Anhang 2: Cluster Analyse für IKT - EIIW
Anhang 2: Cluster Analyse für IKT - EIIW
Anhang 2: Cluster Analyse für IKT - EIIW
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<strong>EIIW</strong><br />
POSITIONSPAPIER<br />
ZUR DIGITALEN WIRTSCHAFT 2012<br />
Informations- und Kommunikationstechnologie<br />
als Schlüssel <strong>für</strong> wirtschaftliche Modernisierung und Fortschritt<br />
in Deutschland und Nordrhein-Westfalen<br />
Prof. Dr. Paul J.J. Welfens (<strong>EIIW</strong>) / Dr. Gero Stenke und Dr. Verena Eckl (WiStat)<br />
Dipl. Ök. Philipp Breidenbach (RWI) / Dipl. Ök. Wolfgang Dürig (RWI)<br />
Prof. Dr. Christoph M. Schmidt (RWI/Ruhr-Univ. Bochum)<br />
Prof. Dr. Justus Haucap / Dr. Ulrich Heimeshoff / Jr.-Prof. Dr. Tobias Wenzel (DICE)<br />
Wir danken der Deutschen Telekom AG und der SAP AG <strong>für</strong> die fi nanzielle Unterstützung zur Drucklegung dieser Broschüre
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW II<br />
Zusammenfassung:<br />
Die <strong>Analyse</strong> thematisiert die Entwicklungslinien der Informations- und Kommunikationstechnologie (<strong>IKT</strong>),<br />
die als wichtige Treiber des Strukturwandels, von Innovationen und des Wachstums eingeordnet werden.<br />
Der Sektor der <strong>IKT</strong> wird in seiner langfristigen ökonomischen Bedeutung weithin unterschätzt, da die –<br />
häufig unzureichender Weise verwendete – auf Basis nominaler Zahlen gemessene sektorale Investitionsquote<br />
seit 2000 in den USA und Deutschland rückläufig ist. Die ökonomisch allein sinnvolle Messung<br />
realer Investitionsquoten zeigt aber, dass z.B. in Deutschland die Relation reale <strong>IKT</strong>-Investitionen zu realem<br />
Bruttoinlandsprodukt mehr als doppelt so hoch ist wie die auf Basis von nominalen Werten ermittelte<br />
Quote „(...)..; und weiter ansteigt. Umso wichtiger ist <strong>IKT</strong> auch <strong>für</strong> das Wirtschaftswachstum.<br />
Neben einigen Feldern, in denen Deutschland bzw. Nordrhein-Westfalen gut positioniert sind, gibt es auch<br />
Bereiche mit deutlichem Nachhol- bzw. Handlungsbedarf. Für Deutschland ist der Rückstand etwa bei<br />
Online-gestützter Jobsuche international erheblich, der Anteil der <strong>IKT</strong>-Innovationsaufwendungen noch<br />
relativ gering. Nicht zuletzt ist vom Staat zu erwarten, dass Digitales Regieren mittelfristig eine deutlich<br />
größere Rolle spielen wird, wobei jedoch im <strong>IKT</strong>-Bereich die Unterschiede zwischen den Ländern aller<br />
Voraussicht nach erheblich sein werden. Somit ist die Frage zu beantworten, welche Aktivitäten und Förderschwerpunkte<br />
des Bundes und der Länder aus wirtschaftspolitischer Sicht verfolgt werden sollten. Richtig<br />
gesetzte politische Rahmenbedingungen <strong>für</strong> die <strong>IKT</strong>-Expansion können ein Baustein zur Überwindung<br />
der im Nachgang zur Banken- und Eurokrise eingetretenen Wachstumsverlangsamung in Europa sein.<br />
In Nordrhein-Westfalen können <strong>IKT</strong>-Initiativen von dessen Standortvorteil als bevölkerungsreichstes Bundesland<br />
verstärkt profitieren; darüber hinaus gibt es zahlreiche gute Ansatzpunkte <strong>für</strong> eine wachstumsorientierte<br />
Wirtschaftspolitik. So besteht gerade im Bildungssektor eine deutliche Unterrepräsentierung der <strong>IKT</strong>-<br />
Ausgaben. Obwohl der Bildungssektor nahezu 6% Anteil an der nationalen Wertschöpfung aufweist, betragen<br />
die <strong>IKT</strong>-Ausgaben nur 1%. Die Unterausstattung des Schul- und Universitätssystems mit <strong>IKT</strong> ist in<br />
einigen Regionen gravierend. Eine spürbare <strong>IKT</strong>-Expansion kann daher <strong>für</strong> mehr Wirtschaftswachstum und<br />
<strong>für</strong> mehr Beschäftigung sorgen und auf diesem Wege zudem die Haushaltskonsolidierung unterstützen.<br />
Grundsätzlich sollte der Staat zuverlässige Rahmenbedingungen definieren und mit Blick auf die angestrebte<br />
Umsetzung der Breitbandstrategie vernünftige Investitionsbedingungen schaffen. Der <strong>IKT</strong>-Sektor<br />
ist selbst durch eine hohe Innovationsrate geprägt, aber auch die Dynamik der <strong>IKT</strong>-Anwendersektoren ist<br />
besonders wichtig. In der digitalen Internetwirtschaft gibt es zudem zahlreiche Möglichkeiten, um Netzwerkeffekte<br />
sinnvoll auszunutzen und neue Märkte zu entwickeln.<br />
Die <strong>IKT</strong>-Gründerdynamik in Deutschland ist zeitweise rückläufig gewesen, Ursachenanalysen und darauf<br />
abgestimmte politische Initiativen können eine Möglichkeit bilden, diese Stagnation zu überwinden. Auf<br />
der Anbieterseite ist eine weiter voranschreitende internationale Arbeitsteilung zu beobachten, was sich in<br />
einer weiteren Entkopplung von Forschung und Entwicklung (FuE) und Produktion äußert. Deutschlands<br />
Marktvolumen <strong>für</strong> IT-Produkte liegt laut Angaben des Bundesverbandes der Informationswirtschaft, Telekommunikation<br />
und neue Medien e.V. (Bitkom) nach den USA, Japan und China weltweit an vierter Stelle.<br />
Diese hohe Nachfrage wird allerdings weitgehend durch Auslandsimporte bedient. Deutschland ist zwar ein<br />
bedeutender Nachfrager, aber kein zentraler Anbieter von Informations-und Kommunikationstechnologie.<br />
In der Tat stagniert die Produktion von <strong>IKT</strong>-Produkten hierzulande oder ist in einigen Feldern sogar rückläufig.<br />
Der Anteil der <strong>IKT</strong>-Beschäftigten an der Gesamtbeschäftigung liegt unter dem Durchschnittsniveau<br />
von OECD und EU, ebenso wie der Anteil der <strong>IKT</strong>-Wertschöpfung an der Gesamtwertschöpfung des Wirtschaftssektors.<br />
Deutlich größere Bedeutung kommt der <strong>IKT</strong>-Forschung in Deutschland zu. Die internen Aufwendungen<br />
der Unternehmen <strong>für</strong> FuE liegen nur im Fahrzeugbau über der Summe, die <strong>IKT</strong>-Unternehmen <strong>für</strong> FuE auf-
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW III<br />
wenden. Der hohe Anspruch und die Komplexität der in der <strong>IKT</strong>-Branche vollzogenen FuE werden dadurch<br />
deutlich, dass hier besonders hohe Anteile der Bruttowertschöpfung <strong>für</strong> FuE eingesetzt werden. Allerdings<br />
ist der Anteil von Industrieunternehmen der <strong>IKT</strong>-Branche, die innerhalb eines Dreijahreszeitraumes<br />
Innovationsprojekte erfolgreich abschließen, in den vergangenen Jahren rückläufig. Dementsprechend<br />
hat sich auch der Anteil <strong>IKT</strong>-bezogener Patente an allen nationalen Patentanmeldungen in Deutschland<br />
deutlich verringert. Diese Entwicklung haben fast alle entwickelten Volkswirtschaften vollzogen.<br />
Der immer weiter fortschreitende Einzug von <strong>IKT</strong> in industrielle Prozesse wirkt zweifelsfrei als Modernisierungstreiber<br />
<strong>für</strong> das Handwerk. Dabei kann auf der einen Seite ein gewisser Modernisierungszwang<br />
festgestellt werden: Handwerksunternehmen müssen eine Technisierung ihrer Arbeit annehmen, um mit<br />
industriellen Weiterentwicklungen Schritt halten zu können. Auf der anderen Seite besteht aber auch die<br />
Chance, mit Hilfe einer proaktiven Modernisierung selbst neue Entwicklungen anzuregen. Die aufgeführten<br />
Beispiele kooperativer zwischenbetrieblicher Zusammenarbeit zeigen, wie handwerkliche Betriebe zu Effizienzsteigerungen<br />
gelangen können. Und die <strong>Analyse</strong> der myhammer.de-Daten demonstriert, wie handwerkliche<br />
Betriebe ihre Absatzpotenziale dank <strong>IKT</strong> besser ausschöpfen können.<br />
Doch gleichzeitig sind die Herausforderungen zu beachten, mit denen das Handwerk durch die Eigenschaften<br />
der <strong>IKT</strong> konfrontiert wird. Die Sorge, dass sich Billiganbieter ohne handwerkliche Ausbildung in Online-Portalen<br />
wie myhammer.de durchsetzen und die Qualifikation der Handwerksausbildung preislich keinen<br />
Wert hat, konnte in der bisherigen <strong>Analyse</strong> der Daten zwar nicht bestätigt werden. Doch ob die höhere<br />
Vergütung <strong>für</strong> die mit einer handwerklichen Ausbildung einhergehende Kompetenz weiterhin Bestand<br />
haben wird, kann noch nicht abschließend erörtert werden. Wesentlich konkreter ist das Problem des<br />
Handwerks, mit den Statuten und Ordnungen des Handwerks nicht flexibel genug sein zu können, um mit<br />
den sich schnell entwickelnden Anforderungen des <strong>IKT</strong>-Sektors mithalten zu können. Das Handwerk kann<br />
oftmals nicht schnell genug mit anerkannten Ausbildungen auf die Anforderungen moderner Technik reagieren.<br />
Breite Teile des <strong>IKT</strong>-Sektors gehen gar an handwerklichen Ausbildungen vorbei.<br />
Zu den großen Herausforderungen <strong>für</strong> die Regulierungspolitik gehört im Internetbereich die zunehmende<br />
Bedeutung digitaler Plattformen bzw. sozialer Netzwerke. Das Internet ist stark durch Wettbewerb zwischen<br />
Plattformen geprägt, welche potenzielle Tauschpartner zusammenbringen. Die Konkurrenz zwischen<br />
solchen mehrseitigen Plattformen und die Marktkonzentration wird maßgeblich bestimmt durch (1) die<br />
Stärke der indirekten Netzeffekte, (2) das Ausmaß steigender Skaleneffekte, (3) Überlastungsgefahren, (4)<br />
Differenzierung der Plattformen und (5) die Möglichkeit des Multihoming. Je nach Ausprägung dieser<br />
Kriterien ergeben sich unterschiedliche Konzentrationstendenzen und Markteintrittsbarrieren. Pauschal<br />
lässt sich zwar nicht feststellen, dass im Internet besonders viele dauerhaft resistente Monopole anzutreffen<br />
wären und ein besonderer Regulierungsbedarf besteht. Gleichwohl zeigt sich, dass einzelne Plattformen<br />
wie z.B. ebay und Facebook auf manchen Märkten durchaus beträchtliche Marktmacht besitzen, die aufgrund<br />
erheblicher Markteintrittsbarrieren und indirekter Netzeffekte auch nicht schnell erodieren wird. Im<br />
Fall von Google hingegen sind indirekte Netzeffekte schwächer ausgeprägt und Wechselkosten <strong>für</strong> Nutzer<br />
daher geringer. Für Google wird es daher bedeutend schwieriger sein, die heutige Marktmacht dauerhaft zu<br />
sichern und sich gegen Markteintritt und Innovation zu schützen – gute Nachrichten daher <strong>für</strong> die Verbraucher!
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW IV<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
Inhaltsverzeichnis.................................................................................................................. IV�<br />
Abbildungsverzeichnis .......................................................................................................... VI�<br />
1.� Wachstumsdynamik und Modernisierungsperspektiven der Informations- und<br />
Kommunikationstechnologie...................................................................................................1�<br />
1.1� Einführung.....................................................................................................................1�<br />
1.2� <strong>IKT</strong>-Expansion, Investitionsdynamik und Innovationen in der digitalen Wirtschaft 15�<br />
1.3� Wirtschaftspolitische Handlungsperspektiven ............................................................27�<br />
1.4� Literatur .......................................................................................................................30�<br />
2.� Wirtschafts- und Innovationsfaktor <strong>IKT</strong> – Möglichkeiten, Grenzen und die Position<br />
Deutschlands ...........................................................................................................................33�<br />
2.1� Einleitung ....................................................................................................................33�<br />
2.2� <strong>IKT</strong> als Wirtschaftsfaktor: Entwicklung und Definition .............................................33�<br />
2.2.1.� Entwicklung des <strong>IKT</strong> Sektors..............................................................................33�<br />
2.2.2.� Definition des <strong>IKT</strong> Sektors..................................................................................35�<br />
2.3� Innovationen <strong>für</strong> <strong>IKT</strong> und <strong>IKT</strong> <strong>für</strong> Innovationen ........................................................37�<br />
2.3.1.� Forschung und Entwicklung, Gründungen, Patente und Innovationen im <strong>IKT</strong>-<br />
Bereich ..............................................................................................................37�<br />
2.3.2.� Möglichkeiten und Grenzen von <strong>IKT</strong> als Instrument zur Beschleunigung und<br />
Neuorganisation von Innovationsprozessen .....................................................52�<br />
2.4� Fazit .............................................................................................................................57�<br />
2.5� Literatur .......................................................................................................................58�<br />
3.� <strong>IKT</strong> als Modernisierungstreiber <strong>für</strong> die regionale Wirtschaft und das Handwerk..61�<br />
3.1� Die gesamtwirtschaftliche Bedeutung von <strong>IKT</strong> ..........................................................61�<br />
3.2� Die regionale Dimension der <strong>IKT</strong> ...............................................................................63�<br />
3.3� Handwerk in der Region..............................................................................................64�<br />
3.4� Handwerk als Anbieter und Nutzer von <strong>IKT</strong> ..............................................................67�<br />
3.4.1.� <strong>IKT</strong>-Leistungsangebote des Handwerks..............................................................67�<br />
3.4.2.� Innerbetrieblicher Einsatz von <strong>IKT</strong> im Handwerk ..............................................68�<br />
3.4.3.� Marktbezogene Bedeutung von <strong>IKT</strong> im Handwerk ............................................70�<br />
3.4.4.� Auktionsplattplattformen und ihre mögliche Bedeutung <strong>für</strong> das Handwerk.......72�<br />
3.4.5.� Adoption von <strong>IKT</strong> in Handwerksbetrieben .........................................................72�<br />
3.5� Handwerk: <strong>IKT</strong>-Nachzügler oder regionaler Modernisierungstreiber? ......................74�<br />
3.6� Literaturverzeichnis.....................................................................................................75�<br />
4.� Konzentration und Wettbewerb von digitalen Plattformen: Besteht ein besonderer<br />
Regulierungsbedarf? ..............................................................................................................77�<br />
4.1� Einleitung ....................................................................................................................77�<br />
4.2� Die ökonomische Theorie digitaler Plattformen .........................................................77�<br />
4.3� Konzentrationstendenzen bei 2SM und ihre Bestimmungsgründe .............................79�<br />
4.4� Beispiel I: ebay............................................................................................................81�<br />
4.5� Beispiel II: Google ......................................................................................................84�<br />
4.6� Fazit .............................................................................................................................86�<br />
4.7� Literatur .......................................................................................................................86�<br />
5.� Strategische Schlussforderungen ...................................................................................89�<br />
<strong>Anhang</strong> 1: ExzellenzNRW <strong>Cluster</strong>initiative ........................................................................91�
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW V<br />
<strong>Anhang</strong> 2: <strong>Cluster</strong> <strong>Analyse</strong> <strong>für</strong> <strong>IKT</strong> (<strong>EIIW</strong>-<strong>Analyse</strong>n).......................................................92�<br />
<strong>Anhang</strong> 3: Internationale Spezialisierung in Deutschland und China..............................97�<br />
<strong>Anhang</strong> 4: <strong>IKT</strong>-Daten ............................................................................................................99�<br />
<strong>Anhang</strong> 5: Exporte von <strong>IKT</strong>-Gütern ..................................................................................102�
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW VI<br />
Abbildungsverzeichnis<br />
Abbildung 1:� Nominale <strong>IKT</strong>-Investitionsquote versus reale <strong>IKT</strong>-Investitionsquote (reale<br />
<strong>IKT</strong>-Investitionen relativ zum realen Bruttoinlandsprodukt; Basisjahr 2000) <strong>für</strong> USA<br />
und Deutschland..........................................................................................................7�<br />
Abbildung 2:� Digitale Soziale Marktwirtschaft ....................................................................26�<br />
Abbildung 3:� Beitrag der Investitionen in <strong>IKT</strong> zum BIP Wachstum 2000-2009,<br />
Wachstumsrate in %..................................................................................................34�<br />
Abbildung 4:� Anteil der <strong>IKT</strong> Beschäftigten an allen Beschäftigten des Wirtschaftssektors<br />
1995 und 2008, in %..................................................................................................35�<br />
Abbildung 5:� Anteil der <strong>IKT</strong> Wertschöpfung an der gesamten Wertschöpfung des<br />
Wirtschaftssektors 1995 und 2008, in %...................................................................35�<br />
Abbildung 6:� Interne FuE-Aufwendungen der <strong>IKT</strong> Wirtschaft getrennt nach <strong>IKT</strong> im<br />
verarbeitenden Gewerbe und <strong>IKT</strong>-Dienstleistungen in 2008, in % des BIP.............38�<br />
Abbildung 7:� Interne FuE-Aufwendungen der Wirtschaft in technologieintensiven Branchen<br />
1995-2009 in Deutschland, in Mio. Euro..................................................................39�<br />
Abbildung 8:� Gründungsraten in der Wissenswirtschaft in Deutschland 2000-2009, in%..42�<br />
Abbildung 9:� Gründungsintensitäten im <strong>IKT</strong> Sektor <strong>für</strong> ausgewählte Bundes-länder von<br />
1995 bis 2010*, Anzahl Gründungen pro 10.000 Erwerbsfähige .............................43�<br />
Abbildung 10:� <strong>IKT</strong>-Anteil an Gesamtgründungen................................................................44�<br />
Abbildung 11:� Gründungsraten in Teilsektoren der wissensintensiven Dienstleistungen im<br />
Jahr 2007 in ausgewählten Ländern ..........................................................................45�<br />
Abbildung 12:� Anteil <strong>IKT</strong> bezogener Patente an allen nationalen Patenten 2001-2009 beim<br />
Europäischen Patentamt in %....................................................................................46�<br />
Abbildung 13:� Anteil der nationalen <strong>IKT</strong>-bezogenen Patente an allen <strong>IKT</strong><br />
Patentanmeldungen beim Europäischen Patentamt in % ..........................................47�<br />
Abbildung 14:� Innovatorenquote in technologieintensiven Branchen 2005 und 2010 in<br />
Deutschland, in %......................................................................................................49�<br />
Abbildung 15:� Umsatz mit neuen Produkten technologieintensiver Branchen in Deutschland<br />
2005 und 2010, in Mrd. Euro ....................................................................................50�<br />
Abbildung 16:� Kostenreduktion und Umsatzwachstum durch Prozessinnovationen<br />
technologieintensiver Branchen in Deutschland 2005 und 2010, in %.....................52�<br />
Abbildung 17:� Regionalwirtschaftliche Ziele und der mögliche Beitrag von<br />
Handwerksunternehmen............................................................................................65�<br />
Abbildung 18:� <strong>IKT</strong> und Handwerk........................................................................................69�<br />
Abbildung 19:� Patent-Kooperationsnetzwerk <strong>für</strong> <strong>IKT</strong>, München, 2000-2007......................92�<br />
Abbildung 20:� Patent-Kooperationsnetzwerk <strong>für</strong> <strong>IKT</strong>, Vienna, 2000-2007 .........................93�<br />
Abbildung 21:� Mobilitätsnetzwerk <strong>für</strong> <strong>IKT</strong>, Vienna, 2000-2007..........................................93�<br />
Abbildung 22:� Patent-Kooperationsnetzwerk <strong>für</strong> <strong>IKT</strong>, Dortmund, 2000-2007 ....................94�
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW VII<br />
Abbildung 23:� Mobilitätsnetzwerk <strong>für</strong> <strong>IKT</strong>, Dortmund, 2000-2007.....................................94�<br />
Abbildung 24:� Patent-Kooperationsnetzwerk <strong>für</strong> <strong>IKT</strong>, Bergisches Städtedreieck, 2000-2007<br />
95�<br />
Abbildung 25:� Mobilitätsnetzwerk <strong>für</strong> <strong>IKT</strong>, Bergisches Städtedreieck, 2000-2007.............95�<br />
Abbildung 26:� Patent-Kooperationsnetzwerk <strong>für</strong> <strong>IKT</strong>, Eindhoven, 2000-2007 ...................96�<br />
Abbildung 27:� Mobilitätsnetzwerk <strong>für</strong> <strong>IKT</strong>, Eindhoven, 2000-2007....................................96�<br />
Abbildung 28:� Offenbarte internationale Wettbewerbsposition (RCA: positiver Wert zeigt<br />
relativ gute sektorale Wettbewerbsfähigkeit an; ein negativer Wert steht <strong>für</strong> eine<br />
schwache internationale Wettbewerbsposition) und Exportdurchschnittserlös <strong>für</strong><br />
Deutschland...............................................................................................................97�<br />
Abbildung 29:� Offenbarte internationale Wettbewerbsposition (RCA: positiver Wert zeigt<br />
relativ gute sektorale Wettbewerbsfähigkeit an; ein negativer Wert steht <strong>für</strong> eine<br />
schwache internationale Wettbewerbsposition) und Exportdurchschnittserlös <strong>für</strong><br />
China 98�<br />
Abbildung 30:� Entwicklung der Exporte von <strong>IKT</strong> Gütern nach den wichtigsten<br />
Bestimmungsländern...............................................................................................102�
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 1<br />
1. Wachstumsdynamik und Modernisierungsperspektiven<br />
der Informations- und Kommunikationstechnologie<br />
Paul J.J. Welfens<br />
Europäisches Institut <strong>für</strong> Internationale Wirtschaftsbeziehungen (<strong>EIIW</strong>) an der<br />
Bergischen Universität Wuppertal<br />
1.1 Einführung<br />
Der nationale IT-Gipfel in Essen in 2012 bietet einen exzellenten Ansatzpunkt, um einerseits<br />
die bisherigen IT-Gipfel-Ansätze erfolgreich weiterzuführen; andererseits können aber auch<br />
spezifische digitale Expansionspunkte <strong>für</strong> Nordrhein-Westfalen, Deutschland und die EU<br />
entwickelt werden. Dieses bevölkerungsreichste Bundesland ist groß genug, um durch seine<br />
Initiativen wirtschaftlich und politisch auch Impulse <strong>für</strong> ganz Deutschland zu geben und die<br />
besondere geographische EU-Nachbarschaftslage erlaubt es darüber hinaus grundsätzlich<br />
auch, digitale europäische Ansatzpunkte zielgerichtet zu entwickeln. Letztere könnten unmittelbar<br />
einen Bezug auch auf die Fortführung der Lissabon-Agenda 2010 bzw. auf die Umsetzung<br />
von Europa 2020 als Leitlinie der Europäischen Union setzen: Denn auch hier wird auf<br />
die Bedeutung der digitalen Modernisierung und des Internets bzw. der Informations- und<br />
Kommunikationstechnologie (<strong>IKT</strong>) fokussiert. <strong>IKT</strong> ist in allen Ländern der Weltwirtschaft ein<br />
Expansionsfeld, deutlich sichtbar <strong>für</strong> jedermann im Bereich der Mobilfunktechnologie mit<br />
vielen neuartigen Diensten und ihrer großen Zahl von innovativen Geräten, die eine hochwertige<br />
und schnelle Kommunikation von Menschen erlauben. Der neu wachsende Bereich der<br />
Maschine-Maschine-Kommunikation ist ein Teil der künstlichen Intelligenz moderner Industrien,<br />
in denen softwaregestützte Steuerungs- und Kommunikationsprozesse Effizienz mit<br />
Flexibilität und Innovation zu kombinieren erlauben. Der Staat ist im <strong>IKT</strong>-Sektor mehrfach<br />
gefordert, nämlich als<br />
• Rahmensetzer <strong>für</strong> private Investitionsentscheidungen: Nur wenn Telekomnetzbetreiber<br />
und Softwareunternehmen sowie die Hersteller und Anwender von <strong>IKT</strong>-Geräten einen<br />
verlässlichen, investitionsfreundlichen Regulierungsrahmen im nationalen und europäischen<br />
Markt vorfinden, ist mit Investitionen zu rechnen.<br />
• Förderer von digitalen Innovationen: EU sowie Bund und Länder sind mit einer Innovationsförderung<br />
dort präsent, wo mit Technologie-Spillovers zu rechnen ist. Bei erfolgreich<br />
evaluierten Fördermaßnahmen ist die internationalisierte Innovationsförderung zu stärken.<br />
• <strong>IKT</strong>-Anwender, der etwa in der Gesundheits- und Sozialpolitik, in der Bildungs- und<br />
Verteidigungspolitik gefordert ist. In diesen Politikbereichen gibt es nennenswerte<br />
Einsparpotenziale, die zum Nutzen der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler bzw. der Bürgerschaft<br />
realisierbar sind. Die Abrechnung von Dienstreisen in der öffentlichen Verwaltung<br />
oder die krankenkassenbezogenen Beihilfevorgänge bei Beamten sind häufig eine<br />
Dekade hinter den technischen digitalen Abrechnungsmöglichkeiten zurück. Unzureichende<br />
Nutzung digitaler Technik bedeutet teuren Zeitverzug, unnötige Fehlerquellen,<br />
unnötig hohe Kosten und eine unbefriedigende Leitungsqualität.<br />
• Impulsgeber, da im Zuge der Eurokrise bzw. der transatlantischen Bankenkrise eine Abschwächung<br />
des Wirtschaftswachstums eingetreten ist und daher die wachstumsförderli-
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 2<br />
chen Aspekte der <strong>IKT</strong> besonders in den Blick zu nehmen sind, Wachstumshemmnisse beseitigt<br />
werden und bislang ungenutzte Chancen genutzt werden müssen.<br />
Dank Internet, das in Deutschland nahezu flächendeckend verfügbar ist, trägt die digitale<br />
Kommunikation unmittelbar auch zur Entwicklung einer modernen Demokratie bei. Das Internet<br />
ermöglicht politische Teilhabe und fördert damit die Chancengleichheit. Nordrhein-<br />
Westfalen ist im Vergleich zu anderen Bundesländern in der Internetnutzung und bei moderner<br />
Kommunikation gut aufgestellt. NRW hat seit Jahren neben einer erfolgreichen <strong>IKT</strong>-<br />
<strong>Cluster</strong>politik auch einen expliziten digitalen Ansatzpunkt in der Wirtschaftspolitik; zudem<br />
hat sich NRW schon immer durch eine moderne Medienpolitik ausgezeichnet und mit angrenzenden<br />
EU-Nachbarländern Kooperationsprojekte in der Internetwirtschaft durchgeführt.<br />
Die Europäische Union hat in besonderer Weise die Verbindung von ökonomischer Modernisierung<br />
und umweltfreundlicher Wirtschaftsentwicklung betont. Auch dies passt gut zu dem<br />
schon mehrjährigen IT-Gipfel-Aktivitätsfeld Green ICT bzw. umweltfreundlicher Informations-<br />
und Kommunikationstechnologie; hier sind Energieeffizienzgewinne und ein optimierter<br />
Einsatz von Materialien ebenso wichtig wie die Verbreitung umweltfreundlichen Nutzerverhaltens.<br />
Mit der etwas breiter definierten Expansion des neuen digitalen Verbindungsfeldes<br />
<strong>IKT</strong> und Energie (insbesondere Smart Grids) ließe sich zudem ein neuer Innovations- und<br />
Expansionsschwerpunkt <strong>für</strong> den digitalen Modernisierungsprozess definieren.<br />
Im Zuge der Energiewende (HENNICKE/WELFENS, 2012), die die Kosten der Stromerzeugung<br />
stärker sichtbar macht, bietet das Ausrollen „intelligenter Stromnetze” große volkswirtschaftliche<br />
Effizienzgewinne. Hierbei steht weniger die Frage, ob sich <strong>für</strong> den privaten Haushalt<br />
die Anschaffung eines intelligenten Stromzählers rechnet, im Vordergrund, als vielmehr<br />
die möglichen Einsparungen im Kraftwerkspark und im Leitungsbau, die sich im Kontext<br />
verminderter Spitzenlasten realisieren lassen. Darüber hinaus trägt der <strong>IKT</strong>-Einsatz dazu bei,<br />
Emissionen gezielter zu messen, zu reduzieren oder gänzlich zu vermeiden (WELFENS/<br />
JUNGMITTAG, 2012).<br />
Die Stromwirtschaft ist ebenso wie der <strong>IKT</strong>-Sektor in Nordrhein-Westfalen mit internationalen<br />
Großunternehmen und mit zahlreichen kleinen und mittleren Unternehmen stark aufgestellt.<br />
Zu diesen zählen beispielsweise Unternehmen, die im Bereich Software und in der<br />
Chip-Produktion sowie in den Bereichen Mobilfunklösungen und innovativer Logistik aktiv<br />
sind (WELFENS, 2011). Die Medienachse Köln-Düsseldorf genießt als <strong>Cluster</strong>-Raum überregionale<br />
Anerkennung. In Anbetracht verschiedener regionaler Innovationszentren bestehen<br />
in Deutschland erhebliche Möglichkeiten, digitale Wachstumsimpulse zu setzen. Das Ruhrgebiet<br />
steht im Übrigen <strong>für</strong> eine Tradition der internationalen Vernetzung bzw. Integration<br />
sowie der permanenten Erneuerung im Zeichen moderner Industrie- und Dienstleistungszentren.<br />
Dank der jungen Universitäten und Hochschulen sowie der außeruniversitären Forschungseinrichtungen<br />
gibt es ein großes Netzwerk auch an Wissenserzeugern und an Trägern<br />
<strong>für</strong> Diffusion. IT-nahe Schwerpunkte gibt es u.a. in den Bereichen Logistik (wo Nordrhein-<br />
Westfalen <strong>für</strong> ein vom Bund gefördertes Spitzencluster steht), im Automobilsektor (inklusive<br />
Zulieferindustrie) sowie im Maschinenbausektor. Hinzu kommen die Bereiche Gesundheitswirtschaft<br />
und Kreativwirtschaft, in denen jedoch die digitale Innovationsdynamik noch hohes<br />
Expansionspotenzial aufweist. Im Energiesektor können Schritte hin zu mehr Elektromobilität<br />
längerfristig digitale Innovationspotenziale voran bringen. Dabei steht Nordrhein-<br />
Westfalen natürlich in einem Standortwettbewerb mit anderen Bundesländern und hat doch<br />
zugleich die Chance, mit einer Expansion des besonders innovationsstarken <strong>IKT</strong>-Sektors auch
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 3<br />
die Schumpetersche Innovationskraft der Region zu steigern. Für ein Hochlohnland wie die<br />
Bundesrepublik Deutschland, deren führende Unternehmen mit innovativen Qualitätsprodukten<br />
und hochwertigen Dienstleistungskonzepten auf den Weltmärkten auftreten, ist ein dynamischer<br />
