - 1987/88 (jeweils 1.10.-30.9.)<br />
Quellen: Ifo-Investitionstest, jährliche Erhebungen (mitgeteilt auf Anfrage); Siemens aktuell,<br />
jeweils laufende Ausgaben<br />
Der starke Rückgang der Investitionstätigkeit im Bauelementesektor im<br />
Geschäftsjahr 86/87 gegenüber 85/86 steht dazu nicht im Widerspruch,<br />
sondern ist auf die Fertigstellung der neuen Halbleiter-Fabrik in Regensburg<br />
zurückzuführen (Siemens-Geschäftsbericht 1987, S. 16). Aufgr<strong>und</strong><br />
der bei Halbleitern <strong>und</strong> passiven Bauelementen auch künftig erheblich ansteigenden<br />
Entwicklungsvorleistungen <strong>und</strong> Investitionen im Fertigungsbereich<br />
sind in diesem Sektor verstärkt Entwicklungskooperationen <strong>und</strong> sonstige<br />
Formen der unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit zu erwarten.<br />
Bei den Investitionsausgaben dominiert in relevanten Teilen der Elektroindustrie<br />
derzeit das Motiv der Kapazitätserweiterung.<br />
"Dies gilt aber keineswegs für alle Bereiche, sondern in erster Linie für die<br />
Wachstumsträger (Nachrichtentechnik, Meß- <strong>und</strong> Regeltechnik sowie<br />
Bauelemente). Dagegen nennen die Hersteller von Transformatoren, Geräten<br />
der Unterhaltungselektronik sowie Leuchten <strong>und</strong> Lampen fast ausschließlich<br />
Rationalisierungsüberlegungen als Motiv ihrer Investitionsanstrengungen.<br />
Diese unterschiedlichen Beweggründe sind durchaus ein Indiz<br />
für den strukturellen Wandel in der Elektrotechnik" (Hypo-Bank 1987,<br />
S. 13).<br />
Es gehört zu den Besonderheiten der Elektroindustrie, ihre Investitionen<br />
in hohem Maße für die Einführung von neuen Produktionsmethoden zu<br />
nutzen. Während etwa zwei Drittel der Investitionsgüterproduzenten <strong>und</strong><br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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etwa 50 % der Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes als Zweck ihrer<br />
Investitionstätigkeit die Beschaffung moderner Produktionsanlagen<br />
nennen, führen diesen Gr<strong>und</strong> mehr als 80 % der Elektrounternehmen an<br />
(vgl. Hypo-Bank 1987, S. 13). Besonders deutlich kommt dieses Investitionsmotiv<br />
bei den Bauelementeherstellern zum Tragen, die mehr als 20 %<br />
ihres Umsatzes in neue Produktionsanlagen investieren <strong>und</strong> deren Investitionsniveau<br />
deutlich über dem Durchschnitt der Elektroindustrie Hegt.<br />
Nicht zu Unrecht gilt die Bauelementeproduktion als Herzstück des technischen<br />
Wandels in der Elektrotechnik. Vermutet werden kann somit, daß<br />
der Einsatz neuer Produktionsmethoden in der Elektrotechnischen Industrie<br />
in vielen Fällen durch die branchenspezifisch hohe Rate von Produktinnovationen<br />
bedingt wird (Verknüpfung von Produkt- <strong>und</strong> Prozessinnovation).<br />
25<br />
Dieser Zusammenhang wird auch in den Selbstdarstellungen der<br />
Unternehmen immer wieder betont, wie die beiden folgenden Zitate belegen.<br />
"Die Herstellung neuentwickelter, technisch höchst anspruchsvoller Produkte,<br />
wie Mega-Chips oder Glasfasern, erfordert immer häufiger auch<br />
den Bau ganz neuartiger Fabrikationsstätten. So entfiel diesmal auf den<br />
Investitionszweck "Neue Produkte" ein Drittel der Sachanlagenzugänge.<br />
(...) Vor fünf Jahren hatte ihr Anteil noch ein Fünftel betragen" (Siemens-<br />
Geschäftsbericht 1986, S. 2, S. 7).<br />
"Es geht nicht nur um die fertigungstechnische Bewältigung immer kürzerer<br />
Innovationszyklen bei neuen Produkten, die erfordert, daß fertigungstechnische<br />
Entwicklungen gleichzeitig mit der eigentlichen Produktentwicklung<br />
einsetzen, es geht auch um die hohe Komplexität der neuen Produkte.<br />
(...) Nicht selten werden aus fertigungstechnischen Gründen für<br />
neue Produkte gleich auch ganz neue Fabriken gebaut. Das Projekt<br />
MEGA für die Megabit-Chip-Herstellung sei als ein Beispiel dafür genannt"<br />
(ebd., S. 43).<br />
Zurück zur branchenwirtschaftlichen Entwicklung. Betrachten wir nach<br />
den Investitionen den Produktionsverlauf. Auch die Ausweitung der Produktion<br />
in der Elektroindustrie übertraf in den letzten Jahren das gesamtindustrielle<br />
Produktionswachstum erheblich. In allen Fünf-Jahres-<br />
25 Hatten für den Zeitraum von 1972-74 67 % der Unternehmen der Elektrotechnischen<br />
Industrie ihre Anlageinvestitionen auch für die Einführung neuer Produktions-<br />
<strong>und</strong> Verfahrenstechniken eingesetzt, betrug dieser Anteil in den Jahren<br />
1982-86 80 %. Im Durchschnitt des Verarbeitenden Gewerbes erhöhte sich<br />
dieser Anteil nur von 37 % auf 58 % (Gerstenberger u.a. 1988).<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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Zeiträumen seit 1968 liegt die durchschnittliche Wachstumsquote der<br />
Elektrotechnik deutlich über derjenigen des Verarbeitenden Gewerbes<br />
(Abb. 5.6). Dies gilt auch für Perioden, in denen konjunkturelle Einbrüche<br />
zu verzeichnen waren.<br />
Vor allem die Entwicklung in den Bereichen der Investionsgüter <strong>und</strong> der<br />
Bauelemente hat wesentlich zu diesem Ergebnis beigetragen. Hinter dem<br />
unterdurchschnittlichen Wachstum bei den Gebrauchsgütern verbirgt sich<br />
eine divergierende Spartenentwicklung, wobei vor allem die Sparte Unterhaltungselektronik<br />
relativ ungünstig abschneidet. Allerdings war 1987 insgesamt<br />
ein deutlicher Rückgang der Wachstumsrate zu beobachten (Abb.<br />
5.7).<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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Ebenso dynamisch wie der Produktionszuwachs verlief seit 1983 die Expansion<br />
des Umsatzes. Der Anteil der Elektrotechnik (inkl. EDV) am<br />
Umsatz der Gesamtindustrie erhöhte sich bis 1986 auf über 11 %. Die<br />
jährlichen Steigerungsraten hegen seit 1981 deutlich über denen des Verarbeitenden<br />
Gewerbes (vgl. Görzig u.a. 1987).<br />
Die beschleunigte Wachstumsdynamik der Elektrotechnischen Industrie<br />
spiegelt sich im Anstieg des Rentabilitätsniveaus wider. Mit dem Anteil<br />
des Jahresüberschusses am Umsatz bzw. am Rohertrag stehen Kennziffern<br />
zur Entwicklung der Rentabilität zur Verfügung. Hält man sich an diese<br />
Indikatoren, so hat sich das Rentabilitätsniveau in der Elektrotechnischen<br />
Industrie seit 1982 deutlich verbessert (Abb. 5.8). So stieg z.B. die Umsatzrendite<br />
von unter 2 % im Jahre 1982 auf mehr als 3 % im Jahre 1986. Damit<br />
Hegt die Elektrotechnik über dem Gewinniveau des Verarbeitenden<br />
Gewerbes (Tab. 5.14).<br />
Tab. 5.14:<br />
Rentabilität in der Elektrotechnischen Industrie <strong>und</strong> im Verarbeitenden<br />
Gewerbe<br />
Elektroindustrie 1970 1983 1985 1986<br />
Jahresüberschuß<br />
in % des Umsatzes 4,7 2,4 3,0 3,1<br />
Jahresüberschuß<br />
in % des Rohertrages - 4,3 5,8 5,8<br />
Verarbeitendes Gewerbe 1970 1983 1985 1986<br />
Jahresüberschuß<br />
in % des Umsatzes 3,9 1,8 2,3 2,5<br />
Jahresüberschuß<br />
in % des Rohertrages - 4,1 5,3 5,4<br />
Quelle: Monatsberichte der Deutschen B<strong>und</strong>esbank, laufende Jahrgänge<br />
Trotz der insgesamt relativ günstigen Branchenentwicklung, die sich allerdings<br />
nur sehr vermittelt in den Beschäftigtenzahlen widerspiegelt, gibt es<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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zahlreiche Anhaltspunkte dafür, daß vor allem bei den Elektronik- <strong>und</strong><br />
Computerproduzenten einige Wolken am Konjunkturhimmel aufgezogen<br />
sind, die zwar noch nicht auf eine "große Krise" hindeuten, die aber als<br />
Auslöser für mehr oder weniger umfangreiche Restrukturierungen bei den<br />
betreffenden Unternehmen angesehen werden können. Auf nationaler<br />
Ebene: Gewinnrückgänge (in den Geschäftsjahren 1985/86 <strong>und</strong> 1986/87)<br />
<strong>und</strong> Dividendenkürzung (1988) bei der Siemens AG, Umsatzrückgänge bei<br />
IBM Deutschland (1987), der Niedergang der Nixdorf AG, Verluste in bestimmten<br />
Unternehmensteilen bei SEL; auf internationaler Ebene: finanzielle<br />
Verluste bei Norsk Data (1988) <strong>und</strong> Olivetti (1989) oder die Krise<br />
des Philips-Konzern. In all diesen Fällen reagierte das Management mit<br />
strategischen <strong>und</strong> operativen Maßnahmen, die mit einschneidenden Veränderungen<br />
in den Organisationsstrukturen <strong>und</strong> den Arbeitsbedingungen<br />
der jeweiligen Unternehmen verb<strong>und</strong>en sind (s. Teil D).<br />
5.9 Beschäftigungs- <strong>und</strong> Qualifikationsstruktur<br />
Die Daten der amtlichen Statistik zur Beschäftigten- <strong>und</strong> Qualifikationsstruktur<br />
geben erste Hinweise auf die Expansion des wissenschaftlichtechnischen<br />
Potentials der Elektrotechnischen Industrie. 26<br />
So läßt sich<br />
feststellen, daß - analog zur Entwicklung im gesamten Verarbeitenden<br />
Gewerbe - auch in der Elektroindustrie seit mehr als drei Jahrzehnten<br />
eine Verschiebung in der Beschäftigtenstruktur zugunsten der Angestellten<br />
zu beobachten ist. Diese Tendenz ist im Bereich Büromaschinen <strong>und</strong><br />
Datentechnik sogar noch deutlicher (Tab. 5.15).<br />
Eine Differenzierung innerhalb der Gruppe der Angestellten ist jedoch<br />
seit 1974 nicht mehr möglich, da die für die Beschäftigtenstruktur maßgebende<br />
Statistik "Beschäftigte nach der Stellung im Betrieb" vom Statistischen<br />
B<strong>und</strong>esamt nicht mehr erhoben wurde. Die zuletzt verfügbaren Daten<br />
für die Jahre 1970 bis 1974 lassen erkennen, daß der Anteil der technischen<br />
Angestellten rascher anstieg als der der kaufmännischen - <strong>und</strong> Verwaltungsangestellten.<br />
Das Beispiel Siemens macht die Annahme plausibel,<br />
26 Auf den Umfang <strong>und</strong> die Struktur des FuE-Personals wird im nächsten Kapitel<br />
eingegangen.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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daß sich dieser Trend auch während der 80er Jahre fortgesetzt hat (Tab.<br />
5.16).<br />
Mit ihrem hohen Angestelltenanteil an den Beschäftigten hegt die Elektroindustrie<br />
(inkl. EDV) deutlich über dem Durchschnitt des Verarbeitenden<br />
Gewerbes (Tab. 5.17).<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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Tab. 5.17:<br />
Anteil der Angestellten an den Beschäftigten in der Elektroindustrie <strong>und</strong> im<br />
Verarbeitenden Gewerbe (in Prozent)<br />
1970 1976 1982 1987<br />
Verarbeitendes<br />
Gewerbe 24,8 28,7 30,3 31,4<br />
Elektrotechnische<br />
Industrie<br />
(inkl. ADV)<br />
30,0 36,2 39,4 40,9<br />
Quelle: ZVEI, Statistische Berichte<br />
Als Indiz für das relativ große Innovationspotential der Elektrotechnischen<br />
Industrie kann darüber hinaus die Tatsache gelten, daß dort allein<br />
der Anteil der Universitäts- <strong>und</strong> Fachhochschulabsolventen an der Gesamtbeschäftigtenzahl<br />
(gemäß dem nach dem Umsatz gewichteten Branchendurchschnitt)<br />
fast so hoch ist wie der Angestelltenanteil an den Beschäftigten<br />
des Verarbeitenden Gewerbes insgesamt (Tab. 5.18).<br />
Tab. 5.18:<br />
Anteil der Universitäts- <strong>und</strong> Fachhochschulabsolventen an den Beschäftigten<br />
in der Elektroindustrie (in Prozent)<br />
1982 1984 1986<br />
einfacher Durchschnitt* 17,7 18,7 19,7<br />
gewichteter Durchschnitt** 28,5 25,5 29,5<br />
* Durchschnitt aller Unternehmen<br />
** nach Umsatz gewichteter Durchschnitt<br />
Quelle: Angaben des ZVEI auf Anfrage<br />
Verfügt die Elektrotechnische Industrie somit über einen gemessen am<br />
Verarbeitenden Gewerbe überdurchschnittlich hohen Anteil an hochquali-<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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fizierten Beschäftigten, so steht dem ein überproportionaler Anteil von<br />
niedrig qualifizierten Beschäftigten gegenüber.<br />
"Der überproportionale Anteil der ungelernten Arbeitskräfte findet seine<br />
Erklärung in den umfangreichen Montagearbeiten insbesondere in der<br />
Massenproduktion des Konsumgüterbereichs. Die Überrepräsentation<br />
hochqualifizierter Arbeitskräfte hingegen hängt mit dem hohen Anteil an<br />
Angestellten <strong>und</strong> insbesondere an technisch Beschäftigten im Forschungs<strong>und</strong><br />
Entwicklungsbereich zusammen" (Benz-Overhage u.a. 1982, S. 90).<br />
Gleichwohl ist der Anteil der Facharbeiter an den gewerblichen Arbeitnehmern<br />
in der Elektroindustrie seit 1982 gestiegen bzw. - bei stärkerer<br />
Berücksichtigung der umsatzintensivsten Unternehmen - stabil geblieben<br />
(Tab. 5.19).<br />
Diese "gespaltene Qualifikationsstruktur" (Benz-Overhage u.a. 1982) spiegelt<br />
sich in der Lohn- <strong>und</strong> Gehaltsstruktur wider. Während die Arbeiterlöhne<br />
in der Elektroindustrie deutlich unter dem Durchschnitt der gesamten<br />
Industrie liegen, verhält es sich bei den Angestelltengehältern genau<br />
umgekehrt (vgl. ZVEI). Der Durchschnittsverdienst der weiblichen<br />
Beschäftigten (sowohl im Arbeiter- als auch im Angestelltenbereich) 27<br />
liegt dabei durchgängig jeweils unter dem der männlichen Arbeitskräfte.<br />
Tab. 5.19:<br />
Anteil der Facharbeiter an den gewerblichen Arbeitnehmern in der<br />
Elektroindustrie (in Prozent)<br />
1982 1984 1986<br />
einfacher Durchschnitt* 30,8 35,3 35,7<br />
gewichteter Durchschnitt** 37,4 35,9 37,8<br />
* Durchschnitt aller Unternehmen<br />
** nach Umsatz gewichteter Durchschnitt<br />
Quelle: Angaben des ZVEI auf Anfrage<br />
27 Zu Veränderungen in den Montagelinien der Elektroindustrie, in der traditionell<br />
Frauen Jedermannsarbeit übernommen haben, vgl. neuerdings Moldaschl<br />
1991.<br />
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6. Wissenschaftlich-technologisches Innovationspotential<br />
in der Elektro- <strong>und</strong> Elektronikindustrie<br />
6.1 Probleme des Umgangs mit dem vorliegenden statistischen<br />
Material<br />
Sofern Branchenanalysen der Frage nach dem Innovationspotential der<br />
Elektro- <strong>und</strong> Elektronikindustrie überhaupt nachgehen, vernachlässigen<br />
sie oft, daß die "facts and figures" über Entwicklungsaufwendungen <strong>und</strong><br />
-erträge zumeist auf Basis unausgewiesener <strong>und</strong> mitunter fragwürdiger<br />
Annahmen erstellt werden. Dies gilt auch für Versuche, anhand von einschlägigen<br />
Kennzahlen die Innovationspotentiale einzelner Länder oder<br />
Unternehmen miteinander zu vergleichen. Die unsichere Datenlage über<br />
jenes Feld gesellschaftlicher Produktion, in dem private Unternehmen<br />
gleichsam "Zukunftsvorsorge" betreiben, hat wohl etwas damit zu tun, daß<br />
diese sich insbesondere in diesem Bereich nicht gerne in die Karten<br />
schauen lassen: Sozialwissenschaftliche Erhebungen gewinnen hier deshalb<br />
leicht den Charakter von "Dunkelfeldforschung" (Hack, Hack 1985). Neben<br />
diesem Problem der Datenerfassung, das den Konkurrenzinteressen<br />
der Unternehmen geschuldet ist, gibt es noch einen weiteren, systematisch<br />
wichtigeren Gr<strong>und</strong>, der beim Umgang mit den einschlägigen Daten über<br />
Innovationspotentiale Vorsicht angezeigt sein läßt. Unter den Vorzeichen<br />
systemischer Rationalisierung ist weder der Aufwand noch der Ertrag von<br />
Innovationsanstrengungen eindeutig zuzuordnen: Zu viele Institutionen,<br />
Unternehmen, Abteilungen <strong>und</strong> Arbeitskräftetypen sind am Prozeß der<br />
Erzeugung neuer Produkt- <strong>und</strong> Prozeßtechnologien beteiligt. Aus diesen<br />
Gründen erschien es uns notwendig, der Analyse von Innovationspotentialen<br />
in der Elektro- <strong>und</strong> Elektronikindustrie eine Darstellung der dabei<br />
notwendig auftretenden Erhebungsprobleme vorauszuschicken.<br />
6.1.1 Die Erhebung des Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungsaufwandes (FuE-<br />
Input)<br />
Das Datenmaterial, das zur Analyse industrieller Innovationspotentiale<br />
zur Verfügung steht, entstammt meist der Lageberichterstattung von Un-<br />
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ternehmen (Geschäftsberichte, Bilanzen) <strong>und</strong> wird durch (freiwillige) Befragungen<br />
(SV-Wissenschaftsstatistik; Ifo-Innovationstest) oder aufgr<strong>und</strong><br />
von Meldungen entsprechend gesetzlicher Regelungen (B<strong>und</strong>esamt für<br />
Statistik, Deutsche B<strong>und</strong>esbank) ermittelt sowie im Bedarfsfall um Schätzungen<br />
ergänzt. Die Zahlen, die Auskunft über die Innovationspotentiale<br />
einzelner Wirtschaftssektoren geben sollen, werden fast ausschließlich von<br />
den Unternehmen produziert <strong>und</strong> unterliegen somit deren Kalkül. Ferner<br />
liegen die Daten häufig nur in hochaggregierter Form vor, <strong>und</strong> ihre Entstehung<br />
ist zumeist nur sehr schwer zu rekonstruieren. Dem ist - was oft<br />
genug unterlassen wird - bei der Interpretation dieser Daten Rechnung zu<br />
tragen.<br />
Üblicherweise basieren Analysen des Innovationspotentials von Unternehmen<br />
auf der Input-Messung der FuE-Kosten. Es werden dazu alle<br />
Aufwendungen erfaßt, die in solchen Unternehmenseinheiten anfallen,<br />
denen funktional vornehmlich Innovationsleistungen abverlangt werden.<br />
In der Regel sind das die Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungsabteilungen. Dieses<br />
Vorgehen basiert auf zwei impliziten Annahmen, die seine Verwendbarkeit<br />
für die Erstellung von Innovationskennziffern entscheidend einschränken.<br />
(a) Die erste Unterstellung besteht darin, daß das Volumen des festgestellten<br />
Mitteleinsatzes für FuE ein aussagekräftiges Maß für die Charakterisierung<br />
des Innovationspotentials von Unternehmen <strong>und</strong> Wirtschaftssektoren<br />
sei. Die mit der Durchführung von FuE-Aktivitäten verb<strong>und</strong>ene<br />
generelle Ergebnisunsicherheit sowie die Zeit- <strong>und</strong> Kostenunsicherheit,<br />
die von der Entwicklung über die angewandte Forschung bis hin zur<br />
Gr<strong>und</strong>lagenforschung zunehmen, lassen jedoch einen Rückschluß vom<br />
eingesetzten Mittelaufwand auf den Innovationserfolg nur bedingt zu.<br />
Darüber hinaus zeigt sich bei einem Blick in die Unternehmenspraxis eine<br />
weitere Unzulänglichkeit dieser Gleichsetzung. So reicht es für die Durchführung<br />
erfolgreicher Innovationsvorhaben keineswegs aus, nur die finanziellen<br />
Voraussetzungen für Investitionen zu schaffen. Technisches Knowhow<br />
<strong>und</strong> eine bereits bestehende Infrastruktur für entsprechende Forschungsaktivitäten<br />
sind ebenso wichtige Voraussetzungen wie der Aufbau<br />
eines Teams hochqualifizierter wissenschaftlich-technischer Arbeitskräfte<br />
<strong>und</strong> geeignete organisatorische Arrangements.<br />
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Diese Vorbedingungen verweisen darauf, daß nicht mit jedem behebigen<br />
Mitteleinsatz der erforderliche Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungsstandard erreicht<br />
werden kann. Mit anderen Worten: Selbst dann, wenn die Ausgaben<br />
für Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungstätigkeiten präzise erfaßt werden können,<br />
ermöglicht das noch keinen verläßlichen Leistungsvergleich. Das Problem<br />
mangelnder Vergleichbarkeit quantitativer Nenngrößen aufgr<strong>und</strong><br />
unterschiedlicher Qualität ergibt sich nicht nur auf Unternehmens- oder<br />
Branchenebene, sondern auch auf höheren Aggregationsstufen:<br />
"Bei Vergleichen zwischen Daten für einzelne Forschungsbereiche eines<br />
Landes oder bei internationalen Vergleichen ist zu berücksichtigen, daß<br />
eine solche Aufwandsstatistik Geldeinheit gleich Geldeinheit <strong>und</strong> Forschungsst<strong>und</strong>e<br />
gleich Forschungsst<strong>und</strong>e setzt, ohne Rücksicht auf die<br />
eventuelle unterschiedliche Ergiebigkeit in den einzelnen Bereichen. Diese<br />
Aussage ist Angelegenheit einer Output-Messung" (BMFT 1988, S. 343 f.).<br />
(b) Zahlenwerke, wie sie z.B. vom Stifterverband der deutschen Wissenschaft<br />
(im folgenden SV-Wissenschaftsstatistik genannt) vorgelegt werden,<br />
beruhen auf der Annahme, daß Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungsaktivitäten<br />
als solche eindeutig funktional zugeordnet werden können. Unterstellt<br />
wird also eine definierbare Bruchstelle zwischen Tätigkeiten in Forschungs-<br />
<strong>und</strong> Entwicklungsabteilungen <strong>und</strong> anderen Unternehmenseinheiten<br />
(Fertigung, Vertrieb usw.). Damit wird unter der Hand der Eindruck<br />
erweckt, innovative Aktivitäten ließen sich eindeutig dem Forschungs- <strong>und</strong><br />
Entwicklungsbereich zuordnen. Innerhalb der Unternehmen werden innovative<br />
Aufgaben jedoch weder allein von den FuE-Abteilungen ausgeführt,<br />
noch sind alle innerhalb des FuE-Bereichs angesiedelten Tätigkeiten innovativ.<br />
Die folgende Abbildung (6.1) macht außerdem deutlich, daß in Statistiken,<br />
die mit den im sogenannten Frascati-Handbuch der OECD gegebenen<br />
Definitionen arbeiten, nicht alle zu FuE gehörigen Arbeiten als solche<br />
ausgewiesen <strong>und</strong> dementsprechend berücksichtigt werden.<br />
"So kann z.B. der generelle Ausschluß aller Patent- <strong>und</strong> Lizenzarbeiten<br />
kaum gerechtfertigt werden, da erst durch sie in einigen Fällen die wirtschaftlichen<br />
Gr<strong>und</strong>lagen der Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungstätigkeit gelegt<br />
werden <strong>und</strong> sie unmittelbar mit diesen Aktivitäten verb<strong>und</strong>en sind"<br />
(Brockhoff 1988, S.27).<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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Ebenso schwierig wie die Differenzierung zwischen FuE <strong>und</strong> forschungsverwandten<br />
Tätigkeiten ist<br />
"die Abgrenzung der drei Elemente von FuE, der Gr<strong>und</strong>lagenforschung,<br />
der angewandten Forschung <strong>und</strong> der experimentellen Entwicklung.<br />
Gr<strong>und</strong>lagenforschung wird im Frascati-Handbuch 1980 als 'experimentelle<br />
oder theoretische Arbeit, die in erster Linie auf die Gewinnung neuer Erkenntnisse<br />
über den zugr<strong>und</strong>eliegenden Ursprung von Phänomenen <strong>und</strong><br />
beobachtbaren Tatsachen gerichtet ist, ohne auf eine besondere Anwendung<br />
oder Verwendung abzuzielen', definiert. In Fällen, in denen Gr<strong>und</strong>lagenforschung<br />
auf gewisse Bereiche allgemeinen Interesses abzielt oder an<br />
ihnen ausgerichtet ist, spricht man auch von 'anwendungsorientierter<br />
Gr<strong>und</strong>lagenforschung'. Es zeigt sich jedoch, daß zunehmend Forschungsaktivitäten<br />
auf der Grenze zwischen Gr<strong>und</strong>lagenforschung <strong>und</strong> angewandter<br />
Forschung liegen, was z.B. die Erhebung der Ausgaben für die Gr<strong>und</strong>lagenforschung<br />
erschwert" (BMFT 1988, S. 343).<br />
Damit sind auch schon einige der Schwächen der immerhin "halboffiziellen"<br />
Statistiken benannt, die begriffsdefinitorisch auf dem Frascati-Handbuch<br />
aufbauen <strong>und</strong> vom Stifterverband für die deutsche Wissenschaft erhoben<br />
werden (SV-Wissenschaftsstatistik). Eine Zusammenstellung wichtiger<br />
Probleme hat bereits vor mehr als zehn Jahren Majer vorlegt:<br />
"(1) Das Abgrenzungsproblem des Forschungsbegriffs von anderen (verwandten)<br />
Tätigkeiten, (2) die Abgrenzung zwischen den Forschungskategorien,<br />
(3) der große Interpretationsspielraum des Befragten bezüglich der<br />
Begriffe, (4) die ungenügende Definition des Forschungsinputs, (5) die<br />
mangelnde Berücksichtigung des Forschungsoutputs" (Majer 1978, S. 20).<br />
Neben diesen Einwänden gibt es Probleme der Repräsfentativität <strong>und</strong><br />
Meßgenauigkeit. Unterrepräsentiert sind beispielsweise Betriebe kleinerer<br />
<strong>und</strong> mittlerer Unternehmen (KMU), wenn auch die Genauigkeit der berücksichtigten<br />
Gr<strong>und</strong>gesamtheit seit 1979 durch die Abwicklung des Personalkostenzuschußprogramms<br />
(PKZ) für Forschung <strong>und</strong> Entwicklung in<br />
KMU verbessert wurde (vgl. Brockhoff 1988, S. 47 ff.; BMFT 1988, S. 343).<br />
Trotzdem bleiben weitere Kritikpunkte Majers nach wie vor gültig:<br />
"Die vorhandenen Daten beruhen zu einem maßgeblichen Teil auf Schätzungen.<br />
Eine Reihe von wichtigen Forschungsaktivitäten ist nicht erfaßt<br />
(Erhebungslücken)" (Majer 1978, S. 62).<br />
Das zur Verfügung stehende Zahlenmaterial ist also mit einigen Unsicherheiten<br />
behaftet. Da auch die eigentliche Gr<strong>und</strong>gesamtheit der For-<br />
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schung <strong>und</strong> Entwicklung betreibenden Unternehmen nicht bekannt ist,<br />
verfügt man nur über Näherungswerte. Diese erlauben es nur, sich Vorstellungen<br />
über die Größenordnungen für Personal- <strong>und</strong> Finanzaufwendungen<br />
in der industriellen Forschung <strong>und</strong> Entwicklung zu machen, deren<br />
Realitätsgehalt jedoch nur durch weitere intensive, vor allem auch die Unternehmen<br />
selbst einbeziehende, quantitative Analysen kalkulierbar wird.<br />
Neben der Klassifikation nach Wirtschaftszweigen werden in der SV-Statistik<br />
die FuE-Aufwendungen im Wirtschaftssektor auch nach Erzeugnisbereichen<br />
untergliedert. Doch auch diese Zusammenstellungen sind nicht<br />
übermäßig aussagekräftig, da:<br />
"nach dieser Gliederung nur die Aufwendungen im Unternehmen insgesamt<br />
unterteilt werden (können). Entsprechende Angaben für einzelne<br />
Ausgabearten, die Finanzierung oder gar für das in FuE beschäftigte Personal<br />
sind nicht möglich" (BMFT 1988, S. 345).<br />
Darüber hinaus sind derartige Statistiken für unsere Zwecke gleichsam "zu<br />
hoch" angesetzt, da sie den Rückschluß auf einzelne Produkte bzw. Produktsparten<br />
nicht erlauben. Wird der Informationsgehalt der SV-Statistik<br />
durch diese Besonderheiten schon sehr stark eingeschränkt, können auf<br />
ihrer Basis wichtige, uns interessierende Zusammenhänge nicht oder nur<br />
sehr vermittelt rekonstruiert werden. So lassen sich z.B. mit den weitgehend<br />
anonymisierten <strong>und</strong> pauschalisierten Daten sowie der unspezifischen<br />
Differenzierung nach Betriebsgrößenklassen Konzentrationsprozesse in<br />
bestimmten Industriezweigen nicht nachvollziehen. Zudem werden durch<br />
die stark verzögerte Veröffentlichungsweise der SV-Wissenschaftsstatistik<br />
- die vollständigen Zahlen für das Jahr 1985 hegen erst seit dem Herbst<br />
1988 vor - aktuelle Tendenzen der Forschungsaktivitäten nur mit Verspätung<br />
nachvollziehbar.<br />
Hofft man, den aufgezeigten Problemen durch die Berücksichtigung der<br />
Unternehmensberichterstattung über den Ressourceneinsatz in FuE entgehen<br />
zu können, tauchen sofort neue Schwierigkeiten auf. So weist<br />
Brockhoff (1988) darauf hin, daß dabei "selten laufende Ausgaben <strong>und</strong><br />
Ausgaben für Investitionen getrennt" veröffentlicht würden <strong>und</strong> daß "in<br />
mehreren Fällen im Lauf der Zeit die Abgrenzungskriterien gewechselt"<br />
hätten (S. 41). Außerdem wird mit einigem Recht geargwöhnt, daß von<br />
den Unternehmen selbst erstellte Verlautbarungen <strong>und</strong> Bilanzen eher der<br />
Außendarstellung denn der Information dienen ("impression management").<br />
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"Faßt man zusammen, so erkennt man, daß Daten über Forschungs- <strong>und</strong><br />
Entwicklungsaktivitäten bisher noch nicht auf der Gr<strong>und</strong>lage strenger,<br />
gleichmäßig angewandter Normen erhoben werden. Empirische Untersuchungen<br />
<strong>und</strong> insbesondere Vergleiche sind deshalb mit großer Vorsicht zu<br />
unternehmen" (Brockhoff 1988, S. 44).<br />
Trotz dieser gr<strong>und</strong>legenden Bedenken versucht Brockhoff, die vorliegenden<br />
Daten aufzubereiten <strong>und</strong> zu aussagekräftigeren Kennziffern umzuformen.<br />
Denn:<br />
"Ein bloßer Blick auf hohe nominale Wachstumsraten gibt keinen Aufschluß<br />
über das tatsächliche Wachstum der Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungsaufwendungen.<br />
Diese müssen sorgfältig in ihre Komponenten zerlegt<br />
werden" (ebd., S. 50).<br />
Diese Korrektur versucht er, durch die Errechnung eines Deflationsindexes<br />
zu erreichen, der die "Inputstruktur" von FuE angemessen berücksich-<br />
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tigen soll. Unter Zuhilfenahme dieses Indexes kann am Beispiel der FuE-<br />
Aufwendungen des Elektrokonzerns Bosch etwa gezeigt werden, daß die<br />
FuE-Aufwendungen zwischen 1971 <strong>und</strong> 1975 zwar nominal angestiegen<br />
sind, real jedoch geringfügig abnahmen (Abb. 6.2). Die Entwicklung zwischen<br />
1975 <strong>und</strong> 1985 ist dagegen durch Steigerungen in beiden Dimensionen<br />
gekennzeichnet. Obwohl das Wachstum der realen Aufwendungen<br />
recht deutlich hinter den nominalen Werten zurückbleibt, läßt sich doch<br />
eine erhebliche Steigerung erkennen, die für eine Bedeutungszunahme<br />
von FuE im Rahmen der Unternehmensaktivitäten spricht.<br />
Mittels der gängigen Input-Messungen der FuE-Aufwendungen eines Unternehmens,<br />
einer Branche oder eines Wirtschaftsraumes läßt sich also<br />
das Innovationspotential nur unzulänglich bestimmen. Weder sind ohne<br />
weiteres Vergleiche der unterschiedlichen Input-Größen (Personalaufwendungen,<br />
laufende Ausgaben, Investitionen) möglich, noch lassen sich<br />
bei derselben Meßzahl die Daten ohne Probleme kompatibel machen.<br />
Auch über das Verhältnis von Aufwand <strong>und</strong> Ertrag können Input-Maße<br />
wie die Zahl der in Forschung <strong>und</strong> Entwicklung Beschäftigten oder die<br />
Höhe der FuE-Aufwendungen nur bedingt etwas aussagen.<br />
6.1.2 Die Erhebung des Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungsertrages (FuE-<br />
Output)<br />
Ähnliche Einschränkungen müssen jedoch auch für die gängigen Maße zur<br />
Ermittlung des Outputs von Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungsabteilungen geltend<br />
gemacht werden. Es sind im wesentlichen drei Größen/Kategorien,<br />
von denen angenommen wird, daß sie zu dessen Erfassung geeignet sind:<br />
Patentaktivitäten,<br />
Patent- <strong>und</strong> Lizenzbilanzen <strong>und</strong><br />
Publikationsaktivitäten.<br />
Bei Patentaktivitäten unterscheidet man zwischen Patentanmeldungen<br />
<strong>und</strong> erteilten Patenten. Diese wiederum können nach Inlands- <strong>und</strong> Auslandsanteil<br />
differenziert werden. Alle Kennziffern, die sich aus diesen Kategorien<br />
ableiten lassen, haben jedoch den entscheidenden Nachteil, daß<br />
sie keine Aussagen über den technischen <strong>und</strong> wirtschaftlichen Wert der<br />
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Patente erlauben. Zudem werden insbesondere in Wachstumsbereichen<br />
der Elektroindustrie wie der Mikroelektronik längst nicht alle patentfähigen<br />
Innovationen auch zum Patent angemeldet, weil dies als der schnellste<br />
Weg angesehen wird, Wissen, das privater Verfügung unterhegt, öffentlich<br />
zu machen <strong>und</strong> so zu entwerten. 28<br />
Ein durchaus gebräuchliches Mittel im Innovationsprozeß ist der Patentbzw.<br />
Lizenzerwerb. 29<br />
Vergleicht man die sog. "science based industries"<br />
hinsichtlich ihrer Patent- <strong>und</strong> Lizenzbilanzen, fällt auf, daß die deutsche<br />
Chemieindustrie eher als die Elektroindustrie in der Lage ist, ausländische<br />
Unternehmen als Patent- <strong>und</strong> Lizenznehmer zu gewinnen. Immerhin halten<br />
sich hier Einnahmen <strong>und</strong> Ausgaben für Patente <strong>und</strong> Lizenzen in etwa<br />
die Waage. Die Lizenzbilanz der Elektrotechnischen Industrie (inkl. EDV-<br />
Bereich) weist hingegen chronisch hohe Negativsalden im Patent- <strong>und</strong> Lizenzverkehr<br />
mit dem Ausland auf. In den letzten Jahren hat sich der Saldobetrag<br />
stark der Milliardengrenze angenähert (vgl. Deutsche B<strong>und</strong>esbank,<br />
Mai 1988). Aus diesem Umstand könnte geschlossen werden, daß<br />
die Elektroindustrie stark vom Import technischen Know-hows durch Patent-<br />
<strong>und</strong> Lizenzerwerb abhängig sei.<br />
Diese auf den ersten Blick verw<strong>und</strong>erliche Aussage erklärt sich jedoch aus<br />
den Eigentumsverhältnissen innerhalb der Elektrotechnischen Industrie.<br />
IBM, Philips, BBC (jetzt ABB), SEL, Gr<strong>und</strong>ig <strong>und</strong> Hewlett-Packard sind<br />
deutsche Zweigniederlassungen internationaler Elektro- <strong>und</strong> Elektronik-<br />
Konzerne. Diese Konzernbestandteile, die zwar hierzulande ebenfalls Forschungs-<br />
<strong>und</strong> Entwicklungsabteilungen unterhalten, zahlen jedoch in der<br />
Regel Patent- <strong>und</strong> Lizenzgebühren an die Muttergesellschaften im Ausland.<br />
Diese tauchen zwar in den Veröffentlichungen der Unternehmen selten<br />
als solche auf, stellen aber ein gerne genutztes Instrument dar, hohe<br />
FuE-Aufwendungen von ausländischen Tochtergesellschaften finanzieren<br />
zu lassen. Entsprechend verfahren deutsche Unternehmen mit ihren aus-<br />
28 Dies gilt allerdings offenbar nicht in allen Fällen: "Wer eine wissenschaftliche<br />
Erkenntnis veröffentlicht, hat noch lange nicht das Know-how der Herstellung<br />
preisgegeben" (Danielmeyer, FuE-Chef bei Siemens, zitiert in High Tech<br />
12/1988, S. 111).<br />
29 Wir haben diese Form der Minimierung von Innovationsrisiken als externes organisatorisches<br />
Arrangement thematisiert (s. Kapitel 9), von dem wir annehmen,<br />
daß es in den letzten Jahren zunehmend an Gewicht gewonnenen hat.<br />
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ländischen Dependancen. Da also deutsche wie ausländische Großunternehmen<br />
jeweils Formen der FuE-Finanzierung bevorzugen, die für Einnahmen<br />
bei der Zentrale <strong>und</strong> Ausgaben bei den ausländischen Töchtern<br />
sorgen, kann dieser Indikator auf Landes- <strong>und</strong> Branchenebene wenig über<br />
das Leistungspotential von FuE-Abteilungen aussagen. Auf Unternehmensebene<br />
ist seine Aussagekraft insofern eingeschränkt, weil die Gebühren<br />
für vergangene Leistungen anfallen, sich der Leistungsstand der FuE-<br />
Abteilungen zwischenzeitlich aber ganz anders darstellen kann.<br />
Ähnliche Einwände, wie wir sie gegen Indikatoren, die auf Patentaktivitäten<br />
rekurrieren, geltend gemacht haben, müssen auch gegen die Bestimmung<br />
von Innovationspotentialen durch die statistische Erfassung von<br />
Publikationsaktivitäten vorgebracht werden. Zwar können Bibliometrie,<br />
Zitationsindices etc. zu einer groben Bestimmung der wissenschaftlichen<br />
Leistungsfähigkeit von Nationen beitragen. Es ist jedoch nicht möglich,<br />
aus der Anzahl von Publikationen oder der Zahl nachgewiesener Zitaten<br />
auf den wirtschaftlichen Ertrag oder das ökonomische Potential einer Invention<br />
zu schließen. Allerdings stellt die Teilnahme am wissenschaftlichen<br />
Diskurs für die Unternehmen insofern eine wichtige Ressource dar,<br />
als ihnen die frühzeitige Information über wissenschaftlich-technische<br />
Entwicklungen die Möglichkeit eröffnet, an der Gestaltung des technischen<br />
Wandels aktiv teilzunehmen. Zudem ist das Risiko, von technologischen<br />
Neuerungen überrollt zu werden, geringer, wenn man frühzeitig<br />
weiß, was die internationale Konkurrenz auf dem Gebiet der reinen oder<br />
anwendungsorientierten Gr<strong>und</strong>lagenforschung an strategisch relevanten<br />
Optionen zu produzieren vermag. Eine hohe Zahl von Publikationen oder<br />
von nachgewiesenen Zitaten erlaubt somit durchaus gewisse Rückschlüsse<br />
auf das Innovationspotential einer Unternehmung. 30<br />
Zu erwähnen ist schließlich noch ein vor allem in den Geschäftsberichten<br />
der Unternehmen bevorzugt präsentiertes Output-Maß: Der Umsatzan-<br />
30 Siemens beispielsweise gibt r<strong>und</strong> 12 % des Umsatzes für FuE aus, davon wiederum<br />
14 % für "Gr<strong>und</strong>lagenarbeiten", die das Know-how für "technologische<br />
Zukunftssicherung" bereitstellen sollen (Siemens, Geschäftsbericht 1987, S. 11).<br />
Die Teilnahme am wissenschaftlichen Diskurs durch Publikationen etc. hat für<br />
die Unternehmen den zusätzlichen Vorteil, durch die Reputation ihrer Forschung<br />
für gut qualifizierte Wissenschaftler attraktiv zu sein (man erinnere sich<br />
nur an die Diskussionen um die Wirkung der an IBM-Forscher verliehenen Nobelpreise<br />
für das Unternehmen).<br />
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teil, der mit Produkten erzielt wird, die in den letzten fünf oder zehn Jahren<br />
neu auf den Markt gebracht worden sind. Der Informationswert dieses<br />
wohl in erster Linie aus Imagegründen präsentierten Indikators ist freilich<br />
umstritten:<br />
"Die unreflektierte Hinnahme derartiger Belege macht die Innovationsdiskussion<br />
zu einem absurden Theater. Denn erstens verbirgt sich hinter (...)<br />
"neu" eine erhebliche definitorische Willkür darüber, was überhaupt innovativ<br />
ist - wer wagt es denn noch zu sagen, daß das, was er als Unternehmer<br />
vertreibt, nicht innovativ ist? -, <strong>und</strong> zweitens ist die Interpretation dieses<br />
Belegs als geeignete Reaktion auf eine zunehmende Geschwindigkeit<br />
der technischen Entwicklung nur eine Variante. Mit gleicher Berechtigung<br />
kann der hohe Anteil von Neuprodukten als verpaßte Anpassung in früheren<br />
Phasen interpretiert werden oder gar durch die Unfähigkeit zur gezielten<br />
Anpassung begründet sein" (Staudt 1986, S. 12).<br />
6.2 Forschung <strong>und</strong> Entwicklung in der Elektroindustrie<br />
Soll das Innovationspotential der Elektroindustrie ermittelt werden, so ist<br />
zunächst darauf zu verweisen, daß man es mit einer vergleichsweise geringen<br />
Zahl von Unternehmen zu tun hat, die FuE betreiben. Legt man eine<br />
1979 vom BDI publizierte Zusammenstellung (s. Tab. 6.1) zugr<strong>und</strong>e, so<br />
unterhielten im Jahre 1974 von 2.380 Unternehmen der Elektroindustrie<br />
gerade 196 Unternehmen eigene FuE-Abteilungen. Das entspricht einem<br />
Anteil von 8,2 %. Diese wenigen selbständig forschenden <strong>und</strong> entwickelnden<br />
Unternehmen beschäftigten allerdings 73,1 % der Arbeitskräfte <strong>und</strong><br />
bestritten 72,15 % des Gesamtumsatzes der Elektroindustrie. Diese Zahlen<br />
legen es nahe, ein deutliches Übergewicht großer Unternehmen zu<br />
vermuten: In der Tat konzentrierte sich der FuE-Aufwand vor allem bei<br />
den zwölf großen Unternehmen mit über 10.000 Beschäftigten, die 83,7 %<br />
der FuE-Anstrengungen der gesamten Branche auf sich vereinigten. Ihr<br />
Anteil am Umsatz der Branche betrug knapp 50 % (68,8 % vom Umsatz<br />
aller FuE betreibenden Unternehmen), ihr Anteil an den Beschäftigten<br />
52,5 % (70,6 %). Nur rd. 5 % der Beschäftigten der Elektroindustrie arbeiteten<br />
1974 in den 72 Unternehmen, die FuE betrieben, weniger als 1.000<br />
Beschäftigte hatten <strong>und</strong> insgesamt auf 1,22 Mrd. DM Umsatz kamen (<strong>und</strong><br />
dem Stifterverband die Fragebogen zurückgeschickt haben). Vor diesem<br />
Hintergr<strong>und</strong> sind Hoffnungen auf die "innovatorischen" (Aiginger, Tichy<br />
1985) oder gar "emanzipatorischen" (Piore, Sabel 1984) Potentiale kleiner<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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Unternehmen zu relativieren. Unsere Konzentration der Darstellung auf<br />
größere Unternehmen erscheint deshalb aufgr<strong>und</strong> der Konkurrenzbedingungen<br />
innerhalb der Elektro- <strong>und</strong> Elektronikindustrie selbst gerechtfertigt<br />
zu sein: Innovation ist vor allem eine Domäne von Großunternehmen.<br />
31<br />
Auffallend ist, daß der größte Umsatz pro Beschäftigten (84.000 DM) in<br />
der Größenklasse 1.000 bis 2.000 Beschäftigte erzielt wurde, während<br />
Großunternehmen wegen hoher Overhead-Kosten von allen Größenklassen<br />
den geringsten Umsatz pro Beschäftigten aufwiesen (64.800 DM).<br />
Breitenacher u.a. (1974, S. 41) präzisieren:<br />
"Dies ist auf die große Produktionstiefe <strong>und</strong> die weitgehende Einzelfertigung<br />
in vielen Zweigen der Universalunternehmen zurückzuführen. Darüber<br />
hinaus spielen hier auch die hohen Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungsanstrengungen<br />
sowie die mit steigender Unternehmensgröße progressiv<br />
wachsenden Organisations- <strong>und</strong> Verwaltungsaufgaben eine entscheidende<br />
Rolle, was durch den überdurchschnittlich hohen Anteil der Angestellten<br />
bei den Großunternehmen bestätigt wird."<br />
Wie schwierig ein intertemporaler Vergleich dieser Daten ist, kann man<br />
an einer vom Stifterverband etwa gleichzeitig zu der BDI-Tabelle veröffentlichten<br />
Statistik (vgl. SV-Wissenschaftsstatistik 1979 (= Tabellen zu<br />
1977)) sehen, derzufolge in der Elektroindustrie der Umsatz pro Beschäftigten<br />
im Jahre 1977 in der Größenklasse 2.000 bis 5.000 Beschäftigte bei<br />
111.760 DM lag, nur "übertroffen" von der Größenklasse 100 bis 500 Beschäftigte,<br />
wo jeder Beschäftigte zu einem durchschnittlichen Umsatz von<br />
183.390 DM beigetragen hat. In der Großindustrie lag nach dieser Erhebung<br />
der Umsatz pro Beschäftigten bei 96.460 DM, also (im Vergleich)<br />
noch erheblich niedriger, als nach den vom BDI veröffentlichten Zahlen zu<br />
vermuten wäre.<br />
Die zusammenfassende Darstellung der Daten in Tabelle 6.1 ist jedoch<br />
insofern von Vorteil, als hier die Elektroindustrie umfassend, aber nach<br />
Größenklassen <strong>und</strong> FuE-betreibenden <strong>und</strong> nicht-betreibenden Unterneh-<br />
31 Inwieweit die Gültigkeit dieser These durch den Bedeutungszuwachs der Software-Produktion<br />
in Frage gestellt wird (s. Abschnitt 5.3.2), ist einstweilen nicht<br />
mit Sicherheit abzuschätzen. Zumindest vorübergehend ist aber in diesem Bereich<br />
die Bedeutung kleiner <strong>und</strong> mittlerer Unternehmen erheblich.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
men differenziert dargestellt wird. Dennoch ist der Rekurs auf diese Tabelle<br />
nicht ganz unproblematisch. Zum einen sind seit 1974 fast zwanzig<br />
Jahre vergangen, zum anderen setzt sich die Tabelle 6.1 aus Daten des Statistischen<br />
B<strong>und</strong>esamts, des Stifterverbandes <strong>und</strong> des ZVEI zusammen, die<br />
mit jeweils unterschiedlichen Abgrenzungen der Elektroindustrie arbeiten.<br />
Wir haben es dennoch für sinnvoll gehalten, diese Tabelle zum Ausgangspunkt<br />
der Darstellung von Innovationspotentialen der Elektroindustrie zu<br />
machen, weil - wie die nachfolgende Darstellung zeigen wird - die Strukturinterpretation,<br />
die sich auf die hier präsentierte Tabelle stützt, durch<br />
neuere Entwicklungen eher bestätigt wird, <strong>und</strong> weil wegen des nicht nachvollziehbaren<br />
Zustandekommens der Tabelle eine Nachberechnung keine<br />
"zuverlässigeren" <strong>und</strong> vergleichbaren Informationen gebracht hätte.<br />
6.3 Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungspotentiale im Branchenvergleich<br />
Nach diesem ersten Eindruck von der spezifischen Verteilung von qua Input-Daten<br />
festgestellten FuE-Potentialen innerhalb der Elektroindustrie<br />
wollen wir zunächst einen Blick auf die Gesamtwirtschaft sowie auf andere<br />
Branchen werfen, um vor diesem Hintergr<strong>und</strong> den Stellenwert <strong>und</strong> die Besonderheiten<br />
der Elektroindustrie herauszuarbeiten. Aufgr<strong>und</strong> der unterschiedlichen<br />
Repräsentativität der vom Stifterverband erhobenen Daten<br />
ist allerdings sowohl bei intertemporalen wie auch bei branchenübergreifenden<br />
Vergleichen <strong>und</strong> entsprechenden Interpretationen Vorsicht geboten.<br />
32<br />
Wie aus Tabelle 6.2 hervorgeht, entfällt der weitaus größte Anteil an den<br />
FuE-Gesamtaufwendungen der Wirtschaft auf das Verarbeitende Ge-<br />
32 Wie wir an anderer Stelle gezeigt haben (vgl. Bieber, Möll 1990, S. 248), ist die<br />
Differenz zwischen den vom Stifterverband erfaßten <strong>und</strong> den "real existierenden"<br />
Unternehmen in der Chemischen Industrie wesentlich geringer als in der<br />
Elektroindustrie. Während die Daten für den Chemiebereich vom Verband der<br />
Chemischen Industrie (VCI) gesammelt <strong>und</strong> in aggregierter Form an den Stifterverband<br />
weitergegeben werden <strong>und</strong> deshalb wenigstens im Hinblick auf die<br />
Umsatz- <strong>und</strong> Beschäftigtenzahlen weitgehend den Realitäten entsprechen, kann<br />
davon für die Elektroindustrie nicht die Rede sein. Wie groß allerdings das FuE-<br />
Potential der nicht erfaßten Elektrounternehmen ist, kann nicht festgestellt werden.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
werbe. Dort wiederum dominieren vier Branchen: die Chemische Industrie,<br />
der Maschinenbau, der Fahrzeugbau <strong>und</strong> die Elektroindustrie, die<br />
zusammen etwa 80 % der Mittel aufwenden. Seit Ende der 70er Jahre<br />
nimmt dabei die Elektrotechnische Industrie mit einem Anteil von über<br />
25 % die führende Position ein. Gemessen an der nominalen Ausgabenhöhe<br />
hat sie seitdem die ebenfalls als "science based" geltende Chemische<br />
Industrie hinter sich gelassen. Dies dürfte zu einem großen Teil daraus resultieren,<br />
daß die Miniaturisierung, der Preisverfall <strong>und</strong> der damit steigende<br />
Verfügungsgrad elektronischer Bauelemente zu einem Verlust von<br />
Fertigungs- <strong>und</strong> damit auch von Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungstiefe in anderen<br />
Branchen (insbesondere im Maschinenbau <strong>und</strong> der Automobilindustrie)<br />
führen.<br />
Ein ähnliches Bild wie bei den FuE-Aufwendungen zeigt sich auch bei den<br />
Zahlen der FuE-Beschäftigten (Tab. 6.3). Allerdings wies hier die Elektrotechnische<br />
Industrie schon immer die höchsten Werte aus, wobei sich der<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
Abstand zu den übrigen Bereichen in den letzten Jahren deutlich vergrößert<br />
hat.<br />
Die SV-Wissenschaftsstatistik weist aus, daß sich in der Elektroindustrie<br />
(mit einer Zunahme um 66 %) von 1971 bis 1987 die Zahl der FuE-Beschäftigten<br />
auf absolut 88.000 gesteigert hat. 33<br />
Das unterstreicht nochmals<br />
die führende Position der Elektrotechnischen Industrie, die sich allerdings<br />
in erster Linie auf die Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungspotentiale im Inland<br />
stützt. Berücksichtigt man dagegen die im Ausland vorfindbaren Kapazitäten,<br />
so weist die Chemische Industrie höhere Werte aus. 1981 etwa waren<br />
23 % bzw. 16 % des FuE-Personals der beiden größten Chemieunternehmen<br />
(Hoechst <strong>und</strong> Bayer), aber "nur" 12,5 % bzw. 1 % des gesamten FuE-<br />
Personals von Siemens bzw. AEG im Ausland angesiedelt (Hack, Hack<br />
1985, S. 84). 34 Inzwischen haben einige Großunternehmen der Elektrotechnik<br />
vergleichbare Größenordnungen in bezug auf die Internationalisierung<br />
ihrer FuE-Potentiale erreicht. Für Teile der Elektroindustrie (vgl.<br />
Bosch-Geschäftsbericht 1987) gilt allerdings sehr viel eindeutiger als für<br />
die Chemieindustrie, daß die Forschung im Inland verbleibt, während die<br />
Entwicklung internationalisiert wird.<br />
6.4 Das Verhältnis von Investitionen <strong>und</strong> FuE-Aufwendungen in<br />
der Elektroindustrie<br />
Für die These des Aufkommens eines "technologischen Kapitalismus"<br />
(Karpik 1977) spricht, daß in der Zielhierarchie der Unternehmen die<br />
Förderung der innovativen Potentiale einen immer höheren Stellenwert<br />
einnimmt. Vergleicht man die Ausgaben, die Unternehmen der Elektroindustrie<br />
für Sachinvestitionen tätigen, mit den Aufwendungen für FuE, ergibt<br />
sich - zunächst auf Branchenebene - folgendes Bild (Tab. 6.4).<br />
33 Die prozentual ähnliche Steigerungsrate des Maschinenbaus resultiert vor allem<br />
aus einer weitgehend politisch induzierten Steigerung (PKZ-Programm) zwischen<br />
1977 <strong>und</strong> 1979. In diesem Zeitraum expandierten die FEuK-Abteilungen<br />
des Maschinenbaus um 54 % auf 34.000 Beschäftigte, um in den darauf folgenden<br />
acht Jahren nur noch um 11 % zuzunehmen.<br />
34 Eine Ausnahme bildet Bosch, das bis dahin vorwiegend als Zulieferunternehmen<br />
für die Automobilindustrie tätig war. Hier lag der Anteil der FuE-Beschäftigten<br />
im Ausland am gesamten FuE-Personal 1974 bei 13 % <strong>und</strong> 1981 bei 16 %.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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Die nominalen Aufwendungen für Sachinvestitionen haben sich im Zeitraum<br />
von 1971 bis 1985 demnach beinahe verdreifacht, während die Ausgaben<br />
für FuE um mehr als das Vierfache gestiegen sind. Letztere liegen<br />
spätestens seit 1975 über den Ausgaben für Sachinvestitionen. Nach<br />
Schätzungen der Commerzbank (Commerzbank 1989) erreichten 1988 die<br />
Aufwendungen für Forschung <strong>und</strong> Entwicklung in der Elektroindustrie ein<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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Volumen von 14 bis 16 Mrd. DM <strong>und</strong> lagen damit etwa doppelt so hoch<br />
wie die Nettoinvestitionen der Branche. Tabelle 6.4 verdeutlicht auch, daß<br />
die FuE-Aufwendungen zwar mit unterschiedlichen Steigerungsraten, dafür<br />
aber kontinuierlich anwachsen, während die Entwicklung der Ausgaben<br />
für Sachinvestitionen eine diskontinuierliche Bewegung mit teilweise<br />
sogar negativen Raten zeigt. Einiges spricht somit für die These der stärkeren<br />
Konjunkturabhängigkeit von Investitionsentscheidungen. Allerdings<br />
darf nicht übersehen werden, daß auch die Zuwachsraten der FuE-Ausgaben<br />
in der letzten Krisenperiode der Elektroindustrie zwischen 1981 <strong>und</strong><br />
1983 rückläufig waren. Auch die stetig wachsenden Mehrausgaben für FuE<br />
sind folglich nicht konjunkturunabhängig, wenn auch ihre Schwankungsbreite<br />
geringer zu sein scheint als die der Investitionsausgaben.<br />
Für den Zeitraum der 70er Jahre <strong>und</strong> für die erste Hälfte der 80er Jahre<br />
läßt sich feststellen, daß die Innovationspolitik der Unternehmen zu einer<br />
absoluten <strong>und</strong> relativen Zunahme der FuE- gegenüber den Investitionsausgaben<br />
geführt hat. Zumindest für diese Phase läßt sich also unsere<br />
These einer Veränderung in der Hierarchie der Unternehmensziele belegen.<br />
Inwieweit der außergewöhnlich hohe Zuwachs bei den Investitionen<br />
zwischen 1983 <strong>und</strong> 1985 hier einen erneuten Umschwung einleitet, muß<br />
abgewartet werden. Allerdings sprechen vorliegende Zahlen für den Zeitraum<br />
von 1985 bis 1987 nicht für eine Trendwende. Nach den Angaben des<br />
Statistischen B<strong>und</strong>esamts lagen die Steigerungsraten in dieser Phase bei<br />
ca. 25 % bei den FuE-Ausgaben gegenüber ca. 14 % bei den Investitionen.<br />
Beim Vergleich zwischen FuE-Aufwendungen <strong>und</strong> Investitionen sind zwei<br />
Dinge zu beachten: Zum einen enthalten die unter "Ausgaben für FuE"<br />
subsumierten Beträge sowohl Personal- als auch Sachkosten, also Sachinvestitionen<br />
für Geräte, Gebäude etc., die nur den FuE-Abteilungen dienen.<br />
35<br />
Man könnte also eine Unvergleichbarkeit beider Kostenfaktoren<br />
35 Dabei liegt der Anteil für Personalaufwendungen an den gesamten FuE-Ausgaben<br />
in der Elektrotechnischen Industrie (1981: 60,7 %; 1983: 58,7 %) einige<br />
Prozentpunkte über denjenigen des Verarbeitenden Gewerbes (1981: 55,4 %;<br />
1983: 55,1 %). Diese Werte, die auf Gr<strong>und</strong>lage von SV-Daten berechnet wurden,<br />
sprechen somit für eine niedrigere "organische Zusammensetzung" des<br />
FuE-Kapitals in der Elektroindustrie gegenüber dem Verarbeitenden Gewerbe.<br />
Allerdings fehlt es an betrieblichen Fallstudien über die internen FuE-Kostenstrukturen,<br />
mit deren Hilfe man dieser Vermutung weiter nachgehen könnte.<br />
Von Interesse wären derartige Untersuchungen z.B. für die Überprüfung der<br />
These eines zunehmenden Apparatebezugs der Wissenschaft.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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der unternehmerischen Zukunftsvorsorge behaupten. Der Kern unseres<br />
Arguments bleibt davon jedoch unberührt, da dieses sich im wesentlichen<br />
auf die Veränderungen der Unternehmensstrategie in Richtung einer<br />
stärkeren Berücksichtigung des Innovationsrisikos bezieht.<br />
Ein zweiter Einwand könnte sich auf die rechte Spalte von Tabelle 6.4 beziehen<br />
<strong>und</strong> darauf verweisen, daß zu den Ausgaben für Sachinvestitionen<br />
noch Ausgaben für Beteiligungserwerb <strong>und</strong> für Direktinvestitionen im<br />
Ausland zu zählen sind, die nicht in die Summe der Bruttoanlageinvestitionen,<br />
wie sie von der Statistik erhoben werden, eingehen (s. Abschnitt<br />
5.7). Geht man von einem tendenziell stärkeren Auslandsengagement<br />
westdeutscher Unternehmen der Elektroindustrie aus, so ist in der Tat mit<br />
einem überproportionalen Anstieg von Investitionen für Beteiligungen<br />
<strong>und</strong> für den Aufbau von Produktionsstätten im Ausland zu rechnen (s.u.).<br />
Allerdings hat unsere Analyse externer organisatorischer Arrangements<br />
gezeigt (s. Kapitel 9), daß diese Engagements (Akquisitionen, Beteiligungen,<br />
Fusionen etc.) auch, mitunter sogar vorrangig, darauf gerichtet sind,<br />
einen Zugang zu den innovativen Potentialen anderer Länder bzw. anderer<br />
Unternehmen zu gewinnen. Auch nach dieser Seite hin ist also die<br />
amtliche bzw. halbamtliche Statistik nicht so trennscharf wie sie sein sollte<br />
oder könnte.<br />
Am Beispiel der Siemens AG wollen wir unsere These, daß die Erzeugung<br />
von Innovationen für die Unternehmen der Elektroindustrie zunehmend<br />
an Relevanz gewinnt <strong>und</strong> die Aufwendungen für FuE seit den 70er Jahren<br />
in dieser Branche über den Aufwendungen für Sachinvestitionen hegen,<br />
erhärten. 36<br />
Das Beispiel Siemens ist insofern aufschlußreich, als die Investitionsaufwendungen<br />
in den betreffenden Geschäftsberichten nach "Erwerb<br />
von Beteiligungen" <strong>und</strong> "Sachanlagen" differenziert werden, ein Vorteil,<br />
den - wie erwähnt - aggregierte Daten (auf Branchenebene) bislang<br />
nicht bieten. Um so deutlicher läßt sich zeigen, daß sich der in Tabelle 6.4<br />
aufgewiesene Struktur- bzw. Trendbruch in der Relation zwischen FuE-<br />
Ausgaben <strong>und</strong> Investitionen in den Großunternehmen der Branche noch<br />
viel früher vollzogen hat als im Branchendurchschnitt (Tab. 6.5).<br />
36 Für andere Großunternehmen der Elektro- <strong>und</strong> Elektronikindustrie wie etwa<br />
Bosch ließen sich vergleichbare Entwicklungen nachweisen.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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Deutlich zu erkennen ist hier ein nahezu gleichmäßiges Wachstum der<br />
FuE-Aufwendungen <strong>und</strong> ein stark schwankendes Niveau der Investitionstätigkeit.<br />
Allerdings sind auch hier für den Krisenzeitraum zwischen<br />
1981 <strong>und</strong> 1983 nur geringe Wachstumsraten bei den FuE-Ausgaben zu registrieren.<br />
Trotzdem liegen die FuE-Aufwendungen bis zur Mitte der 80er<br />
Jahre regelmäßig über den Gesamtinvestitionen. Erst in den Geschäftsjah-<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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en 85/86, 88/89 <strong>und</strong> 89/90 übersteigen die Investitionen die Ausgaben<br />
für FuE.<br />
Eine Erklärung für diesen Umstand findet sich, wenn man die Investitionen<br />
nach Sach- <strong>und</strong> Beteiligungsinvestitionen sowie nach Inlands- <strong>und</strong><br />
Auslandsinvestitionen (die wiederum Sach- <strong>und</strong> Beteiligungsinvestitionen<br />
umfassen) differenziert. Dabei läßt sich feststehen, daß das Übergewicht<br />
der Investitionen in den betreffenden Geschäftsjahren auf die enormen<br />
Steigerungen bei den Beteiligungen zurückgeführt werden kann. Weiterhin<br />
ist zu sehen, daß sich in den Investitionskennziffern ab Mitte der 80er<br />
Jahre das verstärkte Auslandsengagement von Siemens bemerkbar<br />
macht. 37<br />
Da Beteiligungen auf das engste mit den veränderten Bedingungen<br />
der internationalen Innovationskonkurrenz (Globalisierung) zusammenhängen<br />
(s. Kapitel 9), widersprechen die notierten Gewichtsverlagerungen<br />
