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KRAFTWERKSBAU ABSEITS AUSGETRETENER PFADE

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028-030.qxp 15.02.10 13:28 Uhr Seite 2<br />

Die beiden baugleichen fünfdüsigen<br />

Peltonturbinen von neromylos sind auf<br />

jeweils 550 kW Leistung ausgelegt.<br />

Zwei junge Steirer haben bei der Umsetzung ihres Wasserkraftwerksprojektes ganz individuelle Wege beschritten, und das durchaus<br />

mit Erfolg. Von Anfang an zeigten sich die beiden Brüder Thomas und DI Michael Esterl aus dem Krakautal offen für<br />

Innovationen und unkonventionelle Lösungen - vor allem, solange diese zwei Dingen versprachen: Wirtschaftlichkeit und<br />

Funktionalität. Das Kleinwasserkraftwerk am Etrachbach, das von der Osttiroler Firma neromylos als Generalunternehmer<br />

errichtet und ausgerüstet wurde, erfüllt Beides und bringt seine Betreiber schon manchmal ins Schwärmen.<br />

Unabhängigkeit - das war der ursprüngliche<br />

Gedanke, der die beiden Brüder<br />

Thomas und Michael Esterl zum eigenen<br />

Kraftwerk inspirierte. „Im Winter vor drei<br />

Jahren, als wieder einmal der Gaskrieg zwischen<br />

Russland und Ukraine tobte, und uns<br />

die große Bedeutung erneuerbarer Energien<br />

besonders bewusst wurde, wollten wir einen<br />

kleinen Beitrag für mehr Energieunabhängigkeit<br />

leisten. Deshalb hat mein Bruder die Idee<br />

aufgeworfen, dass wir vielleicht ein Wasserkraftwerk<br />

bauen könnten. Der Etrachbach hier<br />

in unmittelbarer Nähe, an dem es früher einige<br />

Mühlen gegeben hat und heute ein paar<br />

Kraftwerke stehen, bot sich dafür förmlich an“,<br />

erzählt Thomas Esterl, Geschäftsführer der Betreibergesellschaft,<br />

die von den beiden Brüdern<br />

gehalten wird. Es folgten Voruntersuchungen,<br />

Machbarkeitsstudien, Gespräche mit Behörden<br />

und Anrainern, ehe das Projekt tatsächlich<br />

konkrete Formen annahm. Als letzte ausstehende<br />

Behördengenehmigung wurde im April<br />

2008 der Wasserrechtsbescheid erlangt. Es<br />

konnte losgehen.<br />

WEHRANLAGE IN FERTIGTEILBAUWEISE<br />

Das Konzept für das Kraftwerk schien für die<br />

beiden Betreiber von vorne bis hinten stimmig.<br />

Der für neromylos tätige, gewerberechtliche<br />

Geschäftsführer - Ing. Gerald Pall wusste<br />

mit seinen Argumenten zu überzeugen. „Die<br />

28 Februar 2010 zek<br />

Foto: zek<br />

Wasserkraft<br />

<strong>KRAFTWERKSBAU</strong> <strong>ABSEITS</strong> <strong>AUSGETRETENER</strong> <strong>PFADE</strong><br />

