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Kapitel 6 Supraleitung

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<strong>Kapitel</strong> 6<br />

<strong>Supraleitung</strong><br />

6.1 Historische Entwicklung<br />

Die Entdeckung der <strong>Supraleitung</strong> war wesentlich getrieben von dem Versuch ein besseres<br />

Verständnis des elektrischen Leitungsmechanismus in Metallen zu gewinnen.<br />

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war diese Kenntnis noch ziemlich lückenhaft. Bezüglich<br />

der Frage des elektrischen Widerstand für T → 0 gab es drei denkbare Möglichkeiten<br />

• James Dewar (1904):<br />

Der Widerstand geht mit sinkendem T stetig gegen Null<br />

(naheliegend wg. starker Abnahme von ρ mit sinkendem T ).<br />

• Heinrich F. L. Matthiesen (1884):<br />

Der Widerstand strebt mit sinkendem T einem festen Grenzwert zu<br />

d.h. ρ(T → 0K)→ ρ rest ,<br />

(ρ rest ist vom Reinheitsgrad abhängig)<br />

→ Matthiesen-Regel<br />

ρ(T ) ≈ ρ rest + ρ phonon (T ) (MatthiessenscheRegel). (6.1)<br />

Streuung der Elektronen im Festkörper an Gitterfehlern und Phononen<br />

• Lord Kelvin (1902):<br />

Der Widerstand steigt mit sinkendem T bei T nahe 0 K stark<br />

(→ Lokalisierung der Elektronen).<br />

329


330 <strong>Kapitel</strong> 6 <strong>Supraleitung</strong><br />

Abb. 6.1: Zur Temperaturabhängigkeit<br />

des elektrischen<br />

Widerstands von Metallen<br />

bei tiefen Temperaturen<br />

[aus W. Buckel, <strong>Supraleitung</strong>,<br />

VCH Weinheim,<br />

5. Aufl. (1994); Abb.1].<br />

Daraus motivierten sich die Bestrebungen von K. Onnes mit Helium das letzte noch<br />

nicht verflüssigte Edelgas zu verflüssigen und damit im Kelvin-Bereich experimentieren<br />

zu können.<br />

• 1908: Erste Verflüssigung von Helium,<br />

T siede (p =1bar)=4.2 K<br />

Durch Druckerniedrigung (Abpumpen)<br />

sogar T ∼ 1 K erreichbar<br />

• 1908-1911: Untersuchung des spezifischen Widerstandes sehr reiner Metalle<br />

(z.B. Platin, Gold)<br />

→ Restwiderstand abhängig vom Reinheitsgrad<br />

(entspricht Kurve 2 in Abb.6.1)<br />

Allerdings neigte Onnes zur Annahme, daß der Widerstand in absolut<br />

reinen Proben gegen Null gehen sollte (Kurve 1 in Abb.6.1).<br />

• 1911: Onnes wechselt zu Quecksilber (Hg),<br />

in der Hoffnung dieses noch reiner herstellen zu können<br />

(durch wiederholte Destillation)<br />

→ beobachtete in der Tat einen verschwindenden (unmeßbar kleinen)<br />

Widerstand bei T =4.2K.


6.1 Historische Entwicklung 331<br />

Bei genauerer Betrachtung stellte er jedoch fest, daß der Übergang zu R=0 in einem<br />

T -Intervall von wenigen 10mK stattfand:<br />

Abb. 6.2: <strong>Supraleitung</strong>von<br />

Quecksilber [nach H.K. Onnes,<br />

Comm. Leiden 120b<br />

(1911), aus W. Buckel, <strong>Supraleitung</strong>,<br />

VCH Weinheim,<br />

5. Aufl. (1994); Abb.3].<br />

”.. Mercury has passed into a new state, which on account of its extraordinary electrical<br />

properties may be called the superconductive state” 1 .<br />

→ Widerstand verschwindet für T


332 <strong>Kapitel</strong> 6 <strong>Supraleitung</strong><br />

Geschichte der <strong>Supraleitung</strong> (SL)<br />

1908 Heliumverflüssigung (K. Onnes, Leiden)<br />

1911 Entdeckung der <strong>Supraleitung</strong> (K. Onnes, Leiden) ρ = 0 – Nobelpreis 1913<br />

1933 Meissner-Ochsenfeld-Effekt B =0<br />

1935 London-Theorie (phänomenologisch)<br />

– lineare Elektrodynamik der SL<br />

1950 Ginzburg-Landau-Theorie (phänomenologisch)<br />

–ausTheoried.Phasenübergänge → Ordnungsparameter<br />

1957 BCS-Theorie – mikroskopische Theorie<br />

(John Bardeen, Leon N. Cooper, John R. Schrieffer) – Nobelpreis 1972<br />

1957 exp. Bestimmung der Energielücke aus IR-Absorption<br />

– Glover, Tinkham<br />

1960/61 exp. Bestimmung der Energielücke aus<br />

Tunnelexperimenten – Giaever – Nobelpreis 1973<br />

1960 Flussquantisierung – Doll, Näbauer; Deaver, Fairbank<br />

1962 Josephson-Effekt (Theorie) – B.D. Josephson – Nobelpreis 1973<br />

1963 exp. Bestätigung des dc Josephson-Effekts – Anderson, Rowell<br />

bis 1986 höchste Sprungtemperatur: T c =23K in Nb 3 Ge<br />

Entwicklung von Anwendungen: Energietechnik, Elektronik<br />

1986 Entdeckung der Hochtemperatur-<strong>Supraleitung</strong> (HTS)<br />

in La-Ba-Cu-O – J.G. Bednorz, K.A. Müller – Nobelpreis 1987<br />

Rekord-T c =133K in HgBa 2 Ca 2 Cu 3 O 8<br />

2003 <strong>Supraleitung</strong> stellt aktuelles, vielseitiges Forschungsgebiet dar<br />

Anmerkungen:<br />

• die Entwicklung der Helium-Verflüssigung war wesentliche Voraussetzung für die<br />

Entdeckung der <strong>Supraleitung</strong>.<br />

Flüssiges Helium (LHe) ist wichtigstes Kühlmittel für Experimente im Kelvin-<br />

Bereich.<br />

• Die BCS-Theorie erlaubt sehr gute Beschreibung des supraleitenden Zustands.<br />

Daher galt das Gebiet bis Mitte der achtziger Jahre als nahezu ”abgeschlossen”.<br />

• Die HTS erbrachte eine schlagartige Wiederbelebung der SL-Forschung.<br />

→ viele neue und interessante Aspekte und Impulse für SL:<br />

– Materialien: stark anisotrope, geschichtete Kuprate – reichhaltige Defektstruktur<br />

– Grundlagen: Mechanismus der HTS bis heute ungeklärt. Unkonventionelle<br />

Symmetrie des Ordnungsparameters<br />

– Anwendungen: spezielle Eigenschaften und vereinfachte Kühltechnik mit<br />

flüssigem Stickstoff (LN s ) steigern das Anwendungspotential.


6.2 Grundlegende Eigenschaften 333<br />

6.2 Grundlegende Eigenschaften<br />

Widerstand R→ 0<br />

Messung ist natürlich immer durch eine Nachweisgrenze der Apparatur limitiert.<br />

empfindlichste Messung:<br />

Abklingen eines Dauerstroms in einem supraleitenden Ring<br />

= genaueste Nachweismethode für R =0<br />

Abb. 6.3: Erzeugung<br />

eines Dauerstroms<br />

in einem supraleitenden<br />

Ring[aus<br />

W. Buckel, <strong>Supraleitung</strong>,<br />

VCH Weinheim,<br />

5. Aufl. (1994); Abb.5].<br />

Ersatzschaltbild:<br />

Abkühlen des Rings der Induktivität L im externen Magnetfeld.<br />

Im supraleitenden Zustand (T


334 <strong>Kapitel</strong> 6 <strong>Supraleitung</strong><br />

In der Tat ist selbst mit modernster Ausrüstung kein Widerstand meßbar. Dies liefert<br />

eine untere Grenze für den spezifischen Widerstand im supraleitenden Zustand von<br />

bei T =4.2K (z.B. in Nb mit T c =9.25 K).<br />

ρ


6.2 Grundlegende Eigenschaften 335<br />

Wichtige supraleitende Materialien<br />

Bald nach der Entdeckung der <strong>Supraleitung</strong> wurde dieses Phänomen auch in anderen<br />

Metallen gefunden.<br />

→ Viele Metalle und intermetallische Verbindungen. Beispiele:<br />

T c [K] Entdeckung<br />

Hg 4.15 1911<br />

Pb 7.20<br />

Nb 9.20<br />

Nb 3 Sn 18.3 1952<br />

Nb 3 Ge 23 1972<br />

MgB 2 40 2001<br />

Tabelle 6.1: ”LTS” (low-T c superconductors),<br />

”konventionelle Supraleiter”<br />

→ Kuprat-Verbindungen (dotierte Oxide)<br />

T c [K] Entdeckung<br />

La 2−x Sr x CuO 4−y 30 1987<br />

YBa 2 Cu 3 O 7 90 1988<br />

Bi 2 Sr 2 CaCu 2 O 8 90 1988<br />

Tl 2 Ba 2 CaCu 2 O 8 90 1988<br />

Tl 2 Ba 2 Ca 2 Cu 3 O 10 125 1988<br />

HgBa 2 CaCu 3 O ∗ 8 135 1993<br />

u.v.a.<br />

∗ bei p = 1 bar, unter Druck bis 160 K<br />

Tabelle 6.2: ”Hochtemperatursupraleiter”,<br />

”HTS”, (high-T c superconductors)<br />

Abb. 6.5: Hochtemperatursupraleiter Bi-2212: Kristallstruktur (links) und TEM-Bild<br />

(rechts).


336 <strong>Kapitel</strong> 6 <strong>Supraleitung</strong><br />

Abb. 6.6: Zeitliche Entwicklungder Entdeckungvon Materialien mit Sprungtemperatur T c<br />

[adaptiert aus Spektrum der Wissenschaften, Mai 1997].<br />

Einige exotische Verbindungen<br />

• Dotiertes SrTiO 3 ,(Ba, K)BiO 3 → T c 40 K<br />

Ruthen-Oxide (z.B. Sr 2 RuO 4 T c =1.5K<br />

Ruthenokuprate (z.B. RuSr 2 GdCu 2 O 8 T c ≈ 50 K)<br />

Abb. 6.7: Ruthenokuprat Ru-1212: Kristallstruktur (links) und schematische Darstellungder<br />

Schichtstruktur als Ferromagnet/Isolator/Supraleiter-Stapel (rechts).


6.2 Grundlegende Eigenschaften 337<br />

• Organische Supraleiter<br />

insbes. ”Bechgaard-Salze (Kettenmoleküle)<br />

Abb. 6.8: Stukturformel von BEDT-TTF<br />

z.B. K − (BEDT − TTF) 2 Cu[N(CN) 2 )]Br → T c =11.2K<br />

• ”Schwere-Fermionen-Supraleiter”<br />

z.B. UPt 3 → T c =1.5K<br />

sehr grosse effektive Masse m eff ≈ 100 ...1000 m e<br />

→ grosse Zustandsdichte bei E F , starke Elektronen-Korrelationen<br />

• Dotierte Fullerene (C 60 ), z.B. K 3 C 60 (T c =19K)oderRb 2 CsC 60 (T c =31K)<br />

Abb. 6.9: Struktur von C 60<br />

⇒ <strong>Supraleitung</strong> ist ein häufiges Phänomen bei tiefen Temperaturen!<br />

Technologisch wichtig:<br />

• Nb, Pb, Nb 3 Sn, Al<br />

• Hochtemperatursupraleiter, vor allem<br />

– YBa 2 Cu 3 O 7 (YBCO)<br />

– Bi 2 Sr 2 CaCu 2 O 8 (BSCCO, Bi-2212)<br />

– Bi 2 Sr 2 Ca 2 Cu 3 O 10 (Bi-2223)<br />

– Tl 2 Ba 2 CaCu 2 O 8 (Tl-2212)<br />

Für die Grundlagen:<br />

derzeit Hochtemperatursupraleiter, exotische Verbindungen


338 <strong>Kapitel</strong> 6 <strong>Supraleitung</strong><br />

Supraleiter im Magnetfeld<br />

Erwartung bei idealer Leitfähigkeit:<br />

Maxwell:<br />

˙⃗B = −rotE<br />

⃗ }<br />

Ohm: E ⃗ = ⃗j/σ<br />

⇒ ˙⃗ B = −<br />

1<br />

σ rot ⃗j → 0 → für σ →∞<br />

⇒ ⃗ B ist konstant nach Durchgang durch T c .<br />

→ 2Möglichkeiten:<br />

1. zuerst kühlen in B =0 ⇒ Feldverdrängung<br />

dann Feld B anlegen (bei T


6.2 Grundlegende Eigenschaften 339<br />

”Typ-I-Supraleiter”<br />

Abb. 6.10: Supraleiter I. Art im Magnetfeld: der Meissner-Effekt<br />

• Immer Feldverdrängung für T


340 <strong>Kapitel</strong> 6 <strong>Supraleitung</strong><br />

Typ-II-Supraleiter<br />

B


6.2 Grundlegende Eigenschaften 341<br />

Flussschläuche formen Dreiecksgitter (”Abrikosov-Gitter”)<br />

Abb. 6.14: Schematische Darstellungder Shubnikov-Phase. Magnetfeld und Supraströme<br />

sind nur für zwei Flussschläuche gezeichnet [aus W. Buckel, <strong>Supraleitung</strong>, VCH Weinheim,<br />

5. Aufl. (1994); Abb.78].<br />

Abbildung des Abrikosov-Gitters:<br />

durch Bestäuben (”Dekorieren”) mit Eisenkolloid<br />

Aufwärmen → Anschauen unter dem Mikroskop<br />

(Eßmann, Träuble, 1966)<br />

Abb. 6.15: Elektronenmikroskopische Aufnahme eines Flussquantengitters nach der Dekoration<br />

mit Eisenkolloid [aus W. Buckel, <strong>Supraleitung</strong>, VCH Weinheim, 5. Aufl. (1994); Abb.79].


342 <strong>Kapitel</strong> 6 <strong>Supraleitung</strong><br />

Materialien:<br />

Fast alle Supraleiter mit T c 5K.<br />

Nb: B c2 =0.2 T,<br />

Nb 3 Sn: B c2 =23T,<br />

Bi2212:<br />

— B c2 ∼ 30 T (Feld ⊥ CuO 2 -Ebene)<br />

— B c2 > 300 T (Feld ‖ CuO 2 -Ebene)<br />

Abb. 6.16: Typ-II-SL: Feld B i im Supraleiter<br />

vs. externes Feld B ext ; Annahme: Stabförmige<br />

Probe, keine Feldkompression durch Entmagnetisierungsfaktoren.<br />

Abb. 6.17: Demonstration des Meissner-Effekts durch Levitation: Supraleiter wird im Magnetfeld<br />

über Ringmagnet abgekühlt. Die Feldverdrängung infolge des Meissner-Effekts führt<br />

zu Levitation.<br />

”Pinning”:<br />

Die Flussfäden (Abrikosov-Vortices) besitzen einen normalleitenden Kern<br />

→ energetisch günstiger wenn sich normalleitender Kern in nicht-supraleitendem Bereich<br />

(Defekt) befindet<br />

→ Defekte wirken als Haftzentren für Flussfäden<br />

Abb. 6.18: Pinningin Typ-II Supraleitern führt zu Stabilität bei Levitation.


6.2 Grundlegende Eigenschaften 343<br />

Abb. 6.19: Schwebender Sumo


344 <strong>Kapitel</strong> 6 <strong>Supraleitung</strong><br />

Flussquantisierung im supraleitenden Ring<br />

Wir hatten gesehen, dass durch Induktion ein Dauerstrom in einem supraleitenden<br />

Ring (od. Zylinder) angeworfen werden kann<br />

→ erzeugt ”eingefrorenen” Fluss<br />

”klassische” Erwartung: eingefrorener Fluss kann beliebige Werte annehmen.<br />

aber, Vermutung von F. London: 3<br />

quantenmechanische Betrachtung → magnetischer Fluss im Supraleiter ist quantisiert,<br />

in Einheiten von h/e<br />

→ Flussquantisierung ist Folge der quantenmechanischen Natur des supraleitenden<br />

Zustands:<br />

Supraleitendes Kondensat ist durch makroskopische Wellenfunktion<br />

(∼ 10 23 Teilchen!) mit definierter Phase beschreibbar:<br />

Ψ=Ψ 0 · e iϕ (6.6)<br />

mit |Ψ| 2 = n s (Dichte supraleitender Ladungsträger, aus BCS-Theorie).<br />

Betrachte supraleitenden Ring:<br />

Die Supraleiter-Wellenfunktion muß eindeutig sein.<br />

⇒ bei Umlauf entlang eines beliebigen Weges muss die Phase ϕ modulo 2π<br />

in sich übergehen ∮<br />

⃗∇ϕ d ⃗ l = n · 2π; n =0, ±1,... (6.7)<br />

aus der Quantenmechanik:<br />

• kanonischer Impuls eines Teilchens im Magnetfeld ( ⃗ B =rot ⃗ A):<br />

• Teilchenstromdichte für supraleitende Ladungsträger<br />

(Dichte n s , Geschwindigkeit v s , Masse m s , Ladung q s ):<br />

n s ⃗v s =<br />

⃗p = ⃗ k = m⃗v + q ⃗ A (6.8)<br />

i (<br />

Ψ ·<br />

2m ⃗∇Ψ ∗ − Ψ ∗ · ⃗∇Ψ<br />

)<br />

s<br />

} {{ }<br />

− q sn s<br />

m s<br />

· ⃗A (6.9)<br />

mit (6.6):<br />

= −2in s<br />

⃗ ∇ϕ<br />

3 F. London, Superfluids, Vol. I, p. 152, Wiley (1950).


6.2 Grundlegende Eigenschaften 345<br />

also 4 ⃗ ∇ϕ = m s ⃗v s + q s<br />

⃗ A ≡ ⃗p (6.10)<br />

→ verknüpft Suprastromdichte j s = q s n s v s mit räumlichem Phasengradienten<br />

und dem Magnetfeld ⃗ B =rot ⃗ A:<br />

⃗j s = q sn s <br />

⃗<br />

q ∇ϕ +<br />

sn 2 s A ⃗ (6.11)<br />

m s m s<br />

Die Beziehung (6.10) eingesetzt in die Forderung (6.7) der Eindeutigkeit der Wellenfunktion<br />

liefert<br />

∮<br />

n · 2π = ⃗∇ϕ d ⃗ l<br />

= 1 ∮<br />

(m s ⃗v s + q sA)d ⃗ ⃗ l<br />

<br />

mit j s = q s n s v s : = m ∮<br />

s<br />

⃗j s d<br />

q s n ⃗ l + q ∮<br />

s<br />

⃗Ad<br />

s <br />

⃗ l<br />

(6.12)<br />

} {{ }<br />

nach Satz v. Stokes:<br />

= ∫ rotAd ⃗ F ⃗ = ∫<br />

F<br />

F<br />

⃗Bd ⃗ F =Φ<br />

×(/q s ) ⇒ n ·<br />

h<br />

= m s<br />

q }{{} s n s qs<br />

}{{}<br />

2<br />

≡Φ 0<br />

≡Λ≡µ 0 λ 2 L<br />

∮<br />

⃗j s d ⃗ l + Φ (6.13)<br />

nΦ 0 = µ o λ 2 L<br />

∮<br />

⃗j s d ⃗ l + Φ<br />

”Fluxoidquantisierung”<br />

(6.14)<br />

mit ”Flussquant” Φ 0 ≡ h/q s<br />

und ”London-Eindringtiefe” λ L ≡ (m s /µ 0 n s q 2 s) 1/2<br />

Häufig fließen Ströme im Supraleiter nur in einer sehr dünnen Schicht<br />

(erstreckt sich über die London-Eindringtiefe λ L – typischerweise 100 nm).<br />

Dann kann der Integrationsweg in das Innere des Supraleiters gelegt werden – dort ist<br />

j s =0( ∮ ⃗j s d ⃗ l exponentiell klein), und es gilt die Flussquantisierung.<br />

nΦ 0 = Φ<br />

”Flußquantisierung”<br />

(6.15)<br />

4 Die Beziehung ⃗ ∇ϕ = ⃗p in die Bedingung für die Eindeutigkeit von Ψ eingesetzt liefert ∮ ⃗p d⃗s =<br />

n · h; entspricht also der Quantenbedingung des Bohr’schen Atommodells. Im Wellenbild entspricht<br />

dies der Forderung, dass eine Welle bei einem Umlauf in sich übergehen muss, also die Wellenlänge<br />

λ = h/|⃗p| ”passen” muss.