zwischen FuE-Ausgaben <strong>und</strong> Investitionen bei Siemens nicht im<br />
geringsten unserer These vom Wandel in der Hierarchie der Unternehmensziele.<br />
Eher ist das Gegenteil der Fall.<br />
Bei der Interpretation der Verschiebungen zwischen Sachinvestitionen<br />
<strong>und</strong> FuE-Aufwendungen ist freilich zu berücksichtigen, daß unter den<br />
Vorzeichen systemischer Rationalisierung die Unterscheidung zwischen<br />
den üblicherweise als "Investitionen für die Zukunft" umschriebenen FuE-<br />
Aufwendungen <strong>und</strong> den "eigentlichen" Investitionen an Trennschärfe verliert.<br />
So sind verstärkt Reintegrationstendenzen zwischen den industriellen<br />
Funktionsbereichen zu verzeichnen, d.h. veränderte Beziehungen zwischen<br />
Forschung, Entwicklung, Konstruktion einerseits sowie Fertigung andererseits,<br />
die sich sowohl auf die Organisation von Innovationsvorhaben als<br />
auch auf die Strukturen der übergreifenden <strong>Unternehmensorganisation</strong><br />
auswirken (s. Kapitel 7 <strong>und</strong> 8).<br />
37 Allein im Jahre 1989 wurden Teilbereiche des Unternehmens Roln von IBM<br />
übernommen, gemeinsam mit der britischen General Electric Company (GEC)<br />
das englische Elektrounternehmen Plessey gekauft sowie die auf dem Gebiet der<br />
mittleren Datentechnik tätige französische GeseUschaft IN2 erworben.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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6.5 Finanzierungsformen von Forschung <strong>und</strong> Entwicklung<br />
Der überwiegende Teil der für industrielle FuE-Aktivitäten aufgewendeten<br />
Beträge wird von den Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes<br />
selbst erbracht (vgl. BMFT 1988, S. 86 ff., S. 374 f.). Es bestehen allerdings<br />
branchenspezifische Unterschiede hinsichtlich des Anteils fremdfinanzierter<br />
Forschung <strong>und</strong> Entwicklung. Wie nachfolgende Tabelle 6.6 zeigt, besitzt<br />
von den vertretenen Branchen die Chemische Industrie seit 1971 den<br />
geringsten, die Elektroindustrie den höchsten Subventionsgrad der FuE-<br />
Aufwendungen. Sogar der Maschinenbau, aufgr<strong>und</strong> seiner Unternehmensgrößenverteilung<br />
Hauptadressat des Personalkostenzuschußprogramms<br />
(PKZ), das die exorbitanten Steigerungsraten zwischen 1977 <strong>und</strong> 1979 erklärt,<br />
verfügt immer noch über eine höhere Eigenfinanzierungsquote der<br />
FuE-Kosten als die Elektroindustrie.<br />
Im Durchschnitt zahlt die Elektroindustrie von den FuE-Kosten zwischen<br />
84,5 % <strong>und</strong> 89,5 % selbst, die Chemische Industrie r<strong>und</strong> 98 % <strong>und</strong> der Maschinenbau<br />
zwischen 80 % <strong>und</strong> 93 %. Zwar ist auch dieser Vergleich in<br />
quantitativer Hinsicht durch die Probleme der SV-Wissenschaftsstatistik<br />
nicht ohne weitere Daten (die zu erheben wären) möglich, dennoch läßt<br />
der hohe Subventionsgrad der Elektroindustrie auf die Schlüsselrolle<br />
schließen, die ihr in der Forschungs- <strong>und</strong> Industriepolitik zugewiesen wird.<br />
Direkte <strong>und</strong> indirekte Subventionen erhält die Elektroindustrie vor allem<br />
in den Bereichen Kernkrafttechnik, Mikroelektronik <strong>und</strong> Informationstechnik.<br />
"Unter den Unternehmen mit den höchsten FuE-Aufwendungen befanden<br />
sich zugleich die bedeutendsten Zuwendungsempfänger öffentlicher FuE-<br />
Mittel, soweit diese Unternehmen der Wirtschau zugeleitet wurden. Angaben<br />
der B<strong>und</strong>esregierung zufolge beliefen sich 1987 die Zuwendungen<br />
des BMFT an die Siemens AG auf 277 Mio. DM. Weitere FuE-Zuwendungen<br />
erhielt die Siemens AG vom B<strong>und</strong>esministerium für Verteidigung.<br />
Ihre Rolle als größter Zuwendungsempfänger öffentlicher FuE-Mittel wird<br />
die Siemens AG zukünftig jedoch an die Unternehmen der Daimler-MBB-<br />
Gruppe verlieren" (Schneider, Welsch 1989, S. 223 f.).<br />
6.6 Interne <strong>und</strong> externe FuE-Aufwendungen<br />
Differenziert man die von den Unternehmen getätigten FuE-Gesamtaufwendungen<br />
in interne <strong>und</strong> externe Aufwendungen, so ergibt sich für den<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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Bereich der Elektroindustrie eine erste Bestätigung für eine unserer zentralen<br />
Arbeitshypothesen. Diese besagt, daß insbesondere Unternehmen,<br />
die der Entwicklung neuer Technologien hohe Priorität in der verschärften<br />
Weltmarktkonkurrenz einräumen, zur Minimierung der mit der Durchführung<br />
von Innovationsprozessen verb<strong>und</strong>enen Risiken verstärkt auf externe<br />
organisatorische Arrangements zurückgreifen (s. Kapitel 9; vgl. Bieber,<br />
Brandt, Möll 1987). Allerdings können die auf Branchenebene verfügbaren<br />
Daten weder etwas über Inhalt, Erfolgsträchtigkeit <strong>und</strong> Risiken externer<br />
organisatorischer Arrangements aussagen, noch können die verschiedenen<br />
Formen externer Forschungsorganisation abgebildet werden. Zeigen<br />
läßt sich mit Tabelle 6.7, daß vor allem in der Elektrotechnischen Industrie<br />
sich die Tendenz zur Auftragsforschung verstärkt hat, <strong>und</strong> zwar<br />
insbesondere mit Beginn der 80er Jahre. Verglichen mit der Chemischen<br />
Industrie <strong>und</strong> dem Maschinenbau weist die Elektrotechnische Industrie<br />
absolut (1985: 758 Mio. DM) <strong>und</strong> relativ (ca. 33 %) den höchsten Anteil<br />
an der Auftragsforschung aus. 38<br />
Hat sich der interne FuE-Aufwand in der<br />
Elektroindustrie von 1971 bis 1985 knapp vervierfacht, so haben sich die<br />
Ausgaben für Auftragsforschung mehr als verein<strong>und</strong>zwanzigfacht.<br />
6.7 Konzentration der FuE-Aufwendungen<br />
Differenziert man die FuE-Aufwendungen der Unternehmen nach Beschäftigtengrößenklassen,<br />
dann stellt sich heraus, daß der weitaus größte<br />
Teil des FuE-Aufwands von Unternehmen mit mehr als 10.000 Beschäftigten<br />
aufgebracht wird (Tab. 6.8). Dieser Umstand weist darauf hin, daß sich<br />
die FuE-Aufwendungen der Gesamtwirtschaft nicht nur auf wenige Branchen,<br />
sondern innerhalb dieser auf nur wenige Großunternehmen konzentrieren.<br />
Der in den entsprechenden Maßzahlen zum Ausdruck kommende hohe<br />
Konzentrationsgrad bei den FuE-Ausgaben dürfte in Wirklichkeit eher<br />
noch untertrieben sein. Das gilt vor allem für die 80er Jahre. Der Stifterverband<br />
trägt nämlich durch seine Erhebungspraxis dazu bei, derartige<br />
38 Der auffallende relative Rückgang der Auftragsforschung im Maschinenbau<br />
kann u.U. durch den notwendigen Auf- <strong>und</strong> Ausbau eigener Forschungs- <strong>und</strong><br />
Entwicklungsabteilungen erklärt werden.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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Konzentrationstendenzen zu unterschätzen, weil er z.B. Tochterunternehmen<br />
großer Konzerne statistisch als selbständige Einheiten betrachtet.<br />
Gerade die in den letzten Jahren in der Elektroindustrie häufiger zu beobachtenden<br />
Unternehmensakquisitionen, die von dem Interesse geleitet<br />
waren, FuE-Kapazitäten spezialisierter Unternehmen in die FuE-Bereiche<br />
großer Konzerne einzugliedern, dürften zur Konzentration von FuE-Potentialen<br />
beigetragen haben, ohne daß dies in den aggregierten Daten des<br />
Stifterverbandes erkennbar ist. 39<br />
Der vom Stifterverband ausgewiesene Rückgang des FuE-Anteils der<br />
Großunternehmen fällt besonders deutlich in den Zeiträumen zwischen<br />
1977 <strong>und</strong> 1979 sowie zwischen 1981 <strong>und</strong> 1983 aus. Der erste Bruch läßt<br />
39 Die Tatsache, daß schon die Kooperation von (großen) Unternehmen im FuE-<br />
Bereich zu einer Verschärfung der Konzentration in einer Branche führen kann,<br />
hat immerhin die Monopolkommission zur Vergabe eines Gutachtens angeregt<br />
(vgl. Monopolkommission 1986, S. 11).<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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sich größtenteils durch die Berücksichtigung der Daten des PKZ-Programms<br />
erklären, wodurch insbesondere die Unternehmen der Größenklasse<br />
2 profitiert zu haben scheinen. 40<br />
Der zweite Bruch erklärt sich zumindest<br />
teilweise durch den konjunkturbedingten Beschäftigungsrückgang,<br />
der in Grenzfällen zu einer Zuordnung der Unternehmen in die nächstunteren<br />
Größenklassen führte.<br />
Ist somit Vorsicht geboten, aus dem statistisch ausgewiesenen Rückgang<br />
des FuE-Anteils der großen Elektrounternehmen auf ein Absinken des<br />
Konzentrationsgrades der FuE-Potentiale zu schließen, so darf daraus<br />
auch nicht gefolgert werden, Großunternehmen reduzierten ihre FuE-Anstrengungen.<br />
Eine Analyse der FuE-Ausgabenentwicklung der drei<br />
größten westdeutschen Elektrokonzerne zeigt nämlich einen kontinuierlichen<br />
Ausgabenanstieg, der in den Perioden, die von erhebungstechnischen<br />
Umstellungen des Stifterverbandes unbeeinflußt geblieben sind (75/77,<br />
79/81, 83/85), eindeutig über dem Branchendurchschnitt liegt (s. Tab.<br />
6.9). 41<br />
Dennoch ist darauf hinzuweisen, daß die Klein- <strong>und</strong> Mittelunternehmen<br />
einen beträchtlichen <strong>und</strong> wichtigen Anteil an den FuE-Leistungen der<br />
Branche halten. Immerhin wenden kleine Unternehmen, soweit sie FuE<br />
betreiben, gemessen am Umsatz etwa den gleichen Prozentsatz für FuE<br />
wie Großunternehmen auf (s. Tab. 6.8).<br />
"Der in bezug auf ihren Umsatz oder ihre Beschäftigtenzahl relativ hohe<br />
Aufwand kleiner Unternehmen für FuE dürfte darauf zurückzuführen sein,<br />
daß FuE einen Mindestaufwand erfordert, der auch von kleinen Unternehmen<br />
nicht unterschritten werden kann" (BMFT 1988, S. 99).<br />
40 Da insbesondere kleinere <strong>und</strong> mittlere Unternehmen durch das PKZ-Programm<br />
dazu veranlaßt wurden, ihre FuE-Potentiale offenzulegen, hat sich die Gr<strong>und</strong>gesamtheit<br />
der erfaßten Unternehmen vergrößert. Dadurch konnte zwar die Qualität<br />
der Statistik verbessert werden. Gleichzeitig sind damit jedoch intertemporale<br />
Vergleiche mit früheren Jahren nur noch bedingt möglich.<br />
41 Die Summe der Unternehmensforschung in Tabelle 6.9 darf nicht als Teilmenge<br />
der FuE-Aufwendungen der gesamten Branche betrachtet werden, wie sie der<br />
Stifterverband definiert <strong>und</strong> ermittelt. Gerade in den großen Unternehmen haben<br />
sich durch organisatorische Umstrukturierungen <strong>und</strong> Rationalisierungsbemühungen<br />
die Einteilungskriterien <strong>und</strong> Abrechnungsmodi mehrfach verändert.<br />
Der Vergleich dient lediglich dem Nachweis von Kontinuitäten oder Diskontinuitäten.<br />
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Zu berücksichtigen ist freilich, daß Forschung in der Industrie fast ausschließlich<br />
von den Großunternehmen durchgeführt wird, während sich<br />
kleine <strong>und</strong> mittlere Unternehmen im wesentlichen auf Entwicklung <strong>und</strong><br />
Konstruktion konzentrieren. Sie tragen dadurch ganz entscheidend zur<br />
Ausdifferenzierung neuer Technologien für verschiedene Anwendungsbereiche<br />
bei. Eine qualifiziertere Aussage über das Verhältnis zwischen<br />
Klein-, Mittel- <strong>und</strong> Großunternehmen bei Kooperation <strong>und</strong>/oder Konkurrenz<br />
auf dem Felde neuer Produkt- <strong>und</strong> Prozeßtechnologien ist allerdings<br />
auf der Basis statistischer Maßzahlen allein nicht möglich.<br />
6.8 Die Bedeutung der Gr<strong>und</strong>lagenforschung als Moment der<br />
FuE-Aufwendungen<br />
Zentrale Gegenstände der FuE-Arbeit in Industrieunternehmen sind die<br />
Entwicklung <strong>und</strong> - davorgeschaltet - die anwendungsbezogene Forschung.<br />
Allerdings besteht in einigen Fachgebieten die Notwendigkeit, auf wissenschaftliche<br />
Gr<strong>und</strong>lagen zurückgreifen zu müssen, da diese eine wichtige<br />
Voraussetzung für die spätere angewandte Forschung darstellen können.<br />
Gr<strong>und</strong>lagenforschung hat dennoch "wertmäßig" nur einen geringen Anteil<br />
an den Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungsaktivitäten der Unternehmen, der zu<br />
keiner Zeit die 10 %-Marke erreicht (s. nebenstehende Tab. 6.10). Ihre<br />
Bedeutung für das Innovationspotential des Unternehmens kann allerdings<br />
gar nicht in Geldgrößen gemessen werden, da sie sich definitionsgemäß<br />
<strong>und</strong> in vielen Fällen auch praktisch der Produktionsstruktur der Unternehmen<br />
entzieht <strong>und</strong> deshalb mit den dort gültigen Bewertungsrichtlinien<br />
nur schwer kompatibel gemacht werden kann (vgl. Scheinost 1988, S.<br />
100).<br />
Möglicherweise zeigt die Ausgabenreduktion in der angespannten Wirtschaftslage<br />
um 1982 eine allgemeine Geringschätzung dieses "immateriellen<br />
Beitrages" der Gr<strong>und</strong>lagenforschung an. Immerhin zogen gleichzeitig<br />
die internen Ausgaben für angewandte Forschung <strong>und</strong> experimentelle<br />
Entwicklung um gut eine Milliarde DM an. Im übrigen werden auch diese<br />
Zahlenreihen durch die Veränderung der Gr<strong>und</strong>gesamtheiten 1979 <strong>und</strong><br />
1983 beeinflußt, so daß die Kontinuität der Ausgabensteigerung nicht ganz<br />
so deutlich ausgefallen sein dürfte.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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Weiterhin ist zu beachten, daß in einigen Bereichen die traditionellen<br />
Grenzen zwischen Gr<strong>und</strong>lagenforschung <strong>und</strong> angewandter Forschung verschwimmen.<br />
42<br />
Auch Gr<strong>und</strong>lagenforschung in der Industrie verliert zunehmend<br />
ihren "Spielwiesencharakter". Gleichzeitig verfolgen die Unternehmen<br />
häufig die Strategie, die unter Risiko- <strong>und</strong> Zeitgesichtspunkten<br />
nur schwer kalkulierbare Gr<strong>und</strong>lagenforschung von Universitäten, staatlich<br />
finanzierten Großforschungseinrichtungen oder durch Erfinderunternehmer<br />
durchführen zu lassen. Aber auch diese Vorgehensweise erfordert<br />
auf Unternehmensseite den Aufbau von einschlägigem Know-how, um die<br />
Entwicklung auf potentiell interessanten Gebieten überhaupt verfolgen zu<br />
können.<br />
42 "Technologisch gemeinte Operationen - wie die Arbeit am Transistor in den<br />
Bell-Laboratories in den 40er Jahren, die auf die Umgehung der Röhrenpatente<br />
von RCA zielte - erhalten, auch für die Beteiligten, unversehens den Status von<br />
wissenschaftlicher Gr<strong>und</strong>lagenforschung" (Hack, Hack 1985, S. 174)<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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6.9 Beschäftigungsstruktur in Forschung <strong>und</strong> Entwicklung der<br />
Elektroindustrie<br />
Insgesamt ist die Zahl der FuE-Beschäftigten in der Elektrotechnischen<br />
Industrie zwischen 1971 <strong>und</strong> 1985 etwa um die Hälfte gestiegen, die der<br />
Wissenschaftler <strong>und</strong> Ingenieure hat sich im gleichen Zeitraum fast verdoppelt<br />
(s. Tab. 6.11). Der Anteil des FuE-Personals an der Gesamtbeschäftigtenzahl<br />
hat dabei von ca. 5 % auf etwa 8 % zugenommen. Bei den<br />
FuE betreibenden Unternehmen ist dieser Anteil natürlich sehr viel höher<br />
<strong>und</strong> liegt teilweise bei über 30 % (vgl. Hack, Hack 1985).<br />
Gut 40 % aller im Verarbeitenden Gewerbe beschäftigten Wissenschaftler<br />
<strong>und</strong> Ingenieure standen 1985 auf den Gehaltslisten von Elektrounternehmen<br />
(s. Tab. 6.11). Der Anteil dieser Beschäftigtengruppe nahm in der<br />
Elektro- <strong>und</strong> Elektronikindustrie eindeutiger <strong>und</strong> kontinuierlicher zu als<br />
im Durchschnitt des Verarbeitenden Gewerbes. Innerhalb der Elektroindustrie<br />
machte ihr Anteil 1985 fast die Hälfte des gesamten FuE-Personals<br />
aus (vgl. Tab. 6.12), wobei nach den zuletzt verfügbaren Daten von 1977<br />
die Zahl der Ingenieure die der Wissenschaftler etwa im Verhältnis 3:2<br />
überwog. Demgegenüber war im Verarbeitenden Gewerbe nur gut ein<br />
Drittel der FuE-Beschäftigten akademisch ausgebildet (vgl. auch BDI<br />
1979, S. 368 ff.). Insgesamt zeichnet sich eine Tendenz zum Einsatz höherqualifizierten<br />
Personals im FuE-Bereich ab.<br />
Die Zeitreihen der anderen Beschäftigtengruppen zeigen 1979 einen<br />
Bruch. Auch in diesem Fall dürften statistische Umgruppierungen dafür<br />
verantwortlich sein. So nahm der Anteil der Techniker auch nach diesem<br />
Einschnitt noch bis 1981 ab, um dann erst zögernd <strong>und</strong> bis 1985 wieder<br />
kräftig anzusteigen. Diese Entwicklung vollzog sich gegenläufig zur Restgruppe<br />
der Beschäftigten im FuE-Bereich. Hier kann vermutet werden,<br />
daß sich der Beschäftigtenrückgang der Techniker "konjunkturabhängig"<br />
vollzog, der des sonstigen Personals aber eher auf Rationalisierungsmaßnahmen<br />
zurückzuführen ist. Eine verlässliche Klärung dieser Frage können<br />
jedoch nur qualitativ vorgehende Fallstudien erbringen.<br />
Die Kennzahlen zu den internen FuE-Aufwendungen je FuE-Beschäftigten<br />
<strong>und</strong> je Wissenschaftler <strong>und</strong> Ingenieur (s. Tab. 6.12) belegen, daß trotz<br />
der hohen FuE-Gesamtausgaben die FuE-Aufwendungen je FuE-Beschäftigten<br />
in der Elektrotechnik unter dem Durchschnitt des Verarbei-<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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tenden Gewerbes liegen. Wegen des hohen Akademikeranteils in der<br />
Elektroindustrie zeigt sich das anhand der zweiten Kennzahl (FuE-Aufwendungen<br />
je Wissenschaftler) noch deutlicher. Beide Indikatoren verweisen<br />
deutlich auf die Personalintensität der Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungsarbeiten<br />
dieser Branche.<br />
Insgesamt nimmt der Anteil der in den FuE-Abteilungen der Elektrounternehmen<br />
beschäftigten Angestellten gemessen an ihrer Gesamtzahl zu.<br />
Etwa jeder sechste Angestellte in der Elektrotechnischen Industrie war<br />
1986 im FuE-Bereich tätig (s. Tab. 6.13). Zieht man den nach dem Umsatz<br />
gewichteten Durchschnitt heran, der große Unternehmen stärker berücksichtigt,<br />
so war 1986 sogar jeder fünfte der in der Elektroindustrie tätigen<br />
Angestellten im FuE-Bereich beschäftigt.<br />
Tab. 6.13:<br />
Anteil der Angestellten im FuE-Bereich (in Prozent der gesamten Angestellten)<br />
in der Elektroindustrie<br />
1982 1984 1986<br />
D: 16,3 16,4 16,5<br />
gD: 18,0 19,5 21,6<br />
D = Durchschnitt aller Firmen<br />
gD = nach Umsatz gewichteter Durchschnitt<br />
Quelle: Angaben des ZVEI auf Anfrage<br />
Die Entwicklung der FuE-Beschäftigtenzahlen spiegelt die veränderten<br />
Unternehmensstrategien wider, die immer stärker auf die Erzeugung <strong>und</strong><br />
Vermarktung technologischer Innovationen ausgerichtet sind. Das immense<br />
Anwachsen der FuE-Aufwendungen <strong>und</strong> des FuE-Personals impliziert<br />
jedoch für die Unternehmen gleichzeitig die wachsende Notwendigkeit<br />
einer systematischen Steuerung <strong>und</strong> Kontrolle der FuE-Bereiche, die<br />
noch bis vor kurzem als relativ kontroll- <strong>und</strong> rationalisierungsresistent galten.<br />
"Neue Techniken <strong>und</strong> Produkte erfordern von Generation zu Generation<br />
steigenden Aufwand im FuE-Bereich. Gerade dieser Bereich ist jedoch im<br />
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Vergleich zur Fertigung oder zum Vertrieb betriebswirtschaftlich noch wenig<br />
durchdrungen" (Commes, Lienert 1983, S. 347).<br />
Probleme der Organisation, Steuerung <strong>und</strong> Kontrolle wissenschaftlichtechnischer<br />
Innovationsprozesse dürften deshalb zunehmend zu zentralen<br />
Aufgabenstellungen für das gesamte Management werden. Auf neuere<br />
Ansätze in der Unternehmenspraxis zur Sicherung <strong>und</strong> Steigerung der Innovationsfähigkeit<br />
wird noch ausführlicher eingegangen. Hier ging es<br />
zunächst nur darum, den Nachweis einer absolut <strong>und</strong> relativ gestiegenen<br />
Bedeutung der industriellen Innovations- bzw. FuE-Potentiale zu führen.<br />
6.10 Innovationsaufwendungen<br />
Bei der Analyse industrieller Innovationspotentiale stellt sich allerdings<br />
nachdrücklich die Frage nach dem Stellenwert von Forschung <strong>und</strong> Entwicklung<br />
im Innovationsprozeß. Oder in ökonomischen Termini: Sind Innovationsaufwendungen<br />
ausschließlich FuE-Aufwendungen, oder gehen in<br />
die Ausgaben für die Erzeugung <strong>und</strong> Durchsetzung von Produkt-(<strong>und</strong> Prozeß-Innovationen<br />
noch andere Posten ein? Hilfreich für die Beantwortung<br />
dieser Frage ist der sogenannte Innovationstest des Ifo-Instituts für<br />
Wirtschaftsforschung, das seinen Untersuchungen einen sehr weit gefaßten<br />
Innovationsbegriff zugr<strong>und</strong>e legt. Im einzelnen werden folgende<br />
Aktivitäten berücksichtigt:<br />
Forschung <strong>und</strong><br />
experimentelle Entwicklung,<br />
Konstruktion <strong>und</strong> Design,<br />
Patente, Lizenzen, Gebrauchsmuster,<br />
Produktionsvorbereitung für Produktinnovation,<br />
Absatzvorbereitung <strong>und</strong><br />
Prozeßinnovation (inkl. Rationalisierung).<br />
Diese Definition von Innovationsaktivitäten ist viel umfassender <strong>und</strong> damit<br />
realistischer als vergleichbare Definitionen, wie sie etwa in Statistiken<br />
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verwendet wurden, die sich an die Vorgaben des Frascati-Handbuchs halten:<br />
"Forschung <strong>und</strong> Entwicklung sind in dieser Sichtweise zwar notwendige,<br />
aber nicht hinreichende Bedingungen für die Innovationsdynamik einer<br />
Wirtschaft" (Penzkofer u.a. 1989, S. 16).<br />
Zur Innovationstätigkeit werden also über Forschung, Entwicklung sowie<br />
Konstruktion <strong>und</strong> Design hinausgehende Arbeitsaufgaben gerechnet. Somit<br />
ist auch der zeitliche Rahmen des Innovationsprozesses sehr weit gefaßt.<br />
Dementsprechend werden für den Ifo-Innovationstest "alle Aufwandsposten<br />
erfaßt, die von der Entstehungs- über die Entwicklungs- bis<br />
hin zur Realisierungsphase eines Innovationsprojekts anfallen, auch Software-,<br />
Qualifikations- <strong>und</strong> Organisations-Aufwendungen" (ebd.).<br />
Hält man sich an die vorliegenden Daten zu den Innovationsaufwendungen,<br />
die auf Unternehmensbefragungen beruhen <strong>und</strong> keinen amtlichen<br />
oder halbamtlichen Status haben, zeichnet sich folgende Konstellation zwischen<br />
den innovationsintensivsten Branchen ab (Tab. 6.14):<br />
Spitzenreiter bei den Innovationsaufwendungen war 1986 die Chemische<br />
Industrie gefolgt vom Straßenfahrzeugbau. Die Elektrotechnische Industrie<br />
nimmt in dieser Aufstellung nur den dritten Platz ein. Der Maschi-<br />
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nenbau folgt mit erheblichem Abstand auf dem vierten Rang. Insgesamt<br />
konzentrieren sich in diesen vier Branchen 75 % des industriellen Innovationsbudgets.<br />
Die Steigerung der Innovationsaufwendungen von 1985 auf<br />
1986 gingen fast ausschließlich auf das Konto der Chemischen Industrie,<br />
des Fahrzeugbaus <strong>und</strong> der Elektrotechnischen Industrie.<br />
Bei Berücksichtigung der gesamten Innovationsaufwendungen ergibt sich<br />
also eine andere Reihenfolge zwischen den untersuchten Branchen, als<br />
wenn die Höhe der vom Stifterverband ausgewiesenen FuE-Aufwendungen<br />
zum Maßstab gemacht wird (s. Tab. 6.2). Dieser Umstand verweist,<br />
zumindest von der Kostenseite her betrachtet, auf branchenspezifische Innovationsstrukturen.<br />
Von Interesse ist deshalb die Frage nach dem jeweiligen<br />
Anteil der FuE-Ausgaben an den gesamten Innovationsaufwendungen.<br />
Ein diesbezüglicher Vergleich zwischen der Elektroindustrie <strong>und</strong> dem<br />
Verarbeitenden Gewerbe bietet folgendes Bild (Tab. 6.15):<br />
Nach den Berechnungen des Ifo-Instituts liegt seit 1981 der FuE-Anteil an<br />
den Innovationskosten in der Elektrotechnik bei über 50 % <strong>und</strong> damit<br />
über dem Durchschnitt der Investitionsgüter produzierenden Industrie.<br />
Das besagt zunächst, daß ein relativ hoher Anteil der Innovationsaufwen-<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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dungen außerhalb des FuE-Bereichs anfällt. Dieser Anteil ist in der Investitionsgüter<br />
produzierenden Industrie sogar noch größer als in der Elektroindustrie.<br />
Dies bestätigt unsere Annahme, wonach sich eine Untersuchung<br />
des Innovationsgeschehens in der Industrie nicht allein auf die FuE-<br />
Abteilungen stützen kann.<br />
Hält man sich an die SV-Daten über den FuE-Aufwand der Elektroindustrie<br />
<strong>und</strong> setzt diese in Beziehung zu den Ifo-Daten über die Innovationsaufwendungen<br />
in dieser Branche, ergeben sich freilich höhere FuE-Anteile,<br />
als vom Ifo-Institut berechnet (Tab. 6.16).<br />
Offenk<strong>und</strong>ig weist der Stifterverband höhere FuE-Ausgaben für die Elektroindustrie<br />
aus als das Ifo-Institut. Eine Vergleichbarkeit zwischen den<br />
Ergebnissen der beiden Institutionen ist somit nur bedingt möglich. Trotzdem<br />
läßt sich festhalten, daß die FuE-Intensität in der Elektrotechnik über<br />
derjenigen des Investitionsgütersektors liegt. Für das Jahr 1985 ergeben<br />
sich folgende branchenspezifische Vergleichswerte bezüglich des FuE-Anteils<br />
an den Innovationsaufwendungen (Berechnungen wie in Tab. 6.16):<br />
Chemische Industrie: 43,3 %<br />
Straßenfahrzeugbau: 36,4 %<br />
Maschinenbau: 63,0 %<br />
Elektroindustrie: 60,4 %<br />
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Demnach ist die FuE-Intensität der Elektroindustrie wesentlich höher als<br />
die der Chemischen Industrie <strong>und</strong> des Straßenfahrzeugbaus. Der hohe Anteil<br />
der FuE-Aufwendungen an den Innovationskosten im Maschinenbau<br />
dürfte in erster Linie mit dem großen Konstruktionsaufwand in dieser<br />
Branche zusammenhängen. In der elektrotechnischen Industrie begründet<br />
er sich dagegen auf die Werte der Subkategorie "experimentelle Entwicklung"<br />
(Tab. 6.17).<br />
Untersuchen wir nun, wie es sich mit dem Anteil der Innovationsaufwendungen<br />
verhält, der in der Elektrotechnischen Industrie ausschließlich für<br />
Forschung aufgewendet wird (s. nebenstehende Tabelle 6.18).<br />
Diese Tabelle legt den Schluß nahe, daß in der Elektroindustrie erst ab<br />
1985 der für Forschung aufgewendete Teil der Innovationskosten über<br />
dem Durchschnitt des Investitionsgüter produzierenden Gewerbes liegt.<br />
Aufgr<strong>und</strong> der oben genannten Besonderheiten der vom Ifo-Institut erhobenen<br />
Daten ist dieser Schluß freilich nicht zwingend.<br />
Eine denkbare Erklärung für die vom Ifo-Institut ausgewiesene geringere<br />
Höhe der FuE-Aufwendungen könnte sein, daß bei der Aufschlüsselung<br />
der Innovationsaufwendungen die Rubrik "Prozeßinnovationen" unterschieden<br />
wird. Da also getrennt nach Aufwendungen für Forschung, Ent-<br />
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wicklung, Konstruktion <strong>und</strong> Prozeßinnovation gefragt wurde, ist es möglich,<br />
daß die Kosten von FuE-Tätigkeiten, die speziell bei der Innovation<br />
von Produktionsprozessen <strong>und</strong> -verfahren anfallen, nicht mehr bei den<br />
FuE-Aufwendungen auftauchen.<br />
Tab. 6.18:<br />
Anteil von Forschung an den Innovationsaufwendungen der Elektroindustrie<br />
<strong>und</strong> dem Investitionsgüter produzierenden Gewerbe (in Prozent)<br />
1982 1983 1984 1985 1986 1987<br />
Elektroindustrie<br />
Investitionsgüter<br />
prod.<br />
Gewerbe<br />
7.3 8.3 6.3 7.5 12.1 13.2<br />
7.5 8.1 7.2 7.1 8.9 8.7<br />
Quelle: Ifo-Innovationstest, laufende Jahrgänge, Mitteilung des Ifo-Instituts auf Anfrage<br />
Was das Verhältnis zwischen den Aufwendungen für Produkt- <strong>und</strong> Prozeßinnovationen<br />
betrifft, ist die vom Ifo-Institut für "den Zeitraum 1979<br />
bis 1986 festgestellte Verschiebung im Innovationsbudget zugunsten der<br />
Prozeßseite" (Penzkofer u.a. 1989, S. 16) von Interesse. Wäre diese Aussage,<br />
die sich auf das Verarbeitende Gewerbe bezieht, zutreffend, spräche<br />
das für eine Schwerpunktverlagerung industrieller Innovationsstrategien.<br />
Statt auf offensive Strategien (Produktinnovationen), die ein höheres Risiko<br />
des Scheiterns beinhalten, würden die Unternehmen in stärkerem<br />
Maße auf defensive Strategien (Prozeßinnovationen) setzen. Betrachtet<br />
man allerdings die Daten des Ifo-Innovationstests für die Elektrotechnische<br />
Industrie, läßt sich diese Behauptung zumindest für den Zeitraum<br />
1982 bis 1987 kaum belegen (Tab. 6.19). Die erhobenen Daten lassen keinen<br />
klaren <strong>und</strong> eindeutigen Trend in Richtung Prozeßinnovation erkennen.<br />
Allerdings ist auch die Kürze des betrachteten Zeitraums nicht dazu<br />
angetan, verläßliche Trendaussagen zu treffen.<br />
Gleichwohl ist für die Einschätzung der Wissenschafts- <strong>und</strong> Technologieentwicklung,<br />
aber auch für die der Entwicklung fortgeschrittener Indu-<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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striegesellschaften insgesamt, die Frage nach Schwerpunktverlagerungen<br />
von Innovationsstrategien von größter Bedeutung.<br />
"Die Erhebungsergebnisse des Ifo-Innovationstests aus dem Jahre 1986 indizieren,<br />
daß sich solch ein Wandel abzeichnet. Produktinnovationen,<br />
denen neue Materialien zugr<strong>und</strong>eliegen oder die zu gr<strong>und</strong>legend neuen<br />
Produkten führen, werden nach den Angaben der Innovationstestteilnehmer<br />
die Innovationsaktivitäten künftig verstärkt prägen. Prozeßinnovationen<br />
werden dagegen - offenbar auch auf der Gr<strong>und</strong>lage moderner Informations-<br />
<strong>und</strong> Kommunikationstechnologien - in größerem Umfang als bisher<br />
neue technisch-organisatorische Strukturen erfordern" (Penzkofer u.a.<br />
1989, S. 23).<br />
Während die Untersuchung des zweiten Trends seit geraumer Zeit zu den<br />
Aufgaben der Industriesoziologie gehört, liegen zur Bedeutung von Materialinnovationen<br />
aus den Reihen dieser Disziplin noch keine Analysen vor<br />
(s. Kapitel 8). Aber nicht nur für die Industriesoziologie, sondern auch für<br />
gesellschaftstheoretische Interpretationsversuche, die nach den Momenten<br />
einer Transformation des Industriekapitalismus (etwa in Richtung eines<br />
"technological capitalism") fahnden, dürften die behaupteten Tendenzen<br />
von größter Tragweite sein.<br />
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Trotz der notierten Unklarheiten denken wir, daß der vom Ifo-Institut<br />
eingeschlagene Weg einer integrativen Erfassung der Innovationskosten<br />
für die Zeitspanne von der Gewinnung neuer Kenntnisse bis zu deren<br />
Umsetzung in marktfähige Produkte, der auch die Organisationskosten erfaßt,<br />
vom Ansatz her in die richtige Richtung weist. Im Zeichen systemischer<br />
resp. integrativer Rationalisierung <strong>und</strong> der damit einhergehenden<br />
Integration unterschiedlicher Unternehmensfunktionen mit dem Ziel der<br />
"permanenten Innovation" sind die Kosten dieses Prozesses nicht allein<br />
dem Bedarf der FuE-Abteilungen zuzuschreiben. Vielmehr sind am Innovationsprozeß<br />
weit mehr als nur die "innovativen Subsysteme" beteiligt.<br />
Allerdings helfen Untersuchungen, wie sie vom Ifo-Institut angestellt werden,<br />
nicht weiter, wenn man sich für die Produktionsbedingungen von wissenschaftlich-technischen<br />
Innovationen interessiert. Dieser Vorbehalt gilt<br />
um so mehr, wenn man nach den gesellschaftlichen Implikationen fragt,<br />
die auftreten, wenn, wie man in Anlehnung an G. Brandt (1987) formulieren<br />
könnte, tendenziell "das gesamte Unternehmen die Qualität einer innovativen<br />
Organisation annimmt" (zitiert nach Brandt 1990, S. 355). Hier<br />
scheinen Industrie- <strong>und</strong> Organisationssoziologie gefordert, Antworten zu<br />
liefern.<br />
6.11 Zusammenfassung wichtiger Ergebnisse der innovationsbezogenen<br />
Branchenanalyse<br />
Innerhalb der b<strong>und</strong>esdeutschen Ökonomie spielt die Elektrotechnische<br />
Industrie gemessen an Umsatz <strong>und</strong> Beschäftigung eine herausragende<br />
Rolle. Sie zählt zu den technologischen Schlüsselindustrien, weil ihre Produkte<br />
<strong>und</strong> Verfahren nicht nur innerhalb der eigenen Branche, sondern<br />
weit darüber hinaus in der Industrie <strong>und</strong> im Dienstleistungssektor Anwendung<br />
finden. Dadurch beeinflußt die Elektro- <strong>und</strong> Elektronikindustrie<br />
ganz entscheidend das gesamtwirtschaftliche Rationalisierungsgeschehen.<br />
Mit ihrer Wachstumsdynamik liegt sie deutlich über der Produktionsentwicklung<br />
vergleichbarer Industriegruppen, auch wenn in jüngster Zeit immer<br />
häufiger von verringerten Zuwachszahlen - insbesondere im EDV-Bereich<br />
- die Rede ist. Am Weltmarkt für elektrotechnische Produkte nimmt<br />
die deutsche Elektroindustrie in vielen Bereichen eine bedeutende Position<br />
ein, die wesentlich auf der Verfügung über wissenschaftlich-techni-<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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sches Wissen beruht. 3<br />
Die Erzeugung dieses Wissens <strong>und</strong> dessen Umsetzung<br />
in neue Produkte <strong>und</strong> Verfahren zählt zu den herausragenden Mitteln<br />
der Unternehmen, den durch beschleunigten technologischen Wandel<br />
<strong>und</strong> verschärfte Weltmarktkonkurrenz veränderten Bedingungen Rechnung<br />
zu tragen. Aus diesem Gr<strong>und</strong> erscheint uns der Versuch, Innovationspotentiale<br />
durch eine Erhebung des FuE-Aufwandes zu bestimmen, ein<br />
erster, wenn auch notwendig unvollkommener Schritt zu sein.<br />
Unsere Darstellung <strong>und</strong> Interpretation vorliegender Daten zur Entwicklung<br />
der industriellen FuE-Aufwendungen folgte notgedrungen der impliziten<br />
Annahme einer Identität von FuE-Potentialen einerseits <strong>und</strong> Innovationspotentialen<br />
andererseits. Dabei könnte der Eindruck entstehen, die<br />
zur Hervorbringung neuer Produkte <strong>und</strong> Verfahren notwendigen Arbeitsprozesse<br />
fänden ausschließlich in ausdifferenzierten FuE-Abteilungen<br />
statt. Die Bedeutung der übrigen Unternehmensbereiche für den Innovationsprozeß,<br />
vor allem bei der Ideenfindung <strong>und</strong> Aufgabendefinition sowie<br />
bei der Umsetzung <strong>und</strong> Diffusion von neuen Technologien, darf jedoch<br />
nicht vernachlässigt werden. Von den gesamten Innovationsaufwendungen<br />
fällt folglich nur ein Teil auf Forschung <strong>und</strong> Entwicklung. Zusätzlich zu berücksichtigen<br />
sind u.a. die Kosten für die Produktionsvorbereitung neuer<br />
Produkte oder für die Absatzvorbereitung. Allerdings sind die Probleme<br />
bei der Interpretation der dazu vorliegenden Daten nicht unbedingt kleiner<br />
als bei den FuE-Daten.<br />
Vor dem Hintergr<strong>und</strong> der im Verlaufe dieses Kapitels notierten Vorbehalte<br />
gegenüber der Aussagekraft der verfügbaren, auf Input-Größen basierenden<br />
Daten über industrielle Innovationspotentiale lassen sich folgende<br />
Ergebnisse festhalten:<br />
(1) In bezug auf die Zahl der FuE-Beschäftigten <strong>und</strong> die Höhe der FuE-<br />
Ausgaben nimmt die Elektrotechnische Industrie in der B<strong>und</strong>esrepublik<br />
die führende Position ein. In beiden Dimensionen des FuE-Potentials lassen<br />
sich seit Anfang der 70er Jahre sowohl absolut als auch relativ deutliche<br />
Steigerungen erkennen.<br />
43 Allerdings wird in der Wirtschaftsberichterstattung immer wieder auf die niedrigen<br />
Anteile der europäischen <strong>und</strong> damit auch der deutschen Computerindustrie<br />
in wichtigen Segmenten des Weltmarkts hingewiesen (z.B. im Hardware-Bereich<br />
oder bei Halbleitern).<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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(2) Bei den FuE-Beschäftigten zeichnet sich in jüngster Zeit eine Tendenz<br />
zum Einsatz höherqualifizierter Arbeitskräfte ab.<br />
(3) Gemessen an der Gesamtzahl von elektrotechnischen Unternehmen<br />
betreibt nur eine relativ kleine Zahl von Firmen eigenständig FuE.<br />
(4) Das FuE-Personal <strong>und</strong> die FuE-Aufwendungen konzentrieren sich bei<br />
den wenigen Großunternehmen.<br />
(5) Sowohl dort als auch für die Branche generell gilt, daß die FuE-Ausgaben<br />
den Aufwand für Sachinvestitionen übersteigen. Darüber hinaus spielen<br />
bei den Beteiligungen neben markt- vor allem innovationsstrategische<br />
Überlegungen eine zentrale Rolle.<br />
(6) Im Vergleich zu anderen innovationsintensiven Branchen ist der Eigenfinanzanteil<br />
der Elektrotechnischen Industrie an den FuE-Aufwendungen<br />
relativ gering.<br />
(7) Der externe FuE-Aufwand (Auftragsforschung) hat in den letzten Jahren<br />
an Bedeutung gewonnen.<br />
(8) Die Gesamtaufwendungen für Innovationen übersteigen auch in der<br />
Elektrotechnischen Industrie deutlich die FuE-Aufwendungen. Trotzdem<br />
weist die Elektroindustrie im Vergleich zu den ebenfalls als "verwissenschaftlicht"<br />
geltenden Branchen Automobil- <strong>und</strong> Chemische Industrie<br />
einen wesentlich höheren FuE-Anteil auf.<br />
Insgesamt kann mit Hilfe der vorliegenden Daten, trotz aller Vorbehalte<br />
gegenüber ihrer Aussagekraft, unsere These gestützt werden, daß die Anstrengungen<br />
zur Bewältigung von Innovationsrisiken in den Unternehmen<br />
der Elektrotechnischen Industrie an Relevanz gewinnen. Die aktuelle<br />
Wirtschaftsberichterstattung <strong>und</strong> die Innovationsforschung weisen darauf<br />
hin, daß nicht nur die FuE-Aufwendungen in neue Größenordnungen hineingewachsen<br />
sind, sondern daß gegenwärtig auch die Organisationsstrukturen<br />
forschungsintensiver Unternehmen an veränderte Anforderungen<br />
angepaßt werden. In den folgenden Kapiteln werden wir den dabei zu beobachtenden<br />
Tendenzen nachgehen.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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TeilD<br />
Strategien <strong>und</strong> Strukturen<br />
innovativer Unternehmen<br />
Drei Forschungshypothesen <strong>und</strong> erste Schritte<br />
zu ihrer empirischen Überprüfung<br />
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Einleitung<br />
Die Liste von Elektrounternehmen, die in jüngster Zeit mehr oder weniger<br />
weitreichende Modifikationen ihrer Organisationsstrukturen vorgenommen<br />
haben oder gegenwärtig vornehmen, liest sich wie ein "Who's<br />
who?" der europäischen <strong>und</strong> US-amerikanischen Elektro- <strong>und</strong> Elektronikindustrie:<br />
AEG, BBC/ABB, Bosch, Ericsson, Gr<strong>und</strong>ig, Hewlett/Packard,<br />
IBM, Nixdorf, Nokia, Norsk Data, Olivetti, Philips, SEL, Siemens, Sperry,<br />
Telenorma, Texas Instruments, Thomson u.a. Diese Entwicklung läßt sich<br />
seit mehreren Jahren beobachten <strong>und</strong> kann als Reaktion der Unternehmen<br />
auf die doppelte Herausforderung durch verschärfte Konkurrenzbedingungen<br />
auf nationalen <strong>und</strong> internationalen Märkten <strong>und</strong> die Beschleunigung<br />
des wissenschaftlich-technologischen Wandels gesehen werden.<br />
Auf der Ebene nationaler <strong>und</strong> internationaler Märkte sind Veränderungen<br />
zu registrieren, die die Gr<strong>und</strong>struktur der sozio-ökonomischen Rahmenbedingungen<br />
berühren. Diese beruhen auf einer Tendenz zu verstärkter<br />
Weltmarktkonkurrenz <strong>und</strong> Intensivierung der Verflechtung auf internationaler<br />
Ebene einerseits (vgl. Ohmae 1985) <strong>und</strong> einer Tendenz zu Marktsättigung<br />
<strong>und</strong> Stagnation im Bereich der Massengüterproduktion sowie einer<br />
Verlagerung der Nachfrage auf Nicht-Massengüter, die die Individualität<br />
der Käufer unterstreichen sollen, andererseits. Mittlerweile ist es fast<br />
schon ein Gemeinplatz geworden, von einer Krise des Systems der Massenproduktion<br />
zu reden. Nach verbreiteter Ansicht bewegen wir uns weg<br />
von einem Produktionsmodell, in dem vorwiegend für einen anonymen<br />
Markt produziert wird <strong>und</strong> die Steigerung der Mengenleistung sowie die<br />
Senkung der Stückkosten im Vordergr<strong>und</strong> der Rationalisierungsbemühungen<br />
stehen. Mit dem Hinweis auf Marktsättigungstendenzen <strong>und</strong> eine Differenzierung<br />
der Nachfrage wird ein Kontrastmodell propagiert, in dem<br />
markt- <strong>und</strong> k<strong>und</strong>enbezogene Anforderungen eine wesentlich stärkere<br />
Rolle spielen <strong>und</strong> "die Produktion spezialisierter Produkte mit nicht spezialisierten<br />
Ressourcen (qualifizierte Arbeitskräfte <strong>und</strong> universale, programmierbare<br />
Maschinen)" (Sabel 1986, S.45) an Bedeutung gewinnt.<br />
Zwar ist es unserer Ansicht nach übertrieben, angesichts dieser Tendenzen<br />
von einer einschneidenden "Krise" oder gar dem "Ende der Massen-<br />
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Produktion" (Piore, Sabel 1984) zu sprechen. Dennoch erscheint die Vermutung<br />
gerechtfertigt, daß qualitative <strong>und</strong> quantitative Nachfrageveränderungen<br />
der bislang favorisierten Strategie einer Ausnutzung der "economies<br />
of scale" Grenzen setzen. Sehr viel stärker als noch vor zehn Jahren<br />
gilt es jetzt, die Forderung nach ökonomischer Auslastung der Kapazitäten<br />
(Stichwort: Ineffizienzrisiko) mit den gestiegenen Anforderungen in<br />
Hinsicht auf Termintreue, Flexibilität <strong>und</strong> Qualität der Fertigung (Stichwort:<br />
Nachfragerisiko) zu verbinden. Dies scheint auch für die traditionelle<br />
Einzelfertigung der Investitionsgüterindustrie zuzutreffen, wo sich der<br />
schon immer bestehende Differenzierungsdruck nochmals verschärft hat.<br />
Die im Bereich hochwertiger Technologien tätigen Unternehmen sind zudem<br />
gegenwärtig mit zunehmend kürzer werdenden Produktlebenszyklen<br />
konfrontiert, denen ein starker Anstieg des zeitlichen <strong>und</strong> finanziellen<br />
Aufwands für die Entwicklung <strong>und</strong> Kommerzialisierung neuer Technologien<br />
gegenübersteht. Teilweise ist die Lebensdauer eines Produkts schon<br />
kürzer als seine Entwicklungszeit (Bullinger 1989). Im Bereich der hier besonders<br />
interessierenden Elektroindustrie sind es namentlich der Wandel<br />
von der Elektromechanik zur Elektronik, der in fast allen Produktgruppen<br />
stattfindet, <strong>und</strong> die Wertigkeitsverschiebung von der Hardware zur Software<br />
(s. Abschnitt 5.3.2), die die Unternehmen zu verstärkten Innovationsanstrengungen<br />
zwingen. Daneben wird es für die Unternehmen immer<br />
wichtiger, nicht mehr nur einzelne Produkte oder Produktbausteine zu liefern,<br />
sondern in der Lage zu sein, ganze Systeme bzw. mit bestehenden Systemen<br />
kompatible Systemeinheiten liefern <strong>und</strong> dabei auf differenzierte<br />
K<strong>und</strong>enwünsche eingehen zu können. Auch gilt es, bei anstehenden Entscheidungen<br />
über neue, möglicherweise auch international geltende Normen<br />
durch einen substantiellen Wissensvorsprung die entsprechenden Daten<br />
setzen zu können. Insgesamt haben es die Unternehmen mit erhöhten<br />
Anforderungen an Produkt- <strong>und</strong> Prozeßinnovationen zu tun (Stichwort:<br />
Innovationsrisiko), die Fragen des Technologie- <strong>und</strong> Innovationsmanagement<br />
bedeutsamer werden lassen. Allerdings sind die veränderten Bedingungen<br />
des wissenschaftlich-technischen Wandels wenigstens zum Teil<br />
auch Resultat unternehmerischer Strategien, können jedoch in aller Regel<br />
nicht vom einzelnen Unternehmen allein bestimmt werden. Technisch-wissenschaftliche<br />
Neuerungen sind also, anders als die von Unternehmen ungleich<br />
schwerer zu beeinflussende Nachfrageentwicklung, einerseits Erwartungshorizont,<br />
der der Unternehmensleitung als Kontext erscheint <strong>und</strong><br />
Entscheidungsmöglichkeiten begrenzt, andererseits aber in verstärktem<br />
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Maße Handlungsfeld unternehmerischer Entscheidungen, soweit das Unternehmen<br />
über die gezielte Allokation von Ressourcen den "technischen<br />
Fortschritt" in seinem Gang selbst zu beeinflussen vermag.<br />
Bei der simultanen Bewältigung des Nachfrage-, Ineffizienz- <strong>und</strong> Innovationsrisikos<br />
können die Unternehmen auf neuartige Technologien zurückgreifen,<br />
deren Einsatz Auswirkungen auf die gesamte <strong>Unternehmensorganisation</strong><br />
hat. So bietet die Anwendung von neuen Produktions-, Organisations-<br />
<strong>und</strong> Steuerungstechnologien (CAD, CAM, CAP, PPS etc.) die Möglichkeit<br />
der unmittelbaren Integration bisher relativ isolierter Unternehmensfunktionen<br />
<strong>und</strong> erlaubt einen verstärkten Zugriff höherer Managementinstanzen<br />
auf die Sphären der unmittelbaren Produktion wie der ihr<br />
vor- <strong>und</strong> nachgelagerten Bereiche. Dabei geht der Trend in Richtung auf<br />
eine simultane, gleichsam systemische Implementation dieser Technologien,<br />
da beispielsweise der Vorteil von CAD nicht allein in einer Rationalisierung<br />
der Konstruktionsarbeit liegt, sondern vor allem in der damit<br />
durchgesetzten Chance der Transformation dieser Arbeit <strong>und</strong> der dort<br />
produzierten Daten in mit den Anforderungen der Produktion unmittelbar<br />
kommensurabilisierbare Tätigkeiten <strong>und</strong> Steuerungsinformationen. Angestrebt<br />
wird von den Protagonisten der rechnergestützten Integration<br />
(CIM) die Einbeziehung aller Unternehmensbereiche, die zu Entwicklung,<br />
Design, Produktion, Qualitätssicherung, Marketing, Vertrieb <strong>und</strong> Service<br />
eines Produktes beitragen. Sie versprechen sich (<strong>und</strong> anderen) dadurch<br />
eine Lösung des Zielkonflikts zwischen Produktivität <strong>und</strong> Flexibilität.<br />
Viele der in der mittlerweile kaum noch zu überschauenden CIM-Diskussion<br />
propagierten Konzepte haben trotz des gebetsmühlenartig vorgebrachten<br />
Hinweises auf die Verknüpfung von Informationen, Material <strong>und</strong><br />
Maschinen über alle Bereichsgrenzen hinweg eine eigentümliche Tendenz,<br />
das Zentrum der Problemlösung bevorzugt oder gar allein im Werkstattbzw.<br />
Fertigungsbereich zu suchen. Demgegenüber wird hier behauptet,<br />
daß die Flexibilisierung der Fertigung durch den Einsatz von Informationstechnologien<br />
nur ein Moment der gegenwärtig zu beobachtenden Rationalisierungsmaßnahmen<br />
darstellt. Sein Stellenwert läßt sich nur dann<br />
genauer einschätzen, wenn das Gesamt der Unternehmensstrategien berücksichtigt<br />
wird (s. Abschnitt 3.6).<br />
Es zeichnet sich deutlich ab, daß die Unternehmen mit mehr oder weniger<br />
großem Aufwand die Problematik der notwendigen Anpassung an verän-<br />
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derte ökonomische <strong>und</strong> technisch-wissenschaftliche Bedingungen angehen<br />
<strong>und</strong> dabei den Wandel ihrer internen wie externen Umwelten aktiv vorantreiben.<br />
Zu diesen Maßnahmen zählen neben dem Wachstum durch Fusionen<br />
<strong>und</strong> Übernahmen sowie dem Aufbau transnationaler Strukturen<br />
die Konzentration auf bestimmte Kernaktivitäten, die von den Unternehmen<br />
zum Teil in Netzwerke aus Kooperationen mit Konkurrenten <strong>und</strong><br />
K<strong>und</strong>en eingebracht werden (s. Kapitel 9). Motiviert wird diese Konzentrationsstrategie<br />
durch "steigende Skalenerträge, hohe Fixkosten - besonders<br />
in Forschung <strong>und</strong> Entwicklung -, die eine kritische Größe für ein Unternehmen<br />
bedingen, interne Synergien oder auch das Streben nach<br />
Marktmacht" (Poutrel, Queisser 1990, S. 5).<br />
Die strategische Beschränkung von Unternehmen auf technologische<br />
Kernaktivitäten läßt sich in wichtigen Teilmärkten beobachten. Im Bereich<br />
der Telekommunikation z.B. haben zahlreiche Telefonhersteller im Alleingang<br />
an der Entwicklung von digitalen Fernmeldesystemen gearbeitet<br />
(jeweilige FuE-Kosten 0,6 bis 1,0 Mrd. $), ohne jedoch diese Investitionskosten<br />
amortisieren zu können. 1<br />
In der Folge gaben einige Firmen diesen<br />
Markt ganz auf bzw. trennten sich von den betreffenden Aktivitäten, andere<br />
beschränkten sich auf Lizenznahme, schlossen Kooperationen oder<br />
fusionierten. Trotz dieser vielfältigen Kooperationen schätzen Experten,<br />
daß sich die FuE-Investitionen erst in der nächsten Generation von Vermittlungssystemen<br />
(für ISDN-Netze) rechnen, deren Entwicklungskosten<br />
allerdings noch höher sein werden (Schätzungen gehen von ca. 5 Mrd. DM<br />
aus). Man nimmt an, daß weltweit überhaupt nur fünf Firmen diese Innovationskosten<br />
tragen können. Zu den aussichtsreichsten Kanditaten zählen<br />
AT&T, Northern Telecom <strong>und</strong> Siemens. 2<br />
Auf dem Markt erzeugen diese zunächst rein internen Maßnahmen eine<br />
wachsende Monopolisierung, aber auch eine Verschärfung der Konkurrenz<br />
zwischen den einzelnen Unternehmen oder Kooperationsverbünden.<br />
Es ist absehbar, daß diese Tendenz nicht auf den Bereich der Telekommunikation,<br />
in dem die FuE-Kosten enorm gestiegen sind, beschränkt<br />
bleibt, sondern für weitere Teile der Elektrotechnischen Industrie relevant<br />
1 Hochkonjunktur für Fusionen, Industriemagazin, 3/1988.<br />
2 Ebd.<br />
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wird. Schon jetzt lassen sich ähnliche Entwicklungen in anderen Marktsegmenten<br />
feststellen.<br />
1987 übernahm in einem Unternehmenstausch Thomson die Abteilung elektronische<br />
Konsumgüter des US-Konzerns General Electric (GE). Thomson wurde dadurch<br />
zum drittgrößten Anbieter von Unterhaltungselektronik hinter Philips <strong>und</strong><br />
Matsushita <strong>und</strong> verschaffte sich zugleich Zugang zum US-Markt. Im Gegenzug erhielt<br />
GE die Thomson-Sparte Medizintechnik CGR <strong>und</strong> wurde damit zum größten<br />
Anbieter auf diesem schnell wachsenden Weltmarkt. 3<br />
Mannesmann verkaufte 1987 seine Anteile an der ANT Backnang an Bosch <strong>und</strong><br />
konzentrierte sich damit auf den mit Elektronik <strong>und</strong> EDV verknüpften Aggregatebau.<br />
Durch den Verkauf erhielt das Unternehmen die notwendigen Mittel, um stärker<br />
in diese Richtung diversifizieren zu können. Dies wird möglicherweise in den<br />
USA geschehen, da das Topmanagement als Begründung seiner Aktivitäten die<br />
Ziele "Globalisierung <strong>und</strong> Internationalisierung" nennt. 4<br />
Philips gründete 1988 mit Whirlpool ein Gemeinschaftsunternehmen für Hausgeräte.<br />
Das neue Unternehmen lag damit weltweit auf dem ersten Platz der Branchenrangliste,<br />
noch vor der schwedischen Elektrolux. Für Philips bedeutete das Projekt<br />
eine weitere Beschränkung auf Kernaktivitäten wie Elektronik, Kommunikationstechnik<br />
<strong>und</strong> Licht.<br />
Elektrolux erwarb ebenfalls im Jahre 1988 die Abteilung Hausgeräte des britischen<br />
Konzerns Thorn EMI PLC. Als Gr<strong>und</strong> für den Verkauf nannte Thorn die notwendige<br />
"Konzentration auf unser strategisches Geschäft <strong>und</strong> die stärksten Geschäftszweige".<br />
6<br />
Anfang 1988 verkaufte der schwedische Konzern Ericsson seine EDV-Abteilung an<br />
Nokia, um sich auf Kernaktivitäten zu konzentrieren. 7<br />
Auch Siemens, nach der Krise der AEG neben Bosch das letzte Universalunternehmen<br />
der Elektro- <strong>und</strong> Elektronikindustrie in der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland,<br />
verfolgt neuerdings eine Strategie der Beschränkung der Unternehmenstätigkeit auf<br />
Kernbereiche. Als solche gelten diejenigen Geschäftsfelder, auf denen Siemens in<br />
einem Zeitraum von fünf bis zehn Jahren entweder der größte oder zweitgrößte<br />
Anbieter auf dem Weltmarkt sein wird. Wie in den oben geschilderten Fällen auch,<br />
verbindet sich die Strategie der Beschränkung auf Kernaktivitäten mit dem Verkauf<br />
3 Frontbegradigung bei Unterhaltungselektronik, TAZ, 25.7.1987.<br />
4 Weite Wege zum integrierten Systemangebot, Handelsblatt, 1.12.1987.<br />
5 Bauknecht erhält amerikanische Eigentümer, FR, 20.8.1988.<br />
6 Thorn-Küchengeräte an Elektrolux, FAZ, 13.4.1988.<br />
7 Nokia schnappt sich EDV von Ericsson, FR, 21.1.1988.<br />
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derjenigen Unternehmensteile, die dazu nicht unmittelbar oder mittelbar einen<br />
Beitrag leisten können; zugleich wird aber eine rege Akquisitionstätigkeit entfaltet,<br />
die mit großem Kapitalaufwand auch große Konkurrenten aufkauft, wenn sich dafür<br />
eine Gelegenheit bietet (z.B. Nixdorf, Linotype etc.).<br />
In der Regel haben die Käufe <strong>und</strong> Verkäufe von Unternehmen bzw. von<br />
Unternehmensteilen erhebliche Auswirkungen auf die Organisationsstruktur<br />
der betroffenen Unternehmen <strong>und</strong> - darüber vermittelt - auch auf die<br />
Beschäftigungssicherheit <strong>und</strong> die Arbeitsbedingungen der dort Arbeitenden.<br />
Derartige Transaktionen gehen deshalb meist nicht reibungslos vonstatten.<br />
Warnstreiks, lautstarke Proteste <strong>und</strong> Klagedrohungen von Arbeitnehmervertretern<br />
sind freilich meist nur Ausdruck der Machtlosigkeit der<br />
Betroffenen.<br />
Lassen sich organisationsstrukturelle Veränderungen auch für frühere<br />
Phasen der industriellen Entwicklung nachweisen, so scheinen sie heute<br />
durch die Verknüpfung mit der bewußt vollzogenen Beschleunigung der<br />
technisch-wissenschaftlichen Entwicklung eine neue Qualität zu gewinnen,<br />
die im Aufbau neuer, die Flexibilitätsanforderungen des Marktes <strong>und</strong> der<br />
Technologieentwicklung eher fördernder Strukturen der <strong>Unternehmensorganisation</strong><br />
bestehen. Dabei gibt es nach unserem Eindruck vor allem in<br />
der Elektroindustrie zahlreiche Hinweise darauf, daß die organisatorischen<br />
Strategien zur Beherrschung des Nachfrage- <strong>und</strong> des Ineffizienzrisikos<br />
tendenziell mit denen zur Beherrschung des Innovationsrisikos verschränkt<br />
werden. Neuartige organisatorische Arrangements, so unsere<br />
Vermutung, sollen dazu dienen, Effizienz-, Flexibilitäts- <strong>und</strong> Innovationsprobleme<br />
simultan zu lösen. Dieser These wollen wir im folgenden anhand<br />
von drei Entwicklungstendenzen industrieller Organisationsstrukturen<br />
nachgehen. Diese Tendenzen, die sich in erster Linie bei den Großunternehmen<br />
abzeichnen, sind im einzelnen:<br />
Veränderungen der Aufbauorganisation bezogen auf die Gesamtstruktur<br />
<strong>und</strong> auf Teilbereiche der Unternehmen (Kapitel 7);<br />
neue Organisationsformen von Innovationsprozessen (Kapitel 8);<br />
stärkerer Rückgriff auf externe organisatorische Arrangements (Kapitel<br />
9).<br />
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7. Neue Formen der <strong>Unternehmensorganisation</strong><br />
Ein breiter Konsens scheint darüber zu bestehen, daß Industrieunternehmen<br />
tatsächlich unter veränderten Kontextbedingungen agieren müssen,<br />
die ihnen eine höhere Flexibilität <strong>und</strong> Innovationsfähigkeit abverlangen,<br />
ohne daß deshalb Qualitäts- <strong>und</strong> Kostengesichtspunkte vernachlässigt<br />
werden könnten. Daraus, so kann in der Wirtschaftspresse fast täglich<br />
nachgelesen werden, resultiert eine Verkürzung der Produktlebenszyklen<br />
bzw. eine Beschleunigung des technologischen Wandels, eine Zunahme<br />
der Produktvielfalt, eine Verringerung der Losgrößen <strong>und</strong> der Zwang zu<br />
erhöhter Lieferbereitschaft. Umstritten sind freilich die institutionellen<br />
Konsequenzen, die mit diesem Wandel der Konkurrenzbedingungen verb<strong>und</strong>en<br />
sind. So steht z.B. die These von der "Größe der Kleinen" (Aiginger,<br />
Tichy 1985), die parallel zur Krise der Massenproduktion eine Krise<br />
des Großunternehmens impliziert, in Konkurrenz zu der Auffassung, daß<br />
sich die Flexibilisierung überkommener Formen der Massenproduktion<br />
überwiegend im Rahmen großbetrieblicher Organisationsformen hält<br />
(Brandt 1986b). Um eine Auflösung dieser Kontroverse bemühen sich Ansätze,<br />
die unter dem Eindruck zunehmender Turbulenz der ökonomischen<br />
Umwelt den Beziehungen zwischen Groß- <strong>und</strong> Kleinunternehmen nachgehen<br />