hydrologischen Gegebenheiten sind nicht einfach.<br />

Wir haben eine Fallhöhe von 86 Meter<br />

und eine Ausbaumenge von 1,5 m 3 /s. Welche<br />

Turbine sollten wir nehmen? Am Ende haben<br />

wir uns für zwei fünfdüsige Peltonmaschinen<br />

der Firma neromylos entschieden“, erzählt<br />

Thomas Esterl. Doch die beiden Turbinen<br />

stellten an sich keine grundsätzliche Novität<br />

dar. Was an der Wasserfassung realisiert werden<br />

sollte dagegen schon. Esterl: „Unserer<br />

Ansicht nach sprach sehr viel dafür, keine konventionelle<br />

Wasserfassung zu bauen. Das<br />

Konzept von neromylos war für uns sinnvoller.<br />

Es besteht grob aus einer Wehranlage,<br />

einer Fischaufstiegshilfe, einem Vorfluter und<br />

einem Coanda-Rechen mit anschließendem<br />

Entsanderbecken - und das alles in Fertigteilbauweise<br />

zu errichten.“ Bis zur ersten Bewährungsprobe<br />

sollten aber noch ein paar Liter<br />

Wasser den Etrachbach zu Tale fließen.<br />

ROHRTRASSE FOLGT BACHLAUF<br />

Als schwierig hätte sich vor allem - so der<br />

Betreiber - der Rohrleitungsbau herausgestellt:<br />

„Einerseits war der Bau sehr aufwändig, anderseits<br />

hatten wir mit dem Untergrund zu<br />

kämpfen.“ Er und sein Bruder hatten sich für<br />

GF-UP-Rohre DN 1000 aus dem Hause<br />

HOBAS entschieden. Das war nicht nur die<br />

wirtschaftlichste Lösung, sondern auch eine<br />

sehr praktikable - was das Handling anging.<br />

„Wir haben die Leitung ohne Hoch- oder<br />

Tiefpunkt von den zwei Enden aus zusammengebaut.<br />

Dabei ist die Trasse großteils<br />

direkt dem Bachverlauf gefolgt, was bedeutete,<br />

dass wir mit der Druckrohrleitung jeder<br />

Krümmung folgen mussten. Aber das hat mit<br />

den HOBAS-Rohren sehr gut funktioniert.<br />

Ich kann ja die Leitung in den Muffen bis zu<br />

drei Grad abwinkeln - und kann zudem sehr<br />

kurze Rohrstücke einsetzen. Damit erspart<br />

man sich diverse Sonderteile und natürlich<br />

auch die Fixpunkte“. Und trotzdem ging es<br />

beim Rohrbau nicht ohne Einsatz von Beton<br />

vonstatten: „Wir sind leider durch sumpfiges<br />

Terrain gekommen und mussten für die<br />

Stabilisierung rund 1.000 m 3 Beton einsetzen“.<br />

Bis in den Spätherbst 2008 war der<br />

Großteil der 2.650 Meter langen Druckrohrleitung<br />

verlegt. Der früh einsetzende Winter<br />

verhängte eine Pause über die Bauarbeiten.<br />

Wasserfassung mit Vertical-Slot-<br />

Fischpass und dem Coanda-Rechen.<br />

Foto: zek<br />

Foto: Salzburg AG<br />

Auch bei -20 Grad<br />

bleibt der Coanda-<br />

Rechen von HOBAS eisfrei.<br />

Foto: zek


028-030.qxp 15.02.10 13:28 Uhr Seite 3<br />

BAU-ABLAUF NACH BAUKASTENPRINZIP<br />

Als der Schnee im Frühjahr 2009 langsam<br />

wieder das Etrachtal freigab, konnte die zweite<br />

Bauetappe starten. Es galt, das Maschinenhaus<br />

ebenso wie die Wasserfassung fertig zu<br />

stellen. Und beides ging verblüffend schnell.<br />

Der Grund dafür liegt hauptsächlich in der<br />

eingesetzten Fertigteilbauweise. Esterl: „Der<br />

ganze Wehrriegel ist in zwei Teilen angeliefert<br />

worden - und war ruckzuck einbetoniert. Auch<br />

der Coanda-Rechen von der Firma HOBAS,<br />

der Dotierwasserdom und der Entsander sind<br />

ebenso wie die Fischtreppe als Fertigteile verbaut<br />

worden. Diese Bauweise bringt den zusätzlichen<br />

Vorteil, dass sie umweltschonend<br />

erfolgt. Die Baugrube war vergleichsweise<br />

klein, auf etwaige Hangsicherungsmaßnahmen<br />

konnten wir verzichten.“ Ähnlich sah das<br />

Ganze auch bei der Baustelle Krafthaus aus.<br />

„Das Fundament, das mit eingeschweißten<br />

Bewehrungen versehen war, wird von einer<br />

‚verlorenen Schalung' gebildet. Mit 300 m 3<br />

Beton ist es dann in einem Tag betoniert worden.<br />

Insgesamt haben wir für das Krafthaus<br />

inklusive Maschinenmontage keine zwei<br />

Monate gebraucht“, so Esterl.<br />

GERINGE NETZKAPAZITÄTEN<br />