346 <strong>Kapitel</strong> 6 <strong>Supraleitung</strong><br />

Experiment (Doll, Näbauer, 1961) 5<br />

Messung des magnetischen Flusses in einem supraleitenden Hohlzylinder<br />

in Abhängigkeit des extern angelegten Einkühlfeldes B ext :<br />

1. B ext bei T>T c anlegen und Probe in B ext kühlen<br />

2. B ext wegnehmen → wegen Ḃ = 0: Fluß bleibt ”eingefroren”;<br />

Zylinder verhält sich wie ein Stabmagnet, Moment⃗µ<br />

3. Wechselfeld B ac parallel zu ⃗µ anlegen.<br />

-Drehmoment ⃗ T = ⃗µ × ⃗ B ac<br />

- Zylinder schwingt; Amplitude ∝ µ ∝ Φ an Resonanz.<br />

Dann aufwärmen und wiederholen für verschiedene Werte für B ext<br />

Abb. 6.20: Experimenteller Nachweis der Flussquantisierungin Pb nach Doll und Näbauer:<br />

experimenteller Aufbau (links) [aus W. Buckel, <strong>Supraleitung</strong>, VCH Weinheim, 5. Aufl. (1994);<br />

Abb.22] und Messergebnis (rechts) [aus R. Doll, M. Näbauer, Phys. Rev. Lett. 7, 51 (1961)].<br />

5 R. Doll, M. Näbauer, Phys. Rev. Lett. 7, 51 (1961)


6.2 Grundlegende Eigenschaften 347<br />

Schwierigkeit des Experiments:<br />

Nachweis von sehr kleiner Flussänderung<br />

→ Präparation von Flusszuständen mit möglichst kleinem n<br />

(liefert große relative Änderung)<br />

⇒ kleine Ringfläche erforderlich<br />

Für Querschnittfläche A =1mm 2 :<br />

Erzeugung eines Flussquant bereits durch sehr kleines Feld B Φ0 =Φ 0 /A ≈ 2nT<br />

(Erdmagnetfeld ist mit ca. 60 µT um Faktor 3000 größer !)<br />

im Experiment:<br />

Röhrchen mit Durchmesser 10 µm (r =5µ m) ergibt B Φ0 =Φ 0 /πr 2 ≈ 26 µT<br />

(ist mit sorgfältiger Abschirmung machbar)<br />

Ähnliches Experiment: Deaver, Fairbank, 1961 6<br />

⇒ Ergebnis:<br />

im Zylinder ”eingefrorener” Fluss<br />

Φ=B ext · A + L · I = nΦ 0 , n =0, ±1,... (6.16)<br />

mit dem Flussquant<br />

Φ 0 ≡ h 2e =2.07 · 10−15 Vs (6.17)<br />

Unterschied zu London’s Vermutung:<br />

q s =2e statt e im Nenner → Ladungsträger des Suprastroms sind Cooper-Paare,<br />

und nicht einzelne Elektronen<br />

Anmerkung:<br />

√<br />

⇒ London − Eindringtiefe λ L =<br />

ms<br />

n s (2e) 2 µ 0<br />

(6.18)<br />

die Fluxoidquantisierung gilt nicht nur für einen supraleitenden Ring (SL mit Loch),<br />

sondern allgemein für einen Supraleiter der von magnetischem Fluss durchsetzt ist.<br />

→ Flussquanten in Typ-II Supraleitern<br />

6 B. S. Deaver Jr., W M. Fairbank, Phys. Rev. Lett. 7, 43 (1961)


348 <strong>Kapitel</strong> 6 <strong>Supraleitung</strong><br />

Feldverdrängung im Meißner-Zustand<br />

Betrachte homogenen, massiven Supraleiter im Feld:<br />

wie beim Ring:<br />

Fluxoidquantisierung<br />

n Φ 0 = µ o λ 2 L<br />

∮<br />

⃗j s d ⃗ l +Φ<br />

gilt für jeden Weg im Supraleiter.<br />

Ziehe den Integrationsweg auf einen Punkt zusammen.<br />

• Φ → 0, da die Fläche → 0<br />

• ∮ ⃗j s d ⃗ l → 0, da der Umfang → 0<br />

⇒ n Φ 0 =0 ⇒ n = 0 als einzige Lösung<br />

∫<br />

mit (6.14) ⇒ Φ=<br />

⃗Bd ⃗ F = −µ 0 λ 2 L<br />

∮<br />

⃗j s d ⃗ l<br />

oder (mit ∮ ⃗j s d ⃗ l = ∫ F<br />

rot⃗j s d ⃗ F )<br />

⃗B = −µ 0 λ 2 Lrot⃗j s 2. London-Gleichung (6.19)<br />

Vergleiche mit der Maxwell-Gleichung:<br />

∮<br />

∫<br />

⃗<br />

Bd ⃗ l = µ 0 (⃗j + ε 0<br />

˙⃗E) dF<br />

⃗<br />

oder rot ⃗ B = µ 0<br />

⃗j (6.20)<br />

mit<br />

gilt dann<br />

rot rotB ⃗ =graddiv } {{ B ⃗ } −∆B ⃗ (6.21)<br />

=0<br />

∆ ⃗ B = −rotµ 0<br />

⃗j s (6.22)<br />

mit 2. London-Gleichung (6.19)<br />

⇒ ∆ ⃗ B = 1<br />

λ 2 L<br />

⃗B (6.23)


6.2 Grundlegende Eigenschaften 349<br />

Lösung von ∆B ⃗ = λ −2 ⃗ L<br />

B,<br />

z.B. für supraleitenden Halbraum (x >0) mit B ⃗ ⊥ x:<br />

B = B ext · e −x/λ L<br />

Feld klingt im Supraleiter exponentiell mit der Eindringtiefe λ L ab.<br />

Abb. 6.21: Abklingen des Magnetfeldes am<br />

Rand eines supraleitenden Halbraums.<br />

Wegen rot ⃗ B = µ 0<br />

⃗j ⇒ auch ⃗j klingt proportional zu e −x/λ L<br />

Stromdichte am Rand (⊥ x, ⊥ ⃗ B):<br />

ab.<br />

London-Eindringtiefe<br />

j = − 1 µ 0<br />

∂B<br />

∂x = B(x)<br />

µ 0 λ L<br />

wegen λ L ∝ n −1/2<br />

s :<br />

mit T → T c geht n s → 0 und daher λ L →∞<br />

Wert steigt mit sinkendem T → empirische Formel:<br />

λ L (T )=<br />

λ L (0)<br />

[ ( ) ] 4 1/2<br />

(6.24)<br />

T<br />

1 −<br />

T c<br />

Typische Werte für λ L ,(T =0)<br />

In<br />

Pb<br />

Nb<br />

YBCO<br />

24 nm<br />

32 nm<br />

30-90 nm<br />

150 nm (B ‖ Ebenen)<br />

>800 nm (B ⊥ Ebenen)


350 <strong>Kapitel</strong> 6 <strong>Supraleitung</strong><br />

Flußschläuche in Typ-II-Supraleiter<br />

• Ausbilden eines normalleitenden ”Kerns” auf Achse des Flussschlauchs<br />

• n = ±1 in Fluxoidquantisierungsbedingungen.<br />

• Feld im Flussschlauch B ∝ e −r<br />

λ L /√<br />

r<br />

λ L<br />

• Feld im Zentrum B max ≈ Φ 0<br />

πλ 2 L<br />

für radialen Abstand vom Zentrum r ≫ λ L<br />

≈ 50 ...100 mT<br />

Anmerkung zur London-Theorie<br />

geht aus von ”2-Flüssigkeiten”-Modell:<br />

Ladungsträgerdichte<br />

n = n s + n n (6.25)<br />

mit Dichten n s der supraleitenden und n n der normalleitenden Ladungsträger<br />

mit n s → 0für T → T c und n n → 0für T → 0K<br />

Annahmen:<br />

(i) genügend kleine E- ⃗ und H-Felder ⃗ → n s unabhängig von E ⃗ und H ⃗<br />

(ii) n s ist räumlich konstant<br />

⇒ London-Gleichungen = lineare Beziehungen zwischen j s , E ⃗ und H ⃗<br />

• Zusammenhang j s (E) = 1. London-Gleichung:<br />

Bewegungsgleichung für supraleitenden Ladungsträger im E-Feld: ⃗<br />

mit der Suprastromdichte<br />

folgt dann<br />

und damit<br />

⃗E = d ) (Λ⃗j s mit<br />

dt<br />

m s<br />

d⃗v s<br />

dt = q s ⃗ E<br />

⃗j s = n s q s ⃗v s<br />

( )<br />

d ⃗ j s<br />

m s = q sE<br />

⃗<br />

dt n s q s<br />

Λ ≡ m s<br />

n s q 2 s<br />

≡ µ 0 λ 2 L (1. London − Gl.) (6.26)<br />

Konsequenz: im stationären Zustand, d.h. = 0 gilt E ⃗ = 0 im<br />

dt<br />

Supraleiter (”verlustfreier Stromtransport”)<br />

• Zusammenhang j s (B) = 2. London-Gleichung<br />

⃗j s = − 1 Λ ⃗ A<br />

beschreibt Stromdichte an Oberfläche, die externes Feld abschirmt<br />

→ ”idealer Diamagnetismus”<br />

d⃗j s


6.3 Thermodynamik der Supraleiter 351<br />

6.3 Thermodynamik der Supraleiter<br />

6.3.1 kritisches Feld von Massiv-Supraleitern<br />

- thermodynamisches kritisches Feld<br />

betrachte langen Zylinder eines Typ-I-Supraleiters im longitudinalen homogenen Feld<br />

H 0<br />

Frage: was ist das kritische Feld H c ?<br />

sei H 0


352 <strong>Kapitel</strong> 6 <strong>Supraleitung</strong><br />

[cgs] F n − F s0 = H2 c<br />

8π<br />

[SI] F n − F s0 = µ 0H 2 c<br />

2<br />

= B2 c<br />

2µ 0<br />

(6.29)<br />

H c ist also ein Maß welches angibt um wieviel der supraleitende Zustand gegenüber<br />

dem normalleitenden Zustand energetisch (bzgl. freier Energie) günstiger ist.<br />

→ H c mißt Differenz in freier Energie N-SL<br />

→ thermodynamisches kritisches Feld<br />

6.3.2 Entropie eines Supraleiters<br />

aus der Thermodynamik:<br />

• δQ = δW + δU (1. Hauptsatz)<br />

(Q:Wärmemenge; W : verrichtete Arbeit; U innere Energie – jeweils pro Volumen)<br />

• Freie Energiedichte F = U − TS<br />

(T : Temperatur; S: Entropie)<br />

• δF = δU − TδS − SδT<br />

• für reversible Prozesse gilt δQ = TδS ⇒ (mit 1.Hauptsatz) δU = TδS − δW<br />

⇒ δF = −δW − SδT<br />

( ) ∂F<br />

⇒ S = −<br />

(6.30)<br />

∂T<br />

W<br />

Mit (6.30) berechnen wir nun den Entropieunterschied NL↔SL<br />

Aus (6.30) und (6.29) folgt<br />

S s − S n =<br />

=<br />

( ) ( )<br />

∂Fn ∂Fs<br />

−<br />

∂T<br />

W<br />

∂T<br />

( )<br />

∂(Fn − F s )<br />

= 1<br />

8π<br />

= H c<br />

4π<br />

∂T<br />

( ) ∂H<br />

2<br />

c<br />

∂T<br />

( ) ∂Hc<br />

∂T<br />

W<br />

W<br />

W<br />

W<br />

(6.31)<br />

⇒ folgende physikalische Resultate:<br />

• aus Nernst-Theorem: S(T =0)=0 ⇒ S s (T =0)− S n (T =0)=0− 0=0<br />

( ) ∂Hc<br />

⇒<br />

=0<br />

∂T<br />

T =0<br />

d.h. waagrechte Tangente der H c (T )-Kurve bei T =0


6.3 Thermodynamik der Supraleiter 353<br />

• aus experimentellem Befund: H c (T ) ist monoton fallend<br />

⇒ für alle 0


354 <strong>Kapitel</strong> 6 <strong>Supraleitung</strong><br />

6.3.3 Spezifische Wärme<br />

Definition: spezifische Wärme<br />

Differenz SL-NL:<br />

C ≡ T · ∂S<br />

∂T<br />

C s − C n = T · ∂(S s − S n )<br />

∂T<br />

(6.32)<br />

(6.33)<br />

mit S s − S n aus (6.31) folgt dann<br />

C s − C n = T 4π<br />

[ (∂Hc<br />

∂T<br />

) ]<br />

2<br />

∂ 2 H c<br />

+ H c<br />

∂T 2<br />

(6.34)<br />

bei T = T c : es gilt H c =0<br />

⇒<br />

(C s − C n ) T −Tc = T c<br />

4π<br />

( ) 2 ∂Hc<br />

(6.35)<br />

∂T<br />

T =T c<br />

Diese – als Rutgers-Gleichung bekannte – Beziehung impliziert einen Sprung der<br />

spezifischen Wärme bei T = T c<br />

Die Höhe des Sprungs ist nach (6.35) ∝ T c und zum Quadrat der Steigung der H c (T )-<br />

Kurve bei T c<br />

Abb. 6.23: Temperaturabhängigkeit<br />

der spezifischen<br />

Wärme eines Supraleiters<br />

[aus V.V. Schmidt,<br />

The Physics of Superconductors,<br />

Springer, Berlin<br />

(1997); Abb.1.11].


6.3 Thermodynamik der Supraleiter 355<br />

Temperaturabhängigkeit der spezifischen Wärme:<br />

Form der Kurve aus dem Experiment<br />

bei T>T c :<br />

bei Metallen dominiert üblicherweise der elektronische Beitrag zu spezifischen Wärme<br />

→ C n ∝ T<br />

bei T


356 <strong>Kapitel</strong> 6 <strong>Supraleitung</strong><br />

6.4 Die Ginzburg-Landau-Theorie<br />

(auch ”GLAG” = Ginzburg-Landau-Abrikosov-Gorkov)<br />

ist eine phänomenologische Theorie (erklärt nicht den ”Mechanismus” der <strong>Supraleitung</strong>)<br />

– berücksichtigt aber Quanteneffekte<br />

wesentliche Annahmen:<br />

• Wellenfunktion Ψ(⃗r, t) beschreibt die Gesamtheit der supraleitenden Ladungsträger<br />

(kohärenter Zustand)<br />

• Ψ ≡ Ordnungsparameter der supraleitenden Phase<br />

ausgehend von Landau’s Theorie der Phasenübergänge 2. Ordnung<br />

(für T − T c ≪ T c )<br />

→|Ψ| =0für T>T c<br />

|Ψ| > 0für T 0<br />

7 Für Teilchen der Masse m gilt E kin<br />

/Vol. = 1 m |−i∇Ψ|2 .


6.4 Die Ginzburg-Landau-Theorie 357<br />

→ Thermodynamisch korrekte Behandlung des Supraleiters nahe T c<br />

→ Erklärt Unterschied Typ I / Typ II Supraleiter<br />

Abrikosov (1957):<br />

GL-Theorie für supraleitende Legierungen<br />

⇒ Theorie für Typ-II Supraleiter<br />

Ergebnis:<br />

σ ns > 0für Typ-I-SL<br />

σ ns < 0für Typ-II-SL → kein Meissner-Effekt für B>B c1<br />

Magnetfeld dringt in SL ein<br />

als einzelne Flussfäden<br />

<strong>Supraleitung</strong> existiert bis zu hohen Feldern B c2<br />

starte mit einfachstem Fall:<br />

homogener Supraleiter und H=0<br />

→ Ψ ist unabhängig von ⃗r<br />

Taylor-Entwicklung der freien Energiedichte in |Ψ| 2 nahe T c :<br />

F s0 = F n + α|Ψ| 2 + 1 2 β|Ψ|4 + ... (6.37)<br />

genügend nahe bei T c ist |Ψ| 2 klein, so dass die Entwicklung in guter Näherung nach<br />

dem Term |Ψ| 4 abgebrochen werden kann.<br />

Suche nun |Ψ 0 | 2 für das F s0 minimal wird, also<br />

dF s0<br />

d|Ψ 0 | =0 ⇒ α + β|Ψ 0| 2 =0<br />

2<br />

⇒ |Ψ 0 | 2 = −α/β (6.38)<br />

Eingesetzt in (6.37):<br />

F s0 = F n − α2<br />

β + α2<br />

2β<br />

= F n − α2<br />

2β<br />

⇒ F n − F s0 = α2<br />

2β = µ 0Hc<br />

2<br />

2<br />

= B2 c<br />

2µ 0<br />

} {{ }<br />

aus6.29<br />

(6.39)<br />

damit gilt also für die Koeffizienten der Taylor-Entwicklung<br />

Bc 2 = µ 0α 2<br />

β<br />

⇒ β>0 (6.40)


358 <strong>Kapitel</strong> 6 <strong>Supraleitung</strong><br />

T -Abhängigkeit von α und β:<br />

• α(T ):<br />

aus |Ψ 0 | 2 = −α/β folgt mit<br />

|Ψ 0 | 2 =0 für T = T c ⇒ α =0 beiT = T c<br />

|Ψ 0 | 2 > 0 für TT c<br />

⇒ in 1. Ordnung (in T − T c ): β = const<br />

→ Setze<br />

( ) T<br />

α(T ) = α 0 − 1<br />

T c<br />

β = β 0 = const (mit α 0 ,β 0 > 0) (6.41)<br />

Zusammenhang zwischen den Koeffizienten α, β und B c , n s :<br />

mit<br />

n s = |Ψ 0 | 2 = − α β<br />

⇒<br />

β = − α n s<br />

da B 2 c = µ 0 α 2 /β gilt also<br />

α = − 1 µ 0<br />

B 2 c<br />

n s<br />

β = 1 µ 0<br />

B 2 c<br />

n 2 s<br />

(6.42)<br />

liefert also für kritisches Feld nahe T c :<br />

B 2 c = −µ 0 n s α = µ 0 n s α 0 (1 − T T c<br />

)


6.4 Die Ginzburg-Landau-Theorie 359<br />

allgemeiner Fall: inhomogener Supraleiter im Magnetfeld<br />

Die entscheidende Erweiterung der phänomenologischen Beschreibung erfolgte nun<br />

durch den Ansatz für die Gibbs-Funktion des Supraleiters im Magnetfeld unter der<br />

Berücksichtigung einer möglichen räumlichen Variation von Ψ:<br />

- inhomogener SL → Ψ(⃗r)<br />

- externes Magnetfeld H 0<br />

- Gibbsche freie Energiedichte: G = F − ⃗ B · ⃗H 0<br />

liefert neue Terme:<br />

• kinetische Energie der supraleitenden Ladungsträger<br />

→ Einfluß des Gradienten ∇Ψ: ⃗<br />

In Analogie zur Schrödinger-Gleichung; Energieterm:<br />

p 2<br />

2m → 1 ∣ ∣∣∣ <br />

∇Ψ<br />

2m s i ⃗ 2<br />

∣<br />

• Einfluß von Magnetfeldern:<br />

1. Gradiententerm<br />

→ 1 ∣( )<br />

∣∣∣ <br />

∇−q<br />

2m s i ⃗ sA ⃗ Ψ<br />

∣<br />

berücksichtigt eine mögliche räumliche Variation der Dichte der supraleitenden<br />

Ladungsträger und des Magnetfeldes im Innern des SL<br />

(erfasst Supraströme, die zur Variation des Magnetfeldes erforderlich sind)<br />

2. Feldverdrängung im Supraleiter<br />

→ 1<br />

2µ 0<br />

| ⃗ B ext − ⃗ B i | 2 ; ⃗ B =rot ⃗ A<br />

erfasst Energie, die nötig ist um das Magnetfeld von B 0 (außerhalb des SL)<br />

auf B i zu ändern<br />

(maximale Verdrängungsenergie in Meissner-Phase: B i =0)<br />

2<br />

⇒ G s = G n + α|Ψ| 2 + 1 2 β|Ψ|4 + 1 2 | ⃗ B 0 − ⃗ B i | 2 + 1<br />

2m s<br />

|(−i ⃗ ∇−q s<br />

⃗ A)Ψ|<br />

2<br />

(6.43)<br />

Problemstellung:<br />

• Finde Differentialgleichung für Ψ(⃗r) und ⃗ A(⃗r),<br />

die Gibbsche Freie Energie G = ∫ GdV minimiert<br />

(→ physikalisch realisierter Zustand)<br />

• Identifiziere α, β mit meßbaren Größen


360 <strong>Kapitel</strong> 6 <strong>Supraleitung</strong><br />

Die Ginzburg-Landau-Gleichungen<br />

Minimierung von G durch Variationsprinzip: δG = 0, Variation nach Ψ, Ψ ∗ , ⃗ A.<br />

Man findet: 8<br />

• Variation nach Ψ ∗ αΨ+β|Ψ| 2 Ψ+ 1<br />

2m s<br />

(−i ⃗ ∇−q s<br />

⃗ A) 2 Ψ = 0 (6.44)<br />

1. Ginzburg-Landau-Gleichung<br />

(Variation nach Ψ: Gleiches Ergebnis mit Ψ → Ψ ∗ )<br />

Die 1. GL-Gleichung entspricht einer Schrödinger-Gleichung mit Eigenwert −α,<br />

bis auf den Term in |Ψ| 2 :<br />

→ Ψ erzeugt ein quasi auf sich selbst wirkendes Potential<br />

→ begünstigt eine möglichst homogene Verteilung von Ψ(⃗r)<br />

• Variation nach ⃗ A<br />

⃗j s = iq s<br />

2m s<br />

(Ψ ∗ ⃗ ∇Ψ − Ψ ⃗ ∇Ψ ∗ ) − q2 s<br />

m s<br />

|Ψ| 2 ⃗ A (6.45)<br />

2. Ginzburg-Landau-Gleichung<br />

= quantenmechanischer Ausdruck für Teilchenstrom mit Wellenfunktion Ψ<br />

• Zu ergänzen durch geeignete Randbedingungen:<br />

z.B. kein Strom fliesse durch Supraleiter-Vakuum/Isolator-Grenzfläche<br />

(j s ⊥ Oberfläche = 0)<br />

⇒ ⃗n(−i ⃗ ∇−q s<br />

⃗ A)Ψ = 0 (⃗n : Normaleneinheitsvektor) (6.46)<br />

Anmerkung:<br />

Vergleiche die zweite Ginzburg-Landau-Gleichung mit London:<br />

rot ⃗ B = −µ 0 λ 2 ⃗j s<br />

oder ⃗ A = −µ 0 λ 2 j s<br />

⇒ Ginzburg-Landau → London, wenn der Gradiententerm = 0!<br />

8 siehe z.B. V.V. Schmidt, The Physics of Superconductors, Springer, Berlin (1997); Seite ??ff