<strong>und</strong> dabei die Bedeutung von Unternehmensnetzwerken als möglicher<br />
Alternative zwischen hierarchischen <strong>und</strong> marktvermittelten Transaktionen<br />
untersuchen (vgl. Thorelli 1986; Grabher 1988; Powell 1990). Uns geht es<br />
im folgenden darum, aufzuzeigen, mit welchen organisatorischen Strategien<br />
<strong>und</strong> Maßnahmen Großunternehmen der Elektroindustrie versuchen,<br />
den veränderten Kontextbedingungen zu begegnen.<br />
7.1 Funktionale versus divisionale Organisationsstruktur<br />
Fragen der Aufbauorganisation fanden in der Nachkriegsentwicklung der<br />
b<strong>und</strong>esdeutschen Wirtschaft schon einmal große Aufmerksamkeit. Ab<br />
dem Ende der 60er Jahre wurde in zahlreichen industriellen Großunternehmen<br />
die klassische funktionale oder verrichtungsorientierte Organisationsform<br />
durch die divisionale oder objektbezogene Organisationsstruk-<br />
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tur abgelöst. Während bei der funktionalen Organisationsform (Abb. 7.1)<br />
die Abteilungen auf der obersten Gliederungsebene nach betrieblichen<br />
Funktionen wie Beschaffung, Forschung <strong>und</strong> Entwicklung, Fertigung <strong>und</strong><br />
Absatz ausgerichtet sind, stellen bei der divisionalen Organisation in der<br />
Regel Produkte oder Produktgruppen (seltener Regionen) das entscheidende<br />
Gliederungsprinzip dar:<br />
Wie das Gr<strong>und</strong>modell der divisionalen Organisationsform (Abb. 7.2) zeigt,<br />
sind die einzelnen Divisionen wiederum funktionsorientiert aufgebaut. Die<br />
Divisionalisierung bedeutet somit nicht die Abschaffung der funktionalen<br />
Organisation, sondern lediglich eine Verlagerung der funktionsorientierten<br />
Gliederung auf eine niedrigere Ebene der Leitungshierarchie.<br />
Das Konzept der divisionalen Organisation sieht vor, daß die jeweiligen<br />
Divisionsleiter mit weitgehenden Entscheidungskompetenzen für diejenigen<br />
betrieblichen Funktionen ausgestattet werden, die von besonderer<br />
Bedeutung für das laufende Geschäft <strong>und</strong> den Erfolg ihrer Produktbereiche<br />
sind. Zu diesen Funktionen gehören der Absatz <strong>und</strong> die Produktion<br />
sowie häufig auch die anwendungsnahe Produktentwicklung. Die Spartenleiter<br />
übernehmen damit gleichzeitig gegenüber der Unternehmensleitung<br />
die Ergebnisverantwortung für ihre Produktgruppen. Die Unternehmensleitung<br />
soll durch diese Arrangements entlastet werden <strong>und</strong> sich auf<br />
die strategische Gesamtplanung sowie die Verteilung der Ressourcen auf<br />
die einzelnen Divisionen <strong>und</strong> deren Bewertung konzentrieren können.<br />
In der Praxis ist das divisionale Gr<strong>und</strong>modell in Reinform so gut wie nicht<br />
zu finden. Es wird i.d.R. durch die Einrichtung von Zentralbereichen ergänzt.<br />
"Dabei wird die Aufgabe der Zentralbereiche darin gesehen, die strategische<br />
Ausrichtung der Geschäftsbereiche im Interesse des Gesamtunternehmens<br />
vorzunehmen, Spezialisierungsvorteile <strong>und</strong> Größendegressionseffekte<br />
aufgr<strong>und</strong> von unteilbaren Ressourcen oder gleichartigen Aufgaben<br />
in mehreren Geschäftsbereichen auszunutzen, Dienstleistungen für die<br />
Geschäftsbereiche zu erbringen <strong>und</strong> allgemeine Unternehmensaufgaben,<br />
die aus wirtschaftlicher Betrachtung oder unter dem Aspekt der Unternehmenseinheit<br />
zentralisiert werden sollen, zu leisten" (Kuhn 1989, S. 101).<br />
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7.2 Modifikation divisionaler Unternehmensstrukturen<br />
Folgt man den Verlautbarungen, mit denen Unternehmen der Elektro<strong>und</strong><br />
Elektronikindustrie ihre gegenwärtig zu beobachtenden Reorganisationsmaßnahmen<br />
begleiten (lassen), so steht bei den avisierten Veränderungen<br />
von Organisationsstrukturen der Gedanke einer Steigerung der<br />
Innovationsfähigkeit, der Flexibilität <strong>und</strong> der K<strong>und</strong>en- <strong>und</strong> Marktorientierung<br />
im Vordergr<strong>und</strong>. Traditionelle Rationalisierungsziele wie Kosteneinsparung<br />
<strong>und</strong> höhere Effizienz werden zwar auch genannt, aber ungleich<br />
weniger betont als die innovations-, markt- <strong>und</strong> flexibilitätsbezogenen<br />
Zielsetzungen. Häufig ist in diesem Zusammenhang auch von der strategischen<br />
Ausrichtung als Technologie-Unternehmen oder Technologie-Konzern<br />
die Rede, womit "die strategische Bereitschaft <strong>und</strong> Fähigkeit der Unternehmung<br />
zur Aufnahme <strong>und</strong> Entwicklung neuer oder neuartiger Produktionsprozesse<br />
<strong>und</strong> Produkte <strong>und</strong> damit erhöhte Wachstumsraten"<br />
(Kuhn 1989, S. 91) signalisiert werden sollen.<br />
Wir vermuten - unter Berücksichtigung unternehmensspezifischer Unterschiede<br />
- hinter den meisten der aktuell verfolgten Reorganisationsstrategien<br />
die Absicht, durch Veränderungen der bestehenden Arbeitsteilung<br />
zwischen den Geschäftsbereichen, den Zentralbereichen <strong>und</strong> der Unternehmensleitung<br />
den Zentralisationsgrad der divisionalen <strong>Unternehmensorganisation</strong><br />
zu senken. Davon versprechen sich die Unternehmensleitungen<br />
einerseits eine Steigerung des Flexibilitäts- <strong>und</strong> Innovationspotentials,<br />
um rasch auf neue Marktentwicklungen reagieren zu können, andererseits<br />
aber auch eine Erhöhung der Transparenz, die trotz einer Dezentralisierung<br />
von Entscheidungskompetenzen eine zentrale Steuerung <strong>und</strong> Kontrolle<br />
des Gesamtunternehmens ermöglicht. Abgesichert werden diese<br />
Kontrollbefugnisse in einigen Fällen durch eine gegenläufige Zentralisierungs-<br />
<strong>und</strong> Konzentrationstendenz auf der Finanz- <strong>und</strong> Strategieebene, die<br />
ihren Ausdruck in der Etablierung von Holdings findet (Poutrel, Queisser<br />
1990). Schließlich dürften auch geringere Kosten durch Einsparungen im<br />
sogenannten "Overhead"-Bereich eine Rolle spielen.<br />
Der Zentralisationsgrad divisionalisierter Unternehmen ist u.a. abhängig<br />
vom Autonomiegrad der einzelnen Geschäftsbereiche, von Anzahl, Größe<br />
<strong>und</strong> Diversifikationsgrad der Geschäftsbereiche sowie von der Komplexität<br />
der Steuerungsinstrumente (Bühner 1989b, S. 123). Eine zentrale divisionalisierte<br />
oder Geschäftsbereichsorganisation wäre demnach durch<br />
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einen geringen Grad an Autonomie der Geschäftsbereiche, durch wenige<br />
große Geschäftsbereiche mit einem heterogenen Produktprogramm <strong>und</strong><br />
durch eine hohe Komplexität der Steuerungsinstrumente gekennzeichnet.<br />
Eine dezentrale Geschäftsbereichsorganisation wäre demgegenüber durch<br />
einen hohen Autonomiegrad der Geschäftsbereiche, durch viele kleine<br />
Geschäftsbereiche mit homogenem Produktprogramm sowie durch die geringe<br />
Komplexität der Steuerungsinstrumente bestimmt (ebd.).<br />
Versucht man vor dem Hintergr<strong>und</strong> dieser Dimensionen aufzuzeigen, mit<br />
welchen organisatorischen Gestaltungsstrategien die Unternehmen den<br />
eingangs beschriebenen Kontextbedingungen entgegentreten, so ist zunächst<br />
zu überprüfen, ob den geschäftsführenden Unternehmenseinheiten<br />
größere Autonomiespielräume eingeräumt werden. Der Autonomiegrad<br />
der Geschäftsbereiche bemißt sich daran, in welchem Maße sie über die<br />
wesentlichen Funktionen verfügen, die für ihre operative Tätigkeit notwendig<br />
sind. Bei geringer Autonomie würden wichtige Funktionen von<br />
Zentralbereichen oder gemeinsam mit anderen Geschäftsbereichen wahrgenommen<br />
werden, bei hoher Autonomie würde der Geschäftsbereich<br />
über alle maßgeblichen Funktionen selbst bestimmen können.<br />
7.3 Dezentralisierung versus Zentralisierung<br />
Am Beispiel der spektakulären Reorganisation des umsatzmäßig sechstgrößten<br />
Elektrounternehmens der Welt, der Siemens AG, läßt sich die<br />
These der Tendenz zur Dezentralisierung der <strong>Unternehmensorganisation</strong><br />
recht gut belegen. Die bis vor kurzer Zeit bei Siemens existierende Organisationsstruktur<br />
wurde in ihren Gr<strong>und</strong>zügen gegen Ende der 60er Jahre<br />
konzipiert, als die bis dahin selbständigen Gesellschaften Siemens & Halske,<br />
Siemens-Schuckert <strong>und</strong> Siemens-Reiniger zu einer einzigen Aktiengesellschaft<br />
zusammengeschlossen wurden. Bis 1988 wurde die <strong>Unternehmensorganisation</strong><br />
durch eine Matrix geprägt, die aus sieben konzerngroßen<br />
Unternehmensbereichen, die für das operative Geschäft zuständig<br />
waren, <strong>und</strong> fünf Zentralbereichen, die Querschnittsfunktionen für den<br />
Gesamtkonzern erfüllten, bestand (Abb. 7.3). Im Zuge der aktuellen Umstrukturierung,<br />
die in zwei Etappen vonstatten ging, wurden zunächst die<br />
Zentralbereiche reformiert <strong>und</strong> anschließend die Unternehmensbereiche<br />
aufgegliedert.<br />
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An die Stelle der bislang fünf Zentralbereiche, zu denen mit einer besonderen<br />
Aufgabenstellung der Vertrieb gehörte, traten sechs sogenannte<br />
"Zentrale Stäbe" einschließlich des Bereichs Regionen (Abb. 7.4). Den<br />
Stäben obliegen die übergeordneten Richtlinienkompetenzen sowie Koordinations-<br />
<strong>und</strong> Dienstleistungsfunktionen, wobei zwischen den eigentlichen<br />
Führungsaufgaben <strong>und</strong> den Dienstleistungen für alle Konzernteile unterschieden<br />
wird. Alle anderen Aufgaben sollen eigenverantwortlich von den<br />
jeweiligen geschäftsführenden Einheiten wahrgenommen werden.<br />
Dezentralisierungstendenzen werden im Falle Siemens insbesondere bei<br />
der Neuordnung des Vertriebs- <strong>und</strong> des FuE-Potentials deutlich. Im Unterschied<br />
zum bisherigen Zentralbereich "Forschung <strong>und</strong> Technik" konzentriert<br />
sich die neue Stabseinheit "Forschung <strong>und</strong> Entwicklung" auf die<br />
Gr<strong>und</strong>lagenforschung <strong>und</strong> -entwicklung. Die sonstigen Entwicklungsaufgaben<br />
erfolgen dezentral bei dem Produktionsbetrieben. Die Verantwortung<br />
für den Inlandsvertrieb geht von der betreffenden Zentralabteilung auf die<br />
Geschäftsführenden Einheiten über. Der neuen Stabsabteilung "Regionale<br />
Einheiten" verbleibt nur noch der Auslandsvertrieb. Ein weiteres Beispiel<br />
für die angestrebte Dezentralisierung stellt die Werbung des Unternehmens<br />
dar. An zentraler Stelle wird nur noch über die generellen Richtlinien<br />
<strong>und</strong> die Gesamtimagewerbung entschieden, während die PR-Arbeit<br />
für bestimmte Produkte von den Unternehmenseinheiten geleistet werden<br />
soll, die sie produzieren.<br />
Die beschriebene Umstrukturierung der Zentralabteilungen wurde von einer<br />
Verringerung des dort beschäftigten Personals begleitet. Dabei kam es<br />
teilweise auch zu einer Umschichtung der Beschäftigten. So wurden über<br />
1.000 Techniker <strong>und</strong> Ingenieure aus der Zentralabteilung "Forschung <strong>und</strong><br />
Entwicklung" abgezogen <strong>und</strong> in die neu geschaffene Zentralabteilung<br />
"Produktion <strong>und</strong> Logistik" eingegliedert. Ihr Aufgabengebiet besteht dort<br />
aus der Entwicklung neuer Produktionsverfahren <strong>und</strong> der Betreuung bereichsübergreifender<br />
Projekte.<br />
An die Umstrukturierung der Stabsabteilungen schloß sich die Reorganisation<br />
der Unternehmensbereiche an. Mit Ausnahme der Medizintechnik<br />
wurden diese sukzessive in zwei bis drei Geschäftsbereiche zerlegt, so daß<br />
insgesamt 15 sogenannte Geschäftsführende Einheiten entstanden sind.<br />
Im Zuge dieser Veränderungen wurde auch das Management selbst zum<br />
Gegenstand von Rationalisierungsmaßnahmen. Durch den Abbau von<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
Hierarchieebenen strebte man eine Vereinfachung der komplexen <strong>und</strong><br />
zeitraubenden Entscheidungsstrukturen an. In allen Berichten über die<br />
Reorganisation der Siemens AG wird herausgestrichen, daß die Geschäftsführenden<br />
Einheiten mit größeren Entscheidungsbefugnissen ausgestattet<br />
werden. Sie sollen als "autonom operierende Einheiten mit überschaubarer<br />
Größe, flacher Hierarchie <strong>und</strong> kurzen Entscheidungswegen"<br />
über alle notwendigen Ressourcen <strong>und</strong> Funktionen von der Produktentwicklung<br />
bis zur Werbung verfügen, um innerhalb ihrer Geschäftsfelder<br />
autonom operieren zu können. Dadurch hofft man zum einen, Fertigungs<strong>und</strong><br />
Marktüberleitungsprobleme von Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungsergebnissen<br />
besser bewältigen zu können, zum anderen werden die einzelnen<br />
Einheiten unter dem Gesichtspunkt der Gewinnerzielung transparenter<br />
<strong>und</strong> besser Steuer- <strong>und</strong> kontrollierbar.<br />
Damit ist schon angedeutet, daß die Dezentralisierung von operativen<br />
Kompetenzen bei Siemens nicht mit einer Verlagerung von Strategie- <strong>und</strong><br />
Kontrollfunktionen verb<strong>und</strong>en ist. Diese werden vor allem von den Zentralen<br />
Stäben wahrgenommen, deren Leiter nach dem Abschluß der Reorganisation<br />
in Gremien, in denen sie zahlenmäßig dominieren, über strategische<br />
Konzernentscheidungen mitberaten. Verantwortliche für das operative<br />
Geschäft sollen dabei, von wenigen Ausnahmen abgesehen, nicht beteiligt<br />
werden. Hier wird ein Charakteristikum dezentraler <strong>Unternehmensorganisation</strong><br />
deutlich, nämlich die Zentralisierung von Entscheidungsbefugnissen<br />
für diejenigen Fragen, welche von herausragender strategischer<br />
Bedeutung für das Gesamtunternehmen sind. So weist Siemens<br />
für seinen Bauelementebereich seit Jahren Verluste aus, hält sich also aus<br />
strategischen Erwägungen eine Abteilung, die nicht im Wortsinne als "Profit-Center"<br />
funktioniert, auch wenn sie so organisiert ist. Selbst wenn die<br />
Vorzeichen positiver sind, die entsprechenden Bereiche also Gewinne erzielen,<br />
heißt das noch nicht, daß sie über diese frei verfügen könnten. Die<br />
unteren Leitungsebenen sind also de facto nicht autonom, sondern bewegen<br />
sich im Rahmen von strategischen Vorentscheidungen des Topmanagements.<br />
Dadurch werden die Gestaltungs- <strong>und</strong> Interventionsspielräume<br />
maßgeblich vorstrukturiert <strong>und</strong> ggf. stark eingeschränkt, so daß das mittlere<br />
<strong>und</strong> untere Management in aller Regel innerhalb von vorgegebenen<br />
"Handlungskorridoren" operiert.<br />
Ähnliche Entwicklungstendenzen in Richtung Dezentralisierung, die mit<br />
der Notwendigkeit begründet werden, den gestiegenen Anforderungen an<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
Flexibilität <strong>und</strong> Innovationsfähigkeit Rechnung zu tragen <strong>und</strong> auf den raschen<br />
Wandel von Technologien <strong>und</strong> Märkten angemessen reagieren zu<br />
müssen, lassen sich in einer Reihe weiterer Unternehmen der Elektroindustrie<br />
feststellen. Darüber hinaus ist auch dort die Verkopplung der Dezentralisierung<br />
mit der gegenläufigen Bewegung verstärkter Zentralkompetenz<br />
zu beobachten.<br />
Bei Standard Elektrik Lorenz (SEL), mit vier Milliarden Mark Umsatz<br />
<strong>und</strong> über 20.000 Beschäftigten fünftgrößtes Elektrounternehmen der B<strong>und</strong>esrepublik<br />
(Stand 1988), wurden im Zuge der Eingliederung des Unternehmens<br />
in die französisch-amerikanische Alcatel-Gruppe umfangreiche<br />
organisationsstrukturelle Veränderungen vorgenommen. Mit der Begründung,<br />
die wettbewerbsintensive, durch kurze Innovationszeiten <strong>und</strong> Produktlebenszyklen<br />
gekennzeichnete Bürokommunikation verlange gegenüber<br />
dem eher behäbigen "Amtsgeschäft" (mit staatlichen Stellen) ein flexibleres<br />
Management, wurde zunächst die Bürokommunikation aus der<br />
Nachrichtentechnik als eigenständige Unternehmensgruppe ausgegliedert.<br />
Im nächsten Schritt, nach dem Verkauf der Sparte Konsumelektronik an<br />
Nokia, traten an die Stelle der bisherigen Unternehmensgruppe Nachrichtentechnik<br />
fünf neu formierte Sparten: Bahnen, Vermittlungssysteme, Kabel,<br />
Übertragungssysteme sowie Verteidigung/Luftfahrt. Insgesamt entstanden<br />
dadurch sieben 8<br />
weitgehend selbständig operierende, mit Gewinnverantwortung<br />
ausgestattete Divisionen (Profit-Center). Vor allem<br />
von der Verlagerung der bestehenden Zentralfunktionen (Entwicklung,<br />
Produktion) in die Sparten erhoffte man sich eine Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit<br />
auf dem umkämpften Kommunikationsmarkt.<br />
Obwohl SEL formal eine selbständige Aktiengesellschaft ist, kann die Abhängigkeit<br />
des Unternehmens von Alcatel nicht übersehen werden. So ging<br />
die Integration von SEL in diese Holding mit einem Schw<strong>und</strong> von über<br />
10.000 Arbeitsplätzen bei SEL einher (zum großen Teil durch den Verkauf<br />
von Unternehmensteilen an Nokia, zum Teil durch Rationalisierungsmaßnahmen).<br />
Die SEL-Mutter Alcatel versteht sich als dezentrales Unternehmen<br />
mit zentraler Strategie, zentraler Finanzplanung <strong>und</strong> zentraler<br />
Steuerung. Entscheidungen über die Produktpolitik <strong>und</strong> Marktaufteilung<br />
werden neuerdings folglich bei den sogenannten Produktgruppen von Alcatel<br />
getroffen, in denen allerdings auch die zuständigen Bereichsleiter<br />
8 Der siebte Bereich umfaßt die Aktivitäten auf dem Gebiet der Bauteile.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
von SEL Sitz <strong>und</strong> Stimme haben. Der Vorstand von SEL (v)erklärt diese<br />
offenk<strong>und</strong>ige Kompetenzbeschneidung mit den hohen Entwicklungskosten<br />
komplexer Systeme, die Parallelentwicklungen verunmöglichen <strong>und</strong> verweist<br />
auf den Umstand, daß trotz Deregulierung <strong>und</strong> Liberalisierung die<br />
Märkte in der Telekommunikation noch immer stark national ausgerichtet<br />
seien, woraus sich die Bedeutung dezentraler Einheiten mit dem direkten<br />
Kontakt zum lokalen K<strong>und</strong>en ergebe.<br />
In einzelnen Unternehmen ist man dazu übergegangen, den Gedanken autonomer<br />
<strong>und</strong> dezentraler Geschäftsbereiche durch die Bildung von rechtlich<br />
selbständigen Teilbereichsunternehmen umzusetzen. Als Beispiel dafür<br />
kann die Neugliederung der deutschen Gruppe des schwedisch-schweizerischen<br />
Elektrokonzerns Asea Brown Boveri (ABB) gelten. Die Neugestaltung<br />
der Führungs- <strong>und</strong> Organisationsstruktur der deutschen ABB<br />
(vormals BBC) bestand in der Aufgliederung der ehemaligen Geschäftsbereiche<br />
in 34 rechtlich selbständige Firmen. 9<br />
Die ABB Mannheim verlor ihre<br />
Produktions- <strong>und</strong> Vertriebsaufgaben <strong>und</strong> übernahm die Funktion einer<br />
Holding- <strong>und</strong> auch Führungsgesellschaft des deutschen Teilkonzerns. 10<br />
Zwischen den operativen Gesellschaften <strong>und</strong> der Holding bestehen Gewinnabführverträge.<br />
Von dieser Dezentralisierung erhoffte sich das Management<br />
ein "flexibleres marktnäheres Operieren" sowie eine größere<br />
Beweglichkeit für Kooperationen <strong>und</strong> Unternehmenskäufe.<br />
Die Vorteile dieser Konstruktion, der sogenannten Management-Holding,<br />
11<br />
liegen auf verschiedenen Ebenen:<br />
"Erstens können neu erworbene Technologieträger ohne umständliche<br />
Eingliederung schnell an den Unternehmensverb<strong>und</strong> "angehängt" werden.<br />
9 Die Planungen sahen vor, allein die Aktivitäten des Stammwerks Mannheim-<br />
Käfertal in zehn Einzelgesellschaften aufzugliedern.<br />
10 Damit entfielen auch die rechtlichen Gr<strong>und</strong>lagen für einen Gesamtbetriebsrat.<br />
Aus diesem Gr<strong>und</strong>e kam es zu Protesten der Arbeitnehmervertreter <strong>und</strong> zu Arbeitsniederlegungen.<br />
Zwischen der IG Metall <strong>und</strong> ABB Deutschland wurde<br />
schließlich eine Vereinbarung getroffen, die wegfallenden Konzern- <strong>und</strong> Spartenbetriebsräte<br />
durch Arbeitsgemeinschaften mit weitgehend gleichen Rechten<br />
zu ersetzen. Allerdings dürfte es eher der günstigen konjunkturellen Lage <strong>und</strong><br />
weniger der Stärke dieser Gremien zu verdanken sein, daß der Abbau von Arbeitsplätzen<br />
nicht den gefürchteten Umfang angenommen hat.<br />
11 Im Gegensatz zur reinen Finanzholding übernimmt diese auch die Koordination<br />
ihrer Tochtergesellschaften.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
Auf diese Weise wird die Innovationsfähigkeit neuer Einheiten nicht durch<br />
ein Hineinpressen in rigide, großunternehmerische Strukturen erstickt.<br />
Zweitens können Bereiche, die nicht mehr in das Leistungsspektrum des<br />
Gesamtunternehmens passen, als eigenständige Gesellschaften kurzfristiger<br />
abgegeben werden. Drittens bieten juristisch selbständige Teilbereichsunternehmen<br />
bedeutend mehr Freiraum beim Eingehen strategischer<br />
Verbindungen" (Bühner 1988, S. 55).<br />
Nicht zu vernachlässigen ist schließlich der Transparenzzuwachs im Hinblick<br />
auf die Gewinnverantwortung. Aus Sicht der abhängig Beschäftigten<br />
stellen sich diese Faktoren naturgemäß völlig anders dar:<br />
"Was hier an Vorteilen für die Unternehmensleitung genannt wurde, sind<br />
fast spiegelbildlich die Nachteile für die abhängig Beschäftigten: angefangen<br />
bei der größeren Transparenz <strong>und</strong> effizienteren Kontrollmechanismen<br />
bis zu dem Tatbestand, daß relativ unabhängig voneinander tätige Einheiten<br />
auch relativ unabhängig - d.h. ohne daß andere Unternehmensteile<br />
betroffen wären - aufgelöst, geschlossen werden können" (Strauss-Wieczorek<br />
1988, S. 36).<br />
Auch beim deutschen Tochterunternehmen des weltgrößten Computerkonzerns<br />
IBM kam es seit 1987 zu erheblichen Umstrukturierungen, die<br />
zur Dezentralisierung der Marketing- <strong>und</strong> Serviceorganisation führten.<br />
IBM reagierte damit auf den Verlust von Marktanteilen, die durch eine<br />
stärkere Markt- <strong>und</strong> K<strong>und</strong>enorientierung zurückgewonnen werden sollten.<br />
Im Zuge dieser Reorganisation kam es zu gravierenden Veränderungen in<br />
der Personalstruktur. Während in den indirekten Verwaltungs- <strong>und</strong> Produktionsabteilungen<br />
fast 1.200 Arbeitsplätze abgebaut wurden, kam es in<br />
den direkt k<strong>und</strong>enbetreuenden Bereichen sowie in Forschung <strong>und</strong> Entwicklung<br />
zu einer Aufstockung des Personals, die in der Größenordnung<br />
von etwa 1.000 Beschäftigten lag. Dabei wurden zahlreiche Arbeitskräfte<br />
aus Produktion <strong>und</strong> Verwaltung einem umfangreichen Schulungsprogramm<br />
unterzogen, um anschließend das Vertriebspotential zu verstärken.<br />
Dieses Beispiel belegt nachdrücklich die These, daß Veränderungen der<br />
Organisationsstrukturen ein wichtiger Indikator für strategische Umorientierungen<br />
sind, die als Reaktion auf neuartige Konkurrenzbedingungen<br />
verstanden werden müssen. Zugleich wird sichtbar, daß sich dieser Wandel<br />
sehr nachhaltig in den Arbeits- <strong>und</strong> Qualifikationsstrukturen niederschlägt.<br />
Der spezielle Fall von IBM Deutschland läßt die Interpretation zu,<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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daß es selbst für marktführende EDV-Unternehmen nicht mehr möglich<br />
ist, informationstechnologische Produkte ohne steigenden Vertriebsaufwand<br />
abzusetzen. Dieser Umstand dürfte in der gesamten Computerindustrie<br />
zu einer Gewichtsverlagerung in den Beschäftigtenstrukturen führen.<br />
7.4 Dezentralisierung industrieller Innovationspotentiale<br />
Eine bei fast allen Reorganisationsmaßnahmen der letzten Jahre geäußerte<br />
Absicht besteht darin, ganze Hierarchieebenen einzusparen <strong>und</strong><br />
zu dezentralisieren. Dieser Tendenz wird sich nach unserem Eindruck<br />
auch der FuE-Bereich nicht entziehen können. Aus zentralen Forschungsabteilungen<br />
entstehen bei immer zahlreicheren Unternehmen anwendungsnahe<br />
Entwicklungszentren, die eine größere Markt- <strong>und</strong> Fertigungsnähe<br />
sicherstellen sollen.<br />
Das schon erwähnte Beispiel der Umstrukturierung bei Siemens ist auch<br />
in dieser Hinsicht instruktiv <strong>und</strong> symptomatisch. Die zentrale Forschung<br />
<strong>und</strong> Entwicklung konzentriert sich dort nach der Reorganisation auf die<br />
konzerninterne Forschung <strong>und</strong> die Weiterentwicklung der Gr<strong>und</strong>lagen.<br />
Die eigentliche Produktentwicklung erfolgt dagegen dezentral in den einzelnen<br />
Unternehmensbereichen. Auf diese Weise stehen etwa 3.000 Forscher<br />
in der Zentralabteilung den weltweit mehr als 38.000 Entwicklern bei<br />
den Produktionsbereichen gegenüber. Hinzu kommen noch die über 1.000<br />
Techniker <strong>und</strong> Ingenieure der Zentralabteilung Produktion <strong>und</strong> Logistik,<br />
die allein für Prozeßinnovationen zuständig sind. Da dieser Bereich allerdings<br />
gegenüber den Werken keine Weisungsbefugnisse besitzt, trägt er<br />
nicht zur Beschneidung dezentraler Entscheidungskompetenzen bei.<br />
Eine ähnliche Dezentralisierungstendenz zeichnet sich beim Daimler-<br />
Benz-Konzern ab, zu dem bekanntlich auch das Elektrounternehmen AEG<br />
gehört. Betrieben wird dort eine Trennung von Forschung <strong>und</strong> Entwicklung,<br />
wobei es dem Zentralressort Forschung <strong>und</strong> Entwicklung obliegt,<br />
Konzernprogramme zu forcieren, Basistechnologien voranzutreiben <strong>und</strong><br />
neue Geschäftsfelder aufeubauen. Ziel dieses Konzepts ist es, technologische<br />
Synergien über alle Geschäftsbereiche hinweg zu realisieren. Damit<br />
besitzt das Zentralressort entscheidenden Einfluß auf die strategische<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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Orientierung des Gesamtkonzerns. 12<br />
Dem steht die Dezentralisierung der<br />
Entwicklung gegenüber, wodurch die Geschäftsbereiche für diese Aufgabe<br />
selbst verantwortlich sind. Diese organisatorische Konstruktion bringt allerdings<br />
gewisse Probleme mit sich: Sie erschwert die angekündigte <strong>und</strong> als<br />
strategisches Ziel des Kaufs von AEG proklamierte Realisierung von Synergieeffekten,<br />
<strong>und</strong> zwar zum einen auf der Entwicklungsebene, d.h. zwischen<br />
den Geschäftsbereichen, <strong>und</strong> zum anderen zwischen Forschung <strong>und</strong><br />
Entwicklung, d.h. zwischen dem Zentralressort <strong>und</strong> den Geschäftsbereichen.<br />
Daraus ergeben sich schwierige Aufgaben für das Innovationsmanagement.<br />
13<br />
Durch die Dezentralisierung innovativer Potentiale <strong>und</strong> die Beschneidung<br />
zentralisierter Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungseinrichtungen ist damit zu<br />
rechnen, daß Markt- <strong>und</strong> Fertigungszwänge immer direkter zu maßgeblichen<br />
Einflußfaktoren der Arbeit von Wissenschaftlern, Technikern <strong>und</strong><br />
Ingenieuren in der Industrie werden <strong>und</strong> in gewissem Umfang die unmittelbare<br />
Autorität des Managements substituierbar machen (Whalley<br />
1986). Ansätze dazu gibt es bereits seit den 70er Jahren, wobei schon damals<br />
die Formen der Rationalisierung wissenschaftlich-technischer Arbeit<br />
weniger auf die direkte Gestaltung von Arbeitsvollzügen an einzelnen Arbeitsplätzen<br />
zielten, sondern vor allem an der formalen Strukturierung der<br />
<strong>Unternehmensorganisation</strong> <strong>und</strong> damit am organisatorischen Rahmen von<br />
Arbeitsprozessen ansetzten (Heisig u.a. 1985, S. 45 ff.). Mittlerweile wurde<br />
das Instrumentarium, mit dem die Teilergebnisse der am Innovationsprozeß<br />
beteiligten Funktionen <strong>und</strong> Funktionsbereiche zeitlich <strong>und</strong> inhaltlich<br />
aufeinander abgestimmt werden, weiterentwickelt, um marktökonomische<br />
Anforderungen an neue Produkte sowie fertigungstechnische <strong>und</strong> kostenökonomische<br />
Überlegungen frühzeitig zu antizipieren bzw. zu berücksichtigen.<br />
Die Unternehmen reagieren damit auf veränderte Wettbewerbsbedingungen,<br />
denen sie nur durch eine stärkere (Selbst-)Disziplinierung ihrer<br />
Arbeitskräfte <strong>und</strong> transparentere Erfolgskontrollen von Forschungs<strong>und</strong><br />
Entwicklungsaufgaben glauben begegnen zu können. Dabei entsteht<br />
12 Die AEG mußte beispielsweise im Jahre 1989 ihre Forschungsinstitute in Berlin,<br />
Frankfurt <strong>und</strong> Ulm mit insgesamt 550 Beschäftigten an die Daimler-Benz-Konzernforschung<br />
abtreten, um eine solche tragende Rolle zu ermöglichen.<br />
13 Um einen gangbaren Weg zwischen den Extremen zentraler <strong>und</strong> dezentraler<br />
Forschung zu finden, griff Daimler-Benz auf externe Kompetenz in Form der<br />
Beratungsgesellschaft McKinsey zurück.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
freilich die Gefahr, sich auf kurzfristige, inkrementale <strong>und</strong> anwendungsnahe<br />
Innovationsanstrengungen zu konzentrieren <strong>und</strong> längerfristig orientierte,<br />
strategisch bedeutsame Forschungen zu vernachlässigen. Auf die<br />
organisatorischen Arrangements, mit denen Unternehmen eine stärker<br />
markt- <strong>und</strong> fertigungsorientierte <strong>Technikentwicklung</strong> bewerkstelligen wollen,<br />
werden wir im folgenden Kapitel eingehen.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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8. Die Innovation von Innovationsprozessen - oder:<br />
Zeit ist Geld<br />
In der an Praxis orientierten <strong>und</strong> in der theoretisch interessierten Diskussion<br />
über Rationalisierung zeichnet sich eine Akzentverschiebung ab.<br />
Nach den Fertigungsabläufen gerät in jüngster Zeit auch die Produktentwicklung<br />
unter erheblichen Rationalisierungsdruck. Die neuen Zauberworte<br />
heißen "integrative Produktgestaltung", "simultaneous" oder "concurrent<br />
engineering" <strong>und</strong> verweisen auf die vernetzte Zusammenarbeit aller<br />
an der Produkterzeugung beteiligten Unternehmensfunktionen. Für<br />
das Innovationsmanagement stellt sich deshalb nicht mehr allein die Frage<br />
nach der geeigneten Organisationsform in den FuE-Bereichen. Als eigentliches<br />
Problem gilt jetzt die Koordination des gesamten Innovationsprozesses<br />
über die einzelnen Bereiche hinweg (Kieser 1986). Verständlich<br />
wird diese Problemstellung vor dem Hintergr<strong>und</strong> der wachsenden strategischen<br />
Bedeutung der Entwicklungsdauer neuer Produkte, 14<br />
die wiederum<br />
als Ausdruck von strukturellen Veränderungen auf den nationalen <strong>und</strong> internationalen<br />
Märkten begriffen werden muß.<br />
8.1 Sequentieller versus simultaner Innovationsprozeß<br />
Wenn nicht alles trügt, so korrespondiert dem Übergang von einem bevorzugt<br />
auf Standardisierung <strong>und</strong> Ausnutzung von Größenvorteilen ausgerichteten<br />
Produktionssystem zu einem stärker unter Flexibilitäts- <strong>und</strong> Innovationszwang<br />
stehenden System eine Veränderung betrieblicher Innovationsprozesse<br />
<strong>und</strong> -Strategien. Vor allem auf dem Gebiet der Produktentwicklung<br />
zeichnet sich eine neue Vorgehensweise der Unternehmen ab,<br />
die freilich, geht man in der Industriegeschichte einige Zeit zurück, ihre<br />
Vorläufer hat. Die Rede ist von der simultanen Entwicklung eines neuen<br />
14 "Während in den letzten Jahren hauptsächlich die Reduzierung der Fertigungsdurchlaufzeit<br />
im Vordergr<strong>und</strong> zeitorientierter betrieblicher Neugestaltung stand,<br />
ist ein verstärkter Trend zur Verkürzung der Entwicklungsdauer zu beobachten"<br />
(Nippa, Schnopp 1990, S. 118).<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
Produkts <strong>und</strong> der betreffenden Produktionseinrichtungen, wie sie etwa bei<br />
den Gründungsvätern der Automobilindustrie Karl Benz, Georg Opel,<br />
Henry Ford <strong>und</strong> anderen noch üblich war. Mit der zunehmenden Komplexität<br />
der herzustellenden Produkte <strong>und</strong> dem Größenwachstum der Unternehmen<br />
erschien dieser Modus jedoch nicht mehr praktikabel. An die<br />
Stelle der parallelen Entwicklung von Produkt <strong>und</strong> Produktionstechnologie<br />
rückte eine sequentielle Arbeitsweise, bei der zwischen der Fertigungsmittelplanung<br />
<strong>und</strong> der Produktentwicklung sowohl eine organisatorische als<br />
auch eine räumliche Trennung besteht. Dazu kommt noch eine zeitliche<br />
Trennung, denn die Konzipierung der Produktionsmittel wird bei dieser<br />
Arbeitsweise erst dann aufgenommen, wenn die Produktspezifikation abgeschlossen<br />
ist, die Zeichnungen <strong>und</strong> Stücklisten erstellt sind <strong>und</strong> die Produktfreigabe<br />
erfolgt ist.<br />
Der sequentielle Modus der Produkt- <strong>und</strong> Prozeßinnovation geht mit einer<br />
auf den Prinzipien des Taylorismus beruhenden funktionsorientierten<br />
Organisationsstruktur einher. Diese<br />
"hat in der Vergangenheit den Unternehmen erhebliche Vorteile erschlossen.<br />
So wurde aufgr<strong>und</strong> der Trennung der verschiedenen Abteilungen <strong>und</strong><br />
der getrennten Abläufe der Produktentwicklung <strong>und</strong> der Fertigungsmittelplanung<br />
ein systematischer Personal- <strong>und</strong> Hilfsmitteleinsatz möglich. Bei<br />
der hohen Arbeitsteilung der funktionalen Struktur konnten einzelne Arbeitsvorgänge,<br />
die eng abgegrenzte Inhalte aufwiesen, leicht überschaut<br />
<strong>und</strong> kontrolliert werden. Mit der Zunahme der Komplexität der Produkte<br />
<strong>und</strong> der Produktionseinrichtungen wuchs die Anzahl <strong>und</strong> Größe der Fachabteilungen.<br />
Dies führte zu einer klaren Abgrenzung der Funktionsbereiche<br />
mit zahlreichen Hierarchiestufen, die eine wirkungsvolle Überwachung<br />
<strong>und</strong> Kompetenzabgrenzung erlaubten" (Eversheim 1989, S. 4).<br />
Mit dieser Form der Organisation sind allerdings auch verschiedene - inzwischen<br />
zunehmend problematisierte - Nachteile verb<strong>und</strong>en. Durch die<br />
zeitliche Trennung zwischen Produktentwicklung <strong>und</strong> Fertigungsmittelplanung<br />
bei sequentiell organisierten Innovationsprozessen erhält der Fertigungsplaner<br />
erst nach der Produktfreigabe die notwendigen Unterlagen,<br />
um die geeigneten Produktionsmittel zu konzipieren. Die nachträgliche<br />
Berücksichtigung von fertigungs- <strong>und</strong> montagetechnischen Anforderungen<br />
an das Produkt ist dabei jedoch in aller Regel nur unter Inkaufnahme von<br />
erheblichen Zeit- <strong>und</strong> Kostennachteilen möglich. Als Mängel dieser Organisationsform<br />
gelten außerdem der geringe Informationsrückfluß aus der<br />
Produktion in die Planungsabteilungen sowie die mangelnde Flexibilität<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
der Produktionsabteilungen bei der Realisierung geforderter Produktmodifikationen.<br />
Insbesondere die aus den Problemen der Fertigungsüberleitung<br />
resultierenden zeitlichen Verzögerungen des Produktionsanlaufs, die<br />
in bestimmten Bereichen den kommerziellen Erfolg des Produkts in Frage<br />
stellen können, rücken gegenwärtig immer stärker in den Blickpunkt. Zumindest<br />
in den einschlägigen Publikationen der Wirtschaftspresse <strong>und</strong> der<br />
betriebswirtschaftlichen Fachliteratur wird vor allem der über die Konkurrenzbedingungen<br />
vermittelte Zeitdruck angeführt, der den bislang üblichen<br />
Weg, erst nach beendeter Produktentwicklung die Lösung der Fertigungsprobleme<br />
anzugehen, obsolet mache. Das "strategische Trilemma des<br />
Technologiemanagements" (Bleicher 1990), also die Verkürzung der Produktlebenszeiten<br />
bei gleichzeitiger Verlängerung der Entwicklungsdauer<br />
<strong>und</strong> damit einhergehender Expansion der FuE-Kosten (s. Abschnitt 3.4.2),<br />
habe Zeit immer mehr zu einer strategischen Ressource werden lassen.<br />
8.2 Der Faktor "Zeit" im Innovationsprozeß<br />
Folgt man den Ausführungen der einschlägigen Autoren, dann sind wir<br />
gegenwärtig Zeugen eines Bedeutungswandels klassischer Wettbewerbsparameter,<br />
der sich in einer neuen Rangfolge zwischen den Variablen Kosten,<br />
Qualität <strong>und</strong> Zeit niederschlägt:<br />
"Das Management im FuE-Bereich muß dem Leistungsfaktor Zeit heute<br />
vielfach Priorität vor anderen Zielen wie Kosten <strong>und</strong> Qualität einräumen.<br />
Während bislang nach Markteinführung i.d.R. von zunächst steigenden<br />
Marktpreisen ausgegangen werden konnte, wird in Zukunft eher eine stetig<br />
fallende Preistendenz die Wettbewerbssituation kennzeichnen. Darüber<br />
hinaus ist mit tendenziell geringeren Absatzmengen (Verringerung der<br />
Stückzahl), die in kürzerer Zeit erreicht werden müssen, zu rechnen. Neben<br />
weiteren Faktoren weisen diese Tendenzen darauf hin, daß in Zukunft<br />
vor allem die Entwicklungszeit für neue Produkte <strong>und</strong> der zeitgerechte<br />
Markteintritt über den Erfolg bzw. Mißerfolg einer Unternehmung entscheidenden<br />
Einfluß nehmen werden (...)" (Reichwald 1989, S. 316; Hervorhebungen<br />
von uns - DB/GM).<br />
Die Bedeutung kurzer Entwicklungszeiten für das Geschäftsergebnis wird<br />
am Beispiel hausinterner Modellrechnungen der Siemens AG deutlich<br />
(Abb. 8.1).<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
Danach kann bei Produkten mit einer Lebensdauer von fünf Jahren eine<br />
Verzögerang des Markteintritts um sechs Monate eine Ergebnisminderung<br />
bis zu 33 % bedeuten. Eine Erhöhung der Entwicklungskosten um<br />
50 % verursacht dagegen nur eine Ergebnisminderung um 3,5 %. Diese<br />
Wirkung tritt immer dann ein, wenn bei verspätetem Markteintritt ein<br />
spürbarer Preisfall einkalkuliert werden muß. Im Unterschied dazu ist bei<br />
Produkten mit längerer Lebensdauer vor allem die Abweichung von den<br />
geplanten Produktionskosten von Relevanz. Der Umstand, daß ein Großteil<br />
dieser Kosten in den frühen Phasen der Produktentwicklung festgelegt<br />
wird, unterstreicht die Bedeutung dieses Abschnitts von Innovationsprozessen<br />
(s.u.).<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
Bei verkürzten Produktlebenszyklen wären folglich die Entwicklungszeiten<br />
<strong>und</strong> weniger die Entwicklungskosten der ausschlaggebende Faktor für Erfolg<br />
oder Mißerfolg einer Innovation. Diese Situation dürfte in vielen<br />
Branchen für eine wachsende Zahl von Produkten gegeben sein. Dies gilt<br />
vor allem für den Bereich der Informations- <strong>und</strong> Kommunikationstechnologien.<br />
Der Erfolg industrieller Produktion hängt dort nicht mehr ausschließlich<br />
von der Beachtung der Maximen kostengünstiger Innovationsentwicklung<br />
ab, sondern er wird zusätzlich von der Fähigkeit zur Beschleunigung<br />
von Innovationsprozessen bestimmt. Wie Beispiele aus der<br />
Geschichte der Computerindustrie zeigen, kommt es allerdings nicht nur<br />
auf die Entwicklungsdauer, sondern häufig auch auf den Entwicklungszeitpunkt<br />
an:<br />
"So war beispielsweise dem Urvater ganzer Personal Computer-Generationen,<br />
dem 'Star' bzw. 'Alto' der Firma Xerox, kein kommerzieller Erfolg<br />
vergönnt, da sich die Ideen von arbeitsplatznaher Computerintelligenz, einer<br />
benutzerfre<strong>und</strong>lichen Grafikoberfläche <strong>und</strong> vielfältigen Anwendungsprogrammen<br />
erst eine Dekade später u.a im Zuge kostengünstigerer <strong>und</strong><br />
leistungsfähigerer Chips umsetzen ließen. Die Zeit war noch nicht reif für<br />
die Ideenumsetzung" (Reichwald 1990, S. 9; Hervorhebungen im Original).<br />
Aber nicht nur den, der zu früh kommt, sondern auch den, der zu spät<br />
kommt, bestraft das Leben. Beispielsweise<br />
"haben namhafte Unternehmen lange Zeit die tatsächliche Wirkung der<br />
PC-Revolution zum Preis entgangener <strong>und</strong> nur schwer wieder zu erringender<br />
Marktanteile unterschätzt <strong>und</strong> , verschlafen\ Deutlich wird hier allerdings<br />
das Problem, daß der 'ideale' Zeitpunkt im Regelfall erst nachträglich<br />
bestimmt werden kann" (ebd., S. 10).<br />
Obwohl es gerade beim Betreten von technologischem Neuland vorteilhaft<br />
sein kann, zunächst die Konkurrenz die Fehler machen zu lassen <strong>und</strong> erst<br />
spät <strong>und</strong> mit ausgeklügelter Strategie auf dem Markt aktiv zu werden,<br />
dürfte es auf den meisten Märkten günstiger sein, sich früher als die Wettbewerber<br />
ins Rennen zu begeben. 15<br />
Allerdings darf nicht übersehen werden,<br />
daß auch die Rolle des technologischen Vorreiters mit Risiken verb<strong>und</strong>en<br />
ist. Die Ambivalenz rascher Innovationszyklen zeigt sich späte-<br />
15 So hat z.B. Siemens mit der Strategie des "überlegenen Zweiten" beim anstehenden<br />
Einstieg in die Mikroelektronik beinahe Schiffbruch erlitten.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
stens dann, wenn, wie etwa im PC-Bereich, die Anwender vom Innovationstempo<br />
überfordert werden. 16<br />
Es ist damit zu rechnen, daß die verschärften Bedingungen in der Innovationskonkurrenz<br />
nicht nur auf die Organisation des FuE-Bereichs, sondern<br />
auf die gesamte <strong>Unternehmensorganisation</strong> sowie auf unternehmensübergreifende<br />
organisatorische Arrangements durchschlagen werden. Das gilt<br />
vor allem dann, wenn die Entwicklungskosten der Innovation Größenordnungen<br />
erreichen, die auf einzelnen nationalen Märkten nicht mehr amortisiert<br />
werden können. Weiterhin ist zu erwarten, daß der Zwang zur<br />
schnellen weltweiten Vermarktung neuer Produkte auch die Strukturen<br />
der Märkte verändert, da für die Anpassungen an je spezifische nationale<br />
Märkte (Normen, Technikkulturen etc.) keine Zeit mehr bleibt. 17<br />
8.3 "Simultaneous Engineering"<br />
Bei den Versuchen, den Weg von der Idee eines neuen Produkts bis zu<br />
seiner Herstellung zeitlich zu verkürzen, stehen gegenwärtig zwei Lösungsansätze<br />
im Vordergr<strong>und</strong>. Zum einen läßt sich der zunehmende Einsatz<br />
rechnergestützter Hilfsmittel bei der Produktentwicklung beobachten.<br />
Am bekanntesten <strong>und</strong> am verbreitetsten sind dabei CAD-Systeme, die vor<br />
allem die Zeichnungserstellung im technischen Büro unterstützen sollen.<br />
Eine zunehmend wichtigere Rolle spielen außerdem der Einsatz von Expertensystemen<br />
<strong>und</strong> die Anwendung verschiedener Simulationsverfahren<br />
wie z.B. die Finite-Elemente-Methode (FEM) zur Ermittlung des Bauteileverhaltens.<br />
Zum anderen findet ein organisatorisches Konzept immer<br />
mehr Beachtung, das sowohl in Verbindung mit computergestützten Techniken,<br />
aber auch unabhängig davon anwendbar ist: das gleichzeitige Entwickeln<br />
von Produkt <strong>und</strong> Produktionseinrichtungen (Simultaneous Engineering).<br />
16 "Wir dürfen nicht zu schnell mit Innovationen sein. Unsere K<strong>und</strong>en wollen ihre<br />
PC verkaufen" (Rissmann, Deutschland-Chef des amerikanischen Halbleiterherstellers<br />
Intel, zitiert nach Heismann 1989, S. 69).<br />
17 Die Errichtung des Binnenmarkts in Europa, wo eine einmalige Zulassung auf<br />
einem Markt für alle nationalen Märkte Gültigkeit haben soll, wird zu einer<br />
weiteren Verkürzung der Produktlebenszyklen führen, da der Aufwand für technische<br />
Anpassungen erheblich reduziert werden kann.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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Das Schlüsselprinzip des Simultaneous Engineering besteht darin, bereits<br />
in der Phase der Produktkonzeption die Anforderungen der verschiedenen<br />
relevanten Unternehmensfunktionen zu berücksichtigen.<br />
"Parallel statt sequentiell wird schrittweise der Gestaltungsspielraum in<br />
Abstimmung zwischen den unterschiedlichen Funktionen eingeengt vom<br />
Plan über Konzeptfindung bis zur Produktfreigabe. Dabei werden Produktfunktionen,<br />
Verkaufsfähigkeit, Herstellbarkeit, Wartbarkeit, Kosten,<br />
Investitionsbedarf, Qualitätsverhalten <strong>und</strong> Logistik gleichermaßen berücksichtigt,<br />
statt erst im nachhinein wegen Nicherfüllung bestimmter Rahmenbedingungen<br />
technische Änderungen zu erzwingen" (Stotko 1989, S.<br />
239).<br />
Der Umstand, daß durch die Konstruktion bis zu 70 % der gesamten Produktentstehungskosten<br />
vorherbestimmt, aber nur 5 % direkt verursacht<br />
werden, erklärt z.B. das Interesse an einer unter Fertigungs- <strong>und</strong> Montagegesichtspunkten<br />
optimalen Produktgestaltung, die kostspielige Nachbesserungen<br />
überflüssig macht. Die dafür notwendigen Abstimmungsprozesse<br />
zwischen den beteiligten Bereichen verlängern zwar den eigentlichen Prozeß<br />
der Produktentwicklung; durch die weitgehend parallele Planung des<br />
Herstellungsprozesses soll sich jedoch eine Verkürzung des gesamten Innovationsprozesses<br />
ergeben. Außerdem verspricht man sich von der - relativ<br />
gesehen - verlängerten Entwicklungsdauer, Produkt <strong>und</strong> Produktionseinrichtungen<br />
länger modifizierbar zu halten <strong>und</strong> deshalb Änderungswünsche<br />
der K<strong>und</strong>en noch möglichst lange berücksichtigen zu können (Abb.<br />
8.2).<br />
Bei der Interpretation dieser Veränderungen im Ablauf von Innovationsprozessen<br />
mag der Rückgriff auf einige organisationstheoretische Kategorien<br />
hilfreich sein, die zur Einschätzung des Interdependenzgrades von<br />
verschiedenen Arbeitsprozessen innerhalb von Organisationen entwickelt<br />
wurden. Unterschieden wird dabei zwischen drei Ebenen (vgl. Thompson<br />
1967): Auf der Ebene der Koordinationsinterdependenz besteht ein Zusammenhang<br />
zwischen verschiedenen Arbeiten nur insofern, als jede einzelne<br />
Arbeit zum Gelingen der Gesamtaufgabe beiträgt. Bei sequentieller<br />
Interdependenz besteht zwischen den einzelnen Arbeitsschritten eine Abhängigkeit<br />
in zeitlicher Beziehung, d.h. eine bestimmte Tätigkeit muß ausgeführt<br />
sein, bevor mit anderen begonnen wird bzw. begonnen werden<br />
kann. Bei reziproker Interdependenz sind die einzelnen Tätigkeiten hingegen<br />
in jeder Phase aufeinander bezogen. Nach Thompson bilden diese<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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drei Stufen eine Guttmansche Skala, d.h. reziprok interdependente Arbeitsprozesse<br />
weisen auch sequentielle <strong>und</strong> koordinative Interdependenzen<br />
auf, sequentiell verknüpfte Arbeitsprozesse sind auch koordinationsinterdependent.<br />
Weiter behauptet Thompson einen Zusammenhang zwischen<br />
dem Interdependenzgrad <strong>und</strong> dem notwendigen Koordinationsaufwand:<br />
Je höher der Grad an Interdependenz zwischen bestimmten Arbeitsprozessen,<br />
um so höhere Anforderungen werden an die Koordinationsmechanismen<br />
gestellt. Während Koordinationsinterdependenz durch<br />
Standardisierung (Entwickeln von Regeln oder routinemäßiger Verfahren)<br />
<strong>und</strong> sequentielle Interdependenz durch die Aufstellung von Plänen,<br />
die die Dauer <strong>und</strong> Reihenfolge einzelner Arbeitsschritte festlegen, bewältigt<br />
werden könnten, verlange reziproke Interdependenz eine wechselseitige<br />
Abstimmung <strong>und</strong> setze damit die anspruchsvollsten Koordinationsmechanismen<br />
voraus. Es erscheint hier sinnvoll, die von Thompson entwikkelte<br />
Typologie für Prognosen bzw. Hypothesen über die Strukturveränderungen<br />
von (innovativen) Organisationen zu nutzen.<br />
So läßt sich der notierte Wandel des Ablaufs von Innovationsprozessen als<br />
Übergang von sequentieller zu reziproker Interdependenz zwischen den<br />
beteiligten Unternehmensfunktionen begreifen. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen,<br />
daß beide Organisationsformen mit je eigenen Vor- <strong>und</strong><br />
Nachteilen verb<strong>und</strong>en sind. Bei sequentiell organisierten Innovationsprozessen<br />
geht ein Projekt erst dann in die nächste Phase über, wenn die Erfordernisse<br />
der vorangehenden Phase erfüllt sind.<br />
"Diese Kontrollpunkte reduzieren die Risiken, lassen aber gleichzeitig wenig<br />
Raum für Integration. Ein Engpaß in einer Phase kann den ganzen<br />
Entwicklungsprozeß bremsen oder gar stoppen" (Takeuchi, Nonaka 1986,<br />
S. 103).<br />
Bei reziprok interdependent organisierten Innovationsprojekten müssen<br />
die einzelnen Arbeitsaufgaben hingegen in jeder Phase aufeinander bezogen<br />
werden. Das hat zur Folge, daß hierbei höhere Koordinationsnotwendigkeiten<br />
(wechselseitige Anpassung oder Koordination mittels Rückkopplung),<br />
aber auch größere Integrationsmöglichkeiten als bei sequentieller<br />
Interdependenz bestehen. Vor allem sind die einzelnen Teilarbeiten<br />
bzw. Funktionsbereiche sehr viel stärker auf einen wechselseitigen Informationsfluß<br />
angewiesen, <strong>und</strong> sie müssen in der Lage sein, auf die Anforderungen<br />
der jeweils anderen angemessen zu reagieren. Dadurch ist je-<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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doch auch die Chance gegeben, auftretende Probleme im Entwicklungsprozeß<br />
eher lösen zu können.<br />
Prozesse reziproker Interdependenz bei Innovationsprozessen zielen auf<br />
eine Vernetzung der Zusammenarbeit zwischen den innovationsrelevanten<br />
<strong>und</strong> traditionell getrennten Funktionen <strong>und</strong> Disziplinen, die mit Hilfe organisatorischer<br />
Maßnahmen erreicht werden soll.<br />
"Als organisatorische Konsequenz der bereichsübergreifenden Produktentwicklungen<br />
wird üblicherweise auf das Projektmanagement zurückgegriffen.<br />
Fachleute aus allen betroffenen Einheiten werden in Entwicklungsteams<br />
zusammengeführt, um alle Anforderungen, Möglichkeiten <strong>und</strong><br />
Grenzen parallel zu verarbeiten" (Tress 1989, S. 218).<br />
Durch die interdisziplinäre Zusammensetzung der Projektteams wird neben<br />
einer Bündelung des Fachwissens auch eine Verstärkung des Informationsrückflusses<br />
in die Unternehmensbereiche angestrebt. Traditionelle<br />
Barrieren zwischen Abteilungen sollen dadurch aufgebrochen werden.<br />
"Das formale, streng strukturierte, phasenweise <strong>und</strong> abteilungsabhängige<br />
Vorgehen wird dabei aufgegeben. Dadurch entfallen zeitaufwendige Übergaben<br />
<strong>und</strong> Rückkopplungen, die sonst an organisatorischen Schnittstellen<br />
oder bei Phasenwechseln üblich sind. Durch Überlappen <strong>und</strong> Kombinieren<br />
von Entwicklungsschritten wird erhebliche Entwicklungszeit eingespart.<br />
Die Erfolge sind beachtlich. Teilweise werden mit diesem Vorgehen Zeit<br />
<strong>und</strong> Kostenreduzierungen bis zu 70 % erreicht" (Schmelzer 1990, S. 46 f.).<br />
Diese neuen Kooperationsmodelle können durch computergestützte<br />
Technologien (CAD, CAE, CAM, CAQ) wirksam gefördert werden. Allerdings<br />
wird verschiedentlich bemängelt, daß eine Reihe von EDV-Hilfsmitteln,<br />
die den Simultaneous Engineering-Prozeß unterstützen könnten<br />
(z.B. EDV-Tools, die es ermöglichen, aus den Produktdaten des CAD-Systems<br />
direkt Produktionsmitteldaten abzuleiten), noch nicht auf dem<br />
Markt erhältlich sind (Eversheim 1989).<br />
Das dem Simultaneous Engineering zugr<strong>und</strong>eliegende Prinzip, durch organisatorische<br />
Maßnahmen (wie z.B. die interdisziplinäre Teambildung)<br />
<strong>und</strong> bereichsübergreifenden Informationsfluß möglichst frühzeitig markt<strong>und</strong><br />
produktionsökonomische Anforderungen an das zu entwickelnde Produkt<br />
<strong>und</strong> Produktionsmittel zu berücksichtigen, kann nicht nur während<br />
der Konstruktionsphase, sondern für alle Phasen des Innovationsprozes-<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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ses, also auch für Forschung <strong>und</strong> Entwicklung, genutzt werden. So können<br />
etwa<br />
"bereits in der Definitionsphase eines Produktes, in der vielleicht außer<br />
spekulativ definierter Funktionen noch nichts Konkretes vorhanden ist,<br />
Fertigungsplaner, Werkstoffspezialisten, Software-Spezialisten hinzugezogen<br />
werden; ebenso potentielle Zulieferanten" (Schönwald 1989, S. 35).<br />
Im folgenden sollen zwei der genannten Funktionsgruppen näher betrachtet<br />
<strong>und</strong> am Beispiel der Zulieferer- <strong>und</strong> der Werkstoffproblematik einigen<br />
Implikationen nachgegangen werden, die sich beim Einsatz dieser Form<br />
des Entwicklungsmanagements ergeben.<br />
8.4 Simultaneous Engineering <strong>und</strong> Zulieferer<br />
Unter bestimmten Voraussetzungen (z.B. bei komplexen Produkten mit<br />
hohen Stückzahlen <strong>und</strong>/oder geringer Fertigungstiefe) werden Hersteller<br />
von Produktionseinrichtungen <strong>und</strong> Zulieferer von Komponenten in die<br />
Arbeit der internen Projektgruppe einbezogen. Dadurch verändern sich<br />
nachhaltig die Abnehmer-Zulieferer-Beziehungen. So werden etwa klassische<br />
Formen der Auftragsvergabe, bei denen der Preiswettbewerb zwischen<br />
verschiedenen Anbietern im Vordergr<strong>und</strong> steht, dysfunktional, da<br />
bei Simultaneous Engineering-Projekten zunächst nur vage Vorstellungen<br />
über das künftige Produkt <strong>und</strong> dessen Herstellungsprozeß existieren.<br />
Außerdem steht aus der Sicht des Produktherstellers dem Zugewinn an<br />
Know-how durch die frühzeitige Hinzuziehung von Zulieferanten das Risiko<br />
gegenüber, seine neuen Produktideen bereits zu einem frühen Zeitpunkt<br />
fremden Unternehmen gegenüber offenlegen zu müssen. In der zwischenbetrieblichen<br />
Arbeitsteilung werden deshalb neue Formen der Koordination<br />
divergierender Interessen durchgesetzt, die die Funktion haben<br />
(sollen), das System-Know-how des Abnehmers gegenüber dem Zulieferer<br />
zu schützen <strong>und</strong> zugleich die Abhängigkeit des Zulieferanten vom Abnehmer<br />
zu sichern.<br />
Zwar gibt es gegenwärtig in fast allen großen Unternehmen Bemühungen,<br />
die Fertigungstiefe zu reduzieren. Eine noch offene Frage ist allerdings, ob<br />
dies auch von einer generellen Reduzierung der Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungstiefe<br />
begleitet wird. Zumindest einige Großunternehmen versu-<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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chen, ihren Zulieferern verstärkt Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungsarbeiten<br />
zu übertragen, ohne dadurch jedoch ihre technologisch begründete Dominanz<br />
zu gefährden. Ein bevorzugtes Mittel hierfür ist die von den Abnehmern<br />
durchgeführte Aufteilung von Systemen in Systemkomponenten, die<br />
dann von einzelnen kleineren Unternehmen entwickelt werden (Entwicklungssegmentation).<br />
Das vollständige System-Know-how entsteht dabei<br />
erst beim Endhersteller. Diese Entwicklungsstrategie, die sich als stets labiles<br />
Gleichgewicht von systemischer Beherrschung <strong>und</strong> begrenzter Autonomie<br />
der abhängigen Unternehmen beschreiben läßt (vgl. Bieber, Sauer<br />
1991), ist insbesondere im Elektro- <strong>und</strong> Elektronikbereich anzutreffen. Potentiell<br />
resultieren diese neuen Formen der Kooperation bei der <strong>Technikentwicklung</strong><br />
in einer Restrukturierung ganzer Branchen. Sie können darüber<br />
hinaus dazu führen, daß für relevante Teile der Volkswirtschaft ein<br />
bislang ausschlaggebendes Mittel der Wahrung von unternehmerischer<br />
Autonomie, nämlich die Verfügung über wissenschaftlich-technisches Wissen,<br />
zwar eine wesentliche Voraussetzung für die weitere Teilnahme des<br />
Unternehmens am Markt darstellt, zugleich aber gewährleistet ist, daß dadurch<br />
die Position von Großunternehmen nicht gefährdet wird. Die Verfügung<br />
über wissenschaftlich-technisches Wissen wird somit - insbesondere<br />
für kleinere <strong>und</strong> abhängige Unternehmen - zu einer notwendigen, nicht<br />
aber hinreichenden Bedingung des Markterfolgs.<br />
In vielen Fällen ist die Implementation neuer Formen der unternehmensübergreifenden<br />
<strong>Technikentwicklung</strong> auf die Unterstützung durch Computer-<br />
<strong>und</strong> Kommunikationstechniken (DFÜ, CAD, PPS u.a) angewiesen.<br />