<strong>IKT</strong>-Sektor mit voller Erschließung der Potenziale wichtig. Hier gibt es allerdings<br />
auch in Nordrhein-Westfalen Engpässe, etwa bei der Verfügbarkeit von Fachkräften. Andererseits<br />
existieren aber auch Ansatzpunkte mit hohem Mobilisierungspotenzial – etwa wenn<br />
man an Smart Grids denkt.<br />
Intelligente Stromnetze stehen <strong>für</strong> ein auch im europäischen Binnenmarkt wichtiges Expansionsfeld,<br />
wobei die Nutzung internetbasierter innovativer Software nicht nur Lastspitzen zu<br />
verschieben erlaubt, sondern insgesamt eine bessere Auslastung der Netze verspricht. Zugleich<br />
bietet dies auch Möglichkeiten zur Einsparung von Kraftwerkseinheiten. Die Kosten<br />
der Energiewende sind dann geringer als bei herkömmlicher Betrachtung. Mit Blick auf die<br />
Eurokrise kommt wachstumspolitischen Impulsen eine besondere Bedeutung zu, wobei die<br />
positiven externen Effekte bei einer Expansion intelligenter Stromnetze unmittelbar eine<br />
staatliche Unterstützung als sinnvoll erscheinen lassen. Denn positive externe Effekte bedeuten<br />
ja, dass der volkswirtschaftliche Nutzen den privaten Nutzen – etwa in der normalen<br />
Wahrnehmung von Investoren – übersteigt.<br />
Mit dem nationalen IT-Gipfel wird ein national und international gewichtiges Zeichen <strong>für</strong> die<br />
Weiterentwicklung des wachstumspolitisch wichtigsten Sektors in Deutschland gesetzt: Der<br />
Sektor der Informations- und Kommunikationstechnologie (<strong>IKT</strong>) ist noch vor der Automobilindustrie<br />
die Nr. 1 beim sektoralen Wertschöpfungsanteil. Verstärkt wird dessen ökonomische<br />
Relevanz durch die Tatsache, dass der <strong>IKT</strong>-Sektor nicht nur selbst von hoher Innovationsdynamik<br />
geprägt ist, sondern als Querschnittstechnologie in alle Sektoren via <strong>IKT</strong>-Investitionen<br />
hineinwirkt. Dieser Sektor umfasst im Wesentlichen neben dem Bereich Hardware die wichtigen<br />
Untersektoren Software, Telekommunikationsdienste und andere digitale Dienste.<br />
Dabei vollziehen sich in den OECD-Ländern – nach Angaben von Global Insight 2012 – etwa<br />
2/3 der <strong>IKT</strong>-Ausgaben im Unternehmenssektor, nur 1/3 bei den privaten Haushalten. Von<br />
daher ist die <strong>IKT</strong>-Dynamik in Deutschland bzw. in Nordrhein-Westfalen und anderen im Exportgeschäft<br />
stark aufgestellten Bundesländern von großer Bedeutung <strong>für</strong> die Wettbewerbsfähigkeit<br />
der Unternehmen insgesamt. Mit Blick auf die Haushalte spielt einerseits der Ausbau<br />
der Breitbandkommunikation – häufig auf Basis moderner Mobilfunktechnologien (u.a. LTE)<br />
– eine wichtige Rolle <strong>für</strong> digitalen Konsum bzw. Unterhaltung, aber auch <strong>für</strong> die Weiterbildung.<br />
Andererseits kann die zunehmende Bedeutung sozialer Netzwerke nicht übersehen<br />
werden, die wiederum auch aus Unternehmenssicht wichtig ist.<br />
Für das Wirtschaftswachstum und den Außenhandel spielt der <strong>IKT</strong>-Sektor eine wesentliche<br />
Rolle, und zwar zunächst mit dem Element Telekommunikation. Die Nutzung der Telekommunikation<br />
erklärt in einer Zeitreihenanalyse aus empirischer Sicht schon in den 60er, 70er<br />
und 80er Jahren etwa 1/5 des Wirtschaftswachstums in der Bundesrepublik Deutschland, wobei<br />
Telekommunikationsnutzung bei der verwendeten erweiterten Produktionsfunktion <strong>für</strong><br />
Informations- und Wissensnutzung – jenseits von Patenten und realen Ausgaben <strong>für</strong> importierte<br />
Lizenzen – steht (WELFENS/JUNGMITTAG, 2002). Empirische <strong>Analyse</strong>n gibt es auch<br />
zu den deutschen Bundesländern auf Basis eines Ansatzes zur Production Frontier Line<br />
(WELFENS/JUNGMIITAG/VOGELSANG, 2007). Das Fallen der Preise in der internationalen<br />
Telekommunikation hat die mengenmäßige Nutzung internationaler Telefongespräche
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 4<br />
verstärkt und neue Handelsmöglichkeiten offenbart, wie sich an den empirischen Ergebnissen<br />
des Gravitationsansatzes <strong>für</strong> EU-Länder zeigt (JUNGMITTAG/WELFENS, 2009); die Telekomliberalisierung<br />
hat also handelsschaffende Effekte. Soweit verstärkter Außenhandel mit<br />
Effizienzgewinnen verbunden ist, ergeben sich auch positive Einkommens- bzw. Wachstumseffekte.<br />
<strong>IKT</strong>-Expansion ist zudem mit einem Mehr an Innovationsdynamik verbunden (WEL-<br />
FENS/WESKE, 2006, WELFENS, 2011a; WELFENS/PERRET, 2012).<br />
Der <strong>IKT</strong>-Sektor ist insgesamt ein dynamischer Sektor, der <strong>für</strong> eine vernetzte Wissens- bzw.<br />
Dienstleistungsgesellschaft hochwertige Expansionsimpulse gibt. Darüber hinaus gibt der<br />
<strong>IKT</strong>-Sektor Impulse zur Revitalisierung der „Old Economy” – traditionelle Führungssektoren<br />
der Industrie sind oft besonders starke <strong>IKT</strong>-Anwendersektoren, so dass neue Innovationsimpulse<br />
bzw. Exportstärken erzeugt werden können. Die bisherigen erfolgreichen IT-Gipfel haben<br />
sektoral und regional eine Reihe von Schwerpunkten gesetzt, wobei durch die Gipfel u.a.<br />
eine Reihe von Leuchtturmprojekten zum Internet der Dinge, also zur digitalen Vernetzung<br />
von Maschinen bzw. Produkten angeschoben worden sind. Auch im Bereich der digitalen<br />
Mittelstandsdynamik hat es eine Reihe von wichtigen Projekten gegeben, die vom Bundesministerium<br />
<strong>für</strong> Wirtschaft finanziert worden sind. Nordrhein-Westfalen selbst hat einen jährlichen<br />
regionalen IT-Gipfel gestartet, der zudem durch die Förderung von <strong>IKT</strong>-<strong>Cluster</strong>n auf<br />
Landesebene mit Substanz unterfüttert worden ist. Der Initiativkreis Ruhr ist zudem als Aktionspartner<br />
beim nationalen IT-Gipfel 2012 eine hochwertige Vernetzungsplattform mit großem<br />
Multiplikatoreffekt, der auch im Nachgang zum IT-Gipfel <strong>für</strong> die digitale Modernisierung<br />
wichtig sein wird. Mit der Platzierung des IT-Gipfels in Essen bzw. im Ruhrgebiet wird<br />
eine mehrfache Impulsperspektive aufgespannt:<br />
1. <strong>IKT</strong> kann in exemplarischer Weise als Verjüngungsmotor der „Old Economy” genutzt<br />
werden; in allen betrieblichen Funktionsbereichen spielt <strong>IKT</strong>-Investition und <strong>IKT</strong>-<br />
Kompetenz eine wesentliche Rolle <strong>für</strong> Produktivitätssteigerungen und Prozess- bzw.<br />
Produktinnovationen. Dabei wird <strong>IKT</strong> nicht etwa nur von Großunternehmen und mittelständischen<br />
Industriebetrieben eingesetzt. Vielmehr ist die Internetwirtschaft in<br />
zahlreichen Facetten auch im Handwerk mit einer enormen Vielfalt von Anwendungen<br />
und Netzwerken sichtbar. Hier kann Nordrhein-Westfalen wichtige positive Entwicklungen<br />
aufweisen.<br />
2. <strong>IKT</strong> kann vor dem Hintergrund der wachsenden Bedeutung digitaler Dienste, inklusive<br />
Logistikbranche zu einem Innovationstreiber <strong>für</strong> die wachsenden Dienstleistungsaktivitäten<br />
aktiviert werden; die Expansion von Handel und Logistik wird durch <strong>IKT</strong><br />
vorangetrieben, dabei kann auch eine Verbindung zum neuen nationalen Logistik-<br />
Exzellenz-<strong>Cluster</strong> in NRW exemplarisch entwickelt werden. Hier kommt der TU<br />
Dortmund bzw. einschlägig profilierten Fraunhofer-Instituten eine besondere Rolle zu,<br />
wobei der IHK-Bezirk Dortmund traditionell eine Führungsrolle im <strong>IKT</strong>-Bereich in<br />
NRW inne hat. Nach neueren Untersuchungen aber hat sich auch das Bergische Städtedreieck<br />
mit einer hohen Zahl von <strong>IKT</strong>-Patentanmeldungen seit den späten 90er Jahren<br />
profiliert und ist in der Zahl solcher Patentanmeldungen sogar am IHK-Bezirk<br />
Dortmund vorbeigezogen (WELFENS, 2011). Allerdings ist mit Blick auf die Region<br />
Dortmund insofern eine Relativierung hier vorzunehmen, als die dort starken digitalen<br />
innovativen Dienstleistungsunternehmen eher selten die Möglichkeit haben, Patente<br />
anzumelden.<br />
3. <strong>IKT</strong> kann gerade im Ruhrgebiet mit seiner zunehmend gewichtigen europäischen Produktions-<br />
und Logistik-Dimension exemplarisch in interessanten bzw. innovativen
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 5<br />
Anwendungsfeldern sichtbar gemacht werden. Darüber hinaus können zahlreiche innovationsstarke<br />
Unternehmen aus NRW ihre besonderen digitalen Profillinien und<br />
Qualitäten aufzeigen. Insbesondere ließe sich der Bereich Cross-Innovation – unter<br />
<strong>IKT</strong>-Einbeziehung – verstärkt entwickeln. Die bisher schon in NRW geförderten bzw.<br />
entwickelten <strong>Cluster</strong> mit verschiedenen sektoralen Schwerpunkten können durch eine<br />
gezielte Verbindung mit leistungsfähigen <strong>IKT</strong>-Unternehmen ihre Marktpositionierung<br />
national und international festigen. <strong>IKT</strong> und Automobilwirtschaft gehört zu den denkbaren<br />
wichtigen Cross-Innovationsfeldern. Allerdings fällt auf, dass einige der global<br />
führenden <strong>IKT</strong>-Unternehmen in NRW wenig prägnant sind.<br />
4. Der <strong>IKT</strong>-Sektor in Nordrhein-Westfalen bzw. in Deutschland selbst wird sich mit den<br />
Herausforderungen im Kontext der Energiewende verstärkt auseinandersetzen müssen.<br />
Hier gibt es allerdings bereits recht entwickelte Initiativen seitens der führenden <strong>IKT</strong>-<br />
Unternehmen, die unter der Überschrift Grüne <strong>IKT</strong> (oder Green IT) versuchen, eine<br />
umweltverträgliche bzw. nachhaltige <strong>IKT</strong>-Expansion zu forcieren. Ressourcen- und<br />
Energieeinsparungen sind zwei wichtige Aspekte von Green ICT.<br />
Das Ruhrgebiet als Standort <strong>für</strong> einen Nationalen IT-Gipfel verspricht potenziell einen enormen<br />
Multiplikatoreffekt sowohl in Richtung Großunternehmen als auch mittelständischer<br />
Wirtschaft. Allerdings bedarf es geeigneter regionaler bzw. politischer Initiativen, um diese<br />
Potenziale optimal zu entwickeln. Eigenständige Netzwerkaktivitäten privater Unternehmen<br />
sind zu beobachten.<br />
Die produktive Mischung von Großunternehmen und mittelständischer Wirtschaft im Netzwerk<br />
des Ruhrgebiets bietet hervorragende Optionen, die mittelfristigen Chancen und Herausforderungen<br />
von <strong>IKT</strong> erfolgreich anzugehen und von digitalen Pionieren in verschiedenen<br />
Sektoren zu lernen (auch der Initiativkreis Ruhr spielt eine wesentliche Rolle); exemplarisch<br />
kann auch auf erfolgreiche <strong>IKT</strong>-<strong>Cluster</strong> im Ruhrgebiet bzw. in NRW verwiesen werden. Zugleich<br />
sind aber auch aktuelle <strong>IKT</strong>-Problemfelder sinnvoll mit neuen Lösungen aufzugreifen<br />
(z.B. IT-Security, IT-Gesundheit). Das Ruhrgebiet erlaubt in der Vielfalt seiner Städte, Standorte<br />
und Aktivitätszentren, die neuen Möglichkeiten von Wettbewerb und Kooperation in der<br />
digitalen Wissensgesellschaft in einzigartiger Weise zu erproben und erfolgreich weiter zu<br />
entwickeln. Die Vielfalt des Ruhrgebietes mit den enormen Kreativitäts- bzw. Innovationsmöglichkeiten<br />
ist gerade <strong>für</strong> die <strong>IKT</strong>-Expansion in der Region und darüber hinaus eine gute<br />
Basis. Mit Blick auf die sehr dichte NRW-Hochschullandschaft wäre seitens der Politik zu<br />
erwägen, Hilfestellung beim Abbau der bekannten Fachkräftedefizite gerade im <strong>IKT</strong>-Bereich zu<br />
leisten. Die Entwicklung entsprechender Expansionsprogramme wäre im Interesse NRWs und<br />
der Bundesrepublik Deutschland insgesamt.<br />
Besondere Möglichkeiten bietet die Region auch, „digitale Integration” zu erproben: Als Vernetzung<br />
von Akteuren verschiedener Zuwanderergruppen, als Verbindung nationaler und internationaler<br />
Unternehmen und als Netzwerk europäisch ausgerichteter Städte. Der wirtschaftliche<br />
und kulturelle Mehrwert der Vielfalt im Ruhrgebiet lässt sich durch digitale Vernetzung<br />
exzellent mobilisieren. Themen wie digitale Bildung/Weiterbildung lassen sich im Kontext<br />
erfolgreichen Strukturwandels als positive Herausforderung identifizieren. Mehr Begeisterung<br />
<strong>für</strong> die MINT-Fächer kann helfen, den strukturellen Fachkräftemangel im deutschen <strong>IKT</strong>-<br />
Sektor zu überwinden. Die konkrete Schwerpunktsetzung ist den tragenden Akteuren des nationalen<br />
IT-Gipfels zu überlassen. Die bisherigen nationalen IT-Gipfel stehen <strong>für</strong> große Mobilisierungswirkung<br />
bei Industrie und Öffentlichkeit, <strong>für</strong> große Substanz bei konkreten Pilotpro-
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 6<br />
jekten und <strong>für</strong> einen Dialog gerade auch zwischen IT-Industrie und der Jugend bzw. IT-<br />
Interessierten. Konkrete Projekterfolge <strong>für</strong> Wirtschaft, Politik und Bürger sind Markenzeichen<br />
des nationalen IT-Gipfels.<br />
Systematische Unterschätzung der Informations- und Kommunikationstechnologie<br />
Der besondere bemerkenswerte Sachverhalt, dass der Preisindex <strong>für</strong> <strong>IKT</strong>-Güter laufend – und<br />
langfristig – fällt, hat zur Konsequenz, dass die Bedeutung der <strong>IKT</strong>-Investitionen unterschätzt<br />
wird. Wenn man die <strong>IKT</strong>-Investitionen mit dem <strong>IKT</strong>-Preisindex deflationiert, so ist die <strong>IKT</strong>-<br />
Investitionsquote – als Relation realer <strong>IKT</strong>-Investitionen zum realen Bruttoinlandsprodukt –<br />
viel höher als auf Basis einer mit nominalen Zahlen berechneten <strong>IKT</strong>-Investitionsquote (also<br />
die Relation nominale <strong>IKT</strong>-Investitionen zu nominalem Bruttoinlandsprodukt). Dass hier tatsächlich<br />
erhebliche Unterschiede bestehen, zeigt die nachfolgende exemplarische Gegenüberstellung<br />
<strong>für</strong> Deutschland und USA. Auf Basis deflationierter <strong>IKT</strong>-Investitionen ergibt sich<br />
nicht eine Investitionsquote von etwa 2%, sondern von rund 5%, wobei auch zu beachten ist,<br />
dass die dann auch anzupassende Gesamtinvestitionsquote um etwa 3 Prozentpunkte höher<br />
ausfällt als die übliche Relation von Investitionsausgaben zum nominalen Bruttoinlandsprodukt<br />
anzeigt. Die nominal gemessene <strong>IKT</strong>-Investitionsquote ging sowohl in Deutschland als<br />
auch in den USA seit dem Höhepunkt von gut 2% bzw. 4% allmählich zurück, aber die korrekt<br />
gemessene reale <strong>IKT</strong>-Investitionsquote lag im Fall der USA bei über 6% in 2008 und bei<br />
rund 5% im Fall Deutschlands (gut doppelt so hoch wie die nominale sektorale Investitionsquote<br />
zeigt), so dass <strong>IKT</strong> <strong>für</strong> fast ¼ der Investitionsquote in Deutschland und <strong>für</strong> fast 1/3 der<br />
US-Investitionsquote steht. Die <strong>IKT</strong>-Investitionsquote in Deutschland und den USA steigt im<br />
Zeitablauf in realer Rechnung weiter an – die Bedeutung des Sektors der Informations- und<br />
Kommunikationstechnologie bei den Investitionen nimmt also im Zeitablauf weiter zu und<br />
dasselbe gilt auch <strong>für</strong> die Bedeutung von <strong>IKT</strong> <strong>für</strong> das Wirtschaftswachstum. Bemerkenswert<br />
ist, dass die Investitionsquote gemäß den hier vorgelegten <strong>EIIW</strong>-Zahlen in Deutschland nicht<br />
bei etwa 20%, sondern bei 23% liegt. Die Investitionsquote ist also in längerfristiger Betrachtung<br />
bei korrekter Berechnung der <strong>IKT</strong>-Investitionsquote längerfristig weder in den USA<br />
noch in Deutschland so stark zurück gegangen, wie der übliche Blick in die Statistik auf Basis<br />
einer nur nominal gemessenen Investitionsquote anzeigt. Man kann zu der vorgelegten Berechnung<br />
einwenden, dass der relevante Preisindex <strong>für</strong> <strong>IKT</strong>-Kapitalgüter vermutlich langsamer<br />
fällt als der Preisindex <strong>für</strong> <strong>IKT</strong>-Güter insgesamt, sodass die hier vorgelegte Berechnung<br />
der realen <strong>IKT</strong>-Investitionsquote nach unten zu korrigieren ist. Allerdings kann man wiederum<br />
auch einwenden, dass viele digitale Dienstleistungen, die immer preiswerter von Haushalten<br />
genutzt werden, natürlich auch von den Unternehmen auf breiter Basis im Vorleistungsbereich<br />
eingesetzt worden sind.<br />
Die Politikakteure in Bund und Ländern haben dieses Phänomen bzw. die hohe reale <strong>IKT</strong>-<br />
Investitionsquote bislang nicht angemessen im Blick und von daher ist es keinesfalls angebracht,<br />
wenn die Politik dem <strong>IKT</strong>-Sektor nicht eine sehr hohe Priorität beimisst – hier ist der<br />
Bund durchaus zu loben. Schon seit der Schröder-Regierung mit der D21-Initiative hat sich<br />
die Bundesregierung sichtbar <strong>für</strong> den <strong>IKT</strong>-Sektor engagiert und dies ist in Form der nationalen<br />
IT-Gipfel auch unter den Merkel-Regierungen der Fall gewesen.
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 7<br />
Abbildung 1: Nominale <strong>IKT</strong>-Investitionsquote versus reale <strong>IKT</strong>-Investitionsquote (reale<br />
<strong>IKT</strong>-Investitionen relativ zum realen Bruttoinlandsprodukt; Basisjahr 2000) <strong>für</strong> USA<br />
und Deutschland<br />
Bei vielen Bundesländern ist die besondere ökonomische und technologische Bedeutung des<br />
<strong>IKT</strong>-Sektors allerdings unzureichend in der regionalen Wirtschaftspolitik aufgenommen worden.<br />
So ist etwa der Start eines vom jeweiligen Bundesland geförderten <strong>IKT</strong>-<strong>Cluster</strong>s eine<br />
notwendige Bedingung <strong>für</strong> mehr <strong>IKT</strong>-Dynamik, aber keine hinreichende. Wie die Qualität des<br />
jeweiligen <strong>IKT</strong>-<strong>Cluster</strong>-Managements aussieht, bleibt im Einzelnen nicht nur qualitativ, sondern<br />
auch auf Basis quantitativer <strong>Analyse</strong>n zu untersuchen. In jedem Fall ist der regionalen<br />
und nationalen Wirtschafspolitik angeraten, nicht nur mit punktuellen Ad-hoc-Projekten den<br />
<strong>IKT</strong>-Sektor gerade mit Blick auf Innovations- und Gründungsförderung zu unterstützen, sondern<br />
auf Basis wissenschaftlicher fundierter <strong>Analyse</strong>n und bei Beachtung relevanter Indikatoren<br />
angemessene, durchdachte Förderkonzepte zu verabschieden. Positive externe Effekte,<br />
inklusive nicht-internalisierter Netzwerkeffekte, sollten hierbei vernünftigerweise die Wirtschaftspolitik<br />
bestimmen. In offenen Volkswirtschaften sind naturgemäß auch länderübergreifende<br />
positive externe Effekte auf Angebots- und Nachfrageseite zu beachten.<br />
Besondere Aspekte des Nationalen IT-Gipfels 2012<br />
Nordrhein-Westfalen ist das Bundesland mit einer besonderen europäischen Lage und Vernetzungsperspektive:<br />
Seit vielen Jahren bestehen enge Kontakte zwischen der NRW-<br />
Wirtschaft und auch der Politik zu den Benelux-Ländern plus Frankreich. Dies kann auch in<br />
der Regional-AG beim IT-Gipfel angemessen zum Ausdruck kommen und zeigt sich im Übrigen<br />
auch im <strong>IKT</strong>-Forschungsbereich. Exemplarisch sei auf das von der Europäischen Kommission<br />
finanzierte <strong>EIIW</strong>-Projekt „<strong>IKT</strong> und Globalisierung der Wirtschaft“ verwiesen, dessen<br />
Abschlussworkshop am Vortag des IT-Gipfels stattfinden wird und Wissenschaftler aus zahlreichen<br />
Ländern zusammen bringt. Zu den international gewichtigen Themenfeldern gehören<br />
zudem:
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 8<br />
• E-Health: Vernetzte Gesundheit über Grenzen hinweg bzw. Benchmarking und Erfahrungsaustausch<br />
in digitalen Netzwerken und durch Entwicklung internetbasierter Gesundheitsdienste.<br />
Hier gilt es also u.a. Best-practice-Beispiele aus Nordrhein-<br />
Westfalen und den EU-Nachbarländern darzustellen und neue Möglichkeiten der Kooperation<br />
bzw. Vernetzung auszuloten.<br />
• Digitale Unternehmensgründerinnen und -gründer in Europa: Unterschiedliche Konzepte,<br />
die wirklich funktionieren, wobei man in Nordrhein-Westfalen dank ZENIT in<br />
Mühlheim/Ruhr über einen erfahrenen Akteur verfügt, hinter dem Wirtschaft und<br />
Landesregierung stehen. Auch EU-Projekte sind denkbar.<br />
• Mobile Breitbanddienste und Innovationen (Deutsche Telekom, Vodafone, E Plus; international:<br />
Interdisciplinary Institute for BroadBand Technology)<br />
• Smart Grids in Deutschland, den Niederlanden, Großbritannien, Schweden, Italien,<br />
Belgien und Luxemburg. Dabei spielt auch das Thema Elektromobilität eine wichtige<br />
Rolle – hier liegen bereits substanzielle konzeptionelle Arbeiten auf nationaler Ebene<br />
vor. Technologisch führende Akteure aus der Energiewirtschaft wie aus dem Automobilsektor<br />
in Nordrhein-Westfalen bieten exzellente Perspektiven. Auch andere Bundesländer<br />
bieten interessante Netzwerke bzw. Verbindungen im Bereich Cross Innovation.<br />
• Umweltfreundliche <strong>IKT</strong> (Green ICT): Neue Ansätze zu umweltfreundlicher digitaler<br />
Dynamik sind von führenden Telekomanbietern entwickelt worden; u.a. von Deutsche<br />
Telekom, KPN, Belgacom. Rückgabeaktionen von Handys bei den großen Mobilfunkanbietern<br />
bzw. neue Recycling-Ansätze sind hier ebenfalls zu nennen. Mit der RWTH<br />
Aachen und zahlreichen Universitäten und Fachhochschulen mit starker <strong>IKT</strong>-<br />
Forschungsausrichtung – inklusive der Bereich Internetsicherheit (u.a. in Bochum) -<br />
ist auch eine einschlägige Forschungslandschaft von hoher Qualität in NRW aktiv.<br />
Dies gilt auch <strong>für</strong> Deutschland insgesamt.<br />
• Digitale Beschaffungen im öffentlichen Dienst und in der privaten Wirtschaft: Moderne<br />
digitale Beschaffungsplattformen können hohe Einsparungen <strong>für</strong> den Staat bedeuten<br />
und bieten die Möglichkeit, bessere Dienste preiswerter anzubieten. Ein Teil der<br />
Haushaltslücke kann durch preiswertere öffentliche Beschaffung geschlossen werden.<br />
Angesichts der Staatsschuldenkrisen im Euro-Raum, in Großbritannien und in den<br />
USA liegt hier sicherlich ein wichtiges Handlungsfeld <strong>für</strong> die Politik vieler OECD-<br />
Länder, in Deutschland zudem auch <strong>für</strong> zahlreiche Bundesländer. Im Übrigen sei hier<br />
vermerkt, dass der Defizitbetrug Griechenlands in 2009 – als Athen 4% Defizitquote<br />
ankündigte, aber 15,6% Ist-Wert realisierte – bei Verwendung einer einheitlichen<br />
Budgetsoftware in allen Euro-Ländern, verbunden mit dem Recht der Kommission auf<br />
jederzeitigen Einblick in die digitalen Budgets, nicht hätte passieren können (WEL-<br />
FENS, 2012). Sicherlich ist hiermit auch eine natürliche Reformaufgabe <strong>für</strong> alle Euro-<br />
bzw. EU-Länder angesprochen.<br />
• Digitaler europäischer Tourismus – nützlich, vernetzt und nachhaltig; hier können<br />
neue grenzübergreifende Konzepte entwickelt und vorbildliche <strong>IKT</strong>-basierte Innovationen<br />
in vielen Städten und Regionen erprobt werden; auch unter Einbeziehung etwa<br />
von Menschen mit Sehbehinderungen. Dabei sei hier exemplarisch auf das auf Sehbehinderte<br />
ausgerichtete Blind4you-Projekt hingewiesen, das in NRW bzw. Soest mit<br />
EU-Geldern entwickelt wurde.<br />
Der nationale IT-Gipfel in NRW bietet <strong>für</strong> das bevölkerungsreichste Bundesland einzigartige<br />
Möglichkeiten, bestehende <strong>IKT</strong>-Profile auszubauen und neue <strong>IKT</strong>-Felder optimal zu entwic-
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 9<br />
keln. Für das NRW-Bildungssystem stellen sich im Kontext der <strong>IKT</strong>-Expansion besondere<br />
Herausforderungen unter der Überschrift Digitaler Lern- und Wissensraum. Die Expansion<br />
der Informatik in allen Hochschulen und die zunehmende Nutzung des Internets in allen<br />
Fachbereichen – bei Lehre und Forschung – ist ein Kennzeichen der digitalen Wissensgesellschaft.<br />
Die zunehmende Nutzung moderner sozialer Netzwerke auch <strong>für</strong> Ausbildung, Lernen,<br />
Weiterbildung bzw. lebenslanges Lernen bietet eine neue Perspektive der modernen Bildungswelt.<br />
Digitale Lernplattformen und der internetbasierte Zugang zum weltweit vorhandenen<br />
– nicht-patentgeschützten – Wissen sind neuartige Merkmale des digitalen 21. Jahrhunderts.<br />
Während in den USA bereits zahlreiche Universitäten sich zu digitalen Kollegs mit eigenständiger<br />
Vorlesungsvermarktung zusammengeschlossen haben, ist in Deutschland bzw.<br />
der EU wenig an vergleichbaren Aktivitäten zu sehen. Dabei bieten digitalen Universitäten<br />
enorme Kosteneinsparungsmöglichkeiten und können einen internationalisierten globalen<br />
Zugang zu hochwertigem Wissen ermöglichen.<br />
Die Internetwirtschaft erhöht die Mobilität des Wissens, aber ein erheblicher Teil des hochwertigen<br />
Wissens ist personengebunden bzw. ist nicht-kodifiziertes Wissen, so dass die Mobilität<br />
von Fachkräften und die Vernetzung von innovativen Köpfen von Unternehmen und Regionen<br />
in Modellprojekten und Innovationskooperationen gerade in der digitalen Wissensgesellschaft<br />
wichtig ist. Hiermit rücken aber auch infrastrukturpolitische Aufgaben bzw. Defizite<br />
mit in den Vordergrund der Betrachtung. Wie man in einem dicht besiedelten Bundesland<br />
wie Nordrhein-Westfalen, aber auch im ganzen Bundesgebiet, die Verkehrseffizienz durch<br />
Telematik erhöhen kann, ist zu prüfen. Eine einfache Maßnahme <strong>für</strong> die zeitliche Verlagerung<br />
von LKW-Autobahn-Verkehr in die Nachtstunden wäre es, wenn die Autobahn-<br />
Nutzungsgebühren zeitlich differenzieren würden, also preiswertere Tarife <strong>für</strong> die Nachtzeit.<br />
Dass man auch den normalen Berufsverkehr durch Telematik effizienter organisieren könnte<br />
und insgesamt die Stauzeiten durch bessere Vernetzungen auch im öffentlichen Nahverkehr<br />
reduzieren könnte, steht außer Frage. Die Wohlfahrtsgewinne in diesem Bereiche können in<br />
Nordrhein-Westfalen mit seinem hohen Stauaufkommen, das täglich Millionen Berufspendler<br />
trifft, einige Milliarden Euro pro Jahr erreichen. Auch im Bereich „Intelligente Stromnetze“<br />
sind <strong>für</strong> die Bundesländer bzw. Deutschland und die EU-Partner große Chancen <strong>für</strong><br />
Wohlstand und Wohlfahrt realisierbar.<br />
Intelligente Stromnetze<br />
<strong>IKT</strong> bzw. moderner Softwareeinsatz in bestimmten Sektoren der Wirtschaft erleichtert die<br />
Koordination von Angebot und Nachfrage, was insbesondere in der Stromwirtschaft – dort ist<br />
aus physikalischen Gründen ein jederzeitiger Ausgleich von Angebots- und Nachfragemenge<br />
nötig – Effizienzgewinne und Möglichkeit zur Einsparung von Ressourcen verspricht. Von<br />
Seiten der OECD (2012a) ist bereits betont worden, dass <strong>IKT</strong>-Einsatz bei der Realisierung<br />
intelligenter Stromnetze von besonderer Bedeutung ist.<br />
Im traditionellen Stromnetz werden zudem hohe Kapazitäten <strong>für</strong> Spitzenlastzeiten bereit gestellt,<br />
die bei Einführung einer digital organisierten Verschiebung von Lastspitzen bzw. bei<br />
verminderter Spitzenlast-Nachfrage im 24-h-Zyklus sinnvolle Anpassungen ermöglichen: Der<br />
gesamtwirtschaftliche Kraftwerkspark kann vermindert werden, was die Einsparung von Kapital<br />
- inklusive auch von Emissionen (auf Basis einer Lebenszyklusanalyse) beim sonst größer<br />
zu dimensionierenden Kraftwerkspark – erlaubt; dieser Vorteil ist auf mehrere Milliarden
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 10<br />
Euro zu beziffern und kann auf Basis empirischer <strong>Analyse</strong>n bzw. Simulationen <strong>für</strong> Deutschland<br />
und andere OECD-Länder berechnet werden.<br />
Intelligente Stromnetze bestehen u.a. aus Sensoren zur Vorgangserfassung im Netz und einer<br />
<strong>für</strong> die Intelligenz des Netzes kritischen Daten-Plattform, über die das Management der zufließenden<br />
bzw. abgerufenen Informationen erfolgt; also faktisch auch das Matching – der<br />
physikalische Abgleich beim Stromfluss - von Angebots- und Nachfrageseite. Die Daten von<br />
der Angebots- und der Nachfrageseite müssen in Echt-Zeit softwarebasiert ausgewertet und in<br />
Steuerungsbefehle Richtung Strom nutzende Geräte und Stromerzeugungsakteure umgesetzt<br />
werden. Im Übrigen ist die schon bestehende Strombörse in Leipzig selbst natürlich vollständig<br />
<strong>IKT</strong>-basiert, wobei die Unternehmen der Hoch- und Mittelspannungsebene auf Basis aktueller<br />
bzw. erwarteter Daten Strom handeln; neben dem Kassa-Strompreis gibt es auch Terminstrompreise,<br />
wobei aus ökonomischer Sicht hier vor allem die Wettbewerbspolitik gefordert<br />
ist. Die Expansion des modernen intelligenten Stromnetz („Smart Grids“) richtet sich im<br />
Wesentlichen an die Verteilernetzebene als unterste bzw. kundennächste Stromleitungsebene.<br />
Intelligente Netze sind <strong>für</strong> mehrere Punkte bei der Energiewende wichtig (zu den ersten fünf<br />
Punkten siehe SAP (2011, S.10)):<br />
1. Nachfragemanagement und Kappung von Spitzenlasten;<br />
2. Angebotsmanagement der Energie- bzw. Stromerzeuger;<br />
3. Management von modernen Energiespeichern;<br />
4. Bereitstellung einer Infrastruktur <strong>für</strong> E-Mobilität;<br />
5. Kostensenkung durch Erhöhung der Effizienz;<br />
6. Minderung des Kraftwerkparks bzw. Einsparung von Realkapital und Vermeidung<br />
von CO2-Emissionen, die bei der Kraftwerkserstellung üblicherweise anfallen – ein<br />
Aspekt, der in der herkömmlichen <strong>Analyse</strong> bislang übersehen wird.<br />
7. Es gibt bei Einführung von Smart Grids dann induzierte Innovationen bei den stromverbrauchenden<br />
Geräten bzw. Prozessen, deren Energieeffizienz auf Basis millionenfach<br />
anfallender Datensätze relativ leicht im Zuge von strom- und ressourcensparendem<br />
technischen Fortschritt zu verbessern sein dürften. Die beim Stromverbrauch an<br />
jedem einzelnen Gerät abzurufenden Daten von Nutzern können eigentumsmäßig den<br />
Nutzern zugeordnet werden, die dann die Auswertung der Daten Stromkonzernen oder<br />
Geräteherstellern per Internet-Vertrag – gegen Entgelt – erlauben könnten.<br />
Es gibt eine ganze Reihe von Fragen, die sich mit der schon eingeleiteten Energiewende in<br />
der EU verbinden:<br />
• Inwieweit ist bei der Energiewende – unter ordnungspolitischen Aspekten – der Staat<br />
gefordert?<br />
• Wie sollten die Daten zum Stromverbrauch bei privaten Haushalten und bei Unternehmen<br />
gespeichert werden bzw. wer hat hieran Eigentumsrechte?<br />
• Welche Größenordnung an Kosten- bzw. Einspareffekten ist mittel- und langfristig aus<br />
der Verbindung von <strong>IKT</strong> und Energie zu erwarten?<br />
• Welche mittel- und langfristigen dynamischen Innovationseffekte sind aus einer Innovationsinitiative<br />
<strong>IKT</strong> & Energie zu erwarten?