6.4 Die Ginzburg-Landau-Theorie 361<br />

Lösung der Ginzburg-Landau-Gleichungen<br />

Die Lösung der GL-Gleichungen ermöglicht die Bestimmung der Stromverteilung und<br />

der Magnetfeldverteilung für spezielle Fälle<br />

(rein mathematisches Problem)<br />

→ für den einfachen Fall eines homogenen SL im Nullfeld haben wir schon vor<br />

Einführung der Gradiententerme eine Lösung erhalten.<br />

Die Shubnikov-Phase ist – wie von Abrikosov gezeigt wurde – ein Lösung der GL-<br />

Gleichungen.<br />

Normierung der GL-Gleichungen<br />

für die Durchführung von Rechnungen wird üblicherweise eine Lösung für die normierte<br />

Wellenfunktion gesucht:<br />

dimensionslose Wellenfunktion<br />

ψ(⃗r) ≡ Ψ(⃗r) mit Ψ 2 0 = n s = |α|<br />

Ψ 0 β<br />

mit den (zunächst formalen) Definitionen<br />

ξ 2<br />

λ 2<br />

≡<br />

≡<br />

2<br />

2m s |α|<br />

m s<br />

=<br />

m sβ<br />

n s qsµ 2 0 µ 0 qs|α|<br />

2<br />

(6.47)<br />

folgen die normierten GL-Gleichungen<br />

−ψ + |ψ| 2 ψ + ξ 2 (i ⃗ ∇ + 2π<br />

Φ 0<br />

⃗ A) 2 ψ = 0 (6.48)<br />

und<br />

iΦ 0<br />

⃗j s =<br />

4πµ 0 λ 2 (ψ∗ ∇ψ ⃗ − ψ∇ψ ⃗ ∗ ) − 1<br />

µ 0 λ 2 |ψ|2 A ⃗<br />

( )<br />

mit ψ=e iϕ = |ψ|2 Φ0<br />

µ 0 λ 2 2π ∇ϕ − A ⃗ . (6.49)<br />

Aus der Randbedingung (6.46) wird<br />

⃗n(i ⃗ ∇ + 2π<br />

Φ 0<br />

⃗ A)ψ = 0 (6.50)


362 <strong>Kapitel</strong> 6 <strong>Supraleitung</strong><br />

Eichinvarianzder GL-Gleichungen<br />

Das Vektorpotential ⃗ A ist durch das Magnetfeld ⃗ B =rot ⃗ A nicht eindeutig festgelegt.<br />

Mit ⃗ A = ⃗ A ′ + ∇φ (φ sei eine beliebige eindeutige, skalare Funktion) gilt<br />

⃗B =rot ⃗ A =rot( ⃗ A ′ + ∇φ) =rot ⃗ A ′ +rot∇φ<br />

} {{ }<br />

=0<br />

Frage:<br />

hängen die Lösungen der GL-Gleichungen von der Wahl von ⃗ A ab ?<br />

⇔ sind die GL-Gleichungen eichinvariant ?<br />

Es lässt sich zeigen, dass dies der Fall ist für die folgende Transformation:<br />

⃗A = A ⃗′ + ∇φ<br />

[<br />

ψ = ψ ′ exp i 2π ]<br />

φ(⃗r)<br />

Φ 0<br />

(6.51)<br />

wichtige Konsequenz:<br />

es lässt sich (für einfach zusammenhängende Körper) immer eine Eichung finden in der<br />

ψ reell wird.<br />

Charakteristische Längen<br />

Wir suchen nun nach der physikalischen Bedeutung der im Zuge der Normierung der<br />

GL-Gleichungen eingeführten Größen ξ und λ.<br />

• ξ =( 2 /2m s |α|) 1/2<br />

einfaches Beispiel: Normal-Supraleiter-Grenzfläche (x = 0; SL im Bereich x>0)<br />

Die Dichte der SL-Ladungsträger – und damit |ψ| – muss an der Grenzfläche zum<br />

NL hin absinken (im Inneren des SL gilt |ψ| =1).<br />

Frage: über welche Länge sinkt |ψ| ab ?<br />

- 1-dim. Problem: ψ(⃗r) → ψ(x)<br />

- 1-fach zusammenhängender SL → ψ reell<br />

mit der Eichung A ⃗ = 0 folgt aus der (normierten) 1. GL-Gleichung (6.48)<br />

0 = −ψ + |ψ| 2 ψ + ξ 2 (i ⃗ ∇) 2 ψ<br />

= −ψ + ψ 3 − ξ 2 d2 ψ<br />

dx 2 (6.52)


6.4 Die Ginzburg-Landau-Theorie 363<br />

Annahme:<br />

sei NL eine sehr dünne Schicht → geringe Abweichung von ψ =1anderOberfläche<br />

(ψ =1− ε mit ε ≪ 1)<br />

unter Vernachlässigung aller quadratischen und kubischen Terme in ε gilt dann<br />

ξ 2 d2 ε<br />

− 2ε =0<br />

dx2 ⇒ ε = ε(0) · e −√ 2x/ξ<br />

mit<br />

ε → 0für x →∞<br />

d.h. ξ ist die Abklinglänge des Ordnungsparameters, bzw. der SL-Ladungsträgerdichte<br />

Aus der oben abgeleiteten T -Abhängigkeit des Koeffizienten α folgt für die häufig<br />

auch mit ξ GL bezeichnete ”Ginzburg-Landau-Kohärenzlänge”<br />

√<br />

ξ GL =<br />

2<br />

2m s |α| =<br />

ξ GL(0)<br />

√1 − T T c<br />

(6.53)<br />

• λ =(m s β/µ 0 q 2 s|α|) 1/2<br />

dies ist die bereits im Rahmen der Flussquantisierung eingeführte London-<br />

Eindringtiefe λ L<br />

→ Abklinglänge für Magnetfelder im SL<br />

Die T -Abhängigkeit nahe T c ist wegen λ ∝ |α| −1 dieselbe wie für die<br />

Kohärenzlänge<br />

√<br />

λ L =<br />

m s β<br />

µ 0 qs|α| = λ L(0)<br />

(6.54)<br />

√1 2 − T T c<br />

Die GL-Theorie führt also zwei charakteristische Längen ein (ξ GL ,λ L ).<br />

Das Verhältnis beider Größen ist definiert als der Ginzburg-Landau-Parameter<br />

κ ≡ λ L<br />

ξ GL<br />

(6.55)<br />

Aus der oben abgeleiteten Beziehung Bc 2 = µ 0 α 2 /β und den Definitionen für λ und ξ<br />

folgt<br />

κ = λ 2 1 ·<br />

λξ<br />

= √ 2 2π λ 2 B c (6.56)<br />

Φ 0<br />

bzw. die nützliche Beziehung<br />

√<br />

2Bc = Φ 0<br />

2π · 1<br />

(6.57)<br />

λξ<br />

Eine wichtige Konsequenz ergibt sich aus dem Wert des GL-Parameters κ.<br />

Hierzu betrachten wir die ...


364 <strong>Kapitel</strong> 6 <strong>Supraleitung</strong><br />

Energie einer N-S Grenzfläche<br />

Wir betrachte einen Festkörper der eine Grenzfläche zwischen einem normalleitenden<br />

(NL) und supraleitenden (SL) Bereich bildet.<br />

Abb. 6.25: NL-SL-Grenzfläche mit<br />

externem Magnetfeld parallel zur<br />

Grenzfläche zwischen NL- und SL-<br />

Halbraum<br />

Die Betrachtung der Gibbschen freien Energiedichten G n im NL-Bereich und G s im<br />

SL-Bereich – in genügend großem Abstand von der Grenzfläche – liefert G n = G s .<br />

Die Grenzflächenenergiedichte ist dann definiert als<br />

σ ns =<br />

∫ ∞<br />

(G sH − G n )dx (6.58)<br />

−∞<br />

Die Berechnung im Rahmen der GL-Theorie liefert für σ ns<br />

∫∞<br />

[ ( ) ]<br />

2<br />

σ ns = 2B2 c dψ<br />

ξ 2 + B(B − B c)<br />

dx (6.59)<br />

µ 0 dx<br />

−∞<br />

Hierbei liegt im NL-Bereich gerade das kritische Feld B c an. Dieses fällt im SL-Bereich<br />

stetig auf Null ab.<br />

Die Amplitude der (normierten) Wellenfunktion fällt vom Wert ψ ∞ = 1 im Inneren<br />

des SL-Bereichs über der Grenzfläche stetig auf den Wert ψ =0ab.<br />

Die Grenzflächenenergie enthält nach der obigen Gleichung zwei Beiträge:<br />

• linker Term im Integral ( ⃗ ∇ψ) 2 > 0:<br />

Aufgrund des Abfalls der Dichte der supraleitenden Ladungsträger ”opfert” der<br />

SL Kondensationsenergie an der Grenzfläche<br />

→ positiver Beitrag zu σ ns ∝ B 2 c · ξ<br />

(tritt nicht auf im Rahmen der London-Theorie !)<br />

2B 2 c<br />

• rechter Term im Integral B(B − B c ) < 0:<br />

Feld kann in Supraleiter eindringen<br />

→ Weniger Feldverdrängungsenergie<br />

→ negativer Beitrag (Energiegewinn) zu σ ns ∝−Bc 2 · λ


6.4 Die Ginzburg-Landau-Theorie 365<br />

Veranschaulichung beider Grenzfälle:<br />

• κ ≪ 1 ⇔ λ L ≪ ξ Gl<br />

Abb. 6.26: Räumliche Variation<br />

des Ordnungsparameters<br />

ψ und des Magnetfelds<br />

H an SL-NL-<br />

Grenzfläche – Grenzfall<br />

κ ≪ 1 [aus V.V. Schmidt,<br />

The Physics of Superconductors,<br />

Springer, Berlin<br />

(1997); Abb.3.4].<br />

dψ/dx-Term dominiert ⇒ σ ns ∝ ξ · B 2 c > 0 → Grenzfläche energetisch<br />

ungünstig<br />

• κ ≫ 1 ⇔ λ L ≫ ξ Gl<br />

Abb. 6.27: Räumliche Variation<br />

des Ordnungsparameters<br />

ψ und des Magnetfelds<br />

H an SL-NL-<br />

Grenzfläche – Grenzfall<br />

κ ≫ 1 [aus V.V. Schmidt,<br />

The Physics of Superconductors,<br />

Springer, Berlin<br />

(1997); Abb.3.5].<br />

B-Term dominiert ⇒ σ ns ∝−λ·B 2 c < 0 → Grenzfläche energetisch günstig


366 <strong>Kapitel</strong> 6 <strong>Supraleitung</strong><br />

Genaue Rechnung im Rahmen der GL-Theorie<br />

liefert Kriterium κ = λ L<br />

ξ GL<br />

≷ √ 1<br />

2<br />

:<br />

κ < √ 1<br />

2<br />

κ > √ 1<br />

2<br />

:Typ− I − Supraleiter (kein Aufbau innerer Grenzflächen)<br />

:Typ− II − Supraleiter (Aufbau möglichst vieler innerer Grenzflächen)<br />

für Typ-II-Supraleiter:<br />

Nebenbedingung aus Flussquantisierung → minimaler Fluß Φ = Φ 0<br />

⇒ Bildung von Flussschläuchen mit normalleitendem Kern<br />

(d.h. nicht so viele Grenzflächen erlaubt!)<br />

• Achse des Flussschlauches ist ‖ B ⃗ ext<br />

• senkrecht zur Achse:<br />

- SL-Ladungsträgerdichte:<br />

Abfall ψ 2 → 0 (im Zentrum) auf Längenskala ξ Gl<br />

- Magnetfeld:<br />

Maximal auf der Achse; Abklingen auf der Längenskala λ L<br />

Abb. 6.28: Abrikosov-<br />

Flusswirbel: Schematische<br />

Darstellungdes Magnetfeldes<br />

B(r) und der<br />

SL-Ladungsträgerdichte<br />

n s (r)<br />

• Mindestfeld um Schlauch aufzubauen (≡ B c1 )<br />

Φ ≈ πλ 2 LB c1<br />

!<br />

=Φ 0 ⇒ B c1 ≈ Φ 0<br />

πλ 2 L<br />

(6.60)<br />

Genaue Rechnung (GL-Theorie):<br />

B c1 = Φ 0<br />

ln(κ + const) (6.61)<br />

4πλ 2 L


6.4 Die Ginzburg-Landau-Theorie 367<br />

• Maximalfeld für supraleitenden Zustand (≡ B c2 )<br />

falls sich NL-Kerne ”berühren” → nur N übrig<br />

Für B>B c1 → Bildung von immer mehr Flußwirbeln<br />

→ Wirbelabstand verringert sich<br />

B c2 : Wirbelabstand ≈ ξ Gl<br />

Genaue Rechnung:<br />

→ πξ 2 GlB c2 ≈ Φ 0 ⇒ B c2 ≈ Φ 0<br />

πξ 2 Gl<br />

B c2 = Φ 0<br />

2πξ 2 Gl<br />

(6.62)<br />

(6.63)<br />

Typische Werte<br />

Tabelle 6.4: Kritische Temperatur T c , London-Eindringtiefe λ L , Ginzburg-Landau-<br />

Kohärenzlänge ξ GL , kritische Felder und SL-Typ für verschiedene Materialien; für die<br />

T -abhängigen Größen sind die Werte bei tiefen T angegeben<br />

Material T c [K] λ L [nm] ξ GL [nm] κ B c [T] B c1 [T] B c2 [T] SL-Typ<br />

Al 1.2 16 1600 ∼0.01 0.01 — — I<br />

In 3.4 24 360 ∼0.07 — — I<br />

Pb 7.2 37 83 ∼0.45 0.08 — — I<br />

Nb 9.2 39 38 ∼1 0.21 0.2 0.27 II(I) ∗<br />

YBa 2 Cu 3 O 7 92 140 ⊥ 1.5 ab ∼90 1.1 0.085 ⊥ 130 ⊥ II<br />

700 ‖ ∼ 0.3 c ∼2300 0.025 ‖<br />

Bi-2212 ∗∗ 90 200 − 300 ⊥ ∼ 2 ab 100 − 150 0.39 0.1 ⊥ 33 ⊥ II<br />

> 5 · 10 4 ‖ < 0.1 c > 5 · 10 5 ‖ 6 · 10 −4 ‖ 1600<br />

∗ : je nach Grad der Verunreinigung; hochreines Nb ist Typ-I-SL<br />

∗∗ Bi 2 Sr 2 CaCu 2 O 8<br />

⊥ für Magnetfelder senkrecht zu den Cu-O-Ebenen (ab-Ebenen)<br />

‖ für Magnetfelder parallel zu den Cu-O-Ebenen (ab-Ebenen)<br />

ab in der ab-Ebene; c entlangder c-Achse<br />

Aufgrund der Anisotropie der HTS sind deren Werte abhängig von der Kristallrichtung.


368 <strong>Kapitel</strong> 6 <strong>Supraleitung</strong><br />

Maximale Stromtragfähigkeit im Supraleiter<br />

Betrachte supraleitenden Draht; der maximale Suprastrom ist der ”kritische Strom”.<br />

(a) Draht sei im Meißner-Zustand (Typ-I-Supraleiter<br />

oder so dünner Typ-II-Supraleiter, daß keine Flusswirbel sich ausbilden)<br />

1. Betrachtungsweise:<br />

Eigenfeld durch Strom erreicht B c → Zusammenbruch der <strong>Supraleitung</strong><br />

Maxwell : j ≈ B<br />

µ 0 λ < B c<br />

µ 0 λ<br />

(falls die Drahtdicke ∼ 2λ)<br />

2. Betrachtungsweise:<br />

Stromtransport → kinetische Energie steigt<br />

Freie Energiedichte (magnetische Terme vernachlässigt, wg. dünner Probe):<br />

F s = F n −|α|n s + β 2 n2 s + n s<br />

m s<br />

2 v2 s<br />

} {{ }<br />

E kin<br />

(6.64)<br />

Der Gleichgewichtswert für n s (v s ) folgt aus der Forderung, dass F s = Minimum.<br />

∂F s<br />

∂n s<br />

= −|α| + βn s + m s<br />

2 v2 s = 0 (6.65)<br />

⇒<br />

d.h. (nach Ginzburg-Landau) n s sinkt ∝ v 2 s<br />

Für die Suprastromdichte gilt dann<br />

n s = |α|<br />

β − m s<br />

2β · v2 s (6.66)<br />

j s = q s · n s · v s<br />

= q s|α|<br />

β · v s − q sm s<br />

2β · v3 s (6.67)<br />

Abb. 6.29: Dichte der SL-Ladungsträger<br />

n s und Suprastromdichte j s in einem<br />

dünnen Draht/Film als Funktion der Geschwindigkeit<br />

v s der SL-Ladungsträger [aus<br />

V.V. Schmidt, The Physics of Superconductors,<br />

Springer, Berlin (1997); Abb.3.10].


6.4 Die Ginzburg-Landau-Theorie 369<br />

j s ist maximal (= j c )wenn<br />

∂j s<br />

= 0 (6.68)<br />

∂v s<br />

Dann folgt nach Ableiten von (6.67)<br />

v s,max = 2|α|<br />

3m s<br />

(6.69)<br />

Eingesetzt in (6.67) liefert mit (6.66) die kritische Stromdichte<br />

√<br />

2|α| 2 |α|<br />

j c ≡ j s (v s,max )=2e · ·<br />

(6.70)<br />

3β<br />

}{{} } {{<br />

3 m<br />

}<br />

n s(v s,max) v s,max<br />

Mit steigender Stromdichte j s steigt zwar die Geschwindigkeit der SL-<br />

Ladungsträger<br />

– dies ist aber verknüpft mit einem Abfall der Dichte der Ladungsträger<br />

Mechanismus:<br />

Durch Zuführen von kinetischer Energie werden immer mehr Cooper-Paare aufgebrochen<br />

und stehen somit nicht mehr für den verlustfreien Stromtransport zur<br />

Verfügung<br />

→ j s (v s,max )=Paarbrechungs-Stromdichte ’depairing current density’<br />

Mit<br />

- der Dichte der SL-Ladungsträger im stromlosen Fall n s,0 = |α|/β,<br />

- dem kritischen Feld B c = √ n s,0 |α|µ 0 und<br />

- der London-Eindringtiefe aus (6.54)<br />

folgt dann für die kritische Stromdichte<br />

( ) 3/2 { 2 B c 10<br />

j c =<br />

∼<br />

8 A/cm 2 HTSL<br />

3 µ 0 λ L 10 7 A/cm 2 LTS<br />

(6.71)


370 <strong>Kapitel</strong> 6 <strong>Supraleitung</strong><br />

(b) Kritischer Strom von Typ-II-Supraleiter<br />

Typischer Mechanismus in dünnen Filmen oder Drähten der Breite/Dicke >λ L :<br />

der Transportstrom erzeugt Flusswirbel im Supraleiter<br />

(falls diese nicht schon aufgrund eines externen Magnetfeldes im SL sind)<br />

• Für I ≠0→ Lorentz-Kraft(dichte) auf Flusswirbel<br />

⃗f L = ⃗j × ⃗ Φ 0 (6.72)<br />

Abb. 6.30: Lorentz-Kraft auf Flusswirbel in einem stromdurchflossenen supraleitenden Film<br />

im B-Feld<br />

→ Flusswirbel wandern mit Geschwindigkeit ⃗v L<br />

→ Dissipation ∇V ⃗ = E ⃗ = B ⃗ × ⃗v L<br />

→ Kein Suprastrom(!) – falls Supraleiter perfekt homogen<br />

• Flusslinienverankerung (Pinning)<br />

(Punkt-/Linien)Defekte, Größenskala ξ Gl im Supraleiter<br />

→ normalleitend (oder schwach supraleitend)<br />

→ weniger Verlust an Kondensationsenergie,<br />

falls Kern der Flusslinien durch Defekt geht.<br />

→ Vortex ”haftet” an Defekt (pinning)<br />

→ Suprastrom > 0, solange ⃗ f Lorentz < ⃗ f Pinning<br />

kritische Stromdichte (wenn f ⃗ Lorentz = f ⃗ Pinning erreicht)<br />

= ’depinning’ Stromdichte<br />

→ reale Stromdichten bis zu einige 10 6 A/cm 3<br />

(HTS Dünnfilme, T=77 K) erreichbar – abhängig von Defektstruktur<br />

gezieltes Einbringen von Defekten → ’harte’ Supraleiter für Anwendungen


6.5 Mikr. Verständnis der SL 371<br />

Verankerung von Flusswirbeln = Pinning<br />

Abb. 6.31: Defekte im Supraleiter wirken als Pinning-Zentren. Solche Defekte können auf<br />

natürliche Weise bei der Herstellungdes Materials entstehen. Sie können auch nachträglich<br />

in den Supraleiter eingebracht werden - z.B. durch Beschuss mit schweren Ionen: erzeugt<br />

’kolumnare’ Defekte mit zufälliger Verteilung<br />

Das Einbringen von zufällig verteilten Defekten als Haftzentren für Flussfäden führt<br />

zu einer Störung des regelmäßigen Flusslininengitters (Abrikosov-Gitter)<br />

Abbildung z.B. durch Bitter-Dekoration:<br />

Abb. 6.32: Abbildungvon Flusswirbeln in einem Hochtemperatursupraleiter vor und nach<br />

Beschuss mit schweren Ionen<br />

6.5 Zum mikroskopischen Verständnis<br />

der <strong>Supraleitung</strong><br />

Vorbemerkung<br />

GLAG-Theorie beschreibt:


372 <strong>Kapitel</strong> 6 <strong>Supraleitung</strong><br />

→ thermodynamische Eigenschaften (B c ,B c1 ,B c2 ,j c ,...)<br />

→ Verhalten an Grenzflächen (Flusswirbel, Kohärenzlänge, magnet. Eindringtiefe)<br />

→ <strong>Supraleitung</strong> als geordneten Zustand (Ordnungsparameter)<br />

mit kohärentem Verhalten der Ladungsträger<br />

Problem:<br />

Differenz in der freien Energiedichte<br />

F n − F s0 = B2 c<br />

2µ 0<br />

17 eV<br />

z.B. mit B c(Nb)=0.2T→ ≈ 10<br />

cm 3<br />

Mit einer typischen Elektronendichte in Metallen n el ≈ 10 22 cm −3 folgt daraus eine<br />

Differenz in der freien Energie pro Elektron<br />

F n − F s0<br />

n el<br />

≈ 10 −5 eV<br />

zum Vergleich:<br />

typischer Wert für Coulomb-Wechselwirkung zwischen Elektronen ≈ 1eV<br />

(ist häufig vernachlässigbar in theoretischer Beschreibung von Metallen)<br />

⇒ wie kann dieser minimale Energiegewinn von ca. 10 −5 eV/Elektron im SL-<br />

Zustand zu einem kohärenten Verhalten der Ladungsträger führen,<br />

wenn selbst die häufig vernachlässigbare Coulomb-Wechselwirkung um 5<br />

Größenordnungen stärker ist ??<br />

GLAG-Theorie erklärt nicht:<br />

• mikroskopischen Mechanismus der zu geordnetem Zustand führt<br />

• Wert der kritischen Temperatur T c (”Ordnungstemperatur”)<br />

• Abwesenheit der Dissipation bei Stromtransport<br />

Der physikalische Mechanismus der <strong>Supraleitung</strong> wurde erst knapp 50 Jahre nach der<br />

Entdeckung aufgeklärt.