Dabei kommt der technisch-organisatorischen Vernetzung von verschiedenen<br />
Unternehmen eine Vorrangstellung zu, in der Abhängigkeit <strong>und</strong><br />
Autonomie eine neue Qualität gewinnen. Vor allem aber wird die Vernetzung<br />
unterschiedlicher Unternehmensfunktionen (intern <strong>und</strong> extern), also<br />
die (unternehmensübergreifende) Kopplung verschiedener CA-Techniken,<br />
für den Erfolg integrativer Formen der <strong>Technikentwicklung</strong> in Zukunft<br />
ausschlaggebend sein. Verschiedene Studien über den Verbreitungsgrad<br />
einzelner CIM-Techniken belegen jedoch, daß die Entwicklung hier noch<br />
am Anfang steht, <strong>und</strong> eindeutige Aussagen über die Folgen für die Arbeits-,<br />
aber auch für die <strong>Unternehmensorganisation</strong> zur Zeit noch mit<br />
großen Unsicherheiten belastet sind (vgl. Schultz-Wild u.a. 1989; Lay,<br />
Michler 1990). So wird zwar bereits heute bei unternehmensübergreifenden<br />
Prozessen des Simultaneous Engineering ein reger Datenaustausch<br />
praktiziert, dieser vollzieht sich aber weitgehend noch nicht "on line". Al-<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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lerdings sind die Endhersteller bestrebt, wenigstens mit denjenigen Zulieferanten,<br />
die hochwertige <strong>und</strong> technologisch anspruchsvolle Systeme <strong>und</strong><br />
Komponenten entwickeln, einen On-line-Datenaustausch zu forcieren.<br />
8.5 Simultaneous Engineering <strong>und</strong> Werkstoffe<br />
Mit der parallelen Entwicklung von Produkt <strong>und</strong> Fertigungsmittel ist die<br />
Integration von Innovationsprozessen noch nicht auf die Spitze getrieben.<br />
Immer häufiger stellt sich bei der Durchführung von Innovationsvorhaben<br />
auch die Frage nach neuen Werkstoffen. Im folgenden soll gezeigt werden,<br />
daß ein enger Zusammenhang zwischen Werkstoffentwicklung <strong>und</strong> weiteren<br />
Fortschritten auf dem Gebiet der Mikroelektronik besteht <strong>und</strong> daß es<br />
bei wichtigen Innovationsprozessen in der Elektronikindustrie zu einer<br />
engen Verkopplung zwischen Werkstoff, Produkt <strong>und</strong> Produktionsprozeß<br />
gekommen ist. Der Behandlung dieses Problemkomplexes sollen einige<br />
Erläuterungen zum Thema "Neue Werkstoffe" vorangestellt werden, da<br />
die neueren Entwicklungen auf dem Gebiet der Werkstoffwissenschaft<br />
<strong>und</strong> -forschung nicht nur für die Elektronikindustrie <strong>und</strong> ihre Produkte<br />
von elementarer Bedeutung sind, sondern auch als Beleg für die These von<br />
der Verwissenschaftlichung industrieller Innovationsprozesse gelten können.<br />
Das Thema "Neue Werkstoffe" fand innerhalb der Industriesoziologie<br />
bislang wenig Resonanz. Abgesehen von vereinzelten Beiträgen, die unter<br />
dem Stichwort "Chemisierung der Technik" den mit dem Einsatz neuer<br />
Materialien verb<strong>und</strong>enen Möglichkeiten zur Rationalisierung von Produktionsprozessen<br />
nachgingen (Köhler, Richter 1985), wurde das Thema Arbeitsmaterialien<br />
in erster Linie den Naturwissenschaftlern <strong>und</strong> Ingenieuren<br />
einerseits, den Wirtschaftshistorikern <strong>und</strong> Betriebswirtschaftlern andererseits<br />
überlassen. Neuere Entwicklungen im Gebiet "Neue Werkstoffe"<br />
sind freilich Anlaß genug, diese Form der Arbeitsteilung zu überdenken.<br />
Ein Blick auf die staatlichen Technologieförderprogramme der<br />
führenden Industrieländer zeigt die zunehmende strategische Bedeutung<br />
der Materialforschung. Die neuerdings ausgerufene "Materials Revolution"<br />
(Forester 1988) gilt ihren Verkündern als zumindest ebenso folgenreich<br />
für die Gesellschaft wie die schon wesentlich länger in der Öffentlichkeit<br />
enorme Beachtung findenden Informationstechnologien. Darüber<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
hinaus gibt es Anhaltspunkte, die auf die wechselseitige Abhängigkeit der<br />
Entwicklung von Werkstoffen <strong>und</strong> von Informationstechnologien verweisen.<br />
So kann begründet angenommen werden, daß die weiteren Fortschritte<br />
der Informatisierung, insbesondere das Zusammenwachsen von<br />
Datentechnik <strong>und</strong> Telekommunikation, in hohem Maße von der Bereitstellung<br />
geeigneter Werkstoffe abhängig sind. Umgekehrt zeichnet sich ab,<br />
daß Entwicklung <strong>und</strong> Produktion neuer Werkstoffe zunehmend nur noch<br />
mit Hilfe von leistungsfähigen Informationstechnologien zu bewerkstelligen<br />
ist. Von professionellen Politik- <strong>und</strong> Wirtschaftsberatern wird sogar<br />
die These vertreten, daß die Zukunft der Industrieunternehmen von der<br />
gleichzeitigen Beherrschung der Entwicklung von Werkstoffen <strong>und</strong> Informationstechnologien<br />
abhängt (Cohendet u.a. 1988). Dessen ungeachtet<br />
findet eine soziologisch orientierte Auseinandersetzung mit diesem Phänomenbereich<br />
bislang kaum statt. Nicht zuletzt deshalb ist bislang ungeklärt,<br />
ob die "Proklamationen eines Zeitalters der 'Neuen Werkstoffe' (...)<br />
vorwiegend Reklamecharakter" haben (Radkau 1989, S. 331) oder ob dahinter<br />
ernstzunehmende Veränderungspotentiale stehen.<br />
Ein offenk<strong>und</strong>iges Problem, das sich bei der Beschäftigung mit "Neuen"<br />
Werkstoffen stellt, ist das Fehlen eines handhabbaren <strong>und</strong> gleichzeitig aussagekräftigen<br />
Unterscheidungskriteriums gegenüber "traditionellen"<br />
Werkstoffen. Einiges spricht dafür, die Differenz nicht bevorzugt in der<br />
"Stofflichkeit" der Materialien zu suchen. Eine Betrachtungsweise, die allein<br />
die stoffliche Zusammensetzung <strong>und</strong> die Eigenschaften von Werkstoffen<br />
in den Mittelpunkt rückt, ist zu restriktiv, um den veränderten Stellenwert<br />
von Werkstoffen adäquat zu erfassen. Ein vor allem in der Wirtschaftspresse<br />
gern benutztes Merkmal neuer Werkstoffe ist deren überdurchschnittliches<br />
Wachstumspotential. Aber auch der Rückgriff auf aktuelle<br />
<strong>und</strong> prognostizierte Wachstumsraten der einzelnen Werkstoffgruppen<br />
ist nur bedingt hilfreich. Fragen nach der neuen Qualität von Werkstoffen<br />
lassen sich mit Aussicht auf Erfolg nur dann angemessen beurteilen, wenn<br />
man zumindest die Veränderungen des Modus der Werkstoffentwicklung<br />
in Industrie <strong>und</strong> Wissenschaft berücksichtigt.<br />
8.5.1 Ein neuer Modus der Werkstoffentwicklung<br />
Parallel zur Krise des überkommenen Modells der Massenproduktion<br />
vollzieht sich eine Veränderung im Modus der Werkstoffentwicklung. Co-<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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hendet u.a bezeichnen diesen Wandel als Übergang "from macroscopic to<br />
microscopic industrial mastery of materials" (Cohendet u.a. 1988, S. 31).<br />
Der makroskopischen Werkstoffbeherrschung, die bevorzugt auf inkrementale<br />
Verbesserungen der physikalischen Eigenschaften von Werkstoffen<br />
durch die Erhöhung ihres Reinheitsgrades zielt, entspricht ein durch<br />
eine geringe Auswahl an Materialien geprägtes Produktionsmodell. Eine<br />
Ausdehnung der Werkstoffvielfalt verdankt sich hierbei einigen wenigen<br />
Spezialanforderungen, wie sie z.B. im Rahmen von Nuklear- <strong>und</strong> Weltraumprogrammen<br />
gestellt werden. Dagegen basiert der mikroskopische<br />
Modus auf der Möglichkeit, den strukturellen Aufbau eines Werkstoffs<br />
<strong>und</strong> damit seine Eigenschaften in geplanter Weise zu beeinflussen.<br />
"Struktur <strong>und</strong> Eigenschaften eines Werkstoffs bestimmen letztlich seine<br />
Qualität, das heißt sein Verhalten beim tatsächlichen Gebrauch. (...)<br />
Struktur, Eigenschaften <strong>und</strong> Qualität werden durch die Werkstoffbehandlung<br />
gewissermaßen miteinander verknüpft. Diese läßt sich somit definieren<br />
als Steuerung oder Veränderung der inneren Struktur eines Werkstoffs<br />
auf jeder Ebene mit dem Ziel, dem Material bestimmte Eigenschaften <strong>und</strong><br />
eine hohe Leistungsfähigkeit zu verleihen" (Liedl 1986, S. 99).<br />
Die Gr<strong>und</strong>lage dieser Eingriffsmöglichkeiten ist durch den "Wandel von<br />
der mehr phänomenologisch beschreibenden Materialk<strong>und</strong>e einzelner<br />
Werkstoffgruppen zur modernen, das Werkstoffverhalten aus deren strukturellem<br />
Aufbau heraus erklärenden Materialwissenschaft" (Bergmann<br />
1989) gelegt worden. Diesem Modus der nunmehr verwissenschaftlichten<br />
Werkstoffinnovation entspricht ein Produktionsmodell, das durch eine<br />
außerordentliche Vielzahl neuer, künstlicher Werkstoffe <strong>und</strong> durch eine<br />
qualitative Verbesserung traditioneller Werkstoffe gekennzeichnet ist.<br />
Es ist folglich unzureichend, nur auf diejenigen Materialien zu sehen, die<br />
aufgr<strong>und</strong> ihres Wachstumspotentials zu den "Neuen" Werkstoffen gezählt<br />
werden, insgesamt aber lediglich 5 % des Umsatzes der werkstoffproduzierenden<br />
Industrie repräsentieren. Ganz entscheidend ist vielmehr, daß<br />
Werkstoffe, <strong>und</strong> zwar sowohl "neue" wie "traditionelle", "nach Maß" produziert<br />
werden können. Insofern muß es auch nicht falsch sein, eine "materials<br />
revolution" zu behaupten, obwohl bspw. "die seit einem halben Jahrh<strong>und</strong>ert<br />
prophezeite Ablösung des Stahls durch Kunststoffe nicht eingetreten<br />
ist" (Radkau 1989, S. 331). Denn gerade als traditionell geltende<br />
Werkstoffe wie z.B. Stahl haben, stimuliert durch die Fortschritte neuer<br />
Werkstoffe, eine bemerkenswerte Qualitätsverbesserung erfahren <strong>und</strong><br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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zum Teil Merkmale von Hochleistungswerkstoffen angenommen. Während<br />
also Werkstoffe vormals in erster Linie ein constraint der Produktion<br />
waren, werden sie nunmehr zunehmend gestaltbar <strong>und</strong> damit zum Handlungsparameter<br />
von Rationalisierungs- <strong>und</strong> Absatzstrategien.<br />
Aber auch eine Betrachtungsweise, die sich auf die Gestaltbarkeit von<br />
Werkstoffeigenschaften konzentriert, greift zu kurz, um den eingetretenen<br />
Wandel angemessen interpretieren zu können. Gefordert wird nämlich<br />
von Werkstoffen nicht nur eine Reihe spezifischer Eigenschaften, sondern<br />
auch deren Reproduzierbarkeit unter industriellen Bedingungen. Gefragt<br />
sind deshalb geeignete Verfahrenstechniken, die die Herstellung <strong>und</strong> Verarbeitung<br />
der Werkstoffe in Serienproduktion <strong>und</strong> zu konkurrenzfähigen<br />
Kosten gewährleisten. So ist z.B. die Verbreitung der Kunststoffe <strong>und</strong>enkbar<br />
ohne die Weiterentwicklung des Spritzgusses, mit dem sich auch komplizierte<br />
Bauteile bei hoher Oberflächengüte <strong>und</strong> Maßgenauigkeit in einem<br />
einzigen Arbeitsschritt produzieren lassen. Auf industrieller Ebene<br />
beginnt sich deshalb abzuzeichnen, daß die Verbindung zwischen Werkstoff,<br />
Produktionsprozeß <strong>und</strong> Produkt immer enger wird:<br />
"To be more precise, what seems really 'new 5 is the association of a material<br />
with a working-up process to turn out a given product or industrial article"<br />
(Cohendet u.a. 1988, S.5).<br />
Es gibt deutliche Hinweise darauf, daß auch bei der Entwicklung von im<br />
Werkstoffbereich eingesetzten Verfahrenstechniken zunehmend auf wissenschaftliche<br />
Erkenntnisse <strong>und</strong> Methoden zurückgegriffen wird.<br />
"Werkstoffwissenschaftler haben sich in der Vergangenheit in erster Linie<br />
mit der Struktur <strong>und</strong> den Eigenschaften eines Materials sowie mit der<br />
Wechselbeziehung zwischen beiden befaßt. Werkstofftechnikern dagegen<br />
ging es vor allem um den Zusammenhang zwischen Struktur <strong>und</strong> Eigenschaften<br />
einerseits <strong>und</strong> der Qualität andererseits sowie um die Entwicklung<br />
von Behandlungsverfahren zur Verbesserung dieser Qualität. Nun, da sich<br />
zeigt, wie sehr die Verarbeitung eines Werkstoffs seine Struktur <strong>und</strong> damit<br />
seine Eigenschaften sowie letztlich seine Qualität beeinflußt, beginnen sich<br />
die Wissenschaftler zunehmend auch für diesen Vorgang zu interessieren"<br />
(Liedl 1986, S. 99).<br />
Besonders spektakulären Ausdruck findet dieser Verwissenschaftlichungsprozeß<br />
bei der Verbesserung zahlreicher Verfahren von der Stahlherstellung<br />
bis zur Produktion hochreiner Glasfasern, vor allem aber bei der<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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Herstellung hochreiner Einkristalle aus Silizium <strong>und</strong> deren Weiterverarbeitung<br />
zu integrierten Schaltkreisen. Ohne die Anwendung wissenschaftlicher<br />
Theorien <strong>und</strong> Methoden wäre die Entwicklung geeigneter Verfahren<br />
zur Beherrschung der äußerst komplexen Chip-Produktion nicht<br />
denkbar gewesen <strong>und</strong> die heute Furore machende Computerindustrie in<br />
den Anfängen steckengeblieben.<br />
8.5.2 Neue Werkstoffe in der Elektronik<br />
Eine gängige (wenn auch nicht völlig trennscharfe) Unterscheidung zur<br />
Einteilung von Werkstoffen ist die zwischen Funktions- <strong>und</strong> Strukturwerkstoffen.<br />
Das zugr<strong>und</strong>eliegende Einteilungskriterium ist die Art <strong>und</strong> Weise,<br />
in der die Werkstoffe eingesetzt werden. Strukturwerkstoffe müssen in erster<br />
Linie mechanischen oder thermischen Belastungen (z.B. Zug- <strong>und</strong><br />
Druckspannungen, hohe Temperaturen etc.) standhalten oder bestimmten<br />
Umwelteinflüssen widerstehen können. Darüber hinaus bestimmen sie<br />
häufig die äußere Form industrieller Bauteile. Beim Einsatz von Funktionswerkstoffen<br />
stehen dagegen die physikalischen Werkstoffeigenschaften<br />
im Vordergr<strong>und</strong>, die für die Erfüllung bestimmter elektrischer, magnetischer,<br />
optischer usw. Funktionen von Bedeutung sind. Funktionswerkstoffe<br />
können z.B. Elektrizität leiten oder umwandeln, Abgase reinigen<br />
oder chemische Reaktionen verlangsamen bzw. beschleunigen. In der<br />
Elektronikindustrie sind deshalb in erster Linie die funktionalen Eigenschaften<br />
von Werkstoffen von Bedeutung. So interessieren die bei der<br />
Chip-Produktion zum Einsatz kommenden Werkstoffe vor allem aufgr<strong>und</strong><br />
ihrer physikalischen Eigenschaften, wegen denen sie bestimmte elektrische<br />
Funktionen übernehmen können.<br />
"Ein anschauliches Beispiel, wie durch Eingriffe in die Werkstoffstruktur<br />
bestimmte Funktionen konstruiert werden können, ist bei den Funktionswerkstoffen<br />
in der Elektronik, insbesondere in der Halbleitertechnologie<br />
gegeben. Während früher elektrische Schaltkreise aus Einzelkomponenten<br />
zusammengelötet wurden, ermöglichen heute die modernen Halbleiterwerkstoffe<br />
die Herstellung sogenannter integrierter Schaltungen, bei denen<br />
einzelne Bauelemente wie Transistoren, Dioden, Widerstände, Kondensatoren<br />
u.a. ebenso wie die verbindenden Leiterbahnen durch gezielte Modifikationen<br />
im atomaren Aufbau eines Halbleiterscheibchens (Chip) gebildet<br />
werden. Auf diese Weise entstehen ganze Schaltungen auf einem einzigen<br />
Chip, wobei es möglich ist, bis zu 2 Millionen Einzelbauelemente auf<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
einem Chip von etwa 1 cm 2<br />
Fläche unterzubringen" (Schmitt-Thomas<br />
1989, S. 30).<br />
Für die weitere Dynamik in der Elektronik dürfte die Entwicklung <strong>und</strong><br />
Verbesserung geeigneter Materialien von zentraler Bedeutung sein.<br />
"Die Bemühungen, elektronische Systeme leistungsfähiger, kleiner, vielseitiger<br />
anwendbar, weniger störanfällig, haltbarer <strong>und</strong> nach Möglichkeit zu<br />
geringeren Kosten produzierbar zu machen, haben Konsequenzen für die<br />
eingesetzten Materialien. Die Anforderungen an Werkstoffe - aber auch<br />
an Konstruktionsprinzipien - gehen zum Beispiel in Richtung höhere Kapazitäten<br />
<strong>und</strong> höhere Arbeitsgeschwindigkeiten (Verbindungshalbleiter)<br />
oder in Richtung weitere Miniaturisierung (Fotoresists). Das bedeutet unter<br />
anderem, daß die eingesetzten Werkstoffe in der Lage sein müssen, die<br />
damit verb<strong>und</strong>enen Erhöhungen der Betriebstemperatur abzuleiten (Polymere<br />
<strong>und</strong> Keramiken für Gehäuse <strong>und</strong> Substrate). Außerdem werden<br />
Werkstoffe gesucht mit speziellen, in der Elektronik verwertbaren Eigenschaften<br />
(z.B. für Leuchtdioden) oder mit denen neue Baukonzepte möglich<br />
sind (Sandwichkonstruktionen). Auch supraleitende Werkstoffe, die<br />
das Problem der Stromversorgung lösen würden, gehören dazu" (Streck<br />
1989, S. 56).<br />
Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> ist es kaum verw<strong>und</strong>erlich, daß ein Schwerpunkt<br />
der FuE-Aktivitäten großer Elektronik-Unternehmen (z.B. Siemens,<br />
Philips, AEG) im Bereich der Werkstoffinnovation liegt. Häufig ist die<br />
Materialforschung integrierter Teil der Produktentwicklung. Dabei gilt es,<br />
Werkstoffe <strong>und</strong> Bauteile mit vorher definierten Eigenschaften zu entwikkeln,<br />
was z.B. auf dem Gebiet der Funktionskeramik 18<br />
die Zusammenarbeit<br />
zwischen unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen erfordert.<br />
Die Bemühungen in diesem Bereich gehen dahin,<br />
"Werkstoffe zu entwickeln <strong>und</strong> zur Fertigung zu bringen, die sehr spezielle<br />
Forderungen der Anwender im Unternehmen erfüllen. Dieses Werkstoff-<br />
Engineering ist eine interdisziplinäre Aktivität. Man muß die klassische<br />
Keramiktechnologie ebenso beherrschen wie die Festkörperphysik, wo<br />
speziell die Halbleitung von Bedeutung ist. Ein wichtiges Teilgebiet ist die<br />
Ferroelektrizität, die für viele Bauelemente eine Rolle spielt. Nicht vergessen<br />
dürfen wir natürlich die Chemie. Die Kristallchemie ermöglicht gerade<br />
18 "Funktionskeramik bedeutet, daß man durch einen keramischen Prozeß elektronische<br />
Bauelemente herstellt, die aufgr<strong>und</strong> besonderer physikalischer Eigenschaften<br />
der Keramik Funktionen ausüben können, die mit anderen Werkstoffen<br />
nur aufwendiger, weniger gut oder gar nicht ausgeführt werden können" (Thomann<br />
1986, S. 38).<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
ei den Funktionskeramiken eine riesige Variationsbreite der Zusammensetzung"<br />
(Thomann 1986, S. 38). 19<br />
Besonders greifbar wird die Verwissenschaftlichung der Herstellungstechnologien,<br />
Arbeitsmaterialien <strong>und</strong> Produkte sowie die Parallelisierung der<br />
notwendigen Entwicklungsschritte am Beispiel der Produktion hochentwickelter<br />
Computer-Chips. Anhand des gemeinsam von Siemens <strong>und</strong><br />
Philips initiierten MEGA-Projekts, bei dem es um die Entwicklung <strong>und</strong><br />
Produktion von 1-Mbit <strong>und</strong> 4-Mbit Speicher-Chips ging, lassen sich die<br />
Besonderheiten dieser Art der Innovationsbewältigung aufzeigen.<br />
"Das gemeinsame Merkmal einer MEGA-Entwicklung besteht (...) darin,<br />
daß anstelle einer bisher üblichen seriellen Vorgehensweise (Entwicklung<br />
der Prozeßtechnologie - Produktentwicklung - fertigungstechnische Entwicklung<br />
- Fertigung) ein möglichst hoher Grad an Parallelisierung der<br />
Aktivitäten erreicht wird, um dem engen Zeitrahmen gerecht zu werden.<br />
Hierfür spielt der intensive Einsatz von Simulationsverfahren sowie die<br />
Entwicklung <strong>und</strong> Herstellung von Testschaltungen eine wichtige Rolle.<br />
Damit können Fragestellungen nach Produkteigenschaften, Ausbeute <strong>und</strong><br />
Zuverlässigkeit sehr frühzeitig untersucht werden" (Friedrich 1985, S. 20;<br />
Hervorhebungen von uns - DB/GM).<br />
Mit der Abkehr von der sequentiellen Produkt- <strong>und</strong> Prozeßentwicklung<br />
wird also nicht nur eine Beschleunigung des Innovationsprozesse angestrebt.<br />
Zugleich wird versucht, bereits in frühen Phasen Probleme der Fertigungsrealität<br />
zu antizipieren. Durch den Einsatz rechnergestützter Simulationsverfahren<br />
können bereits in der Entwurfsphase fertigungstechnische<br />
Abläufe geplant <strong>und</strong> optimiert werden. Das ist vor allem deshalb von<br />
Bedeutung, da es relativ einfach ist, Muster oder einige Exemplare einer<br />
neuen Chip-Generation herzustellen, die eigentliche Aufgabe jedoch darin<br />
besteht, den hochkomplizierten Produktionsprozeß so in den Griff zu bekommen,<br />
daß einsatzfähige Chips in größerer Menge <strong>und</strong> damit zu konkurrenzfähigen<br />
Preisen erstellt werden können. Schließlich sollen sich Flexibilitätsvorteile<br />
der simultanen Produktgestaltung <strong>und</strong> Produktionsmittelplanung<br />
dadurch ergeben, daß<br />
"die Produkt- <strong>und</strong> Prozeßlinienentwicklung den gesamten Projektlebenszyklus<br />
durchlaufen. Dies gewährleistet, daß selbst beim Fertigungsanlauf<br />
19 Thomann ist Mitarbeiter der Siemens AG, Zentrale Forschung <strong>und</strong> Entwicklung<br />
- Angewandte Materialforschung.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
noch Designänderungen vorgenommen werden können. Das Projekt wird<br />
somit durchlässig gegenüber nachträglichen neuen Änderungswünschen"<br />
(Bühner 1987, S. 168).<br />
Die Entwicklung <strong>und</strong> Produktion mikroelektronischer Speicherbausteine<br />
stellt somit eine Art Prototyp einer neuen Form der Innovationsbewältigung<br />
dar. Aus verschiedenen Presseveröffentlichungen ist freilich bekannt,<br />
daß das Management des MEGA-Projekts keinesfalls so reibungslos verlief,<br />
wie das die vorstehenden Zitate implizieren. Die Umstellung von sequentiellen<br />
Innovationsverläufen auf parallele Arbeitszusammenhänge,<br />
bei denen Forschung, Entwicklung <strong>und</strong> Produktion simultan organisiert<br />
werden müssen, sind offenk<strong>und</strong>ig mit erheblichen Schwierigkeiten verb<strong>und</strong>en,<br />
die aus der Zusammenarbeit unterschiedlicher Unternehmensfunktionen<br />
resultieren.<br />
8.6 Expertensysteme in der Produktentwicklung<br />
Der Zwang zur Verkürzung der Entwicklungszeiten führt - neben organisatorischen<br />
Veränderungen des Innovationsprozesses - auch zu einer verstärkten<br />
Nutzung von I&K-Technologien. So dient der Einsatz von Expertensystemen<br />
bei der Produktkonfiguration vor allem der fortschreitenden<br />
organisatorischen <strong>und</strong> technologisch vermittelten Integration verschiedener<br />
Unternehmensfunktionen <strong>und</strong> damit einer verbesserten Kooperation<br />
in den abteilungs- <strong>und</strong> betriebsübergreifenden Beziehungen.<br />
Konfigurationsprobleme treten vorzugsweise bei Unternehmen auf, die<br />
komplexe, modular zusammengesetzte Produkte (wie z.B. DV-Anlagen,<br />
Blasformmaschinen etc.) in großer Variantenvielfalt anbieten. Die große<br />
Menge vorgegebener Komponenten, aus der die benötigten Teile <strong>und</strong><br />
Baugruppen ausgewählt werden, <strong>und</strong> die zu beachtenden Einsatzbedingungen<br />
machen die Konfigurierung technischer Systeme zu einer Aufgabe<br />
hoher Komplexität. Erschwerend kommt hinzu, daß die Innovationsgeschwindigkeit<br />
bei modular zusammengesetzten Produkten extrem hoch ist<br />
<strong>und</strong> dementsprechend laufend neue Komponenten mit veränderten Eigenschaften<br />
bei der Konfigurierung berücksichtigt werden müssen. Mit konventionellen<br />
Mitteln wie Katalogen, Stücklisten <strong>und</strong> Entscheidungstabellen<br />
ist der Konfigurationsaufgabe unter den Bedingungen eines raschen Inno-<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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vationstempos <strong>und</strong> der gestiegenen Komplexität nicht mehr Herr zu werden.<br />
20<br />
Aus diesem Gr<strong>und</strong>e setzen immer mehr Unternehmen, insbesondere<br />
bei der k<strong>und</strong>enspezifischen Produktkonfiguration, auf den Einsatz<br />
von Expertensystemen (Lutz, Moldaschl 1989). Ermöglicht werden soll so<br />
nicht nur die Vermeidung technisch inkonsistenter Angebote - eine erhebliche<br />
Verkürzung der Durchlaufzeiten kann erzielt werden, wenn zeitraubende<br />
Rücksprachen mit der Konstruktion überflüssig gemacht werden.<br />
Angestrebt wird zugleich die verstärkte Berücksichtigung k<strong>und</strong>enspezifischer<br />
Anforderungen, ohne auf die fertigungsökonomischen Vorteile einer<br />
begrenzten Anzahl standardisierter Einzelmodule verzichten zu müssen.<br />
Eine große Variantenvielfalt soll also nicht durch eine inflationäre Ausweitung<br />
des Teilespektrums <strong>und</strong> den damit verb<strong>und</strong>enen Anforderungen<br />
an die Fertigung, sondern auch durch eine optimale Ausnutzung potentieller<br />
Kombinationsmöglichkeiten zwischen einzelnen Modulen erreicht<br />
werden.<br />
Empirische Untersuchungen zur zeit- <strong>und</strong> kostenökonomischen Rationalisierung<br />
von Innovationsprozessen hätten sich demnach auch mit dem zunehmenden<br />
Einsatz von Expertensystemen auseinanderzusetzen: Hier<br />
liegt mit der Konfigurationsaufgabe zum einen ein Einsatzfeld vor, auf<br />
dem diese vergleichsweise erfolgreich eingesetzt werden. Zum anderen,<br />
<strong>und</strong> für den hier interessierenden Zusammenhang wichtiger, scheint mit<br />
Konfigurationsexpertensystemen ein Medium entwickelt worden zu sein,<br />
mit dessen Hilfe produktbezogene Wissensbestände aus verschiedenen<br />
Abteilungen (Konstruktion, Arbeitsvorbereitung, Produktion, Vertrieb) in<br />
einer einheitlich strukturierten Datenbasis systematisch gesammelt <strong>und</strong><br />
aufbereitet werden können. Bisher vorliegende Erfahrungsberichte deuten<br />
darauf hin, daß mit dem Einsatz dieser Systeme im Vertrieb sowohl Beiträge<br />
zur Produktinnovation als auch zur Flexibilisierung von Auftragsakquisition<br />
<strong>und</strong> -bearbeitung geleistet werden können (Steppan 1990).<br />
20 Dieses Komplexitätsproblem tritt allerdings nicht nur auf der Seite der Hersteller,<br />
sondern auch auf der Seite der Abnehmer bzw. Anwender auf. So ist in einigen<br />
Bereichen der Computerindustrie die Technologie inzwischen auf ein Niveau<br />
getrieben worden, das von der K<strong>und</strong>schaft nicht mehr absorbiert werden<br />
kann (etwa im Bereich der PC-Software). Das Problem der Vermittlung technologischer<br />
Weiterentwicklungen an die K<strong>und</strong>en kann somit zu einer ernsten<br />
Ursache für Ertragseinbrüche werden.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
Hier soll also nicht die Bedeutungslosigkeit der materiellen Produktion<br />
<strong>und</strong> der auf sie gerichteten Forschungsprogramme behauptet werden.<br />
Eine starke Relativierung der Bedeutung dieses Bereichs scheint bei der<br />
Formulierung eines zeitgemäßen Rationalisierungsbegriffs für die industriesoziologische<br />
Forschung aber unverzichtbar zu sein (Kapitel 2 <strong>und</strong> 4).<br />
Zu zeigen war, daß "systemische Rationalisierung" nicht nur die unmittelbare<br />
Fertigung <strong>und</strong> die intermediären Bereiche wie Arbeitsvorbereitung<br />
<strong>und</strong> Fertigungsplanung betrifft, sondern sowohl marktnahe Abteilungen<br />
als auch die Bereiche Forschung, Entwicklung <strong>und</strong> Konstruktion umfaßt.<br />
So formuliert, umschließt der Begriff der systemischen Rationalisierung<br />
auch das, was man als "neuen Innovationstyp" bezeichnen könnte (s. Kapitel<br />
10).<br />
8.7 Problemfelder simultaner Innovationsprozesse<br />
Auch wenn in der seit geraumer Zeit geführten Diskussion um Simultaneous<br />
Engineering noch immer Beiträge überwiegen, die nur selten über<br />
die Beschreibung von wünschbaren Strukturen <strong>und</strong> Abläufen hinausgehen,<br />
liegen doch mittlerweile erste Berichte über Praxiserfahrungen b<strong>und</strong>esrepublikanischer<br />
<strong>und</strong> internationaler Unternehmen der Automobilindustrie,<br />
des Maschinenbaus <strong>und</strong> vor allem der Elektronikindustrie vor (vgl. VDI<br />
1989). Daraus lassen sich jedoch kaum verallgemeinerbare Aussagen über<br />
Probleme <strong>und</strong> Grenzen dieser Rationalisierungsmethode oder auch über<br />
Fragen der Zusammensetzung, Arbeitsweise, Kontrollierbarkeit <strong>und</strong> Organisationsform<br />
der Projektgruppen <strong>und</strong> deren Einbindung in den Kontext<br />
des Gesamtunternehmens treffen.<br />
Mögliche Grenzen <strong>und</strong> Probleme bei Versuchen der Ablösung sequentieller<br />
durch integrierte Formen des Produktentwicklungsmanagements<br />
werden in der Literatur sehr zurückhaltend benannt. Hinweise gibt es darauf,<br />
daß diese Innovationsmethode nicht überall praktikabel ist. Bei der<br />
Untersuchung einiger japanischer <strong>und</strong> US-amerikanischer Firmen wurden<br />
folgende Eigenarten dieser Methode festgestellt:<br />
" - Sie verlangt während der ganzen Entwicklungsdauer von allen Projektmitgliedern<br />
einen außerordentlichen Einsatz. In einigen Fällen berichten die<br />
Teammitglieder, daß sie während der Spitzenphase 100 <strong>und</strong> in den übrigen<br />
Projektphasen 60 Überst<strong>und</strong>en pro Monat leisten müssen.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
Sie wird nicht auf hochinnovative Projekte anwendbar sein, die auf gr<strong>und</strong>legende<br />
Durchbrüche abzielen. Diese Beschränkung dürfte vor allem in<br />
der Biotechnologie <strong>und</strong> Chemie vorliegen.<br />
Sie wird auch nicht auf Mammutvorhaben, etwa in der Luft- <strong>und</strong> Raumfahrt,<br />
anwendbar sein, wo der schiere Projektumfang die Möglichkeiten<br />
zur interpersonellen Kommunikation stark einengt.<br />
Sie wird nicht in Unternehmen funktionieren, wo die Produktentwicklung<br />
von einem überragenden Genie geleitet wird, das die Erfindung macht <strong>und</strong><br />
seinen Mitarbeitern wohldefinierte Spezifikationen gibt" (Takeuchi, Nonaka<br />
1986, S. 106).<br />
Damit ist jedoch bestenfalls ein kleiner Ausschnitt der möglichen Schwierigkeiten<br />
des Simultaneous Engineering benannt. Für das Simultaneous<br />
Engineering dürften cum grano salis die gleichen Probleme von Relevanz<br />
sein, die im allgemeinen jeder Art von Projektmanagement eigen sind.<br />
Von daher erscheint es sinnvoll, innerhalb der einschlägigen Literatur<br />
über Projektmanagement nach Hinweisen auf weitere Problemfelder zu<br />
suchen.<br />
Projektmanagement gilt dort als Organisationsform zur Bewältigung von<br />
technologischer Ungewißheit. Projekte zeichnen sich im wesentlich durch<br />
drei Merkmale aus: zeitliche Befristung, Komplexität <strong>und</strong> relative Neuartigkeit.<br />
"Sie bringen deshalb ein instabiles Element in ein auf Dauer angelegtes organisatorisches<br />
System. Für die organisatorische Gestaltung entsteht damit<br />
die Frage, ob man die bestehende Organisation ganz auf die Anforderungen<br />
des Projekts - mit allen Konsequenzen der Einrichtung <strong>und</strong> Auflösung<br />
- ausrichten soll oder ob man die Projektorganisation im Rahmen der bestehenden<br />
Organisation abwickelt. Mit der letztgenannten Lösung würde<br />
man zwar die Stabilität des bestehenden Systems aufrechterhalten, unter<br />
Umständen aber auf eine effiziente Projektorganisation verzichten. (...)<br />
Erschwert wird die Lösung dieses Dilemmas durch die Tatsache, daß Projekte<br />
in der Regel die Mitwirkung verschiedener Unternehmungsbereiche<br />
erfordern. Die Wirkungen, die von dem instabilen Element Trojektmanagemenf<br />
ausgehen, lassen sich also nicht isolieren, sondern beeinflussen<br />
große Teile einer Unternehmung, wenn nicht die gesamte Unternehmung"<br />
(Frese 1984, S. 463; Hervorhebung von uns - DB/GM).<br />
Das angesprochene Dilemma findet seinen Ausdruck in dem oft beschrieben<br />
Konflikt zwischen Linien- <strong>und</strong> Projekt management, der, wenn er mit<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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Hilfe von Matrixstrukturen zu bewältigen versucht wird, mit erheblichen<br />
innerbetrieblichen Reibungsverlusten verb<strong>und</strong>en ist. Bekannt ist dabei<br />
etwa das Problem der Kompetenzkreuzung, das immer dann auftaucht,<br />
wenn Fach- <strong>und</strong> Disziplinarkompetenz auseinanderfallen, also der verantwortliche<br />
Projektmananger nicht mit dem disziplinarischen Vorgesetzten<br />
identisch ist. Eine weitere Quelle für Spannungen in Projektgruppen besteht<br />
vor allem darin, daß hier Mitglieder unterschiedlicher Unternehmensfunktionen<br />
zusammenarbeiten müssen. Dabei ist zu vermuten, daß<br />
diejenigen Teammitglieder, die aus Bereichen kommen, die auch in der<br />
"dominant coalition" im Unternehmen den Ton angeben, über deutlich<br />
größere Durchsetzungschancen ihrer Interessen verfügen als Mitglieder<br />
weniger mächtiger Funktionen in der <strong>Unternehmensorganisation</strong>. Beklagt<br />
wird deshalb nicht umsonst die Möglichkeit der Verfolgung abteilungsspezifischer<br />
Interessen, wodurch "Lösungen nicht primär nach dem Nutzen<br />
für das Unternehmen bewertet werden, sondern nach ihrer Tauglichkeit<br />
zur eigenen Profilierung" (Witte 1989, S. 118). Ähnliche Interessenkonflikte<br />
können auch bei der Integration von externen Unternehmen auftreten,<br />
wenn also Mitarbeiter unterschiedlicher Unternehmen zusammenarbeiten<br />
müssen. 21<br />
Je nach vorherrschender Unternehmens- <strong>und</strong> Innovationsstrategie<br />
werden unterschiedliche Machtkonstellationen in den Projektteams<br />
anzutreffen sein. Konflikte sind hier also strukturell vorprogrammiert,<br />
weshalb in der Managementliteratur verschiedentlich darauf<br />
hingewiesen wird, daß Projektteams nur ausnahmsweise <strong>und</strong> nur für eng<br />
umrissene Aufgaben <strong>und</strong> Zeithorizonte sinnvoll seien.<br />
Bei der Aufzählung möglicher Problemfelder beim Simultaneous Engineering<br />
wird zudem häufig auf die mangelnde Erfahrung des Managements<br />
<strong>und</strong> der übrigen Beteiligten (Mitarbeiter <strong>und</strong> externe Unternehmen)<br />
mit diesem Innovationsinstrument hingewiesen. Darauf sei unter<br />
21 Hier gibt es die Verantwortung für das gemeinsame Ziel, zugleich aber ist auch<br />
das Interesse des Unternehmens zu wahren, das den Mitarbeiter in das Team<br />
delegiert hat. Expertengespräche haben gezeigt, daß es innerhalb von Teams<br />
zwischen Zulieferern <strong>und</strong> Abnehmern häufig zunächst darauf ankommt, die<br />
"Philosophie" oder die "Sprache" des anderen zu lernen. Daß hier die Mitarbeiter<br />
des ökonomisch abhängigen Unternehmens die "Philosophie" des dominierenden<br />
Unternehmens übernehmen müssen, verweist zwar auf die Existenz von<br />
"nicht-ökonomischen" Dimensionen der <strong>Technikentwicklung</strong> - es handelt sich<br />
hierbei um wissenschaftlich-technische Diskurse -, zugleich aber darauf, wie der<br />
ökonomische "Orientierungskomplex" die anderen präformiert bzw. dominiert.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
anderem zurückzuführen, daß den Teammitgliedern oftmals die erforderliche<br />
freie Arbeitskapazität nicht eingeräumt werde. Bezogen auf die Projektmitglieder<br />
besteht deshalb ein wesentliches Problemfeld in der hohen<br />
Arbeitsbelastung, die mit dieser Produktentwicklungsmethode verb<strong>und</strong>en<br />
ist. Angenommen werden kann weiterhin, daß nicht nur die Ausgestaltung<br />
der Arbeitsbedingungen <strong>und</strong> -intensität, sondern auch die Art <strong>und</strong> Weise<br />
der Kontrollmöglichkeiten durch die Organisationsform "Projektgruppe"<br />
mitbestimmt werden:<br />
"Wenngleich die Projektteams eigenverantwortlich arbeiten, sind sie dennoch<br />
nicht völlig frei von Kontrolle. Das Management setzt genügend Interventionspunkte<br />
fest, um zu verhüten, daß Instabilität, Mehrdeutigkeit<br />
<strong>und</strong> Spannung sich in Chaos verwandeln. Gleichzeitig vermeidet es aber<br />
die rigide Kontrolle, die Kreativität <strong>und</strong> Spontaneität unterbindet. Statt<br />
dessen liegt der Schwerpunkt auf 'Selbstkontrolle', 'Kontrolle durch Kollegendruck'<br />
<strong>und</strong> 'Kontrolle durch gegenseitige Anerkennung'. Zusammenfassend<br />
wollen wir hier von 'subtiler Kontrolle' sprechen" (Takeuchi, Nonaka<br />
1986, S. 104).<br />
Demzufolge scheint hier eine Form des Innovationsmanagement vorzuliegen,<br />
die sehr wohl auf die Eigenheiten kreativer Arbeitsprozesse Rücksicht<br />
zu nehmen imstande ist, ohne deshalb Abstriche von Kontrollansprüchen<br />
machen zu müssen. Allerdings deuten neuere Studien darauf hin, daß<br />
die Rahmenkontrolle der Projekte durch das Management mit Hilfe von<br />
Zeitvorgaben nicht ohne Probleme ist. Sowohl die Methodik zur Zeitüberwachung<br />
als auch die Maßnahmen zur Reduzierung von Entwicklungszeiten<br />
stoßen bei vielen Ingenieuren <strong>und</strong> Wissenschaftlern in der industriellen<br />
Praxis offenk<strong>und</strong>ig auf Akzeptanzschwierigkeiten (Domsch,<br />
Gerpott 1988).<br />
Diese Bef<strong>und</strong>en verweisen auf ein gr<strong>und</strong>legendes Dilemma, in dem sich<br />
alle Formen des Projektmanagements von jeher bewegen:<br />
"Einmaligkeit <strong>und</strong> Geschichtlichkeit von Projektabläufen soll durch Organisationsprinzipien<br />
beherrschbar gemacht werden, die ursprünglich im Bereich<br />
stationärer Produktionsweisen zur Geltung kamen. Dieses an <strong>und</strong> für<br />
sich schon inadäquate Verhältnis gewinnt aber seine Schärfe erst dadurch,<br />
daß formalisierte Regelungen <strong>und</strong> Ablaufmodelle mit dem Anspruch verb<strong>und</strong>en<br />
werden, damit chaotische, unübersichtliche <strong>und</strong> turbulente Prozesse<br />
zu verhindern" (Balck 1989, S. 398).<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
Hervorgehoben wird hier der Widerspruch zwischen der Einmaligkeit des<br />
Projektablaufs <strong>und</strong> des jeweils erzielten Ergebnisses einerseits 22<br />
<strong>und</strong> den<br />
oftmals im Projektmanagement zum Einsatz kommenden Verfahrensweisen<br />
<strong>und</strong> Instrumenten, die auf dem Wiederholprinzip der klassischen Organisationslehre<br />
basieren, andererseits. Unter diesen Bedingungen entstehen<br />
häufig komplizierte Regelwerke, die Bearbeitungsschritte, Entscheidungsprozesse<br />
<strong>und</strong> Informationswege reglementieren <strong>und</strong> dadurch die<br />
Mobilisierung kreativen Handelns be- oder verhindern. Dieser Umstand<br />
scheint zunehmend virulent zu werden <strong>und</strong> provoziert neuerdings konzeptionelle<br />
Überlegungen zu einem "Wandel im Projektmanagement" (Balck<br />
1989), durch die verhindert werden soll, daß die Unsicherheit, die aus dem<br />
Projektgegenstand (innovatives Produkt) herrührt, noch durch die Projektform<br />
verstärkt wird.<br />
Trotz der genannten Problemfelder sehen zahlreiche Unternehmen in der<br />
durch die Einführung interdisziplinär arbeitender Projektteams ermöglichten<br />
Integration verschiedener Sichtweisen eines Problems <strong>und</strong> der Verkürzung<br />
der Informationswege vor allem bei der Bewältigung innovativer<br />
Aufgaben erhebliche Vorteile, so daß mit einer Tendenz zu dieser Form<br />
des Innovationsmanagements gerechnet werden kann. Die dabei entstehenden<br />
heterogen zusammengesetzten Projektteams sind dann der systematische<br />
Ort, an dem es um die Vermittlung marktbezogener, ökonomischer,<br />
wissenschaftlicher <strong>und</strong> technischer Gesichtspunkte geht. Dabei interessiert<br />
aus industrie- <strong>und</strong> techniksoziologischer Sicht insbesondere die<br />
Frage, wie das Aufeinanderprallen der von verschiedenen Teammitgliedern<br />
repräsentierten Interessen <strong>und</strong> Rationalitäten abläuft.<br />
8.8 Rationalitätskonfigurationen im Innovationsprozeß<br />
Nachdem längere Zeit die Vorstellung von der eigengesetzlichen Entwicklung<br />
von Wissenschaft <strong>und</strong> Technik in der wissenschaftlichen <strong>und</strong> öffentlichen<br />
Diskussion dominierte, hat in den letzten Jahren innerhalb der<br />
Innovations- <strong>und</strong> Technikforschung die Auffassung an Bedeutung gewon-<br />
22 "Since a given project is very rarely repeated, project management is the business<br />
of managing variety; benefits tend to flow from the effective exploitation<br />
rather than the reduction thereof (Bergen 1986, S. 2).<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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nen, daß technologische Innovationen auch das Produkt gesellschaftlicher<br />
Einflußgrößen sind. Dabei ist erkennbar, daß Erklärungsmodelle, die eine<br />
einzelne Determinante der <strong>Technikentwicklung</strong> privilegieren (z.B. ökonomische<br />
Interessen), zunehmender Kritik ausgesetzt sind (Krohn, Rammert<br />
1985). So unterscheidet z.B. Rammert in einer empirischen Studie<br />
zur <strong>Technikentwicklung</strong> im Unternehmen zwischen einer technischen, einer<br />
organisatorischen, einer wissenschaftlichen <strong>und</strong> einer ökonomischen<br />
Rationalität <strong>und</strong> nimmt an,<br />
"daß die Interdependenz <strong>und</strong> das Spannungsverhältnis dieser vier (...) verschiedenartigen<br />
Rationalitäten den Kern <strong>und</strong> die Dynamik der Produkt<strong>und</strong><br />
Verfahrensinnovation ausmachen <strong>und</strong> je nach Innovationsphase eine<br />
unterschiedliche Gewichtung erfahren <strong>und</strong> in unterschiedlichen Konfigurationen<br />
auftreten" (Rammert 1988, S. 99).<br />
Bei der Präzisierung dieser Aussagen tauchen allerdings bemerkenswerte<br />
Widersprüche auf. Zum einen unterstellt Rammert,<br />
"daß in früheren Stadien der Innovation die Such- <strong>und</strong> Entscheidungsprozesse<br />
vorwiegend den Standards technischer Rationalität folgen. In späteren<br />
Stadien schreiben wir der ökonomischen Rationalität eine führende<br />
Rolle in der Rationalitätskonfiguration zu, da es nun zunehmend um die<br />
ökonomische Entscheidung über ein technisch gelöstes Problem geht"<br />
(ebd.).<br />
Im Gegensatz dazu heißt es an anderer Stelle:<br />
"In der ersten Phase, in der die Initialentscheidung für ein Ablöseprodukt<br />
getroffen wird, dominieren ökonomische Kriterien, wie Preis- <strong>und</strong> Marktdruck,<br />
sowie steigende Materialkosten für das laufende Produkt. Das gilt<br />
auch für die der technischen Rationalität zuzuordnenden Gesichtspunkte,<br />
daß vom Verkauf über ein besseres Produkt berichtet wurde <strong>und</strong> Anregungen<br />
aus der Fertigung (betriebliches Vorschlagswesen) kommen" (ebd.,<br />
S. 110).<br />
Bei Rammert stehen somit zwei gegensätzliche Thesen unvermittelt nebeneinander:<br />
Einmal wird behauptet, die ökonomische Rationalität sei das<br />
die anderen Rationalitäten "dominierende Prinzip" (ebd., S. 97), gleichzeitig<br />
wird die "vereinfachte These von Primat der ökonomischen Rationalität<br />
über die technische (...), wie sie im traditionell marxistischen Theorem<br />
der reellen Subsumtion unterstellt wird" (ebd., S. 99), entschieden abgelehnt.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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Eine denkbare Auflösung dieses bemerkenswerten Widerspruchs könnte<br />
darin bestehen, daß unterschiedliche Rationalitätskonfigurationen nicht<br />
nur in unterschiedlichen Phasen des Innovationsprozesses auftreten, sondern<br />
auch bei unterschiedlichen Innovationstypen (etwa bei radikalen vs.<br />
inkrementalen Innovationen). Generalisierte Aussagen, die auf die Identifikation<br />
eines dominierenden Rationalitätsprinzips in Innovationsprozessen<br />
abzielen, würden dann an der Realität vorbeigehen; Aussagen dieser<br />
Art müßten vielmehr je nach Innovationstyp relativiert werden.<br />
Will man dieses Problem umgehen, könnte man sich, anders als Rammert,<br />
der Frage stellen, ob <strong>und</strong> ggf. wie sich die unterschiedlichen Rationalitäten<br />
so miteinander vermittelt haben, daß sie, zumal im Rahmen industrieller<br />
Kontexte, kaum noch trennscharf unterschieden werden können. Uns<br />
scheint nämlich die Kritik von Rammert an vereinfachenden Versionen<br />
des Subsumtionstheorems insofern berechtigt, als man nicht vorschnell die<br />
Existenz anderer als ökonomischer Rationalitätsmuster negieren kann. Es<br />
dürfte allerdings vorschnell <strong>und</strong> letztlich auch unberechtigt sein, die zentrale<br />
Frage auszuklammern, inwiefern diese anderen kulturellen, sozialen,<br />
organisatorischen <strong>und</strong> wissenschaftlichen "Orientierungskomplexe" (vgl.<br />
Krohn, Rammert 1985) so mit der ökonomischen Rationalität verknüpft<br />
sind, daß sie nur scheinbar als eigenständige Dimensionen der <strong>Technikentwicklung</strong><br />
zu begreifen sind. So falsch es also unserer Auffassung nach<br />
ist, die <strong>Technikentwicklung</strong> ausschließlich unter dem Gesichtspunkt einer<br />
Optimierung der Kapitalverwertung oder unter dem Gesichtspunkt der<br />
Herrschaftssicherung zu analysieren, so voreilig dürfte es sein, die Frage<br />
einer "Vermittlung der Produktivkräfte durch die Produktionsverhältnisse"<br />
(Adorno 1969) schlicht auszuklammern.<br />
Von großer Bedeutung ist in jedem Falle die Frage, wie es zur Verkuppelung<br />
der unterschiedlichen Rationalitätsmuster kommt <strong>und</strong> mit welchen<br />
Konsequenzen dies verb<strong>und</strong>en ist. Eine Untersuchung der in interdisziplinären<br />
Projektteams <strong>und</strong> sonstigen "pluralistischen Gremien" (Zündorf,<br />
Grunt 1982) stattfindenden Aushandlungsprozesse <strong>und</strong> der dabei zum<br />
Zuge kommenden Bewertungskriterien könnte für Fragen der Technikgenese<br />
außerordentlich fruchtbar sein. Aber auch aus traditionell industriesoziologischer<br />
Sicht dürften derartige Prozesse erhebliche Relevanz besitzen,<br />
da vieles dafür spricht, daß hier nicht nur die in der Fertigung anfallenden<br />
Kosten, sondern auch ein Gutteil der sozialen Arbeitsbedingun-<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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gen im Bereich der Fertigung wenn nicht festgeschrieben, so doch zumindest<br />
teilweise vorgezeichnet werden (Hack 1986; Bachmann, Möll 1992).<br />
8.9 Resümee<br />
Die geschilderten Bemühungen zur Innovation von Innovationsprozessen<br />
machen deutlich, daß die Verbindlichkeit der Bezüge zwischen Forschung,<br />
Entwicklung <strong>und</strong> Konstruktion einerseits <strong>und</strong> der Produktion <strong>und</strong> marktnahen<br />
Bereichen andererseits zugenommen hat, <strong>und</strong> die Organisation <strong>und</strong><br />
Kontrolle von technologischen Innovationsprozessen für die Unternehmen<br />
an Bedeutung gewinnen. Die systematische Berücksichtigung von Markt<strong>und</strong><br />
K<strong>und</strong>enanforderungen sowie von Fertigungs- <strong>und</strong> Montagebedingungen<br />
in frühen Phasen der Produktentwicklung, die dabei zum Einsatz<br />
kommenden Simulationsverfahren <strong>und</strong> sonstigen rechnergestützten Hilfsmittel,<br />
die einen veränderten Umgang mit Realität ermöglichen, die systematische<br />
Verwissenschaftlichung technologischer Innovationen <strong>und</strong><br />
schließlich die Anstrengungen zur Beschleunigung <strong>und</strong> Ökonomisierung<br />
der gesamten Produkt- <strong>und</strong> Prozeßentwicklung können als Momente eines<br />
neuen Innovationsmodus gelten, der auf die simultane Bewältigung des<br />
Innovations-, Ineffizienz- <strong>und</strong> Nachfragerisikos zielt <strong>und</strong> weitreichende<br />
strukturelle Veränderungen der <strong>Unternehmensorganisation</strong> mit sich<br />
bringt. Was sich abzeichnet, ist eine Tendenz zur organisatorischen Integration,<br />
die nur teilweise parallel zur datentechnischen Integration verläuft<br />
<strong>und</strong> überkommene Schnittstellen zwischen unterschiedlichen Abteilungen<br />
überwinden soll.<br />
"Während CIM (computer integrated manufacturing) die datentechnische<br />
Integration von computerunterstützten Verfahrensabläufen in den Bereichen<br />
Entwicklung, Fertigung <strong>und</strong> Logistik anstrebt, zielt die organisatorische<br />
Integration auf die Vernetzung der Zusammenarbeit von Marketing,<br />
Entwicklung, Beschaffung, Fertigung <strong>und</strong> Vertrieb ab" (Schmelzer 1990, S.<br />
46 f.).<br />
Ein wichtiges Untersuchungsfeld industriesoziologischer Forschung hätte<br />
demnach zu sein, den Voraussetzungen <strong>und</strong> Auswirkungen dieser Rationalisierungsmaßnahmen<br />
nachzugehen. Zu klären wäre vor allem die Frage,<br />
wie <strong>und</strong> mit welchen Folgen die Vergleichbarkeit/Kommensurabilität<br />
sehr heterogener Arbeitsfunktionen <strong>und</strong> -bereiche bewerkstelligt wird, die<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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die Voraussetzung einer bereichsübergreifenden Integration darstellt. Berücksichtigt<br />
werden müßten dabei auch die Grenzen <strong>und</strong> Widersprüche<br />
organisatorischer Maßnahmen, die der betrieblichen <strong>und</strong> unternehmensübergreifenden<br />
Innovationsförderung dienen sollen. Dazu liegen bislang<br />
kaum gesicherte Erkenntnisse vor; umfassende, industriesoziologisch orientierte,<br />
empirische Forschungen über diesen Komplex scheinen angesichts<br />
dieser Sachlage dringend erforderlich.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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9. Externe Arrangements zur Minimierung von<br />
Unternehmensrisiken<br />
Die folgenden Abschnitte stellen den Versuch dar, auf der Basis allgemein<br />
zugänglicher Informationen (Wirtschaftsberichterstattung, Geschäftsberichte<br />
etc.) eine Typologie der in der Unternehmenspraxis an Bedeutung<br />
gewinnenden externen organisatorischen Arrangements zu entwickeln.<br />
Dieses Vorhaben folgt einer, wenn man so will, doppelten Logik. Zum<br />
einen orientiert sich die Darstellung an einer im Anschluß an O.E.<br />
Williamson (1975; 1985) entwickelten These, die, auf einen einfachen<br />
Nenner gebracht, besagt, daß für die organistorischen Beziehungen <strong>und</strong><br />
Transaktionen in <strong>und</strong> zwischen Unternehmen Modelle denkbar sind, die<br />
sich zwischen den Polen "Markt" <strong>und</strong> "Hierarchie" verorten lassen. Zum<br />
anderen wird das empirische Material daraufhin untersucht, ob sich mit<br />
Hilfe der von J. Child unterschiedenen "strategischen Herausforderungen"<br />
bzw. Risiken (s. Abschnitt 3.6) eine Typologie entwickeln läßt, die zu zeigen<br />
in der Lage ist, daß unterschiedliche externe organisatorische Arrangements<br />
je spezifische Ausgangssituationen <strong>und</strong> Unternehmensstrategien<br />
<strong>und</strong> damit unterschiedliche Problemdefinitionen des Managements reflektieren.<br />
Außerdem soll überprüft werden, ob diejenigen organisatorischen<br />
Strategien, welche die mit der Durchführung wissenschaftlich-technischer<br />
Innovationsaktivitäten verb<strong>und</strong>enen Risiken (s. Abschnitt 3.4) in ihrem<br />
Gefährdungspotential minimieren sollen, ihrerseits neue Risiken für die<br />
Unternehmen aufwerfen. Wäre dies zutreffend, könnte man von einer Risikospirale<br />
sprechen.<br />
Ursprünglich sind wir von der These ausgegangen, daß die gegenwärtig zu<br />
beobachtende Bedeutungszunahme externer organisatorischer Arrangements<br />
bei der Bewältigung von Innovationsrisiken nur eine vorübergehende<br />
Erscheinung darstellt <strong>und</strong> mittelfristig Strategien der internen bzw.<br />
"quasi-internen" (Leborgne, Lipietz 1987) Innovationsbewältigung (Fusionen,<br />
Akquisitionen bzw. joint-ventures) dominieren werden. Diese These<br />
war insofern plausibel, als die Unternehmen auch bei der Verfolgung einer<br />
auf die Nutzung externer Innovationspotentiale setzenden Strategie nicht<br />
auf den Aufbau eigener Planungs-, Steuerungs- <strong>und</strong> Kontrollpotentiale<br />
sowie auf die Verfügung über eigenes wissenschaftlich-technologisches<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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Wissen (<strong>und</strong> auf die Abteilungen, die dieses bereitstellen) verzichten können<br />
(Freeman 1974). Mittlerweile lassen sich jedoch Mechanismen identifizieren<br />
("gesteuerte Autonomie" <strong>und</strong> "systemische Beherrschung"), die<br />
eine dauerhafte <strong>und</strong> verläßliche Kooperation zwischen Unternehmen verschiedener<br />
(oder sogar gleicher) ökonomischer Potenz sicherstellen.<br />
Dementsprechend mußte unsere Ausgangshypothese, die für die Zukunft<br />
einen Trend in Richtung (Re-)Internalisierung behauptete (vgl. Bieber,<br />
Brandt, Möll 1987), modifiziert werden. Zumindest diejenigen Formen der<br />
Kooperation, die man als "vertikale" bezeichnen könnte, also die Beziehungen<br />
zwischen Groß- <strong>und</strong> Kleinunternehmen, sind häufig auch in lockeren<br />
Kooperationsverbünden so eindeutig im Interesse der Großunternehmen<br />
gestaltet, daß eine Übernahme der Kleinunternehmen gar nicht notwendig<br />
erscheint (vgl. Brandt 1986b, S. 110 ff.). Welche der möglichen<br />
Strategien zur Verringerung des Innovationsrisikos - Verstärkung der Externalisierung<br />
oder Reinternalisierung - sich in welchem Bereich der Elektro-<br />
<strong>und</strong> Elektronikindustrie jedoch letztlich durchsetzen wird, ist eine<br />
Frage, die sich nur im Rahmen umfassender empirischer Forschungen beantworten<br />
ließe.<br />
Neben dem Innovationsrisiko haben Unternehmen auch mit Nachfrage<strong>und</strong><br />
Ineffizienzrisiken zu kämpfen. Die Bedeutung dieser "Risiken" bzw.<br />
"strategischen Herausforderungen" für die Unternehmen wurde bereits in<br />
anderem Zusammenhang (s. Abschnitt 3.6) aus der Perspektive von Unternehmen<br />
bzw. aus der Sicht des (Top-)Managements diskutiert. Dabei<br />
war deutlich geworden, daß diese Risiken zwar strukturell in den Funktionsprinzipien<br />
kapitalistischer Gesellschaften verankert sind, also je schon<br />
Gr<strong>und</strong>probleme von Unternehmen darstellen, die auf unsicheren Märkten<br />
agieren. Zugleich war jedoch auch deutlich geworden, daß diese in historisch<br />
unterschiedlichen Formen auftreten. Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> haben<br />
wir die These vertreten, daß in der derzeitigen historischen Situation die<br />
Zukunftschancen von Unternehmen angesichts verschärfter Weltmarktkonkurrenz,<br />
erhöhtem Kostendruck <strong>und</strong> beschleunigtem wissenschaftlichtechnischem<br />
Wandel in hohem Maße von ihren Fähigkeiten abhängen,<br />
technische Innovationen zu erzeugen <strong>und</strong> kommerziell zu verwerten. Die<br />
Generierung neuer Technologien <strong>und</strong> die erfolgreiche Einführung derselben<br />
auf dem Markt rücken demzufolge zunehmend ins Zentrum unternehmerischer<br />
Strategien (s. Kapitel 7 <strong>und</strong> 8).<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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Die Fähigkeit zur Innovation allein reicht allerdings nicht mehr aus, um<br />
die Konkurrenzfähigkeit eines Unternehmens zu sichern. Die vielbeschworene<br />
Beschleunigung des technologischen Wandels <strong>und</strong> die damit<br />
einhergehende Verkürzung der Produktlebenszyklen, technisch komplexer<br />
werdende Systeme <strong>und</strong> Produkte sowie die Kumulation der Entwicklungskosten<br />
erhöhen die Anforderungen an die FuE-Abteilungen. An deren<br />
Arbeit wird nicht nur immer stärker das Kriterium Wirtschaftlichkeit<br />
herangetragen, sondern zunehmend gewinnt auch der Faktor Schnelligkeit<br />
an Bedeutung. Und zwar um so mehr, je kürzer der zur Verfügung stehende<br />
Zeitraum zur Amortisierung hoher FuE-Aufwendungen wird. Deshalb<br />
werden in der einschlägigen Literatur im Interesse der erfolgreichen<br />
Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse in marktfähige Produkte <strong>und</strong><br />
neue technische Verfahren nicht nur angemessene organisatorische Strukturen<br />
für den FuE-Bereich gefordert. Als besonders wichtig gilt darüber<br />
hinaus die Koordination aller am Innovationsprozeß beteiligten Abteilungen<br />
(s. Kapitel 8). Diese Problemsicht schlägt sich seit einiger Zeit auch in<br />
einer Reihe von Publikationen nieder, die sich für eine Intensivierung der<br />
Kontakte zwischen der Unternehmensfunktion FuE <strong>und</strong> den Marketingabteilungen<br />