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 11<br />
Der Staat, der üblicherweise die Rahmenordnung der Wirtschaft setzt und in der Wirtschaftspolitik<br />
in bestimmten Feldern aktiv sein sollte, ist als Akteur in der Tat gefordert:<br />
• Da die Standardsetzung unter Einschaltung der EU-Länder bzw. der Europäischen<br />
Kommission leichter von der Industrie länderübergreifend zu organisieren ist, was <strong>für</strong><br />
die wirkliche Nutzung eines EU-Strommarktes unerlässlich ist (man denke an das<br />
Vorbild des GSM-Standards im Bereich der Mobiltelefonie). Die optimale Nutzung<br />
von Skalen-Vorteilen und von Netzwerkeffekten ist im Strombereich wichtig, sobald<br />
der flächendeckende Informationsaustausch als erwünschtes Marktelement hinzukommt<br />
und hier können Marktunvollkommenheiten bzw. positive oder negative externe<br />
Effekte eine wichtige Rolle spielen und staatliche Impulse notwendig erscheinen<br />
lassen. Es kann durchaus zu Interessenkonflikten kommen, wenn nämlich im Stromsektor<br />
der Staat mit staatlichen Stromfirmen selbst im Markt aktiv ist; diskriminierungsfreier<br />
Netzzugang ist ein relevantes Problem in vielen EU-Ländern im Stromwie<br />
im Gasnetz, wodurch Wettbewerb bzw. Effizienzgewinne behindert werden.<br />
• Die Einführung intelligenter Zähler im Rahmen des EU-Strombinnenmarktes kann<br />
sinnvoll nicht ohne weiteres nur einfach als nationales Projekt definiert werden. Das<br />
Herunterdrücken von Strom-Lastspitzen durch digitale Angebotsvernetzung bzw. das<br />
Einsparen von Ressourcen und Emissionen durch optimierte digitale Angebots-<br />
Nachfrageabstimmung kann naturgemäß als wichtiger Baustein der EU-Energiepolitik<br />
bzw. des von der Europäische Kommission betonten Projektes Europa 2020 gedacht<br />
werden.<br />
• Der grenzüberschreitende Handel mit Strom ist unmittelbar mit der Nutzung moderner<br />
<strong>IKT</strong> verbunden, zugleich wird im Kontext mit der Entwicklung intelligenter Netze die<br />
Richtung des Nettostromexportes sich häufiger ändern – dies ist letztlich Reflex der<br />
kapitalsparenden Eigenschaften von Smart Grids (insbesondere beim möglichen Verzicht<br />
auf einen Teil des bisherigen Kraftwerksparks).<br />
Kosten und Nutzen beim Aufbau intelligenter Netze beziehen sich im Wesentlichen auf Ausgaben<br />
auf Software-Modernisierung in der Wirtschaft und digitaler Zahler bei Haushalten und<br />
Unternehmen. Was den Nutzen angeht, so ist auf die Strom nutzenden Unternehmen, die<br />
Stromwirtschaft und die privaten Haushalte abzustellen. Bei dem privaten Haushalten spielen<br />
die Aspekte Stromeinsparungen, Produktinnovationen und CO2-Reduktion eine wichtige Rolle.<br />
In der Stromwirtschaft geht es vor allem um die Reduzierung der Kraftwerkskapazität und<br />
des Netzausbaus, sowie wachsenden internationalen Stromhandel (mit möglicher CO2-<br />
Einsparung). Bei den Unternehmen sind die Vorteile vor allem in den Bereichen Innovationen<br />
und Skalenvorteile sowie bei der Stromeinsparung, der Netzstabilisierung und letztlich auch<br />
der CO2-Reduktion (WELFENS/JUNGMITTAG, 2012). Im Rahmen einer EU-<br />
Wachstumspolitik kann die Realisierung von Smart Grids ein wichtiges Element sein, wobei<br />
die CO2-Minderung ein Weniger an negativen externen Effekte bedeutet; aus Sicht der Wirtschaftspolitik<br />
ist dies äquivalent zum Vorliegen positiver externer Effekte.<br />
Bei zunehmendem Anteil erneuerbarer Energien in der Stromerzeugung wird die Umsetzung<br />
intelligenter Netze dringlich, da die eintretende erhöhte Volatilität auf der Stromangebotsseite<br />
nur über entsprechenden <strong>IKT</strong>-Ausbau der Stromnetze bewältigt werden kann. Wenn man einen<br />
Kapazitätsmarkt im Stromsektor schafft, bei dem Stromerzeuger <strong>für</strong> das Vorhalten von<br />
Reservekapazitäten entgolten werden sollen – dies ist im Kontext der Energiewende grundsätzlich<br />
notwendig und schafft Herausforderungen <strong>für</strong> die Wettbewerbspolitik (MONOPOL-<br />
KOMMISSION, 2011) –, dann ist ein wettbewerblich organisierter Kapazitätsmarkt zu schaf-
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 12<br />
fen. Hierbei haben Stromkonzerne das Interesse, bei geringem Wettbewerb gegenüber den<br />
Grenzkosten überhöhte Preise durchzusetzen bzw. ökonomische Renten auf Kosten der Verbraucher<br />
an sich zu ziehen. Durch einen sinnvoll organisierten Strommarkt kann einerseits<br />
durch softwarebasierte Matching-Lösungen eine Minimierung der notwendigen Reservekapazitäten<br />
erreicht werden; andererseits kann man digitale Auktionsmärkte schaffen, auf denen<br />
unter Wettbewerbsbedingungen Reservekapazitätsangebote auf einem internationalen Terminmarkt<br />
bereit gestellt werden. Gegenüber den bisherigen meist isolierten nationalen Märkten<br />
mit regionaler Marktmacht von Stromkonzernen in der EU wäre ein integrierter EU-<br />
Strombinnenmarkt im Kontext intelligenter Netze bzw. international verbundener Netze mit<br />
Effizienzgewinnen und verminderten Stromkosten verbunden, die wiederum zu Wohlfahrtsgewinnen<br />
bzw. einem Mehr an rentabler Produktion in Industrie, Handwerk und Dienstleistungssektor<br />
führt. Damit sind positive gesamtwirtschaftliche Beschäftigungseffekte, aber<br />
auch Konsolidierungeffekte <strong>für</strong> den Staat verbunden. Positive wirtschaftliche Expansionsimpulse<br />
durch den Ausbau intelligenter Stromnetze kann es in Deutschland, Frankreich, Spanien,<br />
Italien und vielen anderen Ländern der Eurozone geben, wo man gut daran täte, von Seiten<br />
der Politik einen angemessenen Ordnungsrahmen rasch zu entwickeln.<br />
Intelligente Stromnetze stehen exemplarisch <strong>für</strong> das enorme <strong>IKT</strong>-basierte Potenzial, Angebots-<br />
und Nachfrageseite durch einen digitalen Auktionsprozess in Echtzeit – mit Rückkopplung<br />
zur Produktions- und zur Nachfrageseite – abzustimmen. Wenn man stärker noch als<br />
bisher Maschine-zu-Maschine-Kommunikationsprozesse entwickelt und damit auch virtuelle<br />
Maschinenparks verschiedener Firmen entstehen lässt, so ergeben sich auch hier neue Möglichkeiten,<br />
die Kapazitätsauslastung einzel- und gesamtwirtschaftlich zu optimieren. Die Rolle<br />
der Lohnstückkosten ist in der traditionellen makroökonomischen <strong>Analyse</strong> seitens der<br />
Wirtschaftspolitik regelmäßig betont worden, aber zunehmend sollten doch auch andere Kostenkategorien<br />
– inklusive Energie – mit Blick auf die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft<br />
und auch die Umweltfreundlichkeit der Produktion thematisiert werden. In einer Zeit, in der<br />
wegen der Energiewende ohnehin steigende Energiekosten und damit verschärfter Druck zum<br />
Strukturwandel drohen, sind <strong>IKT</strong>-basierte Kosteneinsparungen im Bereich des Stromsektors<br />
besonders wichtig. Es ist der Wirtschaftspolitik anzuraten, national und EU-weit das Thema<br />
Intelligente Stromnetze zügiger anzugehen, da hier die erwarteten Vorteile <strong>für</strong> Wirtschaft,<br />
Verbraucher und Umwelt bzw. künftige Generationen erheblich sein dürften.<br />
<strong>IKT</strong>-Expansion, Investitionsdynamik und Wirtschaftswachstum<br />
Seitens der OECD hat man seit vielen Jahren die Rolle der Informations- und<br />
Kommunikationstechnologie <strong>für</strong> das Wirtschaftswachstum betont und die Europäische Union<br />
wie ihre Mitgliedsländer haben in zahlreichen Programmen versucht, digitale<br />
Wachstumsimpulse zu generieren. Erst im Juli 2012 hat die zuständige EU-Kommissarin<br />
Neelie Kroes einen grundlegenden Strategiewechsel zur Neuausrichtung der europäischen<br />
Regulierungspolitik bekanntgegeben. Demnach sollen wichtige Vorleistungsentgelte bis 2020<br />
stabilisiert und unter bestimmten Bedingungen auf eine Kostenregulierung von<br />
Glasfasernetzen verzichtet werden. Die Neuausrichtung der EU-Regulierungspolitik muss<br />
rasch umgesetzt werden, um einen zukunfts- und investitionsorientierten Regulierungsrahmen<br />
zu schaffen. <strong>IKT</strong> trägt zudem auch zum technischen Fortschritt bei, zumal in der digitalen<br />
Wissensgesellschaft kreative Akteure bzw. Forscher sich schneller und besser als bisher <strong>für</strong><br />
Innovationsprojekte miteinander vernetzen können und auch weil <strong>IKT</strong> die Verbreitung neuen<br />
Wissens beschleunigt. Die EU hatte eine eigene „Digitale Agenda“ definiert. Von daher steht
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 13<br />
die Qualität der Kommunikationsinfrastruktur aus Sicht der Wirtschaftspolitik mit im Fokus<br />
der Betrachtung und der Staat wiederum ist etwa in der Bildungspolitik unmittelbar gefordert,<br />
einerseits zum Qualifizierungsprozess beizutragen, andererseits aber auch die<br />
Internetsicherheit mit zu gewährleisten.<br />
Aus Sicht der OECD (2012) kommt mit Blick auf <strong>IKT</strong>-Politik den folgenden Bereichen<br />
besonders große Bedeutung zu:<br />
• Breitbandausbau<br />
• <strong>IKT</strong>-Fähigkeiten und Beschäftigungsaspekte<br />
• Regierungs-Online-Akivitäten<br />
• Sicherheit in der Informationstechnik<br />
• Innovationsförderprogramme<br />
• Technologiediffusion in der Wirtschaft<br />
• Digitale Zahlungsvorgänge<br />
• Digitale Inhalte<br />
Man wird hier zumindest drei Punkte ergänzen können: Der <strong>IKT</strong>-Sektor bzw. <strong>IKT</strong>-Kapital ist<br />
von großer Bedeutung nicht nur <strong>für</strong> Strukturwandel, Wachstum und Beschäftigung, sondern<br />
ihm kommt gerade in alternden Gesellschaften der OECD-Länder langfristige strategische<br />
Bedeutung zu:<br />
• <strong>IKT</strong>-Kapital – inklusive Software – trägt zur Effizienzsteigerung einerseits, aber auch<br />
zur Vereinfachung komplexer Arbeits- bzw. Wertschöpfungsvorgänge bei; hohe Arbeitsproduktivität<br />
und Innovationskraft können dank <strong>IKT</strong> auch in relativ hohem Alter<br />
von Arbeitnehmern realisiert werden und internetbasierte Weiterbildungsplattformen<br />
können global <strong>für</strong> alle Altersgruppen entwickelt werden.<br />
• Digitale soziale Netzwerke werden <strong>für</strong> immer mehr Menschen ein große Rolle gerade<br />
in fortgeschrittenem Alter spielen: Das mobile Internet dürfte eine häufige erste Arzt-<br />
Kontaktplattform werden, womit nicht nur ein Mehrwert <strong>für</strong> die Patientenbetreuung in<br />
manchen Bereichen vorliegt. Vielmehr liegt auch ein neues Kostendämpfungselement<br />
vor, das den in der alternden Gesellschaft drohenden Anstieg der Krankenkassenbeitragssätze<br />
begrenzen helfen wird. Das Internet ist im Übrigen auch <strong>für</strong> vorbeugende<br />
Gesundheitsmaßnahmen einsetzbar, was bislang seitens der Krankenkassen kaum geschieht.<br />
Zugleich wird das Netz <strong>für</strong> soziale Kontakte von immer mehr älteren Single-<br />
Haushalten unersetzlich werden. Altersmäßig zeigen sich große Unterschiede bezüglich<br />
der Mitwirkung in sozialen Netzen (OECD, 2012; Abb. 3.11; siehe <strong>Anhang</strong>), wobei<br />
die Altersgruppe der 16-24jährigen in den EU27-Ländern etwa doppelt so aktiv ist<br />
wie die 25-54jährigen und dreifach so aktiv wie die 55-74jährigen; in Modellprojekten,<br />
die von EU-Ländern oder auch von Regionen oder Kommunen angestoßen und<br />
mitgetragen werden, könnte diese Lücke bei den älteren Mitmenschen im Zeitablauf<br />
deutlich reduziert werden. Deutschland hat in der EU27 eine leicht unterdurchschnittliche<br />
Position (Durchschnittswert 2011: 52%) bei der Intensität der sozialen Netzwerkaktivitäten,<br />
wenn man die in solchen Aktivitäten als Anteil an allen Internetnutzern<br />
misst. Unter den OECD-Ländern ganz vor liegen Ungarn, Island, Slowakische<br />
Republik, Norwegen, Dänemark und Kanada, gefolgt von Großbritannien, Polen Portugal,<br />
Schweden, Griechenland, Irland und Spanien (OECD, 2012, Abb. 3.12).
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 14<br />
• <strong>IKT</strong>-Anwendungen im Haushalt haben eine eigenständige große Bedeutung in der<br />
Mobilen Digitalen Gesellschaft, wo Menschen flexibel arbeiten müssen und oft auch<br />
im Ausland zeitweise oder permanent ihren vernetzten Arbeiten nachgehen: Fragen<br />
nach Bildungs- und Unterhaltungsdiensten sowie Umwelt- und Haushaltsdiensten <strong>für</strong><br />
private Haushalte sind aus den Bedürfnissen der Menschen heraus in einer digitalen<br />
Modernisierungsperspektive wichtig; gerade auch im Kontext eines nachhaltigen Lebensstils<br />
kann das Internet vielfältige Informationen und Ideen sowie netzbasierte<br />
Mitwirkungsmöglichkeiten bieten. Mit einem Anteil des 9% beim Online-Handel hat<br />
Deutschland 2011 hinter Großbritannien mit 12% einen Spitzenplatz in Europa aufzuweisen,<br />
gefolgt von Schweiz, Norwegen, Dänemark, Frankreich, Schweden, Benelux,<br />
Spanien, Polen und – mit nur 1,3% - Italien (OECD, 2012, Abb. 2.16). Die kommunale<br />
und regionale Wirtschaftspolitik ist hier von Bedeutung, soweit der Staat<br />
durch sinnvolle Anreize oder gezielte Informationen zur Mobilisierung von Netzwerkeffekten<br />
beitragen kann: also jener Nutzenzuwächse, die sich in einem vergrößerten<br />
digitalen Nutzerkreis <strong>für</strong> jeden der bisherigen Nutzer ergibt. Hierdurch steigt die Zahlungsbereitschaft<br />
<strong>für</strong> digitale Geräte und Dienste und von daher kann auch die Mobilisierung<br />
von Netzwerkeffekten zu steigenden Umsatzzahlen bzw. besseren marktmäßigen<br />
Refinanzierungsmöglichkeiten <strong>für</strong> innovationsstarke digitale Anbieter führen. Es<br />
ist interessant festzustellen, dass bei den Güterkäufen übers Internet sehr viele Marktbereiche<br />
in der EU27 vertreten sind (OECD, 2012, Abb. 3.15; siehe <strong>Anhang</strong>).<br />
Für viele Arbeitnehmer ist der <strong>IKT</strong>-Sektor eine gut bezahlte Job-Nische mit hohem<br />
Kreativitäts- und Leistungspotenzial geworden. Mit einem Beschäftigungsanteil des <strong>IKT</strong>-<br />
Sektors an der Gesamtbeschäftigung in der Wirtschaft von rund 10% lag Finnland 2009 laut<br />
OECD-Angaben vor Schweden und Dänemark, wobei in Schweden der <strong>IKT</strong>-<br />
Beschäftigungsanteil ähnlich wie in Finnland gegenüber 1995 gestiegen war, während er in<br />
Dänemark leicht rückläufig war. Ungarn, die Niederlande, Frankreich, Norwegen,<br />
Großbritannien, Japan, die Slowakische Republik, Korea, Luxemburg und Tchechische<br />
Republik lagen 2009 über dem OECD-Durchschnitt, während Deutschland mit etwa 6% leicht<br />
unterdurchschnittlich rangierte, weit am Ende lagen Spanien, Griechenland, Slowenien,<br />
Portugal und Estland.<br />
Die <strong>IKT</strong>-Investitionen machten in den USA in 2010 gut 30% der Gesamtinvestitionen – ohne<br />
Wohnungswirtschaft – aus. Hinter dem Spitzenwert der USA folgten Schweden, Dänemark,<br />
Großbritannien, Neuseeland, Belgien, Frankreich, Niederlande, Schweiz, Kanada, Finnland,<br />
Australien, Spanien, Japan, Portugal, Irland, Deutschland, Österreich, Korea und Italien,<br />
wobei der Anteilswert der vier zuletzt genannten Länder kaum die Hälfte des US-Wertes<br />
erreichte (OECD, 2012). Dabei geben die USA anteilsmäßig mehr <strong>für</strong> Software-Investitionen<br />
aus als Deutschland insgesamt als <strong>IKT</strong>-Investitionsanteil verzeichnet. In Europa liegt<br />
Schweden hier mit den USA praktisch gleich auf und das anhaltende Wirtschaftswachstum<br />
Schwedens ist von daher vermutlich auch vor diesem Hintergrund zu sehen. Unter den<br />
genannten Ländern fällt Portugal mit einem sehr geringen Anteil an Software-Ausgaben auf –<br />
ein Fall, der näherer <strong>Analyse</strong>n bedarf.