6.5 Mikr. Verständnis der SL 373<br />

experimentelle Beobachtungen<br />

(die wichtig für die Entwicklung, bzw. Bestätigung der mikroskopischen Theorie waren)<br />

• Isotopeneffekt: Sprungtemperatur T c hängt von der Masse M der Ionen ab<br />

(Effekt wurde erstmals 1950 an Hg gefunden)<br />

Beispiele:<br />

– Quecksilber (Hg):<br />

mittleres Atomgewicht M = 199.5 → T c =4.185 K<br />

M = 203.4 → T c =4.146 K<br />

– Zinn (Sn)<br />

T c ∝ 1<br />

M α mit α ≈ 1 2<br />

Abb. 6.33: Isotopeneffekt für Zinn (Sb)<br />

mit Ergebnissen verschiedener Autoren [aus<br />

H. Ibach, H. Lüth Festkörperphysik, Springer,<br />

Berlin (1995); Abb.10.15].<br />

– weitere Materialien:<br />

Material Hg Sn Pb Cd Tl<br />

Exponent α 0.50 0.47 0.48 0.5 0.5<br />

Bei einer harmonischen Schwingung der Atomrümpfe mit Masse m im Gitter<br />

gilt für die Schwingungsfrequenz ω = √ k/m.<br />

Hierbei ist k die Kraftkonstante im linearen Kraftgesetz F = −k · x<br />

(F : Kraft; x: Auslenkung).<br />

Die Kraftkonstante k hängt von der Bindung der Atome im Metall ab;<br />

k sollte bei Variation der Isotopenmasse unverändert bleiben<br />

⇒ Debye-Frequenz<br />

ω D ∝ 1 √<br />

M<br />

Der Isotopeneffekt lässt also auf eine nahezu lineare Abhängigkeit der Sprungtemperatur<br />

T c von der Debye-Frequenz schliessen<br />

→ Indiz, daß Gitterschwingung an Wechselwirkung beteiligt ist<br />

Anmerkung: Beobachtung gilt für viele konventionelle Supraleiter; Hochtemperatursupraleiter<br />

zeigen wesentlich komplizierteres Verhalten


374 <strong>Kapitel</strong> 6 <strong>Supraleitung</strong><br />

• Flussquantisierung<br />

Die Experimente (im Jahr 1961) von Doll, Näbauer und Deaver, Fairbank ergaben<br />

für den Wert des magnetischen Flussquants<br />

Φ 0 ≡ h q s<br />

= h 2e<br />

also q s =2e<br />

→ klarer Beleg, dass<br />

(i) die supraleitenden Ladungsträger aus Elektronen-Paaren bestehen,<br />

und dass<br />

(ii) sich die Gesamtheit dieser Paare in einem kohärenten Zustand befindet.<br />

• Energielücke<br />

Im supraleitenden Zustand existiert am Fermi-Niveau eine Energielücke (”gap”)<br />

im Anregungsspektrum der normalleitenden Elektronen.<br />

Diese Energielücke ist dafür verantwortlich, dass die Cooper-Paare keine Streuung<br />

erfahren 9 , was zum verlustfreien Ladungstransport führt.<br />

Die Existenz der Energielücke wird im Rahmen der BCS-Theorie erklärt. Es gab<br />

eine Reihe von Experimenten, die auf eine Energielücke im Supraleiter hinweisen<br />

und somit die BCS-Theorie bestätigen konnten.<br />

1. Ferninfrarotabsorption<br />

erster experimenteller Nachweis der Existenz einer Energielücke durch<br />

Glover und Tinkham (1957)<br />

Abb. 6.34: Experimenteller Nachweis<br />

der Energielücke mittels<br />

Infrarot-Absorption in V, In und<br />

Sn. Aufgetragen ist die normierte<br />

Differenz der reflektierten Intensitäten<br />

I s im supraleitenden und<br />

I n im normalleitenden Zustand<br />

vs. Photonenfrequenz ν (∝ Energie)<br />

[aus W. Buckel, <strong>Supraleitung</strong>, VCH<br />

Weinheim, 5. Aufl. (1994); Abb.25].<br />

Die reflektierte Intensität fällt im SL-Zustand stark ab, wenn die Photonenenergie<br />

ausreicht Cooper-Paare aufzubrechen.<br />

→ keine Anregung (d.h. Absorption) für hν < 2∆!<br />

Häufig 2∆ ≈ 3.5k B T c Beispiel: Sn In Ta Pb<br />

2∆/kT c 3.5 3.9 3.0 4.4<br />

9 solange die kinetische Energie der Cooper-Paare nicht zu groß wird


6.5 Mikr. Verständnis der SL 375<br />

2. Ultraschallabsorption<br />

Dämpfung einer Schallwelle (Strom kohärenter Phononen) erfolgt unterhalb<br />

von T c durch Streuung an ungepaaarten Elektronen.<br />

(solange die Phononenenergie ≪ 2∆)<br />

Die Dichte n n der ungepaarten Elektronen steigt exponentiell mit dem Temperatur<br />

n n ∝ e −∆/k BT<br />

⇒ messbarer exponentieller Anstieg der Ultraschallabsorption<br />

mit steigendem T liefert ∆<br />

3. Spezifische Wärme<br />

bei tiefen Temperaturen dominiert der Beitrag des Elektronensystems den<br />

Wert und die T -Abhängigkeit der spezifischen Wärme.<br />

Ähnlich wie bei der Ultraschallabsorption findet man im Experiment einen<br />

exponentiellen Anstieg mit T<br />

C ∝ e −∆/kT für T ≪ T c<br />

4. Quasiteilchen-Tunneln<br />

Das Tunneln von normalleitenden Elektronen (”Quasiteilchen”) in N-I-S-<br />

Kontakten 10 oder S-I-S-Kontakten ist eine der wohl direktesten und elegantesten<br />

Methoden zur experimentellen Bestimmung der Energielücke in<br />

Supraleitern.<br />

Solche Experimente wurden erstmals zu Beginn der 60er Jahre von I. Giaever<br />

durchgeführt. 11<br />

Bei T = 0 stehen in N-I-S-Kontakten für Spannungen U


376 <strong>Kapitel</strong> 6 <strong>Supraleitung</strong><br />

Elektron-Phonon-Wechselwirkung<br />

1950/51 wurde von Fröhlich und von Bardeen eine Wechselwirkung von Elektronen<br />

über Gitterschwingungen vorgeschlagen:<br />

formale Beschreibung:<br />

e − − e − -Wechselwirkung über Austausch virtueller Phononen:<br />

virtuelles Phonon (T =0):<br />

Wellenvektor q ph<br />

Energie ω q<br />

Impulserhaltung:<br />

⃗ k1 + ⃗ k 2 = ⃗ k ′ 1 + ⃗ k ′ 2<br />

Abb. 6.35: Schematische Darstellungder<br />

e − e − -Wechselwirkung über Austausch virtueller<br />

Phononen<br />

anschaulich:<br />

- e − zieht positiv geladenen Ionenrümpfe an<br />

→ erzeugt eine Ladungspolarisationswolke (aus pos. Ionen)<br />

- ein durch das Gitter laufendes e − zieht Ladungspolarisationswolke hinter sich her<br />

- aufgrund der wesentlich größeren Masse der Ionenrümpfe erfolgt die Bewegung<br />

der Polarisationswolke zeitlich retardiert<br />

(dynamischer Effekt !!)<br />

- ein zweites e − wird von der Polarisationswolke angezogen<br />

→ Gitter vermittelt attraktive Wechselwirkung zwischen zwei e −<br />

(Retardation ermöglicht Überwindung der Coulomb-Abstoßung)<br />

Abb. 6.36: Schematische Darstellungder Anziehungzweier Elektronen über e − -Phonon-<br />

Wechselwirkung


6.5 Mikr. Verständnis der SL 377<br />

Abschätzung – zur Bedeutung der Retardation:<br />

wie weit kommt 1. e − bis Verzerrung maximal ist ?<br />

Phononenschwingungsdauer:<br />

τ q = 2π ≤ 2π ω D : Debye− Frequenz<br />

ω q ω D<br />

⇒ 1. e − mit Fermi-Geschwindigkeit v F kommt ∆r ≥ v F · 2π<br />

ω D<br />

mit v F ≈ 10 8 cm und 2π/ω D ≈ 10 −13 s<br />

⇒ ∆r < ∼ 100 nm ≫ Reichweite der Coulomb-WW<br />

(wird über wenige Åabgeschirmt)<br />

Cooper-Paare<br />

weit<br />

Cooper (1956) betrachtete Fermi-Kugel (freies Elektronengas) + 2 Elektronen<br />

zeigte, dass beliebig schwache, attraktive e − e − Wechselwirkung ausreicht um 2 Elektronen<br />

zu binden<br />

zwei wichtige Bedingungen:<br />

(i) es gibt eine maximale Energieänderung ω c beim Übergang ⃗ k i → ⃗ k ′ i (i =1, 2)<br />

(ii) Pauli-Prinzip:<br />

Streuung ist nur in unbesetzte Zustände | ⃗ k ′ | >k F möglich<br />

⇒ e − − e − -WW ist nur möglich für Elektronen auf der Schale der Fermi-Kugel mit<br />

Energie<br />

|E k − E F |≤ω c bzw. |E ′ k − E F |≤ω c<br />

Cooper zeigt, dass Wechselwirkung maximal wird für Elektronen mit ⃗ k 1 = − ⃗ k 2<br />

und entgegengesetztem Spin.<br />

→ Cooper-Paar: { ⃗ k ↑, − ⃗ k ↓}<br />

beschrieben durch Wellenfunktion mit<br />

- Spin =0 → Spin-Singulett-Zustand (| ↑↓〉 − | ↓↑〉)<br />

- Bahndrehimpuls l =0(s-Wellensymmetrie)<br />

d.h. antisymmetische Spinfunktion ψ und symmetrische Ortsfunktion φ<br />

quantenmechanische Rechnung:<br />

→ Lösung der Schrödinger-Gleichung für zwei Elektronen<br />

mit attraktiver Wechselwirkung – beschreiben durch Potential V<br />

(Betrachtung der Symmetrie der Wellenfunktion<br />

→ Ortsfunktion φ(⃗r 1 ,⃗r 2 ) muss symmetrisch sein)<br />

E ≈ 2E F − 2ω c e −2/N (E F )V<br />

ω c ist die maximale Frequenz, für die V attraktiv ist;<br />

N(E F ): Zustandsdichte am Fermi-Niveau E F<br />

⇒ Absenkung der Gesamtenergie durch Bilden eines Cooper-Paars<br />

(im Vergleich zum Fall ungepaarter e − : E =2E F )<br />

⇒ Instabilität des Fermi-Sees im Grundzustand (T =0)


378 <strong>Kapitel</strong> 6 <strong>Supraleitung</strong><br />

BCS-Theorie<br />

Bardeen, Cooper, Shrieffer, 1957<br />

Erweiterung auf alle Elektronen (Vielteilchentheorie)<br />

Ansatz:<br />

Grundzustand des Supraleiters ist aufgebaut aus Paarzuständen ( ⃗ k ↑, − ⃗ k ↓),<br />

→ mit gemeinsamen Schwerpunkt im ⃗ k-Raum<br />

→ Spin-Singuletts<br />

→ Durch Wechselwirkung V kk ′:<br />

Paar kann vom Zustand | ⃗ k ↑; − ⃗ k ↓〉<br />

in Zustand | ⃗ k ′ ↑; − ⃗ k ′ ↓〉 übergehen.<br />

→ Wellenfunktion = Superposition von (Paar-)Zuständen<br />

wobei<br />

vk<br />

2 ≡ Wahrscheinlichkeit, dass Zustand |⃗ k ↑; − ⃗ k ↓〉 besetzt ist;<br />

≡ Wahrscheinlichkeit, dass Zustand |⃗ k ↑; − ⃗ k ↓〉 leer ist;<br />

u 2 k<br />

Lösung der Vielteilchen-Schrödinger-Gleichung<br />

mit obigem Ansatz für den SL-Grundzustand folgt für die Energie:<br />

E s = ∑ k<br />

2ɛ k v 2 k + ∑ k,k ′ V k,k ′ v k u k ′v k ′u k (6.73)<br />

Der erste Term ist die gesamte kinetische Energie des Systems. Hierbei ist ɛ k die Energie<br />

eines Elektrons im Zustand ⃗ k, bezogen auf das Fermi-Niveau, also<br />

ɛ k = 2 k 2<br />

2m − 2 kF<br />

2<br />

2m<br />

Der zweite Term beschreibt die mittlere potentielle Energie der e − e − -Wechselwirkung,<br />

mit dem Matrixelement V k,k ′


6.5 Mikr. Verständnis der SL 379<br />

In der BCS-Näherung setzten wir für V k,k ′:<br />

{ −V |ɛk |, |ɛ<br />

V ⃗k k ⃗′ =<br />

k ′| < ω c<br />

0 sonst<br />

(6.74)<br />

Minimierung der Energie E s bezüglich v 2 k ,<br />

d.h. die Forderung<br />

∂E s<br />

∂v 2 k<br />

liefert mit (6.73),(6.74)<br />

wobei<br />

mit<br />

=0<br />

vk 2 = 1 (<br />

1 − ɛ )<br />

k<br />

2 E k<br />

u 2 k =1− vk 2 = 1 (<br />

1+ ɛ )<br />

k<br />

2 E k<br />

E k ≡<br />

∆ ≡ V<br />

(6.75)<br />

√<br />

ɛ 2 k +∆2 (6.76)<br />

′<br />

∑<br />

k<br />

v k u k (6.77)<br />

(in der Definition von ∆ läuft die Summation nur über k-Werte mit |ɛ k |≤ω D )<br />

Abb. 6.37: Abhängigkeit vk 2 vs. k. Am Fermi-Niveau gilt ɛ k = 0. Der Energiebereich, in dem<br />

vk 2 von1auf0absinktbeträgt ca. 2∆ [aus V.V. Schmidt, The Physics of Superconductors,<br />

Springer, Berlin (1997); Abb.6.5].<br />

wesentliches Ergebnis:<br />

die Gesamtenergie des Systems ist minimal wenn die Verteilung vk 2 (k) an besetzten<br />

Paarzuständen – und damit auch die Verteilung u 2 k (k) =1− v2 k an unbesetzten Paarzuständen<br />

– am Fermi-Niveau ”ausgeschmiert” ist.<br />

Die Breite der Verschmierung beträgt ca.2∆


380 <strong>Kapitel</strong> 6 <strong>Supraleitung</strong><br />

Vergleich: (für T =0)<br />

∆=0→ ungepaarte Elektronen:<br />

Zustand ⃗ k entweder besetzt oder leer<br />

→ v k ,u k entweder 0 oder 1.<br />

∆ ≠0→ Cooper-Paare:<br />

→ Übergangsbereich um k F ,<br />

in dem v k und u k ≠0<br />

Abb. 6.38: Besetzungswahrscheinlichkeiten für Paarzustände vs. Wellenvektor.<br />

Links: ohne attraktive e − e − -WW (∆ = 0); rechts: mit attraktiver e − e − -WW (∆ = 0)<br />

Rolle von ∆ → Ordnungsparameter für Cooper-Paarung<br />

|∆| =0 für T>T c<br />

|∆| ≠ 0 bei <strong>Supraleitung</strong>.<br />

Es zeigt sich: |∆| ∝|ψ Gl |<br />

Anmerkung:<br />

Die BCS-Theorie beschreibt<br />

(i) die Besetzung von Paarzuständen oberhalb des Fermi-Niveaus<br />

→ Erhöhung der kinetischen Energie des Gesamtsystems;<br />

(ii) attraktive e − e − -Wechselwirkung<br />

→ Absenkung der potentiellen Energie<br />

⇒ Erniedrigung der Gesamtenergie im supraleitenden Zustand !<br />

wie groß ist ∆ ?<br />

Einsetzen von (6.75) in (6.77) liefert<br />

Mit<br />

1= V 2<br />

′<br />

∑<br />

k<br />

′<br />

∑<br />

k<br />

... →<br />

(<br />

ɛ<br />

2<br />

k +∆ 2) −1/2<br />

∫ω c<br />

−ω c<br />

... N(ɛ) dɛ<br />

(N(ɛ): Zustandsdichte bei der Energie ɛ = E − E F )<br />

und unter der Annahme, dass im Integrationsintervall N(ɛ) ≈ N(0) = const folgt<br />

1= N(0)V<br />

2<br />

∫ω c<br />

−ω c<br />

(<br />

ɛ 2 +∆ 2) −1/2<br />

(6.78)<br />

(6.79)


6.5 Mikr. Verständnis der SL 381<br />

Nach Auswertung des Integrals folgt<br />

ω c<br />

∆ =sinh ( 1<br />

N(0)V<br />

Mit guter Näherung für die meisten Supraleiter: N(0)V ≤ 0.3 gilt dann<br />

(<br />

∆ ≈ 2ω c exp − 1 )<br />

N(0)V<br />

)<br />

(6.80)<br />

(6.81)<br />

also ∆ ∝ ω c<br />

→ falls Elektron-Phonon-Wechselwirkung:<br />

ω c ≈ höchstfrequentes Phonon ≈ ω Debeye<br />

Abschätzung:<br />

mit Debye-Temperatur ω D /k B ≈ 100 K und N(0)V ≈ 0.3<br />

⇒ ∆ ≈ k B · 7K ≈ 0.6meV<br />

Energie des Grundzustands<br />

• Normalleiter: V =0 → E n = ∑<br />

• Supraleiter: → (6.73)<br />

damit gilt für die Differenz<br />

k


382 <strong>Kapitel</strong> 6 <strong>Supraleitung</strong><br />

Anregung aus dem Grundzustand: ”Quasiteilchen” und Energielücke<br />

Wir gehen aus vom Grundzustand des Supraleiters<br />

und fragen nach der Energie, die erforderlich ist ein ungepaartes Elektron hinzuzufügen<br />

→ Einfachster angeregter Zustand:<br />

alle Elektronen bis auf eine Elektron im Zustand |↑,k〉 gepaart.<br />

Analog zur Berechnung des Grundzustandes 12 liefert die BCS-Theorie für die Energie<br />

diese Zustands:<br />

E a = E 0 + E k<br />

= E 0 +<br />

√ɛ 2 k +∆2 , ɛ k = 2 k 2<br />

2m − 2 kF<br />

2<br />

2m<br />

(6.84)<br />

Abb. 6.39: Anregungsspektrum eines Supraleiters: Energie E k eines ungepaarten Elektrons<br />

vs. kinetischer Energie<br />

→ Beschreibt ”Quasiteilchen” mit Energie E k (anstelle ε k der freien Elektronen)<br />

→ Mindestenergie ∆ zur Anregung notwendig – wenn k = k F<br />

→ Erklärung der Infrarotabsorption<br />

Ein Cooper-Paar → Zwei Quasiteilchen → Mindestenergie 2∆<br />

→ ∆ tritt hier als Energielücke auf<br />

→ Energielücke und Paardichte proportional zueinander!<br />

12 siehe z.B. V.V. Schmidt, The Physics of Superconductors, Springer, Berlin (1997); Seiten 149-150.