aussprechen (vgl. Wilson, Ghingold 1987). Von letzteren werden<br />
dabei insbesondere verbindliche Vorgaben für bestimmte Produktentwicklungen<br />
erwartet.<br />
Unter den gegenwärtigen ökonomischen Rahmenbedingungen impliziert<br />
der Begriff des Nachfragerisikos nicht allein die Notwendigkeit einer Flexibilisierung<br />
der Produktion, sondern auch die Notwendigkeit einer strategischen,<br />
d.h. vor allem schnellen Besetzung von Märkten mit neuen Produkten.<br />
Wir folgen dabei der Auffassung K. Ohmaes (1985), der aus dieser<br />
Konstellation schlußfolgert, daß multinationale (Groß-)Unternehmen<br />
heute alle Kernmärkte der "Triade" (Nordamerika, Europa, Japan) simultan<br />
erschließen müssen. Es ist also nicht allein die Strategie der Minimierung<br />
des Innovationsrisikos, die diese Unternehmen zu einer forcierten Internationalisierung<br />
(der FuE) bei gleichzeitiger regionaler Konzentration<br />
auf die entscheidenden Wachstums- <strong>und</strong> Innovationsmärkte greifen läßt,<br />
sondern auch der Versuch einer Reduzierung des Nachfragerisikos.<br />
Im folgenden soll deshalb die These untermauert werden, daß die Unternehmen<br />
der Bewältigung des Innovationsrisikos nicht nur zunehmend<br />
mehr Beachtung schenken, sondern gleichzeitig die dafür notwendigen<br />
Maßnahmen mit organisatorischen Strategien zur Bearbeitung des Nach-<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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frage- <strong>und</strong> des Ineffizienzrisikos verknüpfen. Man kann also von einem<br />
Modus integrativer Risikobewältigung sprechen. Dabei spielt, auch das<br />
wird zu zeigen sein, der Rückgriff auf externe organisatorische Arrangements<br />
eine immer entscheidendere Rolle, <strong>und</strong> zwar insbesondere unter<br />
den Bedingungen verschärfter Konkurrenz auf den Weltmärkten. 23<br />
Wie unsere Branchenanalyse (s. Teil C) gezeigt hat, ist "die" Elektro- <strong>und</strong><br />
Elektronikindustrie in Anbetracht der Heterogenität der dort produzierten<br />
(materiellen <strong>und</strong> immateriellen) Waren <strong>und</strong> dementsprechend der<br />
dort vorfindlichen Produkionsabläufe eher ein sozialstatistisches Konstrukt<br />
denn eine homogene Branche. Durch diese Eigenart unterscheidet<br />
sie sich wesentlich von anderen Branchen wie etwa der Automobilindustrie,<br />
dem Maschinenbau oder der Chemischen Industrie, die in bezug auf<br />
die Struktur ihrer Produkte bzw. Produktionsprozesse ein übersichtlicheres<br />
Bild abgeben. Da dieser Sachverhalt das Problem der unzulässigen<br />
Generalisierung von in Teilbereichen gewonnenen Forschungsergebnissen<br />
verschärft, haben wir, wo das möglich war, einzelne Subbranchen der Elektroindustrie<br />
bzw. einige Felder der Technologieentwicklung gesondert behandelt<br />
(Software, Telematik etc.) <strong>und</strong> die dort vorherrschenden Modi der<br />
Kooperation zu identifizieren versucht. Dies bedeutet nun allerdings nicht,<br />
daß beispielsweise die Produktion von Software oder bestimmter Betriebssysteme<br />
ausschließlich im Rahmen einer bestimmten Organisationsform<br />
stattfinden würde. Auch in diesem Bereich sind sowohl Formen interner<br />
als auch verbindlichere Formen externer organisatorischer Arrangements<br />
anzutreffen. Dennoch schien es uns möglich, bestimmte typische Koopera-<br />
23 Zum methodischen Vorgehen in diesem Abschnitt sei der wissenschaftlichen<br />
Redlichkeit halber noch soviel gesagt: Es handelt sich hier nicht um die Präsentation<br />
von Forschungsergebnissen, die den gängigen Standards industriesoziologischer<br />
Forschung entsprechen. Im folgenden geht es vielmehr darum, anhand<br />
allgemein zugänglichen Materials Fragestellungen zu destillieren, die im Wege<br />
gründlicher empirischer Fallstudien eingehender verfolgt werden müßten. Qualitativ<br />
orientierte empirische Sozialforschung hätte beispielsweise (in Expertengesprächen,<br />
Verfahren der cross-examination etc.) zu eruieren, inwiefern <strong>und</strong><br />
mit welchem "Momentum" (Hughes) die hier (re-)konstruierten Problemlagen<br />
das Handeln der verantwortlichen Wissenschaftler, Ingenieure, Techniker <strong>und</strong><br />
Manager beeinflussen <strong>und</strong> wie die jeweils Verantwortlichen mit diesen Problemen<br />
umgehen. Dies kann hier allerdings nicht geleistet werden. Es gibt aber<br />
Hinweise darauf, daß die im folgenden identifizierten Modi externer Kooperation<br />
auch in anderen Branchen wirksam sind (vgl. Bieber, Sauer 1991).<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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tionsformen mit bestimmten Subbranchen der Elektro- <strong>und</strong> Elektronikindustrie<br />
in Beziehung zu setzen.<br />
Neben die internen Unternehmensstrategien zur Risikominimierung (u.a.<br />
der Ausbau der unternehmenseigenen FuE-Aktivitäten (s. Kapitel 6), die<br />
Umstrukturierung der Organisation in Produkt- oder Geschäftsfelder, die<br />
sich auf gemeinsame Technologien oder Märkte richten können, oder die<br />
Beschränkung von Unternehmen auf Kernaktivitäten) treten zunehmend<br />
Lösungsmuster, die sich auf unternehmensexterne organisatorische Einheiten<br />
beziehen. In der Wirtschaftspresse erscheinen nahezu täglich Meldungen<br />
über Kooperationsabkommen, Beteiligungen oder Firmenkäufe.<br />
Diese externen Arrangements können als Konzentrations- <strong>und</strong> Rationalisierungsprozesse<br />
verstanden werden, da sie sowohl die Marktverhältnisse<br />
als auch unternehmensinterne Organisationsstrukturen verändern. Sie<br />
sollen im folgenden dahingehend unterschieden werden, ob sie Kooperationen<br />
im Sinne von freiwilliger Zusammenarbeit <strong>und</strong> wirtschaftlicher Kooperation<br />
zwischen rechtlich <strong>und</strong> wirtschaftlich selbständigen Unternehmen<br />
darstellen oder ob sie eher als Formen externen Unternehmenswachstums<br />
begriffen werden können, bei denen die an der Zusammenarbeit<br />
beteiligten Unternehmen wirtschaftlich in einem Verhältnis der Überoder<br />
Unterordnung stehen (z.B. Akquisition, Fusion, Beteiligung). 24<br />
Im<br />
ersten Fall werden Risiken ausgelagert, im zweiten Fall wird dagegen versucht,<br />
externe Problemlösungskapazitäten ins eigene Unternehmen zu integrieren<br />
<strong>und</strong> Risiken durch Internalisierung zu bewältigen. Die Grenze<br />
zwischen "Kooperation" <strong>und</strong> externem Unternehmenswachstum ist freilich<br />
fließend, da auch bei einer Kooperation zumindest in den Bereichen der<br />
Zusammenarbeit die wirtschaftliche <strong>und</strong> organisatorische Selbständigkeit<br />
partiell verlorengeht. Ein joint-venture stellt beispielsweise eine Kooperationsform<br />
dar, die auch als externer Unternehmenszuwachs begriffen werden<br />
kann. In bezug auf die Risikominimierung stellt sie sowohl eine Risikoabwälzung<br />
nach außen wie eine Internalisierung dar <strong>und</strong> soll deshalb als<br />
Grenzfall behandelt werden.<br />
24 Analytisch könnte man zwischen horizontaler <strong>und</strong> vertikaler Kooperation unterscheiden.<br />
Bezieht sich letztere auf die Kooperation zwischen ungleich starken<br />
Partnern, also etwa auf die Kooperationsbeziehungen zwischen Groß- <strong>und</strong><br />
Kleinunternehmen, so ist die horizontale Kooperation die, die zwischen mehr<br />
oder weniger gleich starken Partnern vereinbart wird.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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9.1 Kooperationen<br />
Die Zielsetzung von Kooperationsvereinbarungen besteht gegenüber einem<br />
rein sich auf die eigenen Ressourcen stützenden Vorgehen in der Realisierung<br />
von Betriebsgrößenvorteilen <strong>und</strong> der damit verb<strong>und</strong>enen Sicherung<br />
der Wettbewerbsfähigkeit, die aus der gemeinschaftlichen Ausübung<br />
von Unternehmensfunktionen mit dem Kooperationspartner erwachsen.<br />
Im Gegensatz zur Akquisition oder Fusion wird die wirtschaftliche <strong>und</strong><br />
technische Entscheidungsfreiheit nur in den Bereichen eingeschränkt, auf<br />
die sich das Kooperationsabkommen bezieht.<br />
Zu den Vorteilen dieser Vorgehensweise gehört die Minimierung des Innovationsrisikos.<br />
Seit die FuE-Aufwendungen für die Entwicklung neuer<br />
I&K-Technologien die traditionellen Kostengrenzen sprengen, wird nämlich<br />
die Strategie reiner In-house-Entwicklungen für die Hersteller zu einem<br />
unüberschaubaren Risiko. 25<br />
Weitere Vorteile bestehen in der Vermeidung<br />
von Doppelinvestitionen, der besseren Ausnutzung vorhandener<br />
Kapazitäten, der Überwindung mangelnder Faktorenausstattung (z.B.<br />
durch Nutzung von Know-how des Partners), der Verringerung des Kapitalbedarfs<br />
<strong>und</strong> des Zeitaufwands sowie der Möglichkeit eines besseren<br />
Zugriffs auf neue Märkte. Folgt man der betriebswirtschaftlichen Argumentation,<br />
so erlauben Kooperationen die Realisierung von sehr widersprüchlichen<br />
Zielen. So sollen spezifische Stärken einvernehmlich beiden<br />
Unternehmen zugute kommen, Risiken nach Möglichkeit aber auf das jeweils<br />
andere Unternehmen abgewälzt werden. 26<br />
Zwischenbetriebliche Kooperationsvereinbarungen lassen sich durch ihren<br />
Intensitätsgrad <strong>und</strong> ihre funktionale Reichweite innerhalb der kooperierenden<br />
Unternehmen unterscheiden. Im folgenden soll versucht werden,<br />
sie den verschiedenen Strategien zur Risikominimierung zuzuordnen.<br />
In bezug auf ihre Intensität kann sich die Kooperation "nur auf einen vertraglich<br />
festgelegten Informationsaustausch anläßlich besonderer Pla-<br />
25 Für den einst zweitgrößten Telekommunikationanbieter der Welt ITT entwickelte<br />
sich beispielsweise die Adaption des "System 12" der deutschen Tochter<br />
SEL für den US-Markt zum "Milliardenflop" (Weltmärkte im Umbruch, WirtschaftsWoche<br />
12/87).<br />
26 Globale strategische Partnerschaften, Manager Magazin 5/86.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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nungsvorhaben (z.B. im Investitionsbereich) beschränken oder eine laufende<br />
Verständigung zwischen den Partnern, wie bei der Einrichtung einer<br />
gemeinsamen Beschaffungsorganisation, vorsehen. Ihre funktionale Reichweite<br />
läßt sich an der Zahl <strong>und</strong> dem Umfang der Unternehmensfunktionen<br />
messen, die in die Vereinbarungen einbezogen werden" (Mathes 1981,<br />
S. 403 ff.). Gegenstand der Kooperation können dabei Aufgaben aus nahezu<br />
allen Tätigkeitsfeldern der Unternehmen sein: "Typische Fälle sind<br />
die Zusammenarbeit<br />
in der Produktion (z.B. zur besseren Ausnutzung vorhandener Produktionsanlagen),<br />
in Forschung <strong>und</strong> Entwicklung (z.B. Entwicklungsgemeinschaften, Lizenzvergabe,<br />
Erfahrungsaustausch),<br />
im Vertrieb (z.B. Verkaufs-, Werbe- oder Lagergemeinschaften)" (Enzyklopädie<br />
der BWL, S. 1.114).<br />
Die Durchführung dieser Vereinbarungen bedeutet in jedem Fall die vollständige<br />
oder teilweise Ausgliederung von Unternehmensfunktionen <strong>und</strong><br />
damit eine Veränderung interner Strukturen der <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
So verändert beispielsweise die Errichtung eines gemeinsamen<br />
Großlagers die logistische Struktur der Fertigung <strong>und</strong> Montage, <strong>und</strong> die<br />
Spezialisierung von FuE-Abteilungen kann zur Umorganisation, Zusammenlegung<br />
oder Ausgliederung von FuE-Bereichen führen.<br />
Ausgegliederte Funktionen werden entweder von einem oder mehreren<br />
der Partner übernommen oder auf eine zu diesem Zweck anzugliedernde<br />
Einheit übertragen (z.B. Gründung einer gemeinsamen Vertriebsgesellschaft).<br />
Viele Kooperationen sind horizontal organisiert, d.h. Vereinbarungen<br />
von Unternehmen der gleichen Herstellungsrichtung oder komplementär,<br />
d.h., es gibt Vereinbarungen von Unternehmen, die in einem<br />
sich ergänzenden Verhältnis zueinander stehen (z.B. in der Computer<strong>und</strong><br />
Nachrichtentechnik).<br />
Die Ursachen für die in den letzten Jahren zu beobachtende Zunahme von<br />
Kooperationsvereinbarungen sind vielfältig:<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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In dem Maße, wie Forschung <strong>und</strong> Entwicklung zu einem bestimmenden<br />
Wettbewerbsfaktor werden, können kleinere <strong>und</strong> mittelständische<br />
Unternehmen die notwendigen FuE-Investitionen oft nicht mehr aus<br />
eigener Kraft aufbringen. Dieser Umstand kann allerdings auch zu<br />
Akquisitionen führen.<br />
Spezielles Know-how fehlt, <strong>und</strong> es würde ohne fremde Hilfe zu lange<br />
dauern, den Stand der Wettbewerber zu erreichen.<br />
Die Entwicklung bestimmter Technologien erfordert innerhalb kurzer<br />
Zeit für ein einzelnes Unternehmen zu hohe FuE-Aufwendungen <strong>und</strong><br />
Investitionen in Produktions- <strong>und</strong> Absatzstrukturen, so daß diese nur<br />
in Kooperation mit anderen aufzubringen sind.<br />
Hinzu tritt vielfach die Notwendigkeit der Schaffung technisch-ökonomischer<br />
Standards für eine erfolgreiche Markteinführung neuer Produkte,<br />
denn der Marktführer <strong>und</strong> die potentesten Nutzer bestimmen hier die<br />
Marktverhältnisse. 27<br />
Ein weiterer Gr<strong>und</strong> für die wachsende Bereitschaft<br />
der Unternehmen, Kooperationen einzugehen, besteht in der möglichen<br />
Erzielung von Kostenvorteilen <strong>und</strong>/oder der Differenzierung der Produktpalette,<br />
um in bestimmten Teilmärkten zum internationalen Marktführer<br />
werden zu können. 28<br />
Schließlich verringern die kurzen Produktlebenszyklen<br />
von High-Tech-Produkten, ihre hohen FuE- <strong>und</strong> Produktionskosten<br />
die Amortisationszeiten, d.h., FuE-Kooperationen, Produktionsverbünde<br />
<strong>und</strong> weltweiter Vertrieb werden zunehmend zu einer Voraussetzung<br />
des Markterfolgs. 29 Kooperationen ermöglichen ferner den Zugang<br />
zu einem größeren K<strong>und</strong>enpotential 30<br />
<strong>und</strong> den Einblick in die Gesetze<br />
fremder Märkte bei Beschaffung, Produktion, Marketing, Distribution,<br />
27 General Motors etwa setzte allein durch seine immense Größe <strong>und</strong> Nachfragemacht<br />
eine solche Standardisierung im Bereich der elektronischen Schnittstellen<br />
(MAP) in der Produktion durch, an der sich sowohl Zulieferer wie Ausrüster<br />
<strong>und</strong> schließlich auch die Konkurrenten zu orientieren haben. IBM machte aufgr<strong>und</strong><br />
seiner weltweiten Marktführung <strong>und</strong> Marktbedienung schon Anfang der<br />
80er Jahre ihren Personalcomputer des Typs XT zu einem De-facto-Standard.<br />
Dutzende von anderen Herstellern ahmten diesen nach <strong>und</strong> trugen so wesentlich<br />
zur PC-Verbreitung bei.<br />
28 Globale strategische Partnerschaften, Manager Magazin 5/86.<br />
29 Der lange Weg zur neuen Firma, Manager Magazin 5/86.<br />
30 Die Strategie der Triade, Manager Magazin 5/85.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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Personalwesen <strong>und</strong> Finanzierung. Ein Konsortium gewährleistet darüber<br />
hinaus den Zugriff auf eine vollständige Infrastruktur inkl. aller Bezugsquellen,<br />
Informationen, Rohstoffe, Zulieferer <strong>und</strong> Lizenzen. 31<br />
Die Tatsache, daß sich Kooperationen sowohl auf den Bereich der FuE als<br />
auch auf die Bereiche Fertigung <strong>und</strong> Vertrieb beziehen, ist ein Indiz für<br />
die Richtigkeit unserer These einer Tendenz zu integrativer Risikobewältigung.<br />
Zugleich wird deutlich, daß die bislang in der Industrie- <strong>und</strong> Techniksoziologie<br />
entwickelten Vorstellungen den Umfang <strong>und</strong> die Reichweite<br />
von Restrukturierungsmaßnahmen der <strong>Unternehmensorganisation</strong> unterschätzt<br />
haben. So haben etwa Hack, Hack (1985) die These eines neuen<br />
Musters der internationalen FuE-Kooperation formuliert, deren Kennzeichen<br />
die Beschränkung auf den vorwettbewerblichen Forschungsbereich<br />
sei:<br />
"Die Zusammenarbeit wird auf den Bereich des 'precompetitive research'<br />
begrenzt; die Konzerne behalten sowohl ihre eigenen FuE-Einrichtungen<br />
bei als auch, vor allem, ihre eigenen Produktionsprogramme <strong>und</strong> Vertriebsapparate"<br />
(Hack, Hack 1985, S. 118).<br />
Angesichts von Kooperationsvereinbarungen, die sich weder auf FuE noch<br />
auf den Vertrieb beschränken, läßt sich dieses Argument (inzwischen) so<br />
nicht aufrechterhalten. Aufgr<strong>und</strong> der Notwendigkeit einer schnellen <strong>und</strong><br />
weltweiten Markteinführung von neuen Produkten können sich aus den<br />
verschiedenen Formen der Kooperation, auch wenn sie zunächst nur zur<br />
Minimierung von Innovationsrisiken eingegangen wurden, durchaus erhebliche<br />
Modifikationen der jeweiligen Produktionsprogramme <strong>und</strong> Vertriebsapparate<br />
ergeben. Darüber hinaus nimmt die Zahl der Kooperationsabkommen<br />
zu, die von vornherein nicht nur auf die Forschung <strong>und</strong><br />
Entwicklung, sondern auch auf eine gemeinsam abgestimmte <strong>und</strong> arbeitsteilig<br />
organisierte Herstellung von neuen Produkten abzielen.<br />
(a) Vertriebskooperationen: Vereinbarungen über einen gemeinsamen<br />
Vertrieb eröffnen die Möglichkeit, die Marktpräsenz zu erhöhen, in neue<br />
Märkte vorzudringen oder bestimmte technische Standards durchzusetzen.<br />
Einige Beispiele mögen dies belegen:<br />
31 Der lange Weg zur neuen Firma, Manager Magazin 5/86. Firmen schwimmen in<br />
Geld, FR 23.11.88. Transpazifische Halbleiter-Kooperation, Börsen-Zeitung<br />
17.12.86.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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Philips schloß 1978 mit Sony mehrere Kooperationsabkommen auf dem Gebiet der<br />
optischen Speichertechnik, die darauf abzielten, durch ein gemeinsames Auftreten<br />
auf den Weltmärkten technische Standards zu fixieren. In der Unterhaltungselektronik<br />
verfügte das niederländische Unternehmen über konkurrenzfähiges Know-how<br />
(Audiokassetten, Videorekorder, Bildplatte), ohne es jedoch erfolgreich vermarkten<br />
zu können. 32<br />
Das Stuttgarter Unternehmen Bosch traf eine Vertriebsvereinbarung mit Mitsubishi<br />
über den Verkauf von TN-Nebenstellenanlagen in Japan. 33<br />
Dadurch erreichte Bosch<br />
überhaupt erst den Zugang zum japanischen Markt im Bereich der Telekommunikation.<br />
Bosch beschritt damit einen neuen Weg, da man vorher ausschließlich Lizenzen<br />
an japanische Unternehmen (im Bereich der Fahrzeugelektronik) vergeben<br />
hatte <strong>und</strong> damit jeglichen Einfluß auf Produktion, Preise etc. verlor.<br />
Innerhalb der Software-Branche unterzeichnete Unisys zu Beginn des Jahres 1988<br />
einen Kooperationsvertrag mit dem Wilhelmshavener Software-Haus ADV/Orga,<br />
einem der größten deutschen Software-Anbieter. Die Unisys Corp., die durch eine<br />
Fusion der hinter IBM weltweit größten EDV-Hersteller Sperry <strong>und</strong> Burroughs entstanden<br />
war - mit einem Umsatz von 9,5 Mrd. S 34<br />
-, übernahm damit europaweit die<br />
Gesamtvertriebsrechte für Datenverarbeitungsprogramme von ADV/Orga. 35<br />
Weitaus häufiger sind allerdings Vereinbarungen, die die Erzeugung von<br />
Innovationen direkt miteinbeziehen, also auch das strategische Ziel einer<br />
Minimierung des Innovationsrisikos integrieren.<br />
(b) Lizenzfertigung <strong>und</strong> Lizenztausch: Zu den traditionell üblichen Kooperationsformen<br />
auf dem Gebiet von Forschung <strong>und</strong> Entwicklung gehören<br />
die Lizenzfertigung <strong>und</strong> der Lizenztausch. Im Vergleich mit anderen<br />
Kooperationsformen kommt diesen Vereinbarungen bei der Entwicklung<br />
von bedeutenden Innovationen eine etwas geringere Bedeutung zu. Hier<br />
wird nämlich nicht die - arbeitsteilig organisierte - Erzeugung neuer Produkt-<br />
oder Prozeßtechnologien zum Gegenstand unternehmensübergreifender<br />
Transaktionen, sondern das Abkommen stellt eher eine "Einbahnstraße"<br />
dar, in der ein Unternehmen Know-how abgibt, das für den Kooperationspartner<br />
von entscheidender Bedeutung sein kann. Dies läßt sich<br />
beispielhaft an Kooperationsabkommen zwischen europäischen <strong>und</strong> japanischen<br />
Unternehmen studieren. Durch die Abgeschlossenheit der japani-<br />
32 Gigant auf Partnersuche, WirtschaftsWoche 7/86.<br />
33 Elektronikkonzerne rücken enger zusammen, FR 21.11.87.<br />
34 Weltmärkte im Umbruch, WirtschaftsWoche 12/87.<br />
35 Unisys <strong>und</strong> ADV/Orga bündeln ihre Kräfte, FR 7.2.88.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
schen Forschung erhalten Lizenzproduktion <strong>und</strong> Lizenztausch nämlich<br />
eine neue, darüber hinausgehende Bedeutung. Sie eröffnen den Zugriff<br />
auf japanische Forschungspotentiale. Als Beispiele können Abkommen<br />
von Siemens im Halbleiterbereich angeführt werden:<br />
Gegenüber amerikanischen <strong>und</strong> vor allem japanischen Chip-Produzenten sind die<br />
europäischen Firmen Siemens, Philips <strong>und</strong> Thomson weit im Hintertreffen. Der<br />
Schlüssel für Innovationen in der Chip-Produktion liegt neben der Verfügung über<br />
avanciertes wissenschaftlich-technisches Wissen auch in der Fertigung. Durch bessere<br />
"cleaning-rooms" produzieren japanische Unternehmen wesentlich weniger<br />
Ausschuß <strong>und</strong> haben dadurch erhebliche Kostenvorteile. Mit der für 1984 geplanten<br />
Produktion eines 1-Mbit-Speichers nahm sich Siemens vor, diesen Rückstand aufzuholen.<br />
Der Versuch scheiterte allerdings schon in der ersten Phase. Siemens<br />
mußte Toshiba zu Hilfe rufen <strong>und</strong> erwarb 1985 eine Produktionslizenz für die Fertigungstechnologie<br />
des 1-Mbit-DRAM-Chips. Der Vertrag sah auch die Unterstützung<br />
durch japanische Fachkräfte vor. "Siemens begründete diesen Schritt damit,<br />
daß man die in der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland knappen Fachkräfte nicht bei der<br />
Entwicklung des 1-Mbit-Speichers binden, sondern sich voll auf die Entwicklung des<br />
4-Mbit-Chips konzentrieren wolle" (Oesterheld, Wortmann 1988, S. 62). Dies kann<br />
freilich auch als fre<strong>und</strong>liche Umschreibung der Tatsache verstanden werden, daß<br />
Siemens in Gefahr geriet, den technologischen Anschluß im Halbleiterbereich zu<br />
verpassen. Ebenfalls 1985 wurde zwischen Siemens <strong>und</strong> Toshiba ein Patentlizenztausch<br />
für das gesamte Gebiet der Halbleiterbauelemente mit gegenseitigen weltweiten<br />
Rechten abgeschlossen.<br />
Auch mit anderen Halbleiterherstellern besitzt Siemens Verträge über einen Patentlizenztausch.<br />
So besteht (seit 1976) ein solches Abkommen mit Intel (u.a. über<br />
16K- <strong>und</strong> 32K-Mikroprozessorfamilien) <strong>und</strong> mit Advanced Mikro Devices (AMD)<br />
(ebd., S. 61). Mit Philips werden Pläne für ISDN-Bausteine ausgetauscht.<br />
Die angesprochene Kooperation von Siemens mit Toshiba machte - auch<br />
mit der angegebenen Begründung - insofern Sinn, als der hohe Anteü an<br />
Gr<strong>und</strong>lagenforschung, der für die Quantensprünge der Technologieentwicklung<br />
in der Mikroelektronik notwendig ist, bei entsprechendem Einsatz<br />
von Ressourcen durchaus eine "nachholende Entwicklung" ermöglicht.<br />
Ferner wird deutlich, daß Fragen der wissenschaftlichen Gr<strong>und</strong>lagenforschung<br />
<strong>und</strong> der industriellen Produktion zusammenhängend bearbeitet<br />
werden. Wie weit die Verflüssigung von Unternehmensgrenzen <strong>und</strong> die<br />
Ausweitung der Verwertungsperspektive großer Unternehmen inzwischen<br />
gediehen ist, läßt sich nicht zuletzt daran erkennen, daß man sich bei der<br />
Erreichung des nächstgelegenen Ziels der Hilfe bereits am Markt erfolgreicher<br />
Konkurrenten bedient.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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(c) Vereinbarungen über Forschung <strong>und</strong> Entwicklung: Qualitativ neu hingegen<br />
sind jene Formen der Kooperation in Forschung <strong>und</strong> Entwicklung,<br />
die die gemeinsame Erzeugung von Innovationen zum Ziel haben. Hier<br />
gibt es einige prägnante Beispiele im Halbleiterbereich, in der Datentechnik<br />
<strong>und</strong> in der Software, wobei in einigen Fällen sogar neue Forschungsinstitute<br />
ausgegründet wurden. Man findet sowohl Abkommen zwischen einzelnen<br />
Unternehmen als auch zwischen ganzen Unternehmensverbünden,<br />
die für bestimmte Projekte auf eng umrissenen Gebieten zusammenarbeiten.<br />
Die wachsende Anzahl dieser Abkommen verdeutlicht die zunehmende<br />
strategische Bedeutung der Innovationserzeugung für den Erfolg<br />
von Unternehmen; sie sollen deshalb im folgenden etwas ausführlicher<br />
dargestellt werden. Damit soll zugleich die These untermauert werden,<br />
daß die Bewältigung des Innovationsrisikos zunehmend ins Zentrum unternehmerischer<br />
Strategien rückt. Zu beachten sind außerdem diejenigen<br />
Kooperationen, die von "politischen Institutionen" initiiert bzw. getragen<br />
werden, die aber in öffentlichen Diskussionen bislang kaum angemessen<br />
reflektiert wurden (vgl. Hack, Hack 1985).<br />
Entscheidend für die Entwicklung der japanischen Halbleiterindustrie, die seit Mitte<br />
der 80er Jahre weltweit führend ist, war die Rolle des japanischen Industrie- <strong>und</strong><br />
Handelsministeriums (MITI). "Die überragenden Erfolge, die von den Japanern erzielt<br />
wurden, fußen auf einer langfristig angelegten, von den wichtigsten nationalen<br />
Wettbewerbern mitgetragenen Planung mit klaren Zielvorgaben, die oft vorzeitig erreicht<br />
werden. Dieser Planung liegt eine langfristig angelegte Förderstrategie des japanischen<br />
Industrie- <strong>und</strong> Handelsministeriums (MITI) zugr<strong>und</strong>e" (Möller 1983, zitiert<br />
nach Hack, Hack 1985, S. 109). Im Jahre 1975 initiierte das MITI das VLSI-<br />
Programm (Very Large Scale Integration), das zum Ziel hatte, Speicher-Chips mit<br />
optimaler Qualität herzustellen. Der japanische Staat ließ sich das Projekt rd. 400<br />
Mio. DM kosten; mindestens den gleichen Betrag trug die japanische Industrie bei.<br />
"Es entstanden mehrere Gemeinschaftslabors, in die alle bedeutenden Elektronikfirmen<br />
ihre Forschungsmannschaften schickten. Nach fünf Jahren waren die Anforderungen<br />
des MITI erfüllt. Die Produktion lief mit einer Präzision, wie sie kaum<br />
eine Fabrik in Silicon Valley bieten konnte. Die Teams lösten sich auf, die Forscher<br />
gingen wieder in ihre Unternehmen zurück". 36<br />
Zu Anfang der 80er Jahre wurden<br />
schließlich Fertigungslinien errichtet, die aufgr<strong>und</strong> ihrer Kapazitäten geeignet waren,<br />
den Bedarf des Weltmarkts nahezu vollständig abzudecken.<br />
Gegen Ende der 80er Jahre erfolgten die amerikanische <strong>und</strong> die europäische Antwort.<br />
Im März 1987 wurde in den USA das Konsortium "Sematech" gegründet, das<br />
die amerikanische Führung in der Prozeßtechnik wieder herstellen sollte. Zu den<br />
36 Um Kopf <strong>und</strong> Kragen, Manager Magazin 9/88. Die Projekte Mega, Jessi <strong>und</strong><br />
Sematech bringen die Elektronik voran, Blick durch die Wirtschaft 13.10.88.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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Mitgliedern gehören 14 führende Halbleiterhersteller, darunter Motorola, Texas Instruments,<br />
Intel, National Semiconductor sowie AT&T <strong>und</strong> IBM. Das Konsortium<br />
entstand, nachdem der Unternehmensverband Semiconductor Industry Association<br />
(SLA) die Idee des Unternehmensleiters von National Semiconductor, eine firmenübergreifende<br />
<strong>und</strong> staatlich geförderte Pilotfertigung für modernste integrierte<br />
Schaltkreise zu installieren, übernahm. 37 Der Vorsitzende des Konsortiums ist R.<br />
Noyce, Vice-Chairman von Intel, Miterfinder der integrierten Halbleiter-Schaltung,<br />
Inhaber mehrerer wissenschaftlicher Auszeichnungen <strong>und</strong> Gründer zweier Unternehmen.<br />
Geforscht wird in Austin, Texas. In den Entwicklungs-, Investitions- <strong>und</strong><br />
Produktionsetat fließen Gelder aus regionalen Quellen, die beteiligten Unternehmen<br />
schießen 1 % ihres Jahresumsatzes hinzu, <strong>und</strong> 100 Mio. Dollar jährlich finanziert<br />
die US-B<strong>und</strong>esregierung aus dem Etat des Verteidigungsministeriums. 38<br />
In Europa kooperiert Philips mit Siemens bei der Entwicklung des 1-Mbit- <strong>und</strong> 4-<br />
Mbit-Chips. Die Serienfertigung des 4-Mbit-Chip konnte termingerecht 1989 beginnen.<br />
Die Prozeßtechnik wurde gemeinsam entwickelt, der Vertrieb läuft getrennt,<br />
d.h., trotz gemeinsamer Entwicklung treten die Unternehmen auf dem Markt als<br />
Konkurrenten auf. Der Gesamtaufwand für FuE betrug 1,4 Mrd. DM. Daran waren<br />
die deutsche B<strong>und</strong>esregierung mit 320 Mio. DM <strong>und</strong> die niederländische Regierung<br />
mit 160 Mio. DM beteiligt. 39<br />
Zu Beginn des Jahres 1988 wurde das Forschungsprogramm Jessi (Joint European<br />
Submicron Silicon Institute) der Europäischen Gemeinschaft ins Leben gerufen, an<br />
dem neben Philips <strong>und</strong> Siemens etwa 40 weitere allerdings kleinere Firmen beteiligt<br />
sind. Ziel von Jessi ist die Entwicklung des 16-Mbit- <strong>und</strong> 64-Mbit-Chips. Zusammen<br />
mit der Fraunhofer-Gesellschaft <strong>und</strong> der holländischen Stiftung für technische Wissenschaft<br />
ist im Januar desselben Jahres eine einjährige Planungsphase angelaufen.<br />
Im Rahmen des europäischen Eureka-Forschungsprogramms sollen hier die<br />
Gr<strong>und</strong>lagen für den 64-Mbit-Chip erarbeitet werden, der etwa Mitte der 90er Jahre<br />
marktreif sein soll. Die Kosten werden auf 7,3 Mrd. DM geschätzt, die wiederum<br />
zur Hälfte aus öffentlichen Mitteln getragen werden sollen (BRD, Frankreich, Niederlande<br />
<strong>und</strong> Italien). Seit Oktober 1988 wurde nach anfänglichem Sträuben von<br />
Siemens <strong>und</strong> Philips auch SGS-Thomson miteinbezogen. Nach dem Eindruck, den<br />
man aus der Unternehmensberichterstattung gewinnen kann, gibt vor allem Siemens<br />
nur ungern das gemeinsam mit Philips erarbeitete Know-how ab, da SGS-Thomson<br />
durch Fusion zum zweitgrößten, rein europäischen Chip-Produzenten hinter Philips<br />
aufgerückt ist. 40<br />
37 Amerikanische Chip-Hersteller machen mobil, VDI-N 26.8.88.<br />
38 Amerikanische Chip-Hersteller machen mobil, VDI-N 26.8.88. Jessi soll Japaner<br />
jagen, Industriemagazin 10/88.<br />
39 Deutsche Chiphersteller holen auf, SZ 18.3.87.<br />
40 Siemens, Philips <strong>und</strong> SGS-Thomson forschen gemeinsam, VWD 28.10.88. Jessi<br />
soll Japaner jagen, Industriemagazin 10/88. Europa will Rückstand bei Chips<br />
aufholen, SZ 4.11.88.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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Welche internationalen Kooperationsverbünde sich im Bereich der Halbleiterindustrie<br />
etabliert haben, wird aus Abbildung 9.1 deutlich.<br />
Quelle: OECD 1990, Advanced Materials<br />
Abbildung 9.1<br />
Größere Kooperationen in der Halbleiterindustrie<br />
Die folgenden Beispiele von Kooperationen im Bereich der Forschung<br />
<strong>und</strong> Entwicklung in der Datentechnik <strong>und</strong> Software sollen zweierlei deut-<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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lich werden lassen: Zum einen reichen die unternehmenseigenen Ressourcen<br />
oft nicht aus, um den kosten- <strong>und</strong> zeitkritischen Prozeß der Erzeugung<br />
von Innovationen ausschließlich mit eigenen Mitteln voranzutreiben. Unternehmen<br />
sind aus diesem Gr<strong>und</strong>e häufig gezwungen, mit Wettbewerbern<br />
Kooperationen einzugehen bzw. sich staatlicher Unterstützung zu versichern.<br />
Zum anderen soll deutlich gemacht werden, daß aufgr<strong>und</strong> der verschärften<br />
technologischen Konkurrenz in vielen Fällen eine enge Kopplung<br />
der Strategien zur Minimierung von Innovations- <strong>und</strong> Nachfragerisiken<br />
erfolgt, diese sozusagen "integriert" kleingearbeitet werden sollen. Innovationen<br />
dienen hier nicht zuletzt dem strategischen Ziel der Setzung<br />
<strong>und</strong> Durchsetzung bestimmter technologischer Standards. Denn nur, wer<br />
dazu in der Lage ist, kann versuchen, in neuen Märkten größere Marktanteile<br />
zu erringen.<br />
Datentechnik <strong>und</strong> Telekommunikation: Durch das Zusammenwachsen<br />
von Computer (EDV) <strong>und</strong> Nachrichtentechnik zur "Telematik" entstehen<br />
neue Wettbewerbsfelder. Abgestimmte, präzise definierte "Schnittstellen"<br />
41<br />
sind notwendig, um neue Fernmeldedienste anbieten zu können.<br />
Anwendungsschnittstellen sind beispielsweise die Voraussetzung für den<br />
automatisierten Lieferabruf in der Automobilindustrie oder für die bargeldlose<br />
Bezahlung an der POS-Datenkasse 42<br />
im Handel. Bisher ist die<br />
Kommunikation zwischen Rechnern <strong>und</strong> Vermittlungsanlagen technisch<br />
noch nicht ausgereift, doch weltweit wächst die Nachfrage. Nach Aussagen<br />
von Experten werden zukünftig diejenigen Unternehmen marktbeherrschend<br />
sein, die Telekommunikation <strong>und</strong> Datenverarbeitung aus einer<br />
Hand anbieten <strong>und</strong> damit Standards schaffen <strong>und</strong> durchsetzen können. 43<br />
Wiederum einige Beispiele: 1984 hoffte IBM, durch den Aufkauf des Telefonbauunternehmens<br />
Rolm die Verknüpfung von EDV <strong>und</strong> Nachrichtentechnik zügig bewerkstelligen<br />
zu können. Nachdem sich diese Hoffnung nicht erfüllt hatte, schien<br />
41 Um Daten über einen Datenfernübertragungsdienst automatisch weiterverarbeiten<br />
zu können, muß neben der Hardware-Kompatibilität auch die Software<strong>und</strong><br />
Datenformat-Kompatibilität hergestellt werden. Solche Festlegungen <strong>und</strong><br />
Standardisierungen im EDV-Bereich werden auch Schnittstellen genannt.<br />
42 POS-Banking - Point of Sale-Banking - bedeutet die Auslösung von Buchungen<br />
am Ort des Verkaufs, insbesondere an Datenkassensystemen.<br />
43 Hochkonjunktur für Fusionen, Industriemagazin 3/88. Weltmärkte im Umbruch,<br />
WirtschaftsWoche 12/87. Die Crux mit der Synergie, Industriemagazin<br />
10/88.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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IBM seine Strategie zu ändern - von der Akquisition zur Kooperation. 1987 startete<br />
IBM mit dem US-Fernmeldeunternehmen Nynex einen gemeinsamen ISDN-Pilotversuch.<br />
Mit Bell Atlantic, ebenfalls einer US-Telefongesellschaft, versuchte sich<br />
IBM bei der Entwicklung von intelligenten Fernmeldenetzen. Mit Siemens schließlich<br />
kooperierte IBM bei der Zusammenschaltung von IBM-Computern <strong>und</strong> Siemens-Vermittlungsanlagen.<br />
Über einen weiteren Kooperationsvertrag zwischen Siemens <strong>und</strong> Bell Atlantic wird<br />
ferner Bell in die Anstrengungen zur Entwicklung von Software eingeb<strong>und</strong>en. Die<br />
Zusammenarbeit wurde auf zunächst 18 Monate begrenzt <strong>und</strong> besitzt keinen Ausschließlichkeitscharakter.<br />
So streckte IBM bereits seine Fühler zu dem schwedischen<br />
Unternehmen Ericsson aus, 44<br />
mit dem ein ähnliches Abkommen wie mit Siemens<br />
geplant ist. 45<br />
Beide Unternehmen erwägen aber eine intensivere Zusammenarbeit,<br />
etwa in der Form eines Joint-ventures. Ein joint-venture würde die Zusammenarbeit<br />
längerfristig festlegen <strong>und</strong> in seiner Tendenz eine (Re-)Internalisierung darstellen,<br />
da dann die Vorteile externer Arrangements fest in die eigenen Unternehmen<br />
integriert werden (s. Abschnitt 9.4). Bei einer so entscheidenden Entwicklung<br />
wie der Vernetzung von Computer- <strong>und</strong> Nachrichtentechnik liegt für die Unternehmen<br />
offenbar der Schluß nahe, daß einerseits durch interne organisatorische Arrangements<br />
die längerfristige Zusammenarbeit besser kalkuliert <strong>und</strong> andererseits das<br />
Risiko loser Kooperationen minimiert werden kann.<br />
Deutlich wird an diesen Fällen, daß die Strategie eines Rückgriffs auf externe<br />
Ressourcen nicht ohne Brüche zu realisieren ist. Vor allem in hochriskanten<br />
Feldern der <strong>Technikentwicklung</strong> wie dem Zusammenwachsen<br />
von elektronischer Datenverarbeitung <strong>und</strong> Telekommunikation zur "Telematik",<br />
einer Entwicklung, die schon seit mehr als einem Jahrzehnt antizipiert<br />
wird (vgl. Nora, Mine 1979), ist es für die Unternehmen offensichtlich<br />
schwierig, eine einmal eingeschlagene Richtung auch durchzuhalten.<br />
In der Wirtschaftsberichterstattung werden solche Brüche bzw. Wechsel in<br />
der Strategie häufig mit dem Auftreten von neuen Managern, also mit einzelnen<br />
Akteuren zuzurechnenden Handlungen erklärt. Nach unserer Auffassung<br />
ist das Problem jedoch komplexer. Es ist zwar nicht abzustreiten,<br />
daß den strategischen Orientierungen der Topmanager eine gewisse, wenn<br />
nicht sogar eine große Bedeutung bei der Formulierung <strong>und</strong> Durchsetzung<br />
einer Strategie zukommt. Dennoch: Wenn selbst Unternehmen wie IBM<br />
oder Siemens radikale Wechsel in ihrer Strategie in bezug auf externe Arrangements<br />
vornehmen (<strong>und</strong> zwar ohne die verantwortlichen Topmanager<br />
44 Computerbauer <strong>und</strong> Telefon-Spezialisten haken sich unter, FR 23.10.87.<br />
45 IBM unveils telecom strategy, Financial Times 22.10.87.<br />
46 IBM unveils telecom strategy, Financial Times 22.10.87.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
auszuwechseln), dann spricht das eher für eine Unsicherheit in der Einschätzung<br />
der Situation bzw. der internen <strong>und</strong> externen Umwelt des Unternehmens,<br />
die nicht allein auf einen ungenügenden Informationsstand<br />
zurückgeführt werden kann. Diese Unsicherheit resultiert aus der prinzipiell<br />
gegebenen Offenheit der ökonomischen <strong>und</strong> wissenschaftlich-technischen<br />
Entwicklung, die präzise Aussagen über ihren weiteren Gang auch<br />
für diejenigen Unternehmen (bzw. Unternehmensleitungen) nahezu unmöglich<br />
macht, die aufgr<strong>und</strong> ihrer Marktstellung am ehesten in der Lage<br />
sind, diese weitgehend zu bestimmen. Strategie bedeutet hier also zum<br />
einen, daß den Entscheidungen des Topmanagements bzw. der dort regierenden<br />
"dominant coalition" (Child) ein hoher Stellenwert zukommt;<br />
"Strategie" impliziert aber auch, daß sich die handelnden Subjekte im<br />
Rahmen von Kontextbedingungen bewegen (müssen), die nur an bestimmten<br />
"Knotenpunkten" der wissenschaftlich-technischen <strong>und</strong> ökonomischen<br />
Entwicklung neue "Handlungskorridore" eröffnen (Brandt). Die Unsicherheit<br />
von Großkonzernen in bezug auf ihre "Strategic choices" (Child 1972)<br />
verweist also auf eine objektiv begründete Unsicherheit, die, sobald die<br />
Umweltbedingungen (wieder) etwas stabiler geworden sind, wieder einer<br />
größeren Sicherheit in der Strategiefindung <strong>und</strong> -durchsetzung weichen<br />
wird. 47<br />
Software - das Beispiel der Entwicklung von UNIX: Scharfe Auseinandersetzungen<br />
liefern sich seit Mitte der 80er Jahre die weltweit führenden<br />
Unternehmen um die Weiterentwicklung des Betriebssystems Unix.<br />
Worum geht es? An der Entwicklung von Unix läßt sich das widersprüchliche<br />
Moment in Hersteller-Anwender-Beziehungen geradezu paradigmatisch<br />
nachzeichnen. Entwickelt für einen ganz anderen Zweck (Erleichterung<br />
des Dialogs von Groß- <strong>und</strong> Kleinrechnern) hatte dieses System den<br />
nicht intendierten Effekt, die Datenkommunikation zwischen Rechnern<br />
unterschiedlicher Hersteller zu ermöglichen. Damit war die Möglichkeit<br />
gegeben, die bislang vorherrschende Stellung der Anbieter von EDV-<br />
Technologie (insbesondere von IBM als dem weltweit größten Anbieter)<br />
zu brechen. Die historische Entwicklung zeigt, daß über die Standardisierung<br />
von Unix nun wiederum jeder Hersteller von Hard- <strong>und</strong> Software<br />
47 Dann, aber auch erst dann, ist der Zustand des Normalen, des business as usual,<br />
wieder erreicht, der der Industriesoziologie die Verwendung eines stark objektivistischen<br />
Strategiebegriffs ermöglicht, wie er in der b<strong>und</strong>esrepublikanischen Industriesoziologie<br />
verwendet wird (vgl. Altmann, Bechtle 1971; Bechtle 1980).<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
versucht, sein spezifisches (im Prinzip ja unspezifisches) Unix am Markt<br />
zu etablieren. Da hierzu kein Unternehmen aus eigener Kraft in der Lage<br />
ist, ergeben sich die unterschiedlichsten, häufig wechselnden Kooperationsformen<br />
der verschiedenen Hersteller, teilweise unter Einschluß starker<br />
Anwenderunternehmen.<br />
Wie verlief nun die historische Entwicklung von Unix, <strong>und</strong> warum ist dieses<br />
Software-Produkt so bedeutsam? Traditionell waren Anwender großer<br />
Computersysteme weitgehend von demjenigen Hersteller abhängig, für<br />
dessen Betriebssystem sie sich einmal entschieden hatten, da sie auf Anwendungs-Software<br />
angewiesen waren, die mit diesem Betriebssystem<br />
kompatibel war. Betriebssysteme stellen deshalb - immer noch - einen entscheidenden<br />
strategischen Faktor auf dem Weltmarkt dar. Mangelnde Abstimmung<br />
zwischen System-Software, fremder <strong>und</strong> eigener Anwendungs-<br />
Software behindert die Produktivität <strong>und</strong> reduziert beispielsweise den Leistungsumfang,<br />
den Rechenzentren bieten können, stark. 48<br />
Die Entwicklung<br />
sogenannter "offener Systeme" sollte diese Defizite verringern, indem<br />
sie die uneingeschränkte Auswahl aus einer breiten Palette von Anwendungs-Software<br />
ermöglicht, wobei auf unterschiedliche Rechnertypen<br />
keine Rücksicht mehr genommen werden muß. Anwender sind somit in<br />
die Lage versetzt, Produkte der Informationsverarbeitung, die miteinander<br />
kompatibel sind, von unterschiedlichen Herstellern zu kaufen, um eine ihren<br />
Anforderungen entsprechende Lösung zu erhalten. 49<br />
Die hohen <strong>und</strong><br />
oft kaum absehbaren Folgekosten von Systemumstellungen fallen damit<br />
nicht mehr so stark ins Gewicht <strong>und</strong> vermindern die Abhängigkeit des<br />
Anwenders vom Hersteller. Diese setzen deshalb immer stärker auf herstellerunabhängige,<br />
"offene" Systeme.<br />
Unix, als ein solches offenes Betriebssystem, ermöglichte es erstmals, Anwendungsprogramme<br />
unabhängig von der jeweiligen speziellen Hardware von einem System<br />
auf ein anderes zu übertragen <strong>und</strong> stellte somit eine Alternative zur IBM-spezifischen<br />
Software dar. Die Entwicklung des Betriebssystems Unix wurde 1969 von der<br />
AT&T-Tochter Bell begonnen 50<br />
<strong>und</strong> sollte, wie bereits erwähnt, den Dialog von<br />
48 Neuer Industrieverband soll Unix-Standard sichern, VWD 17.11.88. Das größte<br />
Problem ist die Software-Integration, Blick durch die Wirtschaft 2.10.86.<br />
49 Hinzu kommt, daß die Aufwendungen für Software, für Schulung <strong>und</strong> für die<br />
Sammlung <strong>und</strong> Pflege des Datenbestandes die Investitionen in Hardware um ein<br />
Vielfaches übersteigen.<br />
50 Unix revolutioniert den PC-Einsatz im Verb<strong>und</strong> großer <strong>und</strong> kleiner Rechner,<br />
Handelsblatt 17.2.86.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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Groß- <strong>und</strong> Kleinrechnern erleichtern. 1 Seit 1984 bemüht sich die sogenannte X-<br />
Open Gruppe, ein Zusammenschluß weltweit führender Hardware-Hersteller, Software-Anbieter<br />
<strong>und</strong> -Anwender, um die Standardisierung des Betriebssystems Unix,<br />
da dieses System darauf ausgelegt war, auf viele unterschiedliche Maschinentypen<br />
angepaßt zu werden. Mitglieder dieser gemeinnützigen Gesellschaft sind AT&T,<br />
Bull, DEC, Ericsson, Fujitsu, Hewlett-Packard, ICL, NCR, Nixdorf, Nokia Data,<br />
Olivetti, Philips, Siemens, Sun Mikrosystems <strong>und</strong> Unisys. Damit sind hier - außer<br />
IBM - die wesentlichen Marktführer vertreten.<br />
Doch diese Unternehmens- <strong>und</strong> systemübergreifende Kooperation war nicht übermäßig<br />
stabil. Anfang 1988 kaufte sich AT&T bei Sun Mikrosystems (Hersteller von<br />
Unix-Rechnern) ein, um die Entwicklung von Unix allein (ab März 1988 mit Unterstützung<br />
von Unisys <strong>und</strong> ICL) voranzutreiben. 52<br />
AT&T <strong>und</strong> seine Kooperationspartner<br />
hätten dann, ein Gelingen dieser Strategie vorausgesetzt, einen ständigen<br />
Informationsvorsprung besessen, der durch eine restriktive Lizenzvergabe für die<br />
Konkurrenten zu entscheidenden Wettbewerbsnachteilen hätte führen können. Im<br />
Mai 1988 gründeten deshalb sieben der größten Computer-Hersteller (DEC, Apollo<br />
Domain, HP, Bull, Nixdorf, Siemens, die bisher Unix-abstinente IBM sowie etwas<br />
später Philips <strong>und</strong> Hitachi) die "Open Software Fo<strong>und</strong>ation" (OSF). 53<br />
Die OSF beabsichtigte,<br />
eine eigene Variante von Unix zu entwickeln. Einige Experten beurteilten<br />
die Teilnahme von IBM allerdings als einen geschickten strategischen Schachzug,<br />
eine Unix-Variante voranzutreiben, die dem IBM-Betriebssystem "AIX" ähnelt.<br />
Dies würde wiederum die AT&T-Gruppe ins Abseits drängen, weil das OSF/AIX-<br />
Unix den Industrie-Standard darstellen würde. 54<br />
Im September 1988 meldete daraufhin<br />
AT&T seine Kompromißbereitschaft an, eine OSF-Version auf Basis von<br />
AT&T-Entwicklungen zu ermöglichen, da die OSF in der kurzen Zeit wesentliche<br />
Fortschritte in der Entwicklung erzielt hatte. 55<br />
Eine Einigung konnte dennoch nicht<br />
erreicht werden. Im Gegenteil: Wegen der Befürchtung, daß die OSF entgegen ihrer<br />
Absichtserklärung keine Unix-Programme, sondern in Zukunft das IBM-Derivat<br />
AIX weiterentwickelt, haben im November 1988 wiederum 18 führende Computerhersteller<br />
angekündigt, einen neuen Industrieverband zum Schutz der Unix-Systeme<br />
zu gründen. Dieser Industrieverband soll die kontinuierliche Weiterentwicklung von<br />
Unix-Systemen bei voller Kompatibilität sicherstellen. Bislang gehören der Initiative<br />
neben AT&T folgende Firmen an: Amdahl, Control Data Corp, Fujitsu, Gould,<br />
HCR, ICL, Informix, Intel, Lachmann Associates Inc, Micro Focus, Motorola, NCR<br />
Corp, Olivetti, Prime, Sun Mikrosystems, Toshiba, Unisoft <strong>und</strong> Unisys. 56<br />
51 Im Streit zwischen den Betriebssystemen MS-DOS <strong>und</strong> OS/2 könnte Unix der<br />
lachende Dritte sein, Handelsblatt 6.9.88.<br />
52 Unisys and AT&T form Joint venture to develop Unix System, Financial Times<br />
10.3.88. Die Crux mit der Synergie, Industriemagazin 10/88.<br />
53 Konkurrenz für Betriebssystem UNIX, FAZ 17.5.88. NEC am Streit um Software-Standard<br />
beteiligt, VWD 18.11.88.<br />
54 Die Crux mit der Synergie, Industriemagazin 10/88.<br />
55 Front gegen den Neuling, WirtschaftsWoche 27.5.88.<br />
56 Neuer Industrieverband soll Unix-Standard sichern, VWD 17.11.88.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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Anhand dieser scharfen Auseinandersetzungen mit wechselnden Koalitionen<br />
wird deutlich, daß technische Standards <strong>und</strong> Informationsvorsprünge<br />
in Forschung <strong>und</strong> Entwicklung, <strong>und</strong> sei es "nur" in bezug auf Standardisierung<br />
oder Weiterentwicklung vorhandenen Wissens, entscheidend über<br />
Wettbewerbspositionen bestimmen können. Innovations- <strong>und</strong> Nachfragerisiko<br />
sind hier also in direkter Weise miteinander verwoben.<br />
(d) Vereinbarungen mit dem Ziel eines erleichterten Marktzugangs: Andere<br />
Kooperationsformen, in denen die Verzahnung <strong>und</strong> integrierte Bewältigung<br />
des Innovations- <strong>und</strong> Nachfragerisikos ebenfalls sichtbar werden,<br />
sind Vereinbarungen, die mit ausländischen Unternehmen getroffen<br />
werden, um in den dortigen nationalen Markt vordringen zu können. Ein<br />
Beispiel für eine solche Vereinbarung ist die geplante Zusammenarbeit<br />
von AEG mit Northern Telecom für den Datenvermittlungsdienst Datexp57<br />
1987/88 kooperierte AEG mit Northern Telecom, um bei der Deutschen B<strong>und</strong>espost<br />
für den Datenvermittlungsdienst Datex-P ein Gegenangebot zu Siemens einreichen<br />
zu können. Bis 1995 sind von der Post Investitionen in Höhe von 300 bis 500<br />
Mio. DM geplant. Der Datenpakettransport wies in der Vergangenheit Wachstumsraten<br />
zwischen 20 % <strong>und</strong> 40 % p.a. aus <strong>und</strong> bietet durch die zukünftige Einbindung<br />
in das ISDN-Netz 58<br />
eine Langzeitperspektive. Die weltweit führende Stellung der<br />
Tochter der kanadischen Bell Canada Enterprises Inc. Northern Telecom (NT) in<br />
der Datenpaketvermittlung brachte NT einst den b<strong>und</strong>esdeutschen Post-Auftrag für<br />
Datex-P. Mit der Technik von Northern Telecom arbeitet außerdem der Paketvermittlungsdienst<br />
"Datapac" in Kanada, der 90 % dieses Marktes in Kanada beherrscht.<br />
Northern Telecom besaß also das entscheidende Know-how für Datex-P,<br />
AEG sollte im Angebot die nationale Komponente darstellen. Es war geplant, daß<br />
60 % der Produktion sowie Teile der Software-Entwicklung, der Service <strong>und</strong> die<br />
Fehlersuche von AEG übernommen werden. 59<br />
(e) Konsortien: Der durch neue Formen der Kooperation nicht aufgehobene,<br />
sondern - gleichsam auf höherem Niveau - verschärfte Konkurrenzdruck<br />
zeigt sich deutlich auf Märkten, die innerhalb kürzester Zeit hohe<br />
57 Für private Anwender hat die B<strong>und</strong>espost eine Reihe von Verbindungsnetzen,<br />
ähnlich dem Telefonnetz, aufgebaut, über die Daten ausgetauscht werden können.<br />
Das Datex-P-Netz ist darunter das wichtigste.<br />
58 ISDN - "integrated services digital network" - bedeutet die Integration aller<br />
Fernmeldedienste der B<strong>und</strong>espost in einem Netz.<br />
59 AEG <strong>und</strong> Northern Telecom Arm in Arm, Börsen-Zeitung 3.3.88. Datex-P-Systeme<br />
als das Rückgrat der Übermittlung großer Datenmengen, Handelsblatt<br />
1.3.88.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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Ausgaben für die Entwicklung marktreifer Produkte erfordern. Der Kosten-<br />
<strong>und</strong> Zeitdruck hat hier so zugenommen, daß er selbst die technologisch<br />
führenden Konzerne dazu zwingen kann, nicht nur in Teilbereichen,<br />
sondern auf allen Ebenen (FuE, Fertigung <strong>und</strong> Vertrieb) im Rahmen von<br />
Konsortien zusammenzuarbeiten, um eine schnelle Produktentwicklung<br />
<strong>und</strong> Markteinführung zu ermöglichen. Als ein Beispiel hierfür kann der<br />
Bereich Mobilfunk angeführt werden.<br />
Ab 1990 sollte ursprünglich das voll digitalisierte, europäische Mobilfunknetz D<br />
starten. Sechzehn europäische Länder haben dazu einen gemeinsamen technischen<br />
Standard vereinbart. Ende 1987 existierten weltweit rd. 600.000 Zellularfunktelefone,<br />
fast doppelt so viele wie 1986, bis 1992 könnte sich die Zahl auf acht bis zwölf<br />
Millionen Geräte erhöhen. 60 Bis 1995 wird ein akkumuliertes Marktvolumen von 3<br />
Mrd. $ erwartet. 61<br />
Die EG-Einheitsnormen werden der europäischen Industrie zu<br />
Größenordnungen verhelfen, die zum ersten Mal über denen des Marktes der USA<br />
liegen werden. 1988 wurden erste Systeminstallationen ausgeschrieben, die innerhalb<br />
kurzer Zeit erhebliche FuE-Arbeiten notwendig machten. Unter diesen Bedingungen<br />
waren die europäischen Konzerne in der Elektroindustrie zur Bildung von<br />
Konsortien gezwungen.<br />
Im Januar 1987 kam Siemens mit Ericsson überein, gemeinsam das Mobilfunksystem<br />
zu entwickeln. 64<br />
Im April 1988 beschloß Siemens zudem, in ein Konsortium<br />
mit der französischen SAT einzutreten. 65<br />
Ende 1987 wurde das European Cellular<br />
Radio Consortium (ECR 900) von Alcatel-SEL, AEG <strong>und</strong> Nokia gegründet. Die<br />
Zusammenarbeit betraf die gemeinsame Definition von Bauelementen sowie den<br />
Bau <strong>und</strong> den Verkauf von Anlagen (also FuE, Fertigung <strong>und</strong> Vertrieb). Ein gemeinsames<br />
Entwicklungsteam sollte im Zeitraum von vier Jahren die Hard- <strong>und</strong> Software-Entwicklung<br />
bis zur Marktreife vorantreiben. 66<br />
Im November 1988 gründeten<br />
60 Fernmeldeindustrie blickt optimistisch in die Zukunft, BfAI/NfA 10.11.87.<br />
61 Die Partner erwarten ein Marktvolumen von r<strong>und</strong> drei Milliarden Dollar bis<br />
1995, Handelsblatt 13.1.88.<br />
62 Gemeinsame Entwicklung des Funktelefons, FAZ 13.1.88. Kartelle kämpfen um<br />
europäisches Mobilfunknetz, VDI-N 2.9.88. Zusammenarbeit bei Funktelefon,<br />
FAZ 6.11.87.<br />
63 Zusammenarbeit bei Funktelefon, Handelsblatt 5.11.87.<br />
64 Kartelle kämpfen um europäisches Mobilfunknetz, VDI-N 2.9.88.<br />
65 Deutsch-französisches Konsortium für Mobilfunk, SZ 13.4.88. Siemens <strong>und</strong> SAT<br />
bilden Mobilfunk-Konsortium, Tagesspiegel 13.4.88.<br />
66 Kartelle kämpfen um europäisches Mobilfunknetz, VDI-N 2.9.88. Gemeinsame<br />
Entwicklung des Funktelefons, FAZ 13.1.88. Die Partner erwarten ein Marktvolumen<br />
von r<strong>und</strong> drei Milliarden Dollar bis 1995, Handelsblatt 13.1.88. Zusammenarbeit<br />
bei Funktelefon, FAZ 6.11.87.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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Bosch (ANT <strong>und</strong> TN) <strong>und</strong> Philips (PKI) ebenfalls ein Konsortium für die Entwicklung,<br />
Fertigung <strong>und</strong> Markteinführung eines Funkkommunikationssystems. 67<br />
67 Elektronikkonzerne rücken enger zusammen, FR 21.11.87.<br />
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Dies sind nur einige Belege für die These, daß die zentralen "strategischen<br />
Herausforderungen" bei großen Projekten 68<br />
nicht auf FuE beschränkt<br />
sind, sondern im Zusammenhang mit Fertigung <strong>und</strong> Vertrieb bewältigt<br />
werden müssen. Die Zusammenarbeit erstreckt sich hier nicht nur auf den<br />
Bereich von precompetitive-research, sondern auch auf alle anderen Unternehmensfunktionen.<br />
Einen Überblick über den Stand internationaler Kooperationen im Bereich<br />
der Halbleiter bietet die Abbildung 9.2. Sie repräsentiert allerdings<br />
nur einen kleinen Ausschnitt von Kooperationen, da nach 1984 eine Großzahl<br />
weiterer Abkommen dieser Art abgeschlossen wurden (z.B. Siemens-<br />
Matsushita, Siemens-Rolm etc.).<br />
9.2 Risiken externer Kooperationen<br />
Die Strategie technologieorientierter Unternehmen, bei der <strong>Technikentwicklung</strong><br />
verstärkt auf externe Ressourcen zurückzugreifen, kann als unbeabsichtigte<br />
Nebenfolge das Aufkommen neuer Risiken bewirken. Schon<br />
in der bisherigen Darstellung der verschiedenen externen Kooperationsformen<br />
wurden Risiken externer Arrangements sichtbar. Auf einige davon<br />
soll hier näher eingegangen werden.<br />
Das erste Problem stellt sich bereits vor dem Beginn jeglicher Kooperation<br />
<strong>und</strong> betrifft die Auswahl des geeigneten Kooperationspartners: Welches<br />
Unternehmen ist am besten geeignet, die eigenen strategischen Zielsetzungen<br />
einlösen zu können? Der Umstand, daß z.B. IBM gleichzeitig FuE-<br />
Kooperationen mit mehreren Unternehmen unterhält <strong>und</strong> die Praxis,<br />
diese Kooperationen erst nach einiger Dauer zu intensivieren, verweisen<br />
auf das Interesse, nicht vorschnell Entscheidungen über dauerhafte <strong>und</strong><br />
verbindliche Arrangements treffen zu müssen, die sich nach einiger Zeit<br />
als Fehlinvestitionen herausstellen können.<br />
68 Die Installation eines Funktelefonnetzes ist eine so umfangreiche Aufgabe, daß<br />
sie nicht von einem Großunternehmen allein bewältigt werden kann. Die Besonderheit<br />
der sich hier bildenden Konsortien, die um vom Staat zu vergebende<br />
Lizenzen konkurrieren, liegt darin, daß auch branchenübergreifende Kooperation<br />
gesucht wird, in die unterschiedliche Beiträge einfließen (beispielsweise bot<br />