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 15<br />
1.2 <strong>IKT</strong>-Expansion, Investitionsdynamik und Innovationen<br />
in der digitalen Wirtschaft<br />
Während manche Beobachter mit Blick auf eine seit wenigen Jahren sinkende Relation von<br />
<strong>IKT</strong>-Investitionsausgaben zum nominalen Bruttoinlandsprodukt bereits von einem Überschreiten<br />
des <strong>IKT</strong>-Zenits sprechen wollen, muss doch unter Verweis auf die methodisch korrekte<br />
Verwendung von realen Größen ein anderes Bild betont werden. Da der sektorale <strong>IKT</strong>-<br />
Preisindex seit Jahrzehnten fällt, ergibt sich in realer Rechnung ein anderes Bild als auf Basis<br />
nominaler Größen: Der Anteil der <strong>IKT</strong>-Investitionen in realer Rechnung steigt relativ zum<br />
realen Bruttoinlandsprodukt in Deutschland und vielen OECD-Ländern – im Gegensatz zu<br />
den nominal gemessenen Quoten – weiter an. Die ökonomische Bedeutung des <strong>IKT</strong>-Sektors<br />
nimmt also fortlaufend weiter zu. Die besondere ökonomische Relevanz des <strong>IKT</strong>-Sektors ergibt<br />
sich mit Blick auf Wachstum und Beschäftigung darüber hinaus aus der Tatsache, dass<br />
der <strong>IKT</strong>-Sektor <strong>für</strong> den innovationsstärksten Sektor der Wirtschaft in fast allen OECD-<br />
Ländern steht.<br />
Getrieben vom globalen Wettbewerb im <strong>IKT</strong>-produzierenden Sektor und von deutlichen langfristigen<br />
Verminderungen der relativen <strong>IKT</strong>-Preise sowie der Entwicklung vieler innovativer<br />
Dienste hat sich eine anhaltende Expansion des <strong>IKT</strong>-Sektors in den OECD-Ländern und den<br />
Schwellenländern ergeben. Der <strong>IKT</strong>-Sektor expandiert in vielerlei Richtung. Neue Themen<br />
wie etwa das Internet der Dinge, RFID („Begleitchips mit Radiofrequenz-Identifikation“, die<br />
hohe Bedeutung <strong>für</strong> Innovationen in Produktion, Logistik, Vertrieb etc. haben), Cloud Computing<br />
als internetbasierte Software- und Servernutzungskonzepte, Software as a Service – via<br />
Internet genutzt – und breitbandige mobile Kommunikation auf Basis neuer Standards (LTE)<br />
sind hier zu nennen. Der Sektor der Informations- und Kommunikationstechnologie ist eine<br />
dynamische Querschnittstechnologie mit positiven externen Effekten <strong>für</strong> alle Sektoren der<br />
Wirtschaft und <strong>für</strong> den öffentlichen Sektor. In erster Linie sollten also bestehende und neue<br />
Unternehmen digitale Entwicklungspotenziale aufnehmen; aber auch die Zivilgesellschaft ist<br />
gefordert – jeder Einzelne, gegebenenfalls sozial bzw. digital vernetzt als kreative Gesellschaft.<br />
Der Einsatz von <strong>IKT</strong> erfordert in der Regel, dass qualifizierte Arbeitskräfte aktiv in die jeweilige<br />
Aufgabenlösung eingebunden sind; das gilt <strong>für</strong> die betriebliche Ebene. Mit Blick auf die<br />
Innovationsdynamik von <strong>IKT</strong>-Unternehmen ist die Einbindung in regionale, nationale und<br />
internationale Innovationssysteme wichtig. Eine wesentliche Rolle spielen zunächst regionale<br />
Innovationssysteme, wobei auf Seiten der Industrie der Bildung von regionalen <strong>IKT</strong>-<strong>Cluster</strong>n<br />
eine große Bedeutung zukommt. In <strong>Cluster</strong>n wirken im Wertschöpfungsprozess komplementäre<br />
Unternehmen, aber auch unterschiedlich große Unternehmen ähnlicher Verarbeitungsstufen<br />
zusammen. Für kleine und mittlere Unternehmen ergeben sich in der Regel neue Möglichkeiten,<br />
etwa im Exportgeschäft bzw. bei der Internationalisierung von Großunternehmen<br />
im jeweiligen <strong>Cluster</strong> zu lernen. Dabei kann ein unternehmensübergreifender Erfahrungsaustausch<br />
bzw. die Bildung von digitalen Erfahrungsgruppen ebenso nützlich sein wie etwa die<br />
gemeinsame Organisation bei Auftritten auf internationalen Messen.<br />
Grundsätzlich ist es wichtig, die bestehenden <strong>IKT</strong>-Stärken von Regionen zu identifizieren, um<br />
dann auf Basis bestehender <strong>Cluster</strong> und der relevanten Produkt-Architektur neue Expansionsfelder<br />
durch Kooperation und durch Wettbewerb zu erschließen. Aus Sicht der Politik ist zu<br />
prüfen, welche Art Förderung die regionale und nationale Wirtschaftspolitik im <strong>IKT</strong>-Bereich
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 16<br />
entwickeln sollte. Da der Sektor <strong>IKT</strong> in der EU und den USA der innovationsstärkste Wirtschaftsbereich<br />
ist, von dem zahlreiche positive Innovationsübertragungseffekte auf andere<br />
Sektoren ausgehen, ist eine angemessene Innovationsförderung wichtig. Aus ökonomischer<br />
Sicht ist zu fordern, dass Steuervergünstigungen oder Beihilfen das Ausmaß des gesellschaftlichen<br />
Zusatznutzens – der positiven externen Effekte – widerspiegeln sollten. In einer Zeit<br />
eng geschnittener öffentlicher Haushalte ist diese Forderung nicht leicht in die politische Praxis<br />
umzusetzen. Dennoch ist gerade digitale Innovationsförderung ein Schlüssel auch zur<br />
Überwindung der Staatsfinanzierungsprobleme, und zwar einfach dadurch, dass eine angemessene<br />
Innovationsförderung das Wirtschaftswachstum deutlich erhöhen kann. Der Wachstumsbeitrag<br />
von <strong>IKT</strong> beträgt in OECD-Ländern zwischen etwa 0,2 und 1 Prozentpunkt, wobei<br />
Deutschland gegenüber dem Spitzenreiter USA, aber auch gegenüber führenden EU-<br />
Ländern wie Schweden und Finnland sowie Niederlande, zurückliegt (WEL-<br />
FENS/ZOCHE/JUNG-MITTAG ET AL., 2005). Da Innovationsförderung in Deutschland<br />
fast zur Hälfte von Seiten der Bundesländer kommt, liegt hier <strong>für</strong> Nordrhein-Westfalen eine<br />
große Herausforderung und Chance. Jenseits der Wirtschaftsaspekte darf man die unmittelbar<br />
bürgernützlichen <strong>IKT</strong>-Expansions- bzw. Modernisierungseffekte nicht übersehen, wobei auch<br />
die Kommunen gefordert sind. So können etwa Menschen mit Sehbehinderungen dank des im<br />
Kreis Soest geförderten <strong>IKT</strong>-Projektes blind4you mit großem Nutzenzuwachs Stadtbesichtigungen<br />
durchführen – in einer alternden Gesellschaft ist dieses von der EU mitgeförderte Projekt<br />
ein Ansatzpunkt, der von vielen anderen Kommunen aufgegriffen werden könnte und<br />
sollte. In Nordrhein-Westfalen gilt es angesichts der europäischen geografischen Lage natürlich<br />
auch, in besonderer Weise EU-Fördermittel zu nutzen und europäische Vernetzungsimpulse<br />
zu geben sowie digitale Marktentwicklung EU-weit mit voranzutreiben.<br />
Die digitale Wirtschaft bzw. der <strong>IKT</strong>-Sektor ist ein fester Bestandteil modernen Wirtschaftens<br />
und effizienter Verwaltung sowie des Arbeitslebens der Mehrheit der Arbeitnehmer geworden.<br />
Neben allen Vorteilen <strong>für</strong> Produktivität, Wissensdiffusion und sozialer Netzwerkbildung<br />
gibt es auch Herausforderungen, die sich ergeben u. a. aus:<br />
• wachsenden Qualifikationsanforderungen und einer schnelllebigeren Arbeitswelt, die<br />
hohen Anpassungsdruck mit sich bringt – dabei entsteht in der Internetgesellschaft<br />
auch eine zunehmende Wahrnehmung der wirtschaftlichen Globalisierung und damit<br />
internationaler Konkurrenz (<strong>für</strong> ein starkes Exportland bzw. erfolgreiche Exportregionen<br />
bieten sich insgesamt besondere Chancen, wobei es im Interesse eines gesellschaftlichen<br />
Zusammenhaltes darauf ankommt, Verlierergruppen im Modernisierungsprozess<br />
durch gezielte Einbindung in institutionelles und individuelles Lernen<br />
gerade auch bei der digitalen Modernisierung mitzunehmen);<br />
• der drohenden Unschärfe zwischen öffentlichem Leben und Internetpräsenz – in der<br />
globalen Internetwelt droht eine Art permanente digitale Medienpräsenz des Menschen,<br />
da jeder Einzelne über Fotos, Filme, Textbezüge bzw. Netzwerkpartner sowie<br />
ggf. geografische Informationssysteme fast rund um die Uhr lokalisierbar und dokumentierbar<br />
ist. Neugierde, Mitteilungsbedürfnis und Kontaktbedarf schaffen in einer<br />
Internetgesellschaft die Möglichkeit einer digitalen Permanenz – einer Art Twitter-<br />
Existenz, bei der jederzeit von jedermann eigene Aktivitäten signalisiert werden. Digitale<br />
Lebensstile sind von daher kritisch zu reflektieren.<br />
Dabei ist nicht zu übersehen, dass es auch Probleme in der neuen digitalen Arbeitswelt gibt.<br />
So erfreulich es ist, dass man sich dank Internet leichter selbständig machen kann, so problematisch<br />
ist es auch in manchen Bereichen <strong>für</strong> viele Ich-AG-Starter, in einem globalen Online-
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 17<br />
Markt erfolgreich zu sein und zugleich ausreichende soziale Kontakte zu knüpfen. Leben in<br />
der Online-Welt schafft viele virtuelle Kontakte, aber sie können tatsächliche soziale bzw.<br />
familiäre Netzwerke nicht ersetzen. Zugleich ist zu bedenken, dass die Privatsphäre in der<br />
Online-Welt gerade durch die Expansion sozialer digitaler Netzwerke eingeschränkt wird, und<br />
auch hier können neben Chancen auch neue Probleme bzw. Herausforderungen entstehen<br />
(HOMBACH, 2010).<br />
Neue Chancen der Internetwirtschaft zu nutzen gilt es gerade auch in der Phase der Überwindung<br />
der globalen Rezession im Gefolge der Transatlantischen Bankenkrise und der Energiekrise.<br />
Zum gewichtigen Teilsektor der Informations- und Kommunikationstechnologie gehören<br />
die Bereiche der Kommunikationsinfrastruktur, der digitalen Dienste und der <strong>IKT</strong>-<br />
Produktion. Das Entstehen immer größerer Nutzernetzwerke in Industrie und Gesellschaft, die<br />
Herausbildung kompakter Märkte <strong>für</strong> Spezialanwendungen bei Nutzergruppen (Stichwort<br />
Apps) und die enormen Entwicklungsmöglichkeiten bei digitaler Bildung und Weiterbildung<br />
in der Wissensgesellschaft sind hervorzuheben. Zunehmend basiert die Produktion von Gütern<br />
und Dienstleistungen auf Wissen einerseits und andererseits auf der Nutzung der Informations-<br />
und Kommunikationstechnologie.<br />
Für die Rückkehr zu anhaltendem Wirtschaftswachstum, aber auch <strong>für</strong> mehr Nachhaltigkeit<br />
ist die optimierte Nutzung der Informations- und Kommunikationstechnologie gerade auch in<br />
Deutschland unerlässlich. Denn <strong>IKT</strong> ist ein wesentliches Element bei Investitionen, und da<br />
der relative Preis von <strong>IKT</strong>-Investitionsgütern mittelfristig weiter fallen dürfte, wird der <strong>IKT</strong>-<br />
Kapitalgüteranteil am Gesamtkapitalstock weiter zunehmen. Auch der Übergang zu preiswerteren,<br />
digitalen innovativen Dienstleistungen <strong>für</strong> die Industrie stärkt via Verbesserung der<br />
Vorleistungsstufe die internationale Wettbewerbsfähigkeit.<br />
Soweit bessere und schnellere digitale Kommunikation <strong>für</strong> die privaten Haushalte angeboten<br />
wird, entsteht ein unmittelbarer Nutzengewinn auf der Konsumentenseite. Dieser wird häufig<br />
durch positive Netzwerkeffekte von Internetnutzern bzw. digitalen Kommunikationspartnern<br />
noch gestärkt: Je mehr Nutzer bestimmte digitale Dienste in Anspruch nehmen, desto größer<br />
sind die entstehenden kreativen Kommunikationsnetzwerke bzw. desto höher ist der Nutzen<br />
<strong>für</strong> jeden einzelnen Akteur im Netz. Es gibt eben besondere Verbundvorteile, wobei diese<br />
sich auf verschiedene Ebenen beziehen können: Lokale und regionale Netzwerke, die ihrerseits<br />
vernetzt sind, spielen hier ebenso eine Rolle wie globale Netzwerke vom Typ Facebook,<br />
Twitter oder Xing. Die grundsätzlich internationale und ubiquitäre Welt des Internets ist eine<br />
Chance zur kreativen Entfaltung, aber sie schafft natürlich auch neue Risiken, wie sie etwa im<br />
Themenfeld IT-Sicherheit auf dem nationalen IT-Gipfel in Dresden in 2010 stark diskutiert<br />
wurden.<br />
Im EU-Binnenmarkt hat sich der Wettbewerb der Regionen intensiviert, die Globalisierung<br />
der Wirtschaft schreitet gerade infolge der Ausbreitung der Informations- und Kommunikationstechnologie<br />
voran. Umso wichtiger erscheint es daher in vielen Regionen, dass die Expansionspotenziale<br />
im Kontext einer verbesserten <strong>IKT</strong>-Nutzung verstärkt mobilisiert werden.<br />
Dabei ist zu beachten, dass <strong>IKT</strong>-Innovationsaufwendungen <strong>für</strong> die Wachstumseffekte besonders<br />
wichtig sind, wobei neben dem innovationsaktiven <strong>IKT</strong>-Sektor selbst etwa die Automobilindustrie<br />
in Deutschland besondere Stärken bei digitalen Innovationen hat. Regionen, die<br />
etwa bisherige Automobilstandorte im Zuge globaler Restrukturierungen verlieren, droht dann<br />
auch ein Innovations- bzw. Wachstumsrückstand.
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 18<br />
Häufig hat die Politik zwar die Weichen grundsätzlich zugunsten des innovationsstarken <strong>IKT</strong>-<br />
Sektors auf nationaler bzw. regionaler Ebene gestellt. Es fehlt aber vielfach an einer optimalen<br />
Wirtschaftspolitik, die durch gezielte Auswertung industrie- bzw. innovationsrelevanter<br />
Indikatoren nachvollziehbare Ansatzpunkte <strong>für</strong> effiziente und effektive Modernisierung zu<br />
identifizieren erlaubt. Gerade die Auswertung von EU-Patentdatenbanken bietet sich hier an.<br />
Rationale und erfolgsorientierte regionale und nationale Wirtschaftspolitik wird auf Basis<br />
entsprechender <strong>Analyse</strong> handeln können und wollen. Zudem stellt sich die Frage, inwiefern<br />
von Seiten der IHKs und von regionalen Firmen- bzw. Nutzernetzwerken eigenständig digitale<br />
Initiativen entfaltet werden können. Grundsätzlich werden digitale Expansion und Modernisierung<br />
immer davon abhängen, dass ein deutlicher Zusatznutzen <strong>für</strong> die Nachfrager entsteht.<br />
In einer breiteren <strong>Analyse</strong> lassen sich die internationalen Entwicklungslinien des <strong>IKT</strong>-Sektors<br />
und die hohe Innovationsdynamik und besondere volkswirtschaftliche Bedeutung verdeutlichen<br />
sowie die Herausforderungen <strong>für</strong> die Wettbewerbsdynamik – auch im Kontext der zunehmenden<br />
Bedeutung sozialer Netzwerke. Für die Industrie gewinnt das Konzept des Internets<br />
der Dinge zunehmende Bedeutung, wobei hier auch der Prozess der Globalisierung, oft<br />
mit komplexen Logistikketten, unterstützt wird.<br />
Der <strong>IKT</strong>-Sektor steht mit einem Marktvolumen von etwa 600 Milliarden Euro <strong>für</strong> 5% der EU-<br />
Wertschöpfung, er ist aber infolge seiner Bedeutung als Querschnittstechnologie letztlich<br />
doch <strong>für</strong> die Gesamtwirtschaft bzw. alle Sektoren von großer Bedeutung (EUROPÄISCHE<br />
KOMMISSION, 2010, S. 4): Der Beitrag des <strong>IKT</strong>-Sektors zum gesamtwirtschaftlichen Produktivitätsanstieg<br />
übersteigt den sektoralen Wertschöpfungsanteil sehr deutlich, wobei etwa<br />
20% aus dem <strong>IKT</strong>-Sektor direkt kommen und 30% aus <strong>IKT</strong>-Investitionen. Die Unternehmen<br />
etwa der Automobilindustrie, des Maschinenbaus, der Chemiewirtschaft und der Elektrotechnik<br />
sind innovationsstarke <strong>IKT</strong>-Anwender.<br />
Die Entwicklung schnellerer, breitbandiger Kommunikationsnetzwerke ist <strong>für</strong> die EU bzw.<br />
Weltwirtschaft von großer Bedeutung; die Europäische Kommission hat mit einer Reihe von<br />
Stichworten mögliche Ansatzpunkte der Politik vorgegeben. Diese Stichworte lauten: Interoperabilität<br />
und Normen, Vertrauen und Sicherheit, Forschung und Innovation, Verbesserung<br />
der digitalen Kompetenzen, Qualifikationen und Integration, <strong>IKT</strong>-gestützte Vorteile <strong>für</strong> die<br />
Gesellschaft in der EU und internationale Aspekte der Digitalen Agenda. Auch die NRW-<br />
Landesregierung hat einige <strong>IKT</strong>-Felder betont (siehe <strong>Anhang</strong>).<br />
Was die EU-Entwicklung von <strong>IKT</strong>-Teilsektoren angeht, so ist darauf hinzuweisen, dass – bei<br />
einem <strong>IKT</strong>-Wachstum oberhalb des Wachstums der Industrie insgesamt – der Bereich Produktion<br />
von Computern und Büromaschinen (NACE 30) seit 1999 rückläufig ist, während der<br />
Teilsektor <strong>IKT</strong>-Dienste (NACE 72) ein hohes Wachstum gezeigt hat (WINTJES/ DUNNE-<br />
WIJK, 2008, S. 6). Die Studie von WINTJES/DUNNEWIJK weist allerdings in einem EU-<br />
Ländervergleich auch darauf hin, dass Deutschland zumindest zeitweilig ein relativ geringes<br />
„sozio-kulturelles Kapital“ aufwies, was als nachteilig <strong>für</strong> die Mobilisierung des vollen <strong>IKT</strong>-<br />
Innovationspotenzials gilt. Deutschland wird auf Basis eines EU-25-Vergleichs in eine Gruppe<br />
mit Österreich, Zypern, Griechenland, Spanien, Italien, Malta und Polen eingeordnet. Hingegen<br />
werden als Führungsländer, die in allen vier betrachteten Kapitaldimensionen – kulturelles<br />
Kapital (z. B. Einstellung gegenüber Innovationen), Humankapital, Sozialkapital (u. a.<br />
Identität sozialer Netzwerke) und Organisationskapital – hohe Werte aufweisen, die folgen-
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 19<br />
den Länder genannt: Belgien, Dänemark, Estland, Finnland, Irland, Luxemburg, Niederlande,<br />
Schweden, Slowenien und Großbritannien (WINTJES/DUNNEWIJK, 2008, S. 70).<br />
Zahlreiche EU-Länder haben begonnen, national oder regional <strong>IKT</strong>-<strong>Cluster</strong> zu fördern, zumal<br />
<strong>IKT</strong> im Kontext der Lissabon-Agenda 2010 der Europäischen Kommission bzw. der anhaltenden<br />
Entwicklung vieler OECD-Länder zu einer digitalen Wissensgesellschaft – mit starker<br />
Rolle von Wissen und Innovation <strong>für</strong> die Wirtschaftsdynamik – eine längerfristige Tendenz<br />
bezeichnet. Dabei stellt sich <strong>für</strong> die EU die Aufgabe, den Rückstand im <strong>IKT</strong>-Sektor gegenüber<br />
den USA zu schließen, wobei mit dem i2010-Programm der EU bzw. der Lissabon-<br />
Agenda 2010 bzw. dem Nachfolgeprogramm Europe 2020 immerhin ein Ansatzpunkt auf<br />
supranationaler Ebene besteht. Bei der <strong>IKT</strong>-Förderpolitik Deutschlands fehlt bislang eine adäquate<br />
Einordnung der <strong>IKT</strong>-Schwerpunkte in die Innovationspolitik (POLS, 2007). Zudem<br />
müssten die Förderschwerpunkte des Bundes – vermutlich auch einiger Bundesländer –<br />
schneller auf veränderte Technologie- und Marktperspektiven reagieren. Die <strong>IKT</strong>-<br />
Förderpolitik der Bundesländer in Deutschland bleibt zu untersuchen, wobei sich hier eine<br />
<strong>Analyse</strong> von <strong>Cluster</strong>-Ansätzen anbietet (WELFENS, 2011).<br />
Mit den wachsenden digitalen Angeboten bzw. Netzinhalten stellt sich die Frage nach einem<br />
angemessenen Konzept der Netzneutralität. Netzneutralität lässt sich aus ökonomischer Sicht<br />
definieren als Konzept eines im engeren oder im weiteren Sinn vorranglosen Datenverkehrs.<br />
Ökonomisch sinnvoll erscheint nur eine differenzierte Netzneutralität, die den Zugang aller<br />
Menschen in einem Land bzw. Wirtschaftsraum zu allen grundlegenden digitalen Diensten<br />
sichert (allerdings nicht zu jedem Zeitpunkt mit maximaler Datenübertragungsrate). Mit dem<br />
Konzept differenzierter Dienste könnte dann auch sichergestellt sein, dass hinreichende Investitionsmittel<br />
in den Ausbau moderner Breitbandnetze fließen werden. Ein hinreichender flächendeckender<br />
Breitbandausbau muss durch regional differenzierte Investitionsanreize bzw.<br />
hinreichende Renditeaussichten gesichert werden.<br />
Mit den Börsengängen von Amazon, Google und Facebook (letzterer mit Turbulenzen bzw.<br />
Kursverfall direkt nach dem Börsengang in 2012) sind drei US-Internetunternehmen der jüngeren<br />
Generation in den Fokus der Kapitalmärkte getreten. Entscheidend <strong>für</strong> den erfolgreichen<br />
Börsengang, der die Unternehmen unter die globalen Börsenschwergewichte katapultierte,<br />
ist das Vorhandensein eines globalen internetbasierten Geschäftsmodells. Da im Zuge hoher<br />
Netzwerkeffekte eine breite Kundenbasis entsteht und zugleich faktisch Marktzugangshemmnisse<br />
geschaffen werden, ergibt sich die Frage, ob hier nachhaltiger Wettbewerb in der<br />
„Internetwirtschaft“ möglich sein wird; und es stellt sich die Frage, auf welcher Ebene man<br />
wirtschaftspolitisch ansetzen soll: National oder international. Hier ergeben sich einerseits<br />
neue Fragen im Kontext des digitalen Verbraucherschutzes, andererseits neue Ansatzpunkte<br />
<strong>für</strong> internationale Kooperation in der Wirtschaftspolitik.<br />
Aufgaben des Staates in der Digitalen Sozialen Marktwirtschaft<br />
Je mehr der <strong>IKT</strong>-Sektor zu einem gewichtigen Wachstumstreiber mit hoher Innovationsdynamik<br />
wird und je stärker <strong>IKT</strong> als wesentliche Querschnittstechnologie einzuordnen ist, desto<br />
stärker kommt es grundsätzlich mit Blick auf Staatsaktivitäten auf mehrere Punkte an:<br />
• Setzen angemessener Rahmenbedingungen; dies gilt national und auch auf EU-Ebene.<br />
Hierzu gehören auch vernünftige digitale Eigentumsrechte in der Internetwirtschaft –
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 20<br />
hierbei sind Anpassungen sicherlich notwendig, damit z.B. Netzwerkeffekte optimal<br />
mobilisiert werden können;<br />
• angemessene Förderanreize zwecks Herbeiführung einer optimalen Innovationsdynamik<br />
– positive externe Effekte von <strong>IKT</strong>-Forschung sind hier zu internalisieren, wobei<br />
<strong>IKT</strong>-<strong>Cluster</strong>-Ansätze grundsätzlich sinnvoll sind. Es ist aber keineswegs automatisch<br />
so, dass jede Vernetzungsgruppe von <strong>IKT</strong>-bezogenen Unternehmensaktivitäten automatisch<br />
einen regionalen Innovationsmehrwert bringt. Es kann auch dazu kommen,<br />
dass sich gerade „fußkranke Unternehmen“ in <strong>IKT</strong>-<strong>Cluster</strong> hineinbegeben und am Ende<br />
<strong>für</strong> die <strong>Cluster</strong>-Unternehmen mehrheitlich gar kein signifikanter Innovationsmehrwert<br />
entsteht (SCHRÖDER, 2010). Von daher ist eine kritische <strong>IKT</strong>-<strong>Cluster</strong>analyse<br />
notwendig.<br />
• Digitale Sozialpolitik wird ein Bestandteil der Sozialpolitik des 21. Jahrhunderts sein;<br />
in der Arbeitslosenversicherung kann internetbasierte Vermittlung in Deutschland eine<br />
viel größere Rolle spielen als bisher: Während in Deutschland in 2011 nur 18% der<br />
Menschen das Internet <strong>für</strong> die Suche nach einem Arbeitsplatz nutzen, waren es in Kanada<br />
und Norwegen etwa 30%, gefolgt von Korea, Dänemark, Island, Großbritannien,<br />
Estland und Schweden mit gut 25% (OECD, 2012, Abb. 3.19). Gerade hier ist<br />
Deutschland aufgefordert, von den führenden OECD-Ländern gute Lösungen zu übernehmen<br />
– die Arbeitslosenquote in Deutschland könnte vermutlich um ein Prozent<br />
sinken, wenn man die Bestwerte Kanadas und Norwegens erreichte. Hier käme es zu<br />
positiven Effekten <strong>für</strong> die Betroffenen, aber auch zu Ausgabeneinspareffekten und<br />
Einnahmeeffekten beim Staat. Dass die Gesundheitspolitik künftig eine starke <strong>IKT</strong>-<br />
Komponente haben sollte, ist offensichtlich, Modellprojekte in verschiedenen Bundesländern<br />
gibt es seit Ende 2010 bereits. Allerdings ist Deutschland auch in Teilbereich<br />
sonderbar langsam, etwa wenn es um die digitale Gesundheitskarte geht. Hier wird<br />
Nutzengewinn <strong>für</strong> Patienten und Kosteneinsparung im Gesundheitswesen bislang verschenkt.<br />
<strong>IKT</strong> wird auch bei der Entwicklung von neuen Möglichkeiten von Altersteilzeit<br />
eine wichtige Rolle spielen – <strong>für</strong> die alternde Gesellschaft gibt es auch hier kreative<br />
neue Möglichkeiten.<br />
• Generell wichtig ist die optimale Realisierung staatlicher <strong>IKT</strong>-Projekte im engeren<br />
Sinn, was nicht nur die Verwaltung betrifft, sondern auch die wesentlich vom Staat<br />
geprägten Sektoren Bildung und Verteidigung.<br />
• Bei der Gründungsförderung sind einfache und klare Regeln <strong>für</strong> Unternehmensgründungen<br />
wesentlich, um die digitale Gründerdynamik zu fördern. Es ist auffällig, dass<br />
in Deutschland beim von der Weltbank veröffentlichten Doing-Business Report 2012<br />
zurückgefallen ist und auf Platz 20 steht (herunter von 19); bei den Gründerbedingungen<br />
steht Deutschland nur auf Platz 100 – immerhin muss man als Gründer in<br />
Deutschland sich mit neun Verfahren befassen, während Kanada und Neuseeland mit<br />
einem einfachen Verfahren glänzen..<br />
Wirtschaft und Gesellschaft im 21. Jahrhundert haben eine große digitale Komponente, die es<br />
sinnvoll zu gestalten gilt. Sichere Internetnutzung, kluge Expansionsanreize <strong>für</strong> den Breitbandausbau<br />
auf mittlere Sicht und bürgernützliche digitale Projekte auch von Kommunen,<br />
Ländern, Bund und EU sind hier wichtig. Insgesamt führt dies zu einer Digitalen Sozialen<br />
Marktwirtschaft. Das Konzept der Digitalen Sozialen Marktwirtschaft ist relativ neu – erst-
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 21<br />
mals vorgestellt von WELFENS (2005) und in Teilaspekten verdeutlicht in der vom <strong>EIIW</strong> mit<br />
dem Fraunhofer-Institut <strong>für</strong> Systemtechnik und Innovationsforschung <strong>für</strong> die Bundesregierung<br />
erstellten Studie Internetwirtschaft 2010 (WELFENS/ZOCHE/JUNGMITTAG ET.AL.,<br />
2005). Eine Digitale Soziale Marktwirtschaft basiert u.a. auf digitalen Eigentumsrechten und<br />
entsprechenden Investitionen und Innovationen im <strong>IKT</strong>-Sektor und in anderen Sektoren. In<br />
dynamischen digitalen Märkten spielen Netzwerkeffekte als endogene Verstärkungsmechanismen<br />
eine wesentliche, besondere Rolle. Die Expansion der digitalen Wirtschaft geht einher<br />
mit <strong>IKT</strong>-Kapitalakkumulation; dieses wiederum mit Produktivitätszuwächsen und Innovationen<br />
im Vorleistungsmarkt. Zudem ergeben sich Effekte auf Export- und Importmärkten und<br />
wegen der Notwendigkeit des Einsatzes qualifizierter Arbeitnehmer auch eine relativ verstärkte<br />
Lohnungleichheit.<br />
Soweit eine Regulierung des Telekommunikationsmarktes erfolgt, so ist nach einer Phase<br />
einer energischen Marktöffnung bzw. von Markteintritten der Übergang zu einem Mehr an<br />
Wettbewerbspolitik und einem Weniger an Regulierungseingriffen sinnvoll. Investitions- und<br />
Innovationsanreize sind wichtig, Schumpetersche Innovationsrenten bzw. Anreize <strong>für</strong> Innovatoren<br />
sollten nicht künstlich vorab wegreguliert werden.<br />
Der Staat hat eine mehrfache Rolle in der Digitalen Sozialen Marktwirtschaft:<br />
• Der Staat setzt Rahmenbedingungen <strong>für</strong> nachhaltigen dynamischen Wettbewerb in der<br />
Wirtschaft, inklusive im Sektor der Informations- und Kommunikationstechnologie.<br />
Digitale Chancengleichheit ist hierbei <strong>für</strong> eine Digitale Soziale Marktwirtschaft ein<br />
wichtiges Element. Zugleich ist die Entwicklung sozialer Netzwerke zu erleichtern, da<br />
sich die in Quasi-Nutzerclubs aktiven Bürgerinnen und Bürger wechselseitig einen<br />
Zusatznutzen verschaffen, der aus größerer potenzieller Kommunikationsreichweite<br />
und dem Nutzenstrom aus intensivierten Netzwerkkontakten entsteht. Dies ist eine<br />
neue Dimension der Wirtschafts- bzw. Ordnungspolitik, wobei der Staat über offene<br />
Standards und Zusammenschaltungsvorgaben im Telekommunikationssektor die<br />
Netzwerkgründung und -nutzung fördern kann.<br />
• <strong>IKT</strong> ist ein wichtiger Aktivitätsbereich gerade auch <strong>für</strong> die wirtschaftliche Modernisierung,<br />
wie ein Vergleich der EU-Länder zeigt; es ist bezeichnend, dass Griechenland<br />
und Portugal bei den <strong>IKT</strong>-Patenten/Kopf in der Wachstumsdynamik deutlich hinter<br />
anderen EU-Ländern bzw. den Euro-Partnerländern liegt (WELFENS, 2012).<br />
• Der Staat selbst ist idealerweise innovativer und vorbildlicher Nutzer bzw. trägt mit<br />
einer leistungsfähigen digitalen Verwaltung zu Kosteneinsparungen und höherem<br />
Dienstenutzen auf Seiten der Bürgerinnen und Bürger bei. Dies setzt allerdings u. a.<br />
voraus, dass die staatliche Weiterbildung – gerade auch in Nordrhein-Westfalen – viel<br />
stärker als bisher auf digitale Themen, Formate, Plattformen und Inhalte Bezug<br />
nimmt, wobei sich natürlich auch Kooperation mit anderen Bundesländern sowie ggf.<br />
auch Nachbarländern wie Niederlande und Belgien (und Luxemburg sowie Frankreich)<br />
besonders anbietet. Auch im Bereich der europäischen Städtepartnerschaften<br />
sind digitale Themen bzw. ein vergleichender Erfahrungsaustausch von großem Interesse.<br />
• Der Staat stimuliert die digitale Innovationsdynamik bzw. trägt zur Internalisierung<br />
positiver externer Effekte – des gesellschaftlichen Zusatznutzens aus individueller unternehmensbasierter<br />
Innovationsaktivität – bei, wobei idealerweise am Umfang der<br />
Innovationsaufwendungen ansetzende Steuervergünstigungen eingesetzt werden sollten<br />
(WELFENS/AUDRETSCH/ADDISON/GRUPP, 1998). Steuervergünstigungen
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 22<br />
als Instrument der Innovationsförderung sind stärker neutral in Bezug auf Betriebsgrößen<br />
bzw. bedeuten größere Chancengleichheit gerade <strong>für</strong> kleine und mittlere Unternehmen.<br />
• Durch die Absenkung von nationalen und internationalen Transaktionskosten wird der<br />
Handel intensiviert, speziell profitiert in Europa der Außenhandel von einer Intensivierung<br />
der Kommunikationskontakte, wie die empirische Untersuchung von JUNG-<br />
MITTAG/WELFENS (2009) gezeigt hat. Indem der Staat bzw. die Regulierungsbehörden<br />
in den EU-Ländern sowie die Europäische Kommission <strong>für</strong> nachhaltigen<br />
Wettbewerb im Telekommunikationssektor sorgen, entstehen Impulse <strong>für</strong> statische<br />
und dynamische Effizienzgewinne gerade auch in der internationalen Telekommunikation.<br />
Diese Kostensenkungen bei grenzüberschreitenden Informations- und Transaktionskosten<br />
stimulieren nicht nur den digitalen Außenhandel (den Handel im Internet),<br />
sondern jeglichen Außenhandel. Deutschland bzw. gerade die exportstarken Bundesländer<br />
Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Bayern und andere dürften von daher<br />
ein besonders starkes Interesse auch an nachhaltigem Wettbewerb auf internationalen<br />
Telekommunikationsmärkten sowie entsprechenden Investitions- und Innovationsprojekten<br />
haben.<br />
• Die Bundesländer sind im Bereich Bildung und Weiterbildung in besonderer Weise<br />
gefordert, die Chancen der digitalen Innovationsdynamik bzw. der breitbandigen mobilen<br />
Internetkommunikation zu nutzen: Neue kreative Informationsnetzwerke – auch<br />
im Bereich ehrenamtlicher Arbeiten – können entstehen sowie eine Vielzahl von Plattformen<br />
und Angeboten <strong>für</strong> Bildung und Weiterbildung. Jede Universität und Fachhochschule<br />
wird längerfristig mit digitalen Bildungsinhalten im Netz präsent sein<br />