6.5 Mikr. Verständnis der SL 383<br />

Zustandsdichte der Quasiteilchen<br />

Die Energie E k der Quasiteilchen in Abhängigkeit vom Wellenvektor k aus (6.84) ist<br />

unten links dargestellt.<br />

Abb. 6.40: Spektrum elementarer Anregungen E k eines Supraleiters (links) und ihre Zustandsdichte<br />

ρ(E) (rechts) [aus V.V. Schmidt, The Physics of Superconductors, Springer,<br />

Berlin (1997); Abb.6.7].<br />

Diese Darstellung gilt für T = 0 mit einer Energielücke ∆ = ∆ 0 .<br />

Aus der Darstellung ist ersichtlich, dass die Dichte der Zustände ansteigt,<br />

wenn E k → ∆ 0 .<br />

Definition:<br />

Zustandsdichte ρ(E) ≡ dν<br />

dE<br />

=<br />

Zahl d. Energieniveaus/Vol.<br />

Energie − Intervall<br />

mit der Zustandsdichte in der Nähe des Fermi-Niveaus im normalleitenden Zustand<br />

gilt dann<br />

dν<br />

dɛ = N(0)<br />

ρ(E) = dν<br />

dɛ<br />

dɛ<br />

dE<br />

E<br />

= N(0) √<br />

E2 − ∆ 2 0<br />

(6.85)<br />

d.h. die Zustandsdichte der elementaren Anregungen<br />

- ist Null innerhalb der Energielücke<br />

- divergiert für E → ∆ 0<br />

- geht gegen N(0) für E>∆ 0


384 <strong>Kapitel</strong> 6 <strong>Supraleitung</strong><br />

Temperaturabhängigkeit der Energielücke<br />

Thermische Anregung (beträchtlich wenn k B T ∼ 2∆) von Quasiteilchen<br />

→ ”Aufbrechen von Cooper-Paaren<br />

mit der Wahrscheinlichkeit<br />

1<br />

f(E k )=<br />

e E k/kT<br />

+1<br />

→ Rückwirkung auf Grundzustand<br />

(Zustände im ⃗ k-Raum sind von Einteilchen-Anregungen besetzt<br />

→ stehen für e − e − -WW nicht mehr zur Verfügung)<br />

⇒ Erhöhung der SL-Energie und Verringerung der Energielücke<br />

(siehe (6.77): ∆ ≡ V ∑′ k v ku k )<br />

→ T -abhängige Energielücke<br />

∆(T )=V<br />

′<br />

∑<br />

k<br />

v k u k (1 − f(E k ))<br />

Auswertung 13 ergibt ∆(T ) ∝ (T c − T ) 1/2 für T nahe T c<br />

und den unten dargestellten Verlauf für ∆(T )<br />

Abb. 6.41: Temperaturabhängigkeit<br />

der Energielücke:<br />

Ergebnis der<br />

BCS-Theorie (gestrichelt)<br />

und Vergleich mit experimentellen<br />

Daten, die<br />

aus Tunnelexperimenten<br />

von Giaever und Megerle<br />

gewonnen wurden [aus<br />

V.V. Schmidt, The Physics<br />

of Superconductors,<br />

Springer, Berlin (1997);<br />

Abb.6.16].<br />

Bei T = T c wird ∆ = 0. Mit dem Ergebnis für ∆(T ) aus der BCS-Theorie lässt sich<br />

damit ein Zusammenhang zwischen ∆(T = 0) und T c herleiten:<br />

2∆ 0 = 3.52 k B T c<br />

und k B T c = 1.14ω D exp<br />

(<br />

− 1 )<br />

N(0)V<br />

(6.86)<br />

⇒ T c ∝ ω D ∝ 1 √<br />

M<br />

, falls Wechselwirkung via Gitterschwingungen.<br />

→ erklärt den Isotopeneffekt!<br />

13 siehe z.B. V.V. Schmidt, The Physics of Superconductors, Springer, Berlin (1997); Seite 154.


6.5 Mikr. Verständnis der SL 385<br />

Die BCS-Kohärenzlänge ξ 0<br />

Maß für die Distanz, über die zwei Elektronen paar-korreliert sind.<br />

• ξ 0 muß ∝ v Elektron ≈ v F wachsen.<br />

• ξ 0 wächst, je langsamer das Gitter relaxiert ⇒ ξ 0 ∝ 1<br />

ω D<br />

.<br />

mit T c ∝ ∆ ∝ ω D<br />

⇒ ξ 0 ∝ 1 ∆ ∝ 1 T c<br />

Genaue Rechnung (BCS-Theorie):<br />

ξ 0 = v F<br />

π|∆|<br />

Typischer Wert ∼ 100 nm ≫ Gitterkonstante (für konventionelle Supraleiter)<br />

→ für Ladungsträgerkonzentrationen ∼ 10 23 /cm 3<br />

mit Bruchteil ∆ 0 /E F ∼ 10 −3 der durch Paarbildung<br />

zur Kondensationsenergie beiträgt<br />

→∼10 5 Cooper-Paare pro Kohärenzvolumen ξ 3<br />

→ Starker Überlapp der Paare<br />

dagegen: Hoch-T c : ξ ∼ 15 Å, n ∼ 10 21 /cm 3<br />

→ nur wenige Paare in Kohärenzvolumen


386 <strong>Kapitel</strong> 6 <strong>Supraleitung</strong><br />

Anmerkung zur BCS-Theorie<br />

→ Nimmt schwache Wechselwirkung V kk ′<br />

an.<br />

→ Erklärt wesentliche Grundzüge der <strong>Supraleitung</strong>.<br />

→ Genauere Betrachtung der Elektronen-Phononen-Wechselwirkung<br />

→ ”Eliashberg-Theorie”<br />

BCS + Eliashberg: Sehr gute Beschreibung konventioneller Supraleiter.<br />

→ BCS geht in GLAG über für T → T c<br />

Hochtemperatursupraleiter<br />

→ Paar-Mechanismus derzeit unklar! (evtl. (Antiferro-)magnetische Wechselwirkung)<br />

Bekannt:<br />

Ebenfalls Spin-Singulett-Cooper-Paare.<br />

Aber: Bahndrehimpuls 2 → d x 2 −y 2-Symmetrie<br />

(Low-T c : s-Zustand, 0)<br />

Abb. 6.42: (a): |∆| = const, Low-T c . (b): ∆ ∝ d x 2 −y 2<br />

Vorzeichenwechsel von k x → k y<br />

→ Nullstellen in Diagonalrichtung, →<br />

→ ∆ wird richtungsabhängig<br />

→ Nullstellen in Diagonalrichtung<br />

→ Vorzeichenwechsel bei Drehung von 90 ◦ im k-Raum<br />

Konsequenzen:<br />

• Anregungen von Quasiteilchen bereits bei kleinen Energien möglich<br />

(ändert z.B. T -Abhängigkeit der spezifischen Wärme oder der London-<br />

Eindringtiefe)<br />

• Vorzeichenwechsel kann zu halbzahligen Flussquanten führen


6.5 Mikr. Verständnis der SL 387<br />

Quasiteilchen-Tunneln<br />

Wir betrachten nun das elastische Tunneln von ungepaarten Elektronen (”Quasiteilchen”)<br />

in N-I-S-Tunnelkontakten.<br />

Es gelten die allgemeinen Überlegungen, wie sie bei der Behandlung des Magnetotunnelwiderstands<br />

(Kap. 5.6) diskutiert wurden; d.h. insbesondere muss die isolierende<br />

Tunnelbarriere genügend dünn sein (typisch ∼ 1 nm), so dass ein Überlapp der Wellenfunktionen<br />

zwischen der N- und S-Elektrode zu einer endlichen Wahrscheinlichkeit<br />

für das Tunneln durch die Barriere führt.<br />

Abb. 6.43: Schematisch<br />

Darstellungeiner Struktur<br />

für Tunnelexperimente: 1 –<br />

Substrat; 2 – metallischer<br />

Film (untere Elektrode);<br />

3 – zweiter metallischer<br />

Film (obere Elektrode);<br />

beide Filme sind durch eine<br />

dünne isolierende Schicht<br />

getrennt [aus V.V. Schmidt,<br />

The Physics of Superconductors,<br />

Springer, Berlin<br />

(1997); Abb.6.9].<br />

In Kap.5.6 wurde gezeigt, dass eine angelegte äußere Spannung V die elektronischen<br />

Zustände entlang der Energieachse um eV relativ zueinander verschiebt 14<br />

Damit entsteht Netto-Tunnelstrom<br />

I ≡ I 12 − I 21 ∝<br />

∫<br />

+∞<br />

−∞<br />

|D(ɛ)| 2 × N 1 (ɛ − eV )N 2 (ɛ) × [f(ɛ − eV ) − f(ɛ)]dɛ. (6.87)<br />

(|D| 2 : Tunnelmatrixelement; N i : Zustandsdichten in den beiden Elektroden (i =1, 2))<br />

Hierbei ist f(ɛ) die Fermi-Verteilung:<br />

f(ɛ) ≡<br />

1<br />

exp{ɛ/k B T } +1 . (6.88)<br />

Für den Fall des N-I-N-Kontakts findet man mit der Annahme einer energieunabhängigen<br />

Zustandsdichte N ni am Fermi-Niveau und einem energieunabhängigen Tunnelmatrixelement<br />

die einfache Beziehung für eine lineare I − V -Kennlinie<br />

∫+∞<br />

I ∝ N n1 N n2 |D| 2 [f(ɛ − eV ) − f(ɛ)]dɛ. (6.89)<br />

−∞<br />

14 Konvention: positive Spannung senkt rechte Elektrode (2) gegenüber linker Elektrode (1) um<br />

Energie eV ab ⇒ Tunnelstrom I 12<br />

.


388 <strong>Kapitel</strong> 6 <strong>Supraleitung</strong><br />

Aus (6.87) ist ersichtlich, dass die Zustandsdichte ganz wesentlich den Tunnelstrom<br />

bestimmt. Damit wird auch eine deutliche Änderung der Tunnelcharakteristik erwartet,<br />

wenn eine oder beide metallische Elektroden in den supraleitenden Zustand übergehen.<br />

NIS-Kontakt:<br />

Im folgenden betrachten wir den Fall, daß eine der beiden Elektroden supraleitend<br />

ist, d.h. wir haben einen NIS-Kontakt. Für die Zustandsdichte der Quasiteilchen im<br />

Supraleiter folgt aus der BCS-Theorie:<br />

|ɛ|<br />

N s (ɛ) =N n (0) √ wenn |ɛ| ≥∆<br />

ɛ2 − ∆ 2<br />

N s (ɛ) =0 wenn |ɛ| < ∆ (6.90)<br />

Die Zustandsdichte verschwindet also im Bereich der Energielücke 2∆ um die Fermi-<br />

Energie.<br />

Beim Anlegen einer Spannung V [s. Abb.6.44(a)] fließt daher zunächst kein (für T =0),<br />

bzw. nur ein sehr kleiner (für endliche T ) Tunnelstrom, der abrupt ansteigt wenn eV =<br />

∆ erreicht wird, da dann die besetzten Zustände am Fermi-Niveau des Normalleiters<br />

einer hohen Dichte von freien Zuständen im Supraleiter gegenüberstehen. Wird eV ≫<br />

∆ geht die Tunnelkennlinie wieder in die (in einfachster Näherung) lineare Kennlinie<br />

des NIN-Kontakts über (s. Abb.6.44(b)).<br />

Abb. 6.44: N/I/S-Kontakt: (a) Energieschema; (b) IV-Kennlinien


6.5 Mikr. Verständnis der SL 389<br />

Unter der Annahme daß die Zustandsdichte des Normalleiters unabhängig von ɛ ist<br />

kann diese wieder vor das Integral gezogen werden, und der Tunnelstrom ergibt sich zu:<br />

∫+∞<br />

I ∝ N n N s (ɛ)[f(ɛ − eV ) − f(ɛ)]dɛ. (6.91)<br />

Für die differentielle Leitfähigkeit G ≡ (∂I/∂V ) folgt damit:<br />

−∞<br />

G SN (V ) ∝<br />

∫<br />

+∞<br />

N s (ɛ)K(ɛ − eV )dɛ. (6.92)<br />

G SN<br />

−∞<br />

ergibt sich also aus der Faltung der supraleitenden Zustandsdichte N s (ɛ) und<br />

K(ɛ − eV ), der Ableitung der Fermi-Funktion f(ɛ − eV )nachV :<br />

exp[β(ɛ − eV )]<br />

K = eβ<br />

{1+exp[β(ɛ − eV )]} . (6.93)<br />

2<br />

Hierbei ist β ≡ 1/k B T .<br />

In Abb.6.5 sind die Zustandsdichte,<br />

die Funktion K und die<br />

aus Gl.(6.92) berechnete Tunnelleitfähigkeit<br />

zusammen dargestellt:<br />

Die Funktion K besitzt ein<br />

Maximum bei ɛ = eV und wird<br />

zur Delta-Funktion im Limit<br />

T → 0. In diesem Limit besitzt<br />

G SN (V ) denselben funktionalen<br />

Verlauf wie N s (ɛ). Das heißt die<br />

Messung der Tunnelkennlinie<br />

liefert bei tiefen Temperaturen<br />

gerade die Zustandsdichte des<br />

Supraleiters.<br />

Abb. 6.45: N/I/S-Kontakt: (a) Zustandsdichte<br />

vs ɛ/∆ nach Gl.(6.90);<br />

(b) Funktion K nach Gl.(6.93);<br />

(c) Tunnelleitfähigkeit nach Gl.(6.92)<br />

[nach R. Meservey, P. M. Tedrow,<br />

Physics Reports 238, 173 (1994)].


390 <strong>Kapitel</strong> 6 <strong>Supraleitung</strong><br />

Die eben beschriebene Analyse geht zurück auf Giaever und Megerle 15 . Sie wurde von<br />

Tedrow und Meservey auf FM/I/S-Kontakte erweitert. Dies ermöglicht die Bestimmung<br />

der Spinpolarisation von Ferromagneten 16<br />

S-I-S-Kontakte<br />

Der Fall von Quasiteilchen-Tunneln in S-I-S-Kontakten ist in Abb.6.46 dargestellt, für<br />

zwei Supraleiter mit unterschiedlicher Energielücke ∆ I ,∆ II .<br />

Abb. 6.46: Zum Tunnelstrom zwischen zwei Supraleitern, für den Fall endlicher Temperatur<br />

T [aus W. Buckel, <strong>Supraleitung</strong>, VCH Weinheim, 5. Aufl. (1994); Abb.31].<br />

Die thermische Besetzung von angeregten Zuständen oberhalb der Energielücke führt<br />

zu einem Anstieg der Tunnelleitfähigkeit bei eV =∆ II − ∆ I , da unter dieser Bedingung<br />

die thermisch besetzten Zustände einer hohen Dichte unbesetzter Zustände in der<br />

anderen Elektrode gegenüberstehen.<br />

Mit weiter steigender Spannung nimmt der Tunnelstrom wieder ab, bis ein steiler Anstieg<br />

des Tunnelstroms bei eV =∆ II +∆ I erfolgt. Hier stehen nun eine hohe Dichte<br />

besetzter Zustände (unterhalb der Energielücke) einer hohen Dichte freie Zustände in<br />

der anderen Elektrode gegenüber.<br />

Das Maximum in der Tunnelleitfähigkeit bei eV =∆ II − ∆ I verschwindet im Fall<br />

T → 0, da dann keine thermisch angeregten Quasiteilchen zur Verfügung stehen.<br />

15 I. Giaever, K. Megerle, Phys. Rev. 122, 1101 (1961)<br />

16 P.M. Tedrow, R. Meservey, Phys. Rev. Lett. 26, 192 (1971)


6.5 Mikr. Verständnis der SL 391<br />

Alternative Betrachtung: Cooper-Paare und<br />

”angeregte” Quasiteilchenzustände<br />

Äquivalent zu der Beschreibung des Quasiteilchentunnelns im Halbleiter-Modell ist die<br />

Betrachtung der Cooper-Paare bei E = E F und der angeregten Zustände oberhalb der<br />

Energielücke:<br />

NIS-Kontakt:<br />

Abb. 6.47: Energieschema des NIS-Tunnelkontakts: (a) V =0,ɛ F im NL fällt mit Grundzustandsenergie<br />

des SL zusammen; (b),(c) V ≠0,|eV | > ∆, endlicher Tunnelstrom von N→S<br />

(b), bzw. von S→N [ausV.V.Schmidt,The Physics of Superconductors, Springer, Berlin<br />

(1997); Abb.6.11].<br />

Abb. 6.48: Strom-Spannungs-Charakteristik eines NIS-Tunnelkontakts [aus V.V. Schmidt,<br />

The Physics of Superconductors, Springer, Berlin (1997); Abb.6.12].


392 <strong>Kapitel</strong> 6 <strong>Supraleitung</strong><br />

S 1 IS 2 -Kontakt:<br />

Abb. 6.49: S 1 IS 2 -Tunnelkontakt: Energieschema bei T = 0 und V = 0 (links) bzw. V ><br />

(∆ 1 +∆ 2 ) (mitte); Strom-Spannungs-Charakteristik (rechts) [aus V.V. Schmidt, The Physics<br />

of Superconductors, Springer, Berlin (1997); Abb.6.13].<br />

Abb. 6.50: S 1 IS 2 -Tunnelkontakts bei T > 0: (a) V = 0, gleich viele angeregte Zustände in<br />

S 1 und S 2 bei gleicher Energie ⇒ I = 0; (b) eV =∆ 1 − ∆ 2 ⇒ Tunnelstrom von S 1 →S 2<br />

(maximal wegen hoher Zustandsdichte); (c) V umgekehrt zu (b) → angeregtes QT tunnelt<br />

von S 1 →S 2 (Prozess 1) und relaxiert dort mit zweitem QT in den Grundzustand (Prozess 2)<br />

– die hierbei frei werdende Energie reicht aus um in S 1 ein Cooper-Paar aufzubrechen (Prozess<br />

3) [aus V.V. Schmidt, The Physics of Superconductors, Springer, Berlin (1997); Abb.6.14].


6.5 Mikr. Verständnis der SL 393<br />

Verlustfreier Stromtransport<br />

Frage:<br />

wie folgt aus der BCS-Theorie unendliche Leitfähigkeit im SL-Zustand?<br />

Antwort:<br />

hierfür ist wesentlich die Existenz der Energielücke verantwortlich.<br />

Betrachte Ringgeometrie (Induktivität L, Widerstand R):<br />

Im Fall I = 0 ist die Fermi-Kugel um ⃗ k = 0 zentriert, d.h. ∑ k ⃗ k =0<br />

Durch B-Feldänderung induzierter Strom: I ∝ e − R L ·t<br />

Normalleiter: Relaxation durch Streuprozesse<br />

Abb. 6.51: Fermi-Kugel: (a) bei I =0im ⃗ k-Raum zentriert; (b) im Normalleiter relaxiert<br />

Auslenkung(Strom I>0) der Fermi-Kugel durch Streuprozesse; (c) im Supraleiter erfordert<br />

Relaxation durch Streuprozesse das Aufbrechen von Cooper-Paaren.<br />

Supraleiter:<br />

alle Cooper-Paare besitzen gemeinsamen Schwerpunkt (hier: ∆k bei I>0).<br />

→ Im Kondensat ist nur schwerpunkterhaltende Streuung möglich.<br />

Relaxation ist nur möglich durch Aufbrechen von Cooper-Paaren<br />

(oder ”gleichzeitige” Verschiebung aller Paare um −∆k).<br />

Beispiel:<br />

Relaxation des Zustandes mit Wellenvektor (k F +∆k) · ê x<br />

durch Streuung in Zustand (−k F +∆k) · ê x<br />

→ Verringerung an kinetischer Energie:<br />

∆E kin ≡ 2 [<br />

(∆k + kF ) 2 − (∆k − k F ) 2] = 22 k F<br />

2m<br />

m · ∆k<br />

erfordert aber Energie 2∆ für Aufbrechen von Cooper-Paar.<br />

⇒ nur möglich, wenn ∆k ∝ I groß genug → falls Depairing-Stromdichte erreicht ist<br />

einfache Abschätzung (aus ∆E kin = 2∆) liefert nahezu identischen Ausdruck für die<br />

Depairing-Stromdichte j c,dp wie aus GL-Theorie.