RWE seine Strommasken als Basis eines Netzes von Funktürmen an).<br />
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Organisatorische Probleme drücken sich in Fragen nach der geeigneten<br />
Form der Kooperation <strong>und</strong> der Art der organisatorischen Lösung aus. Auf<br />
welche Art <strong>und</strong> Weise die vorhandenen Risiken kalkuliert werden können,<br />
hängt beispielsweise davon ab, ob die Aufgabenerfüllung bei mehreren<br />
oder bei allen beteiligten Unternehmen liegt oder ob sie an eine bestehende<br />
oder neu zu gründende Zentralstelle delegiert wird. Es stellt sich<br />
zudem das Problem, wie der Informationsaustausch organisiert <strong>und</strong> Entscheidungen<br />
getroffen, wie der Erfolg der Zusammenarbeit überprüft <strong>und</strong><br />
Abweichungen zwischen Ist- <strong>und</strong> Soll-Zustand aufgezeigt werden sollen.<br />
Unterschiedliche strategische Ziele der Unternehmen <strong>und</strong> unterschiedliche<br />
Politiken zu ihrer Umsetzung ("Unternehmenskultur") können hierbei<br />
zu erheblichen Verzögerungen <strong>und</strong> Behinderungen oder sogar zum Abbruch<br />
der Zusammenarbeit führen. 69<br />
Zudem stellt sich bei verschiedenen externen Kooperationen häufig die<br />
Frage, ob nicht über kurz oder lang aufgr<strong>und</strong> unterschiedlicher Ziele <strong>und</strong><br />
Problemlagen der Partner ein Unternehmen wesentlich mehr Nutzen bezüglich<br />
der gesteckten strategischen Ziele herauszieht als das andere. Aus<br />
diesem Gr<strong>und</strong> wird dem Kooperationspartner oftmals nicht jedes verfügbare<br />
Know-how <strong>und</strong> Wissen zur Verfügung gestellt, oder anders formuliert:<br />
Zur Vermeidung von "Opportunismus" 70 verhält man sich "opportunistisch".<br />
Wiederum einige Beispiele: Anfang der 70er Jahre etwa entsandten holländische,<br />
französische <strong>und</strong> deutsche Computerhersteller h<strong>und</strong>erte von technischen Spitzenkräften<br />
in ein multinationales Projekt namens Unidata, Europas Antwort auf IBM.<br />
Unidata wurde jedoch 1975 aufgelöst, ohne ein einziges weltmarktgängiges Produkt<br />
entwickelt zu haben. Die holländischen Firmen beschuldigten die französischen<br />
Unternehmen mangelnder Kooperationsbereitschaft. 71<br />
Die beteiligten deutschen<br />
Firmen hatten Schwierigkeiten, Geräte herzustellen, die mit den Produkten der übrigen<br />
Partner kompatibel waren. Einseitiger "Nutzen" war auch der Gr<strong>und</strong> des<br />
Scheiterns der Allianzen der US-amerikanischen <strong>und</strong> japanischen Unternehmen Ricoh-Savin,<br />
Pentax-Honeywell <strong>und</strong> Canon-Bell & Howell. Gemäß den Angaben der<br />
Unternehmensleitungen profitierten die japanischen Unternehmen einseitig vom<br />
Technologie- <strong>und</strong> Marketing-Know-how der amerikanischen Unternehmen, die daraufhin<br />
die Zusammenarbeit abbrachen. 72<br />
69 Der lange Weg zur neuen Firma, Manager Magazin 5/86. Die Crux mit der<br />
Synergie, Industriemagazin 10/88.<br />
70 Zu diesem Begriff vgl. Williamson 1975; 1985.<br />
71 Globale strategische Partnerschaften, Manager Magazin 5/86.<br />
72 Globale strategische Partnerschaften, Manager Magazin 5/86.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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Die Tatsache, daß bei Kooperationen in der Computerindustrie häufig einer<br />
der Kooperationspartner aus dem Markt ausscheiden mußte 73<br />
<strong>und</strong><br />
mehrere Kooperationen in Akquisitionen einmünden, verweist auf objektiv<br />
begründete Schwierigkeiten, die Zusammenarbeit verschiedener Unternehmen<br />
längerfristig zu kalkulieren. Das Problem der mangelnden Berechenbarkeit<br />
externer Kooperationen resultiert ganz wesentlich aus dem<br />
Aufeinandertreffen potentiell gegenläufiger Interessen <strong>und</strong> mittel- oder<br />
langfristiger Strategien. So versucht man mitunter, dieses aus einer Strategie<br />
der Risikominimierung resultierende Problem durch Reinternalisierungen<br />
(oder Mischformen wie joint-ventures) zu lösen.<br />
Es gibt verschiedene Beispiele, die darauf verweisen, daß Unternehmen versuchen,<br />
den mit der Externalisierung verb<strong>und</strong>enen Risiken mittels einer Strategie der (Re-)<br />
Internalisierung zu begegnen. So übernahm 1987 die deutsche Tochtergesellschaft<br />
des Bürocomputerherstellers MAI Basic Four fünf bisher unabhängige deutsche<br />
Software-Häuser. Zwar arbeitete MAI mit jedem dieser Software-Häuser schon seit<br />
Jahren zusammen, doch auch mit langfristigen Kooperationsverträgen - so wurde<br />
argumentiert - ließe sich Software-Know-how nur bedingt schützen. 7<br />
Nixdorf begann 1973 eine Kooperation mit dem Computerhersteller Entrex, nachdem<br />
Nixdorf sich bereits an einer gemeinsamen Vertriebsgesellschaft beteiligt hatte.<br />
Zunächst wurden Datenerfassungsgeräte zugekauft. Ein Jahr später fertigte Nixdorf<br />
diese Geräte in Lizenz. Die Kooperation mündete schließlich 1977 in einer Übernahme<br />
von Entrex durch Nixdorf. Ende der 70er Jahre entwickelte Nixdorf in Kooperation<br />
mit The Computer Software Corporation, Richmond, ein Betriebssystem,<br />
das die IBM-Kompatibilität sicherstellte. Auch diese Kooperation führte 1980 zur<br />
Akquisition.<br />
Diese Aufzählung ließe sich beliebig fortsetzen; die Problematik unsicherer<br />
Kooperationsverhältnisse, die in manchen Fällen zu verbindlicheren<br />
Formen der unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit führt, wird<br />
allerdings schon aus diesen wenigen Beispielen deutlich.<br />
Eine in ihren Konsequenzen noch schwer abzuschätzende Tendenz ist die<br />
durch externes Wachstum <strong>und</strong> andere Formen der Kooperation verstärkte<br />
Konzentration <strong>und</strong> Monopolisierung auf den Märkten der Elektroindustrie.<br />
Anhand der Entwicklung in einigen wichtigen <strong>und</strong> zukunftsträchtigen<br />
Marktsegmenten der Elektroindustrie (Mobilfunk, Datentechnik, Soft-<br />
73 Weltmärkte im Umbruch, WirtschaftsWoche 12/87.<br />
74 MAI Deutschland steigt in das Softwaregeschäft ein, FAZ 7.9.87.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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ware) haben wir versucht deutlich zu machen, daß wichtige Produktinnovationen<br />
häufig nur noch im Rahmen externer Arrangements entwickelt,<br />
gefertigt <strong>und</strong> vertrieben werden können. Dadurch entstehen Unternehmen<br />
neuer Größenordnung <strong>und</strong> internationale "Netzwerke" (s. Abschnitt 9.7),<br />
in denen FuE, Produktion <strong>und</strong> Vertrieb mit jeweils unterschiedlichen<br />
Schwerpunkten organisiert werden. 75<br />
Damit verändern sich auch die Konkurrenzverhältnisse,<br />
<strong>und</strong> zwar selbst dann, wenn es nicht zu verbindlichen,<br />
durch Kapitalverflechtung abgesicherten Kooperationsvereinbarungen<br />
zwischen großen Unternehmen kommt. Insbesondere in Bereichen, in<br />
denen komplexe Systemtechnologien entwickelt werden, haben kleinere<br />
<strong>und</strong> mittlere Unternehmen kaum noch eine Chance, unabhängig von<br />
großen Konzernen in diese äußerst lukrativen Märkte einzusteigen. Da die<br />
Innovationskosten hier in astronomische Größenordnungen hineinwachsen,<br />
ist mit neuen Marktstrukturen zu rechnen, in denen kleine <strong>und</strong> mittlere<br />
Unternehmen entweder auf die Rolle von Zulieferern oder auf die<br />
von Produzenten von Komponenten (Peripheriegeräte etc.) reduziert werden.<br />
9.3 Joint-ventures<br />
Zwischen rein marktvermittelten Kooperationen einerseits <strong>und</strong> denjenigen<br />
Formen der Kooperation, die auf eine Integration fremder Unternehmen<br />
in die eigene Hierarchie hinauslaufen andererseits, ist das jointventure<br />
zu verorten. In einem joint-venture werden die ausgegliederten<br />
Unternehmensfunktionen auf eine zu diesem Zweck anzugliedernde oder<br />
auszugründende Einheit übertragen. Auch diese Kooperationsform dient<br />
nicht ausschließlich der Bewältigung des Innovationsrisikos, sondern, wie<br />
bei den bereits abgehandelten Kooperationsformen, zumeist auch der Bewältigung<br />
anderer Risiken. Der Vorteil im Vergleich zu anderen Kooperationsformen<br />
scheint darin zu liegen, daß durch ein joint-venture versucht<br />
werden kann, die Risiken der Externalisierung bezüglich der strategischen<br />
Ziele <strong>und</strong> des Know-how-Transfers zu minimieren, indem der Know-how-<br />
Transfer auf Dauer institutionalisiert wird. Kooperationsformen, die in<br />
75 Daß diese neuen Formen der <strong>Unternehmensorganisation</strong> für die betroffenen<br />
Lohnabhängigen, Betriebsräte <strong>und</strong> Gewerkschaften immer schwerer zu durchschauen<br />
sind, sei hier nur am Rande erwähnt (Sauer 1989; Deiß 1988).<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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joint-ventures als neuer Institutionalisierungsform umgewandelt werden,<br />
erscheinen somit als Ausdruck gelungener Zusammenarbeit. Insbesondere<br />
unter hochgradig unsicheren Umweltbedingungen scheint das joint-venture<br />
geeignet, verschiedene Risiken in ihrem Gefahrenpotential zu minimieren.<br />
Wiederum entlang den in Auseinandersetzung mit Child gewonnenen<br />
Risikodefinitionen wollen wir im folgenden einige typische Eigenschaften<br />
von joint-ventures diskutieren. Dabei orientieren wir die Darstellung<br />
an den jeweils zentralen strategischen Zielsetzungen, die zur Institutionalisierung<br />
von joint-ventures geführt haben.<br />
(a) Integrative Minimierung des Nachfrage- <strong>und</strong> des Innovationsrisikos:<br />
Die Notwendigkeit, sich verstärkt der Erzeugung von Innovationen zuzuwenden<br />
<strong>und</strong> der durch kürzere Produktlebenszyklen begründete Zwang,<br />
Produkte möglichst schnell weltweit anzubieten, drängt die Unternehmen<br />
zu einer integrierten Bewältigung des Innovations- <strong>und</strong> des Nachfragerisikos.<br />
Dies läßt sich auch an Gemeinschaftsunternehmen zeigen, die scheinbar<br />
nur auf einzelne Unternehmensbereiche bezogen sind.<br />
Motorola <strong>und</strong> Toshiba gründeten unlängst ein Gemeinschaftsunternehmen für die<br />
Produktion von 1-Megabit-Chips in Japan. Motorola erhofft sich dadurch den Zugang<br />
zu Toshibas Technologie der Datenspeicher (RAM-Chips). Toshiba wiederum<br />
erwartet sich einen Zugang zum Gebiet der Mikroprozessoren, bei denen Motorola<br />
<strong>und</strong> Intel den Markt dominieren. 76 Know-how-Transfer, Einstieg in den japanischen<br />
Markt <strong>und</strong> Aufholen des Innovationsvorsprungs von Konkurrenten erscheinen hier<br />
als nicht voneinander zu trennende Strategien.<br />
Ähnliches läßt sich, wie die folgenden Beispiele zeigen, auch in den Bereichen<br />
der Telekommunikation <strong>und</strong> der Nachrichtentechnik finden. Immer<br />
mehr Hardware-Hersteller drängen in den Software-Markt. Die Gründe<br />
dafür liegen darin, daß die Konzentration auf die Herstellung von Hardware<br />
den Markterfordernissen nicht mehr genügt (s. Abschnitt 5.3.2).<br />
Außerdem fordern die K<strong>und</strong>en immer häufiger Hard- <strong>und</strong> Software-Komplettlösungen,<br />
die aus einer Hand kommen sollen. Dies führt nicht nur zu<br />
zahlreichen Akquisitionen, sondern in verstärktem Maße auch zu jointventures<br />
von Software-Unternehmen mit Hardware-Herstellern.<br />
76 Mitsubishi Electric führt Chips aus den USA ein, VWD 17.12.87. Transpazifische<br />
Halbleiter-Kooperation, Börsen-Zeitung 17.12.86.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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Philips gründete beispielsweise mit Condatec/Berlin im März 1988 ein Gemeinschaftsunternehmen,<br />
um die Entwicklung von Komplettlösungen im Bereich Informations-<br />
<strong>und</strong> Kommunikationstechnik voranzutreiben. Im Bereich der Telekommunikation<br />
bildete Philips ein joint-venture mit AT&T zur Produktion <strong>und</strong> Vermarktung<br />
der von den Amerikanern entwickelten digitalen Telefonvermittlungstechnik<br />
außerhalb der USA. Die Entwicklungskosten für ein solches System (rd. 1 Mrd. $)<br />
hätten sich auf dem europäischen Markt alleine niemals amortisieren lassen, weshalb<br />
Philips auf eine eigene Entwicklung verzichtete. AT&T profitiert von Philips'<br />
Vertriebsnetz, Philips stärkt seine Position auf dem US-Markt <strong>und</strong> erhält Zugang zu<br />
AT&Ts Know-how in der Lichtwellenleitertechnik <strong>und</strong> bei elektronischen Bauteilen.<br />
77<br />
In beiden Fällen ging es darum, sowohl einen besseren Marktzugang als auch<br />
größere Innovationspotentiale, erschließen.<br />
Aufgr<strong>und</strong> der Notwendigkeit, eine marktsreif entwickelte Technologie auf einem<br />
großen Markt anbieten zu können, ging Philips im Jahre 1985 ein joint-venture mit<br />
dem amerikanischen Chemiekonzern Du Pont ein. Es stellte den ersten Versuch<br />
dar, die gesamte Laser-Plattentechnik auf weltweiter Basis anzubieten. Philips besaß<br />
hierfür zwar die Technologie, nicht aber die Möglichkeiten, den Markt weltweit zu<br />
erschließen. 78<br />
Die Entscheidung für ein joint-venture fiel auch deshalb, weil Philips<br />
zuvor mehrere Innovationen im Bereich der Unterhaltungselektronik nicht hatte<br />
vermarkten können. Audiokassetten, Videorekorder <strong>und</strong> Bildplatte - all dies hatte<br />
Philips als erstes Unternehmen bis zur Marktreife entwickelt, bei der kommerziellen<br />
Vermarktung aber stets das Nachsehen gehabt. 79<br />
Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungsarbeiten zur Verknüpfung von Computer<strong>und</strong><br />
Nachrichtentechnik <strong>und</strong> die Einrichtung eines gemeinsamen Vertriebsapparates<br />
erscheinen somit als Momente einer Gesamtstrategie, die<br />
auf integrative Bewältigung des Innovations- <strong>und</strong> Nachfragerisikos in der<br />
Computer- <strong>und</strong> Nachrichtentechnik abzielt.<br />
(b) Integrative Minimierung des Nachfrage- <strong>und</strong> des Ineffizienzrisikos:<br />
Joint-ventures, die ohne Bezug auf die Minimierung des Innovationsrisikos<br />
gegründet werden, sind vergleichsweise selten. In vielen Fällen (s.o.)<br />
sind es die mit der Erzeugung neuer Technologien verb<strong>und</strong>enen Risiken,<br />
die den Unternehmen eine Ausgliederung sinnvoll erscheinen lassen. Einige<br />
wenige Fälle sind jedoch identifizierbar, in denen die beabsichtigte<br />
Reduzierung des Gefährdungspotentials von Nachfrage- <strong>und</strong> Ineffizienzrisiken<br />
zur Bildung eines joint-ventures geführt hat. Zwar werden in diesen<br />
77 Globale strategische Partnerschaften, Manager Magazin 5/86.<br />
78 Globale strategische Partnerschaften, Manager Magazin 5/86. Gigant auf Partnersuche,<br />
WirtschaftsWoche 7/86.<br />
79 Gigant auf Partnersuche, WirtschaftsWoche 7/86.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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Gemeinschaftsunternehmen durchaus inkrementale Produkt- <strong>und</strong> Prozeßinnovationen<br />
vorangetrieben; entscheidend aber ist, daß aufgr<strong>und</strong> des<br />
"reifen" Stands der <strong>Technikentwicklung</strong> hier keine großen Turbulenzen auf<br />
den Märkten zu befürchten sind. Vielmehr scheinen sich Gemeinschaftsunternehmen,<br />
die eher unter dem Gesichtspunkt einer Minimierung des<br />
Nachfrage- <strong>und</strong> des Ineffizienzrisikos gegründet werden, typischerweise in<br />
Marktsegmenten zu bewegen, in denen größere Wachstumsraten nicht zu<br />
erwarten sind. Zwei Beispiele mögen genügen, um dies zu illustrieren.<br />
Im durch schwache Wachstumsraten gekennzeichneten Bereich der elektrischen<br />
Haushaltsgeräte ("weiße Ware") führten Siemens <strong>und</strong> Bosch ihre entsprechenden<br />
Aktivitäten in den frühen 70er Jahren zur Bosch-Siemens-Hausgeräte-GmbH zusammen<br />
(Anteilsverhältnis 50:50). Dieses joint-venture, das inzwischen zu einem der<br />
zehn größten Unternehmen der Elektro- <strong>und</strong> Elektronikindustrie in der B<strong>und</strong>esrepublik<br />
Deutschland aufgerückt ist, entwickelt <strong>und</strong> produziert Haushaltsgeräte, die in<br />
das jeweilige Vertriebsprogramm der Partner eingehen. Inzwischen wird auch in<br />
diesem Unternehmen die Beherrschung des Innovationsrisikos zunehmend wichtiger,<br />
weil die Entwicklung der Technik neue Geschäftsfelder eröffnet hat (Mikrowellenherd,<br />
FCKW-Reduzierung, Induktionskochherd etc.).<br />
Das zweite Beispiel ist das im Jahre 1986 gegründete Gemeinschaftsunternehmen<br />
Euro-Television Systems GmbH, an dem Philips <strong>und</strong> Bosch beteiligt sind. Hier waren<br />
im überschaubaren Marktsegment für Fernsehgeräte exorbitante Steigerungsraten<br />
zunächst nicht zu vermuten, so daß auch hier der Vorteil eines joint-ventures<br />
vor allem in der Gewinnung von erhöhter Effizienz durch angepaßte Betriebsgröße<br />
<strong>und</strong> einem für beide Unternehmen höheren Marktanteil durch Kooperation liegen<br />
dürfte. Durch die Digitalisierung von Fernsehgeräten, die Einführung des Satellitenfernsehens<br />
<strong>und</strong> von hochauflösenden Fernsehgeräten (HDTV) dürfte auch in<br />
diesem Falle die Beherrschung von Innovationsrisiken (wieder) an Bedeutung zunehmen.<br />
Beide Beispiele zeigen deutlich, daß auch externe organisatorische Arrangements,<br />
die vor allem zur Beherrschung der eher "traditionellen" Risiken<br />
der Produktionsineffizienz <strong>und</strong> der Nachfrageunsicherheit geschaffen<br />
wurden, sich unter geänderten Vorzeichen (schneller technischer Wandel<br />
auch in "reifen Märkten") auch dem eher "modernen" Risiko annehmen<br />
müssen, den Anschluß an die technische Entwicklung (der Konkurrenten)<br />
nicht zu verpassen.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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9.4 Externes Unternehmenswachstum<br />
Neben den oben beschriebenen, eher lockeren Kooperationsverbünden<br />
sind in letzter Zeit Formen der unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit<br />
zu beobachten, die sich durch ein sehr viel handfesteres Geflecht<br />
von Beteiligungen, Übernahmen <strong>und</strong> sogar Konzernzusammenschlüssen<br />
("Elefantenhochzeiten") auszeichnen. Für diese Tendenz einer<br />
zunehmenden Kapitalkonzentration werden regelmäßig die in neue Dimensionen<br />
gewachsenen Kosten <strong>und</strong> Risiken von Forschung <strong>und</strong> Entwicklung<br />
sowie die Notwendigkeit, in der Produktion hohe Stückzahlen erzielen<br />
zu müssen, verantwortlich gemacht. Daneben spielen auch neue<br />
strategische Orientierungen vor allem größerer Unternehmen eine Rolle,<br />
die in andere als ihre angestammten Branchen diversifizieren wollen, um<br />
sich durch die "Mitnahme" von Synergieeffekten bei der Technologieerzeugung<br />
eine bessere Ausgangsposition im Kampf um die "Märkte der<br />
Zukunft" zu sichern. Daß sich hierbei auch Veränderungen der gesellschaftlichen<br />
Machtverhältnisse zugunsten einzelner Großkonzerne ergeben,<br />
liegt auf der Hand.<br />
Alternativen zu einer Zusammenarbeit einzelner Unternehmen im Rahmen<br />
verschiedenster Formen der Kooperation sind die selbständige Erfüllung<br />
der anfallenden Aufgaben einerseits oder der Zugriff auf andere<br />
Unternehmen über "externes Unternehmenswachstum" andererseits. Mit<br />
der Wahrnehmung der letztgenannten Option wird versucht, Vorteile aus<br />
anderen Unternehmen zu ziehen, ohne die mit loseren Formen der Kooperation<br />
verb<strong>und</strong>enen Risiken in Kauf nehmen zu müssen. Gegenüber<br />
internem Wachstum, das in der Errichtung neuer Sachanlagen besteht,<br />
werden bei externem Wachstum meist Beteiligungen erworben oder früher<br />
errichtete Sachanlagen <strong>und</strong> andere Aktiva mehrerer Unternehmen in einem<br />
Unternehmen zusammengefaßt (Mathes 1981). Gemeinschaftsunternehmen<br />
<strong>und</strong> Akquisitionen werden in der einschlägigen Literatur ebenfalls<br />
unter dem Begriff des externen Unternehmenswachstums subsumiert.<br />
Sowohl hinsichtlich der Vermögenskonzentration als auch hinsichtlich der<br />
Verfügungsmacht über Produktionsmittel stellen sie einen Konzentrationsprozeß<br />
dar. Vor allem aber werden hier verbindliche Organisationsformen<br />
geschaffen, die jedoch in ihrer Auswirkung auf die Technologieentwicklung<br />
nur schwer zu durchschauen sind.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
Über die derzeitige Bedeutung dieser Maßnahmen schreibt die B<strong>und</strong>esbank<br />
in einer Analyse über die "Ertragslage <strong>und</strong> Finanzierungsverhältnisse"<br />
der Firmen im Jahre 1987, daß b<strong>und</strong>esdeutsche Unternehmen derzeit<br />
über enorme Rücklagen verfügen. Die hohen Liquiditätspolster nutzten<br />
die Firmen vor allem dazu, ihre Beteiligungen "recht kräftig" auszuweiten.<br />
80 1987 konnten 887 Firmenzusammenschlüsse gezählt werden, 178<br />
oder 25 % mehr als 1985, wobei viele kleinere Beteiligungen überhaupt<br />
nicht meldepflichtig sind. 81 Allein Siemens ging in den Jahren 1987 <strong>und</strong><br />
1988 22 joint-ventures, Übernahme- <strong>und</strong> Kooperationsverträge ein. 82<br />
Die Internalisierung von Forschung <strong>und</strong> Entwicklung ist zu einem nicht<br />
unerheblichen Teil durch Übernahmen <strong>und</strong> Beteiligungen zu erklären, bei<br />
denen es darum ging, innovative FuE-Abteilungen mitzuerwerben. Nach<br />
Meinung von Experten wurden häufig FuE-intensive Unternehmen gerade<br />
deshalb aufgekauft bzw. Beteiligungen an ihnen ausgebaut, um am wissenschaftlich-technischen<br />
Potential anderer Länder (Unternehmen <strong>und</strong><br />
Märkte) teilzuhaben. Externe Arrangements zur Bewältigung des Innovationsrisikos<br />
sind somit häufig Vorboten verbindlicherer Formen der Kooperation<br />
<strong>und</strong> werden durch Internalisierungsprozesse abgelöst, die ehemals<br />
fremden Unternehmen mithin der eigenen Hierarchie subsumiert.<br />
Etwa Anfang der 70er Jahre war Siemens nur mit rd. 700 Beschäftigten in den USA<br />
tätig, <strong>und</strong> der Anteil des US-Geschäfts am Gesamtumsatz lag bei knapp 2 %. Seitdem<br />
begann Siemens, mit Hilfe von Neugründungen, Beteiligungen <strong>und</strong> Aufkäufen<br />
seine Präsenz in den USA zu verstärken. 1986 beschäftigte Siemens in rd. 35 Fabriken<br />
ungefähr 17.000 Beschäftigte; der Anteil des Umsatzes, den Siemens in den<br />
USA erzielt, lag im Jahre 1989 schon bei 11 % (Siemens-Geschäftsbericht 1989, S.<br />
31).<br />
International folgen die Akquisitionsströme den Handelsströmen, wodurch<br />
die wachsende Bedeutung internationaler Märkte unterstrichen<br />
wird. 83<br />
Dabei spielt die Deregulierung der Inlandsmärkte, die zur Aufhebung<br />
von Quasi-Monopolen (bzw. Oligopolen) - z.B. Ende des Amtsbau-<br />
80 Firmen schwimmen in Geld, FR 23.11.88.<br />
81 Umworbene Ehestifter, Industriemagazin 10/88.<br />
82 Die Crux mit der Synergie, Industriemagazin 10/88.<br />
83 Umworbene Ehestifter, Industriemagazin 10/88.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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wesens in der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland - führte, eine nicht zu unterschätzende<br />
Rolle (vgl. Bieber 1982).<br />
9.4.1 Beteiligungen<br />
Beteiligungen ermöglichen den Zugriff auf Potentiale der jeweils beteiligten<br />
Unternehmen. Des öfteren erwachsen hieraus Kooperationen (AT&T<br />
- Olivetti) oder vollständige Übernahmen (Daimler-Benz - AEG). Beteiligungen<br />
stellen somit nicht nur bloße Vermögenszuwächse dar, sondern<br />
sind in andere unternehmerische Strategien wie Erhöhung der Marktpräsenz<br />
oder Zugriff auf FuE-Potentiale <strong>und</strong> Know-how eingebettet. Kleinere<br />
Beteiligungen an Unternehmen in bestimmten Ländern erklären sich zudem<br />
aus Auflagen der jeweiligen Regierungen, die für inländische Unternehmen<br />
Mehrheitsbeteiligungen vorschreiben. Oft dienen sie auch dazu,<br />
den Zugang zu öffentlichen Aufträgen zu sichern, wenn dieser nur mit nationalen<br />
Partnern möglich ist (Post, Energie- <strong>und</strong> Nachrichtentechnik). Im<br />
Unterschied zu Akquisitionen ist hier die Verfügungsmacht über Produktionsmittel<br />
unter Umständen mit wesentlich weniger Kapital möglich, die<br />
alleinige Verfügung jedoch nicht vollständig sichergestellt. Aber auch bei<br />
diesen Formen der Kooperation wird eine Strategie der simultanen Bewältigung<br />
von Innovations- <strong>und</strong> Nachfragerisiko deutlich.<br />
Es ist durchaus nicht zufällig, daß die folgenden Beispiele alle aus sog.<br />
"High-Tech"-Bereichen der Elektro- <strong>und</strong> Elektronikindustrie kommen.<br />
Hier sind nicht nur alle Formen loser Kopplung von Unternehmen, sondern<br />
auch verbindlichere Kooperationsweisen anzutreffen.<br />
Zum Jahreswechsel 1987/88 erhöhte Bosch seine Beteiligung an der ANT Backnang<br />
auf 81,6 % (Verkauf der Mannesmann-Anteile) <strong>und</strong> übernahm Telenorma (TN) zu<br />
100 %. Beide Unternehmen waren ehemalige Töchter der AEG. Der Einstieg<br />
Boschs in die Telekommunikation verdankt sich damit der Krise der AEG. Die Zusammenarbeit<br />
von Bosch mit Töchterunternehmen von AEG führte schließlich - sobald<br />
die Gelegenheit günstig war - zu deren Erwerb. Im Jahre 1988 beteiligte sich<br />
Bosch schließlich an der Telekommunikations-Sparte von Jeumont Schneider, dem<br />
zweitgrößten Unternehmen auf dem französischen Telekommunikationsmarkt. 84<br />
Schon 1985 gab es ein Kooperationsabkommen zwischen Schneider <strong>und</strong> Bosch über<br />
84 Telenorma jetzt ganz bei Bosch, Börsen-Zeitung 8.1.88. AEG gibt die restlichen<br />
Telenorma-Anteile ab, Handelsblatt 8.1.88. Schneider sells control of telecom<br />
side to Bosch, Financial Times 31.12.87.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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die Forschung <strong>und</strong> Entwicklung von ISDN-Technologien sowie die gegenseitige Belieferung<br />
mit Nebenstellenanlagen. 85<br />
Schneider entschloß sich zu dieser Aktion,<br />
nachdem der Versuch des Erwerbs der CGCT (zusammen mit Siemens) fehlgeschlagen<br />
war. 86<br />
Für Bosch wird die Kommunikationstechnik dadurch mit 6 Mrd.<br />
DM Umsatz zum zweitgrößten Arbeitsgebiet, das auf drei Säulen steht: mobile<br />
Kommunikation (Blaupunkt <strong>und</strong> Bosch-Elektronik), private Vermittlungstechnik,<br />
ISDN <strong>und</strong> Nebenstellenanlagen (TN, Schneider) sowie Übertragungstechnik<br />
(ANT). 87<br />
Mit Hilfe von Beteiligungen <strong>und</strong> den darauf folgenden Übernahmen<br />
fremder Unternehmen konnte sich Bosch in kürzester Zeit zu einem wichtigen Unternehmen<br />
in der Kommunikationstechnik entwickeln, das über bedeutende Innovationspotentiale<br />
<strong>und</strong> Marktzugänge verfügt. 88<br />
Ein anderes Beispiel für eine Beteiligung, die mit dem ausdrücklichen Ziel einer<br />
Minimierung des Innovations- <strong>und</strong> Nachfragerisikos eingegangen wurde, ist die<br />
(mißglückte) Kooperation von AT&T mit Olivetti. AT&T erwarb 1983 eine Beteiligung<br />
von 25 % an Olivetti. Ziel war zum einen, einen Stützpunkt auf dem schnell<br />
wachsenden europäischen Kommunikationsmarkt zu erwerben, zum anderen aber<br />
auch die gemeinsame Entwicklung der Technologie zur Vernetzung von Endgeräten.<br />
Olivetti erhielt durch die Beteiligung eine Finanzspritze in Höhe von 260 Mio. $,<br />
Know-how in der Mikro-Prozessor-Technik <strong>und</strong> Telekommunikation sowie den Zugang<br />
zum US-Markt 89<br />
- scheinbar eine ideale Lösung für Innovationen <strong>und</strong> Markterschließung.<br />
Die Probleme begannen, als Olivetti Minicomputer in Konkurrenz zu<br />
AT&T herstellte <strong>und</strong> Vertriebsverträge für seine Minicomputer mit AT&T's Erzrivalen<br />
Northern Telecom abschloß. AT&T hingegen kooperierte mit Sun Mikrosystem.<br />
90<br />
Die Zusammenarbeit wurde schließlich abgebrochen, die wechselseitige<br />
Beteiligung rückgängig gemacht.<br />
All dies verweist auch auf Risiken externer Arrangements. Unternehmen,<br />
die auf unterschiedlichen Absatzmärkten agieren, müssen bei der längerfristigen<br />
strategischen Abstimmung bestimmte Unsicherheiten einkalkulieren.<br />
Trotz klar formulierter Ziele, die den Eindruck erwecken, unterschiedliche<br />
Unternehmensstrategien ließen sich für begrenzte gemeinsame<br />
Anliegen kompatibel machen, treten dabei immer wieder Probleme auf,<br />
die den Erfolg derartiger Anstrengungen gefährden (vgl. für Kooperationen<br />
im Halbleiterbereich auch Dertouzos u.a. 1989).<br />
85 Bosch spannt Draht nach Paris, Die Welt 31.12.87.<br />
86 Bosch plant Millionen-Coup, Die Welt 19.11.87.<br />
87 AEG gibt die restlichen Telenorma-Anteile ab, Handelsblatt 8.1.88.<br />
88 Zu einem integrierten Systemangebot auf dem Markt der Telekommunikation<br />
fehlt Bosch nun nur noch der Bereich der Datentechnik.<br />
89 ATT erwirbt mit Olivetti einen europäischen Brückenkopf, FR 27.12.83.<br />
90 Die Crux mit der Synergie, Industriemagazin 10/88.<br />
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9.42 Akquisitionen<br />
Neben verschiedenen Formen der Beteiligung sind in jüngster Zeit zunehmend<br />
auch Akquisitionen ein Mittel der Unternehmenspolitik geworden.<br />
Um den Anforderungen verstärkter Präsenz auf den verschiedenen<br />
Binnenmärkten 91<br />
<strong>und</strong> eines verschärften Innovationstempos gerecht zu<br />
werden, erscheint der Aufkauf fremder Unternehmen oft als die "ideale"<br />
Lösung. Diese besitzen in der Regel eigene Vertriebsstrukturen, FuE-Abteilungen<br />
<strong>und</strong> zumeist feste Marktanteile für ihre Produkte. Akquisitionen<br />
sind meist billiger <strong>und</strong> häufig genauer zu kalkulieren als der zeitaufwendige<br />
<strong>und</strong> kostenträchtige Aufbau eigener Kapazitäten, um auf ausländischen<br />
Märkten erstmals Fuß zu fassen oder um das bestehende Auslandsgeschäft<br />
auszubauen.<br />
Philips baute beispielsweise mit Firmenaufkäufen in Europa, vor allem aber in den<br />
USA, seine Position im Traditionsgeschäft mit Glühlampen <strong>und</strong> Hausgeräten sehr<br />
stark aus. Neben der Akquisition von Bauknecht <strong>und</strong> der Beteiligung an Gr<strong>und</strong>ig<br />
wurde im Februar 1983 das gesamte Lichtgeschäft der Westinghouse Electric (Umsatz<br />
400 Mio. $) Übernommen. Im Jahre 1984 kaufte Philips die Corning-Glasfabrik<br />
in Kentucky auf, die mit 300 Beschäftigten Glaskolben für Glühlampen herstellt.<br />
Dank dieser Akquisitionen in einem traditionellen Marktsegment von Philips ließ<br />
der Konzern auf dem Beleuchtungsmarkt weltweit alle Konkurrenten hinter sich. 92<br />
Gegenüber weniger verbindlichen Formen der Kooperation scheinen Akquisitionen<br />
den Vorteil zu bieten, die aus der Zusammenarbeit mit anderen<br />
Unternehmen resultierenden Risiken intern besser kalkulieren <strong>und</strong><br />
beherrschen zu können. Die Tatsache, daß in zunehmenden Maße FuE-intensive<br />
Unternehmen zugekauft werden, verdeutlicht ferner die wachsende<br />
Bedeutung von technologischen Innovationen im Rahmen der Konkurrenz<br />
von Einzelkapitalen. Schließlich werden bei gelungener Integration<br />
Effizienzsteigerungen nicht nur durch die Schaffung "idealer Betriebsgrößen"<br />
<strong>und</strong> einer kostenoptimalen Fertigung, sondern auch durch den<br />
91 Im Siemens-Geschäftsbericht von 1975 heißt es beispielsweise, daß eine "dauerhafte<br />
Durchdringung des Weltmarktes durch Exporte allein nicht möglich" ist,<br />
sondern "zur Sicherung des internationalen Geschäfts ist die Verankerung durch<br />
eigene Fertigungsstätten in den Auslandsmärkten unerläßlich." So stammen in<br />
den USA Mitte der 80er Jahre die Umsätze von Siemens zu rd. 85 % aus der im<br />
Land erbrachten Leistung (Siemens-Geschäftsbericht 1986).<br />
92 Philips - eine europäische Hoffnung in der internationalen Elektroindustrie, zfo<br />
7/85.<br />
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Abbau von Doppelarbeit <strong>und</strong> darüber hinaus durch die Erzeugung von<br />
Synergieeffekten in Forschung <strong>und</strong> Entwicklung realisiert.<br />
Diese Thesen lassen sich mit einigen Beispielen belegen, die wiederum<br />
den Risikodefinitionen von Child folgend rekonstruiert werden können.<br />
(a) Akquisitionen zur Minimierung des Innovationsrisikos: Akquisitionen,<br />
die ausdrücklich die Sicherung bzw. den Auf- oder Ausbau von Innovationspotentialen<br />
zum Ziel haben, lassen sich vielfach nachweisen. Erwähnt<br />
wurde bereits die Notwendigkeit für Hardware-Produzenten, Komplettlösungen<br />
mit Hard- <strong>und</strong> Software für spezifische K<strong>und</strong>enbedürfnisse<br />
entwickeln zu können. Zu diesem Zweck kaufte Gr<strong>und</strong>ig (Werkzeugmaschinen)<br />
1986 den Steuerungsspezialisten Atek-NC Sys Zürich. Ziel war<br />
hier die Entwicklung von Produktionstechnologien für die computerintegrierte<br />
Fertigung auf der unteren <strong>und</strong> mittleren Ebene der Maschinensteuerung.<br />
93<br />
Wegen des geplanten Auf- <strong>und</strong> Ausbaus ihrer Kapazitäten zur Erzeugung von Software<br />
stockte die AEG 1987 eine Beteiligung an der GEI (Gesellschaft für elektronische<br />
Datenverarbeitung) von 50 % auf 75 % auf. So gelang es dem Technologie-<br />
Konzern zusammen mit der AEG Software-Technik (AST), die fortan mit der GEI<br />
unter der Leitung einer gemeinsamen Geschäftsführung steht, ihr Innovationspotential<br />
entscheidend zu erhöhen <strong>und</strong> in die Spitzengruppe (der technisch orientierten<br />
Software-Häuser) in der B<strong>und</strong>esrepublik einzutreten. Schwerpunkte der Entwicklungstätigkeit<br />
sind hier Expertensysteme, Datenbanken <strong>und</strong> die Datenkommunikation.<br />
94<br />
Die deutsche Tochtergesellschaft des Bürocomputer-Herstellers Mai Basic Four Inc<br />
(Kalifornien) übernahm Ende 1987 fünf unabhängige deutsche Software-Häuser, um<br />
ihre Position als Anbieter von Branchenlösungen zu festigen. 95 Im November 1988<br />
faßte MAI die Aktivitäten der sechs Software-Häuser, die in den letzten zwei Jahren<br />
gekauft wurden, in einer neuen Tochtergesellschaft, der MAI Software Systeme<br />
GmbH, zusammen. MAI hatte zwar schon zuvor mit diesen Häusern kooperiert,<br />
wollte aber ihr Know-how durch den Kauf besser schützen. Der Zusammenschluß<br />
soll zudem die Produktivität der einzelnen Unternehmen steigern <strong>und</strong> Synergieeffekte<br />
ermöglichen. 96<br />
93 Auf der Spur der K<strong>und</strong>enwünsche, FR 15.3.88.<br />
94 AEG erhöht Beteiligung bei GEI-Softwarehaus, VWD-Firmen 9.9.87. Die AEG<br />
mischt auch verstärkt bei Computern mit, SZ 22,10.87.<br />
95 MAI Deutschland steigt in das Softwaregeschäft ein, FAZ 7.9.87. MAI akquiriert<br />
weiter, FAZ 21.10.87.<br />
96 MAI faßt Software-Aktivitäten zusammen, VWD 24.11.88.<br />
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(b) Akquisitionen zur Minimierung des Innovations- <strong>und</strong> Nachfragerisikos:<br />
Zielen Aufkäufe zwar zunehmend auf die Erhöhung des Innovationspotentials,<br />
so gilt ähnlich wie im Fall der Kooperationen, daß die Minimierung<br />
des Innovationsrisikos häufig nicht isoliert, sondern nur im Zusammenhang<br />
mit der Minimierung des Nachfragerisikos (<strong>und</strong> des Ineffizienzrisikos)<br />
gelingen kann. Besonders deutlich zeichnet sich dies im Bereich<br />
der Nachrichtentechnik ab. Die Strategie, Marktanteile durch Aufkäufe zu<br />
erweitern, steht in engem Zusammenhang mit der Notwendigkeit, die hohen<br />
Innovationskosten zu amortisieren. Allein die Entwicklungskosten digitaler<br />
Vermittlungssysteme betragen zwischen 600 Mio. <strong>und</strong> einer Milliarde<br />
Dollar, 97<br />
<strong>und</strong> bisher konnte kaum einer der Anbieter diese Investitionen<br />
in Forschung <strong>und</strong> Entwicklung amortisieren. Die Kosten der nächsten<br />
Generation von Vermittlungssystemen sollen nach Expertenmeinung<br />
sogar noch weit höher liegen, <strong>und</strong> man rechnet damit, daß sich nur wenige<br />
Unternehmen die Entwicklung dieser Technologien überhaupt noch werden<br />
leisten können. 98<br />
Am Beispiel von Siemens läßt sich dies sehr gut verdeutlichen. Ende 1988 beabsichtigten<br />
Siemens <strong>und</strong> die britische GEC den Aufkauf des britischen Elektronikunternehmens<br />
Plessey (Kooperation zwecks Acquisition). GEC <strong>und</strong> Plessey wurden auf<br />
dem Telefonmarkt aufgr<strong>und</strong> ihres geringen Weltmarktanteils nur wenige Chancen<br />
eingeräumt. 99<br />
Für Siemens war an Plessey vor allem der Bereich Telekommunikation<br />
100<br />
<strong>und</strong> der Bereich Halbleiter interessant (Plessey ist hier der viertgrößte Anbieter<br />
in Europa). Von Siemens wurde die Zusammmenarbeit mit Plessey als notwendig<br />
eingeschätzt, um auf dem Telekommunikationsmarkt bestehen zu können. 101<br />
Im Bereich der Nachrichtentechnik wird Siemens mit Plessey nun weltweit der<br />
zweitgrößte Anbieter sein. 102<br />
Der Kauf war also auch ein strategischer Schritt, die<br />
eigene Marktposition gegenüber anderen Konzerngruppen (Alcatel, Ericsson) auf<br />
dem EG-Binnenmarkt <strong>und</strong> auf dem Weltmarkt auszubauen 103<br />
<strong>und</strong> somit die Voraussetzungen<br />
zu schaffen, notwendige FuE-Investitionen besser verwerten zu können.<br />
97 Hochkonjunktur für Fusionen, Industriemagazin 3/88.<br />
98 Hochkonjunktur für Fusionen, Industriemagazin 3/88.<br />
99 Hochkonjunktur für Fusionen, Industriemagazin 3/88.<br />
100 Siemens <strong>und</strong> GEC greifen gemeinsam nach Plessey, FR 17.11.88.<br />
101 IBM unveils telecom strategy, Financial Times 22.10.87.<br />
102 Neue Elefantenhochzeiten am Telekom-Markt Europas? VWD 17.11.88.<br />
103 IBM <strong>und</strong> Siemens untersuchen gemeinsam, FAZ 22.10.87. IBM unveils telecom<br />
strategy, Financial Times 22.10.87. Siemens <strong>und</strong> GEC greifen gemeinsam<br />
nach Plessey, FR 17.11.88.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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Zuvor beabsichtigte Siemens schon den Aufkauf der italienischen Italtel. 1987<br />
warben Siemens <strong>und</strong> Ericsson gemeinsam um die italienische Telit, 105<br />
dem mit<br />
50,5 % Marktanteil größten Hersteller von Fernmeldeanlagen <strong>und</strong> Nachrichtentechnik<br />
Italiens. 106 In den USA will Siemens seinen Marktanteil auf dem Gebiet der<br />
Nachrichtentechnik in den nächsten zehn Jahren von 10 % auf 15 % erhöhen. Ein<br />
wichtiger Schritt hierzu war die Übernahme des Telefongeschäftes von IBM-Rolm<br />
Ende 1988. Der Marktanteil von Rolm für digitale Nebenstellenanlagen in den USA<br />
beträgt ungefähr 19 %. Siemens mußte sich bisher mit 3 - 4 % begnügen. 107<br />
Erinnert<br />
sei in diesem Zusammenhang nochmals an die Bedeutung, die dieser Kauf<br />
durch die geplante Vernetzung von IBM-Computer- <strong>und</strong> Siemens-Nachrichtentechnik<br />
erhält. Ebenfalls in den USA übernahm Siemens Anfang 1987 die Tel Plus<br />
Communications, einen Vertriebskanal für Nebenstellenanlagen. Tel Plus ist mit<br />
zwei Millionen installierten Anschlußeinheiten die größte unabhängige Servicegesellschaft<br />
von Telekommunikations-Endgeräten in den USA. 108<br />
Der finnische Konzern Nokia ist ein interessantes Beispiel dafür, wie sich ein Unternehmen<br />
über Aufkäufe zu einem Technologie-Konzern mit enormen Marktanteilen<br />
entwickeln kann. Nokia ist das größte private Industrieunternehmen in Finnland.<br />
Das Unternehmen ist ein Mischkonzern, dessen Produktpalette von Elektronik,<br />
Kabel <strong>und</strong> Maschinen über Energie, Papier <strong>und</strong> Chemikalien bis hin zu Gummiprodukten<br />
reicht. Anfang 1988 kaufte Nokia die TV-Sparte von SEL; damit<br />
konnte das Unternehmen den Anteil seiner Elektronikproduktion auf 60 % erhöhen.<br />
Durch den Kauf wird Nokia hinter Philips/Gr<strong>und</strong>ig <strong>und</strong> Thomson/Brandt mit<br />
14 % Marktanteil der drittgrößte TV-Produzent Europas <strong>und</strong> der neuntgrößte auf<br />
der Welt. Schon Mitte 1987 zeigte Nokia Interesse am Zukauf von TV-Herstellern<br />
in der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland <strong>und</strong> in England. Die ehemalige TV-Sparte von<br />
SEL soll mit einem Investitionsaufwand von 40-50 Mio. DM modernisiert <strong>und</strong> in einer<br />
zu gründenden Gesellschaft deutschen Rechts zusammengefaßt werden. Insgesamt<br />
hat sich in den letzten 15 Jahren die Struktur des Konzerns mit seinen früheren<br />
Schwerpunkten Holzveredelung, Kunststoff <strong>und</strong> Chemie vor allem durch Aufkäufe<br />
in Richtung auf ein High-Tech-Unternehmen verändert. 1982 kaufte Nokia das finnische<br />
Unternehmen der Unterhaltungselektronik Salora, 1984 die schwedische<br />
Luxor <strong>und</strong> 1987 Oceanic. Nokia ist größter Hersteller von Mikro-Computern in<br />
Skandinavien <strong>und</strong> seit Januar 1988 größter Computerhersteller Nordeuropas, nachdem<br />
die EDV-Abteilung von Ericsson aufgekauft wurde. Strategisches Ziel ist es,<br />
den Elektronikbereich auszubauen <strong>und</strong> größere Marktanteile in Europa zu erobern.<br />
Vorstandsmitglieder des Konzerns formulierten dies so: "Wir müssen ein europäisches<br />
Unternehmen werden <strong>und</strong> uns dort ansiedeln, wo die wichtigsten Absatz-<br />
104 Neue Elefantenhochzeiten am Telekom-Markt Europas? VWD 17.11.88.<br />
105 Zum Überleben zu klein? SZ 9.12.87.<br />
106 Siemens <strong>und</strong> Ericsson werben um Telit, FAZ 1.9.87.<br />
107 Siemens landet großen Coup, FR 15.12.88.<br />
108 Die Crux mit der Synergie, Industriemagazin 10/88.<br />
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märkte sind", <strong>und</strong>: "Wir wollen in Europa auf nennenswerte Marktanteile (<br />
kommen. (...) es ist viel billiger <strong>und</strong> praktischer, solche Marktanteile zuzukaufen".<br />
9.43 Fusionen<br />
Fusionen sind aufgr<strong>und</strong> ihrer Größenordnung ("Elefantenhochzeiten") im<br />
Verhältnis zu Beteiligungen <strong>und</strong> Akquisitionen sicher seltener. Dennoch<br />
lassen sich in den letzten Jahren einige markante Beispiele aus der Elektroindustrie<br />
aufführen. Der Versuch, Fusionen in bezug auf Strategien der<br />
Risikominimierung zu differenzieren, fällt schwer, da bei Unternehmenszusammenschlüssen<br />
alle Unternehmensbereiche betroffen sind <strong>und</strong> die<br />
Auswirkungen alle Funktionen betreffen. Innovationspotentiale werden<br />
ausgebaut, Vertriebsnetze ergänzt <strong>und</strong> effektiver gestaltet, die Fertigung<br />
in der Regel reorganisiert <strong>und</strong> rationalisiert. Somit scheinen Fusionen eine<br />
Strategie zur integrierten Bewältigung aller drei Risiken darzustellen. Allerdings<br />
ist es vorstellbar, daß auch Fusionen bestimmten Risikominimierungsstrategien<br />
zuzuordnen sind. Genauere Aussagen zu dieser Frage setzen<br />
jedoch f<strong>und</strong>iertere Informationen über einzelne Unternehmen voraus,<br />
als sie der Wirtschaftsberichterstattung zu entnehmen sind.<br />
1986 entstand durch den Zusammenschluß von CGE <strong>und</strong> ITT die Alcatel NV (CGE<br />
hält 51,6 %), die dadurch zum zweitgrößten Telekommunikationskonzern der Welt<br />
wurde. In der Hard- <strong>und</strong> Software-Branche fusionierten die hinter IBM weltweit<br />
größten EDV-Hersteller Sperry <strong>und</strong> Burroughs zur Unisys Corp 112<br />
mit einem Umsatz<br />
von 9,5 Mrd. $. Im Hinblick auf den EG-Binnenmarkt 1992 fusionierten Mitte<br />
1988 die französische Sema-Metra (Paris) <strong>und</strong> die britische CAP (London). Zusammen<br />
erreichen sie einen Umsatz von knapp 700 Mio. DM. 113<br />
Markt- <strong>und</strong> Innovationsvorteile verspricht man sich von der im Januar 1988 vollzogenen<br />
Fusion der schweizerischen BBC <strong>und</strong> des schwedischen Konzerns ASEA zur<br />
ABB. Der Schwerpunkt des neuen Konzerns liegt bei der Lieferung von Anlagen zur<br />
Erzeugung <strong>und</strong> Übertragung elektrischer Energie, dem Bau von Eisenbahnfahrzeu-<br />
109 Konzern aus der Kälte, WirtschaftsWoche 18.12.87.<br />
110 Lohr hält seine Murmeln zusammen, Die Welt 16.12.87.<br />
111 Weltmärkte im Umbruch, WirtschaftsWoche 12/87. CGE awaits a spanish<br />
guarantee, Financial Times 6.4.87. Ein neuer Telefonbauriese ist geboren, SZ<br />
31.12.86.<br />
112 Weltmärkte im Umbruch, WirtschaftsWoche 12/87.<br />
113 Computerbranche stimmt sich auf Europa ein, FR 3.4.88.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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gen sowie der Elektrifizierung von Industrieanlagen. Bei der Produktion von Industrierobotern<br />
nimmt ASEA eine führende Stellung in der Welt ein, im Energie- <strong>und</strong><br />
Kraftwerksgeschäft rückt ABB weltweit auf den dritten Platz der Branche nach General<br />
Electric (USA) <strong>und</strong> Siemens vor. Die Märkte beider Unternehmen ergänzen<br />
sich nach Expertenmeinung vortrefflich. ASEA besitzt eine starke Position in<br />
Nordeuropa, BBC vor allem in der Schweiz, der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland,<br />
Österreich <strong>und</strong> Italien. Durch die Fusion erwartet das neue Unternehmen zudem<br />
einen besseren Zugang zu den Märkten in Nordamerika <strong>und</strong> Asien. Für die Forschung<br />
<strong>und</strong> Entwicklung sollen künftig mehr als 1,5 Mrd. DM aufgebracht werden?"<br />
Es lassen sich demnach vergleichbare Strukturen wie im Falle der Akquisitionen<br />
identifizieren: In wesentlichen Bereichen der Elektroindustrie wie<br />
der Nachrichtentechnik <strong>und</strong> Telekommunikation sind, um das weitere<br />
Überleben am Markt zu gewährleisten, hohe Investitionsaufwendungen<br />
vor allem im FuE-Bereich zu tätigen. Fusionen <strong>und</strong> Akquisitionen dienen<br />
deshalb dem Ausbau des FuE-Potentials. Zudem dienen sie dem Aufbau<br />
der nötigen Marktmacht, da nur über den Absatz neuer Produkte die Innovationskosten<br />
amortisiert werden können.<br />
9.5 Risiken externen Unternehmenswachstums<br />
Beteiligungen, Akquisitionen <strong>und</strong> Fusionen scheinen anderen Formen der<br />
Kooperation dadurch überlegen zu sein, daß sie trotz des Zugriffs auf externe<br />
Potentiale eine unternehmensinterne Bewältigung von Innovations-,<br />
Nachfrage- <strong>und</strong> Ineffizienzrisiken ermöglichen. Aber neben der Tatsache,<br />
daß sich diese Strategien nicht in allen Fällen friktionslos realisieren lassen,<br />
erwachsen auch aus ihnen neue Risiken.<br />
Die geringsten Probleme resultieren offenbar aus den verschiedenen Formen<br />
der Beteiligung an fremden Unternehmen, da im Unterschied zu Akquisition<br />
oder Fusion diese Maßnahmen im Falle eines Scheiterns relativ<br />
problemlos rückgängig zu machen sind. Ihr Nachteil besteht allerdings in<br />
der Begrenztheit der durch Beteiligungen ermöglichten Verfügungsmacht.<br />
Beteiligungen führen aus diesem Gr<strong>und</strong> nicht selten längerfristig zu Akquisitionen<br />
(Daimler-Benz-AEG, Bosch-Schneider etc.).<br />
114 Asea begrüßt die Nord-Südachse quer durch Europa, FAZ 12.8.87. Für Arbeitsplätze<br />
garantiert der Riese ABB nicht, FR 15.1.88.<br />
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Bei Akquisitionen <strong>und</strong> Fusionen dürften miteinander vergleichbare Probleme<br />
entstehen. Der Kapitalbedarf <strong>und</strong> der Zeitraum bis zur Realisierung<br />
erwarteter Synergieeffekte können leicht unterschätzt werden. Zusätzlich<br />
scheint es notwendig zu sein, den Führungsstil des übernommenen<br />
Unternehmens den eigenen Gepflogenheiten ("Unternehmenskultur") anzupassen,<br />
strategisch notwendige Veränderungsmaßnahmen wie Harmonisierung<br />
von Fertigung <strong>und</strong> Vertrieb <strong>und</strong> Koordinierung der Forschung <strong>und</strong><br />
Entwicklung durchzusetzen. Häufig wird auch in der Wirtschaftsberichterstattung<br />
darauf hingewiesen, daß der Druck schneller Entscheidungen<br />
über die beabsichtigte Akquisition zu Fehlschlägen führen kann, da für<br />
aufwendigere Planungsprozesse nicht ausreichend Zeit zur Verfügung<br />
steht.<br />
Ein in der B<strong>und</strong>esrepublik markantes Beispiel hierfür war die Expansionspolitik der<br />
AEG Anfang der 70er Jahre. Zwischen 1967 <strong>und</strong> 1971 wurden allein 50 neue Firmen<br />
- mitunter ganze Konzerne - aufgekauft. Finanziert wurde diese Strategie mit Krediten;<br />
in drei Jahren vervierfachten sich die Finanzschulden <strong>und</strong> waren ein wesentlicher<br />
Gr<strong>und</strong> für die Insolvenz des Unternehmens. Die Aufkäufe brachten nicht nur<br />
finanzielle Schwierigkeiten, sie führten auch zu ineffizienten Produktionsstrukturen.<br />
Unter dem Eindruck des damals florierenden Konsumgütergeschäfts wurden Unternehmen<br />
wie Linde, Neff, Zanker, Küppersbusch, Witte, Alno <strong>und</strong> BBC aufgekauft,<br />
ohne deren Unternehmensfunktionen wie FuE, Produktion <strong>und</strong> Vertrieb sinnvoll<br />
mit den eigenen Abteilungen koordinieren zu können. "Während die Bosch-<br />
Siemens Hausgeräte GmbH einschließlich Unterhaltungselektronik in vier Fabriken<br />
mit 13.000 Beschäftigten 1981 rd. 2,6 Mrd. DM Umsatz machte, brauchte AEG Telefunken<br />
für einen noch nicht einmal doppelt so großen Umsatz von 4,8 Mrd. DM<br />
zwanzig Fabriken <strong>und</strong> 33.000 Beschäftigte". 115<br />
Ursachen hierfür waren Parallelentwicklungen,<br />
gegenseitige Konkurrenz <strong>und</strong> die Verzettelung der Investitionen. Investitionen<br />
mit längerfristiger Perspektive (Forschung, Ausland) unterblieben. Das<br />
Ergebnis war die Insolvenz des Unternehmens 1982.<br />
9.6 Probleme externer organisationaler Arrangements für die Interessenvertretung<br />
Anhand des empirischen Materials sollte verdeutlicht werden, daß derzeit<br />
aufgr<strong>und</strong> verschiedener externer Arrangements "Unternehmensgruppen"<br />
entstehen, die auf Konzentrations- <strong>und</strong> Monopolisierungsprozesse neuer<br />
Qualität verweisen. Damit gehen weitreichende Strukturveränderungen<br />
115 Glanz <strong>und</strong> Elend eines großen Namens, FAZ 16.4.83.<br />
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auf den Märkten für elektrotechnische <strong>und</strong> elektronische Produkte einher,<br />
<strong>und</strong> zugleich werden die Arbeits- <strong>und</strong> Lebensbedingungen der in der Elektro-<br />
<strong>und</strong> Elektronikindustrie Beschäftigten, die Möglichkeiten betrieblicher<br />
<strong>und</strong> überbetrieblicher Mitbestimmung <strong>und</strong>, auf einer höheren Ebene,<br />
die Einflußchancen von Gewerkschaften <strong>und</strong> sozialen Bewegungen (nicht<br />
zuletzt in bezug auf die Richtung des technischen Fortschritts) stark eingeengt.<br />
Diejenigen Unternehmen, welche in den verschiedenen Kooperationsbeziehungen<br />
als die "unabhängigen" anzusehen sind, können in bezug auf die<br />
Weiterexistenz von Betrieben, die Betriebsgrößen <strong>und</strong> die strategischen<br />
Unternehmensziele (welche Märkte, welches Marktsegment etc.) weitreichende<br />
Entscheidungen treffen, die nicht nur Auswirkungen auf das Management<br />
der "abhängigen" Unternehmen, sondern auch auf die dort bestehenden<br />
Arbeitsbedingungen haben. Die von Aglietta avisierte, "sternförmige<br />
<strong>Unternehmensorganisation</strong>" (Aglietta 1979, S. 257) impliziert<br />
neue Formen der Konkurrenz, als deren Resultat sich Strukturveränderungen<br />
auch in den Beziehungen der Unternehmen untereinander einstellen.<br />
Meist sind die damit verb<strong>und</strong>enen Reorganisationen der internen<br />
<strong>und</strong> externen Unternehmensstruktur mit Konsequenzen für die Zahl der<br />
beschäftigten Arbeitskräfte <strong>und</strong> deren Qualifikationsprofil verb<strong>und</strong>en.<br />
Damit kommen Determinanten betrieblicher Rationalisierungsprozesse<br />
ins Blickfeld, die in der Industriesoziologie oftmals vernachlässigt werden<br />
<strong>und</strong> die für den von uns beschriebenen Modus systemischer Rationalisierung<br />
von großer Bedeutung sind. Ein wesentliches Kennzeichen der verbindlicheren<br />
Formen der Unternehmenskooperation ist beispielsweise ein<br />
rigider Personalabbau, der trotz relativen Wachstums der Umsätze bzw.<br />
der Produktion allein durch organisatorische Maßnahmen möglich wird.<br />
Einige Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit mögen dies verdeutlichen.<br />
1985 erwarb Daimler-Benz 28,7 % des Gr<strong>und</strong>kapitals der AEG. Im selben Jahr<br />
wurde die <strong>Unternehmensorganisation</strong> der AEG entscheidend verändert. Die bisherigen<br />
Unternehmensbereiche des AEG-Konzerns Inland wurden in elf juristisch unselbständige<br />
Geschäftsbereiche <strong>und</strong> in drei juristisch selbständige Tochtergesellschaften<br />
umgewandelt. Im Rahmen dieser Neuordnung kam es im Frühjahr 1987 zu<br />
Reorganisationen des Geschäftsbereichs Marine- <strong>und</strong> Sondertechnik. Die bisherigen<br />
fünf geographisch getrennten Produktionsstätten wurden in zwei Standorten (Hamburg<br />
<strong>und</strong> Wedel) zusammengefaßt. 116<br />
116 AEG faßt Marinetechnik zusammen, FAZ 22.4.87.<br />
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Im Herbst 1987 begann der Konzern, den Bereich Energietechnik neu zu strukturieren.<br />
Damit sollte ein neues Geschäftsfeld "Turbinen, Elektrische Maschinen <strong>und</strong><br />
Kraftwerksanlagen" geschaffen werden, für das innerhalb von drei Jahren Investitionen<br />
in Höhe von 250 Mio. DM geplant waren. Außerdem wurde angekündigt, die<br />
Aktivitäten auf dem Gebiet der Leittechnik im Geschäftsbereich Industrieanlagen<br />
zusammenzufassen. Innerhalb der AEG Kanis wird dies mit einem Abbau von 600<br />
Arbeitsplätzen verb<strong>und</strong>en sein. 117<br />
Ende 1987 wurde ebenfalls damit begonnen, den Bereich Büro- <strong>und</strong> Kommunikationstechnik<br />
zu konzentrieren. 118<br />
Schon 1984 stellte eine Arbeitsgruppe "Olympia"<br />
beim AEG-Vorstand fest, daß Olympia mit neun AEG-Bereichen zusammenarbeiten<br />
könnte, z.B. mit ATM Computer, der Abteilung Informatik oder den beiden<br />
Software-Häusern GEI <strong>und</strong> AST. Synergieeffekte sollten sich bei der Entwicklung<br />
neuer Produkte, beim Vertrieb <strong>und</strong> der Logistik ergeben. 119<br />
Ende 1987 faßte der<br />
Konzern seine Tätigkeiten auf den Gebieten der Büro- Informations- <strong>und</strong> Kommunikationstechnik<br />
in dem neuen Geschäftsbereich AEG Olympia AG zusammen. In<br />
Sachen Kommunikationstechnologie war die AEG bisher an vielen Standorten vertreten.<br />
Die stark auf die Produktion von Schreibmaschinen fixierte Olympia AG tat<br />
sich ohne eine Anbindung an die Kommunikationstechnologie als Systemanbieter<br />
für Büroorganisation überaus schwer <strong>und</strong> produzierte zweistellige Millionenverluste.<br />
Die neue "AEG-Olympia AG" arbeitet mit den Forschungsinstituten von AEG, dem<br />
Bereich "Netze" der AEG Kabel AG <strong>und</strong> anderen Geschäftsbereichen eng zusammen.<br />
Weiterhin ist eine enge Zusammenarbeit mit der Dornier System GmbH auf<br />
büro- <strong>und</strong> kommunikationstechnischem Gebiet vorgesehen. 120<br />
Schwerpunkte ihres<br />
Angebots werden Textverarbeitung <strong>und</strong> Kommunikation, Microcomputer <strong>und</strong> multifunktionale<br />
Arbeitsplatzsysteme, Erkennungssysteme, Briefverteil- <strong>und</strong> Sortiersysteme,<br />
mobile Funktechnik, Sender- <strong>und</strong> Übertragungssysteme sowie Datennetze<br />
sein. Als 100 %ige Tochtergesellschaft der AEG Olympia AG wurde die AEG<br />
Olympia System GmbH gegründet, die vor allem spezielle Systeme <strong>und</strong> Branchenlösungen<br />
der Büro- <strong>und</strong> Kommunikationstechnik sowie "Netzwerke" entwickeln <strong>und</strong><br />
anbieten sollte. Gemäß dem Aufsichtsratsvorsitzenden der Muttergesellschaft<br />
Daimler-Benz, E. Reuter, ist diese Neubildung "aus der geschäftspolitischen Gesamtstrategie<br />
des Daimler-Benz-Konzerns entstanden <strong>und</strong> in diese eingeb<strong>und</strong>en". 121<br />
Die Zahl der Beschäftigten soll bis Ende 1989 um rd. 600 verringert werden, das<br />
sind etwa ein Fünftel der derzeit rd. 3.000 Beschäftigten.<br />
Die Umstrukturierungen des Konzerns werden in Zukunft noch andere Bereiche<br />