Am 5. Oktober letzten Jahres war es schließlich<br />

soweit: die neromylos-Maschinen konnten<br />

ans Netz genommen werden. Seitdem<br />

Technische Daten<br />

Auch das Maschinenhaus<br />

wurde in Fertigteilbauweise<br />

errichtet.<br />

Ausbauwassermenge: 1.500 l/s / 750 l/s pro Turbine<br />

Gewässer: Etrachbach (Stmk.) / Fallhöhe: 86 m<br />

Turbinen: 2 x 1 Peltonturbine fünfdüsig vertikalachsig<br />

Laufräder: 1 x Chromstahl / 1 x nitrierter Stahl 17 Becher<br />

Turbine Fabrikat: neromylos / Nennleistung: 550 kW pro Turbine<br />

Generator: Asynchrongenerator Fabrikat: Marelli<br />

Generator-Nennleistung: 580 kVA direkt gekuppelt<br />

Druckrohrleitung: Länge: 2.650 m Ø DN 1000<br />

Material Druckrohrleitung: GF-UP / Fabrikat HOBAS<br />

Regelarbeitsvermögen: ca. 4,5 GWh<br />

Foto: Pall<br />

Wasserkraft<br />

Thomas Esterl bedient seine<br />

neue Anlage über ein Touch-<br />

Screen-System. PC wurde<br />

keiner installiert.<br />

läuft das neue Kraftwerk am Etrachbach problemlos<br />

im Probebetrieb. Im Nachhinein ist<br />

Thomas Esterl erleichtert, dass das Projekt<br />

erfolgreich über die Bühne gegangen ist. So<br />

manches Detail habe aber an seinen Nerven<br />

gezerrt, gesteht er freimütig: „Speziell der Anschluss<br />

ans örtliche Verteilernetz ist uns ungemein<br />

schwer gemacht worden - mit der Begründung,<br />

dass die Netzkapazitäten für ein<br />

weiteres Wasserkraftwerk in unserer Region<br />

nicht ausreichen würden. Wir mussten also<br />

auch noch für den Netzanschluss einen ganzen<br />

Batzen zahlen. Aber immerhin hat es am Ende<br />

doch noch eine gütliche Einigung gegeben.“<br />

COANDA-ASTERIKKS-SIEB BLEIBT EISFREI<br />

Und wenn Esterl heute sein Kraftwerk präsentiert,<br />

kommt er schon ab und zu ins<br />

Schwärmen. „Uns hat von Anfang an die von<br />

neromylos entwickelte Kombinationslösung<br />

von Vorfluter, Coanda-Rechen und Entsander<br />

zugesagt. Das funktioniert perfekt: Das Wasser<br />

gelangt an der Fassung zuerst in den<br />

Vorfluter, hier wird es aufgestaut, bis es über<br />

die Schwelle und auf den Coanda-Rechen<br />

fällt. Dieser besteht aus 6 Sieben, die schon<br />

den größten Teil des Geschwemmsels ausfiltern.<br />

Danach trifft das Wasser auf eine Prellwand<br />

und strömt weiter in den Entsander, wo<br />

sich die letzten verbliebenen Schwebeteilchen<br />

absetzen können. Erst danach geht es in die<br />

Druckrohrleitung“, erklärt der Betreiber. Die<br />

einzigen Bedenken seien ihm bezüglich dieser<br />

Lösung von außen zugetragen worden: „Die<br />

haben gemeint, der Rechen mit den feinen<br />

Stababständen würde im Winter zufrieren.<br />

Angeblich kann das tatsächlich bei nachgebauten<br />

Coanda-Systemen passieren, die nicht<br />

optimal konstruiert sind. Bei diesem Patent,<br />

das von neromylos optimiert und von HOBAS<br />

exklusiv vertrieben wird, ist dies jedoch nicht<br />

der Fall. Wir haben in diesem Winter an der<br />

Wasserfassung Temperaturen bis -20 Grad<br />

gemessen. Und alles läuft perfekt weiter. Es<br />

bildet sich lediglich durch das Spritzwasser<br />

eine Art Eishülle, die aber genug Platz für ein<br />

ungehindertes Durchströmen lässt.“<br />

ÜBERZEUGENDE „PERFORMANCE“<br />

Zweieinhalb Kilometer stromabwärts wartet<br />

die Anlage ebenfalls mit viel High-Tech auf:<br />

Die beiden fündüsigen neromylos-Peltonturbinen<br />

im Krafthaus machen schon optisch<br />

einen starken Eindruck. Esterl: „In erster Linie<br />

war mir wichtig, dass der Wirkungsgrad möglichst<br />

hoch ist. Aus diesem Grund haben wir<br />

mit dem Planer, Gerald Pall, die Variante mit<br />

zwei fünfdüsigen Turbinen gewählt. Einerseits<br />

ist mit zehn Düsen eine sehr feine Steuerbarkeit<br />

möglich. Und anderseits kann die<br />

Maschine damit optimal am Wirkungsgradoptimum<br />

gehalten werden. Zwar hatten wir<br />

Foto: zek<br />

zek Februar 2010 29