394 <strong>Kapitel</strong> 6 <strong>Supraleitung</strong><br />

6.6 Schwache <strong>Supraleitung</strong> – Josephson Effekte<br />

Wir betrachten nun zwei Supraleiter S 1 und S 2 . Diese werden beschrieben durch ihre<br />

makroskopische Wellenfunktion Ψ 1 = |Ψ 1 |·e iϕ 1<br />

bzw. Ψ 2 = |Ψ 2 |·e iϕ 2<br />

mit Amplituden |Ψ i | und Phasen ϕ i (i =1, 2).<br />

Im Rahmen der Diskussion der Flussquantisierung hatten wir gesehen, dass der Impuls<br />

der supraleitenden Ladungsträger die Verknüpfung (6.10) zwischen dem Gradienten<br />

⃗∇ϕ der Phase und der Geschwindigkeit ⃗v s liefert<br />

⃗ ∇ϕ = m s ⃗v s + q s<br />

⃗ A bzw. ⃗ ∇ϕ −<br />

q s<br />

⃗ A<br />

} {{ }<br />

≡ ⃗ ∇φ<br />

= m s<br />

⃗v s . (6.94)<br />

Hierbei bezeichnen wir ⃗ ∇φ auch als den eichinvarianten Phasengradienten. DurchIntegration<br />

erhält man die eichinvariante Phase<br />

φ(⃗r) =ϕ(⃗r) − q s<br />

<br />

∫ ⃗r<br />

⃗r 0<br />

⃗ Ad⃗r (6.95)<br />

Die Stromdichte j s = q s n s v s ist gemäß obiger Beziehung mit dem Phasengradienten im<br />

Supraleiter verknüpft:<br />

⃗j s = q (<br />

sn s<br />

<br />

m ⃗ )<br />

∇ϕ + q sA ⃗ = q sn s<br />

∇φ s m ⃗ . (6.96)<br />

s<br />

Diese Beziehung hatten wir – in leicht veränderter Form – als die 2. Ginzburg-Landau-<br />

Gleichung kennengelernt.<br />

Frage: was passiert wenn die beiden Supraleiter über eine Schwachstelle<br />

miteinander gekoppelt werden ?<br />

→ Beziehungen zwischen Wellenfunktionen Ψ i , Phasen ϕ i ,bzw.StromI<br />

über Schwachstelle ?<br />

prinzipiell mögliche ’Schwachstellen’ (weak links):<br />

• Kopplung über isolierende Tunnelbarriere (I)<br />

→ S-I-S Tunnel-Kontakt<br />

(mit einem wenige nm dicken Isolator)<br />

• Kopplung über normalleitenden Bereich (N)<br />

→ S-N-S-Kontakt


6.6 Schwache <strong>Supraleitung</strong> – Josephson Effekte 395<br />

• Kopplung über ’Einschnürung’<br />

(der Länge ∼ ξ)<br />

schwache, aber endliche Kopplung → Überlapp der Wellenfunktionen Ψ i<br />

→ Suprastrom über Barriere<br />

S-Barriere-S-Anordnung:<br />

(Barrierenebene ⊥ x; Querschnittsfläche A J = const)<br />

Bei Einspeisen eines konstanten Stroms I in die Anordnung (hier: I in x-Richtung)<br />

muss die Suprastromdichte in x-Richtung konstant sein:<br />

damit gilt wegen ⃗j s ∝ n s<br />

⃗ ∇φ aus (6.96)<br />

j s (x) =I/A J = const<br />

n s (x) · ∂φ (x) =const . (6.97)<br />

∂x<br />

Eine Änderung in der Ladungsträgerdichte n s an der Schwachstelle wird durch eine<br />

entsprechende Änderung in ∂φ/∂x kompensiert.<br />

im Barrierenbereich:<br />

n s klein<br />

⇒ ∂φ/∂x groß<br />

⇒ φ(x) macht Stufe<br />

Für sehr dünne Barriere mit n s → 0 ⇒ φ(x) macht einen ’Sprung’ an der Barriere<br />

⇒ Schwachstelle charakterisiert durch<br />

Phasendifferenz δ ≡ φ 2 − φ 1<br />

= ϕ 2 − ϕ 1 − q s<br />

<br />

∫ 2<br />

1<br />

A x dx (6.98)<br />

→ analog zu (6.96) für die Stromdichte im homogenen SL wird<br />

die Suprastromdichte über den Kontakt zu einer Funktion der Phasendifferenz<br />

j s = j s (δ)


396 <strong>Kapitel</strong> 6 <strong>Supraleitung</strong><br />

Frage: wie sieht diese Funktion j s (δ) aus?<br />

→ ’Motivation’ für j s (δ) aus einfachen Überlegungen:<br />

• Phasen φ i sind eindeutig modulo 2π<br />

⇒ j s = periodische Funktion von δ<br />

j s =<br />

∑ j 0n sin nδ + ∑ ˜j 0n cos nδ (n =1, 2,...)<br />

n<br />

n<br />

• Zeitumkehrinvarianz<br />

j s →−j s unter Zeitumkehr<br />

Phase δ →−δ unter Zeitumkehr (ψ ∝ e −iωt )<br />

⇒ cos-Terme scheiden aus<br />

}<br />

⇒ j s (δ) =−j s (−δ)<br />

⇒ j s = ∑ n<br />

j 0n sin nδ<br />

• Sehr häufig: Schnelle Konvergenz j 0n ≪ j 01 für n>1<br />

⇒ j s = j 0 sin δ 1. Josephson-Gleichung (6.99)<br />

Suprastrom über Barriere = ”Josephson-Strom”<br />

Entspricht in SIS-Tunnelkontakt dem Tunneln von Cooper-Paaren durch eine<br />

isolierende Barriere. Diesen Fall hat Josephson bei seiner Herleitung der Josephson-<br />

Gleichungen betrachtet. 17<br />

Bemerkung: Dünne Brücke<br />

→ Verengter Querschnitt; I vorgegeben<br />

→ j s in Brücke der Länge ∼ ξ stark erhöht<br />

→ ∂φ/∂x ebenfalls sehr groß<br />

→ Phasengradient kann ebenfalls durch ’Sprung’,<br />

d.h. durch Phasendifferenz δ beschrieben werden<br />

→ Verhalten wie bei SIS, SNS<br />

17 Eine von Feynman vorgeschlagene Herleitung basierend auf zeitabhängigen Schrödinger-<br />

Gleichungen für zwei schwach gekoppelte quantenmechanische Systeme ist in W. Buckel, <strong>Supraleitung</strong>,<br />

VCH Weinheim, 5. Aufl. (1994); AnhangA zu finden.


6.6 Schwache <strong>Supraleitung</strong> – Josephson Effekte 397<br />

Zeitliche Änderung von δ :<br />

δ = ϕ 2 − ϕ 1 − 2e<br />

<br />

˙δ = ˙ϕ 2 − ˙ϕ 1 − 2e<br />

<br />

∫ 2<br />

1<br />

∫ 2<br />

A x dx<br />

A˙<br />

x dx<br />

1<br />

} {{ }<br />

−U ind<br />

(6.100)<br />

die Schrödinger-Gleichung für ein quantenmechanisches System im stationären Zustand<br />

i ∂Ψ<br />

∂t<br />

= EΨ (6.101)<br />

ergibt mit dem Ansatz Ψ(t) =|Ψ|e iϕ(t) den Energieeigenwert<br />

somit gilt<br />

E = − ∂ϕ<br />

∂t<br />

˙ϕ 2 − ˙ϕ 1 = E 1 − E 2<br />

<br />

; (6.102)<br />

= q s<br />

U 21<br />

Damit folgt für den gesamten Spannungsabfall über die Barriere<br />

U = q s<br />

˙δ<br />

= Φ 0<br />

2π ˙δ 2. Josephson-Gleichung (6.103)


398 <strong>Kapitel</strong> 6 <strong>Supraleitung</strong><br />

Konsequenzen aus den Josephson-Gleichungen<br />

1. Sei U =0 ⇒ δ = const = δ 0 ⇒ j s = j 0 sin δ 0<br />

Maximalwert: sin δ 0 =1 ⇒ j s = j 0<br />

→ Suprastrom; kritische Stromdichte j 0 ≪ j c,paarbrechung .<br />

→ ”schwache <strong>Supraleitung</strong>”<br />

Beispiel:<br />

Nb/Al-ALO x /Nb-<br />

Tunnelkontakte<br />

je nach Barrierendicke<br />

j 0 ∼ 10 ...10 4 A/cm 2<br />

(beiT =4.2K)<br />

Abb. 6.52: Strom-Spannungs-<br />

Kennlinie eines Josephson-<br />

Tunnelkontakts aus gleichen<br />

Supraleitern [aus W. Buckel,<br />

<strong>Supraleitung</strong>, VCH Weinheim,<br />

5. Aufl. (1994); Abb.37].<br />

2. Sei U = U 0 = const.<br />

⇒ δ = δ 0 + 2π U 0 · t<br />

Φ 0<br />

d.h. δ wächst linear in der Zeit t an, und<br />

j s = j 0 sin[δ 0 + ω J t] mit ω J = 2π U 0 (6.104)<br />

Φ 0<br />

⇒ Wechselstrom mit der Josephson-Frequenz<br />

f J ≡ ω J<br />

2π = U 0<br />

= 2e<br />

Φ 0 h · U 0 = 483.6GHz · U 0 /mV (6.105)<br />

→ Spannungssteuerbare Hochfrequenzquelle<br />

→ Proportionalitätskonstante Φ 0 ≡ h/2e → Naturkonstante<br />

→ Effekt wird zur Definition des Volts benutzt<br />

Vergleiche: (a) Bloch-Oszillationen: f B = e U h<br />

(b) Quanten-Hall-Effekt: R H = 1 h<br />

(definiert Ω)<br />

n<br />

}{{} e 2<br />

=25.8kΩ<br />

Interpretation des Josephson-(Wechsel-)Stroms als Quanteninterferenz:<br />

U ≠0→ Phasen der makroskopischen Wellenfunktionen Ψ i = |Ψ i |e iϕ i<br />

in beiden Supraleitern (i =1, 2) ”laufen gegeneinander”.<br />

Josephson-Wechselstrom ⇔ Zeitliche Interferenz dieser Wellen


6.6 Schwache <strong>Supraleitung</strong> – Josephson Effekte 399<br />

Typen von Josephson-Kontakten<br />

Abb. 6.53: Verschieden Typen von Josephson-Kontakten: (a) SIS-Tunnelkontakt; (b) planarer<br />

SNS-Kontakt; (c) normalleitender Film (N) unterdrückt lokal den Ordnungsparameter<br />

im darunter liegenden supraleitenden Film (S); (d) Dayem-Brücke (Aufsicht); (e) Brücke<br />

mit variabler Filmdicke (Querschnitt); (f) HTS-Korngrenzenkontakt [aus V.V. Schmidt, The<br />

Physics of Superconductors, Springer, Berlin (1997); Abb.4.1].<br />

oder: intrinsische Josephson-Kontakte in stark anisotropen HTS<br />

(insbes. BiSrCaCuO-Einkristalle)<br />

Abb. 6.54: Hochtemperatursupraleiter<br />

Bi-2212: Kristallstruktur<br />

(links) und<br />

Strom-Spannungs-<br />

Kennlinien (rechts) [aus<br />

R. Kleiner, P. Müller,<br />

Phys. Rev. B 49, 1327<br />

(1994)].


400 <strong>Kapitel</strong> 6 <strong>Supraleitung</strong><br />

Strom-Spannungs-Kennlinien von Josephson-Kontakten<br />

Nun suchen wir den Zusammenhang zwischen dem Strom I über den Josephson-<br />

Kontakt und der über dem Kontakt abfallenden Spannung U.<br />

Ein für viele Kontakt-Typen sehr gut geeignetes Modell ist das sogenannte resistively<br />

and capacitively shunted junction model (RCSJ-Modell).<br />

Hierbei berücksichtigen wir vier Terme, die zum Strom über den Kontakt beitragen:<br />

Abb. 6.55: Ersatzschaltbild eines<br />

Josephson-Kontakts im RCSJ-Modell.<br />

• Josephson-Strom: I 0 sin δ<br />

• Verschiebestrom über die Kapazität C des Kontakts, der bei zeitlich veränderlicher<br />

Spannung U fließt: I d = C ˙U<br />

• dissipativer Strombeitrag der Quasiteilchen, bzw. Strom, der durch einen häufig<br />

verwendeten parallelen Widerstand R fließt: I qp = U/R<br />

• Rauschstrom I N (t) aufgrund von thermischem Rauschen 18 im Normalwiderstand<br />

R bei endlicher Temperatur T<br />

Gemäß den Kirchhoff’schen Regeln gilt damit für den Gesamtstrom I über den Kontakt:<br />

I + I N (t) =I 0 sin δ + U R + C ˙U (6.106)<br />

Mit Hilfe der 2. Josephson-Gleichung ˙δ =2eU erhalten wir dann eine Differentialgleichung<br />

für die Phasendifferenz am Josephson-Kontakt<br />

I + I N (t) =I 0 sin δ +<br />

<br />

2eR ˙δ + C<br />

2e ¨δ (6.107)<br />

Im Fall einer endlichen Spannung U ≠ 0 fließen Josephson Wechselströme<br />

⇒ ebenfalls oszillierender dissipativer Strom I dp (t)<br />

⇒ hochfrequente Spannung U(t) mit Gleichspannungsanteil<br />

V ≡〈U〉 = 1 T<br />

∫ T<br />

0<br />

dt U(t) (6.108)<br />

Die Lösung der Differentialgleichung (6.109) für einen vorgegebenen Gesamtstrom I<br />

liefert δ(t) ⇒ U(t) ⇒ V<br />

und somit also die experimentell leicht zugängliche (Gleich-)Strom-Spannungs-<br />

Kennlinie I(V )<br />

18 Dies wird auch als Nyquist- oder Johnson-Rauschen bezeichnet; die Rauschleistungvon I N<br />

skaliert<br />

mit k B<br />

T/R


6.6 Schwache <strong>Supraleitung</strong> – Josephson Effekte 401<br />

einfacher Fall: C=0 & T=0:<br />

Vernachlässigen wir zunächst mal thermische Fluktuationen (I N = 0) und den Beitrag<br />

des Verschiebestroms (I d = 0), dann vereinfacht sich (6.107) zu<br />

I = I 0 sin δ +<br />

Integration und Einsetzen in U =(Φ 0 /2π) ˙δ ergibt<br />

( ) 2<br />

I<br />

I 0<br />

− 1<br />

U(t) =I 0 R<br />

I<br />

I 0<br />

+cosωt<br />

mit<br />

<br />

2eR ˙δ (6.109)<br />

√ (<br />

ω = 2π ) 2 I<br />

I 0 R − 1 (6.110)<br />

Φ 0 I 0<br />

Normierung:<br />

- Spannung bezogen auf die charakteristische Spannung V c ≡ I 0 R (”I 0 R-Produkt”)<br />

u ≡ U/V c bzw. v ≡〈u〉 = V/V c<br />

- Strom bezogen auf maximalen Josephson-Strom I 0<br />

i ≡ I/I 0<br />

- Frequenz bezogen auf charakteristische Frequenz ω c ≡ 2πI 0 R/Φ 0 ≡ 1/τ c<br />

(also die Josephson-Frequenz ω J bei der charakteristischen Spannung V c ) liefert<br />

u(t) = i2 − 1<br />

i +cosωt<br />

mit<br />

ω<br />

ω c<br />

= √ i 2 − 1 (6.111)<br />

Dies bedeutet, dass die Spannung über den Kontakt (für I>I 0 )mitderFrequenzω<br />

oszilliert. Diese Frequenz ist stromabhängig und geht gegen Null für I → I 0 bzw. steigt<br />

linear mit ω c · I für I ≫ I 0<br />

Abb. 6.56: RSJ-Modell: (a) Spannungvs. Zeit; (b) Strom-Spannungskennlinie (für zeitlich<br />

gemittelte Spannung V )<br />

Die zeitlich gemittelte Spannung ist v = √ i 2 − 1(für I>I 0 ),<br />

d.h. bei Erreichen von I = I 0 steigt die Spannung abrupt an und nähert sich asymptotisch<br />

dem ohmschen Verlauf V = I · R für I ≫ I 0 .


402 <strong>Kapitel</strong> 6 <strong>Supraleitung</strong><br />

Analogsysteme:<br />

• Physikalisches Pendel<br />

Pendel<br />

Auslenkungswinkel δ<br />

Winkelgeschwindigkeit ˙δ<br />

externes Drehmoment T P<br />

Trägheitsmoment Θ<br />

Dämpfung η<br />

statischer Fall (V =0):<br />

Josephsonkontakt<br />

Phasendifferenz δ<br />

Spannung U<br />

Strom I<br />

Kapazität C<br />

Widerstand R<br />

→ analoge Differentialgleichung<br />

T P = Mglsin δ +Θ¨δ + η ˙δ<br />

(M: Pendelmasse, g: Erdbeschleunigung,<br />

l: Pendellänge)<br />

→ I-V -Kennlinie durch<br />

Analogiebetrachtung<br />

- ohne Drehmoment (I =0):<br />

bei vernachlässigbarer Dämpfung (R = 0) und T =0(I N = 0) folgt aus (6.107)<br />

0=I 0 sin δ + C<br />

2e ¨δ (6.112)<br />

Lösung : δ(t) =δ 0 sin(ω p t) mit ω p ≡<br />

D.h. das Pendel oszilliert um Ruhelage mit der Plasmafrequenz ω p .<br />

( ) 1/2 2π I 0<br />

(6.113)<br />

Φ 0 C<br />

- endliches, aber kleines Drehmoment (I >I 0 ) ⇒ endliche Auslenkung δ ≠0<br />

dynamischer Fall (V ≠0):<br />

Wird das Drehmoment ausreichend groß (I >I 0 ), so schlägt das Pendel um und läuft<br />

mit endlicher Winkelgeschwindigkeit ˙δ ≠0.<br />

Wird nun das Drehmoment zurückgefahren, so hängt die Dynamik wesentlich vom<br />

Verhältnis zwischen Dämpfung und Trägheitsmoment ab ( ˙δ- vs.¨δ-Term).<br />

Wird beschreiben durch Stewart-McCumber-Parameter<br />

( ) 2 ωc<br />

β C ≡ = 2π I 0 R 2 C (6.114)<br />

ω p Φ 0<br />

- starke Dämpfung β C ≪ 1<br />

→ nicht-hysteretische IV -Kennlinie<br />

- schwache Dämpfung β C<br />

> ∼1<br />

→ hysteretische IV -Kennlinie<br />

Abb. 6.57: Strom-Spannungskennlinien<br />

im RCSJ-Modell berechnet für unterschiedlich<br />

starke Dämpfung(verschiedene<br />

Werte für β C ).


6.6 Schwache <strong>Supraleitung</strong> – Josephson Effekte 403<br />

• gekipptes Waschbrettpotential<br />

In einer sehr anschaulichen Analogie zu einem mechanischen System beschreibt die<br />

Gleichung (6.107) für die Phasendifferenz δ die Bewegung eines Teilchens in einem<br />

1-dimensionalen Potential entlang der Koordinate δ.<br />

Um dies zu zeigen stellen wir Gleichung (6.107) um<br />

Φ 0<br />

2π C¨δ + Φ 0 1<br />

2π R ˙δ = −I 0 sin δ +(I + I N ) ≡− 2π ∂U J<br />

Φ 0 ∂δ<br />

, (6.115)<br />

Hierbei definierten wir das sogenannte gekippte Waschbrettpotential als<br />

U J ≡ Φ 0<br />

2π {I 0(1 − cos δ) − (I + I N )δ} . (6.116)<br />

Die Amplitude des Potentials ist durch die Josephson-Kopplungsenergie<br />

E J ≡ I 0Φ 0<br />

2π<br />

gegeben. Mit der Normierung von U J auf E J schreibt sich obige Gleichung als<br />

(6.117)<br />

u J ≡ U J<br />

E J<br />

=1− cos δ − (i + i N )δ . (6.118)<br />

Die Bewegungsgleichung für die Phasendifferenz (6.115) ist damit äquivalent zu Bewegungsgleichung<br />

mẍ + ξẋ = − ∂W(x)<br />

∂x<br />

+ F d + F N = − ∂[W (x) − (F d + F N ) · x]<br />

∂x<br />

. (6.119)<br />

eines punktförmigen Teilchens der Masse m, mit Reibungskoeffizient ξ, dassichim<br />

Ortsraum entlang der Koordinate x in einem Potential W (x) unter Einfluss einer externen<br />

treibenden Kraft F d und einer thermischen Rauschkraft F N bewegt.<br />

Man kann die antreibenden Kräfte F = F d +F N mit dem Potential W zusammenfassen,<br />

und gelangt somit zu dem aufgrund der Kräfte ’verkippten’ Potential<br />

U m (F, x) ≡ W (x) − F · x .