betreffen. Als eines der nächsten Felder wird die Kraftfahrzeugelektronik betroffen<br />
sein. Zur Zeit produziert der Konzern Autoelektronik in acht b<strong>und</strong>esdeutschen Fa-<br />
117 AEG-Kommunikation wird zusammengefaßt, Börsen-Zeitung 9.12.87.<br />
118 Das hat uns keiner zugetraut, Industriemagazin 15.9.84.<br />
119 Die Zeit drängt, WirtschaftsWoche, 1.1.88.<br />
120 AEG konzentriert Büro- <strong>und</strong> Kommunikationstechnik, VWD 9.12.87.<br />
121 Die Zeit drängt, WirtschaftsWoche, 1.1.88.<br />
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iken, die zu unterschiedlichen Bereichen - etwa AEG Kabel oder dem Bereich Serienprodukte<br />
- gehören. 122<br />
Ein weiteres markantes Beispiel ist die Umstrukturierung der Alcatel nach dem Zusammenschluß<br />
von CGE <strong>und</strong> ITT. In den spanischen Betrieben Sesa <strong>und</strong> Mesa<br />
(vormals ITT) sollen zwischen 1986 <strong>und</strong> 1989 insgesamt 6.000 von 16.000 Arbeitern<br />
entlassen werden. 123<br />
Die ehemals zu ITT gehörende SEL entließ vor allem in Berlin<br />
<strong>und</strong> Stuttgart 1986 890 Arbeiter, 1987 weitere 700, <strong>und</strong> 1988 sollten ebenfalls 1.100<br />
Stellen gestrichen werden 124<br />
- knapp 5 % der nach dem Verkauf an Nokia verbliebenen<br />
rd. 23.600 Beschäftigten, denn mehr als 8.000 Beschäftigte wurden mit der<br />
Veräußerung der Sparte Unterhaltungselektronik einfach "verkauft". Noch 1986 betonte<br />
SEL, daß alle Arbeitsgebiete unverändert weitergeführt werden sollen. Doch<br />
schon ein Jahr später, am 1.1.88, verkaufte SEL die Sparte Unterhaltungselektronik<br />
an die finnischeNokia. Eine Betriebsvereinbarung, die erst zwei Monate zuvor über<br />
die Sanierung der Unterhaltungselektronik abgeschlossen wurde, wurde damit hinfällig.<br />
125<br />
Nokia reduzierte, nachdem es die Sparte Unterhaltungselektronik übernommen<br />
hatte, im Laufe des ersten Jahres nach der Übernahme die Zahl der Beschäftigten<br />
in den Audio/Video-Werken von 8.000 auf 6.500 bis 7.000. Für 1989<br />
kündigte der neue Leiter der Nokia-Unterhaltungselektronik, Jacques Noel, einen<br />
weiteren Stellenabbau an. 126<br />
Bei Thomson lassen sich die Konsequenzen einer Strategie der Schaffung "optimaler<br />
Betriebsgrößen unter europäischen Bedingungen" verfolgen. Thomson hatte in der<br />
Vergangenheit Firmen wie Saba, Nordmende, Dual <strong>und</strong> Telefunken gekauft <strong>und</strong> war<br />
in der B<strong>und</strong>esrepublik Marktführer im Bereich Unterhaltungselektronik geworden.<br />
1987 übernahm das Unternehmen die britische Ferguson <strong>und</strong> wurde nicht nur<br />
Marktführer in England, sondern rückte auch auf den vierten Platz am Weltmarkt<br />
für Farb-TVs auf. Trotz einer Steigerung der Produktion reduzierte Thomson die<br />
Belegschaft zwischen 1984 <strong>und</strong> 1987 von 36.000 auf 29.000 Mitarbeiter mit der immer<br />
wiederkehrenden Begründung optimaler Betriebsgrößen. 127<br />
In Zukunft werden<br />
bei Nordmende/Bremen von 1.100 Arbeitern 300 übrig bleiben. Noch 1988 sollen in<br />
Frankreich drei Werke mit mehr als 1.000 Arbeitsplätzen geschlossen, die Fertigung<br />
122 Nokia streicht kräftig Stellen, FR 17.1.89.<br />
123 CGE awaits a spanish guarantee, Financial Times 6.4.87. Ein neuer Telefonbauriese<br />
ist geboren, SZ 31.12.86.<br />
124 SEL sieht Fortbestand nicht gefährdet, FR 4.8.86. SEL fühlt sich nachhaltig<br />
stärker, SZ Mai 87. Weitere Konsolidierung in der europäischen Unterhaltungselektronik,<br />
NZ 12.12.87.<br />
125 Protest gegen Übernahme von SEL durch Nokia, FAZ 15.12.87. Schwere<br />
Vorwürfe gegen den Vorstand, Handelsblatt 21.12.87. Harsche Kritik am Verkauf<br />
von Nokia, FAZ 23.12.87.<br />
126 Nokia streicht kräftig Stellen, FR 17.1.89.<br />
127 Thomson wird bei Ferguson Marktführer auch noch in England, FAZ 20.6.87.<br />
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nach Italien verlagert werden. 128<br />
In der B<strong>und</strong>esrepublik fanden weitreichende Veränderungen<br />
der Produktionsorganisation statt, die sich mit dem Begriff der "simulierten<br />
Fabrik" umschreiben läßt (vgl. Düll, Bechtle 1988). Diese Reorganisation des<br />
gesamten Ablaufs der Produktion wird von einer gr<strong>und</strong>legenden Restrukturierung<br />
der FuE-Organisation begleitet, die ebenfalls in nennenswertem Umfang - hochqualifizierte<br />
- Arbeitskräfte einspart (s. Kapitel 4).<br />
Auch die Fusion der schwedischen ASEA <strong>und</strong> der schweizerischen BBC zur ABB zu<br />
Beginn des Jahres 1988 blieb nicht ohne Auswirkungen auf die Beschäftigten. Da<br />
das Lohnniveau für hochqualifizierte Arbeitskräfte in Schweden um 50 % unter dem<br />
der Schweiz liegt, werden diese Unterschiede zu einem konzerninternen Wettbewerb<br />
genutzt. Die schwedischen Unternehmensteile erhalten die arbeitsintensiven<br />
Aufträge - Einzel- <strong>und</strong> Kleinstserienfertigung im Turbinengeschäft. Alle stehenden<br />
Teile werden nach Mannheim verlagert, so daß in der Schweiz nur noch die beweglichen<br />
Teile <strong>und</strong> nicht mehr ganze Anlagen hergestellt werden können. Allein in Baden,<br />
einem traditionellen Standort der alten BBC, kostet die Umstrukturierung<br />
2.500 Arbeitsplätze (Turbinenfabrik). Begründet wird die Verlagerung mit der Parallelfabrikation<br />
in Mannheim <strong>und</strong> Baden sowie einem zu geringen Diversifikationsgrad<br />
in Baden. Zu lange habe die alte BBC auf den stagnierenden Kraftwerksbau<br />
gesetzt. In Schweden dagegen sei die Diversifizierung seit Anfang der 70er Jahre<br />
erfolgreich verlaufen; beispielsweise produziert ABB dort 2.000 Roboter pro Jahr.<br />
In der B<strong>und</strong>esrepublik - größter nationaler Produktionsstandort mit 40.000 Beschäftigten<br />
- sollen 4.000 Beschäftigte abgebaut werden; insbesondere im größten Werk<br />
in Mannheim (z.Z. 7.000 Beschäftigte).<br />
In allen genannten Fällen stellt sich das Problem einer konzernübergreifenden<br />
bzw. internationalen Interessenvertretung. In aller Regel existiert<br />
nicht einmal eine gesamteuropäische Belegschaftsvertretung. Weitab vom<br />
betrieblichen Geschehen werden von den Konzernleitungen die zentralen<br />
Entscheidungen getroffen, auf die die betroffenen Betriebsräte keinen<br />
Einfluß haben (zu Problemen überbetrieblicher Interessenvertretung vgl.<br />
Altmann, Düll 1987).<br />
9.7 Resumee<br />
"These developments, not surprisingly, are particular^ common in technology-intensive<br />
industries (...). Both the motivations for collaboration and<br />
the organizational forms that result are quite varied. Firms pursue cooperative<br />
agreements in order to gain fast access to new technologies or new<br />
markets, to benefit from economies of scale in joint research and/or pro-<br />
128 Thomson wird bei Ferguson Marktführer auch noch in England, FAZ 20.6.87.<br />
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duction, to tap into sources of know-how located outside the bo<strong>und</strong>aries of<br />
the firm, and to share the risks for activities that are beyond the scope or<br />
capability of a single organization" (Powell 1990, S. 315).<br />
Die analytisch differenzierten Beschreibungen dieses Kapitels über externe<br />
organisatorische Arrangements haben unter Rückgriff auf allgemein<br />
zugängliches Material zeigen sollen, daß die verschärften Anforderungen<br />
des Marktes an die Unternehmen (steigende Komplexität der Produkte,<br />
erhöhte Variantenzahl, stärkerer Preis- <strong>und</strong> Kostendruck <strong>und</strong> verkürzte<br />
Produktlebenszyklen) sowie zyklische konjunkturelle Schwankungen es<br />
diesen vielfach geraten erscheinen lassen, die Produktion von Gütern, vor<br />
allem aber die Erzeugung neuer Technologien in einer Organisationsform<br />
voranzutreiben, die sich stark auf externe Ressourcen stützt. Dabei bilden<br />
sich neuartige organisationsübergreifende Arrangements heraus, die sich<br />
zum Teil mit dem Begriff des Netzwerks beschreiben lassen. 129<br />
Die Unternehmen, die auf diese Strategien zurückgreifen, sind daran interessiert,<br />
über die Gestaltung von Austauschbeziehungen mit anderen<br />
Organisationen ihre Flexibilität <strong>und</strong> ihr Innovationspotential zu erhöhen,<br />
die eigene Kostenstruktur zu verbessern, Risiken auf andere Unternehmen<br />
zu verlagern (Child 1987) <strong>und</strong> sich im internationalen Raum neue<br />
Märkte zu eröffnen. Neuartige Arrangements dieses Typs umfassen neben<br />
unternehmensübergreifenden Formen der arbeitsteilig organisierten Produktion<br />
130<br />
auch betriebsübergreifende Produktionsverbünde, in denen<br />
verschiedene Prozesse unternehmensintern bestimmten Betrieben zugeordnet<br />
werden. Die im Wege der vertikalen oder horizontalen Integration<br />
geschaffenen unternehmensinternen organisationalen Arrangements haben<br />
bereits eine gewisse Tradition (vgl. Chandler 1977) <strong>und</strong> standen deshalb<br />
nicht im Zentrum unserer Darstellung. Konzentriert haben wir uns<br />
vielmehr darauf, in analytischer Perspektive zu rekonstruieren, wie sich<br />
die Risikovermeidungsstrategie einer Externalisierung bzw. eines Rück-<br />
129 Die Zahl der Ansätze, die bei der Erklärung unternehmensübergreifender<br />
Kooperationsbeziehungen auf den Begriff des Netzwerks rekurrieren, nimmt<br />
ständig zu. Dabei wird die von Williamson eingeführte, entlang eines Kontinuums<br />
zwischen markt- <strong>und</strong> hierarchieförmigen Beziehungen konstruierte Unterscheidung<br />
als zu mechanistisch kritisiert <strong>und</strong> die Eigenständigkeit des sozialen<br />
Phänomens "Netzwerk" betont (vgl. Powell 1990, S. 299).<br />
130 Der Begriff der Produktion umfaßt nach unserem Verständnis materielle <strong>und</strong><br />
immaterielle Produktionsprozesse.<br />
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griffs auf externe Ressourcen (gleich welcher Art: Wissen, Technologie,<br />
Kapital etc.) als Maßnahme erweist, die Risiken auf gleichsam erweiterter<br />
Stufenleiter produziert.<br />
Wichtig scheint uns an der in diesem Kapitel entwickelten Typologie ihre<br />
gleichsam durch den wachsenden Grad an Verbindlichkeit konstituierte<br />
Logik: von den verschiedenen Arten externer Kooperation über joint-ventures<br />
bis hin zu den verschiedenen Formen des externen Unternehmenswachstums.<br />
Vermittelt wurde diese Zuordnung nicht allein über die<br />
Williamson'sche Alternative "Markt" oder "Hierarchie", sondern auch über<br />
den Risikobegriff von Child, den wir in Abschnitt 3.6 aufgenommen haben.<br />
Hinzu trat die Überlegung, daß die Strategie einer Schaffung von "negotiated<br />
environments" (Cook 1977) aufgr<strong>und</strong> potentiell divergierender Interessenlagen<br />
der Beteiligten mit Notwendigkeit zu Verhältnissen führt, die<br />
eine gewisse Instabilität beinhalten. Wir sind also in unserer Darstellung<br />
von der Hypothese einer "Risikospirale" ausgegangen, ohne allerdings unsere<br />
ursprünglich vertretene Auffassung beizubehalten, derzufolge dem<br />
Trend zu externen organisationalen Arrangements aufgr<strong>und</strong> der diesen<br />
inhärenten, prinzipiellen Unsicherheiten perspektivisch ein Trend der<br />
Reinternalisierung folge (vgl. Bieber, Brandt, Möll 1987; Bieber, Möll<br />
1989). Diese These ließ sich nicht aufrechterhalten, weil die Aufarbeitung<br />
des empirischen Materials deutlich gemacht hat, daß die in diesen unternehmensübergreifenden<br />
Arrangements dominanten Unternehmen in den<br />
verschiedenen Formen externer organisationaler Arrangements durchaus<br />
über ausreichende Markt-, Macht- <strong>und</strong> wissenschaftlich-technische Potentiale<br />
zur Absicherung bzw. zum Ausbau ihrer Position verfügen (vgl. Bieber,<br />
Sauer 1991; Bieber 1992), eine Reinternalisierung also nicht in jedem<br />
Falle notwendig ist.<br />
Die vorstehenden Ausführungen haben darüber hinaus zeigen sollen, daß<br />
die Einführung <strong>und</strong> Durchsetzung unternehmensübergreifender Organisationsstrukturen<br />
für die Unternehmen die (häufig genutzte) Chance bietet,<br />
extern wie intern funktionsübergreifende, integrative Mechanismen zu<br />
stärken. Wenn also Unternehmen bei der Verfolgung ihrer Geschäftstätigkeit<br />
auf außerhalb ihres unmittelbaren Zugriffsbereichs liegende Ressourcen<br />
zurückgreifen <strong>und</strong> diese Strategie quantitativ an Bedeutung gewinnt,<br />
so ändert sich nicht nur die Qualität ihrer Außenkontakte, sondern<br />
auch die "interne Umwelt" der Unternehmen selbst. Es werden davon etwa<br />
die Machtpositionen einzelner Unternehmensfunktionen tangiert, die<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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"dominant coalition" (Child) eines Unternehmens wird sich mit einiger<br />
Wahrscheinlichkeit anders zusammensetzen, Aufbau- <strong>und</strong> Ablauforganisation<br />
des Unternehmens können sich einschneidend verändern. Externe<br />
Kooperation hat also nicht nur Wirkungen nach "außen", sondern schlägt<br />
ebenso nach "innen" durch <strong>und</strong> wird häufig durch unternehmensinterne<br />
Reorganisations- <strong>und</strong> Rationalisierungsmaßnahmen begleitet.<br />
Im Rahmen der Etablierung <strong>und</strong> Verbreitung neuartiger organisatorischer<br />
Arrangements kommt nach unserem Eindruck dem Umgang mit dem Faktor<br />
Zeit eine wachsende Bedeutung zu (s. Kapitel 8). Verkürzte Produkt<strong>und</strong><br />
Prozeßlebenszyklen führen dazu, daß zum einen die Zeit, die ein Produkt<br />
bis zur Serien- bzw. Marktreife braucht ("time to market"), einschneidend<br />
verkürzt werden muß, <strong>und</strong> daß zum anderen alle wichtigen internationalen<br />
Märkte gleichzeitig bedient werden müssen, wenn sich die<br />
gestiegenen Innovationskosten amortisieren sollen. Dieser Zeitdruck wird<br />
durch die vom Markt geforderte zunehmende Komplexität der Produkte<br />
<strong>und</strong> die wachsende Variantenvielfalt noch zusätzlich verschärft, weil diese<br />
die Bewältigung von größeren Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungsanstrengungen<br />
in kürzerer Zeit notwendig machen. Dies wiederum erfordert die verstärkte<br />
Nutzung der Ressourcen aller in die Kooperationsvorhaben eingeb<strong>und</strong>enen<br />
Unternehmen. Da auch die Risiken technologischer Entwicklungen<br />
zunehmen, drängen sich dazu Formen der externen Entwicklungskooperation<br />
auf.<br />
Die wachsende Bedeutung der Gestaltung überbetrieblicher Produktionsprozesse<br />
in der Perspektive systemischer Rationalisierung <strong>und</strong> der wachsende<br />
Zeitdruck führen dazu, daß von den Unternehmen organisatorische<br />
Arrangements gef<strong>und</strong>en werden müssen, die es erlauben, die zentralen<br />
Unternehmensrisiken integrativ zu bewältigen. Unsere These ist, daß auch<br />
die unternehmensübergreifende Arbeitsteilung nicht im Rahmen eines<br />
Modells der linearen Abfolge der verschiedenen, aufeinander bezogenen<br />
Arbeitsschritte (sequentielles Modell), sondern nur als Ausdruck netzwerkförmig<br />
organisierter simultaner <strong>und</strong> paralleler Abarbeitung verschiedenster<br />
Problemlagen interpretierbar ist (Modell reziproker Interdependenz<br />
- s. Abschnitt 3.3).<br />
Die hier beschriebenen Prozesse unternehmensübergreifender Reorganisation<br />
<strong>und</strong> Rationalisierung sind ein Resultat von Planungen des Manage-<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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ments. Ein erweiterter Rückgriff auf externe Ressourcen kann deshalb als<br />
Ergebnis einer systematischen <strong>und</strong> geplanten Rationalisierungsstrategie<br />
verstanden werden. Wie aber die zahlreichen Meldungen über das Scheitern<br />
derartiger Vorhaben belegen, kann dabei nicht von einem reibungslosen<br />
Ablauf ausgegangen werden. Wir vermuten deshalb, daß sich die Bildung<br />
von interorganisatorischen Arrangements bis hin zu "strategischen"<br />
Netzwerken (Sydow 1992) nur dann als attraktive Rationalisierungsstrategie<br />
erweist, wenn mit der sukzessiven Durchsetzung externer Kooperation<br />
<strong>und</strong> den damit sich verbindenden betrieblichen Reorganisationsmaßnahmen<br />
die Lernprozesse innerhalb des Managements eine neue Qualität erreichen.<br />
Dieses wird in immer stärkerem Maße "genötigt", systemische<br />
Momente zum direkten Bezugspunkt betrieblicher <strong>und</strong> betriebsübergreifender<br />
Rationalisierungsaktivitäten zu machen. Nach unserem Eindruck -<br />
immer häufiger ist von Unternehmen als "lernende Organisationen" die<br />
Rede (vgl. Sattelberger 1991) - ist in vielen Fällen ein Reflexiv-Werden<br />
von Unternehmensstrategien festzustellen (intentionales Handeln bezieht<br />
sich bewußt auf die vorgängigen Resultate seiner selbst). Unternehmen<br />
beginnen heute, systematischer als früher zu "lernen" (Deutschmann<br />
1989).<br />
Es ist davon auszugehen, daß die Möglichkeiten zum Aufbau weiterreichender<br />
Planungskompetenz <strong>und</strong> die Chancen, sie auch zu realisieren, sich<br />
vor allem in den Gravitationszentren solcher organisatorischer Arrangements<br />
finden werden. Durchgreifende Planungskompetenz hängt stark von<br />
der Verfügung über verschiedene Machtpotentiale ab. Soweit Planungskompetenz<br />
auch in Beziehung zur Entscheidungskompetenz steht, ist die<br />
Frage, an welchen Orten sie sich konzentriert <strong>und</strong> welche Verlagerungsprozesse<br />
dabei stattfinden, von hoher Bedeutung für die Debatte über veränderte<br />
politische Interventions- <strong>und</strong> Gestaltungsmöglichkeiten in betriebliche<br />
Rationalisierungsprozessen.<br />
Abschließend sollen einige knappe Thesen zu den gesellschaftlichen Implikationen,<br />
den Chancen <strong>und</strong> Risiken unternehmensübergreifender Arrangements<br />
vorgestellt werden.<br />
(1) Externe organisatorische Arrangements, die bis zur Bildung von strategischen<br />
Netzwerken oder von Produktionsnetzwerken reichen kön-<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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nen, 131<br />
stellen keine Überwindung der Massenproduktion dar, sondern<br />
dienen einer Modifikation derselben.<br />
(2) Auch das organisational Arrangement des Großunternehmens ist<br />
damit einstweilen noch nicht an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit gekommen.<br />
Zwar sind in der Industriesoziologie im Zusammenhang mit einer<br />
zunehmend netzwerkförmigen Organisation der Ökonomie derartige<br />
Vorstellungen durchaus präsent (vgl. Mill, Weißbach 1992). Es stellt sich<br />
aber die Frage, ob der Trend zu desintegrierten, dezentralen <strong>und</strong> vernetzten<br />
Strukturen tatsächlich mit einem Machtverlust der Zentralen verb<strong>und</strong>en<br />
ist, wie immer wieder behauptet wird. 132<br />
Der Formwandel <strong>und</strong> das<br />
Scheitern vieler externer organisationaler Arrangements verweist unserer<br />
Auffassung nach auf Beziehungen zwischen den beteiligten Unternehmen,<br />
bei denen "mutual trust" <strong>und</strong> "mutual benefits" durch gegenseitiges<br />
Mißtrauen <strong>und</strong> einseitige Übervorteilung konterkariert werden.<br />
(3) Einmütigkeit herrscht in den Wirtschafts- <strong>und</strong> Sozialwissenschaften<br />
darüber, daß hochgradig vertikal integrierte Unternehmen gut gerüstet<br />
waren, Aufgaben wahrzunehmen, die durch Verfahren der standardisierten<br />
industriellen Massenproduktion bei weitgehend normierten K<strong>und</strong>enwünschen<br />
in einer nicht durch raschen technischen Fortschritt geprägten<br />
Umwelt zu charakterisieren sind. In dem Moment aber, wo sich die Nachfrage<br />
erheblich differenziert, die technologisch vermittelte Konkurrenz<br />
sich verschärft, weitere Rationalisierungserfolge in der materiellen Produktion<br />
sowie Erfolge bei der immateriellen Produktion von Produkt- <strong>und</strong><br />
Prozeßinnovationen sich nur noch mit exorbitant hohen Investitionen erzielen<br />
lassen, werden die strategische Konzentration auf Kernaktivitäten<br />
sowie die vertikale Desintegration zu neuen Rationalisierungsmitteln -<br />
wenn nicht zu neuen Rationalisierungszielen.<br />
131 In der wissenschaftliche Diskussion dominiert bei der Auseinandersetzung<br />
über Netzwerke der Begriff des "strategischen Netzwerks". Darunter fallen einige<br />
der Kooperationsformen, die wir in diesem Kapitel behandelt haben. Daneben<br />
gibt es den Begriff der "Produktionsnetzwerke", den Mitarbeiter des <strong>ISF</strong><br />
<strong>München</strong> in die Diskussion gebracht haben (vgl. Deiß, Döhl 1992). Darunter<br />
sind verbindliche Formen der netzwerkförmig organisierten Produktion zu verstehen,<br />
also technisch-organisatorisch eng verb<strong>und</strong>ene Produktionssysteme<br />
(Bieber 1992).<br />
132 G. Brandt hat in seiner Auseinandersetzung mit Piore <strong>und</strong> Sabel ähnliche<br />
Vorbehalte angemeldet (vgl. Brandt 1986b).<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
(4) Externe organisatorische Arrangements können als Versuch verstanden<br />
werden, die "effektive Unternehmensgrenze" (Williamson 1985) so zu<br />
ziehen, daß Eigentum <strong>und</strong> tatsächliche Verfügung über Produktionsmittel<br />
auseinanderfallen. Dazu wiederum ist es aus Sicht der dominanten Unternehmen<br />
sinnvoll, das bestehende Machtgefälle, das unter anderem aus der<br />
Unternehmensgröße resultiert, zu nutzen. Die Chancen, eigene Interessen<br />
in den vernetzten Strukturen durchsetzen zu können, sind nicht gleich verteilt.<br />
(5) Die Konkurrenzverhältnisse werden eine einschneidende Veränderung<br />
erfahren, da zukünftig nicht mehr einzelne Kapitale, sondern in immer<br />
stärkerem Umfang Netzwerke gegeneinander konkurrieren werden. Die<br />
Position des einzelnen Unternehmens wird verstärkt davon abhängen, in<br />
welche Netzwerke es in welchem Umfang <strong>und</strong> auf welche Weise eingeb<strong>und</strong>en<br />
ist. Dadurch werden kleinere <strong>und</strong> mittlere Unternehmen daran interessiert,<br />
am Erfolg der dominanten Unternehmen mitzuwirken, denn<br />
deren Stärke wird für das eigene Überleben wichtig. Folglich kann es für<br />
bestimmte Unternehmen sinnvoll sein, sich bewußt als abhängiges Unternehmen<br />
zu definieren <strong>und</strong> Autonomieverluste in Kauf zu nehmen, um die<br />
eigene Autonomie zu wahren. Aber auch Großunternehmen versuchen,<br />
durch das Überschreiten von Unternehmensgrenzen auf den Märkten<br />
neue Maßstäbe zu setzen (offensive Variante) oder das eigene Überleben<br />
zu sichern (defensive Variante). In jedem Fall werden damit Branchen<strong>und</strong><br />
Marktstrukturen berührt: "And, in some circumstances, large firms<br />
are joining together to create 'global Strategic partnerships' (...) that shift<br />
the very basis of competition to a new level - from firm vs. firm to rival<br />
transnational groupings of collaborators" (Powell 1990, S. 314).<br />
(6) Bei der Gestaltung unternehmensübergreifender Netzwerke läßt sich<br />
in bezug auf die in der Theoriebildung beständig gegeneinander gestellten<br />
Alternativen Markt oder Hierarchie keine eindeutige Tendenz feststellen.<br />
Je nach Situation, allgemeiner Unternehmensstrategie, Größe der beteiligten<br />
Unternehmen, spezifisch nationalen Bedingungen (Kartellgesetze, industrielle<br />
Beziehungen) etc., lassen sich unterschiedliche Formen externer<br />
organisationaler Arrangements identifizieren. Aussagen, die eine eindeutige<br />
Entwicklungsrichtung in die eine oder andere Richtung postulieren,<br />
sind somit zumindest in der Elektro- <strong>und</strong> Elektronikindustrie empirisch<br />
nicht gedeckt.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
(7) Die in diesem Kapitel thematisierten gesellschaftlichen Voraussetzungen<br />
<strong>und</strong> Folgen der Bildung von verschiedenen Formen unternehmensübergreifender<br />
Arrangements haben durchgreifende Wirkungen auf die<br />
Möglichkeiten der Interessenvertretung für die abhängig Beschäftigten.<br />
Diese Folgen sind nach unserem Eindruck bislang weder in der politischen<br />
<strong>und</strong> gewerkschaftlichen Diskussion hinreichend erkannt noch im Rahmen<br />
wissenschaftlicher Diskurse in der gebührenden Weise thematisiert worden.<br />
(8) Schließlich ist eine theoretische Forderung zu nennen, die wir selbst<br />
allerdings auch noch nicht erfüllen konnten: Der im "Münchner" Strategiebegriff<br />
bislang dominierende Bezug auf den einzelnen Betrieb (Bechtle<br />
1980) müßte auf die Ebene von interorganisatorischen Arrangements ausgeweitet<br />
werden, um die Position von Betrieben <strong>und</strong> Unternehmen in<br />
Netzwerken <strong>und</strong> die sich daraus ergebenden Konsequenzen für ihre "Strategiefähigkeit",<br />
für die dort beschäftigten Arbeitskräfte etc. präzise bestimmen<br />
zu können. Daneben müßte erörtert werden, ob die gängige industriesoziologische,<br />
zumindest dem Münchner <strong>und</strong> Frankfurter Ansatz immanente<br />
Rationalitätsvermutung in bezug auf das Management zutrifft.<br />
Auf den in diesem Kapitel untersuchten Phänomenbereich bezogen impliziert<br />
dies die Frage, ob die von uns entwickelte Hypothese einer immer<br />
häufiger <strong>und</strong> immer stärker auf externe Ressourcen sich stützende Strategie<br />
der Risikobewältigung mit der Beobachtung verträglich ist, daß Unternehmen<br />
trotz gegebener Möglichkeiten sich nicht notwendig für die "objektiv"<br />
beste Strategie entscheiden müssen. Was in einer bestimmten historischen<br />
Situation unternehmensstrategisch "richtig" oder "rational" ist, erweist<br />
sich - wie man aus der Diskussion des situativen Ansatzes in der Organisationsforschung<br />
lernen kann (s. Abschnitt 3.3) - immer erst ex post.<br />
In kapitalistisch verfaßten Gesellschaften sind alle Anstrengungen einer<br />
bewußten Planung der Markt-, Technologie- <strong>und</strong> Unternehmensentwicklung<br />
mit dem Problem konfrontiert, daß auch die rationalste Strategie sich<br />
noch als Moment des Scheiterns erweisen kann.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
TeilE<br />
Geht der Industriesoziologie<br />
die Arbeit aus?<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
10. Innovation, Organisation <strong>und</strong> Industriesoziologie<br />
Ein Resümee<br />
10.1 Zweifel am traditionellen Rationalisierungsverständnis der<br />
Industriesoziologie<br />
Wie man aus der Biologie lernen kann, besitzt die Untersuchung des Verhaltens<br />
eines isolierten Individuums aus einer hochvergesellschafteten<br />
Gattung wie etwa den Ameisen nur geringen Erkenntniswert, da sich nur<br />
ein ganzer Ameisenstaat wirklich "ameisenhaft" verhält. Nach unserem<br />
Eindruck verhält es sich bei der Untersuchung von einzelnen Arbeitsplätzen<br />
oder auch einzelnen Abteilungen in modernen Industrieunternehmen<br />
ganz ähnlich. Angesichts der zunehmenden Einführung <strong>und</strong> Vernetzung<br />
informationstechnologischer Systeme sowie der forcierten Etablierung abteilungs-,<br />
betriebs- <strong>und</strong> unternehmensübergreifender organisatorischer<br />
Arrangements werden industriesoziologische Forschungsstrategien, die<br />
sich auf Einzelarbeitsplätze oder eine einzelne Abteilung konzentrieren,<br />
defizitär. 1<br />
Um sich nicht den Vorwurf einzuhandeln, einem Naturforscher<br />
zu gleichen, der das Verhalten einzelner Ameisen untersucht, ohne sich<br />
für den Ameisenhaufen zu interessieren, muß die Industriesoziologie ihr<br />
traditionelles Untersuchungsfeld erweitern <strong>und</strong> sich der Erforschung organisatorischer<br />
Probleme des Gesamtunternehmens zuwenden (Brandt<br />
1987). Erst vor diesem Hintergr<strong>und</strong> ist auch eine Beantwortung der Frage<br />
möglich, ob die Rationalisierung der unmittelbaren Produktion noch immer<br />
den überragenden Stellenwert besitzt, den ihr weite Teile der industriesoziologischen<br />
Forschung zumessen, oder ob sich in dieser Hinsicht<br />
zumindest bei bestimmten Unternehmenstypen ein Wandel abzeichnet.<br />
Es ist durchaus offen, ob sich wesentliche Aufschlüsse über heute bereits<br />
umgesetzte <strong>und</strong> zukünftig noch an Bedeutung gewinnende Rationalisierungs-<br />
<strong>und</strong> Innovationsstrategien in der Industrie allein durch einen "er-<br />
1 "Was heute, wie es scheint, gefragt ist, ist nicht mehr Forschung über einzelne<br />
Arbeitsprozesse <strong>und</strong> Arbeitsbedingungen, sondern über Strukturen horizontaler<br />
<strong>und</strong> vertikaler Arbeitsteilung in <strong>und</strong> zwischen Unternehmen <strong>und</strong> deren Veränderungen"<br />
(Deutschmann 1989, S. 374; Hervorhebungen im Original).<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
weiterten methodischen Zugriff 1<br />
(Schumann u.a. 1989), wie er beispielhaft<br />
am Göttinger SOFI mit Hilfe von sogenannten "Breitenerhebungen" versucht<br />
wird, gewinnen lassen. Wenn dort vom Wandel der Konzepte betrieblicher<br />
Rationalisierung die Rede ist, dann wird dabei an der traditionellen<br />
Konzentration auf das Produktionsgeschehen festgehalten. 2<br />
Eine<br />
solche Konzeption läuft nach unserer Ansicht Gefahr dazu beizutragen,<br />
daß die Industriesoziologie nur immer mehr über immer weniger weiß.<br />
Notwendig <strong>und</strong> erfolgversprechender zu sein scheint uns dagegen ein erweiterter<br />
thematischer <strong>und</strong> konzeptioneller Zugriff, der die Ebenen der<br />
Betriebs- <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong> sowie der interorganisatorischen<br />
Beziehungen in die industriesoziologische Analyse einbezieht <strong>und</strong> dabei<br />
auch den Bedingungen <strong>und</strong> Veränderungen in der Dimension der Unternehmenspolitik<br />
Beachtung schenkt. Nur auf diese Weise läßt sich dem<br />
Umstand Rechnung tragen, daß die Dynamik der industriellen Entwicklung<br />
nicht mehr allein mit Blick auf die unmittelbare Produktionsarbeit zu<br />
erfassen ist. Gerade dann, wenn die zeitliche, organisatorische <strong>und</strong> technische<br />
Integration vormals getrennter Unternehmensaktivitäten (FuE, Produktion,<br />
Marketing <strong>und</strong> Vertrieb) zunehmend ins Zentrum industrieller<br />
Strategien rückt, bedarf es selbst bei bereichsspezifisch orientierten Analysen<br />
einer die Gesamtorganisation einbeziehenden Perspektive, um zu<br />
verläßlichen Interpretationen zu gelangen.<br />
Noch in der ersten Hälfte der 80er Jahre war es für Industriesoziologen<br />
alles andere als selbstverständlich, die Frage nach veränderten Formen<br />
der <strong>Unternehmensorganisation</strong> aufzuwerfen. Die Diskussion über Gründe<br />
<strong>und</strong> Kriterien für die Entwicklung <strong>und</strong> Wahl von Unternehmensstrukturen<br />
blieb der betriebswirtschaftlichen <strong>und</strong> wirtschaftshistorischen Organisationsforschung<br />
überlassen. 3<br />
Erst seit Mitte der 80er Jahre zielen einige industriesoziologische<br />
Ansätze, die den aktuellen Entwicklungstendenzen in<br />
2 Immerhin wird an einer Stelle eingeräumt, daß es in der Chemischen Industrie<br />
für die Behauptung am Markt in vielen Bereichen entscheidender sei, "in Forschung<br />
<strong>und</strong> Entwicklung die Nase vorn zu haben, als in der Produktion die letzten<br />
Rationalisierungsreserven zu erschließen" (Schumann u.a. 1989, S. 57).<br />
3 Es ist durchaus bemerkenswert, daß für Autoren wie Chandler <strong>und</strong> seine Kollegen<br />
(Chandler, Daems 1980) die Entwicklungsgeschichte der modernen <strong>Unternehmensorganisation</strong><br />
ohne Berücksichtigung des Formwandels der Organisation<br />
kapitalistischer Arbeitsprozesse geschrieben werden kann. Man kann hier<br />
durchaus von einer komplementären wissenschaftlichen Blindheit von Industriesoziologie<br />
<strong>und</strong> Organisationsforschung sprechen.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
der Industrie unter dem Stichwort "systemische Rationalisierung" nachspüren,<br />
auf eine Berücksichtigung umfassenderer technisch-organisatorischer<br />
Zusammenhänge (s. Kapitel 4). Bemerkenswert ist freilich nicht so<br />
sehr, daß sich die Industriesoziologie inzwischen mit "systemischen", nicht<br />
mehr an einzelnen Arbeitsplätzen ansetzenden Rationalisierungsstrategien<br />
beschäftigt. Viel interessanter ist die Frage, wie dies geschieht. Bei genauerem<br />
Hinsehen zeigt sich nämlich, daß die traditionelle Orientierung<br />
nach wie vor die bestimmende Rolle spielt. So kann oftmals nur schwer<br />
oder gar nicht der Versuchung widerstanden werden, bei allen Überlegungen<br />
weiterhin die Fertigung in den Mittelpunkt zu stellen. Dementsprechend<br />
werden Unternehmen meist einseitig als Technikanwender begriffen,<br />
denen die technisch-wissenschaftliche Entwicklung eine Reihe von<br />
neuen Produktions-, Organisations- <strong>und</strong> Steuerungstechnologien zur Verfügung<br />
stellt, mit deren Hilfe Rationalisierungsmaßnahmen initiiert werden<br />
können. Die Rolle von Unternehmen als Technikentwickler - insbesondere<br />
die Strategie der Produktinnovation - findet demgegenüber sehr<br />
viel weniger Beachtung. Als Konsequenz ergibt sich daraus, daß trotz der<br />
im Begriff der systemischen Rationalisierung angelegten Ausweitung des<br />
Blicks auf die gesamte <strong>Unternehmensorganisation</strong> weiterhin an der Dominanz<br />
der materiellen Produktion festgehalten <strong>und</strong> gar nicht erst die<br />
Frage aufgeworfen wird, ob nicht in wichtigen Industriezweigen <strong>und</strong> Unternehmen<br />
längst andere Rationalisierungsfelder an Bedeutung gewonnen<br />
haben oder gar zum zentralen Thema geworden sind. Nimmt man dagegen<br />
die von aufmerksamen Beobachtern in den zurückliegenden ein bis zwei<br />
Jahrzehnten registrierten Veränderungen der Sozialstruktur organisierter<br />
Industriearbeit 4<br />
ernst, scheint es gute Gründe dafür zu geben, die Frage<br />
nach neuen Rationalisierungsschwerpunkten auf die Tagesordnung der industriesoziologischen<br />
Forschung zu setzen.<br />
Nicht nur nach unserem Eindruck ist das traditionelle Rationalisierungsverständnis<br />
der Industriesoziologie ihrem Gegenstand längst nicht mehr<br />
4 "Mit Arbeiten in der 'unmittelbaren Produktion' materieller Güter sind in vielen<br />
Industrieunternehmen nur noch 10 bis 15 % der Beschäftigten befaßt. Der<br />
größte Teil der Facharbeiter ist in Vertrieb <strong>und</strong> Wartung, Forschung <strong>und</strong> Entwicklung,<br />
Ingenieurwesen <strong>und</strong> Werkstätten tätig, also nicht mehr in der Fertigung.<br />
Zugleich liegt der Anteil der Angestellten in vielen Industrieunternehmen<br />
inzwischen bei 65 % <strong>und</strong> sogar darüber. Die Zahl der Hochschul- <strong>und</strong> Fachhochschulabsolventen<br />
ist in wichtigen Hochtechnologie-Unternehmen teilweise<br />
bereits größer als die der Facharbeiter" (Hack 1988, S. 25).<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
angemessen. In jüngster Zeit haben zahlreiche Industriesoziologen darauf<br />
hingewiesen, daß dieses Verständnis stark am Taylorismus orientiert, war<br />
<strong>und</strong> betriebliche Rationalisierung dementsprechend eingeschränkt als Effektivierung<br />
des (materiellen) Produktionsprozesses verstanden wurde<br />
(Engfer 1989; Wittke 1990). Wie wir gesehen haben, trifft diese Feststellung<br />
ein gutes Stück weit auch noch auf diejenigen Untersuchungen zu, die<br />
dem Verlauf <strong>und</strong> den Auswirkungen "systemischer Rationalisierungsmaßnahmen"<br />
nachgehen (s. Kapitel 4). Selbst die an sich sehr hilfreichen Vorschläge,<br />
dem breiten Spektrum "betrieblicher «Rationalisierungsmöglichkeiten»<br />
dadurch Rechnung zu tragen, in dem man "betriebliche Modernisierungsprozesse<br />
<strong>und</strong> -Strategien nach ihren jeweiligen Rationalisierungsgegenständen<br />
bzw. Rationalisierungsebenen" unterscheidet (Pries 1988, S.<br />
29), 5 leiden darunter, den solcherart erweiterten Blickwinkel allzu schnell<br />
wieder auf die materiellen Produktionsprozesse zu verengen. So richtig es<br />
z.B. ist, nach dem Zusammenhang zwischen neuen Produkten <strong>und</strong> der Arbeitsorganisation<br />
in der Fertigung zu fragen, so riskant ist es, deshalb den<br />
Entstehungsprozeß von Produktinnovationen <strong>und</strong> dessen wachsende strategische<br />
Bedeutung innerhalb des Unternehmens zu vernachlässigen.<br />
Um zu einem angemesseneren Rationalisierungsbegriff zu kommen, der<br />
nicht länger der überkommenen industriesoziologischen Engführung verhaftet<br />
bleibt, bedarf es außer einer Differenzierung des Rationalisierungsbegriffs<br />
zusätzlich einer Umorientierung der Analyse. Veränderungen auf<br />
der Ebene des "shop floor" müssen dabei in den übergeordneten organisatorischen<br />
<strong>und</strong> strategischen Zusammenhang gestellt werden, damit ihre<br />
(begrenzte) Bedeutung erkennbar wird. Auf diese Weise könnte sich nämlich<br />
herausstellen, daß Fragen "betrieblicher Arbeitsgestaltung nur einen,<br />
eher nachgeordneten, Aspekt unter anderen darstellen" (Brandt 1987, zitiert<br />
nach Brandt 1990, S. 340). Insgesamt dürfte nur durch die Berücksichtigung<br />
der gesamten <strong>Unternehmensorganisation</strong> eine zulängliche In-<br />
5 "Rationalisierung kann auf das Produkt zielen (z.B. Standardisierung oder Spezialisierung<br />
der Produktpalette, Baukastensysteme, Produktinnovationen), auf<br />
das technisch-organisatorische Fertigungssystem (Mechanisierung, Automatisierung,<br />
Informatisierung, Flexibilisierung, Kontinuisierung, Logistik), auf die<br />
Arbeitsorganisation (Veränderung der horizontalen <strong>und</strong> vertikalen Arbeitsteilung,<br />
der Kooperationsformen, der organisatorischen Steuerung <strong>und</strong> Kontrolle<br />
von Arbeitshandeln <strong>und</strong> Leistungsverausgabung) oder schließlich auf die Arbeitskräfte<br />
('Psychologisierung' oder 'Mechanisierung' der personenbezogenen<br />
Arbeits- <strong>und</strong> Leistungserstellung; low trust' oder 'high trust'; Arbeits- <strong>und</strong> Leistungspolitik)"<br />
(Pries 1988, S. 29; Hervorhebungen im Original).<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
terpretation von Veränderungen in betrieblichen Teilbereichen möglich<br />
sein.<br />
10.2 Umbruch industrieller Organisationsstrukturen<br />
Wie der aktuellen Unternehmensberichterstattung der Tages- <strong>und</strong> Wirtschaftspresse,<br />
aber auch neueren Beiträgen zur industriesoziologischen<br />
<strong>und</strong> betriebswirtschaftlichen Organisationsforschung zu entnehmen ist, erfährt<br />
die Organisationsstruktur der industriellen Produktion in entwickelten<br />
Industriegesellschaften gegenwärtig einschneidende Veränderungen.<br />
Geltend machen sich diese Veränderungen auf je verschiedenen Ebenen<br />
der industriellen Organisationsstruktur <strong>und</strong> werden in der Presse <strong>und</strong> in<br />
der sozialwissenschaftlichen Literatur für gewöhnlich auch in spezifischer<br />
Weise für einzelne Ebenen behandelt.<br />
So wird von einflußreichen Vertretern der industriesoziologischen Forschung<br />
behauptet, auf der Ebene der Arbeitsorganisation eröffne sich im<br />
Zuge der Einführung neuer Technologien ein Rationalisierungspotential,<br />
das entgegen den lange Zeit dominierenden Strategien fortschreitender<br />
Arbeitsteilung im Sinne einer neuerlichen Aufgabenintegration genutzt<br />
werden könne <strong>und</strong> im Kernbereich der industriellen Produktion vom Management<br />
auf der Gr<strong>und</strong>lage "Neuer Produktionskonzepte" (Kern, Schumann)<br />
auch genutzt werde. Diese Auffassung ist zwar alles andere als unumstritten,<br />
aber auch von Kritikern wird eingeräumt, daß wir es mit neuen<br />
Rationalisierungsmustern auf dieser Organisationsebene zu tun haben, deren<br />
Konsequenzen für die industrielle Arbeit einstweilen freilich unbestimmt<br />
seien.<br />
Aus der Wirtschaftsberichterstattung <strong>und</strong> aus zahlreichen Darstellungen<br />
von Unternehmensberatern ist bekannt, daß hoch formalisierte, hierarchisch-bürokratische<br />
Formen der <strong>Unternehmensorganisation</strong> angesichts<br />
veränderter Wettbewerbsbedingungen auf nationalen <strong>und</strong> internationalen<br />
Märkten rapide an Popularität einbüßen. Hält man sich an diese Quellen,<br />
dann lassen sich zwar bedeutsame organisationsstrukturelle Veränderungen<br />
auf Unternehmensebene auch für historisch frühere Phasen nachweisen;<br />
unter dem Postulat einer "Flexibilisierung der Organisationsstruktur"<br />
gewinnen diese aber heute eine neue Qualität.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
Schließlich werden sowohl in der einschlägigen fachwissenschaftlichen<br />
Diskussion wie in der politischen Öffentlichkeit Veränderungen auf der<br />
interorganisatorischen Ebene erörtert, die sich in neuen Formen der Kooperation<br />
zwischen Unternehmen gleicher oder verschiedener Größenordnung<br />
<strong>und</strong> mit ähnlichen oder unterschiedlichen Produktionsprogrammen<br />
manifestieren. Im Unterschied zu traditionellen Kooperationsabkommen,<br />
bei denen das Motiv der Erleichterung des Marktzugangs (speziell<br />
im Ausland) im Vordergr<strong>und</strong> stand, beziehen sich viele der aktuellen<br />
Kooperationen auf gemeinsame Aktivitäten in mehreren Abschnitten der<br />
Wertschöpfungskette wie z.B. Produktion, Beschaffung sowie Forschung<br />
<strong>und</strong> Entwicklung (Contractor, Lorange 1988; Bieber, Sauer 1991).<br />
Schon aus dieser holzschnittartigen Darstellung wird deutlich, daß gegenwärtige<br />
Rationalisierungsmaßnahmen auf sehr unterschiedlichen Ebenen<br />
ansetzen <strong>und</strong> es deshalb zumindest begründungspflichtig wäre, wenn die<br />
industriesoziologische Rationalisierungsforschung von dieser Mehrdimensionalität<br />
organisatorischer Rationalisierungsanstrengungen abstrahieren<br />
zu können glaubt. Allerdings besteht die Schwierigkeit darin, daß die hier<br />
angeführten organisationsstrukturellen Veränderungstendenzen zwar in<br />
neueren Beiträgen zahlreicher Disziplinen thematisiert, aber kaum einmal<br />
auf ihren wechselseitigen Zusammenhang <strong>und</strong> darüber hinaus auf ihre gesamtgesellschaftliche<br />
Bedeutung hin diskutiert werden. Von wenigen Ausnahmen<br />
abgesehen, 6 steht eine systematische Behandlung dieser Veränderungen<br />
in ihrer Interdependenz <strong>und</strong> im Kontext technisch-wissenschaftlicher<br />
wie sozio-ökonomischer Veränderungen einstweilen noch aus <strong>und</strong> ist<br />
6 Zu diesen Ausnahmen zählen Arbeiten, die im Rahmen der durch die sogenannten<br />
"Regulationsschule" ausgelösten (Post-/Neo-)Fordismus-Diskussion<br />
vorgelegt worden sind (vgl. zur Übersicht Hübner, Mahnkopf 1988). Eine wesentliche<br />
Schwäche derartiger Beiträge besteht allerdings darin, zwischen bestimmten<br />
Phasen des Kapitalismus <strong>und</strong> bestimmten Formen der (Arbeits-)<br />
Organisation direkte <strong>und</strong> eindeutige Verknüpfungen zu unterstellen, die vor<br />
dem Hintergr<strong>und</strong> vorliegender empirischer <strong>und</strong> historischer Untersuchungen<br />
der verschiedensten Industriezweige höchst angreifbar sind (vgl. Bechtle, Lutz<br />
1989). Gegen diesen Konnex zwischen Produktions- <strong>und</strong> Gesellschaftsform ist<br />
z.B. eingewandt worden, daß selbst in den Hochzeiten der Taylor- <strong>und</strong> Fordepoche<br />
in der b<strong>und</strong>esrepublikanischen Wirtschaft, d.h. in den 50er <strong>und</strong> 60er Jahren,<br />
"die Großserienfertigung mit klassisch nach Taylor standardisierter Produktion<br />
nur in der Automobilindustrie <strong>und</strong> in bestimmten Bereichen der Konsumgüterindustrie<br />
vorherrschte, <strong>und</strong> auch in der Elektroindustrie, in der im allgemeinen<br />
zwei Drittel der Produktion auf die Investitionsgüterindustrie entfallen, dieser<br />
Fertigungstyp wohl nie dominant gewesen ist" (Schmidt 1987, S. 250).<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
meist allenfalls Gegenstand von Forderungen <strong>und</strong> programmatischen Erklärungen.<br />
Auch unsere Arbeit kann dieses Desiderat nicht wirklich einlösen.<br />
Im Vordergr<strong>und</strong> unserer Überlegungen stand vielmehr die Frage, auf<br />
welche Weise sich Charakter <strong>und</strong> Beschaffenheit von Industrieunternehmen<br />
verändern, die zunehmend auf die Entwicklung <strong>und</strong> Nutzung technologischer<br />
Innovationen setzen.<br />
10.3 <strong>Technikentwicklung</strong> als Handlungsparameter<br />
Um zu einer Klärung dieser Frage zu kommen, war es sinnvoll, auf der<br />
von der (west-)deutschen Industriesoziologie vernachlässigten Ebene der<br />
<strong>Unternehmensorganisation</strong> anzusetzen. Dahinter stand die Vermutung,<br />
daß die Analyse von Veränderungen des Gesamtunternehmens eher Hinweise<br />
auf die allgemeinen Problemlagen der Unternehmen sowie Aufschlüsse<br />
über den Wandel der Unternehmensziele <strong>und</strong> -Strategien verspricht<br />
als die Untersuchung von Veränderungen in einzelnen Abteinlungen<br />
oder an einzelnen Arbeitsplätzen.<br />
Für eine Überprüfung unserer Überlegungen erschien die Elektrotechnische<br />
<strong>und</strong> die mit dieser engverb<strong>und</strong>ene, in der amtlichen Statistik aber üblicherweise<br />
gesondert ausgewiesene EDV-Industrie besonders geeignet, da<br />
sie sich (1.) in einer Phase organisationsstruktureller Veränderungen befindet,<br />
die teilweise als Antwort auf rückläufige Unternehmensgewinne<br />
verstanden werden können, <strong>und</strong> sie (2.) aufgr<strong>und</strong> des Tempos <strong>und</strong> der<br />
Ausstrahlung des sich hier vollziehenden technischen Wandels, speziell auf<br />
dem Gebiet der Mikroelektronik, eine Schlüsselrolle für die gesamte industrielle<br />
Entwicklung hat. Wir haben zu zeigen versucht (s. Kapitel 7 bis 9),<br />
daß das Erscheinungsbild der aktuellen Reorganisationskonzepte in diesem<br />
Industriezweig durch die Bildung stärker markt- <strong>und</strong> k<strong>und</strong>enorientierter<br />
Unternehmensstrukturen sowie die Optimierung funktions- <strong>und</strong> unternehmensübergreifender<br />
Abläufe bestimmt wird. Entscheidend ist nun, daß<br />
diese Konzepte <strong>und</strong> die ihnen korrespondierenden Unternehmensstrategien<br />
aufs engste mit der Entwicklung technisch-wissenschaftlicher Neuerungen<br />
verb<strong>und</strong>en sind. Einerseits spielen neue I&K-Technologien als Organisations-,<br />
Kontroll- <strong>und</strong> Steuerungstechnologien eine zentrale Rolle bei<br />
der Umgestaltung der Unternehmensstrukturen. Die veränderten Muster<br />
des Zusammenspiels von Zentralisierungsprozessen <strong>und</strong> Prozessen der<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
Dezentralisierung wären ohne diese neuen Technologien überhaupt nicht<br />
möglich. Andererseits sind wesentliche Reorganisationsmaßnahmen darauf<br />
ausgerichtet, die Entwicklung <strong>und</strong> Vermarktung technischer Innovationen<br />
zu fördern. Organisatorische Maßnahmen dieser Art können somit<br />
als Hinweis dafür angesehen werden, daß die technisch-wissenschaftliche<br />
Entwicklung nicht nur als Erwartungs-, sondern in zunehmendem Maße<br />
auch als Handlungsparameter der Unternehmenspolitik zu begreifen ist.<br />
Wie unsere Branchenanalyse der Elektro- <strong>und</strong> Elektronikindustrie gezeigt<br />
hat (s. Abschnitt 6.2), gibt es genügend Anhaltspunkte für die Behauptung,<br />
daß sowohl kleine als auch die großen Unternehmen dieses Wirtschaftszweigs<br />
versuchen, die technisch-wissenschaftliche Entwicklung in Gestalt<br />
technischer Innovationen zum zentralen Handlungsparameter ihrer Verwertungsstrategien<br />
zu machen bzw. bereits erfolgreich gemacht haben. Als<br />
wichtige Indikatoren dafür können die Veränderungen der Beschäftigtenstruktur,<br />
des Wertschöpfungsanteils <strong>und</strong> der Ressourcenverteilung zugunsten<br />
von Forschung <strong>und</strong> Entwicklung gelten. 7<br />
Die damit einhergehende<br />
Verschiebung in der Hierarchie der Unternehmensziele, durch die die Fähigkeit<br />
zur zeitgerechten Entwicklung <strong>und</strong> Vermarktung neuer Technologien<br />
eine höhere Priorität gewinnt, 8<br />
ist freilich in ihren Konsequenzen<br />
bislang von der Industriesoziologie kaum zur Kenntnis genommen worden.<br />
Dabei fehlt es zu diesem Thema keineswegs an provokativen Thesen, wie<br />
sie insbesondere von seiten der betriebswirtschaftlichen Organisationstheorie<br />
geäußert werden. Dort wird etwa für den High-Tech-Bereich ein<br />
strategischer Bedeutungsverlust der Fertigung bei gleichzeitiger Bedeu-<br />
7 An dieser Stelle sei nochmals ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die Ausgaben<br />
für FuE nur ein grober Indikator für das Innovationspotenial sein können,<br />
da sich Innovationsprozesse nicht auf Forschung <strong>und</strong> Entwicklung reduzieren<br />
lassen. "The process of R&D has often been equated with innovation. If innovation<br />
consisted solely of R&D, <strong>und</strong>erstanding innovation would be far simpler<br />
and the real problems would be far less interesting. Successful innovation requires<br />
the coupling of the technical and the economic, rather than being solely a<br />
matter of 'technology push' or 'market pull' (...), in ways that can be accommodated<br />
by the organization while also meeting market needs, and this implies<br />
close cooperation among many activities in the marketing, R&D, and production<br />
functions" (Mowery, Rosenberg 1989, S. 9)<br />
8 Mit dieser Formulierung soll keineswegs in Frage gestellt werden, daß Industrieunternehmen<br />
in erster Linie profitorientiert sind. Auf welche Weise das "Formalziel<br />
Gewinnerzielung" jedoch verwirklicht wird, ist a priori nicht festgelegt.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
tungszunahme von FuE <strong>und</strong> marktnahen Bereichen postuliert (Bleicher<br />
1983). 9<br />
10.4 Organisation <strong>und</strong> Innovation<br />
Die Frage nach den Mitteln, mit denen Industrieunternehmen ihr wissenschaftlich-technisches<br />
Innnovationspotential verstärken <strong>und</strong> erfolgreicher<br />
nutzen können, ist im Laufe der letzten drei bis vier Jahrzehnte zum Gegenstand<br />
einer umfangreichen <strong>und</strong> ständig wachsenden Literaturproduktion<br />
geworden. Hierbei dominieren allerdings Beiträge, die man als "Rezepte-Literatur"<br />
bezeichnen könnte, während an sozialwissenschaftlicher<br />
Forschung <strong>und</strong> empirisch gestützter Theoriebildung zu diesem Thema ein<br />
erheblicher Mangel besteht.<br />
Aus den wenigen empirischen Untersuchungen zum Thema 10<br />
<strong>und</strong> aus<br />
Praktikerberichten weiß man immerhin, daß die Unternehmen mit der<br />
Inkorporation wissenschaftlich-technischer Arbeitszusammenhänge <strong>und</strong><br />
des dazugehörigen Personals zwar ihr innovatives Potential in den vergangenen<br />
Jahren beträchtlich erhöht haben, sich jedoch gleichzeitig mit erheblichen<br />
Integrationsproblemen konfrontiert sehen. Diese Probleme<br />
9 "Allein der hohe Aufwand für Forschung <strong>und</strong> Entwicklung bringt eine Fokusverschiebung<br />
des Managements von der 'Logistik' der Produktion <strong>und</strong> Beschaffung<br />
weg <strong>und</strong> hin zur marktnahen Gestaltung einer neuen Idee mit sich. Für Unternehmungen,<br />
die sich auf eine 'Grenzverschiebung' im technologischen Neuland<br />
konzentrieren, wird die Effizienz des Herstellungsprozesses <strong>und</strong> seiner Kosten<br />
weit weniger bedeutsam als für Unternehmungen, die sich im Feld bekannter<br />
<strong>und</strong> allgemein zugänglicher Technologien bewegen. Für Unternehmungen der<br />
Spitzentechnologien ist es weit wichtiger, mit einer Innovation als erster auf dem<br />
Markt zu sein, um sich dort eine Position aufzubauen, die den Markteintritt von<br />
Folgern erschwert" (Bleicher 1983, S. 248).<br />
10 Vor allem für den Bereich der B<strong>und</strong>esrepublik fehlt es an empirischen Untersuchungen<br />
über industrielle Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungsorganisationen, während<br />
die Literaturlage für die englischsprachigen Länder günstiger aussieht. In<br />
jüngster Zeit wurden allerdings von betriebswirtschaftlicher Seite empirische<br />
Studien zum Thema "Management von Forschung, Entwicklung <strong>und</strong> Innovation"<br />
(Brockhoff, Domsch 1989/1990) vorgelegt.<br />
11 "The main problem affecting the R&D function has always been caused by its<br />
lack of integration with the enterprise. Such a problem makes it difficult to pass<br />
from invention to innovation - that is, to turn the invention into processes and<br />
products to be changed on the market" (Petroni 1983, S. 15).<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
werden vor allem mit der Besonderheit innovativer Arbeitsprozesse <strong>und</strong><br />
den spezifischen Orientierungsmustern von Naturwissenschaftlern <strong>und</strong> Ingenieuren<br />
erklärt (s. Abschnitt 3.4.5). Sie dürften wesentlich dazu beitragen,<br />
daß die schnelle Umsetzung wissenschaftlich-technischer Kenntnisse<br />
in marktfähige Produkte noch immer als einer der besonders kritischen<br />
Punkte von Innovationsprozessen gilt (Geschka, Wünnenberg 1988).<br />
Im historischen Verlauf lassen sich unterschiedliche Muster der Einbindung<br />
von FuE-Bereichen in die <strong>Unternehmensorganisation</strong> identifizieren,<br />
die von relativ weitgehender Unabhängigkeit bis hin zu enger Kontrolle<br />
reichen. So wie heute von erfolgreichen Trainern der Fußballb<strong>und</strong>esliga<br />
die Strategie der "kontrollierten Offensive" gepredigt wird, empfehlen<br />
neuerdings erfolgreiche Techniksoziologen für das Management von Innovationsprozessen<br />
das Konzept der "kontrollierten Autonomie" (Rammert<br />
1988). 12 In beiden Fällen geht es darum, die Funktionserfordernisse innovativer<br />
<strong>und</strong> kreativer Tätigkeiten anzuerkennen, ohne deshalb ein bestandsgefährdendes<br />
Risiko einzugehen. Für Forschungs- <strong>und</strong> Innovationsprozesse<br />
bedeutet dies eine tendenzielle Substitution zentralistischer Eingriffssteuerung<br />
durch die Förderung lateraler Kooperations- <strong>und</strong> Kommunikationsmuster<br />
sowie die Beschränkung der Kontrolle auf die infrastrukturellen<br />
Rahmenbedingungen (ebd.). Von anderen Autoren wird seit Anfang<br />
der 80er Jahre eine Lockerung der Erfolgskriterien registriert, die<br />
allerdings mit einem höheren Abstraktionsgrad der Beurteilungs- <strong>und</strong><br />
Kontrollmethoden einhergehe (Hack 1990). Um derartige Einschätzungen<br />
angemessen beurteilen zu können, bedürfte es freilich einer breiteren empirischen<br />
Basis.<br />
Ein zentrales Thema unserer Arbeit waren die organisationsstrukturellen<br />
Implikationen, die mit der wachsenden Bedeutung der systematischen<br />
Produktion neuen wissenschaftlich-technischen Wissens <strong>und</strong> seiner Umsetzung<br />
in neue Verfahren <strong>und</strong> Produkte im Rahmen der Unternehmensaktivitäten<br />
verb<strong>und</strong>en sind. Unsere Analyse konzentrierte sich im wesentlichen<br />
auf die Ebene der Unternehmens- <strong>und</strong> Betriebsorganisation sowie<br />
auf unternehmensübergreifende Arrangements. Die dabei zu Tage geförderten<br />
Ergebnisse lassen sich in drei Hypothesen über absehbare Entwicklungstendenzen<br />
zusammenfassen:<br />
12 Vgl. etwa den Begriff der "directed autonomy" bei Yoxen (1981).<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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(1) Veränderungen der <strong>Unternehmensorganisation</strong>, die mit der Anpassungsnotwendigkeit<br />
an die Bedingungen hochdynamischer Märkte mit<br />
schnellen Produktlebenszyklen begründet werden, zielen auf den Abbau<br />
bürokratisch-hierarchischer Strukturen <strong>und</strong> die Dezentralisierung von<br />
Entscheidungsbefugnissen auf der operativen Ebene bei gleichzeitiger<br />
Aufrechterhaltung oder Verstärkung zentraler (informationstechnologisch<br />
gestützter) Steuerungs- <strong>und</strong> Kontrollpotentiale auf den oberen Hierarchieebenen.<br />
Dies impliziert auch eine Dezentralisierung von FuE-Potentialen,<br />
wodurch Marktanforderungen immer unmittelbarer zu maßgeblichen<br />
Einflußfaktoren der Arbeit von Technikern, Ingenieuren <strong>und</strong> Wissenschaftlern<br />
werden.<br />