können und hier liegen Möglichkeiten, den Hochschulsektor auf vielfältige und preiswerte<br />
Weise digital auszubauen. Wenn zumindest ein Teil der Universitäten sich stärker<br />
vernetzt und in einigen Universitäten auf digitale Vorlesungsübertragung plus lokale<br />
Übungen übergegangen wird, dann lässt sich allein in Nordrhein-Westfalen eine<br />
erhebliche Erhöhung der Absolventenzahlen erreichen; oder aber Kosteneinsparungen<br />
im dreistelligen Millionenbereich pro Jahr. Mit einem Ausbau englischer Vorlesungsangebote<br />
im Netz könnten weltweit Signale an Studierwillige gesendet werden, dass<br />
Nordrhein-Westfalen mit der dichtesten Hochschullandschaft Europas ein hervorragendes<br />
Bildungsangebot bereitstellt.<br />
• Es liegt an Nordrhein-Westfalen selbst, sich stärker im Bereich der Informations- und<br />
Kommunikationstechnologie zu profilieren: Hier stellt sich die Herausforderung, einerseits<br />
bestehende <strong>Cluster</strong>-Initiativen bzw. vernetzte Förderansätze sinnvoll weiterzuentwickeln<br />
(WELFENS, 2010); andererseits ist die bislang geringe Präsenz bei digitalen<br />
Messen zu problematisieren. Nordrhein-Westfalen könnte z.B. ein idealer Standort<br />
sowohl <strong>für</strong> europäische <strong>IKT</strong>-<strong>Cluster</strong>- als auch <strong>für</strong> Apps-Messen oder kommunale<br />
<strong>IKT</strong>-Innovationen sein, wobei von solchen Messen nicht nur ein lokaler Wirtschaftsimpuls<br />
mit hohem Modernisierungs- bzw. Signalwert ausgeht, sondern erfahrungsgemäß<br />
entwickeln sich im Umfeld digitaler Messen in besonderer Weise auch digitale<br />
Dienstleister. Seitens der <strong>IKT</strong>-<strong>Cluster</strong>-Entwicklung stellten sich die Frage, ob die bisher<br />
forcierten Schwerpunkte die Chancen und Stärken der Region und die Vielfalt der<br />
Stärken der verschiedenen Teilregionen angemessen widerspiegeln; auch ist die Frage<br />
zu stellen, inwiefern eine europäische digitale Komponente mit Kooperationsprojekten<br />
mit Blick auf Niederlande und Belgien entwickelt wird. Die <strong>Cluster</strong>-Dynamik in einigen<br />
<strong>IKT</strong>-Zentren Europas ist hoch, wobei Eindhoven als niederländischen <strong>IKT</strong>-<strong>Cluster</strong><br />
Weltrang hat – nicht zuletzt dank eines einzigartigen Innovationsparks von Philips, in<br />
dem Hunderte Partnerunternehmen bzw. Wettbewerber am Aufbau globaler neuer
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 23<br />
Standards und im Rahmen einer Innovationshandelsbörse mitwirken. Im <strong>Anhang</strong> sind<br />
einige ausgewählter Innovationscluster europäischer Regionen aufgeführt, die das<br />
Netzwerk gemeinsamer <strong>IKT</strong>-Patente in der jeweiligen Region und die Intensität der<br />
Mobilität der Innovatoren zeigen.<br />
Nachdem man in Deutschland mit der Initiative D21 und dem nationalen IT-Gipfel seitens der<br />
Bundesregierung gezielt Impulse zur Expansion der digitalen Wirtschaft gesetzt hat, ist festzustellen,<br />
dass einerseits der Staat – hier der Bund, teilweise auch die Bundesländer - und<br />
eben die Industrie positiv zur Expansion des <strong>IKT</strong>-Sektors und von <strong>IKT</strong>-Anwendungen beigetragen<br />
haben. Es stellt sich natürlich die Frage, ob dies insgesamt in optimaler Weise geschehen<br />
wird und welche Akzente einzelne Bundesländer geben werden; Nordrhein-Westfalen<br />
bzw. das Ruhrgebiet könnte hier als „Smart City Network“ wichtige und innovative Akzente<br />
setzen.<br />
Neue digitale Dienste, die erhebliche Bandbreiten brauchen, sind ohne breitbandige Infrastruktur<br />
kaum denkbar. Es gibt in der Politik grundsätzlich zwei Herangehensweisen, wenn<br />
man exemplarisch etwa an Innovationsförderung im Bereich Breitbandnetze denkt. Eine<br />
„Langsam-Förderstrategie“, die immer gerade so viel zusätzliche Breitbandversorgung sichert,<br />
wie am aktuellen Zeitrand von der Wirtschaft gefordert wird – eine solche Strategie<br />
klingt nach budgetpolitisch vorsichtiger Expansionsstrategie: Gefördert wird ja passgenau der<br />
jeweils nächste Schritt. Eine Alternative ist die strategische Potenzialförderung, die bewusst<br />
zeitweilige Angebotsüberschüsse in der Breitbandversorgung herbeiführt und damit auf den<br />
ersten Blick Steuergelder bei der Förderung unnötig großzügig verteilt. Diese Sichtweise aber<br />
ist nur dann adäquat, wenn man übersieht, dass es erst bei großzügiger Breitbandversorgung<br />
<strong>für</strong> digitale innovative Unternehmensgründer bzw. neue breitbandige, anspruchsvolle Dienste<br />
vernünftige Expansionsimpulse gibt; wer die digitalen Expansionspotenziale junger Gründerinnen<br />
und Gründer sowie moderner Netzwerker mobilisieren will, der sollte in der Tat <strong>für</strong><br />
eine deutliche Förderung von breitbandigem Infrastrukturausbau sein und dabei die Rahmenbedingungen<br />
so setzen – auch in der Regulierungspolitik –,dass ausreichende Investitions-<br />
und Innovationsanreize wirken. Da das Internet dabei als wirklicher globaler Marktplatz<br />
wirkt, der zunehmend auch mobil breitbandig verfügbar sein wird, ist eine Politikperspektive<br />
notwendig, die auf Wettbewerbs- und Innovationsprozesse in globalen Märkten mit einer Mischung<br />
aus leistungsfähigen Großunternehmen und KMU abstellt. So selbstverständlich dabei<br />
KMU-Förderung im Kontext der Innovationspolitik sein wird, so wenig sinnvoll kann allerdings<br />
eine Diskriminierung von Großunternehmen bei der Innovationsförderung sein.<br />
Seitens der nationalen und regionalen Politikakteure bieten sich mit Blick auf den digitalen<br />
Sektor bzw. infolge der zunehmenden Bedeutung der Informations- und Kommunikationstechnologie<br />
zahlreiche strategische Ansatzpunkte <strong>für</strong> Strukturwandel, Innovation und Wachstum<br />
an:<br />
• zur Stärkung von Wachstum und Beschäftigung; neue Unternehmen entstehen in der<br />
digitalen Wirtschaft und bestehende Unternehmen der Old Economy, die <strong>IKT</strong>-<br />
Anwendungen pioniermäßig mit bestehenden Produkten auf neuartige Weise verbinden,<br />
werden Marktanteile gewinnen; so sind z. B. zunehmende Anteile der Wertschöpfung<br />
im Automobilsektor durch <strong>IKT</strong>-Anwendungen bzw. -Dienste charakterisiert;<br />
• <strong>für</strong> die Vernetzung von Wirtschaft und Gesellschaft; unternehmerische und soziale<br />
Netzwerke entfalten sich verstärkt unter den Bedingungen des mobilen breitbandigen
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 24<br />
Internets: Hier entstehen neue Chancen <strong>für</strong> Wissensdiffusion, Kreativität und Selbständigkeit;<br />
• <strong>für</strong> die Expansion des internationalen Handels – es gibt in der Online-Welt zahlreiche<br />
globale und regionale neue Marktplätze, und zudem vermindert das Internet gerade die<br />
internationalen Informationskosten, was zusätzlichen Handel stimuliert;<br />
• <strong>für</strong> eine zusätzliche Innovationsdynamik: Via Internet können sich Erfinder, Forscher<br />
und überhaupt kreative Köpfe besser als je zuvor vernetzen, um Wissen auszutauschen<br />
bzw. zu kombinieren und neues Wissen bzw. neue Produkte sowie kostengünstigere<br />
Herstellungsverfahren zu schaffen;<br />
• <strong>für</strong> die Weiterentwicklung der Fähigkeiten von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern,<br />
wobei der Bereich der Weiterbildung angesichts der zunehmenden internationalen<br />
Konkurrenz bzw. der Globalisierung der Wirtschaft an Bedeutung zunehmen könnte.<br />
Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass gerade wegen der Globalisierung der<br />
Wirtschaft, die die durchschnittliche Beschäftigungsdauer von Mitarbeitern sinken<br />
lässt, <strong>für</strong> Unternehmen der Anreiz zur Investition in Weiterbildung sinkt. Hier ist der<br />
Staat gefordert, die Weiterbildungsanreize zu stärken und dabei neue Wege der Online-Weiterbildung<br />
mit zu fördern – Wissen in der Arbeitswelt hat teilweise einen<br />
Netzwerkcharakter (die eigene Produktivität hängt immer auch am Wissensstand anderer<br />
im Team: bei dem jetzigen Unternehmen oder auch bei anderen Unternehmen),<br />
so dass positive externe Effekte der Weiterbildung <strong>für</strong> den jeweiligen Sektor entstehen<br />
können;<br />
• im internationalen bzw. interregionalen Standortwettbewerb ist eine führende Position<br />
von Unternehmen im <strong>IKT</strong>-Sektor und in Anwendungssektoren vorteilhaft, da der <strong>IKT</strong>-<br />
Bereich besonders innovationsstark ist und eine hohe Patentintensität hier charakteristisch<br />
ist.<br />
Es ist Aufgabe des Staates, auf supranationaler, nationaler und regionaler Ebene die Rahmenbedingungen<br />
<strong>für</strong> digitales Wirtschaftswachstum und kreative Vernetzung in der Zivilgesellschaft<br />
zu setzen. Der Staat sollte dabei seine eigenen Wirtschaftsaktivitäten dort beschränken,<br />
wo private Anbieter im Wettbewerb Leistungen zuverlässig erbringen können. Gerade in der<br />
digitalen Informations- und Nachrichtenwelt, in der staatliche Anbieter selbst auftreten, ist<br />
aus ordnungspolitischer Sicht eine kluge Selbstbeschränkung des Staates angebracht. In der<br />
Sozialen Marktwirtschaft ist der Staat Regelsetzer und der Staat kann auch sinnvoll Pilotprojekte<br />
bzw. Innovationen fördern. Darüber hinaus ist er <strong>für</strong> die Stabilitäts-, Umverteilungs-<br />
sowie Umweltpolitik und natürlich die Wettbewerbspolitik zuständig. Verlässliche Regeln<br />
und effizienz- bzw. innovationsförderliche Anreize sollten vom Staat <strong>für</strong> die digitale Wirtschaftsexpansion<br />
entwickelt werden. Bei aller Flexibilität der Unternehmen gilt auch hier,<br />
dass eine hohe Investitionsquote ohne verlässliche Regeln nicht zu erwarten ist. Je effizienter<br />
gewirtschaftet wird, umso weniger Ressourcen werden verbraucht und bei dieser auch umweltpolitisch<br />
wichtigen Perspektive ist das Internet eben als Innovationsvernetzer und als Diffusionsplattform<br />
gleichermaßen wichtig.<br />
Das Internet schafft große digitale Märkte mit machtvollen Netzwerken, aber auch mit neuartigen<br />
Problemen der Wettbewerbspolitik. Im Bereich der Suchmaschinen hat Google als ein<br />
Unternehmen, das in immer mehr digitalen Dienstebereichen aktiv ist, eine dominante Marktstellung<br />
in vielen OECD-Ländern erreicht. Wie man mit dem Problem sinnvoll umgehen<br />
kann, ist nicht ohne weiteres klar. Dass Google Marktmacht aus dem Suchmaschinenmarkt
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 25<br />
auf andere Märkte durch faktische Produktbündelung zu übertragen sucht, dürfte unbestritten<br />
sein. Hier haben zumindest EU-Länder und die USA ein gemeinsames wettbewerbspolitisches<br />
Problem, das ebenso weitere Überlegungen erfordert wie die Präsenz von digitalen<br />
Netzwerken an sich.<br />
Die Wirtschaftspolitik ist gut beraten, wenn sie die relevanten sektoralen und regionalen<br />
Kennziffern im Rahmen einer <strong>IKT</strong>-Bestandsaufnahme aufmerksam zur Kenntnis nimmt und<br />
dann auf Basis ihrer politischen Ziele konsistente Strategien entwickelt. Die <strong>Analyse</strong> der<br />
Ausgaben <strong>für</strong> Forschung und Entwicklung im <strong>IKT</strong>-Bereich ist hierbei von hoher Relevanz,<br />
wobei der <strong>IKT</strong>-Sektor selbst aber auch die Anwendersektoren hierbei im Fokus der Betrachtung<br />
stehen. Während die großen <strong>IKT</strong>-Unternehmen ihre ökonomische Bedeutung der Politik<br />
in der Regel durchaus angemessen zu vermitteln verstehen, ist dies <strong>für</strong> die Vielzahl von kleinen<br />
und mittleren Unternehmen der <strong>IKT</strong>-Branchen eher schwierig, obwohl doch auch aus<br />
dem <strong>IKT</strong>-Mittelstand ausgesprochen wichtigen Innovationsimpulse in zahlreichen Feldern<br />
entstanden sind. Eine detaillierte wissenschaftliche Innovationsanalyse ist <strong>für</strong> Wirtschaft und<br />
Wirtschaftspolitik von größter Bedeutung, da die Förderschwerpunkte bzw. die regionalen,<br />
nationalen und supranationalen Maßnahmen in geeigneter Weise auszugestalten bzw. zu<br />
kombinieren sind. Nur dann kann der <strong>IKT</strong>-Sektor in seiner Wachstumsrelevanz zur Geltung<br />
kommen, allerdings sind auch Anpassungen bei der Wirtschaftsordnung erforderlich. Eine<br />
digitale soziale Marktwirtschaft kann als Wirtschaftsordnung des 21. Jahrhunderts gelten.<br />
Digitale Eigentumsrechte, digitale Chancengleichheit und der Bereich Wachstum etc. sind<br />
miteinander verbunden (Abb.2) und der Staat ist hier gerade ordnungspolitisch gefordert. Digitale<br />
Chancengleichheit steht <strong>für</strong> eine große Herausforderung in einer vernetzten Gesellschaft,<br />
<strong>für</strong> die digitalen Märkte – oft mit Netzwerkeffekten – nützlich sind. Digitale Eigentumsrechte<br />
sind angemessen zu definieren, was zum Teil weltweite Regeln erfordert, WTO<br />
und ITU sowie die OECD und die G20 sind hier gefordert. Bei Konnektivität geht es aus<br />
Sicht der deutschen bzw. EU-Wirtschaftspolitik letztlich im Kern um einen angemessenen<br />
Breitbandausbau. Nicht unproblematisch sind im Zuge des Zusammenspiels von Skalenvorteilen<br />
und Netzwerkeffekten entstehende Marktmachtprobleme bei Mobiltelefonen bzw. Mobilgeräteherstellern<br />
und die Position von wenigen dominanten Suchmaschinen im globalen<br />
Internet. Im Übrigen ist auch ein Spezifikum des Internets auf Effizienz- bzw. Wettbewerbsaspekte<br />
näher zu untersuchen, nämlich der Sachverhalt, das viele Internet-Dienste quasi kostenlos,<br />
aber in Wahrheit mit hoher Werbeintensität bereit gestellt werden. Es ist einer nachhaltigen<br />
Internetkultur bzw. Internetwirtschaft vermutlich nicht dienlich, wenn man keine<br />
vernünftige direkte Zahlungsbereitschaft fördert, sondern eine Art „Kostenlos-Illusion“ im<br />
Internet aufbaut.
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 26<br />
Abbildung 2: Digitale Soziale Marktwirtschaft
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 27<br />
1.3 Wirtschaftspolitische Handlungsperspektiven<br />
Die Europäische Union, die im Lissabon-Agenda-2010-Programm eine starke <strong>IKT</strong>-<br />
Komponente hatte, ist aufgerufen, gerade im Zeichen der Abflachung des Wirtschaftswachstums<br />
in der EU bzw. der Eurozone neuerlich Impulse beim <strong>IKT</strong>-Sektor zu geben:<br />
• In der Regulierungspolitik gilt es eine vernünftige Balance zu finden zwischen einem<br />
Mehr an Harmonisierung – etwa beim digitalen Datenschutz im Kontext von Cloud<br />
Computing – und einer Aufrechterhaltung des Systemwettbewerbs. Wo jedoch globale<br />
Märkte entstehen, kann die Systemkonkurrenz der EU mit anderen Integrationsräumen<br />
und den USA sowie China und Japan eine stärkere Rolle spielen, als Systemkonkurrenz<br />
innerhalb der EU; Harmonisierung kann dann sinnvoll sein. In der Regulierungspolitik<br />
gilt es also eine vernünftige Balance zu finden zwischen einem Mehr an Harmonisierung<br />
– etwa beim digitalen Datenschutz im Kontext von Cloud Computing –<br />
und einer Aufrechterhaltung des Systemwettbewerbs. Wo jedoch globale Märkte entstehen,<br />
spielt die Systemkonkurrenz der EU mit anderen Wirtschaftsräumen wie in<br />
den USA, China und Japan eine stärkere Rolle. In diesem Systemwettbewerb muss<br />
Europa seine Identität, seine Interessen und seine Stärken wahren und <strong>für</strong> seine Wirtschaft<br />
ein „level-playing-field“ schaffen.<br />
• In der Telekomregulierungspolitik können nationale Regulierungen abgebaut werden,<br />
sofern der digitale EU-Binnenmarkt besser funktioniert. Hier liegt im Übrigen im Bereich<br />
digitaler koordinierter Beschaffungsprogramme eine Chance <strong>für</strong> den Staat, die<br />
Einkaufskosten <strong>für</strong> den öffentlichen Sektor zu vermindern. Dabei könnten durchaus<br />
auch mehrere kleine EU-Länder oder benachbarte Regionen von EU-Ländern – etwa<br />
als Verbindung von Nordrhein-Westfalen mit Regionen in den Niederlanden und Belgien<br />
– digitale Einkaufsgenossenschaften kreieren. Hier liegt im Übrigen im Bereich<br />
digitaler koordinierter Beschaffungsprogramme eine Chance <strong>für</strong> den Staat, die Einkaufskosten<br />
<strong>für</strong> den öffentlichen Sektor zu vermindern. Dabei könnten durchaus auch<br />
mehrere kleine EU-Länder oder benachbarte Regionen von EU-Ländern – etwa als<br />
Verbindung von Nordrhein-Westfalen mit Regionen in den Niederlanden und Belgien<br />
– digitale Einkaufsgenossenschaften bilden.<br />
• Die EU könnte stärker als bisher best practice Beispiele aus der mittelständischen<br />
Wirtschaft von allen EU-Ländern auf einer speziellen Website publizieren, um den<br />
Wettbewerb guter Ideen und sinnvolle innovationsstarke Vernetzungen zu fördern.<br />
• Die EU setzt in selbst finanzierten <strong>IKT</strong>-Forschungsprojekten gewonnene Projektergebnisse<br />
und -erkenntnisse häufig nicht um, was die Nichtrealisierung positiver externer<br />
Effekte der gemeinschaftlich finanzierten <strong>IKT</strong>-Forschung bedeutet. Das ist nicht<br />
akzeptabel und sollte im Interesse der Bürgerinnen und Bürger wie der Wirtschaft verändert<br />
werden. Schon bei der Ausschreibung ist die Frage zu stellen, welche Kommissionsdienststellen<br />
vom jeweiligen Projekt profitieren könnten.<br />
• In Deutschland hat man mit den nationalen IT-Gipfeln eine Institution geschaffen, bei<br />
der Politik, Wissenschaft und Wirtschaftspolitik kreativ zusammen kommen und neue<br />
Aktivitätsschwerpunkte sowie Netzwerkfelder anschieben. Die Bundesregierung hat<br />
hier in Verbindung mit den jeweils gastgebenden Bundesländern eine Veranstaltungsserie<br />
von hoher Qualität geschaffen, wobei die auch unterjährig tagenden Arbeitsgruppen<br />
zu verschiedenen Bereichen Aktivitätsnetzwerke bilden. Den nationalen IT-<br />
Gipfeln fehlt dabei die internationale und globale Dimension in manchen Bereichen
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 28<br />
bzw. es fehlt ein EU-Gipfel der nationalen IT-Gipfel (dabei gibt es bislang nur in einigen<br />
Ländern ähnliche IT-Gipfel-Aktivitäten wie in Deutschland).<br />
• Die Innovationsausgaben von Bund und Ländern sind gerade im Zug der Lissabon-<br />
2010-Agenda gestiegen, aber man darf bezweifeln, dass die Innovationsförderung im<br />
<strong>IKT</strong>-Bereich den positiven externen Effekten von <strong>IKT</strong> entsprechend hinreichend stark<br />
ist. Die Politik tut sich erkennbar schwer, den raschen Änderungen von <strong>IKT</strong>-<br />
Innovationsfeldern hinreichend schnell zu folgen; hier wäre eine bessere Politikberatung<br />
bei den politischen Akteuren wohl hilfreich.<br />
• Deutschlands <strong>IKT</strong>-Wirtschaft wird zunehmend unter Fachkräftemangel leiden, wobei<br />
die Politik das Thema schon lange erkannt hat, aber die Bundesländer mit ihrer starken<br />
Rolle in der Bildungspolitik unternehmen zu wenig, um diese Lücke zu schließen. Eine<br />
besondere Chance besteht bei der Neugründung von Hochschulen und bei der Förderung<br />
von Promotionsnetzwerken etwa im Verbund von Universitäten und Fachhochschulen<br />
(die erste Runde in NRW mit ihren sechs Projektförderschwerpunkten<br />
hat Anträge mit <strong>IKT</strong>-Bezug nicht gefördert, obwohl hiermit auch <strong>IKT</strong>-<br />
Gründerdynamik unterstützt würde). Nordrhein-Westfalen leidet unter einem Mangel<br />
an Hochtechnologiedynamik bzw. fehlenden Initiativen im relevanten Bereich von<br />
Cross-Innovation. Es wäre z.B. denkbar, dass man eine Digitale Industrie-Akademie<br />
gründet, in der gezielt Lehre und Forschung im Verbund von Informatik und Partnersektoren<br />
forciert wird.<br />
• Die Universitäten und Hochschulen sind gelegentlich Pioniere der Internetanwendung<br />
von moderner <strong>IKT</strong>-Nutzung. Dies ist aber nicht die Regel. Die Bundesländer sind aufgefordert,<br />
die Kostensenkung durch Universitätsinformatik verstärkt zu realisieren.<br />
Es wird <strong>für</strong> die Stärkung der Wachstumskräfte durch <strong>IKT</strong> darauf ankommen, dass man seitens<br />
der Bundesländer die Bedingungen <strong>für</strong> <strong>IKT</strong>-Gründer gezielt verbessert und speziell mehr Risikokapital<br />
bereit zu stellen hilft. Ein denkbarer praktischer Fortschritt wäre es, wenn man im<br />
Industrie- und Dienstleistungsbereich Genussscheine im Interesse von mehr Liquidität ähnlich<br />
standardisieren würde, wie es bei Banken in Deutschland von Gesetzes wegen der Fall ist.<br />
Genussscheine sind Eigenkapitalsurrogate, die gerade in der <strong>IKT</strong>-Branche wegen der spezifischen<br />
Probleme mit der Beleihbarkeit von <strong>IKT</strong> bzw. von Soft- und Hardware besonders wichtig<br />
sind. Je schwieriger es <strong>für</strong> <strong>IKT</strong>-Gründer ist, im bankenlastigen Deutschland an Fremdkapital<br />
zu kommen, umso wichtiger wäre es, dass man den Zugang zu Eigenkapital bzw. die<br />
Marktgängigkeit von Genussscheinen verstärkt. Das kostet den Staat nichts.<br />
Für Nordrhein-Westfalen ergeben sich verschiedene wichtige Aufgaben:<br />
1. Die Bedeutung der <strong>IKT</strong>-Thematik angemessen in der politischen Agenda aufzunehmen<br />
und beim Digitalen Regieren neue Maßstäbe zum Nutzen der Bürgerschaft und<br />
der Wirtschaft zu setzen – hier ist bei der Landesregierung und den Kommunen sowie<br />
in den landeseigenen Weiterbildungsforen erheblicher Spielraum, beim Thema Digitale<br />
Beschaffung des Staates gibt es Einsparmöglichkeiten, die mehr als eine Mrd. € pro<br />
Jahr ausmachen.<br />
2. Digitale Bildung und Chancengleichheit <strong>für</strong> alle: In den Schulen gibt es viel zu wenige<br />
Computer und die Lehrpläne geben digitalen Lernformen und -projekten kaum Raum.<br />
Hier ist gerade die Landesregierung bzw. auch die Kultusministerkonferenz gefordert.
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 29<br />
3. Eine digitale Universitätsplattform, in der – in Kooperation mit ausländischen Partneruniversitäten<br />
– eine Gruppe von Universitäten ein globales digitales Angebot entwickelt,<br />
ist dringlich: Auf dem riesigen globalen Hochschulmarkt geht es darum, vernünftige<br />
neue Einnahmen zu erzielen, aber auch zur internationalen Wertediskussion aktiv<br />
beizutragen. Soziale Marktwirtschaft und Europäische Integration stehen <strong>für</strong> zwei<br />
Pfeiler der Wirtschaftsordnung in Europa, die sich indirekt auch im globalen Bildungsmarkt<br />
bewähren könnten.<br />
4. Digitale Arbeitsmarktvermittlung ist ein im Vergleich zu anderen OECD-Ländern –<br />
etwa Kanada oder Norwegen – noch unterdimensionierter Aktionsbereich, bei dem es<br />
wesentlich um Einkommens- und Beschäftigungschancen einerseits, aber auch Ausgabeneinsparung<br />
<strong>für</strong> den Staat via verbesserte Vermittlung andererseits geht. Eine<br />
Länderinitiative im Bundesrat oder auch Modellprojekte mit einigen Kommunen<br />
könnten hier wichtige Impulse bringen.<br />
5. Wenn es einem Bundesland gelingt, sich national und international als attraktiver<br />
Standort <strong>für</strong> <strong>IKT</strong>-Unternehmen und <strong>für</strong> <strong>IKT</strong>-Unternehmensneugründer verstärkt zu<br />
positionieren, wird sich eine verstärkte Investitions- und Innovationsaktivität im <strong>IKT</strong>-<br />
Sektor ergeben; damit auch eine Erhöhung bei Wachstum, Beschäftigung und Steuereinnahmen.<br />
Eine unabdingbare Voraussetzung hier<strong>für</strong> ist eine hochleistungsfähige Infrastruktur.<br />
Bislang ist Nordrhein-Westfalen international in seiner Standortwerbung<br />
nicht mit einem starken <strong>IKT</strong>-Profil aufgetreten, obwohl es ja durchaus exzellente Anknüpfungspunkte<br />
gibt – hier sind neue Akzente möglich und sinnvoll. Wichtig <strong>für</strong><br />
Nordrhein-Westfalen wäre es auch, wenn es verstärkt gelänge, führende <strong>IKT</strong>-<br />
Unternehmen mit Innovations- bzw. Entwickleraktivitäten ins Land zu holen.<br />
6. Digitale Sozialpolitik kann zumindest in der Gesundheitspolitik via staatliche Krankenhäuser<br />
zum Teil auch von Bundesländern forciert werden. Es gilt hier, die enormen<br />
Möglichkeiten von <strong>IKT</strong> zur Kostensenkung und zur leistungsmäßigen Qualitätssicherung<br />
bzw. -verbesserung gerade im Krankenhausbereich voranzubringen. Auch die<br />
Diffusion erfolgreicher Modellprojekte – etwa Mobilität <strong>für</strong> Sehbehinderte – in allen<br />
Städten ist ein wichtiges Feld.<br />
7. Die Etablierung neuer <strong>IKT</strong>-Messeaktivitäten in Nordrhein-Westfalen ist anzuraten, da<br />
hier neue Bereiche entwicklungsfähig sind: von Maschine-Maschine-Kommunikation<br />
bis hin zum Digitalen Regieren und zur Digitalen Gründermesse gibt es eine Reihe<br />
denkbarer neuer Schwerpunkte.<br />
8. In der Wissenschaftspolitik des Landes kann über die Förderung von Promotionsnetzwerken<br />
und durch Schwerpunktsetzungen bei den neu gegründeten Fachhochschulen<br />
eine Förderung der <strong>IKT</strong>-Lehr- und Forschungsaktivitäten gezielt erfolgen.<br />
9. Das <strong>IKT</strong>-<strong>Cluster</strong>management, das durch einige erfolgversprechende Ansätze hat,<br />
könnte durch eine stärker wirtschafts- bzw. innovations- und wachstumsorientierte<br />
Schwerpunktsetzung und insbesondere auch die Ermutigung zur Gründung neuer Innovationsnetzwerke<br />
in verschiedenen Wirtschaftssektoren bzw. –regionen <strong>für</strong> ein<br />
Mehr an digitaler Expansionsdynamik sorgen.
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 30<br />
10. Die Landesbauordnung ist daraufhin zu überprüfen, wie <strong>IKT</strong>-Nutzungen erleichert und<br />
kostensenkende Schritte beim Breitbandausbau der Telekommunikationsnetze realisiert<br />
werden können.<br />
11. Nur ein breitbandiger Netzausbau schafft optimale Bedingungen. Wo sich ein kabelgebundener<br />
Ausbau nicht rechnet, z. B. in ländlichen Gebieten, empfiehlt es sich, unter<br />
Ausweitung und Berücksichtigung aller bestehenden nationalen und internationalen<br />
Förderprogramme ein Technologie-Mix voranzutreiben.<br />
Die Bundesregierung kann man nur darin bestärken, am IT-Gipfel-Prozess festzuhalten. Dass<br />
der Anteil der <strong>IKT</strong>-Innovationsaufwendungen im Vergleich zu den USA relativ gering ist,<br />
kann man als Problem einstufen. Hier sind wissenschaftliche Untersuchungen notwendig. Je<br />
mehr <strong>IKT</strong>-Anwendungen zu positiven internationalen Technologie-Spillovers führen, umso<br />
stärker besteht das wirtschaftspolitische Risiko einer Unterförderung von <strong>IKT</strong> in der EU insgesamt.<br />
Von daher ist zu prüfen, ob die EU eine stärkere <strong>IKT</strong>-Förderung übernehmen kann.<br />
Im Sinn einer Stärkung von technologischer Exzellenz ist es, dass nur die besten Unternehmen<br />
bei Projektanträgen gefördert werden. Dennoch sollte man mit Blick auf die Kohäsionsländer<br />
erwägen, Unternehmen aus diesen Ländern zumindest in einer Reihe von Projekten mit<br />
Innovations- und Diffusionswirkungen einzubeziehen, damit der <strong>IKT</strong>-Rückstand der EU-<br />
Länder mit geringem Pro-Kopf-Einkommen nicht eine kritische Größenordnung erreicht. Es<br />
kann nicht übersehen werden, dass die <strong>IKT</strong>-Nutzung indirekt zur Reorganisation von Abläufen<br />
in Unternehmen und Verwaltungen führt – jeder Aktivitätsbereich, der softwaremäßig<br />
abgebildet wird, ist ein Rationalisierungsfeld, das Produktivitätssteigerungen bringt. Für eine<br />
europäische Wachstumsinitiative ist daher die <strong>IKT</strong>-Expansion ein Kernbaustein der Politik.<br />
1.4 Literatur<br />
EUROPÄISCHE KOMMISSION (2010), Eine Digitale Agenda <strong>für</strong> Europa, Mitteilung der<br />
Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts-<br />
und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen, KOM(2010) 245, Brüssel, verfügbar<br />
unter: http://ec.europa.eu/information_society/digital-agenda/documents/digital<br />
-agenda-communication-de.pdf.<br />
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oder weltweites Vorbild?, OEKOM: München.<br />
HOMBACH, B. (2010), Über das Internet und die Entgrenzung kultureller und zeitlicher Lebensräume,<br />
in: BURDA, H.; DÖPFNER, M.; HOMBACH, B.; RÜTTGERS, J. (Hg.)<br />
2020 – Gedanken der Zukunft des Internets, Klartext Verlag, Essen, 239-246.<br />
ExzellenzNRW (2012), http://www.exzellenz.nrw.de/ikt-neu/noth/clusterinfo/landescluster<br />
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Schatten, September 2011: Bonn.<br />
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<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 31<br />
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(verfügbar unter www.eiiw.eu).<br />
WELFENS, P.J.J. (2010), <strong>IKT</strong>-Expansion, Strukturwandel und <strong>Cluster</strong>dynamik in der EU,<br />
Studie <strong>für</strong> die Hans-Böckler Stiftung; <strong>EIIW</strong> Diskussionspapier Nr. 181.<br />
WELFENS, P.J.J. (2011), <strong>Cluster</strong>- und Innovationsdynamik in Europa: Neue Perspektiven<br />
der Automobil- und <strong>IKT</strong>-Wirtschaft, Serie: Europäische Integration und Digitale<br />
Weltwirtschaft Bd.6, Stuttgart: Lucius & Lucius.<br />
WELFENS, P.J.J. (2011a), Digitale Agenda und Innovation, in: ENGEL, K.; GROßMANN,<br />
J.; HOMBACH, B., Hg. (2011), Phönix Flieg! Das Ruhrgebiet entdeckt sich neu,<br />
Essen: Klartext Verlag.<br />
WELFENS, P.J.J. (2012), Die Zukunft des Euro, Berlin: Nicolai.<br />
WELFENS, P.J.J.; AUDRETSCH, D.; ADDISON, J.; GRUPP, H. (1998), Technological<br />
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und New York: Springer.<br />
WELFENS, P.J.J.; JUNGMITTAG, A. (2002), Telecommunications, Innovation and the<br />
Long-term Production Function: Theoretical Aspects and a Cointegration Analysis for<br />
West Germany 1960 – 1990, in: Welfens, P.J.J.; Audretsch, D. (Hg.) The New Economy<br />
and Economic Growth in Europe and the US, Heidelberg und New York:<br />
Springer.<br />
WELFENS, P.J.J.; JUNGMITTAG, A. (2012), Energiewende, Smart Grids und Informations-<br />
& Kommunikationstechnologie: Innovations- und Wachstumsperspektiven, <strong>EIIW</strong><br />
discussion paper Nr. 211.<br />
WELFENS, P.J.J.; JUNGMITTAG, A.; VOGELSANG, M. (2007), Innovation, Regulierung<br />
und Wirtschaftswachstum in Digitalen Marktwirtschaften, Lohmar-Köln: Josef Eul<br />
Verlag; Studie <strong>für</strong> das Ministerium <strong>für</strong> Wissenschaft und Innovation des Landes Nordrhein-Westfalen.<br />
WELFENS, P.J.J.; PERRET, J. (2012), ICT Investment, <strong>Cluster</strong>s and Digital Lead Markets,<br />
paper presented at the workshop ICT and Economic Globalization, Frankfurt/M., June<br />
2-3, <strong>EIIW</strong> Working Paper No. 210 (im Druck).<br />
WELFENS, P.J.J.; WESKE, M. (Hg.) (2006), Innovations, Digital Markets and Economic<br />
Policy Perspectives, Heidelberg und New York: Springer.<br />
WELFENS, P.J.J.; ZOCHE, P.; JUNGMITTAG, A. ET AL., (2005), Internetwirtschaft 2010,<br />
Studie <strong>für</strong> das Bundesministerium <strong>für</strong> Wirtschaft und Arbeit, Heidelberg: Springer.