404 <strong>Kapitel</strong> 6 <strong>Supraleitung</strong><br />

Durch Vergleich von (6.115) mit (6.119) sehen wir, dass die Dynamik des RCSJ-<br />

Kontakts analog ist zur Bewegung eines Teilchens entlang der Ortskoordinate δ mit<br />

Masse ∝C, Reibung ∝ 1/R im cos-förmigen Potential U J , welches durch den Bias-<br />

Strom I verkippt wird. Gemäß der zweiten Josephson-Beziehung entspricht damit die<br />

am Kontakt abfallende Spannung U der Geschwindigkeit v =ẋ des Teilchens (Abb.6.6).<br />

statischer Fall:<br />

Im stromlosen Zustand I = 0 (ohne äußere Kraft) ist unser ’Teilchen’ in einem der<br />

Minima des unverkippten cos-Potential gefangen. Dort oszilliert es mit der Plasmafrequenz<br />

ω p und die mittlere Spannung (Geschwindigkeit) ist Null.<br />

dynamischer Fall:<br />

Mit steigendem Bias-Strom verringert sich die Höhe der Barriere zum nächsten lokalen<br />

Minimum. Bei I = I 0 schliesslich verschwinden die lokalen Minima, und das ’Teilchen’<br />

bewegt sich mit endlicher mittlerer Geschwindigkeit (Abb.6.6).<br />

U<br />

J<br />

i = 0<br />

2 E<br />

J<br />

i = 0 . 5<br />

i = 1<br />

0 1 2 3<br />

δ/2π<br />

Abb. 6.58: Waschbrettpotential<br />

des Josephson-Kontakts im<br />

RCSJ-Modell, mit Amplitude E J<br />

(Kopplungsenergie). Der normierte<br />

Bias-Strom i = I/I 0 verkippt das<br />

Potential. Bei i = 1 verschwinden die<br />

lokalen Minima.<br />

Einfluss der Dämpfung<br />

Im stark gedämpften Fall ist die Masse des Teilchens vernachlässigbar, d.h. der Reibungsterm<br />

∝ ˙δ dominiert.<br />

Beim Zurückfahren des Stroms bilden sich bei I = I 0 wieder lokale Minima im Waschbrettpotential<br />

aus, und das Teilchen bleibt dort sofort hängen.<br />

Im Fall schwacher Dämpfung spielt die träge Masse des Teilchens eine wesentliche Rolle.<br />

Beim Zurückfahren des Stroms läuft das Teilchen bei I


i<br />

6.6 Schwache <strong>Supraleitung</strong> – Josephson Effekte 405<br />

Dynamik unter Einwirkung eines Wechselstroms<br />

betrachte den Fall eines antreibenden Stroms I = I dc + I ac sin ω ac t mit einer Gleichstromkomponente<br />

I dc und einer Wechselstromamplitude I ac .<br />

experimentelle Beobachtung:<br />

Auftreten von Bereichen konstanter Spannung in I dc (V )-Kennlinie = Shapiro-Stufen<br />

Abb. 6.59: Strom-Spannungs-Kennlinien eines Josephson-Kontakts unter Einwirkung eines<br />

überlagerten Wechselstroms mit normierter Amplitude i as ≡ I ac /I 0 mit Frequenz ω ac =<br />

ω c ; berechnet mit RSJ-Modell [nach K.K. Likharev, Dynamics of Josephson Junctions and<br />

Circuits,Gordon and Breach, New York (1986)].<br />

Anschauliche Bedeutung:<br />

Der ac-Strom erzeugt eine periodische Modulation der Verkippung des Potentials um<br />

einen mittleren Kippwinkel (gegeben durch den dc-Strom).<br />

U<br />

J<br />

U<br />

J<br />

/E<br />

J<br />

= − c o sδ − ( i + i<br />

a c<br />

s i nω a c<br />

t )δ<br />

i-iac<br />

i+ iac<br />

0 1 2 3<br />

δ/2π<br />

Abb. 6.60: Veranschaulichungder Entstehungvon<br />

Shapiro-Stufen im Waschbrettpotential<br />

eines Josephson-Kontakts<br />

im RCSJ-Modell. Auf einer Shapiro-Stufe<br />

ändert sich die Phasendifferenz δ pro Anregungsperiode<br />

um 2π.<br />

Unter passenden Bedingungen ist die Bewegung des ’Teilchens’ mit der externen Anregung<br />

synchronisiert:<br />

⇒ Änderung von δ um n · 2π pro Anregungsperiode T ac =2π/ω c .<br />

⇒ ˙δ = n · 2π/T ac = n · ω ac<br />

Diese Synchronisation ist innerhalb bestimmter Kippwinkelbereiche (Strom-Intervalle)<br />

stabil. Dort ist dann die mittlere Geschwindigkeit (dc Spannung) lediglich durch die<br />

Frequenz der ac-Anregung gegeben – unabhängig vom genauen Wert des mittleren<br />

Kippwinkels (dc Stroms). Dadurch entstehen Strom-Stufen konstanter Spannung:<br />

V n = Φ 0<br />

2π ˙δ = n Φ 0<br />

2π ω ac = n · V 1 mit V 1 ≡ Φ 0 · f ac (6.120)<br />

V 1 /mV = f ac /483 GHz → Anwendung: Spannungsnormal !


406 <strong>Kapitel</strong> 6 <strong>Supraleitung</strong><br />

Josephson-Kontakt im Magnetfeld<br />

Betrachte Josephson-Kontakt mit Barriere in der (x, y)-Ebene und Strom I senkrecht<br />

dazu (entlang ê z ).<br />

Abb. 6.61: Geometrie eines<br />

Josephson-Kontakts im externen<br />

Magnetfeld ⃗ B; t: Barrierendicke;<br />

b: Länge des Kontakts entlang<br />

x-Richtung(⊥ ⃗ B).<br />

Das Magnetfeld dringe homogen in die Barriere ein (entlang x-Richtung). Dies ist dann<br />

der Fall wenn die Kontaktlänge b genügend klein ist, so dass das Eigenfeld des Stroms<br />

vernachlässigbar ist (= Limit kleiner Kontakte).<br />

Die Dicke der supraleitenden Elektroden sei >λ L → das Magnetfeld dringt ∼ λ L in<br />

die Elektroden ein<br />

→ magnetischer Fluss durch Kontakt: Φ = B · b(2λ L + t) =B · t eff · b<br />

mit der effektiven, magnetischen Dicke des Kontakts t eff ≡ 2λ L + t<br />

Gesucht:<br />

Zusammenhang zwischen Phasendifferenz δ und Flussdichte B<br />

Wir gehen dabei analog zur Herleitung der Flussquantisierung vor. D.h. wir integrieren<br />

den Phasengradienten ⃗ ∇ϕ =(m s /)⃗v s +(q s /) ⃗ A entlang der gestrichelten Linie in<br />

obiger Abbildung<br />

Weg2 → 1: ϕ(1) − ϕ(2) =<br />

Weg1 ′ → 2 ′ : ϕ(2 ′ ) − ϕ(1 ′ ) =<br />

∫ 1<br />

2<br />

∫ 2 ′<br />

⃗∇ϕd ⃗ l = 2π<br />

Φ 0<br />

µ 0 λ 2 L<br />

1 ′ ⃗ ∇ϕd ⃗ l =<br />

2π<br />

Φ 0<br />

µ 0 λ 2 L<br />

∫ 1<br />

2<br />

∫ 2 ′<br />

⃗j s d ⃗ l + 2π ∫ 1<br />

⃗Ad<br />

Φ ⃗ l<br />

0<br />

1 ′ ⃗j s d ⃗ l + 2π<br />

Φ 0<br />

∫ 2 ′<br />

1 ′ ⃗ Ad ⃗ l<br />

2<br />

(mit j s = n s q s v s ;Φ 0 = h/q s ; µ 0 λ 2 L = m s/n s q 2 s)<br />

[ ∫<br />

Addition beider Gleichungen und Hinzufügen von 2π 2 ∫<br />

⃗<br />

Φ 0 2 Ad ⃗ 1 ′<br />

l + ′ 1<br />

Seiten liefert<br />

ϕ(2 ′ )−ϕ(2)− 2π ∫2 ′<br />

Φ 0<br />

2<br />

⎛<br />

⃗Ad ⃗ l−⎝ϕ(1 ′ ) − ϕ(1) − 2π ∫<br />

Φ 0<br />

1 ′<br />

1<br />

⎞<br />

⃗Ad ⃗ l⎠ = 2π ∮<br />

Φ 0<br />

⃗Ad ⃗ ]<br />

l<br />

auf beiden<br />

⎛<br />

⎞<br />

⃗Ad ⃗ l+ 2π ∫ 1 ∫ 2′<br />

µ 0 λ 2 ⎝<br />

L<br />

⃗j s d<br />

Φ ⃗ l + ⃗j s d ⃗ l⎠<br />

0<br />

2<br />

1 ′<br />

(6.121)


6.6 Schwache <strong>Supraleitung</strong> – Josephson Effekte 407<br />

Auswertung von (6.121):<br />

linke Seite:<br />

Mit dem Abstand dx zwischen den Integrationswegen 1 → 1 ′ und 2 ′ → 2inx-Richtung<br />

folgt mit Hilfe der Definition (6.98) der Phasendifferenz δ für die linke Seite<br />

δ(x + dx) − δ(x) .<br />

rechte Seite:<br />

das Ringintegral über das Vektorpotential ergibt den magnetischen Fluss Φ = B·t eff ·dx<br />

durch die vom Integrationsweg eingeschlossene Fläche.<br />

Mit genügender Dicke der Elektroden im Meissner-Zustand ist der Beitrag der Integrale<br />

über die Stromdichten exponentiell klein und kann vernächlässigt werden.<br />

Ergebnis:<br />

dδ<br />

dx = 2π Bt eff (6.122)<br />

Φ 0<br />

Dies bedeutet, dass die Phasendifferenz entlang des Kontakts linear ansteigt (Steigung<br />

durch B bestimmt). Integration entlang x<br />

⇒<br />

δ(x) =δ(0) + 2π<br />

Φ 0<br />

Bt eff · x<br />

und eingesetzt in die 1. Josephson-Gleichung ergibt<br />

[<br />

j s (x) =j 0 sin δ(0) + 2π ]<br />

Bt eff · x<br />

Φ 0<br />

⇒ Josephson-Stromdichte j s (x) oszilliert<br />

Stromdichte für<br />

B = Φ 0<br />

t eff b<br />

Stromdichte für<br />

Φ 0<br />

B = 1 2 t eff b


408 <strong>Kapitel</strong> 6 <strong>Supraleitung</strong><br />

Maximaler Suprastrom: Integriere j s (x) über die Kontaktfläche:<br />

I s =<br />

mit Φ = Bt eff b<br />

∫ a<br />

0<br />

dy<br />

∫ b<br />

0<br />

(<br />

)<br />

cos δ 0 + 2π<br />

Φ 0<br />

Bt eff x<br />

dxj 0 sin δ(x) =−j 0 · a · ( )<br />

2π<br />

Φ 0<br />

Bt eff ∣<br />

= j 0 · b · a · sin δ(0) sin π Φ Φ 0<br />

π Φ Φ 0<br />

I s vorgeben ⇒ δ(0) stellt sich ein<br />

Maximalwert: sin δ(0) ± 1<br />

Maximaler Suprastrom über Kontakt:<br />

∣ sin π Φ ∣∣∣∣<br />

Φ<br />

I 0 (Φ) = I 0 (0) ·<br />

0<br />

(6.123)<br />

∣ π Φ Φ 0<br />

b<br />

0<br />

Vergleiche: Optik, Beugung am Einzelspalt.<br />

Abb. 6.62: Abhängigkeit des maximalen<br />

Josephson-Stroms von<br />

einem Magnetfeld in der Ebene<br />

des Tunnelkontakts (1 G entspricht<br />

0.1 mT) [aus W. Buckel,<br />

<strong>Supraleitung</strong>, VCH Weinheim,<br />

5. Aufl. (1994); Abb.38].


6.6 Schwache <strong>Supraleitung</strong> – Josephson Effekte 409<br />

Anmerkung:<br />

Mit der Maxwell-Gleichung rotB ⃗ = µ 0<br />

⃗j folgt aus der Beziehung (6.122) für den Gradienten<br />

der Phasendifferenz<br />

√<br />

d 2 δ<br />

dx = 1 j z<br />

Φ 0<br />

mit λ 2 λ 2 J ≡<br />

(6.124)<br />

J<br />

j 0 πµ 0 t eff j 0<br />

λ J ist die Josephson-Eindringtiefe und beschreibt – analog zur London-Eindringtiefe<br />

–dieLängenskala, über die ein Kontakt mit genügend großer Länge Magnetfelder<br />

abschirmen kann.<br />

Unterscheidung:<br />

”Kurze Josephson-Kontakte: b < ∼4λ J<br />

”Lange Josephson-Kontakte”: b > ∼4λ J<br />

In langen Kontakten kann das Eigenfeld der Josephson-Ströme ein Flussquant Φ 0 im<br />

Kontakt erzeugen.<br />

→ Ausbildung von Flusswirbeln über Barriere<br />

=”Josephson-Flussquanten”<br />

=”Fluxonen”<br />

=”Josephson-Solitonen”<br />

Fluxonen verhalten sich wie relativistische Teilchen<br />

(Grenzgeschwindigkeit c ≈ 10 −3 c; Längenkontraktion, Fluxon-Antifluxon-Paarbildung,<br />

u.v.a. Effekte)<br />

→ siehe Spezialvorlesung


410 <strong>Kapitel</strong> 6 <strong>Supraleitung</strong><br />

6.7 SQUIDs: supraleitende Quanteninterferometer<br />

6.7.1 Prinzipielle Funktionsweise<br />

SQUID = Superconducting QUantum Interference Device<br />

Besteht aus einem supraleitenden Ring (meist Dünnfilm), der von einem (rf SQUID)<br />

od. zwei (dc SQUID) Josephson-Kontakten unterbrochen ist:<br />

Abb. 6.63: SQUID-Typen: (a) rf SQUID ist an Schwingkreis gekoppelt, der mit I rf angeregt<br />

wird; Auslesesignal: V rf ; (b) dc SQUID wird mit Strom I dc betrieben; Auslesesignal: V dc .<br />

Das SQUID kombiniert zwei grundlegende Effekte die auf der makroskopische Phasenkohärenz<br />

im Supraleiter beruhen<br />

–dieFlussquantisierung und den Josephson-Effekt<br />

Resultat:<br />

periodische Antwort auf externen magnetischen Fluss Φ a<br />

- im max. Josephson-Strom I 0<br />

oder<br />

- in der zeitlich gemittelte Spannung V über die Josephson-Kontakte (im dc SQUID)<br />

oder<br />

- in der ac-Spannung des Schwingkreises (im rf-SQUID)<br />

mit Periode = 1Φ 0<br />

⇒ empfindlichster Detektor für magnetischen Fluss !!<br />

Typische Werte für Empfindlichkeit (kommerzielle SQUIDs bei T =4.2 K):<br />

Flussrauschen: S 1/2<br />

Φ<br />

≈ 1 − 10µΦ 0/ √ Hz<br />

Magnetfeldrauschen: S 1/2<br />

B<br />

≈ 1 − 10fT/√ Hz<br />

Energieauflösung: ɛ ≈ 10 −31 − 10 −32 J/Hz<br />

Rechenbeispiel:<br />

10 −31 J ≈ m e · g · 1cm<br />

Differenz der potentiellen Energie eines Elektrons, das im Schwerefeld der Erde um<br />

1 cm angehoben wird.


6.7 SQUIDs: supraleitende Quanteninterferometer 411<br />

6.7.2 dc SQUID<br />

Das dc SQUID (dc: ’direct current’/Gleichstrom) besteht aus einem supraleitenden<br />

Ring, der von zwei Josephson-Kontakten unterbrochen ist (s. Abb.6.64). Es wird von<br />

einem Gleichstrom I gespeist (’bias current’) und der Ring ist durchsetzt von einem<br />

externen magnetischen Fluss Φ a aufgrund eines angelegten Magnetfeldes H = B/µ 0 .<br />

Abb. 6.64: Schematische Darstellungeines dc SQUIDs.<br />

Ein variabler externer Fluss führt zu einer Modulation des maximalen Suprastroms<br />

(’kritischer Strom’) I c , bzw. bei konstantem Bias-Strom I>I c zu einer Modulation der<br />

Gleichspannung V über das SQUID mit einer Periode, gegeben durch das elementare<br />

Flussquant Φ 0 .<br />

Diese Eigenschaft wurde erstmals im Jahr 1964 19 , d.h. zwei Jahre nach der Entdeckung<br />

des Josephson-Effekts gezeigt. (s. Abb.6.65)<br />

Abb. 6.65: Modulation des kritischen Stroms eines dc SQUIDs vs. Magnetfeld; Inset zeigt<br />

Geometrie des SQUIDs: a,b: Sn-Film (ca. 100 nm), c: Sn-Oxid (Barriere), d: Al 2 O 3 -Substrat<br />

[aus R. C. Jaklevic et al.]<br />

19 R. C. Jaklevic, J. Lambe, A. H. Silver, J. E. Mercereau, Phys. Rev. Lett. 12, 159 (1964)


412 <strong>Kapitel</strong> 6 <strong>Supraleitung</strong><br />

Gesamtfluss im dc SQUID<br />

Wir leiten zunächst eine wichtige Beziehung her welche die Phasendifferenzen δ k über<br />

die beiden Josephson-Kontakte (k =1, 2) mit dem magnetischen Fluss durch den Ring<br />

verknüpft. Diese folgt aus der Fluxoidquantisierung als Folge der Eindeutigkeit der<br />

supraleitenden Wellenfunktion<br />

∮<br />

2πn = ⃗∇ϕd ⃗ l , (6.125)<br />

mit dem Phasengradienten<br />

⃗∇ϕ = 1 (m s ⃗v s + q s<br />

⃗ A)=<br />

2π<br />

Φ 0<br />

( ⃗ A + µ 0 λ 2 L ⃗ j s ) . (6.126)<br />

Da bei dem Auswerten des Ringintegrals in (6.125) der Integrationsweg über die beiden<br />

Josephson-Kontakte verläuft benötigen wir zudem die Definition (6.98) der Phasendifferenz<br />

eines Josephson-Kontakts, zwischen den Punkten a und b in den supraleitenden<br />

Elektroden<br />

δ = ϕ b − ϕ a − 2π ∫ b<br />

⃗Ad<br />

Φ ⃗ l . (6.127)<br />

0<br />

Die Herleitung geht nun ähnlich wie bei der Bestimmung von δ(x) eines Josephson-<br />

Kontakts im Magnetfeld – zum Integrationsweg siehe Abb. 6.66.<br />

Integration im Supraleiter [mit (6.126)]:<br />

a<br />

-Weg2→ 1<br />

∫ 1<br />

2<br />

⃗∇ϕd ⃗ l = 2π<br />

Φ 0<br />

∫ 1<br />

2<br />

⃗Ad ⃗ l + 2π ∫ 1<br />

µ 0 λ 2 L<br />

⃗j s d<br />

Φ ⃗ l . (6.128)<br />

0 2<br />

-Weg1 ′ → 2 ′ ∫ 2 ′<br />

∫<br />

∇ϕd ⃗ ⃗<br />

2π 2 ′<br />

l = Ad ⃗ ⃗<br />

2π l + µ 0 λ 2 L<br />

1 Φ ′ 0 1 Φ ′ 0<br />

∫ 2 ′<br />

1 ′ ⃗j s d ⃗ l . (6.129)<br />

Abb. 6.66: dc SQUID (schematisch) zur Herleitungvon δ 1 − δ 2 ; der Integrationsweg ist als<br />

gestrichelte Linie eingezeichnet.


6.7 SQUIDs: supraleitende Quanteninterferometer 413<br />

Integration über Kontakte [mit (6.127)]:<br />

-Weg1→ 1 ′ ∫ 1 ′<br />

-Weg2 ′ → 2<br />

∫ 2<br />

1<br />

⃗∇ϕd ⃗ l = ϕ 1 ′ − ϕ 1 = δ 1 + 2π<br />

Φ 0<br />

∫ 1 ′<br />

1<br />

⃗Ad ⃗ l . (6.130)<br />

∇ϕd ⃗ ⃗ l = −(ϕ2 ′ − ϕ 2 )=−(δ 2 + 2π ∫ 2 ′<br />

⃗Ad<br />

2 Φ ⃗ l) . (6.131)<br />

′ 0 2<br />

Einsetzen von (6.128) bis (6.131) in (6.125) liefert dann<br />

{ ∮<br />

( ∫<br />

2πn = δ 1 − δ 2 + 2π<br />

1 ∫ )}<br />

2 ′<br />

Ad ⃗ ⃗ l + µ0 λ 2 L<br />

⃗j s d<br />

Φ ⃗ l + ⃗j s d ⃗ l . (6.132)<br />

0 2<br />

1 ′<br />

Mit ∮ ∫ ∫<br />

Ad ⃗ ⃗ l = ⃗Bdf ⃗ 1<br />

= Φ und mit der Ersetzung + ∫ 2 ′<br />

≡ ∮ (die Kontur C ′<br />

2 1 ′ C ′<br />

entspricht dem geschlossenen Integrationsweg in Abb.6.66 abzüglich der Integration<br />

über die beiden Kontakte) folgt dann<br />

δ 2 − δ 1 +2πn = 2π { ∮ }<br />

Φ+µ 0 λ 2 L<br />

⃗j s d<br />

Φ ⃗ l ≡ 2π Φ T . (6.133)<br />

0 C Φ ′ 0<br />

Die in (6.133) definierte Größe Φ T ist der Gesamtfluss im SQUID.<br />

Zusammenhang zwischen Φ und Φ T :<br />

Der über das Integral ∫ Bdf definierte Fluß im SQUID-Ring setzt sich aus zwei Beiträgen<br />

zusammen:<br />

Φ=Φ a + L geom J . (6.134)<br />

Hierbei ist Φ a = B · A eff der extern angelegte Fluss. 20 Zusätzlich trägt der im SQUID-<br />

Ring zirkulierende Strom J (s. Abb.6.64) aufgrund der geometrischen Induktivität des<br />

Rings zum Fluss Φ bei.<br />

Das Integral über die Suprastromdichte ⃗j s liefert einen weiteren Beitrag L kin J, der aber<br />

meist vernachlässigt werden kann. 21<br />

Damit gilt für den gesamten Fluss die häufig verwendete Beziehung<br />

Φ T =Φ a + LJ . (6.135)<br />

Definition von J:<br />

Die Ströme durch die beiden SQUID-Arme (s. Abb.6.64) lassen sich schreiben als<br />

I 1 = I 2 + J und I 2 = I 2 − J . (6.136)<br />

Damit ist der im SQUID-Ring zirkulierende Strom definiert als<br />

J = I 1 − I 2<br />

2<br />

. (6.137)<br />

20 Die effektive Fläche A eff<br />

des SQUIDs wird als Verhältnis von Φ a<br />

/B definiert.<br />

21 Hierbei ist L kin<br />

die kinetische Induktivität des SQUID-Rings; diese ist meist gegenüber der geometrischen<br />

Induktivität vernachlässigbar und liefert nur dann einen signifikanten Beitrag zur Gesamtinduktivität<br />

L = L geom<br />

+L kin<br />

wenn die Filmdicke klein gegenüber λ L<br />

ist und/oder wenn die Linienbreite<br />

des SQUID-Rings sehr klein ist.