(2) Organisatorische Veränderungen von Innovationsprozessen: Mit der<br />
Absicht, Produktentwicklungszeiten zu reduzieren, kommen neuartige organisatorische<br />
Arrangements zur Einführung, die eine Optimierung der -<br />
die einzelnen funktionalen Unternehmenseinheiten übergreifenden - Koordination<br />
gewährleisten sollen. Derartig organisierte Innovationsprozesse<br />
lassen sich nicht mehr mit Hilfe linear-sequentieller Modelle abbilden.<br />
Was sich vielmehr abzeichnet, ist ein Wandel im Ablauf von Innovationsprozessen,<br />
der sich in einer stärkeren Überlappung der einzelnen Phasen<br />
<strong>und</strong> in einer Bedeutungszunahme der Anfangsstadien des Innovationsprozesses<br />
niederschlägt.<br />
(3) Gestaltung der inter-organisatorischen Beziehungen: Da technologische<br />
Entwicklungen auf zahlreichen Feldern immer aufwendiger <strong>und</strong> kostspieliger<br />
werden, greifen die Unternehmen, <strong>und</strong> unter ihnen vor allem die<br />
größeren, mit dem Ziel der Kosten- <strong>und</strong> Risikominimierung in zunehmenden<br />
Maße auf "externe" Innovationspotentiale <strong>und</strong> -arrangements zurück.<br />
Dabei lassen sich sehr unterschiedliche Formen der Kooperation, Beteiligung<br />
<strong>und</strong> Akquisition identifizieren, mit deren Hilfe die Unternehmen die<br />
Grenzen der eigenen Organisation transzendieren bzw. erweitern <strong>und</strong><br />
sowohl brancheninterne wie branchenübergreifende Beziehungen eingehen.<br />
Die beschriebenen Tendenzen indizieren die von den Unternehmensleitungen<br />
verfolgte Intention, durch die Flexibilisierung von Unternehmenspolitik<br />
<strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong> sowohl unternehmensinterne wie<br />
unternehmensübergreifende Innovationspotentiale freizusetzen, um über<br />
eine aktive Gestaltung des wissenschaftlich-technischen Wandels auf um-<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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kämpften Märkten weiterhin (oder wieder) erfolgreich agieren zu können.<br />
Völlig falsch wäre es freilich anzunehmen, daß sich der anvisierte Trend<br />
zur Flexibilisierung der Unternehmensstruktur widerspruchslos <strong>und</strong> friktionsfrei<br />
durchsetzt. Wie bei allen organisatorischen Rearrangements, die<br />
mit weitreichenden Konsequenzen verb<strong>und</strong>en sind, ist auch hier mit mannigfachen<br />
Widerständen <strong>und</strong> Problemen zu rechnen. Des weiteren muß<br />
davon ausgegangen werden, daß die Flexibilisierungskonzepte selbst spannungsgeladen<br />
sind, <strong>und</strong> die Bewältigung dieser Spannungen eine permanente<br />
Bearbeitung von seiten des Managements erfordert. Bei zukünftigen<br />
Analysen müßten diese Friktionen <strong>und</strong> Spannungen sowie die darauf bezogenen<br />
Lösungsversuche sehr viel eingehender berücksichtigt werden, als<br />
uns dies auf Basis des verfügbaren Materials möglich gewesen ist.<br />
10.5 Ein neuer Innovationstyp?<br />
Neue Organisationskonzepte, soweit sie der Aktivierung von Innovationspotentialen<br />
dienen sollen, können gleichermaßen als Voraussetzung <strong>und</strong><br />
Folge eines sich abzeichnenden neuartigen Innovationstyps in zentralen<br />
Bereichen der verwissenschaftlichten Industrie angesehen werden. Wichtige<br />
Merkmale dieses neuen Typs sind:<br />
Bedeutungszuwachs von Forschung <strong>und</strong> Entwicklung im Rahmen der<br />
Zielhierarchie von Unternehmensstrategien;<br />
Bedeutungszunahme des Faktors Zeit für das Management von Innovationsvorhaben;<br />
damit einhergehend: Beschleunigung von Innovationsprozessen durch<br />
die Parallelisierung von vormals sequentiell ablaufenden Aktivitäten;<br />
Bedeutungszunahme von Versuchen der Antizipation <strong>und</strong> der verbindlichen<br />
Vorbestimmung von Produkt <strong>und</strong> Fertigungsrealität im<br />
Zuge der Verkopplung von Produkt-, Prozeß- <strong>und</strong> Materialinnovation;<br />
verstärkter Rückgriff auf wissenschaftliches Wissen;<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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erhöhte Anstrengungen zur Informatisierung von Innovationsprozessen;<br />
stärkerer Zugriff auf "externe" Innovationspotentiale;<br />
zunehmender Markt- <strong>und</strong> Fertigungsbezug der FuE-Arbeit. 13<br />
Die Erforschung der Konturen dieses sich abzeichnenden neuen Innovationstyps,<br />
seiner Konsequenzen <strong>und</strong> Vorbedingungen sowie seines Verbreitungsgrades<br />
scheint uns eine wichtige Aufgabe der Industriesoziologie zu<br />
sein, die bislang bestenfalls am Rande angegangen worden ist. Der sich in<br />
diesem Innovationstyp manifestierende Formwandel industrieller Forschungs-<br />
<strong>und</strong> Innovationsprozesse 14<br />
hat nicht nur Auswirkungen auf die<br />
Konkurrenz- <strong>und</strong> Branchenstrukturen oder auf das Verhältnis zwischen<br />
Technologie <strong>und</strong> Wissenschaft, sondern auch für Struktur <strong>und</strong> Strategie<br />
der betreffenden Unternehmen. An dieser Stelle sollen wenigstens zwei<br />
absehbare Implikationen auf Unternehmensebene benannt werden (s. Abschnitt<br />
3.6): Erstens wird die Bewältigung des Innovationsrisikos immer<br />
weniger zur alleinigen Aufgabe von Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungsbereichen,<br />
sondern immer stärker zur Funktionsbestimmung der gesamten <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
Die Tendenz zur isoliert-spezialisierten Absiedlung<br />
von Innovationskraft im Unternehmen wird abgelöst durch den Trend<br />
zur Diffusion der Innovationsaufgaben quer über die organisatorischen<br />
13 Wir unterstellen nicht, daß die genannten Dimensionen immer oder auch nur in<br />
den meisten Fällen gemeinsam auftreten müssen. Auch können die einzelnen<br />
Merkmale von Fall zu Fall verschieden stark ausgeprägt sein. In Abhängigkeit<br />
von der jeweiligen "Innovationshöhe" des betreffenden Vorhabens dürften deshalb<br />
recht unterschiedliche Konstellationen zu beobachten sein. Der analytisch<br />
rekonstruierte "Neue Innovationstyp" ist folglich als Idealtypus im Sinne Webers<br />
zu verstehen.<br />
14 Einiges spricht zwar dafür, daß sich die Art <strong>und</strong> Weise der Organisation <strong>und</strong><br />
Durchführung von technologischen Innovationsvorhaben in Industrieunternehmen<br />
verändert hat; daraus ist jedoch nicht unbedingt eine Logik abzuleiten, die<br />
auf seiten der Unternehmen eine ungebremste Innovationsdynamik <strong>und</strong> eine<br />
passive Hinnahme von Markt- <strong>und</strong> K<strong>und</strong>enanforderungen aller Art impliziert.<br />
Zwar werden allenthalben Rezepte angeboten, die die Unternehmen im Interesse<br />
der Steigerung ihrer Wettbewerbsfähigkeit "innovativer" <strong>und</strong> "flexibler" machen<br />
sollen. Kontraproduktive Effekte dieser Empfehlungen <strong>und</strong> Strategien, die<br />
im Gegensatz zur empfohlenen Hyperflexibilität <strong>und</strong> Innovationsdynamik stehen,<br />
werden dagegen nach unserem Eindruck eher unterschätzt.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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Bereiche des Unternehmens hinweg. Damit in Zuammenhang steht - zweitens<br />
-, daß die Bearbeitung des Innovationsrisikos zunehmend unter Beachtung<br />
der aus dem Nachfrage- <strong>und</strong> dem Ineffizienzrisiko erwachsenden<br />
Anforderungen erfolgt.<br />
Organisationstheoretische Konzeptualisierungen, die den ausdifferenzierten<br />
Funktionsbereichen (Subsystemen) der Unternehmen noch problemlos<br />
bestimmte Umweltsektoren mit jeweils spezifischen Unsicherheitsgraden<br />
zuordnen konnten (s. Abschnitt 3.3), verlieren unter diesen Bedingungen<br />
an Plausibilität. Es scheint nicht mehr länger möglich zu sein, bestimmte<br />
Unternehmensbereiche durch die Funktion der exklusiven Bearbeitung<br />
eines speziellen Unternehmensrisikos charakterisieren zu können.<br />
Weder wird in den FuE-Bereichen allein über Ideen für neue Produkte<br />
<strong>und</strong> Verfahren nachgedacht, noch sind Abteilungen wie Produktion oder<br />
Vertrieb lediglich mit der routinemäßigen Abwicklung von Fertigung,<br />
Montage <strong>und</strong> Verkauf befaßt.<br />
Ansätze zur simultanen Bearbeitung struktureller Unternehmensrisiken,<br />
die sowohl auf strategischer wie auf operativer Ebene zu beobachten sind<br />
(s. Kapitel 8 <strong>und</strong> 9), deuten darauf hin, daß FuE-Abteilungen verstärkt mit<br />
Fragen der Produktionsökonomie <strong>und</strong> Marktgängigkeit technologischer<br />
Innovationen konfrontiert sind. Von Bedeutung ist dabei der Umstand,<br />
daß sich im Management mehr <strong>und</strong> mehr die Erkenntnis durchsetzt, daß<br />
der größte Teil der späteren Gesamtkosten eines Produkts bereits im Anfangsstadium<br />
der Entwicklung festgelegt wird. Außerdem gehen von den<br />
FuE-Abteilungen (inkl. der Konstruktion) in zeitlicher Hinsicht wichtige<br />
Einflüsse auf die Dauer der gesamten Durchlaufzeit aus. Ins Blickfeld geraten<br />
damit Rationalisierungsmaßnahmen, die sich auf dieses Anfangsstadium<br />
beziehen. Stichworte dazu sind: numerische Optimierung, Simulation<br />
von Produkteigenschaften <strong>und</strong> Produktionsbedingungen, montagegerechte<br />
Konstruktion <strong>und</strong> variantenorientierte Produktgestaltung (Albien u.a.<br />
1990).<br />
Weiterhin zeichnet sich ab, daß Produktion <strong>und</strong> marktnahe Bereiche zunehmend<br />
in den Innovationsprozeß involviert werden. Als Beleg dafür<br />
kann die funktionsübergreifende Zusammensetzung von Projektteams bei<br />
der Wertanalyse (vgl. Bender 1992) oder beim Simultaneous Engineering<br />
gelten (s. Kapitel 8). Insbesondere Vertrieb <strong>und</strong> Produktion sind in diesem<br />
Zusammenhang als Lieferanten von neuen Ideen oder Verbesserungsvor-<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
schlägen von Bedeutung. 15<br />
Dadurch tragen sie zu einer Entwicklung bei,<br />
die auf gesamtwirtschaftlicher Ebene zur Etablierung von Märkten führt,<br />
die u.a. durch immer komplexer werdende Produkte <strong>und</strong> Systeme sowie<br />
durch verkürzte Produktlebenszyklen gekennzeichnet sind. Unternehmen,<br />
die auf diesen Märkten agieren, stehen unter erheblichem (von ihnen mitproduziertem)<br />
Zeit- <strong>und</strong> Flexibilitätsdruck: 16<br />
Die Zeitspanne für die Auslegung<br />
<strong>und</strong> Optimierung der Fertigung eines Produktes wird immer kürzer.<br />
Gleichzeitig reduziert sich die Laufdauer einer bestimmten Fertigung<br />
<strong>und</strong> ihre jeweilige Losgröße. Darüber hinaus stellt sich in einigen Bereichen<br />
ein bislang eher vernachlässigtes Problem mit erheblicher Schärfe:<br />
Die rasche <strong>und</strong> häufig komplexe Produktinnovation muß dem K<strong>und</strong>en<br />
"vermittelt" werden.<br />
Es ist eine empirisch offene Frage, mit welchen Strategien das Management<br />
diese veränderten Anforderungen be- <strong>und</strong> verarbeitet <strong>und</strong> welche<br />
Auswirkungen damit für Industriearbeit verb<strong>und</strong>en sein werden. Die Industriesoziologie<br />
sollte bei der Erforschung der Bandbreite möglicher (Re-)<br />
Aktionen der Unternehmen allerdings versuchen, über die bekannten<br />
Diskussionen um die Chancen "Neuer Produktionskonzepte", um "anthropozentrische"<br />
<strong>und</strong> "technozentrische" Entwicklungspfade hinauszukommen.<br />
Statt dessen müßte sie sehr viel stärker als bislang die Möglichkeit<br />
berücksichtigen, daß sich die strategische Bedeutung von Werkstatt <strong>und</strong><br />
Fertigung bei der Abarbeitung der angesprochenen Anforderungen zugunsten<br />
von vor- <strong>und</strong> nachgelagerten Bereichen verringert.<br />
15 "An important development in industrial enterprises is the increased connection<br />
between R&D-management and other company functions including production,<br />
marketing and financing,with strong emphasis being placed on identifying possibilities<br />
for technology-market-combinations. This so-called 'interface' management<br />
has been established to stimulate constant feedback from other company-functions<br />
in order to perform R&D as an intensive iterative process" (Anderson<br />
u.a. 1990, S. 123).<br />
16 Damit soll nicht einem "Marktdeterminismus" das Wort geredet werden. Wie<br />
die organisationstheoretische Kritik am situativen Ansatz gezeigt hat, ist die Annahme<br />
eines Umwelt-(bzw. Markt-)Determinismus in vielen Fällen irreführend,<br />
da er die strategischen Optionen der Unternehmen vernachlässigt: "A company<br />
may look for a market niche to match its organizational strategy, or it may serve<br />
the market in a way that tallies with what it perceives to be its organizational and<br />
skill strengths" (Sorge, Streeck 1988, S. 26).<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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10.6 Bedeutungsverlust der Fertigung in der verwissenschaftlichten<br />
Industrie?<br />
Um wenigstens anzudeuten, in welche Richtung eine derart motivierte<br />
Forschung gehen könnte, sollen in gebotener Kürze zwei potentielle Untersuchungsfelder<br />
darstellt werden. Dazu kann an wichtige Aspekte des<br />
von uns behaupteten neuen Innovationstyps angeknüpft werden: (a) Rationalisierungsstrategien<br />
beziehen sich nicht mehr allein entweder auf die<br />
Prozeßgestaltung oder auf die Produktgestaltung, sondern zielen zunehmend<br />
auf die Verkopplung von Produkt- <strong>und</strong> Prozeßinnovation, (b) Angestrebt<br />
wird dabei im Zuge der Informatisierung des Innovationsprozesses<br />
die Einrichtung einer einheitlichen Datenbasis in Form eines elementorientierten,<br />
integrierten Produktmodells. Dort können die während der<br />
Produktgestaltung rechnergestützt erzeugten Daten red<strong>und</strong>anzfrei <strong>und</strong><br />
strukturiert abgelegt werden. Auf diese Weise soll eine Datenbasis entstehen,<br />
auf die mit verschiedenen technischen Hilfsmitteln zur Unterstützung<br />
der Produkt- <strong>und</strong> Prozeßinnovation zurückgegriffen werden kann. Zu diesen<br />
Hilfsmitteln zählen u.a. Simulationsverfahren, die Produkteigenschaften<br />
<strong>und</strong> Produktionsabläufe abbilden können. Im Idealfall werden Produkt<br />
<strong>und</strong> Produktionsprozeß in wechselseitiger Abstimmung computergerecht<br />
modularisiert <strong>und</strong> standardisiert (Ehrlenspiel 1990), so daß nicht nur eine<br />
modellhafte Vorwegnahme (Simulation) der Produkteigenschaften, sondern<br />
auch der Produktion erfolgen kann.<br />
Mögen diese Vorstellungen auch eine gehörige Portion Zukunftsmusik<br />
enthalten, die bevorzugt bei öffentlichkeitswirksamen Auftritten gespielt<br />
wird, so ist doch nicht zu übersehen, daß Simulationen von Produkteigenschaften<br />
sowie von Produktionsabläufen auf dem besten Wege sind, sich in<br />
den Planungsabteilungen der Industrie zu etablieren (Scharf, Spies 1990).<br />
In den Bereich des Möglichen rücken auf diese Weise realitätsmächtige<br />
Vorentscheidungen im Planungsstadium, die auf der Basis der Simulation<br />
der Arbeits- <strong>und</strong> Personalorganisation den verbleibenden Spielraum auf<br />
der Fertigungsebene weitgehend festlegen können (Zülch 1989). Unter<br />
diesen Bedingungen könnte es zu einer Umkehr des von Malsch (1984;<br />
1987a) beschriebenen Kreislaufs des Produktionswissens kommen. Ausgangspunkt<br />
wäre fürderhin nicht mehr das in den Köpfen der Arbeiter<br />
vorhandene Erfahrungswissen, das vom Management angeeignet <strong>und</strong> in<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
kontextfreies, abstraktifiziertes Planungswissen verwandelt wird, um anschließend<br />
in Form objektivierten Wissens in den Produktionsprozeß zurückzukehren.<br />
Am Anfang stünden jetzt wissenschaftlich begründete Gesamtkonzepte,<br />
die auf der Basis fortgeschrittener Computertechnologien<br />
zur "Systematisierung <strong>und</strong> Vervollständigung von Prozessen der symbolischen<br />
Antizipation realer Abläufe" <strong>und</strong> einer "verbindlichen Vorwegdefinition<br />
realer Prozesse <strong>und</strong> deren Regulierung" beitragen könnten (Hack<br />
1988).<br />
Eine sozialwissenschaftliche Untersuchung dieser Mechanismen der "organisierten<br />
Antizipation" (Bender 1986) hätte freilich nach den Hindernissen<br />
<strong>und</strong> Grenzen dieser Vorgehensweise zu fragen. Wird man gegenwärtig<br />
wohl noch erhebliche Abstriche an der Realitätsmächtigkeit <strong>und</strong> -tüchtigkeit<br />
derartiger Versuche der Vorwegnahme von Fertigungswirklichkeit<br />
machen müssen, kann man auf diesem Feld dennoch ein sich abzeichnendes<br />
Rationalisierungspotential sehen, das die Bedeutung von den der Fertigung<br />
vorgelagerten Planungsbereichen unterstreicht <strong>und</strong> dessen Auswirkungen<br />
auf die Entwicklung der Industriearbeit nach unserem Eindruck<br />
bislang kaum untersucht worden ist. Bei der Erforschung industrieller Arbeitsbedingungen,<br />
die gerade unter dem Vorzeichen eines neuen Innovationstyps<br />
unverzichtbar bleibt, sollte dieses Potential jedenfalls nicht vernachlässigt<br />
werden. Ferner wäre zu untersuchen, in welchem Verhältnis es<br />
zu der viel beschworenen Wiederentdeckung der "Ressource Mensch" in<br />
der Produktion steht.<br />
Über den Zusammenhang zwischen dem veränderten Stellenwert des Innovationsrisikos<br />
im Rahmen von Unternehmensstrategien <strong>und</strong> den Möglichkeiten<br />
<strong>und</strong> Grenzen neuer Formen der Arbeitsgestaltung auf der Shopfloor-Ebene<br />
läßt sich einstweilen nur spekulieren. Eine plausible Annahme<br />
scheint indes zu sein, daß eine Rehabilitation der menschlichen Arbeit in<br />
der Produktion am ehesten dann erfolgen wird, wenn dies im Interesse der<br />
Aufrechterhaltung oder Schaffung von Innovationsfähigkeit <strong>und</strong> Flexibilität<br />
funktional ist. Allerdings dürfte es voreilig sein, überall dort, wo Strategien<br />
der organisierten Produktinnovation zum Tragen kommen, auf das<br />
zwanglose Vordringen "Neuer Produktionskonzepte" zu hoffen. Unter welchen<br />
Bedingungen die Fertigung <strong>und</strong> Montage innovativer Produkte eine<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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Reprofessionalisierung der betreffenden Arbeitskräfte begünstigt, kann<br />
nur durch empirische Untersuchungen ermittelt werden. 17<br />
Man versteht jedenfalls immer weniger, was "Industrie" heute bedeutet,<br />
wenn man sich bei der Analyse ausschließlich auf die Bereiche der materiellen<br />
Produktion konzentriert. Was sich nämlich seit einigen Jahren abzeichnet,<br />
ist ein gr<strong>und</strong>legender Wandel von Industriearbeit, der dazu führt,<br />
daß diese nicht länger (wie selbstverständlich) mit materieller Arbeit<br />
gleichgesetzt werden kann. Das gilt vor allem, aber nicht nur, für die<br />
"science based industries", zu denen an erster Stelle die Elektro- <strong>und</strong> Elektronik-,<br />
die Chemische <strong>und</strong> die Luft- <strong>und</strong> Raumfahrtindustrie zählen, <strong>und</strong><br />
in denen "Wissenschaft <strong>und</strong> Technologie oder immaterielle statt materieller<br />
Arbeit zur Basis der Kapitalverwertung aufrücken" (Brandt 1987).<br />
Ähnliche Tendenzen sind auch in der Automobilindustrie <strong>und</strong> in wichtigen<br />
Teilen des Maschinenbaus zu beobachten.<br />
Klar zu sein scheint, daß der von uns favorisierte erweiterte "thematische<br />
Zugriff in seiner empirischen Umsetzung mit einem eigenen "konzeptionellen<br />
Zugriff verb<strong>und</strong>en werden muß. Um den veränderten Struktur<strong>und</strong><br />
Funktionszusammenhängen in industriellen <strong>Unternehmensorganisation</strong>en<br />
auf die Spur zu kommen, dürfen nach unserer Auffassung mehrere<br />
Umstände nicht aus den Augen verloren werden:<br />
(a) Eine isolierte Betrachtung einzelner Abteilungen oder Arbeitsplätze ist<br />
immer weniger sinnvoll. Das gilt besonders bei der Analyse von industri-<br />
17 Dabei könnte auch die Gültigkeit der folgenden Aussage eines FuE-Managers<br />
der Elektroindustrie aus den späten 70er Jahren überprüft werden, die sich auf<br />
die wichtiger werdende Planung <strong>und</strong> Kontrolle von Produktionsabläufen <strong>und</strong><br />
Produkten bezieht: "Je mehr wir im Moment im Vorfeld technologisch bessere<br />
Lösungen finden, desto weniger Qualifikationen brauchen wir am Ende, wenn es<br />
produziert wird. (...) Durch die Vorfeldarbeiten, die immer besser, präziser<br />
werden, die mehr Einsatz von technischen Mitteln i.d.R. zur Folge haben, haben<br />
wir unten am Ende das Ergebnis, daß für weite Mitarbeiterbereiche die Qualifikationsanforderungen<br />
sinken statt steigen" (zitiert nach Heisig u.a. 1985, S. 30).<br />
Möglicherweise ist der in diesem Statement zum Ausdruck kommende Planungsoptimismus<br />
ein Reflex des zu diesem Zeitpunkt noch funktionierenden<br />
Modells der traditionellen Massenproduktion, der mit der Krise dieser Produktionsweise<br />
seinen Gr<strong>und</strong> verloren hat. Denkbar ist allerdings auch eine zwischenzeitliche<br />
Weiterentwicklung <strong>und</strong> Verfeinerung entsprechender Planungs<strong>und</strong><br />
Kontrollkonzepte, die gerade unter den Bedingungen nicht-standardisierter<br />
Produktion zu den geschilderten Qualifikationsauswirkungen führen.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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eilen Innovationsprozessen. Dementsprechend kann auch die Funktion<br />
des Managements sinnvollerweise nicht mehr auf die Planung <strong>und</strong> Kontrolle<br />
des Arbeitsprozesses reduziert werden.<br />
(b) Systemische Rationalisierungsmaßnahmen dürfen nicht verkürzt als<br />
technische Rationalisierungsprozesse begriffen werden. Zwar spielen der<br />
Einsatz von I&K-Technologien <strong>und</strong> die Ansätze zur datentechnischen Integration<br />
hierbei unbestreitbar eine wesentliche Rolle. Deshalb darf jedoch<br />
die Bedeutung der organisationsstrukturellen Maßnahmen bei der<br />
Restrukturierung unternehmensinterner <strong>und</strong> unternehmensübergreifender<br />
Funktionen <strong>und</strong> Abläufe nicht unterschätzt werden.<br />
(c) Systemische Rationalisierung setzt nicht notwendigerweise eine systematische<br />
<strong>und</strong> umfassende Planung voraus, obwohl sie Implikationen für<br />
alle Teilbereiche der <strong>Unternehmensorganisation</strong> haben kann. Von daher<br />
können z.B. Veränderungen auf der Ebene des Arbeitsprozesses durchaus<br />
eher Nebenfolge anstatt Resultat bewußter Managementstrategien sein.<br />
(d) Ganz allgemein sollten deshalb Unternehmensstrategien nicht von<br />
vornherein als Ausfluß bewußter <strong>und</strong> beständiger Zielverfolgung konzipiert<br />
werden (müssen). Ohne die Frage nach dem Ausmaß an Stringenz,<br />
mit dem das Management bestimmte Strategien verfolgt, auszuschließen,<br />
kann Strategie als modus operandi der Unternehmensführung verstanden<br />
werden, der sich auch unabhängig von kohärenten Entscheidungen entwickelt<br />
<strong>und</strong> Realitätsmächtigkeit erlangt (Littler 1987). In dieser Perspektive<br />
werden Strategien eher (von außen) rekonstruiert als (innerhalb des<br />
Managements) rational konstruiert.<br />
10.7 Zur Entwicklung der sozialwissenschaftlichen Technikforschung<br />
Es gehört mittlerweile zum guten Ton innerhalb der industriesoziologischen<br />
Zunft, jeglicher Form des technologischen Determinismus eine<br />
deutliche Absage zu erteilen. Seit der Entdeckung des Umstandes, daß<br />
identische Technologien mit sehr unterschiedlichen Formen der Arbeitsteilung<br />
<strong>und</strong> Arbeitsorganisation sowie mit verschiedenen Personal- <strong>und</strong><br />
Qualifikationsstrukturen kombiniert werden können, hat sich die For-<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
schling auf die betrieblichen Bedingungen konzentriert, die bei der Entscheidung<br />
über die Nutzung bzw. Nicht-Nutzung dieser Spielräume eine<br />
Rolle spielen. Ein zweiter Schritt bei der Abkehr von technikdeterministischen<br />
Auffassungen wurde durch die Einsicht befördert, daß nicht nur die<br />
Einsatz- <strong>und</strong> Nutzungsformen von Technologien Gegenstand des interessengeleiteten<br />
Handelns sozialer Akteure sein können. Auch die wissenschaftlich-technische<br />
Entwicklung gilt vielen Autoren mittlerweile als sozialer<br />
Prozeß, der sozialwissenschaftlicher Erklärung <strong>und</strong> gesellschaftlichen<br />
Steuerungsversuchen zugänglich ist (MacKenzie, Wajcman 1985; Weingart<br />
1989). Während sich schon ganze Bibliotheken mit den Arbeiten derer<br />
füllen lassen, die sich der Frage nach den sozialen Folgen neuer Technologien<br />
widmen <strong>und</strong> während an Forschungen über alternative Einsatzformen<br />
ebenfalls kein Mangel herrscht, dürften sich die sozialwissenschaftlichen<br />
Ergebnisse zum Thema Technikgenese recht bequem in einem nicht allzu<br />
großen Regal unterbringen lassen. Der Stand der Forschung zur Technikgenese<br />
wird von Kennern der nationalen <strong>und</strong> internationalen Forschungslage<br />
bestenfalls als "bruchstückhaft" bezeichnet. Die meisten Bef<strong>und</strong>e <strong>und</strong><br />
Thesen orientierten sich, so zumindest Lutz (1990), entweder an einzelnen<br />
exzeptionellen Technikobjekten, so daß deren Verallgemeinerungsfähigkeit<br />
beeinträchtigt sei, oder unterstellten eine vereinfachende Verursachungslogik.<br />
Nicht erwähnt werden in dieser Kritik von Lutz diejenigen Arbeiten,<br />
denen es nicht primär um die Untersuchung der Entstehungsprozesse bestimmter<br />
Technologien, sondern um die Analyse des gesellschaftlichen<br />
Orts der Erzeugung neuen wissenschaftlichen <strong>und</strong> technischen Wissens<br />
geht. Wir zählen derartige Studien, die außerordentlich wichtige Erkenntnisse<br />
über die Produktion wissenschaftlich-technischer Innovationen bereithalten,<br />
gleichwohl ebenfalls zur sozialwissenschaftlichen Technikgeneseforschung.<br />
Zu nennen sind in diesem Zusammenhang zunächst einmal<br />
wissenschaftssoziologische Arbeiten, die unter dem Label "Labor-Studien"<br />
firmieren (vgl. etwa Knorr-Cetina 1984; Latour, Woolgar 1979; Lynch<br />
1985) <strong>und</strong> die dafür gesorgt haben, daß alltägliche Arbeits- <strong>und</strong> Kommunikationsprozesse<br />
in Forschungslaboratorien zu einem anerkannten Gegenstand<br />
empirischer soziologischer Analyse geworden sind. So verdienstvoll<br />
es ist, durch diesen Zugriff den sozialen Charakter der Produktion<br />
wissenschaftlicher Tatsachen <strong>und</strong> der dazu gehörigen "technologischen Artefakte"<br />
(Pinch, Bijker 1984) erhellt zu haben, so problematisch ist es, dabei<br />
von den objektivierten Strukturzusammenhängen zu abstrahieren, in<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
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die Laboratorien als Orte der Erzeugung neuen wissenschaftlichen <strong>und</strong><br />
technologischen Wissens eingebettet sind. Gerade für den Bereich der industriellen<br />
Forschung <strong>und</strong> Entwicklung ist das Bild eines einzelnen,<br />
scheinbar allein für sich bestehenden Forschungslabors, völlig unzutreffend.<br />
Wie dem eher spärlichen empirischen Material zum Thema industrielle<br />
Forschung <strong>und</strong> Entwicklung, das bislang von im weitesten Sinne Industrie-<br />
<strong>und</strong> organisationssoziologischer Seite präsentiert worden ist, 18<br />
entnommen<br />
werden kann, stellen moderne FuE-Organisationen in der Industrie<br />
nämlich äußerst komplexe Gebilde dar (Zündorf, Grünt 1982), deren<br />
Funktion zudem nicht allein in der Entwicklung technischer Neuerungen<br />
besteht. Von wachsender Bedeutung ist z.B. auch die Funktion als Frühwarnsystem,<br />
das rechtzeitig technologische Sackgassen erkennt <strong>und</strong> das<br />
wissenschaftlich-technische Umfeld im Auge behält.<br />
Nach unserer Auffassung gehört es zu den vornehmsten Aufgaben einer<br />
Forschungsrichtung, die sich über die Bedeutung der Technikgenese für<br />
die Entwicklung moderner Gesellschaften im klaren ist, die gesellschaftlichen<br />
Orte eingehender zu inspizieren, an denen das wissenschaftliche <strong>und</strong><br />
technologische Wissen produziert wird, mit dem ggf. gesellschaftliche<br />
Strukturen gr<strong>und</strong>legend verändert werden können. Insofern läßt sich die<br />
vorliegende Arbeit auch als explorativen Versuch verstehen, genau diese<br />
Aufgabe anzugehen. Gerade wenn es stimmt, daß in differenzierten Gesellschaften<br />
die Entstehung neuer Techniken für die meisten Handlungsbereiche<br />
ein exogener Prozeß ist, der, wenn überhaupt, jedenfalls woanders<br />
gesteuert wird (v.d. Daele 1989), gilt es, dieses "woanders" präziser zu<br />
analysieren. In einer auf Wissensproduktion <strong>und</strong> technologische Innovationen<br />
ausgerichteten Gesellschaft gehören dazu zweifellos die industriellen<br />
Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungsbereiche mit ihren weitreichenden Verknüpfungen<br />
sowohl innerhalb der Unternehmen als auch über die Grenzen<br />
einzelner Unternehmen hinaus.<br />
Damit ist zumindest auch schon angedeutet, in welche Richtung die weitere<br />
Erforschung von technologischen Innovationspotentialen gehen<br />
könnte. Hält man sich an die von Shrum (1985) vorgetragene Periodisie-<br />
18 "Allein über das Frankfurter 'Institut für Sozialforschung' gibt es mehr Untersuchungen<br />
von Sozialwissenschaftlern (bzw. Ideengeschichtlern) - (...) - als über<br />
alle westdeutschen Industrieforschungsemrichtungen zusammengenommen"<br />
(Hack, Hack 1990, S. 254).<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
ung, dann standen in einer ersten Phase der Innovationsforschung, die als<br />
"Ereignis-Geschichtsbeschreibung" bezeichnet wird, einzelne Erfindungen<br />
<strong>und</strong> Erfinder im Zentrum der Untersuchungen. In der sich anschließenden<br />
Periode wurde die Bedeutung von Organisationen, vor allem von Industrieunternehmen<br />
<strong>und</strong> ihren FuE-Potentialen hervorgehoben, 19<br />
während<br />
man neuerdings das Augenmerk auf umfassende Innovationssysteme 20<br />
richtet. In dieser Abfolge macht sich die wachsende Komplexität der<br />
Technikerzeugung in fortgeschrittenen Industriegesellschaften geltend,<br />
ohne daß man freilich deshalb sagen könnte, für die Ebene einzelner Organisationen<br />
existierten bereits im ausreichendem Maße Erkenntnisse, auf<br />
die beim Übergang auf die nächsthöhere Komplexitätsebene problemlos<br />
zurückgegriffen werden könnte. Außerdem sind die Bemühungen, einen<br />
Kooperationszusammenhang zwischen Staat, Wissenschaft <strong>und</strong> Industrie<br />
in Fragen der Forschungs- <strong>und</strong> Technologiepolitik zu etablieren, nicht<br />
ganz neu. Festzustellen wäre demnach auf dieser Ebene, was sich ggf. innerhalb<br />
<strong>und</strong> zwischen diesen drei Sektoren im Hinblick auf Institutionalisierungs-<br />
<strong>und</strong> Kooperationsformen bei der wissenschaftlich basierten<br />
Technologieentwicklung geändert hat. Überprüft werden könnten in diesem<br />
Zusammenhang dann z.B. Thesen, die eine Tendenz zur Einschränkung<br />
von marktfernen Forschungsaktivitäten in den Unternehmen bei<br />
gleichzeitiger Delegation derartiger Aufgaben an Universitäten <strong>und</strong> unabhängige<br />
Forschungsinstitute behaupten.<br />
19 Shrum sieht folgende Mängel dieser Ansätze: "At best, the firm-basedview is an<br />
'organization set' (Evan) approach to the problem. Direct relations between a<br />
focal organization and other organizations are considered but indirect linkages<br />
and potentially important relations among these organizations are generally<br />
ignored. The view is incomplete in treating firmsas autonomous actors in conceiving<br />
and carrying an innovation to term, when much of the activity of knowledge<br />
production is carried on in quite a different context. The event-history<br />
view, on the other hand, tends to focus on individuals and intellectual developments<br />
to the exclusion of social and organizational facts" (Shrum 1985, S. 8).<br />
20 Diese Innovationssysteme werden von Shrum auch als technische Systeme bezeichnet:<br />
"A technical system may be defined as a centrally administered network<br />
of actors (organizational as well as individual) oriented toward the achievement<br />
of a set of related technological objectives. It is, in essence, an organization<br />
for producing innovation, an entity which specializes in collective problem solving<br />
(ebd., S. 15).<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
10.8 Gesamtgesellschaftliche Aspekte der zunehmenden Bedeutung<br />
organisierter Innovation in der Industrie<br />
Wir verkennen nicht, daß die von uns behaupteten Veränderungen der industriellen<br />
Organisationsstruktur von großer Tragweite sind <strong>und</strong> bei der<br />
Beantwortung der in den Sozialwissenschaften aufgeworfenen Frage einer<br />
gr<strong>und</strong>legenden Transformation des bestehenden Sozial- <strong>und</strong> Wirtschaftssystems<br />
nützlich sein können. Unterstellt wird eine solch gr<strong>und</strong>legende<br />
Transformation etwa, wenn von der Ablösung industrieller durch post-industrielle<br />
Gesellschaften die Rede ist, wenn ein Wandel von der "Arbeitsgesellschaft"<br />
zur "Informationsgesellschaft" oder zur "programmierten Gesellschaft"<br />
postuliert oder wenn gar ein Übergang von kapitalistischen zu<br />
post-kapitalistischen Gesellschaften behauptet wird. In bestimmter Weise<br />
sind - <strong>und</strong> auch dies ist uns bewußt - diese einen gr<strong>und</strong>legenden Wandel<br />
unterstellenden Ansätze ein Reflex auf Veränderungen, deren sichtbarer<br />
Ausdruck unter anderem neue Organisationsmodelle <strong>und</strong> veränderte industrielle<br />
Sozialstrukturen sind. Dennoch sehen wir keinen Anhaltspunkt<br />
dafür, daß diese Veränderungen eine Systemtransformation anzeigen,<br />
sondern halten sie eher für Symptome einer Modifikation des bestehenden<br />
kapitalistischen Wirtschafts- <strong>und</strong> Sozialsystems, dessen Identität dadurch<br />
nicht in Frage gestellt wird.<br />
Unsere Vorstellungen über den Charakter dieser Modifikation lassen sich<br />
dahingehend konkretisieren, daß wir in den von uns notierten organisationsstrukturellen<br />
Veränderungen Indikatoren für den Versuch von Großunternehmen<br />
in der verwissenschaftlichten Industrie sehen, ihr Flexibilitäts-<br />
<strong>und</strong> Innovationspotential zu erhöhen, um damit unter verschärften<br />
Wettbewerbsbedingungen bestehen zu können. 21<br />
Was sich recht trivial anhört<br />
<strong>und</strong> wohl mittlerweile ein beliebter Gemeinplatz geworden ist, auf<br />
dem sich so ziemlich jeder einfinden kann, entwickelt seine Brisanz freilich<br />
erst dann, wenn man genauer nachfragt, was das eigentlich bedeutet. Deshalb<br />
mag es nützlich sein, nochmals an die Debatte über ein mögliches<br />
Ende der Massenproduktion zu erinnern.<br />
21 Trotz der Gefahr uns zu wiederholen, sei nochmals betont, daß die allenthalben<br />
konstatierte Verschärfung der Wettbewerbsbedingungen nicht als rein exogene<br />
Entwicklung zu verstehen ist, wenn es auch aus der Sicht des einzelnen Unternehmens<br />
meist so aussehen mag. Die Unternehmen tragen durch die von ihnen<br />
verfolgten Strategien zu dieser Veränderung der Verwertungsbedingungen recht<br />
tatkräftig bei - mit der Konsequenz, daß ihnen die nicht-intendierten Folgen<br />
ihres eigenen Handelns als verschärfte Marktanforderungen entgegentreten.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
Diese Diskussion bezieht einen Teil ihres Reizes nicht zuletzt daraus, daß<br />
parallel zur Krise der Massenproduktion eine Krise des Großunternehmens<br />
impliziert wird. Durch die bislang unterschätzte "Größe der Kleinen"<br />
(Aiginger, Tichy 1985) scheint es möglich geworden, dem Prinzip "small is<br />
beautiful" doch noch zum Durchbruch zu verhelfen: Von Landesregierungen<br />
eingesetzte Kommissionen prophezeien goldene Zeiten für innovationsfähige<br />
Klein- <strong>und</strong> Mittelbetriebe; Befürworter der "flexiblen Spezialisierung"<br />
sehen Chancen für eine "Yeoman-Democracy" genannte Variante<br />
des Individualismus, in der der Staat für die Schaffung von Bedingungen<br />
verantwortlich ist, die zur Entstehung einer Republik von Kleineigentümern<br />
führen sollen (Piore, Sabel 1985); verschiedentlich wird sogar über<br />
die tendenzielle Auflösung formaler Organisation spekuliert (Mill, Weißbach<br />
1992).<br />
Nach unserem Eindruck spricht jedoch einstweilen einiges dafür, daß sich<br />
das "angeschlagene" Modell der Massenproduktion <strong>und</strong> mit ihm das<br />
Großunternehmen als Organisationsform, wenn auch in modifizierter<br />
Weise, noch eine Zeitlang wird halten können. Das bedeutet freilich nicht,<br />
daß alles mehr oder weniger beim alten bleibt. Sollte es den Großunternehmen<br />
gelingen, Formen "flexibler Spezialisierung" in ihre traditionellen<br />
Produktions- <strong>und</strong> Organisationsstrukturen zu integrieren, wird sich nicht<br />
nur ihr Erscheinungsbild nachhaltig ändern. Wenn Massenproduktion <strong>und</strong><br />
"flexible Spezialisierung" nicht mehr als konkurrierende, sondern als komplementäre<br />
Prinzipien zu verstehen sind (Brandt 1986b), werden sich neben<br />
den unternehmensinternen Strukturen vor allem die unternehmensübergreifenden<br />
Verflechtungsbeziehungen <strong>und</strong> Kooperationsmuster verändern.<br />
22<br />
Dabei können Kleinfirmen zwar durchaus in der Lage sein,<br />
selbst in High-Tech-Bereichen bestimmte Marktnischen zu besetzen. Es<br />
gibt allerdings zahlreiche Beispiele dafür, daß zum überwiegenden Teil<br />
eher eine Beherrschungsbeziehung zwischen Großunternehmen <strong>und</strong><br />
Kleinbetrieben zu erwarten ist. 23<br />
22 Vgl. dazu die innerhalb der Organisationstheorie - <strong>und</strong> neuerdings auch in der<br />
Industriesoziologie - geführte Debatte über Netzwerke, die als institutionelle<br />
Alternative zu preisdeterminierten <strong>und</strong> hierarchischen Austauschbeziehungen<br />
gelten (Thorelli 1986; Grabher 1988; Bieber 1992; Mill, Weißbach 1992.)<br />
23 Das bedeutet freilich nicht, wie die jüngere Vergangenheit gerade im Elektrobereich<br />
gezeigt hat, daß die Organisationsform des Großunternehmens eine Garantie<br />
für ökonomische Erfolge <strong>und</strong> Schutz vor "fre<strong>und</strong>lichen" oder "unfre<strong>und</strong>lichen<br />
Übernahmen" wäre.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
Die Diskussion über den Wandel moderner Unternehmens- <strong>und</strong> Marktstrukturen<br />
ist keinesfalls eine rein akademische Übung. Das wird schnell<br />
deutlich, wenn man die gesellschaftliche Funktion von Großunternehmen<br />
in kapitalistischen Industriegesellschaften berücksichtigt. Bekanntlich fehlt<br />
es in kapitalistisch verfaßten Ökonomien an einer zentralen Planungsinstanz.<br />
Die Funktion der gesellschaftlichen Koordination wird deshalb in<br />
nicht unerheblichem Maße zur inneren Angelegenheit von Großunternehmen.<br />
Aufgr<strong>und</strong> des Umfangs ihrer Investitionsentscheidungen muß der<br />
Ort der gesellschaftlichen Kontrolle <strong>und</strong> Koordination eher bei ihnen als<br />
beim Staat gesucht werden.<br />
Diese Koordinations- <strong>und</strong> Kontrollfunktion wird noch offensichtlicher,<br />
wenn man die Ausgabenstruktur für Forschung <strong>und</strong> Entwicklung betrachtet.<br />
Die einschlägigen Statistiken belegen die überragende sozio-ökonomische<br />
Bedeutung der innerhalb der Industrie durchgeführten Forschung<br />
<strong>und</strong> Entwicklung. Der von der Wirtschaft aufgebrachte Anteil an den FuE-<br />
Gesamtausgaben in der B<strong>und</strong>esrepublik hat mittlerweile die 70 %-Marke<br />
überschritten. Berücksichtigt man außerdem, daß ein Gutteil der akademischen<br />
Anstrengungen zur Produktion neuen wissenschaftlichen <strong>und</strong> technischen<br />
Wissens in enger Kooperation mit der Industrie erfolgt, so muß<br />
deren Bedeutung noch höher veranschlagt werden. Betrachtet man die<br />
FuE-Aufwendungen der Unternehmen nach Beschäftigtengrößenklassen<br />
(s. Abschnitt 6.7), so wird unschwer die Dominanz der Großunternehmen<br />
sichtbar. Mit ihren komplexen Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungsorganisationen<br />
<strong>und</strong> den dazu gehörigen Wissenschaftlern <strong>und</strong> Ingenieuren verfügen<br />
sie über Möglichkeiten, denen auf gesellschaftlicher bzw. politischer Ebene<br />
nichts Vergleichbares gegenübersteht. Es liegt auf der Hand, daß sich mit<br />
diesem forschungs- <strong>und</strong> technologiepolitisch hochrelevanten Potential eine<br />
beträchtliche gesellschaftliche Macht verbindet.<br />
Indem hier die Machtpotentiale von Großunternehmen <strong>und</strong> damit auch<br />
die Bedeutung von dort entwickelten Strategien hervorgehoben werden,<br />
soll weder einem unhaltbaren Voluntarismus das Wort geredet noch die<br />
gesellschaftliche oder technologische Entwicklung auf die in einigen Konzernzentralen<br />
getroffenen forschungs- <strong>und</strong> technologiepolitischen Entscheidungen<br />
zurückgeführt werden. Auch liegt uns nichts ferner, als verschwörungstheoretische<br />
Varianten aus der Debatte über den Monopolkapitalismus<br />
wiederzubeleben. Aber gerade in Zeiten, in denen die Technikforschung<br />
eine Kehrtwendung gemacht hat - von einer Innovationstheorie,<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
die den exogenen Charakter von Technik betont, zu einer Auffassung, die<br />
von einer beträchtlichen Formbarkeit <strong>und</strong> Plastizität der Technologie ausgeht<br />
- scheint es uns nötig daran zu erinnern, daß vor allem bei der Entwicklung<br />
technologischer Systeme, ob willentlich <strong>und</strong> planmäßig oder gedankenlos<br />
<strong>und</strong> unbeabsichtigt, politische <strong>und</strong> soziale Strukturierungen eingebaut<br />
werden, die die Spielräume bei der Anwendung dieser Systeme<br />
einschränken oder vorwegbestimmen. Der programmatischen Erklärung<br />
W. Rammerts kann deshalb durchaus zugestimmt werden:<br />
"Wer gegenwärtig kompetent die Folgen neuer Techniken abschätzen will,<br />
kann dies nicht ohne genauere Kenntnis über die sozialen Bedingungen<br />
der Erzeugung <strong>und</strong> Gestaltung technischer Produkte angehen. Denn in den<br />
organisierten Prozessen der <strong>Technikentwicklung</strong>, in den Forschungsinstituten<br />
<strong>und</strong> Industrielabors fallen schon die Vorentscheidungen über Gestalt<br />
<strong>und</strong> Verwendung neuer Produkte <strong>und</strong> damit auch für einen Teil der Folgen"<br />
(Rammert 1990, S. 335).<br />
Und ein zentraler gesellschaftlicher Ort, wo diese Vorentscheidungen fallen,<br />
sind die Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungsorganisationen multinationaler<br />
Großunternehmen.<br />
Zumindest für diese Organisationen dürfte auch die These zutreffend sein,<br />
daß Wissenschaft <strong>und</strong> Technologie oder immaterielle anstatt materieller<br />
Arbeit zur wichtigsten Gr<strong>und</strong>lage der Kapitalverwertung avancieren<br />
(Brandt 1987). Ob es deshalb auch schon gerechtfertigt ist, von einem aufkommenden<br />
Wissenschaftskapitalismus (Rammert) oder einem technologischen<br />
Kapitalismus (Karpik) zu sprechen, muß aufgr<strong>und</strong> der Vagheit<br />
<strong>und</strong> Unausgeführtheit dieser Konzepte einstweilen offen bleiben. Aber<br />
wenn es auf Unternehmensebene gelingt, in Kooperation mit staatlicher<br />
Forschung <strong>und</strong> akademischer Wissenschaft, die technisch-wissenschaftlichen<br />
Voraussetzungen eines neuen ökonomischen Aufschwungs herauszubilden,<br />
müßte das als weiterer Beleg für die Regenerationsfähigkeit des<br />
modernen Kapitalismus gewertet werden. Und gerade in Zeiten gesellschaftlicher,<br />
politischer <strong>und</strong> ökonomischer Umbrüche, in denen die Weichen<br />
für die weitere Entwicklung neu gestellt werden, stellt die Verfügung<br />
über wissenschaftlich-technische Potentiale eine Machtressource erster<br />
Güte dar. Dies unterstreicht noch einmal die Bedeutung derjenigen Unternehmen,<br />
die in der Lage sind, die wissenschaftliche <strong>und</strong> technische<br />
Entwicklung aktiv voranzutreiben. Allerdings müßten sich neben den notwendigen<br />
technisch-wissenschaftlichen Bedingungen einer neuen Prosperi-<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
tätsperiode auch die hinreichenden Bedingungen sozio-ökonomischer Art<br />
herausbilden, die einen solchen Aufschwung erst ermöglichen. Manches<br />
spricht dafür, daß sich auf der Ebene des Sozial- <strong>und</strong> Wirtschaftssystems<br />
gegenwärtig Veränderungen dieser Art vollziehen, die die Gr<strong>und</strong>lage einer<br />
neuen, sich selbst verstärkenden "Prosperitätskonstellation" (Bechtle, Lutz<br />
1989) bilden könnten. Freilich sind dabei erhebliche Belastungs- <strong>und</strong> Gefährdungspotentiale<br />
für die bestehenden Arbeits- <strong>und</strong> Lebensverhältnisse<br />
nicht zu übersehen. Deshalb muß der neuerdings modische Optimismus,<br />
die Entwicklungsdynamik des Kapitalismus bringe nach dem "Ende der<br />
Arbeitsteilung" (mit Fragezeichen) <strong>und</strong> dem "Ende der Massenproduktion"<br />
(ohne Fragezeichen) gravierende positive Veränderungen für die abhängig<br />
Beschäftigten mit sich, ernsthaft in Frage gestellt werden.<br />
Alle Versuche, die die immer wieder geäußerte Forderung nach einer<br />
stärkeren Hinwendung der Industriesoziologie zur Gesellschaftstheorie<br />
(vgl. Schmiede 1983; Malsch 1987b; Sauer 1987) einlösen wollen, hätten<br />
darüber hinaus zu reflektieren, was es für die Entwicklung marktwirtschaftlich<br />
organisierter Gesellschaften bedeutet, daß der technische Fortschritt<br />
für bestimmte Unternehmen nicht länger nur eine (hinzunehmende)<br />
Kontextbedingung ist, sondern in immer stärkerem Maße zu einem<br />
zentralen Handlungsparameter ihrer Strategien aufrückt. Sowohl für<br />
die Weiterentwicklung einer historisch gerichteten Gesellschaftstheorie als<br />
auch für die Soziologie der gesellschaftlichen Arbeit dürfte es jedenfalls<br />
nicht länger möglich sein zu vernachlässigen, daß<br />
"die Reproduktion entwickelter Industriegesellschaften auf sie (Wissenschaft<br />
im Sinn lebendiger wissenschaftlicher Arbeit <strong>und</strong> Technik als Verkörperung<br />
wissenschaftlicher Arbeit) <strong>und</strong> nicht mehr oder nicht mehr allein<br />
auf im unmittelbaren Produktionsprozeß geleistete Arbeit sich stützt"<br />
(Brandt, Papadimitriou 1990, S. 205).<br />
Eben darauf haben wir aufmerksam machen wollen. Es steht aber zu befürchten,<br />
daß weite Teile der Industriesoziologie die in dieser These enthaltene<br />
Herausforderung noch immer nicht wahrgenommen haben.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
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Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
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ZVEI (Zentralverband der Elektrotechnik- <strong>und</strong> Elektronikindustrie e.V.): Statistische<br />
Berichte, mehrere Jahrgänge, Frankfurt.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
DAS INSTITUT FÜR SOZIALWISSENSCHAFTLICHE FORSCHUNG E.V.<br />
- <strong>ISF</strong> MÜNCHEN -<br />
Das <strong>ISF</strong> ist ein eingetragener Verein mit anerkannter Gemeinnützigkeit.<br />
Es besteht seit 1965. Mitglieder des Vereins sind überwiegend langjährige<br />
Mitarbeiter des <strong>ISF</strong>.<br />
Die Leitung des Instituts obliegt einem Institutsrat, der aus wissenschaftlichen<br />
Mitarbeitern <strong>und</strong> einer Verwaltungsangestellten besteht. Alle sind<br />
langjährige Mitarbeiter des <strong>ISF</strong>; sie zeichnen für jeweils unterschiedliche<br />
Ressorts verantwortlich.<br />
Den Forschungsschwerpunkten entsprechend arbeiten drei bis sechs Wissenschaftler<br />
gleichberechtigt in eigenverantwortlichen Projektgruppen zusammen.<br />
Sie führen neben den Projekten der Auftragsforschung auch<br />
theoretische Gr<strong>und</strong>lagenarbeiten im Rahmen des Sonderforschungsbereichs<br />
333 "Entwicklungsperspektiven von Arbeit" der Ludwig-Maximilians-Universität<br />
<strong>München</strong> durch. Überschneidungen in der Zuständigkeit<br />
einzelner Wissenschaftler für Teilprojekte dienen dem Erfahrungsaustausch,<br />
der gemeinsamen Weiterentwicklung theoretischer Ansätze sowie<br />
der Koordination <strong>und</strong> Abklärung der Forschungsergebnisse. Synergieeffekte<br />
können auf diese Weise erreicht werden.<br />
Derzeit beschäftigt das <strong>ISF</strong> rd. 25 fest angestellte wissenschaftliche Mitarbeiter<br />
mit sozial-, wirtschafts- <strong>und</strong> ingenieurwissenschaftlicher Ausbildung,<br />
nicht selten mit einer Zusatz- oder Doppelqualifikation (Wirtschaftswissenschaften/Soziologie,<br />
Jurisprudenz/Soziologie bzw. Nationalökonomie,<br />
Ingenieurwissenschaften/Soziologie, Psychologie/Nationalökonomie). Interdisziplinäre<br />
Zusammenarbeit ist damit gewährleistet, der Schwerpunkt<br />
liegt bei der Industriesoziologie. Die wissenschaftlichen Mitarbeiter haben<br />
überwiegend langjährige Forschungserfahrung. Mehr als zehn Mitarbeiterinnen<br />
kümmern sich um Organisations-, Verwaltungs- <strong>und</strong> Schreibarbeiten.<br />
Wissenschaftliche <strong>und</strong> studentische Hilfskräfte <strong>und</strong> zeitweilig herangezogene<br />
Experten für Spezialgebiete ergänzen den Mitarbeiterstab.<br />
Ein Überblick über die bisherigen Arbeiten <strong>und</strong> Veröffentlichungen ist<br />
über das Institut erhältlich.<br />
INSTITUT FÜR SOZIALWISSENSCHAFTLICHE FORSCHUNG E.V. - <strong>ISF</strong> MÜNCHEN<br />
Jakob-Klar-Straße 9 - 80796 <strong>München</strong> 40 - Tel. 089/272921-0 - Fax 089/272921-60<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
Ausgewählte Buchveröffentlichungen 1988 -1993<br />
Böhle, Fritz; Milkau, Brigitte: Vom Handrad zum Bildschirm - Eine Untersuchung<br />
zur sinnlichen Erfahrung im Arbeitsprozeß, Frankfurt/New York 1988.<br />
Ernst, Angelika: Dauerbeschäftigung <strong>und</strong> Flexibilität in Japan - Beschäftigungspolitik<br />
japanischer Unternehmen in Rationalisierungs- <strong>und</strong> Krisenphasen, Frankfurt/New<br />
York 1988.<br />
<strong>ISF</strong> <strong>München</strong> (Hrsg.): Arbeitsorganisation bei rechnerintegrierter Produktion - Zur<br />
Einführung neuer Techniken in der Metallindustrie, KfK-PFT 137, Karls-ruhe<br />
1988.<br />
Altmann, Norbert; Sauer, Dieter (Hrsg.): Systemische Rationalisierung <strong>und</strong> Zulieferindustrie<br />
- Sozialwissenschaftliche Aspekte zwischenbetrieblicher Arbeitsteilung,<br />
Frankfurt/New York 1989.<br />
Döhl, Volker; Altmann, Norbert; Deiß, Manfred; Sauer, Dieter: Neue Rationalisierungsstrategien<br />
in der Möbelindustrie I - Markt <strong>und</strong> Technikeinsatz, Frankfurt/New<br />
York 1989.<br />
Deiß, Manfred; Altmann, Norbert; Döhl, Volker; Sauer, Dieter: Neue Rationalisierungsstrategien<br />
in der Möbelindustrie II - Folgen für die Beschäftigten, Frankfurt/New<br />
York 1989.<br />
Düll, Klaus; Lutz, Burkart (Hrsg.): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> Arbeitsteilung im internationalen<br />
Vergleich - Fünf Aufsätze zur Zukunft industrieller Arbeit,<br />
Frankfurt/New York 1989.<br />
<strong>ISF</strong> <strong>München</strong> (Hrsg.): Strategische Optionen der Organisations- <strong>und</strong> Personalentwicklung<br />
bei CIM - Beiträge zur Initiative CIM-Technologie-Transfer, KfK-PFT<br />
148, Karlsruhe 1989.<br />
Köhler, Christoph; Preisendörfer, Peter (Hrsg.): Betrieblicher Arbeitsmarkt im<br />
Umbruch - Analysen zur Mobilität, Segmentation <strong>und</strong> Dynamik in einem<br />
Großbetrieb, Frankfurt/New York 1989.<br />
Lutz, Burkart; Moldaschl, Manfred: Expertensysteme <strong>und</strong> industrielle Facharbeit -<br />
Ein Gutachten über denkbare qualifikatorische Auswirkungen von Expertensystemen<br />
in der fertigenden Industrie, Frankfurt/New York 1989.<br />
Schultz-Wild, Rainer; Nuber, Christoph; Rehberg, Frank; Schmierl, Klaus: An der<br />
Schwelle zu CIM - Strategien, Verbreitung, Auswirkungen, RKW-Verlag, Verlag<br />
TÜV Rheinland, Eschborn/Köln 1989.<br />
Behr, Marhild von; Köhler, Christoph (Hrsg.): Werkstattoffene CIM-Konzepte -<br />
Alternativen für CAD/CAM <strong>und</strong> Fertigungssteuerung, KfK-PFT 157, Karlsruhe<br />
1990.<br />
Deiß, Manfred; Döhl, Volker; Sauer, Dieter, unter Mitarbeit von Altmann, Norbert:<br />
Technikherstellung <strong>und</strong> Technikanwendung im Werkzeugmaschinenbau - Automatisierte<br />
Werkstückhandhabung <strong>und</strong> ihre Folgen für die Arbeit, Frankfurt/New<br />
York 1990.<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890
Hirsch-Kreinsen, Hartmut; Schultz-Wild, Rainer; Köhler, Christoph; Behr, Marhild<br />
von: Einstieg in die rechnerintegrierte Produktion - Alternative Entwicklungspfade<br />
der Industriearbeit im Maschinenbau, Frankfurt/New York 1990.<br />
Rose, Helmuth (Hrsg.): Programmieren in der Werkstatt - Perspektiven für Facharbeit<br />
mit CNC-Maschinen, Frankfurt/New York 1990.<br />
Düll, Klaus; Bechtle, Günter, unter Mitarbeit von Moldaschl, Manfred: Massenarbeiter<br />
<strong>und</strong> Personalpolitik in Deutschland <strong>und</strong> Frankreich - Montagerationalisierung<br />
in der Elektroindustrie I, Frankfurt/New York 1991.<br />
Mendius, Hans Gerhard; Wendeling-Schröder, Ulrike (Hrsg.): Zulieferer im Netz -<br />
Zwischen Abhängigkeit <strong>und</strong> Partnerschaft, Neustrukturierung der Logistik am<br />
Beispiel der Automobilzulieferung, B<strong>und</strong> Verlag, Köln 1991.<br />
Moldaschl, Manfred: Frauenarbeit oder Facharbeit? - Montagerationalisierung in<br />
der Elektroindustrie II, Frankfurt/New York 1991.<br />
Semlinger, Klaus (Hrsg.): Flexibilisierung des Arbeitsmarktes - Interessen, Wirkungen,<br />
Perspektiven, Frankfurt/New York 1991.<br />
Tokunaga, Shigeyoshi; Altmann, Norbert; Nomura, Masami; Hiramoto, Atsushi: Japanisches<br />
Personalmanagement - ein anderer Weg? - Montagerationalisierung in<br />
der Elektroindustrie III, Frankfurt/New York 1991.<br />
Altmann, Norbert; Köhler, Christoph; Meil, Pamela (eds.): Technology and Work in<br />
German Industry, Routledge, London/New York 1992.<br />
Böhle, Fritz; Rose, Helmuth: Technik <strong>und</strong> Erfahrung - Arbeit in hochtechnisierten<br />
Systemen, Frankfurt/New York 1992.<br />
Deiß, Manfred; Döhl, Volker (Hrsg.): Vernetzte Produktion - Automobilzulieferer<br />
zwischen Kontrolle <strong>und</strong> Autonomie, Frankfurt/New York 1992.<br />
Grüner, Hans: Mobilität <strong>und</strong> Diskriminierung - Deutsche <strong>und</strong> ausländische Arbeiter<br />
auf einem betrieblichen Arbeitsmarkt, Frankfurt/New York 1992.<br />
Tokunaga, Shigeyoshi; Altmann, Norbert; Demes, Helmut (eds.): New Impacts on<br />
Industrial Relations - Internationalization and Changing Production Strategies,<br />
Iudicium Verlag, <strong>München</strong> 1992.<br />
Bieber, Daniel; Möll, Gerd: <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong> -<br />
Zur Rationalisierung von Innovationsprozessen in der Elektroindustrie, Frankfurt/New<br />
York 1993.<br />
Drexel, Ingrid: Das Ende des Facharbeiteraufstiegs? - Neue mittlere Bildungs- <strong>und</strong><br />
Karrierewege in Deutschland <strong>und</strong> Frankreich - ein Vergleich, Frankfurt/New<br />
York 1993.<br />
Drexel, Ingrid (Hrsg.): Jenseits von Individualisierung <strong>und</strong> Angleichung - Die Entstehung<br />
neuer Arbeitnehmergruppen in vier europäischen Ländern, Frankfurt/New<br />
York 1993 (Veröffentlichung in Vorbereitung).<br />
Fischer, Joachim: Der Meister - Ein Arbeitskrafttypus zwischen Erosion <strong>und</strong> Stabilisierung,<br />
Frankfurt/New York 1993 (Veröffentlichung in Vorbereitung).<br />
Hirsch-Kreinsen, Hartmut: NC-Entwicklung als gesellschaftlicher Prozeß - Amerikanische<br />
<strong>und</strong> deutsche Innovationsmuster der Fertigungstechnik, Frankfurt/New<br />
York 1993 (Veröffentlichung in Vorbereitung).<br />
Bieber/Möll (1993): <strong>Technikentwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Unternehmensorganisation</strong>.<br />
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-67890