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 32<br />
WINTJES, R.; DUNNEWIJK, T. (2008), Sectoral Innovation Systems in Europe: The case of<br />
the ICT Sector, Europe Innova, verfügbar unter: http://archive.europeinnova.eu/docs/SIW_SR_ICT_20080511.pdf
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 33<br />
2. Wirtschafts- und Innovationsfaktor <strong>IKT</strong> – Möglichkeiten,<br />
Grenzen und die Position Deutschlands<br />
Gero Stenke und Verena Eckl<br />
WiStat (gemeinnützige Gesellschaft <strong>für</strong> Wissenschaftsstatistik mbH im Stifterverband<br />
<strong>für</strong> die Deutsche Wissenschaft)<br />
2.1 Einleitung<br />
Es ist zur Selbstverständlichkeit geworden: Grenzenlose Kommunikation, Transfer umfangreicher<br />
Datensätze, Verfügbarkeit von Informationen fast jedweder Art. Informations- und<br />
Kommunikationstechnologien (<strong>IKT</strong>) haben das gesellschaftliche Leben, aber auch die Wirtschaft<br />
verändert. In immer kürzeren Zyklen kommen neue Produkte auf den Markt, <strong>IKT</strong> steuert<br />
Produktionsabläufe, Verkehrs- und Energiesysteme, ist Bestandteil medizintechnischer<br />
Geräte oder hilft einfach nur, Karten <strong>für</strong> ein Konzert online zu buchen. Kurz: <strong>IKT</strong> ist die<br />
Querschnittstechnologie schlechthin und besitzt als eine grundlegende technische Neuerung<br />
den Charakter einer Basisinnovation. Diese schaffen als Produktinnovationen neue Märkte<br />
und Wachstumsindustrien und verändern als Prozessinnovationen auch bereits bestehende<br />
Wirtschaftszweige tiefgreifend (MENSCH 1975).<br />
Dementsprechend besitzen Unternehmen und deren Standorte, die im <strong>IKT</strong>-Bereich an der<br />
Innovatorenspitze stehen, eine erhebliche strategische und ökonomische Relevanz. Wo positioniert<br />
sich also Deutschland im internationalen Vergleich? Wie viel wird hierzulande im<br />
<strong>IKT</strong>-Bereich in Forschung und Entwicklung investiert? Wie viele Innovationen, wie viele<br />
Patente melden Erfinder in Deutschland an? Welcher Beitrag kommt der Branche <strong>für</strong> die<br />
wirtschaftliche Entwicklung zu?<br />
Informations- und Kommunikationstechnologien haben in den letzten Jahrzehnten auch die<br />
Arbeitswelt und unsere Kommunikationskultur revolutioniert. Da wundert es nicht, dass auch<br />
Innovationsprozesse, also die Entwicklung neuer Produkte oder Prozesse in Unternehmen,<br />
von <strong>IKT</strong> beeinflusst werden. Allerdings stellt sich die Frage, ob unser bisheriges Verständnis<br />
vom Ablauf der Innovationsprozesse dadurch grundsätzlich verändert werden muss. Welche<br />
Rolle spielt also Informations- und Kommunikationstechnologie in diesem Kontext? Diesen<br />
Fragen wird im Folgenden nachgegangen.<br />
2.2 <strong>IKT</strong> als Wirtschaftsfaktor: Entwicklung und Definition<br />
2.2.1. Entwicklung des <strong>IKT</strong> Sektors<br />
Informations- und Kommunikationstechnologien (<strong>IKT</strong>) als eigenständiger Wirtschaftsbereich<br />
sowie als Querschnittstechnologie <strong>für</strong> alle Sektoren sind <strong>für</strong> Wachstum und Wohlstand unverzichtbar<br />
geworden. Seit Anfang der 90er Jahre führte die Verbreitung des Internets, des Mobiltelefons<br />
und Handheld-Computern in den gesellschaftlichen und ökonomischen Alltag zu<br />
einem starken Wachstum mit zahlreichen Unternehmensgründungen innerhalb der <strong>IKT</strong>-
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 34<br />
Branche. Die Informationsökonomie oder New Economy umfasst dabei die Erzeugung, Verarbeitung<br />
und Verbreitung von Informationen und Inhalten, also immateriellen Werten z. B.<br />
in Form digitaler Güter (z.B. Software). Die Dotcom-Blase und der anschließende Absturz<br />
der New Economy im Jahr 1999 führten zu hohen Unternehmensschließungsraten und Kapitalverlusten.<br />
Eine Betrachtung der Branche zum Zeitpunkt vor dem Aufstieg (1995) oder nach<br />
dem Absturz (2000) erscheint daher im Vergleich zum aktuellen Rand (je nach Verfügbarkeit<br />
der Daten der Zeitraum 2008 bis 2011) sinnvoll.<br />
Investitionen in Sachkapital erweitern und erneuern den Kapitalstock und ermöglichen neuen<br />
Technologien den Einstieg in den Produktionsprozess. In den meisten OECD-Ländern waren<br />
im Zeitraum 2000-2009 Investitionen in <strong>IKT</strong> bedeutsamer <strong>für</strong> das wirtschaftliche Wachstum<br />
als Investitionen ohne <strong>IKT</strong>-Bezug. Dies gilt auch <strong>für</strong> Deutschland, allerdings ist der Beitrag<br />
von Investitionen <strong>für</strong> das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) insgesamt relativ gering<br />
(Abbildung 15).<br />
Abbildung 3: Beitrag der Investitionen in <strong>IKT</strong> zum BIP Wachstum 2000-2009,<br />
Wachstumsrate in %<br />
Quelle: OECD (2011), The Future of the Internet Economy.<br />
Der <strong>IKT</strong>-Sektor ist in starkem Ausmaß von den geistigen Leistungen seiner Beschäftigten<br />
abhängig. Der Anteil der <strong>IKT</strong>-Beschäftigten an allen Beschäftigten des Wirtschaftssektors ist<br />
im Zeitraum zwischen 1995 und 2008 in nahezu allen OECD Ländern gestiegen (Ausnahme<br />
Irland). In Finnland arbeiten in 2008 über 9 Prozent der Beschäftigten in der <strong>IKT</strong> Branche, in<br />
Deutschland sind es in 2008 5,2% und damit knapp 0,3 Prozentpunkte mehr als 1995.
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 35<br />
Abbildung 4: Anteil der <strong>IKT</strong> Beschäftigten an allen Beschäftigten des Wirtschaftssektors<br />
1995 und 2008, in %<br />
Quelle: OECD (2010), Information Technology Outlook 2010.<br />
Eine ähnliche Entwicklung lässt sich auch anhand der OECD-Daten hinsichtlich des Anteils<br />
der <strong>IKT</strong>-Wertschöpfung an der gesamten Wertschöpfung des Wirtschaftssektors zwischen<br />
1995 und 2008 beobachten (Abbildung 17).<br />
Abbildung 5: Anteil der <strong>IKT</strong> Wertschöpfung an der gesamten Wertschöpfung<br />
des Wirtschaftssektors 1995 und 2008, in %<br />
Quelle: OECD (2010), Information Technology Outlook 2010.<br />
2.2.2. Definition des <strong>IKT</strong> Sektors<br />
Gemäß der OECD Definition umfasst der <strong>IKT</strong> Sektor <strong>für</strong> das Verarbeitende Gewerbe <strong>IKT</strong><br />
Produkte, die die Funktion der Informationsverarbeitung und -verbreitung erfüllen und elek-
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 36<br />
tronische Verfahren nutzen, um physische Phänomene zu erfassen, zu messen, aufzuzeichnen<br />
oder physische Prozesse zu steuern. Im Dienstleistungsbereich dienen <strong>IKT</strong> Produkte der Informationsverarbeitung<br />
und Kommunikation auf elektronischem Wege (OECD 2012: 186).<br />
Tabelle 2 zeigt die einzelnen Komponenten des <strong>IKT</strong> Sektors getrennt nach Produktion,<br />
Dienstleistungen und Handel. Insbesondere bei der Softwareentwicklung ist die Abgrenzung<br />
der Tätigkeiten nicht eindeutig. Während Standardsoftware klaren Produktcharakter aufweist,<br />
ist bei individueller Software der Dienstleistungsanteil im Kontakt mit dem Kunden hoch<br />
(ENGEL et al., S.12).<br />
Tabelle 1: Der <strong>IKT</strong> Sektor in der Wirtschaftszweigklassifikation 2008 (WZ2008)<br />
gemäß OECD Definition<br />
<strong>IKT</strong> Produktion<br />
Hardware<br />
26.1 Herstellung von elektronischen Bauelementen und Leiterplatten<br />
26.2 Herstellung von Datenverarbeitungsgeräten und peripheren Geräten<br />
26.3 Herstellung von Geräten und Einrichtungen der Telekommunikationstechnik<br />
26.4 Herstellung von Geräten der Unterhaltungselektronik<br />
26.51 Herstellung von Mess�, Kontroll�, Navigations� u. ä. Instrumenten und<br />
Vorrichtungen<br />
27.31 Herstellung von Glasfaserkabeln<br />
27.32 Herstellung von sonstigen elektronischen und elektrischen Drähten und<br />
Kabeln<br />
28 28.23 Herstellung von Büromaschinen (ohne Datenverarbeitungsgeräte und<br />
periphere Geräte)<br />
Software<br />
62.01 Programmierungstätigkeiten<br />
<strong>IKT</strong>‐Dienstleistungen<br />
61.61.1 Leitungsgebundene Telekommunikation<br />
61.2 Drahtlose Telekommunikation<br />
61.3 Satellitentelekommunikation<br />
62.62.02 Erbringung von Beratungsleistungen auf dem Gebiet der Informationstechnologie<br />
62.03 Betrieb von Datenverarbeitungseinrichtungen <strong>für</strong> Dritte<br />
62.09 Erbringung von sonstigen Dienstleistungen d. Informationstechnologie<br />
63 63.1 Datenverarbeitung, Hosting und damit verbundene Tätigkeiten; Webportale<br />
95.11 Reparatur von Datenverarbeitungsgeräten und peripheren Geräten
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 37<br />
<strong>IKT</strong>‐Handel<br />
46.43.3 Großhandel mit Geräten der Unterhaltungselektronik<br />
46.51 Großhandel mit Datenverarbeitungsgeräten, peripheren Geräten und<br />
Software<br />
46.52 Großhandel mit elektronischen Bauteilen und Telekommunikationsgeräten<br />
47.41 Einzelhandel mit Datenverarbeitungsgeräten, peripheren Geräten und<br />
Software<br />
47.42 Einzelhandel mit Telekommunikationsgeräten<br />
77.33 Vermietung von Büromaschinen,<br />
Datenverarbeitungsgeräten und -einrichtungen<br />
Quelle: ZEW (2011),S.21f.<br />
2.3 Innovationen <strong>für</strong> <strong>IKT</strong> und <strong>IKT</strong> <strong>für</strong> Innovationen<br />
2.3.1. Forschung und Entwicklung, Gründungen, Patente und<br />
Innovationen im <strong>IKT</strong>-Bereich<br />
Dem <strong>IKT</strong> Sektor wird als Querschnittstechnologie großer Einfluss hinsichtlich seiner Wirkung<br />
auf Innovationen in anderen Wirtschaftssektoren zugesprochen. Gleichzeitig ist der <strong>IKT</strong><br />
Sektor selbst hoch innovativ und wissensintensiv. Aufwendungen <strong>für</strong> Forschung und Entwicklung<br />
(FuE) haben das Ziel, neues Wissen zu generieren, welches wiederum neue und<br />
verbesserte Produkte und Prozesse ermöglicht. Die eingesetzten FuE-Ressourcen finden hinsichtlich<br />
der technologischen Leistungsfähigkeit eines Innovationssystems (sektoral oder regional)<br />
ihren Niederschlag in Unternehmensgründungen, Patenten sowie in Produkt- und Prozessinnovationen.<br />
Die Zahl der Unternehmensgründungen spiegelt Wachstumspotential und<br />
Wandlungsfähigkeit eines Sektors wieder, während Patente, innovierende Unternehmen und<br />
innovative Produkte und Prozesse ein direktes Maß <strong>für</strong> die Innovationsfähigkeit darstellen. Im<br />
folgenden Abschnitt werden Zahlen zur FuE-Tätigkeiten, zu Gründungen, Patenten und der<br />
Innovationstätigkeit des <strong>IKT</strong>-Sektors abgebildet, um dessen innovative Positionierung und<br />
Entwicklung zu beschreiben. Als Datengrundlage dienen <strong>für</strong> Deutschland die Zahlen der offiziellen<br />
FuE-Statistik der Wissenschaftsstatistik im Stifterverband <strong>für</strong> die Deutsche Wissenschaft<br />
(WiStat) sowie des Mannheimer Innovationspanels (MIP) und Unternehmenspanels<br />
(MUP) des Zentrums <strong>für</strong> Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). Die internationalen Zahlen<br />
zu FuE und Patenten wurden den OECD Publikationen (2010, 2011, 2012) entnommen.<br />
Forschung und Entwicklung<br />
Forschung und experimentelle Entwicklung (FuE) ist die systematische schöpferische Arbeit<br />
zur Erweiterung des vorhandenen Wissens und die Nutzung des so gewonnenen Wissens zur<br />
Entwicklung neuer Anwendungen, wie z.B. neuer oder merklich verbesserter Produkte und<br />
Dienstleistungen oder Prozesse (einschließlich Softwareentwicklung). Die Definition ist die<br />
Grundlage <strong>für</strong> die international harmonisierte FuE-Statistik, die nach dem Frascati-Handbuch
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 38<br />
der OECD (OECD 2002) durchgeführt wird. In Deutschland erhebt die Wissenschaftsstatistik<br />
im Stifterverband <strong>für</strong> die Deutsche Wissenschaft regelmäßig entsprechende Daten.<br />
Die <strong>IKT</strong> Wirtschaft in Deutschland weist im Vergleich zur <strong>IKT</strong> Wirtschaft anderer FuEstarker<br />
OECD-Nationen relativ geringe FuE-Aufwendungen in 2008 – sowohl im verarbeitenden<br />
Gewerbe als auch insbesondere im Dienstleistungssektor – aus. In Finnland, Korea,<br />
Schweden und Japan investieren insbesondere die Unternehmen des verarbeitenden <strong>IKT</strong>-<br />
Gewerbes in FuE. Israel Dänemark und die USA zeigen die größte FuE-Spezialisierung im<br />
Bereich <strong>IKT</strong> Dienstleistungen beim Anteil am BIP (vgl. Abbildung 18).<br />
Betrachtet man die FuE-Aufwendungen der deutschen Wirtschaft im sektoralen Vergleich<br />
von 1995-2009 (Abbildung 19), zeigt sich ein stark steigender Verlauf der <strong>IKT</strong>-Branche bis<br />
einschließlich 2001, gefolgt von einem abnehmenden Verlauf von 2003 bis 2005. In den Jahren<br />
2007 und 2009 kann wieder ein leichter Anstieg beobachtet werden. Die Automobilindustrie<br />
verfügt sowohl in absoluten Zahlen, als auch das Wachstum betreffend über die mit Abstand<br />
höchsten Werte hinsichtlich ihrer FuE-Aufwendungen. Allein in 2005 weist die Kurve<br />
einen Knick nach unten auf. Die anderen FuE-intensiven Branchen entwickeln sich eher gemäßigt<br />
positiv mit ebenfalls nur kurzfristigen Einbrüchen. Die Gründe <strong>für</strong> diese kurzfristigen<br />
– eine Periode währenden – geringeren FuE-Aufwendungen können insbesondere auch in den<br />
Veränderungen der internationalen Unternehmenslandschaft oder in externen Schocks liegen<br />
und sind kein Indikator <strong>für</strong> die Innovationsleistung der Branche insgesamt. Der immerhin<br />
zwei Perioden währende Abwärtstrend der <strong>IKT</strong>-Branche kann als Folge des Booms der Branche<br />
und ihrer nachfolgenden Krise gewertet werden.<br />
Abbildung 6: Interne FuE-Aufwendungen der <strong>IKT</strong> Wirtschaft getrennt nach<br />
<strong>IKT</strong> im verarbeitenden Gewerbe und <strong>IKT</strong>-Dienstleistungen in 2008, in % des<br />
BIP<br />
Quelle: OECD (2011), The Future of the Internet Economy.
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 39<br />
Abbildung 7: Interne FuE-Aufwendungen der Wirtschaft in technologieintensiven<br />
Branchen 1995-2009 in Deutschland, in Mio. Euro<br />
Quelle:WiStat 2012.<br />
Die Bedeutung der <strong>IKT</strong>-Branche <strong>für</strong> die technologische Leistungsfähigkeit Deutschlands<br />
kann anhand des Anteils der FuE-Aufwendungen an den gesamten FuE-Aufwendungen der<br />
Wirtschaft interpretiert werden. Im Zeitraum 1995 bis 2009 bleibt dieser Anteil entsprechend<br />
der Zahlen der FuE-Erhebung der SV Wissenschaftsstatistik relativ stabil und liegt zwischen<br />
18 und 21 Prozent (vgl. Tabelle 3). Der Anteil der FuE-Beschäftigten im <strong>IKT</strong> Sektor an allen<br />
FuE-Beschäftigten der Wirtschaft entspricht grob den FuE-Aufwendungen und bleibt ebenfalls<br />
relativ stabil über den betrachteten Zeitraum bei rund 22 Prozent (vgl. Tabelle 4). Der<br />
<strong>IKT</strong>-Sektor ist nach dem Automobilsektor derjenige Bereich mit den höchsten Werten hinsichtlich<br />
FuE-Aufwendungen und FuE-Personal und damit eine wichtige Größe in der deutschen<br />
Forschungslandschaft.
Quelle: WiStat 2012.<br />
Gesamt 262.172 271.514 289.092 296.959 290997 294.107 315.923 329.568<br />
Automobil 50.747 19 59.466 22 71.902 25 75.001 25 82.749 28 86.336 29 85.600 27 99.016 30<br />
Restliche Ab- 48.228 18 54.401 20 54.223 19 48.302 16 47.126 16 55.315 19 64.888 21 68.541 21<br />
schnitte<br />
<strong>IKT</strong> 57.055 22 60.779 22 68.417 24 79.198 27 67.774 23 62.160 21 64.545 20 71.605 22<br />
Chemie und 47.365 18 45.642 17 43.109 15 41.698 14 41.227 14 39.018 13 40.842 13 40.514 12<br />
Pharmazie<br />
Elektronik<br />
25.363 10 15.657 6 16.596 6 19.558 7 18.707 6 17.929 6 20.784 7 12.508 4<br />
(ohne <strong>IKT</strong>)<br />
Maschinenbau 33.414 13 35.568 13 34.844 12 33.203 11 33.413 11 33.348 11 39.264 12 37.385 11<br />
Anzahl % Anzahl % Anzahl % Anzahl % Anzahl % Anzahl % Anzahl % Anzahl %<br />
Tabelle 3: FuE-Personal der Wirtschaft in technologieintensiven Branchen 1995-2009 in Deutschland, Anzahl und Anteile an den<br />
gesamten FuE-Beschäftigten in %<br />
1995 1997 1999 2001 2003 2005 2007 2009<br />
Quelle: WiStat 2012<br />
Gesamt 26.817 28.909 31.226 36.331 38.028 38.651 43.034 45.274<br />
Automobil 5.723 21 6.991 24 9.095 29 10.664 29 12.079 32 11.501 30 13.519 31 15.877 35<br />
Restliche Ab-<br />
5.289 20 5.979 21 5.818 19 5.598 15 5.944 16 7.188 19 8.272 19 8.107 18<br />
schnitte<br />
<strong>IKT</strong> 5.405 20 5.887 20 6.676 21 8.419 23 7.861 21 7.505 19 7.765 18 8.420 19<br />
Chemie und<br />
4.847 18 5.429 19 4.877 16 5.919 16 6.349 17 6.363 16 6.460 15 7.093 16<br />
Pharmazie<br />
Elektronik (ohne 2.489 9 1.429 5 1.519 5 1.970 5 2.034 5 1.961 5 2.254 5 1.277 3<br />
<strong>IKT</strong>)<br />
Maschinenbau 3.062 11 3.190 11 3.238 10 3.762 10 3.760 10 4.129 11 4.762 11 4.498 10<br />
Mio. € % Mio. € % Mio. € % Mio. € % Mio. € % Mio. € % Mio. € % Mio. € %<br />
Tabelle 2: Interne FuE-Aufwendungen der Wirtschaft in technologieintensiven Branchen 1995-2009 in Deutschland, Mio. Euro,<br />
Anteile an den gesamten FuE-Aufwendungen in %<br />
1995 1997 1999 2001 2003 2005 2007 2009<br />
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 40
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 41<br />
Gründungsintensitäten im <strong>IKT</strong>-Sektor<br />
Gründungen sind Ausdruck des Wettbewerbs am Markt um die besten Lösungen. Sie fordern<br />
bestehende Unternehmen mit Ihren Geschäftsideen und Produkten heraus und bewirken deren<br />
Marktaustritt bei mangelnder Wettbewerbsfähigkeit. Somit ist das Gründungsgeschehen in<br />
einer Volkswirtschaft Ausdruck ihrer Anpassungs- und Wandlungsfähigkeit an ein wettbewerbsintensives<br />
Umfeld (MÜLLER et al 2011).<br />
Gerade im <strong>IKT</strong>-Sektor kommt Gründungen eine besondere Bedeutung zu, denn in neuen<br />
Technologiefeldern, beim Aufkommen neuer Nachfragetrends und in den frühen Phasen der<br />
Übertragung wissenschaftlicher Erkenntnisse auf die Entwicklung neuer Produkte und Verfahren<br />
sind junge Unternehmen ein wichtiger Motor <strong>für</strong> den technologischen Wandel (MÜL-<br />
LER/RAMMER/GOTTSCHALK 2012). Im Vergleich zu Großunternehmen agieren kleine<br />
junge Unternehmen oftmals flexibler, ohne hemmende Routinen und sind risikofreudiger.<br />
Dadurch sind sie in der Lage, Marktnischen zu besetzen. Allerdings führt dieses Verhalten<br />
nicht immer zum Erfolg, sondern geht vielmehr mit hohen Marktaustrittsraten einher.<br />
Für die <strong>Analyse</strong> des Gründungsgeschehens im Zeitverlauf wird auf Daten des Mannheimer<br />
Unternehmenspanels (MUP) des Zentrums <strong>für</strong> Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) zurückgegriffen.<br />
Die Gründungsaktivitäten werden hier in Form von Gründungsintensitäten<br />
berechnet. Dies ist der Quotient aus der Anzahl der Gründungen und der Zahl der Erwerbsfähigen.<br />
Die Gründungsintensität ist somit eine Maßeinheit, die Größenvorteile einzelner Regionen<br />
nivelliert und sich daher besonders gut <strong>für</strong> inter- wie intraregionale Vergleiche eignet.<br />
Im Vergleich zu anderen entwickelten Volkswirtschaften weist Deutschland eine nach wie<br />
vor eher geringe Gründungsaktivität auf. Sowohl die Zahl der Gründungen als auch die Zahl<br />
der Schließungen in Relation zum Unternehmensbestand liegen unter dem Niveau der meisten<br />
anderen europäischen Länder (MÜLLER/RAMMER/GOTTSCHALK 2012). Dies gilt auch<br />
<strong>für</strong> die wissens- und technologieintensiven Wirtschaftszweige.<br />
Die Gründungsintensitäten im <strong>IKT</strong>-Sektor sind im Zeitverlauf in der Tendenz gesunken. In<br />
den Jahren 1999 bis 2002 wurden in Deutschland jahresdurchschnittlich noch 2,7 <strong>IKT</strong>-<br />
Unternehmen je 10.000 Erwerbsfähige gegründet, zwischen 2007 und 2010 waren es nur noch<br />
durchschnittlich 2,0 Unternehmen. Die vergangenen 12 Jahre sind von dramatischen Schwankungen<br />
in den Gründungszahlen der EDV- und Telekommunikationsbranche gekennzeichnet.<br />
Zwischen 2000 und 2002 ist die Zahl der Gründungen in diesen Sektoren von 10.000 auf<br />
7.000 deutlich gefallen, danach bis 2004 wieder leicht auf 8.000 angestiegen und schließlich<br />
bis 2008 auf 6.000 Gründungen zurückgegangen (MÜLLER/RAMMER/GOTTSCHALK<br />
2012). Seitdem steigt die Zahl der Gründungen wieder spürbar an.
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 42<br />
Abbildung 8: Gründungsraten in der Wissenswirtschaft in Deutschland<br />
2000-2009, in%<br />
Quelle: MÜLLER/RAMMER/GOTTSCHALK (2012), S. 17.<br />
Die EDV- und Telekommunikationsbranche ist generell zudem geprägt von hohen Schließungsraten<br />
innerhalb des Unternehmensbestandes. Jedes Jahr scheiden zwischen sechs und<br />
acht Prozent aller Unternehmen dieser Branche aus dem Markt aus (vgl. RAMMER/ METZ-<br />
GER 2010). Allerdings ist der Saldo aus Gründungen und Schließungen noch immer durchweg<br />
positiv.<br />
Die Bundesländer unterscheiden sich hinsichtlich der Gründungsintensität deutlich voneinander.<br />
Dies wird durch verschiedene Einflussfaktoren bestimmt. Grundsätzlich besteht etwa ein<br />
positiver Zusammenhang zwischen der Einwohnerzahl eines Ortes und der Gründungsaktivität:<br />
In größeren Städten konzentrieren sich Gründer-Inkubatoren wie Hochschulen und größere<br />
Unternehmen, sind Gründungshilfen durch Beratungs- und Fördereinrichtungen leichter<br />
zugänglich und schließlich auch die Chancen auf Markterfolg und Kooperationspartner besser.<br />
Hamburg und Berlin liegen daher bei einem Vergleich auf Länderebene meist auf den<br />
vorderen Plätzen. Die Gründungsaktivitäten werden darüber hinaus aber auch von der spezifischen<br />
Branchenstruktur in den Ländern bestimmt. Speziell im Segment EDV/ Telekommunikation<br />
wurden in Relation zum Unternehmensbestand in den Jahren 200 bis 2009 die meisten<br />
Unternehmen in Hamburg, Sachsen-Anhalt und Thüringen gegründet (MÜLLER/ RAM-<br />
MER/GOTTSCHALK 2012).<br />
Die Anzahl der Gründungen im <strong>IKT</strong>-Bereich je 10.000 Erwerbsfähige ist unter den wirtschafts-<br />
und bevölkerungsstärksten Bundesländern in Hamburg und Berlin am höchsten. Alle<br />
anderen Länder bewegen sich auf einem überraschend einheitlichen Niveau und vollziehen im<br />
Zeitverlauf eine gleichläufige Entwicklung (vgl. Abbildung 21).
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 43<br />
Abbildung 9: Gründungsintensitäten im <strong>IKT</strong> Sektor <strong>für</strong> ausgewählte Bundesländer<br />
von 1995 bis 2010*, Anzahl Gründungen pro 10.000 Erwerbsfähige<br />
*Angabe von Jahresdurchschnittswerten in den jeweiligen Zeiträumen<br />
Quelle: Eigene Darstellung mit den Daten des Mannheimer Unternehmenspanels 2012 (ZEW). Erwerbsfähigen<br />
Basis beruht auf Angaben der Datenbank "GENESIS-Online".<br />
Auf Ebene der Landkreise und Städte liegen ebenfalls die großen Verdichtungsräume vorne:<br />
Vor allem München, Frankfurt, Köln und Düsseldorf sowie Berlin sind gründungsstarke Regionen<br />
der <strong>IKT</strong>-Wirtschaft. Doch auch einige kleinere Städte können hier mithalten und zeigen<br />
eine dynamische Gründerszene, wie Bamberg oder Regensburg. Die Gründungsaktivitäten<br />
werden darüber hinaus nämlich auch von der spezifischen Branchenstruktur und von vorhandenen<br />
Inkubator-Einrichtungen in den Regionen bestimmt (vgl. Abbildung 22).