028-030.qxp 15.02.10 13:28 Uhr Seite 4<br />

Alles im Blick mit der Visualisierung der mm2-Steuerung:<br />

Auch ein Kamerasystem wurde installiert. Im Bild der<br />

HOBAS-Dom für die dynamische Restwasserabgabe.<br />

Dieser wird ebenfalls als Fertigteil geliefert und ist<br />

rasch montiert. Im Inneren misst eine IDW-Sonde hochpräzise<br />

jene Wassermenge, die dynamisch ins Bachbett<br />

zurückgeführt wird: eine Innovation mit guten<br />

Perspektiven.<br />

noch keine Möglichkeit, beide unter Volllast<br />

zu testen, aber die bisherige ‚Performance'<br />

passt sehr gut.“ Lobend streicht der Betreiber<br />

auch die Laufruhe seiner Maschinensätze hervor.<br />

Den berüchtigten „Münz-Test“ hätten sie<br />

mit Bravour bestanden. Esterl: „Wie das eben<br />

so üblich ist, haben wir in der Testphase eine<br />

Münze aufrecht auf den Rohrkrümmer<br />

gestellt - und die ist trotz mehrfachen Not-Aus<br />

und Wieder-Hochfahren nicht heruntergefallen.<br />

Diese Laufruhe schont auf lange Sicht<br />

natürlich auch die Lager.“ Die Lärmemission<br />

hält sich in sehr engen Grenzen. Messungen<br />

30 Februar 2010 zek<br />

Wasserkraft<br />

unter Vollast haben gezeigt, dass ein Wert von<br />

79dB im Abstand von einem Meter nicht<br />

überschritten wurde. Die Begründung dafür<br />

liefert neromylos Planer - Ing. Gerald Pall:<br />

„Unter anderem hat es mit der Einhausung<br />

des Laufrads zu tun, in die wir einen Schallschutz<br />

integriert haben.“<br />

ZWEI STAHL-VARIANTEN<br />

Das Turbinenkonzept von neromylos ist dabei<br />

auf nahezu völligen Schmiermittelverzicht<br />

ausgelegt. Der Strahlablenker wird pneumatisch<br />

angetrieben, und die Düsensteuerung<br />

erfolgt elektrisch.<br />

Äußerlich scheinen beide Maschinen identisch,<br />

doch im Inneren der Turbine ist ein feiner<br />

Unterschied verborgen: Das Laufrad von<br />

Maschine 1 besteht aus nitriertem Stahl und<br />

jenes von Maschine 2 aus Chromstahl. Man<br />

möchte auf lange Sicht die Verschleißeigenschaften<br />

beider Materialvarianten beobachten.<br />

Die zwei Turbinen sind bei einer Ausbauwassermenge<br />

von jeweils 750 l/s und einer Fallhöhe<br />

von 86 m auf eine Nennleistung von 550<br />

kW ausgelegt. Sie treiben einen direkt gekuppelten<br />

Asynchrongenerator Fabrikat Marelli<br />

mit 580 kVA Generatorleistung an. Für den<br />

Regelbetrieb wurde die Steuerung so programmiert,<br />

dass bei einer Düsenöffnung von 45<br />

Prozent die zweite Maschine in Betrieb gesetzt<br />

wird.<br />

Wesentliche Bedeutung für einen effizienten<br />

Betrieb der Turbinen kommt der vollautomatischen<br />

Steuerung zu. Diese wurde ebenfalls<br />

von neromylos selbst entwickelt und erfüllt<br />

die modernsten Standards heutiger Kraftwerkstechnologie.<br />

Dabei wurden die Bedienelemente<br />

möglichst einfach gehalten. Aus<br />

Gründen der Betriebssicherheit wurde auf<br />

einen PC verzichtet.<br />

EIN STÜCK UNABHÄNGIGKEIT<br />

Betreiber Thomas Esterl kann langsam einen<br />

Schlussstrich unter das „herausfordernde<br />

Kapitel Kraftwerksbau“ ziehen. Was noch<br />

fehlt, ist die Stromleitung vom Maschinenhaus<br />

zu seinem Hof, den der Steirer unbedingt<br />

mit eigenem Strom versorgen möchte. Im Jahr<br />

rechnet er in Summe mit einem Regelarbeitsvermögen<br />

von 4,5 GWh. „Ich hoffe schon<br />

schwer, dass wir das erreichen. Denn angesichts<br />

der aktuellen Strompreise müssen wir<br />

uns auf eine langwierige Amortisation einstellen“,<br />

sagt Esterl.<br />

Doch - und darüber sind sich die beiden<br />

Brüder aus Krakauhintermühlen einig - das<br />

Kraftwerk wurde nicht vorrangig als Investment<br />

gebaut. Für sie bedeutet es vielmehr ein<br />

Stück Unabhängigkeit in Sachen Energieversorgung.<br />

Und dafür sind die Zwei mit den<br />

Partnern neromylos und HOBAS einen individuellen<br />

Weg erfolgreich gegangen.

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