414 <strong>Kapitel</strong> 6 <strong>Supraleitung</strong><br />

dc SQUID – statischer Fall<br />

Um die Wirkungsweise des dc SQUIDs – also die periodische Modulation mit dem<br />

externen magnetischen Fluss Φ a – zu verstehen betrachten wir zunächst den statischen<br />

Fall (V = 0), d.h. wir fragen nach dem maximalen Suprastrom (kritischer Strom) I c<br />

des SQUIDs und nach seiner Abhängigkeit I c (Φ a ).<br />

Entsprechend der Abb.6.64 teilt sich der Bias-Strom I auf in die Ströme I 1 und I 2<br />

durch den linken, bzw. rechten SQUID-Arm (1 bzw. 2).<br />

Für die beiden Josephson-Kontakte 1 und 2 mit Phasendifferenzen δ 1 und δ 1 gilt<br />

I 1 = I 0,1 sin δ 1 und I 2 = I 0,2 sin δ 2 . (6.138)<br />

(I 0,k : max. Josephson-Strom der Kontakte k =1, 2)<br />

Mit dem Kirchhoff’schen Gesetz für die Ströme gilt<br />

I = I 0,1 sin δ 1 + I 0,2 sin δ 2 . (6.139)<br />

Im Fall identischer kritischer Ströme I 0,1 = I 0,2 = I 0 gilt mit der trigonometrischen<br />

Beziehung sin α +sinβ =2cos( β−α α+β<br />

) · sin( )<br />

2 2<br />

( ) ( )<br />

δ2 − δ 1 δ1 + δ 2<br />

I =2I 0 cos · sin<br />

. (6.140)<br />

2<br />

2<br />

Mit (6.133) in (6.140) folgt<br />

I =2I 0 cos<br />

(<br />

πn + πΦ ) (<br />

T<br />

· sin δ 1 + πn + πΦ )<br />

T<br />

Φ 0 Φ 0<br />

; (6.141)<br />

Mit der Beziehung cos(πn+x)·sin(πn+y) =(−1) n·cos(x)·(−1) n·sin(y) =cos(x)·sin(y)<br />

gilt dann<br />

( ) (<br />

πΦT<br />

I =2I 0 cos · sin δ 1 + πΦ )<br />

T<br />

. (6.142)<br />

Φ 0 Φ 0<br />

Der durch Gleichung (6.142) gegebene Suprastrom kann nun durch Variation der Phasendifferenz<br />

δ 1 maximiert werden - für gegebenen magnetischen Fluss und unter Berücksichtigung<br />

der Beziehung Φ T =Φ a + LJ aus (6.135).<br />

Im allgemeinen Fall hängt der Gesamtfluss Φ T vom externen Fluss Φ a und von dem<br />

zirkulierenden Strom J ab, welcher wiederum die Phasendifferenzen über die Kontakte<br />

moduliert. Die Lösung dieses Problems ist daher nicht trivial und erfolgt numerisch.<br />

Wir zeigen hier analytisch das einfache Ergebnis von zwei Spezialfällen:<br />

Hierzu führen wir vorher noch eine wichtige Größe ein, den sogenannten Abschirmparameter<br />

β L ≡ 2I 0L<br />

; (6.143)<br />

Φ 0<br />

Dieser beschreibt die Stärke des maximal möglichen - durch J erzeugten - Flusses<br />

Φ J,max = J max L = I 0 L, normiert auf ein halbes Flussquant Φ 0 /2.


6.7 SQUIDs: supraleitende Quanteninterferometer 415<br />

(I) kleine SQUID Induktivität – β L ≪ 1:<br />

d.h. der Fluss der von dem maximal möglichen Ringstrom erzeugt werden kann ist<br />

vernachlässigbar klein.<br />

⇒<br />

Φ T ≈ Φ a<br />

damit ist die Abschirmwirkung des SQUID-Rings vernachlässigbar (s. Abb.6.67(a))<br />

Einsetzen in (6.142) ergibt<br />

( ) πΦa<br />

I ≈ 2I 0 cos<br />

Φ 0<br />

(<br />

· sin δ 1 + πΦ )<br />

a<br />

Φ 0<br />

. (6.144)<br />

I wird maximal wenn sin(δ 1 + πΦa<br />

Φ 0<br />

)=±1<br />

⇒ kritischer Strom des dc SQUIDs:<br />

( )∣ I c ≈ 2I 0 ·<br />

∣ cos πΦa ∣∣∣<br />

Φ 0<br />

. (6.145)<br />

Diese Beziehung ist analog zum optischen Beugungsmuster am Doppelspalt.<br />

D.h. der kritische Strom I c (Φ a ) moduliert von seinem maximal möglichen Wert 2I 0 auf<br />

Null mit einer Periode Φ 0 (s. Abb.6.67(b)).<br />

Im Limit β L ≪ 1 ist die Modulationsamplitude maximal und beträgt<br />

∆I c =2I 0 .<br />

Abb. 6.67: dc SQUID im Limit β L ≪ 1: (a) Gesamtfluss Φ T vs. externer Fluss Φ a ; (b)<br />

kritischer Strom vs. Φ a .


416 <strong>Kapitel</strong> 6 <strong>Supraleitung</strong><br />

(II) grosse SQUID Induktivität – β L ≫ 1:<br />

Im Gegensatz zu einem geschlossenen supraleitenden Ring, kann das dc SQUID den im<br />

Ring eingeschlossenen Fluss ändern, d.h. die ganze Zahl n in der Fluxoidquantisierung<br />

(6.125) bzw. (6.133) passt sich immer so an, dass der Abschirmstrom minimiert wird,<br />

und der aufgrund des zirkulierenden Stroms erzeugte Fluss LJ maximal Φ 0 /2beträgt<br />

(LJ ≤ Φ 0 /2).<br />

Im Limit β L ≫ 1 folgt somit LJ ≤ Φ 0 /2 ≪ LI 0 ⇒ J ≪ I 0 .<br />

Daher wirkt sich der Ringstrom - unabhängig vom externen Fluss - praktisch nicht auf<br />

die Phasendifferenzen der Kontakte aus, d.h. δ 2 − δ 1 ≈ 0.<br />

Somit vereinfacht sich (6.133) zu<br />

Φ T ≈ nΦ 0<br />

Mit (6.135) gilt also<br />

und damit<br />

Φ T =Φ a + LJ ≈ nΦ 0 ; (6.146)<br />

J ≈− Φ a − nΦ 0<br />

L<br />

. (6.147)<br />

Man sieht sofort, dass für grosse L der Ringstrom J → 0<br />

⇒ maximaler Strom ist unabhängig vom externen Fluss I 1 ≈ I 2 = I 0 ,<br />

d.h. der kritische Strom ist I c ≈ 2I 0 für alle Φ a .<br />

Im Gegensatz zum Limit β L ≪ 1 ist daher die Modulation von I c (Φ a ) sehr gering.<br />

Eine relative einfache Herleitung liefert für die maximale Änderung des kritischen<br />

Stroms<br />

∆I c ≈ Φ 0<br />

L = 2 I 0 ≪ I 0<br />

β L<br />

Abb. 6.68: dc SQUID im Limit β L ≫ 1: (a) Gesamtfluss Φ T vs. externer Fluss Φ a ; (b)<br />

kritischer Strom vs. Φ a und maximale Ströme von I 1 und I 2 .


6.7 SQUIDs: supraleitende Quanteninterferometer 417<br />

dc SQUID – dynamischer Fall<br />

Im Prinzip kann die Modulation I c (Φ a ) nun genutzt werden, um kleinste Änderungen<br />

des externen magnetischen Flusses zu messen.<br />

Aus praktischen Gründen ist es aber wesentlich einfacher, das dc SQUID im dynamischen<br />

Zustand, d.h. bei V ≠ 0 zu betreiben – mit einem konstanten Bias-Strom I –<br />

und die Abhängigkeit V (Φ a ) zu nutzen.<br />

Im Spannungszustand spielen natürlich auch der Widerstand R k und die Kapazität<br />

C k der beiden Josephson-Kontakte eine Rolle. Zur Beschreibung verwendet man das<br />

RCSJ-Modell der Kontakte 22 , d.h. jeder Kontakt wird beschrieben als Parallelschaltung<br />

des Josephson-Elements (mit kritischem Strom I 0 ) mit einem ohmschem Widerstand<br />

R (Quasiteilchenstrom) und einer Kapazität C (Verschiebestrom).<br />

Anmerkung:<br />

Das RCSJ-Modell vernächlässigt Variationen der Kontaktparameter entlang des Kontaktes<br />

– nimmt also quasi-punktförmige Kontakte an. Diese Näherung ist insbesondere<br />

gut wenn die Breite des Kontaktes W ≤ 4λ J . Man spricht dann von einem kurzen<br />

Kontakt (short junction limit).<br />

dc SQUID im RCSJ-Modell<br />

Wir betrachten nun also ein dc SQUID mit zwei Josephson-Kontakten, die gemäß dem<br />

RCSJ-Modell beschrieben werden – s. Abb.6.69(a).<br />

Die Strom-Spannungskennlinie (I − V -Kurve) moduliert dann in Abhängigkeit des<br />

externen Flusses Φ a zwischen den in Abb.6.69(b) gezeigten Kurven<br />

–mitI c,max =2I 0 bei Φ a = nΦ 0 und I c,min bei Φ a =(n + 1 2 )Φ 0.<br />

Das dc SQUID wird dann bei einem konstanten Strom I = I B (nahe bei I B =2I 0 )<br />

betrieben, und es wird die zeitlich gemittelte Spannung V in Abhängigkeit des externen<br />

Flusses Φ a ausgelesen [s. Abb.6.69(c)].<br />

Abb. 6.69: dc SQUID: (a) schematische Darstellungmit RCSJ-Kontakten; (b) Strom-<br />

Spannungs-Charakteristik; (c) Spannungs-Fluss-Charakteristik<br />

22 W. C. Stewart, Current-voltage characteristics of Josephson junctions, Appl.Phys.Lett.12, 277<br />

(1968); D. E. McCumber, Effect of ac impedance on dc voltage-current characteristics of Josephson<br />

junctions, J.Appl.Phys.39, 3113 (1968).


418 <strong>Kapitel</strong> 6 <strong>Supraleitung</strong><br />

Anmerkung:<br />

Um einen eindeutigen Spannungswert V (Φ a ) zu erhalten verwendet man nichthysteretische<br />

Kontakte, d.h. mit einem McCumber-Parameter β c ≡ 2π<br />

Φ 0<br />

I 0 R 2 C < ∼1.<br />

Die über das dc SQUID abfallende Spannung oszilliert also mit dem externen Fluss<br />

mit einer Periode von Φ 0 – das dc SQUID wird also als Fluss-zu-Spannungs Konverter<br />

betrieben.<br />

Als wesentliche Kenngröße führen wir die sogenannte Fluss-zu-Spannungs Transferfunktion<br />

(kurz: Transferfunktion) ein. Dies ist die Steigung ∂V/∂Φ a der V (Φ a )-Kurve.<br />

Die Steigung hängt natürlich sowohl von dem gewählten Bias-Strom, als auch von dem<br />

Arbeitspunkt auf der Φ a -Achse ab. In der Regel bezeichnet man die Transferfunktion<br />

als die bzgl. I B und Φ a maximierte Steigung 23 ,also<br />

( ∂V<br />

V Φ ≡<br />

∂Φ a<br />

)max<br />

. (6.148)<br />

Eine vom SQUID detektierte kleine Flussänderung δΦ erzeugt eine messbare Spannungsänderung<br />

δV = V Φ · δΦ . (6.149)<br />

Damit ist klar, dass die Optimierung der Empfindlichkeit eines SQUIDs ganz wesentlich<br />

die Maximierung der Transferfunktion erfordert – diese hängt insbesondere von den<br />

wichtigsten SQUID-Parametern L, I 0 und R ab.<br />

grobe Abschätzung:<br />

Aus der Modulationstiefe ∆I c lässt sich die maximale Spannungsänderung abschätzen<br />

zu<br />

∆V ≈ ∆I c · R .<br />

Wir betrachten den wichtigen Fall β L ≈ 1. Hierfür gilt 24<br />

∆I c ≈ I 0 ≈ Φ 0<br />

2L<br />

und damit<br />

∆V ≈ ∆I c · R ≈ Φ 0R<br />

.<br />

2L<br />

Diese Spannungsänderung resultiert aus einer Änderung des externen Flusses um<br />

∆Φ = Φ 0 /2, d.h. für die Transferfunktion erwartet man<br />

V Φ ≈ 2∆V<br />

Φ 0<br />

≈ R L ≈ 2I 0R<br />

Φ 0<br />

.<br />

⇒ grosses R und kleines L, bzw. grosses I 0 R erforderlich !<br />

23 typischerweise bei I B<br />

≈ 2I 0<br />

und Φ a<br />

≈ (n ± 1 4 )Φ 0 .<br />

24 folgt aus numerischer Simulation


6.7 SQUIDs: supraleitende Quanteninterferometer 419<br />

Abb. 6.70: YBCO dc SQUID: (a) I-V-Kurve; (b) V-Φ-Charakteristik bei verschiedenen Bias-<br />

Strömen.<br />

Abbildung 6.70 zeigt ein typisches experimentelles Ergebnis für ein YBa 2 Cu 3 O 7−δ dc<br />

SQUID. Aus den gemessenen Werten für I 0 und R, bzw. der geometrischen Induktivität<br />

L = 40 pH folgt für dieses SQUID β L = 4. Aus der oben vorgenommenen groben<br />

Abschätzung V Φ ≈ R/L folgt dann V Φ ≈ 65 µVΦ 0 ,inguterÜbereinstimmung mit dem<br />

experimentell ermittelten Wert.<br />

Praktische SQUIDs<br />

Ein SQUID misst sehr empfindlich den magnetischen Fluss Φ a durch den SQUID-Ring.<br />

Für Anwendungen ist man jedoch meist an der magnetischen Flussdichte B interessiert.<br />

Hierbei gilt B =Φ a /A eff ; mit der effektiven Fläche A eff des SQUIDs. Je größer die<br />

effektive Fläche, desto kleiner kann eine Änderung in B sein, die von dem SQUID noch<br />

detektiert werden kann (bei vorgegebener Empfindlichkeit gegen magnetischen Fluss).<br />

Eine typische SQUID-Struktur – ein sogenanntes washer-SQUID – ist unten gezeigt<br />

Abb. 6.71: ”Washer” zur<br />

Flussfokussierung: (a) Grundstruktur;<br />

(b) washer dc SQUID<br />

– hier ist eine Version eines<br />

HTS SQUIDs gezeigt, mit zwei<br />

Josephson-Kontakten an der<br />

Korngrenze (gestrichelte Linie).<br />

Für die einfache quadratische Washer-Struktur gilt:<br />

L =1.25µd und A eff = d · D<br />

Die Optimierung der Feldempfindlichkeit erfordert meistens kleine Werte für L,umeine<br />

gute Flussempfindlichkeit zu erhalten und große Werte für A eff ⇒ Magnetometer


420 <strong>Kapitel</strong> 6 <strong>Supraleitung</strong><br />

SQUIDs für Messungen von Magnetfelder und Feldgradienten<br />

Ganz allgemein besteht ein SQUID-basiertes Meßsystem aus drei Teilen (s. Abb.6.72):<br />

Mit Hilfe eines geeigneten Einkoppelkreises (”Input-circuit”) wird eine physikalische<br />

Meßgröße δx in einen magnetischen Fluss δΦ umgewandelt, im SQUID detektiert und<br />

von einer geeigneten Ausleseelektronik in der Regel in ein Spannungssignal δV umgewandelt.<br />

Abb. 6.72: Prinzipieller Aufbau eines SQUID basierten Meßsystems.<br />

Für die empfindliche Detektion von Magnetfeldern werden supraleitende Flusstransformatoren<br />

eingesetzt<br />

Abb. 6.73: Supraleitende Flusstransformatoren zur Detektion von Magnetfelder und Feldgradienten<br />

[aus J.Clarke, SQUID fundamentals; in H. Weinstock (Ed.), SQUID Sensors: Fundamentals,<br />

Fabrication and Applications, Kluwer Academic Publishers, Dordrecht, (1996) ].


6.8 Supraleiter in der Anwendung 421<br />

6.8 Supraleiter in der Anwendung<br />

Ausnützen von R =0<br />

→ Supraleitende Kabel<br />

Konventionelle Supraleiter<br />

→ Kühlung mit flüssigem Helium nötig<br />

→ unwirtschaftlich<br />

Hochtemperatursupraleiter<br />

→ Kühlung mit flüssigem Stickstoff ok<br />

→ derzeit intensives Forschungsgebiet<br />

→ Supraleitende Magneten<br />

– Konventionelle Magnete B ≫ 1Tesla<br />

→ starke Erwärmung, aufwändige Kühlung notwendig<br />

– Supramagneten: Maximalstrom I max = I c (B)<br />

mit Nb 3 Sn → Felder bis ∼ 20 Tesla (T


422 <strong>Kapitel</strong> 6 <strong>Supraleitung</strong><br />

→ Supraleiter als passive Mikrowellenelemente<br />

z.B. Resonatoren, Filter, Zuleitungen<br />

Mikrowellenfrequenzen: R ≠0,aberR supra ≪ R kupfer , falls die Frequenz nicht<br />

zu hoch ist.<br />

→ kleine, kompakte Bauelemente.<br />

Beispiel: Filter für Satelliten-Kommunikationstechnik.<br />

Satellit: Empfang von Bodenstation → Verstärkung → Abstrahlung.<br />

Problem: keine Breitbandverstärkung durch einen Verstärker<br />

im gesamten Frequenzbereich<br />

Lösung: Signal in viele Kanäle aufteilen, einzeln verstärken<br />

⇒ Filter erforderlich!<br />

Abb. 6.74: Schematische Darstellungder Durchlasscharakteristik eines Filters mit idealer<br />

Durchlasskurve (links) und eines realen Filters (rechts) aus Approximation durch geeignete<br />

Kombination von Resonatoren.<br />

Güte der Struktur muß hoch sein ⇒ kleine Dissipation.<br />

Energie im Inneren des Resonators gespeichert.<br />

Dissipation an der Oberfläche<br />

⇒ möglichst große Volumina bei Normalleitern<br />

→ große, schwere Satelliten → teuer!<br />

Supraleiter → kompakte Bauweise, schärfere Durchlasskurven<br />

Derzeit erste Tests mit HTSL in Satelliten im Gang.


6.8 Supraleiter in der Anwendung 423<br />

Ausnützen der Feldverdrängung: Levitation<br />

→ Supraleiter schweben auf Magneten<br />

→ Typ-II-Supraleiter mit starkem Pinning<br />

→ Im Feld gekühlter Supraleiter versucht, bei B ≈ const. zu bleiben. → sogar<br />

”hängende” Supraleiter möglich<br />

Ausnützen von Quanteninterferenz<br />

→ Josephson-Kontakte als Oszillatoren, Detektoren, Mischer, digitale Bauelemente.<br />

Maximale Frequenzen bis in THz-Bereich möglich<br />

→ Manipulation einzelner Flußquanten<br />

→ digitale Schaltkreise, ”Rapid Single Flux Quantum Logic”<br />

→ sehr schnell, wenig Dissipation<br />

→ SQUIDs als Detektoren für Magnetfelder<br />

Feldauflösung bis ∼ 10 −15 Tmöglich (!)<br />

→ Reicht zur Detektion von Hirnmagnetismus<br />

→ Zerstörungsfreie, schnelle Detektion magnetischer Signale!<br />

→ Zahlreiche Einsatzfelder (Medizin, Geologie, Werkstoffprüfung, Grundlagenexperimente<br />

wie Detektion von Gravitationswellen)


424 <strong>Kapitel</strong> 6 <strong>Supraleitung</strong>

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