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 44<br />
Abbildung 10: <strong>IKT</strong>-Anteil an Gesamtgründungen<br />
Quelle: BMWi 2012, S. 14, Auswertung von Daten, Mannheimer Unternehmenspanel (2011),<br />
Zentrum <strong>für</strong> Europäische Wirtschaftsforschung GmbH (ZEW).<br />
International kann Deutschland hinsichtlich der Gründungsraten im Segment<br />
EDV/Telekommunikation nicht mit anderen europäischen Ländern mithalten. Insbesondere<br />
Dänemark, die Niederlande und Großbritannien sind hier deutlich besser positioniert (vgl.<br />
Abbildung 23), Deutschland befindet sich im Mittelfeld. Hohe Gründungsraten gehen jedoch<br />
auch mit hohen Schließungsraten einher. Die unterschiedliche Unternehmensdynamik ist<br />
Ausdruck unterschiedlicher Regimes von Markteintritts- und -austrittsbarrieren sowie unterschiedlichen<br />
Opportunitätskosten von Unternehmensgründungen, etwa in Form günstiger<br />
Einkommensperspektiven aus abhängiger Beschäftigung (GÖGGEL et al. 2007).
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 45<br />
Abbildung 11: Gründungsraten in Teilsektoren der wissensintensiven<br />
Dienstleistungen im Jahr 2007 in ausgewählten Ländern<br />
Quelle: MÜLLER et al (2011), S. 39<br />
Neben der geringen Unternehmensdynamik ist das Gründungsgeschehen in Deutschland im<br />
internationalen Vergleich weniger stark auf wissensintensive Dienstleistungen ausgerichtet.<br />
Deutschlands Gründerszene ist dagegen stark bei Gründungen in technologieintensiven Branchen<br />
der Industrie.<br />
Patente<br />
Patente tragen wesentlich zum Wirtschaftswachstum durch Innovation bei und sind einer der<br />
am häufigsten genannten Indikatoren <strong>für</strong> die technologische Leistungsfähigkeit eines Landes.<br />
Patente sind eine Möglichkeit Erfindungen von Unternehmen, Forschungseinrichtungen oder<br />
Einzelpersonen zu schützen und können daher als ein Maß <strong>für</strong> die Innovationstätigkeit interpretiert<br />
werden. Der Schutzaspekt soll die Unternehmen anregen, trotz wachsamer Wettbewerber<br />
in FuE zu investieren. Durch die Offenlegung der Patentschrift, können Folgeinnovationen<br />
angeregt werden. Bevor eine Erfindung jedoch den Weg vom Patent zur Innovation<br />
zurücklegt, sind weitere unternehmerische Leistungen wie Entwicklung, Verarbeitung und<br />
Vermarktung notwendig. Eine Patenterteilung bedeutet somit nicht per se die Einführung eines<br />
neuen Produktes in den Markt.<br />
Das Verhältnis zwischen Patenten und dem wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen ist vielschichtig,<br />
denn Patente können aus verschiedenen Motiven heraus angemeldet werden: Zum<br />
Schutz des geistigen Eigentums <strong>für</strong> eine abgesicherte wirtschaftliche Verwertung der eigenen<br />
Forschungsergebnisse, aber auch aus strategischen Gründen. Etwa als Signal <strong>für</strong> die Tätigkeit<br />
in einem technologischen Gebiet, <strong>für</strong> die Lizenzvergabe der eigenen Technologie oder auch<br />
zur Verhinderung der Einführung von Konkurrenzprodukten bzw. umgekehrt zur Verhinderung<br />
der eigenen Marktverdrängung durch das offensive Patentverhalten von Wettbewerbern.<br />
Insbesondere in der Informations- und Kommunikationstechnologie sind Patentdickichte beliebt.<br />
Darunter wird ein Netz von sich überlappenden Schutzrechten verstanden, über deren
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 46<br />
Gültigkeit und Schutzbereich Unsicherheit herrscht. Derartiges strategisches Patentierungsverhalten<br />
hat dazu beigetragen, dass die Zahl der Patentanmeldungen über viele Jahre stärker<br />
angestiegen ist als die FuE-Tätigkeit in den Unternehmen (vgl. EFI 2010). Nichtsdestotrotz<br />
kann in der Literatur ein positives Verhältnis zwischen der Zahl der Patente und Indikatoren<br />
<strong>für</strong> wirtschaftlichen Erfolg wie etwa Produktivität und Marktanteile festgestellt werden. Dieses<br />
Verhältnis variiert zwischen Ländern und Branchen sowie über die Zeit (OECD 2009,<br />
S.13). Grundsätzlich sind Patentanmeldungen Ausdruck der aktuellen Forschungstätigkeit,<br />
während die <strong>Analyse</strong> der Patenterteilungen den ökonomischen Wert einer Erfindung in den<br />
Mittelpunkt rückt. Einzig Patenterteilungen sichern gesetzlich den Schutz der Erfindung, der<br />
im Schnitt nur jeder vierten Patentanmeldung gewährt wird. Eine Anmeldung am Europäischen<br />
Patentamt (EPA) ermöglicht eine schnelle Ausdehnung des Patentschutzes auf die Beitrittsländer<br />
des Europäischen Patentübereinkommens (EPÜ).<br />
Erfinder in Deutschland meldeten im Jahr 2009 28.321 transnationale Patente an. Damit zählt<br />
Deutschland weltweit zu den Nationen mit den höchsten Patentanmeldungen. Allerdings werden<br />
die meisten Patente im Segment der hochwertigen Technologie angemeldet. Das sind<br />
Industriewaren, <strong>für</strong> die zwischen 2,5 und 7 Prozent des Umsatzes <strong>für</strong> Forschung und<br />
Entwicklung verwendet werden. Insbesondere in den Hochtechnologiebereichen Fahrzeug-<br />
und Maschinenbau sowie der chemischen Industrie sind die Anmeldungen aus Deutschland<br />
hoch (FRIETSCH 2007).<br />
Abbildung 12: Anteil <strong>IKT</strong> bezogener Patente an allen nationalen Patenten<br />
2001-2009 beim Europäischen Patentamt in %<br />
Quelle: OECD (2012), Patent Database.<br />
Die <strong>IKT</strong>-Branche zählt dagegen zur Spitzentechnologie, in der die FuE-Ausgaben mehr als 7<br />
Prozent des Umsatzes ausmachen. In diesem Segment weist Deutschland keine Spezialisierung<br />
auf und fällt daher im internationalen Vergleich zurück (vgl. Abbildung 24). Während in<br />
Staaten wie China, Korea und Japan mehr als 40 Prozent aller nationalen Patentanmeldungen<br />
aus dem <strong>IKT</strong>-Bereich stammen, sind es in Deutschland nur rund ein Viertel. In Finnland und<br />
Singapur weisen sogar mehr als 50 Prozent der Patente einen <strong>IKT</strong>-Bezug auf. Damit liegt<br />
Deutschland klar unter dem Durchschnitt der EU-27 und der OECD. Der hierzulande beste-
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 47<br />
hende Mangel an international bedeutsamen Großunternehmen in dieser Branche ist damit<br />
direkt anhand der Patentanmeldungen ablesbar.<br />
Der Anteil der <strong>IKT</strong> Patente erreichte seinen Höhepunkt in der dot.com-Blase vor gut zehn<br />
Jahren. Seitdem nimmt die Zahl der <strong>IKT</strong>-bezogenen Patente in den meisten Ländern kontinuierlich<br />
ab, mit Ausnahme von China, Japan, Korea und Kanada.<br />
Auch wenn sich die absolute Zahl aller Patentanmeldungen aus Deutschland im langfristigen<br />
Verlauf deutlich erhöht hat, ist die Steigerungsrate in anderen Ländern markanter. Dadurch<br />
hat sich die insgesamt im Patentierungsgeschehen bestehende gute Position Deutschlands im<br />
internationalen Vergleich verschlechtert, auch im <strong>IKT</strong>-Bereich. Hier haben vor allem Staaten<br />
wie China und Korea in den letzten Jahren erstaunliche Wachstumsraten der Patentanmeldungen<br />
realisiert. In China etwa sind die transnationalen Patentanmeldungen zwischen 1999 und<br />
2009 um etwa das Vierzehnfache auf gut 11.000 Anmeldungen gestiegen.<br />
Hinsichtlich des Anteils der nationalen <strong>IKT</strong>-bezogenen Patente an allen <strong>IKT</strong> Patentanmeldungen<br />
beim Europäischen Patentamt weist Deutschland zumindest im Vergleich zu den europäischen<br />
Ländern den höchsten Anteil auf. Die meisten <strong>IKT</strong>-Patentanmeldungen stammen allerdings<br />
von Unternehmen aus den USA, Japan und wiederum China (vgl. Abbildung 25).<br />
Abbildung 13: Anteil der nationalen <strong>IKT</strong>-bezogenen Patente an allen <strong>IKT</strong><br />
Patentanmeldungen beim Europäischen Patentamt in %<br />
Quelle: OECD (2012), Patent Database.<br />
Innovationen<br />
Neben der Zahl der Patentanmeldungen existiert eine Reihe von weiteren Indikatoren <strong>für</strong> die<br />
Innovationstätigkeit der Unternehmen in einer Branche. Von hoher Bedeutung <strong>für</strong> die Bewertung<br />
des Outputs sind Daten über die Innovationsaktivität einer Branche, da es sich hier um<br />
tatsächlich in den Markt eigeführte Produkte und Prozesse handelt. Die folgenden Ausführungen<br />
und Darstellungen basieren auf dem Mannheimer Innovationspanel (MIP) des Zentrums<br />
<strong>für</strong> Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) und deren Indikatorenberichte zum Innovationsverhalten<br />
der deutschen Wirtschaft (2006-2010).<br />
Tabelle 5 zeigt die Innovationsbeteiligung der Unternehmen in der deutschen Wirtschaft in<br />
den Jahren 2005 und 2010 sowie deren Veränderungsraten über den Zeitraum.
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 48<br />
Tabelle 4: Innovationsbeteiligung der Unternehmen in technologieintensiven<br />
Branchen 2005 und 2010 in Deutschland<br />
Innovatorenquote Umsatz mit neuen Produkten<br />
Branchengruppe (WZ 2008) 2005 2010 Δ in %- 2005 2010 Δ in %<br />
% % Punkten Mrd. € Mrd. €<br />
Chemie/Pharma (20-21) 80 81 1,0 40 31 -31,1<br />
Maschinenbau (28) 73 79 6,0 59 55 -6,9<br />
Elektroindustrie (26-27) 77 70 -7,0 68 73 6,8<br />
Fahrzeugbau (29-30) 61 71 10,0 186 189 1,3<br />
EDV/Telekommunikation (61-63) 72 77 5,0 37 35 -5,7<br />
Kontinuierlich FuE-Betreibende Umsatzanteil mit neuen Pro-<br />
Unternehmen<br />
dukten<br />
2005 2010 Δ in %- 2005 2010 Δ in %-<br />
% % Punkten % % Punkten<br />
Chemie/Pharma (20-21) 53 62 9,0 15 15 0<br />
Maschinenbau (28) 43 38 -5,0 32 28 -4,0<br />
Elektroindustrie (26-27) 50 48 -2,0 43 38 -5,0<br />
Fahrzeugbau (29-30) 34 39 5,0 56 49 -7,0<br />
EDV/Telekommunikation (61-63) 41 39 -2,0 28 24 -4,0<br />
Innovationsaufwendungen Umsatzanteil mit Marktneuheiten<br />
2005 2010 Δ in % 2005 2010 Δ in %-<br />
Mrd. € Mrd. €<br />
% % Punkten<br />
Chemie/Pharma (20-21) 11,3 12,9 12,4 3,9 3,2 -0,7<br />
Maschinenbau (28) 9,5 11,8 19,5 7,4 7,9 0,5<br />
Elektroindustrie (26-27) 13,1 13,6 3,7 9,8 9,8 0<br />
Fahrzeugbau (29-30) 27,5 33,7 18,4 11,6 12,8 1,2<br />
EDV/Telekommunikation (61-63) 8,5 10,5 19,0 6,7 5,8 -0,9<br />
Innovationsintensität Umsatzanteil mit Sortimentsneuheiten<br />
2005 2010 Δ in %- 2005 2010 Δ in %-<br />
% % Punkten % % Punkten<br />
Chemie/Pharma (20-21) 4,4 6,3 1,9 3,1 2,7 -0,4<br />
Maschinenbau (28) 5,2 6,0 0,8 5,2 4,8 -0,4<br />
Elektroindustrie (26-27) 8,3 7,0 -1,3 6,8 6,3 -0,5<br />
Fahrzeugbau (29-30) 8,3 8,8 0,5 6,1 8,4 2,3<br />
EDV/Telekommunikation (61-63) 6,4 7,2 0,8 4,4 4,7 0,3<br />
Kostenreduktion durch Prozessin- Umsatzwachstum durch Qualinovationentätsverbesserungen<br />
2005 2010 Δ in %- 2005 2010 Δ in %-<br />
% % Punkten % % Punkten<br />
Chemie/Pharma (20-21) 3,5 3,6 0,1 2,9 2,7 -0,2<br />
Maschinenbau (28) 5,2 4,4 -0,8 3,2 2,8 -0,4<br />
Elektroindustrie (26-27) 8,6 5,3 -3,3 3,8 3,5 -0,3<br />
Fahrzeugbau (29-30) 5,5 6,1 0,6 8,3 3,1 -5,2<br />
EDV/Telekommunikation (61-63) 7,5 7,4 -0,1 3,4 2,6 -0,8<br />
Quelle: ZEW (2011;2006), Mannheimer Innovationspanel (MIP), eigene Zusammenstellung. Δ = Veränderung<br />
2005/2010.<br />
Der <strong>IKT</strong>-Sektor wird im Mannheimer Innovationspanel durch die Elektroindustrie des Verarbeitenden<br />
Gewerbes und EDV/Telekommunikation des Dienstleistungssektors abgebildet. Für
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 49<br />
eine umfassende Betrachtung der Branche müssen also beide Wirtschaftsgruppen in die Interpretation<br />
der Daten einbezogen werden.<br />
• Innovatorenquote und kontinuierlich FuE-Betreibende Unternehmen<br />
Innovatoren sind - gemäß der Definition des ZEW - Unternehmen, die innerhalb eines zurückliegenden<br />
Dreijahreszeitraums (d.h. <strong>für</strong> 2010: in den Jahren 2008 bis 2010) zumindest ein<br />
Innovationsprojekt erfolgreich abgeschlossen, d.h. zumindest eine Innovation eingeführt haben.<br />
Dabei kommt es nicht darauf an, ob ein anderes Unternehmen diese Innovation bereits<br />
eingeführt hat. Wesentlich ist die Beurteilung aus Unternehmenssicht. Die Innovatorenquote<br />
berechnet sich aus dem Anteil der Innovatoren an allen Unternehmen ab fünf Beschäftigte. Im<br />
<strong>IKT</strong>-Bereich des verarbeitenden Gewerbes (Elektroindustrie) ist die Innovatorenquote von<br />
1995 bis 2010 um sieben Prozentpunkte gesunken, während sie im Dienstleistungsbereich<br />
(EDV/Telekommunikation) um fünf Prozentpunkte gestiegen ist. Die negative Entwicklung in<br />
der Elektroindustrie steht dem allgemein positiven Trend im Hochtechnologiebereich entgegen<br />
(vgl. Abbildung 26).<br />
Abbildung 14: Innovatorenquote in technologieintensiven Branchen 2005 und<br />
2010 in Deutschland, in %<br />
Quelle: ZEW (2011;2006), Mannheimer Innovationspanel, eigene Darstellung.<br />
Der Anteil der Unternehmen, die kontinuierlich unternehmensintern FuE betreiben, ist eine<br />
Maßzahl <strong>für</strong> die Ausrichtung der Innovationsaktivitäten auf die Generierung neuen Wissens<br />
und damit auch <strong>für</strong> den Anspruch zur Entwicklung neuer Technologien. Kontinuierlich FuEbetreibend<br />
im Rahmen der Innovationserhebung bedeutet, dass Unternehmen innerhalb eines<br />
zurückliegenden Dreijahreszeitraums jährliche FuE-Aktivitäten berichteten. Im <strong>IKT</strong>-Bereich<br />
ist der Anteil der kontinuierlich FuE-betreibenden Unternehmen von 1995 bis 2010 um zwei<br />
Prozentpunkte gesunken, insgesamt ist der Anteil in der Elektroindustrie mit 48 Prozent in<br />
2010 hoch und wird nur von der Chemie und Pharmaindustrie mit einem Anteil von 62 Prozent<br />
überboten.
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 50<br />
• Innovationsaufwendungen und Innovationsintensität<br />
Innovationsaufwendungen berücksichtigen sämtliche Ausgaben <strong>für</strong> laufende, abgeschlossene<br />
und abgebrochene Innovationsprojekte und umfassen daher nicht nur die internen und externen<br />
FuE-Aufwendungen, sondern zusätzlich Ausgaben <strong>für</strong> Investitionen in Sachanlagen und<br />
immaterielle Wirtschaftsgüter. Darunter fällt der Erwerb von Maschinen, Anlagen, Software<br />
und externem Wissen (z.B. Patente, Lizenzen) <strong>für</strong> Innovationen sowie Aufwendungen <strong>für</strong><br />
Konstruktion, Design, Produktgestaltung, Dienstleistungskonzeption, Schulung und Weiterbildung,<br />
Markteinführung und andere Vorbereitungen <strong>für</strong> die Produktion und den Vertrieb<br />
von Innovationen. Die Innovationsintensität ist dabei der Anteil der Innovationsaufwendungen<br />
am gesamten Branchenumsatz. Im <strong>IKT</strong>-Bereich lassen sich deutliche Unterschiede zwischen<br />
Verarbeitendem Gewerbe und Dienstleistungen ablesen. Dabei fallen die Ausgaben in<br />
der Industrie wesentlich geringer aus, die Intensität ist zwischen 2005 und 2010 sogar gesunken.<br />
Dienstleistungsunternehmen der EDV/Telekommunikationsbranche wenden im Vergleich<br />
zum verarbeitenden Gewerbe eher geringe Summen <strong>für</strong> Innovationen auf, verfügen<br />
aber über eine hohe Innovationsintensität, die zwischen 2005 und 2010 noch um 0,8 Prozentpunkte<br />
gesteigert wurde.<br />
• Produktinnovationen: Umsatzanteil mit neuen Produkten, Marktneuheiten und Sortimentsneuheiten<br />
Der Umsatz und die Umsatzanteile mit Produktinnovationen (neue Produkte, Marktneuheiten<br />
und Sortimentsneuheiten) beziehen sich auf den Umsatz des betreffenden Jahres, der mit neuen<br />
oder merklich verbesserten Produkten/Dienstleistungen des zurückliegenden Dreijahreszeitraums<br />
erzielt worden ist.<br />
Abbildung 15: Umsatz mit neuen Produkten technologieintensiver Branchen in<br />
Deutschland 2005 und 2010, in Mrd. Euro<br />
Quelle: ZEW (2011;2006), Mannheimer Innovationspanel, eigene Darstellung.<br />
Der <strong>IKT</strong> Sektor stellt in absoluten Zahlen nach dem Fahrzeugbau die Branche mit den höchsten<br />
Umsatzzahlen mit neuen Produkten dar (Abbildung 27): in 2010 wurden 108 Mrd. Euro
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 51<br />
Umsatz mit neuen Produkten im <strong>IKT</strong> Bereich erwirtschaftet (rund 2/3 Elektroindustrie und<br />
1/3 <strong>IKT</strong> Dienstleistungen).<br />
Beim Umsatzanteil mit neuen Produkten existieren zwischen den Branchen im Hochtechnologiebereich<br />
ebenfalls große Unterschiede: An der Spitze lag im Jahr 2010 – wie schon in<br />
2005 – der Fahrzeugbau mit einem Anteil von 49 Prozent, gefolgt von der <strong>IKT</strong>-Branche Elektroindustrie<br />
(38 Prozent), dem Maschinenbau (28 Prozent) und den <strong>IKT</strong>-Dienstleistungen<br />
EDV und Telekommunikation (24 Prozent). Die Umsatzanteile mit Marktneuheiten und mit<br />
Sortimentsneuheiten variieren etwas weniger stark. Den höchsten Umsatzanteil mit Marktneuheiten<br />
erzielte ebenfalls der Fahrzeugbau, gefolgt von der (<strong>IKT</strong>-)Elektroindustrie und dem<br />
Maschinenbau. Bei Sortimentsneuheiten wies neben dem Fahrzeugbau kein anderer betrachteter<br />
Hochtechnologiebereich hohe Werte auf.<br />
• Prozessinnovationen: Kostenreduktion und Umsatzwachstum durch Prozessinnovationen<br />
Bei kostensenkenden Prozessinnovationen handelt es sich um Prozessinnovationen, die zu<br />
einer Senkung der durchschnittlichen Kosten pro Stück bzw. Vorgang geführt haben und denen<br />
damit tendenziell ein Einsparungsmotiv zu Grunde liegt. Sie tragen zu einer Verbesserung<br />
der preislichen Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens bei. Qualitätsverbessernde Prozessinnovationen<br />
erhöhen die Produkt- bzw. Dienstleistungsqualität und gehen häufig mit<br />
Produktinnovationen einher. Durch die höhere Produktqualität verbessern diese Prozessinnovationen<br />
die Absatzchancen des Unternehmens. Kostensenkungsanteile durch Prozessinnovationen<br />
beziehen sich auf die Kosten je Stück bzw. Vorgang des betreffenden Jahres, die durch<br />
Prozessinnovationen eingespart werden konnten, die im zurückliegenden Dreijahreszeitraums<br />
eingeführt worden waren. Im <strong>IKT</strong>-Bereich fand im verarbeitenden Gewerbe zwischen 2005<br />
und 2010 ein starker Rückgang von 3,3 Prozentpunkten der Kosteneinsparung durch Prozessinnovationen<br />
statt, allerdings von einem hohen Ausgangsniveau (8,6 Prozent Kosteneinsparung<br />
in 2005). Im <strong>IKT</strong>-Dienstleistungsbereich hat sich die Kosteneinsparung durch Prozessinnovationen<br />
im betrachteten Zeitraum kaum verändert und liegt bei ebenfalls hohen 7,5 bzw.<br />
7,4 Prozent.<br />
Der Umsatzanstieg durch Qualitätsverbesserungen misst die Umsatzausweitung im betreffenden<br />
Jahr im Vergleich zum Vorjahresumsatz, die auf Qualitätsverbesserungen zurückgeführt<br />
werden kann, die mit Hilfe von im zurückliegenden Dreijahreszeitraum eingeführten Prozessinnovationen<br />
erzielt wurden.
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 52<br />
Abbildung 16: Kostenreduktion und Umsatzwachstum durch Prozessinnovationen<br />
technologieintensiver Branchen in Deutschland 2005 und 2010, in %<br />
Quelle: ZEW (2011;2006), Mannheimer Innovationspanel, eigene Darstellung.<br />
Im <strong>IKT</strong> Bereich wird 3,5 bzw. 2,6 Prozent des Umsatzwachstums im Vergleich zum Vorjahreswert<br />
auf qualitätssteigernde Prozessinnovationen zurückgeführt (vgl. Abbildung 28).<br />
2.3.2. Möglichkeiten und Grenzen von <strong>IKT</strong> als Instrument zur Beschleunigung<br />
und Neuorganisation von Innovationsprozessen<br />
Für die Entwicklung neuer oder die Optimierung existierender Produkte ist Wissen die zentrale<br />
Ressource. Wirtschaftlicher Erfolg wird wiederum maßgeblich von der Qualität und Attraktivität<br />
der angebotenen Produkte und von der Effizienz des Produktionsprozesses bestimmt.<br />
Da Informations- und Kommunikationstechnologien (<strong>IKT</strong>) auf die Entstehung, die Absorption<br />
und die Diffusion von Wissen erheblichen Einfluss ausüben, kommt ihnen explizit die Rolle<br />
eines zentralen Wettbewerbsfaktors zu.<br />
<strong>IKT</strong> wirken auf alle vier zentralen Innovationsarten (vgl. OECD 2005).<br />
Bei Produktinnovationen handelt es sich um ein Produkt (inkl. Dienstleistungen), dessen<br />
Komponenten oder grundlegende Merkmale (technische Grundzüge, integrierte Software,<br />
Verwendungseigenschaften, Benutzerfreundlichkeit, Verfügbarkeit) entweder neu oder merklich<br />
verbessert sind. Die Innovation ist neu <strong>für</strong> das einzelne Unternehmen, aber nicht notwendigerweise<br />
<strong>für</strong> den Markt. Es ist dabei unerheblich, ob die Innovation von einem Unternehmen<br />
alleine oder in Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen entwickelt wurde. Eine Prozessinnovation<br />
ist eine neue oder merklich verbesserte Fertigungs-/Verfahrenstechnik oder<br />
ein neues oder merklich verbessertes Verfahren zur Erbringung von Dienstleistungen oder<br />
zum Vertrieb von Produkten. Das Resultat sollte sich merklich auf Produktionsniveau, Produkt-/Dienstleistungsqualität<br />
oder Produktions- bzw. Vertriebskosten auswirken. Verfahren,<br />
die neu eingeführt wurden, um Produktinnovationen zu ermöglichen, zählen ebenfalls als<br />
Prozessinnovationen. Eine Marketinginnovation ist die Implementierung einer neuen Marketingmethode,<br />
während eine Organisatorische Innovation die Einführung einer neuen Organisationsmethode<br />
ist, die zuvor im Unternehmen noch keine Anwendung fand.
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 53<br />
Informations- und Kommunikationstechnologien können entweder Hilfsmittel bzw. technisch<br />
notwendiger Bestandteil <strong>für</strong> die Realisierung von Innovationen sein oder selbst als Output am<br />
Ende eines Innovationsprozesses stehen. Letztgenanntes Phänomen lässt sich etwa durch die<br />
Beobachtung von Patentanmeldungen oder die Erfassung von Innovationen im <strong>IKT</strong>-Segment<br />
quantifizieren. Hierüber wurde bereits im Abschnitt 2 berichtet. An dieser Stelle wird dagegen<br />
die Rolle von Informations- und Kommunikationstechnologien im Rahmen von Innovationsprozessen<br />
allgemein analysiert.<br />
Innovationen können unterschiedliche Neuheitsgrade aufweisen. Sie können neu <strong>für</strong> das Unternehmen,<br />
neu <strong>für</strong> den betreffenden Markt oder auch aus globaler Perspektive neu sein. Im<br />
Fall geringer Neuheitsgrade wird von inkrementeller Innovation gesprochen, höhere Neuheitsgrade<br />
umfassen radikale Innovationen bis hin zu Veränderungen des technoökonomischen<br />
Paradigmas (vgl. FREEMAN/PEREZ 1988). Für Innovationen mit geringerem<br />
Neuheitsgrad sammeln, integrieren und kombinieren Unternehmen bereits bestehendes Wissen<br />
in ihre eigenen Produktions- und Innovationsprozesse. Das fremde Wissen wird zusätzlich<br />
durch eigenen Input und Modifikationen angereichert bzw. verändert. Das Schaffen völlig<br />
neuen Wissens ist dagegen mit höherem Aufwand, höheren Kosten und höheren Unsicherheiten<br />
verbunden. Denn oftmals sind Unternehmen ausschließlich mit ihren eigenen Ressourcen<br />
nicht in der Lage, globale Neuheiten hervorzubringen. Kooperationen mit anderen Unternehmen,<br />
Hochschulen oder Forschungseinrichtungen sind somit <strong>für</strong> die Entwicklung von Innovationen<br />
jedweden Neuheitsgrades hilfreich, bei denen es um den Austausch und die Entwicklung<br />
von Wissen geht.<br />
Externe Vernetzung<br />
Denn mit zunehmender Geschwindigkeit und Komplexität des technischen Fortschritts, der<br />
Verkürzung von Produktlebenszyklen und steigenden Marktunsicherheiten, wurde die Vernetzung<br />
mit anderen Unternehmen generell immer bedeutsamer <strong>für</strong> den Innovations- und<br />
Markterfolg (DEBRESSON/AMESSE 1991, S. 367ff.). Sie ermöglicht vor allem den erforderlichen<br />
Zufluss externen Wissens, das aufgrund seiner Bindung an einzelne Personen impliziten<br />
Charakter (tacit knowledge) hat und das Potential <strong>für</strong> hohe Innovationserfolge und damit<br />
<strong>für</strong> first-mover-Vorteile trägt (LAWSON/LORENZ 1999).<br />
Für die Umwandlung externen Wissens in <strong>für</strong> das Unternehmen nutzbringende Informationen<br />
und daraus resultierende Innovationen bedarf es einer hinreichenden Absorptionskapazität<br />
(COHEN/LEVINTHAL 1990), d.h. der Kompetenz den Wert neuer Informationen zu erkennen,<br />
sie zu verarbeiten und <strong>für</strong> die eigenen Zwecke zu nutzen. Die Absorptionskapazität ist<br />
umso höher, je qualifizierter das Personal und je kompatibler die zu vereinenden Wissensbereiche<br />
sind. Für diese Prozesse wirkt <strong>IKT</strong> effizienz- und effektivitätssteigernd, denn durch sie<br />
können große Mengen an kodifizierbaren Informationen über weite Distanzen und innerhalb<br />
kürzester Zeit transportiert werden. Moderne Kommunikationstechnologien erlauben zudem<br />
die direkte audio-visuelle Kommunikation mit Partnern weltweit.<br />
Bereits während des Prozesses der Informationsübermittlung können <strong>IKT</strong> im Zusammenhang<br />
mit Innovationsprozessen eine Rolle spielen. Denn theoretisch sind wesentliche Informationen<br />
mit Hilfe elektronischer Kommunikationsmittel schnell und effizient zu übertragen. Auf<br />
diese Weise wäre geographische Distanz, die im Rahmen von direkten persönlichen Kontakten<br />
(face-to-face) stets einen limitierenden Faktor <strong>für</strong> die Ausdehnung oder <strong>für</strong> die effiziente<br />
Nutzung eines Netzwerkes eine Rolle spielt, nur noch von marginaler Bedeutung. Die Über-
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 54<br />
tragung impliziten Wissens setzt allerdings eine ausreichend große Basis an sozialem Kapital<br />
in Form von Vertrauen und gemeinsamen Werten voraus. Schließlich werden im Rahmen von<br />
Innovationsprozessen sensible Informationen und in erheblichem Umfang personenspezifisches<br />
Wissen weitergegeben. Eine solche Basis kann über elektronische Medien kaum aufgebaut<br />
werden, weshalb „the tacit nature of knowledge and the social nature of the innovation<br />
process limit the impact of the internet“ (FELDMANN 2002, S. 48).<br />
Nähe als Basis <strong>für</strong> Innovationskooperationen<br />
Wenn verschiedene Akteure ein gemeinsames Innovationsprojekt durchführen möchten, jedoch<br />
niemals zuvor Kontakt hatten, wird die elektronische Kommunikation allein keine ausreichende<br />
Basis bieten können. Bedingung <strong>für</strong> eine solche Innovationskooperation ist die Existenz<br />
bzw. der Aufbau spezifischer Formen von Nähe (Proximity). Insbesondere während der<br />
Realisierung radikaler Innovationen, die durch hohe Unsicherheiten, komplexe Informationscodes<br />
und durch die Einbindung spezialisierter Experten gekennzeichnet ist, stößt die ausschließliche<br />
elektronische Kommunikation an Grenzen.<br />
Bereits seit mehreren Jahrzehnten wird auf die Bedeutung räumlicher Nähe von Kooperationspartnern<br />
<strong>für</strong> die Entstehung von Innovationen hingewiesen (vgl. CAMAGNI 1991, COO-<br />
KE/MORGAN 1998, MASKELL/MALMBERG 1999). Allerdings ist räumliche Nähe allein<br />
bei weitem nicht ausreichend <strong>für</strong> die Entwicklung neuer Produkte (vgl. BOSCHMA 2005).<br />
Vielmehr sind verschiedene Arten von Nähe relevant, die teilweise substituierbar sind, in der<br />
Vergangenheit aber häufig unter dem Oberbegriff der räumlichen Nähe subsummiert wurden.<br />
Räumliche Nähe kann allerdings auch dazu führen, dass Partner ausschließlich untereinander<br />
kooperieren und somit externe Wissensflüsse in das regionale Netzwerk unterbunden werden.<br />
Diese Verkrustungserscheinungen führen langfristig zu erheblichen Nachteilen im Innovationsprozess<br />
bis hin zu seinem Stillstand (GRABHER 1991, BROEKEL/BOSCHMA 2009).<br />
Für die Beurteilung der Frage, ob moderne <strong>IKT</strong> wie das Internet einen positiven Einfluss auf<br />
Innovationsprozesse ausüben, sind die relevanten Formen von Nähe näher zu betrachten.<br />
BOSCHMA (2005) unterschiedet etwa zwischen<br />
• geographischer<br />
• institutioneller<br />
• organisatorischer<br />
• gesellschaftlicher und<br />
• kognitiver Nähe.<br />
Geographische Nähe bezeichnet die rein physische Distanz zwischen Akteuren, sowohl in<br />
absoluter wie auch in relativer Hinsicht. So ist neben der reinen Distanz in Kilometern auch<br />
der individuell empfundene Aufwand <strong>für</strong> die Distanzüberbrückung ein relevantes Maß. Institutionelle<br />
Nähe bezieht sich auf die Makroebene des institutionellen Rahmens und entsprechender<br />
Regeln wie auch auf kulturelle Werte. Diese Form von Nähe ist am ehesten durch<br />
administrative Grenzen (Länder- und Staatengrenzen) abgegrenzt. Unterschiedliche institutionelle<br />
Rahmenbedingungen führen oftmals auch zu verschiedenen technologischen Paradigmen<br />
und Entwicklungspfaden (LUNDVALL, 1992).<br />
Organisatorische Nähe wird durch gemeinsame Denkschemata, organisatorische Routinen,<br />
eine gemeinsame „Kultur“ und einen ähnlichen Managementstil der Partner geprägt. Geringe
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 55<br />
organisatorische Nähe behindert Kooperationen durch divergierende Ziele und entsprechende<br />
Strategien, diese zu erreichen. Auch unterschiedliche Handlungsmuster und Kommunikationskulturen<br />
erschweren die Zusammenarbeit. Zunehmende organisatorische Distanz und Innovationserfolg<br />
stehen somit in einem klar negativen Zusammenhang (CUMMINGS 2003,<br />
BLIND 2011). Gesellschaftliche und kognitive Nähe beziehen sich auf die sozial eingebetteten<br />
Beziehungen der Akteure. Diese soziale Verankerung wird durch Vertrauen basierend auf<br />
Freundschaft und positiven gemeinsamen Erfahrungen verankert. Schwache Ausprägungen<br />
der verschiedenen Arten von Nähe wirken sich negativ auf kollektive Lern- und Innovationsprozesse<br />
aus. Nähe und die geographische Anordnung von Innovationsakteuren führen also<br />
zur Herausbildung von Innovationssystem auf unterschiedlichen räumlichen Maßstabsebenen.<br />
Die Rolle von <strong>IKT</strong><br />
Informations- und Kommunikationstechnologien ermöglichen eine umfangreiche und kurzfristige<br />
Partizipation von Kunden, Zulieferern, Wissenschaftlern oder Verwaltungsstellen an<br />
Innovationsprozessen, wodurch sich Transaktionskosten erheblich senken lassen. Insbesondere<br />
mit dem Web 2.0 und den damit verbundenen interaktiven und kollaborativen Qualitäten<br />
des Internets vergrößerten sich auch die Einsatzgebiete <strong>für</strong> eine Nutzung von Webtechnologien<br />
im Rahmen von Innovationsprozessen. So haben inzwischen Konsumenten die Möglichkeit,<br />
sich über interaktive Softwarelösungen an frühen Stadien des Innovationsprozesses eines<br />
Produktes zu beteiligen und somit auch die Rolle eines Produzenten zu übernehmen. Diese<br />
Doppelfunktion wird in Anlehnung an TOFFLER (1980) mit dem Begriff des Prosumenten<br />
umschrieben. Darüber hinaus ermöglicht das Internet, zentrale Datenhaltungen und lokale<br />
Anwendungen auf einzelnen Endgeräten sukzessive durch dezentrale Systeme abzulösen.<br />
Der technische Fortschritt im <strong>IKT</strong>-Segment und die breite gesellschaftliche Akzeptanz und<br />
Verwendung neuer <strong>IKT</strong> legt die Vermutung nahe, dass Nähe zwischen Kooperationspartnern<br />
eine immer geringere Bedeutung im Rahmen von Innovationsprozessen zukommt. Die hohe<br />
Bedeutung von Nähe und informellem Wissen wurde daher gerade in der jüngeren Vergangenheit<br />
zunehmend in Frage gestellt (CARRINCAZEAUX/CORIS 2011). Aktuelle Studien<br />
zeigen jedoch, dass die beschriebenen Formen von Nähe, einschließlich der geographischen,<br />
ein ungebrochen hohes Gewicht <strong>für</strong> den Innovationserfolg besitzen (SPEZIA 2010). Dies ist<br />
insbesondere zutreffend, wenn es um die Entwicklung von Produkten in technologisch komplexen<br />
Feldern geht. Dementsprechend ist nicht davon auszugehen, dass der intensive Gebrauch<br />
elektronischer Kommunikationsmittel die Wahrscheinlichkeit signifikant erhöht, dass<br />
ein Unternehmen mit anderen Partnern kooperiert und in Innovationsnetzwerke eingebunden<br />
ist. Wesentlich ist nach wie vor das Vorliegen von Nähe zwischen den Partnern. Sofern diese<br />
einmal aufgebaut wurde, kann jedoch die Nutzung von elektronischer <strong>IKT</strong>-Infrastruktur die<br />
Effizienz von Innovationsprozessen deutlich erhöhen und Transaktionskosten senken. Kennen<br />
sich also die jeweiligen Partner und haben eine entsprechende Vertrauensbasis miteinander,<br />
kann elektronische Kommunikation den Austausch von Informationen deutlich vereinfachen<br />
und beschleunigen. <strong>IKT</strong> erweitert somit den Raum der Möglichkeiten und die Wettbewerbsfähigkeit<br />
von Unternehmen.<br />
<strong>IKT</strong> können zudem neuere Formen von geographisch weitreichenden Innovationsprozessen<br />
nicht nur unterstützen, sie ermöglichen diese häufig erst. Im Jahr 2010 nutzte bereits jedes<br />
fünfte Unternehmen Web 2.0-Anwendungen <strong>für</strong> den interaktiven Austausch von Informationen,<br />
wobei sozialen Online-Netzwerken die höchste Bedeutung zukommt (vgl. ZEW 2010).
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 56<br />
Bezeichnender Weise nutzen IT-Technologien vor allem Unternehmen aus denjenigen Branchen,<br />
die selbst derartige Produkte entwickeln oder deren Produkte eine hohe Affinität zu <strong>IKT</strong><br />
aufweisen, wie Mediendienstleister und IT- und Kommunikationsdienstleister. Die Unternehmen<br />
dieser Branchen sind dementsprechend auch am besten mit moderner <strong>IKT</strong> ausgestattet.<br />
Beispiele, wie das Internet Innovationsprozesse unterstützen kann sind Crowdsourcing und<br />
Open Innovation. Open Innovation ist definiert als „the use of purposive inflows and outflows<br />
of knowledge to accelerate internal innovation and expand the markets for external use of<br />
innovation“ (CHESBROUGH et al 2006). Unternehmen gewinnen also Wettbewerbsvorteile<br />
durch die umfassende Nutzung externer Wissensressourcen und Ideengeber. Je größer und<br />
diversifizierter das externe Netzwerk, desto wahrscheinlicher dürften sich neue, unkonventionelle<br />
Ideen <strong>für</strong> Innovationen ergeben. Hier<strong>für</strong> bedarf es einer kosmopolitischen Gesellschaft,<br />
die offen ist <strong>für</strong> globale Kommunikation und den Austausch von Ideen. Akteure in regionalen<br />
Innovationssystemen (COOKE 1992) und <strong>Cluster</strong>n (PORTER 2002) nutzen häufig Formen<br />
von Open Innovation. Für die Einbindung dispers verteilter externer Partner in den Innovationsprozess<br />
ist das Internet eine wesentliche Basis. Dies gelingt speziell in frühen Stadien des<br />
Innovationsprozesses.<br />
Crowdsourcing wäre ohne das Internet als technische Basis nicht möglich. Dabei werden<br />
Aufgaben, die zuvor innerhalb des Unternehmens wahrgenommen wurden, nunmehr von einer<br />
großen, teils undefinierten Gruppe von Personen übernommen, die nicht zum Unternehmen<br />
zählen (HOWE 2006). In Verbindung mit Innovationsprozessen ist Crowdsourcing vor<br />
allem relevant <strong>für</strong> die Ideengenerierung, die Problemlösung und die Vorhersage oder Einschätzung<br />
bestimmter Sachverhalte oder Ereignisse (HOWE 2008). Hier<strong>für</strong> können entweder<br />
eine Auswahl von Personen oder auch undefinierte Gruppen, wie die gesamte Internetcommunity,<br />
eingebunden werden. Das Unternehmen nutzt in diesen Fällen the wisdom of the<br />
crowds <strong>für</strong> die Erweiterung des eigenen Horizontes. Crowdsourcing-Prozesse sind inzwischen<br />
professionell organisiert und werden durch eine virtuelle Crowdsourcing-Plattform unterstützt.<br />
Allerdings ist es nicht möglich, Aufgaben jedweder Komplexität und notwendiger<br />
Kreativität mit Hilfe von Crowdsourcing zufriedenstellend zu lösen (SCHENK/GUITTARD,<br />
2011).<br />
Informations- und Kommunikationstechnologien eröffnen vielfältige Möglichkeiten der Informationsgewinnung<br />
und des Wissensmanagements und immer mehr Unternehmen nutzen<br />
diese Möglichkeiten strategisch. Für Unternehmen, die ihre Innovationskraft aus einer intensiven<br />
externen Vernetzung ziehen, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, Innovationserfolge zu<br />
realisieren mit einer intensiven Nutzung aktueller <strong>IKT</strong> (TAMPE/HITT/BRYNJOLFSSON<br />
2012). <strong>IKT</strong> und hierunter insbesondere das Internet sowie damit verbundene Anwendungen<br />
sind jedoch nicht generell als Innovationsbeschleuniger zu betrachten. Vielmehr ist die sinnvolle<br />
Nutzung dieser Technologien begrenzt auf Prozesse wie Crowdsourcing oder auf Austausch<br />
mit Kooperationspartnern zu denen bereits ein Vertrauensverhältnis aufgebaut wurde.<br />
Dann führt das weltweite Netz zu deutlichen Effizienzgewinnen, auch im Rahmen von Innovationsprozessen.
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 57<br />
2.4 Fazit<br />
Informations- und Kommunikationstechnologien sind wesentlich <strong>für</strong> die wirtschaftliche Prosperität<br />
von Volkswirtschaften. Auch in Zukunft dürfte sich dies kaum ändern, selbst wenn<br />
sich der revolutionäre Charakter von <strong>IKT</strong> weiter abschwächen sollte. Denn die Einsatzbereiche<br />
sind schier endlos und die Innovationspotentiale dementsprechend groß.<br />
Auf der Anbieterseite ist eine weiter voranschreitende internationale Arbeitsteilung zu beobachten,<br />
was sich in einer weiteren Entkopplung von FuE und Produktion äußert. Deutschlands<br />
Marktvolumen <strong>für</strong> IT-Produkte liegt laut Angaben des Bundesverbandes der Informationswirtschaft,<br />
Telekommunikation und neue Medien e.V. (Bitkom) nach den USA, Japan und<br />
China weltweit an vierter Stelle. Diese hohe Nachfrage wird allerdings weitgehend durch<br />
Auslandsimporte bedient. Deutschland ist ein bedeutender Nachfrager, aber kein zentraler<br />
Anbieter von Informations-und Kommunikationstechnologie. Dementsprechend stagniert die<br />
Produktion von <strong>IKT</strong>-Produkten hierzulande oder ist in einigen Feldern sogar rückläufig. Auch<br />
der Anteil der <strong>IKT</strong>-Beschäftigten an der Gesamtbeschäftigung liegt, wie auch der Anteil der<br />
<strong>IKT</strong>-Wertschöpfung an der Gesamtwertschöpfung des Wirtschaftssektors, unter dem Durchschnittsniveau<br />
von OECD und EU.<br />
Deutlich größere Bedeutung kommt der <strong>IKT</strong>-Forschung in Deutschland zu. Die internen<br />
Aufwendungen der Unternehmen <strong>für</strong> Forschung und Entwicklung liegen nur im Fahrzeugbau<br />
über der Summe die <strong>IKT</strong>-Unternehmen <strong>für</strong> FuE aufwenden. Der hohe Anspruch und die<br />
Komplexität der in der <strong>IKT</strong>-Branche vollzogenen FuE werden dadurch deutlich, dass hier<br />
besonders hohe Anteile der Bruttowertschöpfung <strong>für</strong> Forschung und Entwicklung eingesetzt<br />
werden (vgl. KLADROBA/STENKE 2012). Allerdings ist der Anteil von Industrieunternehmen<br />
der <strong>IKT</strong>-Branche, die innerhalb eines Dreijahreszeitraumes Innovationsprojekte erfolgreich<br />
abschließen in den letzten Jahren rückläufig. Dementsprechend hat sich auch der Anteil<br />
<strong>IKT</strong>-bezogener Patente an allen nationalen Patentanmeldungen in Deutschland deutlich verringert.<br />
Diese Entwicklung haben fast alle entwickelten Volkswirtschaften vollzogen.<br />
Das deutsche Innovationssystem ist allerdings nicht auf Informations- und Kommunikationstechnologie<br />
spezialisiert. Die zentralen Anbieter sind weitgehend in anderen Ländern beheimatet.<br />
Allerdings integrieren deutsche Unternehmen auf intelligente und wettbewerbsfähige<br />
Art <strong>IKT</strong> in ihre Produkte. Diese Kombination verschiedener Technologien <strong>für</strong> neuartige Anwendungen<br />
oder <strong>für</strong> die signifikante Optimierung existierender Produkte ist ein zentraler Faktor<br />
<strong>für</strong> die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands. Ungeachtet dessen, steht die deutsche Volkswirtschaft<br />
unter Druck, selbst Leitanbieter <strong>für</strong> zukunftsfähige Spitzentechnologien zu sein.<br />
Informations- und Kommunikationstechnologien sind nicht nur Ergebnis von Innovationsprozessen,<br />
sondern können auch deren Gestalter sein. Wesentlich ist vor allem ihre Funktion <strong>für</strong><br />
die Wissensübermittlung sowie <strong>für</strong> das Wissens- und Prozessmanagement zwischen Partnern<br />
im Rahmen des Innovationsprozesses. Hierbei könnte <strong>IKT</strong> die Bedeutung räumlicher Nähe<br />
deutlich reduzieren und Informationen schneller fließen lassen. Allerdings haben empirische<br />
Studien gezeigt, dass sozio-kulturelle Formen von Nähe die Voraussetzung <strong>für</strong> einen vertrauensvollen<br />
Austausch von innovationsrelevantem Wissen sind. Diese spezifische Nähe muss<br />
zunächst geschaffen werden, damit <strong>IKT</strong> effizient eingesetzt werden können. Informations-<br />
und Kommunikationstechnologie allein ist somit keine ausreichende Basis <strong>für</strong> fruchtbare Innovationskooperationen<br />
und Innovationsprozesse. Ohne zuvor bestehende persönliche Kon-
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 58<br />
takte erhöht sich die Kooperations- und Innovationswahrscheinlichkeit durch den Einsatz von<br />
<strong>IKT</strong> nicht.<br />
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<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 61<br />
3. <strong>IKT</strong> als Modernisierungstreiber <strong>für</strong> die regionale Wirtschaft<br />
und das Handwerk<br />
Philipp Breidenbach+, Wolfgang Dürig+ und Christoph M. Schmidt+,++<br />
( + RWI, ++ Ruhr-Universität Bochum)<br />
Moderne Informations- und Kommunikationstechniken (<strong>IKT</strong>) sind in einem Dreiklang des<br />
wechselseitigen Zusammenspiels sowohl mit der regionalen Wirtschaft als auch dem Handwerk<br />
auf das Engste verbunden. So ist die Affinität der regionalen Wirtschaftsbranchen gegenüber<br />
<strong>IKT</strong> ein wichtiger Entwicklungsfaktor <strong>für</strong> den regionalen <strong>IKT</strong>-Sektor, aber gleichzeitig<br />
nehmen die Produkte des <strong>IKT</strong>-Sektors Einfluss auf die Entwicklung der regionalen Wirtschaft.<br />
Eine ähnliche Wechselbeziehung besteht zwischen <strong>IKT</strong> und dem Handwerk. So übernehmen<br />
oftmals Handwerksbetriebe die Endproduktinstallation von <strong>IKT</strong>, werden aber auch<br />
selbst durch <strong>IKT</strong>-Implementierung modernisiert. Vor allem kann das Handwerk als ein wichtiger<br />
Anker der Wirtschaft vor Ort den Praxisnutzen neuer <strong>IKT</strong>-Produkte bestmöglich abschätzen<br />
und deren Verbesserung selbst vorantreiben.<br />
Die Implikationen dieser wechselseitigen Beziehungen prägen den vorliegenden Beitrag. Der<br />
erste Abschnitt diskutiert zunächst die gesamtwirtschaftliche Bedeutung der <strong>IKT</strong>, der zweite<br />
analysiert mit Blick auf NRW die regionalen Aspekte dieser Diskussion. Bevor im vierten<br />
Abschnitt die Bedeutung des Handwerks als Anbieter und Nutzer von <strong>IKT</strong> erarbeitet wird,<br />
stellt der dritte Abschnitt die Lage des Handwerks in der regionalen Wirtschaft dar. Abschnitt<br />
fünf zieht ein kurzes Fazit, nicht zuletzt in Bezug auf wirtschaftspolitische Handlungsoptionen.<br />
3.1 Die gesamtwirtschaftliche Bedeutung von <strong>IKT</strong><br />
Die Nutzung von Techniken und Anwendungen der <strong>IKT</strong> ist in den vergangenen Jahren zu<br />
einer Sache des Alltags geworden. So hat das Statistische Bundesamt <strong>für</strong> die Bevölkerung der<br />
Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2011 ermittelt, dass 99,6 % der privaten Haushalte ein<br />
Telefon haben. Hierbei werden sowohl Festnetzanschlüsse (mit einer Ausstattungsquote von<br />
92,7 %) als auch Mobiltelefone (immerhin 90 %) berücksichtigt. Mit einem Personalcomputer<br />
(PC) sind 82 % der Bevölkerung ausgestattet, davon verfügen knapp 76 % über einen Internetanschluss<br />
(DESTATIS 2011a) 1 .<br />
Diese allumfassende Durchdringung mit <strong>IKT</strong> zeigt sich nicht nur auf Ebene der privaten<br />
Haushalte. Die <strong>IKT</strong>-Nutzung hat sich ebenso auf betrieblicher Ebene weitreichend durchgesetzt.<br />
In der Befragung „Unternehmen und Arbeitsstätten“ hat das Statistische Bundesamt<br />
unter anderem die Anzahl der Personen mit regelmäßiger Nutzung (mindestens einmal pro<br />
Woche) von Computern und des Internets ermittelt. Der Anteil der Beschäftigten, die regelmäßig<br />
mit einem Computer arbeiten, ist von etwa 46 % im Jahr 2003 auf 63 % im Jahr 2011<br />
gestiegen. Bei der Intensität der Internetnutzung ist ein noch stärkerer Anstieg zu verzeichnen:<br />
Während im Jahr 2003 mit 31 % nur knapp ein Drittel der Beschäftigten das Internet im<br />
1 Inwiefern darüber hinaus ein Internetanschluss über die Nutzung von Smartphones besteht, wird nicht ermittelt.
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 62<br />
Arbeitsalltag genutzt hat, sind dies im Jahr 2011 mit 54 % mehr als die Hälfte der Beschäftigten<br />
(DESTATIS 2011b) 2 .<br />
Eine zentrale Rolle bei dieser Entwicklung hat mit Sicherheit der sehr erhebliche Preisverfall<br />
in diesen Bereichen gespielt. Doch <strong>für</strong> die Unternehmen ist dabei nicht mehr nur die reine<br />
Ausstattung mit PC und Internetverbindung das entscheidende Kriterium, sondern auch die<br />
mögliche Übertragungsgeschwindigkeit wird immer wichtiger <strong>für</strong> moderne Techniken. Die<br />
den Unternehmen vertraglich zugesicherten Übertragungsraten haben sich in den vergangenen<br />
Jahren sehr stark erweitert, 46 % der Unternehmen verfügen über eine Internetverbindung mit<br />
10 MBit/s oder mehr (DESTATIS 2011b). Die Voraussetzungen, weiterentwickelte Techniken<br />
<strong>für</strong> Information und Kommunikation zu implementieren, sind somit in vielen Unternehmen<br />
gegeben.<br />
Diese weite Verbreitung von <strong>IKT</strong> in Unternehmen und Haushalten spiegelt sich auch in gesamtwirtschaftlichen<br />
Kennzahlen wider. In der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung<br />
(VGR) hatte die <strong>IKT</strong>-Branche im Jahr 2008 einen Anteil von 4,6 % an der gesamten Produktionsleistung<br />
der Wirtschaft (DESTATIS 2012b). Die Anzahl der Beschäftigten ist von 565<br />
000 im Jahr 2003 auf 643 000 im Jahr 2007 gestiegen, was einem Anstieg von 14 % entspricht.<br />
Dabei ist die Anzahl an Firmen in der Branche zur gleichen Zeit um knapp 29 % gestiegen,<br />
was <strong>für</strong> eine deutliche Diversifizierung spricht, die vermutlich mit einer weiteren<br />
Spezialisierung der Unternehmen verbundenen ist (DESTATIS 2012b).<br />
Diese Leistungswerte mögen <strong>für</strong> sich genommen bereits sehr eindrucksvoll sein. Doch zweifellos<br />
übersteigt die gesamtwirtschaftliche Bedeutung von <strong>IKT</strong> die direkte Wertschöpfung der<br />
<strong>IKT</strong>-Branche bei weitem (WELFENS 2011: 322). Insbesondere führen fortwährende Innovationen<br />
bei <strong>IKT</strong>-Produkten und Dienstleistungen zu Wachstumseffekten in der gesamten Wirtschaft.<br />
Somit können drei Entwicklungshorizonte ausgemacht werden, die durch <strong>IKT</strong> begründet<br />
werden. Zum ersten ist die direkte Wachstumswirkung, also das Wachstum der Branche<br />
selbst, zu berücksichtigen. Durch den zunehmenden Entwicklungs-, Anpassungs- und Implementierungsbedarf<br />
von Hard- und Software wächst die <strong>IKT</strong>-Branche stetig und trägt somit<br />
zum Wachstum der Gesamtwirtschaft erheblich bei.<br />
Zum zweiten führt die Implementierung von <strong>IKT</strong> in Betriebs-, Kommunikations- und Produktionsabläufe<br />
zu Effizienzsteigerungen und damit zur Generierung von gesamtwirtschaftlichem,<br />
branchenübergreifendem Wachstum. Innerbetriebliche Prozesse werden durch Einsatz<br />
von <strong>IKT</strong> stetig verbessert, von der Bestellung über die Produktion und Lagerung bis hin zu<br />
Auslieferung und Versand. Somit können Aufträge schneller und effizienter erfasst und bearbeitet<br />
sowie Vorgänge des internen Rechnungswesens automatisiert werden, wodurch es dem<br />
jeweiligen Betrieb ermöglicht wird, günstiger zu produzieren. Durch solche mit Hilfe von<br />
<strong>IKT</strong> erzielten Prozessoptimierungen können Güter und Dienstleistungen mit weniger Input<br />
erzeugt werden, sie entfalten also ihre Wirkung auf der Herstellerseite.<br />
Die dritte Wirkungsrichtung entsteht durch die Implementierung von <strong>IKT</strong> in bestehende Produkte<br />
und in bestehende Marktstrukturen. So kann insbesondere der Nutzen herkömmlicher<br />
Produkte durch die Verbindung mit <strong>IKT</strong> gesteigert werden. Ein Beispiel da<strong>für</strong> sind Haustechniken,<br />
wie z.B. Heizungen, Rollläden oder ähnliches, die durch eine Internetverbindung jederzeit<br />
auch extern gesteuert werden können. Gleiches gilt <strong>für</strong> Marktstrukturen: Die Verlage-<br />
2 Inwiefern dies auf eine verstärkte Nutzung des Internets in weiteren Berufen zurückzuführen ist, oder auf eine<br />
Verschiebung der Beschäftigungsverhältnisse hin zu PC- und Netz-affilierten Berufen, kann in diesem Zusammenhang<br />
nicht geklärt werden.
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 63<br />
rung herkömmlicher Angebote auf Internet-Plattformen, wie Tauschbörsen, Onlinehandel und<br />
Preisvergleiche erhöht die Markttransparenz und erlaubt ein friktionsärmeres Zusammenspiel<br />
von Angebot und Nachfrage. Diese Wirkung von <strong>IKT</strong> spielt sich demnach auf der Verbraucherseite<br />
ab.<br />
3.2 Die regionale Dimension der <strong>IKT</strong><br />
Die <strong>IKT</strong> sind nicht nur ein wichtiger gesamtwirtschaftlicher Faktor, sondern entfaltet vor allem<br />
auf der regionalen Ebene erhebliche Wirkungen. In diesem Beitrag wird diese regionale<br />
Perspektive durch einen gezielten Blick auf NRW fokussiert. Nordrhein-Westfalen ist im nationalen,<br />
aber durchaus auch im internationalen Vergleich einer der führenden Standorte <strong>für</strong><br />
<strong>IKT</strong>-Unternehmen. Etwa 140 000 Beschäftigte arbeiten in NRW in ca. 15 500 Unternehmen<br />
der Branche. Im Jahr 2007 wurde dabei ein Umsatz von 59 Mrd. Euro erwirtschaftet, der in<br />
den Folgejahren weiter gesteigert wurde (NRW.invest 2009). Neben den vielen kleinen und<br />
mittleren Unternehmen (KMU) der <strong>IKT</strong>, die in NRW beheimatet sind, haben auch die drei<br />
großen Telekommunikationsanbieter (Telekom, Vodafon und E-Plus) ihren Hauptsitz in diesem<br />
Bundesland. Zudem haben elf der 50 größten deutschen IT-Unternehmen ihren Hauptsitz<br />
ebenfalls in NRW (WELFENS 2011).<br />
Aus analytischer Sicht stellt sich zunächst die Frage, welche Vorteile NRW den Unternehmen<br />
aus der <strong>IKT</strong>-Branche in der Vergangenheit bieten konnte, sodass das Land zu diesem wichtigen<br />
nationalen Standort <strong>für</strong> <strong>IKT</strong> werden konnte. Eine mögliche Antwort darauf liefert ein<br />
Blick auf diejenigen Unternehmen, die besonders von Innovationen der <strong>IKT</strong>-Branche profitieren.<br />
Wie schon im vorherigen Abschnitt erörtert, bewirken Wachstum und Innovation im Bereich<br />
der <strong>IKT</strong> in der Konsequenz ein verstärktes Wachstum in vielen anderen Wirtschaftsbranchen.<br />
Die Logistik-, die Maschinenbau-, die Energie-, die Chemie- und Kunststoff- sowie<br />
die Gesundheits-Branche profitieren in besonderem Maße von <strong>IKT</strong> (NRW.invest 2009). All<br />
diese Branchen sind in der nordrhein-westfälischen Wirtschaft sehr stark vertreten, sodass<br />
Start-up-Unternehmen im Bereich der <strong>IKT</strong> in NRW durch die entsprechend hohe Nachfrage<br />
vergleichsweise große Wachstumspotenziale aufweisen.<br />
Für regionale Anbieter hat die Bildung von digitalen Netzwerken durch die verstärkte Nutzung<br />
von <strong>IKT</strong> eine zweischneidige Wirkung. Leistungen, die weitgehend unabhängig von<br />
räumlicher Nähe sind, können durch gute <strong>IKT</strong>-Anbindung weit entfernter Anbieter erbracht<br />
werden. <strong>IKT</strong> haben somit eine raumerweiternde Wirkung, sodass räumliche Einschränkungen<br />
weitgehend ihre Bedeutung verlieren. Für Unternehmen bedeutet dies also zum einen sowohl<br />
eine Erweiterung des Reservoirs der potenziellen Nachfrager, also eine Verbesserung ihrer<br />
Marktposition. Es ergibt sich zum anderen aber auch eine Verschärfung des Wettbewerbs<br />
durch die steigende Anzahl an Anbietern. Folgt man dieser Argumentation, dann verliert der<br />
Standort eines Unternehmens durch die stärkere Nutzung von <strong>IKT</strong> mehr und mehr an Bedeutung.<br />
Gärtner et al. (2003) kategorisieren die Bedeutung des Raumes am Beispiel von Netzwerken.<br />
Dabei zeigt sich allerdings, dass vollkommen digitale und damit vom Ort ihres Handelns<br />
losgelöste Industrien nur einen Teil der <strong>IKT</strong>-Welt darstellen. Dazu gehören als sehr<br />
prominente Beispiele Verkaufsplattformen wie amazon und ebay.<br />
Viele Netzwerke weisen aber neben der digitalen Komponente auch noch raumbezogene<br />
Elemente auf, <strong>für</strong> welche die räumliche Nähe zu Kunden, Anbietern oder Kooperationspartnern<br />
eine mehr oder weniger stark ausgeprägte Bedeutung haben. Diese hybriden Netzwerke,
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 64<br />
die sowohl digital als auch physisch bestehen, können vor allem fortwährend stärker spezialisierten,<br />
kleinen Unternehmen Vorteile verschaffen. Da<strong>für</strong> kann eine breite Palette an Beispielen<br />
gefunden werden. So können sich z.B. Fachanwälte zusammenschließen, die <strong>für</strong> ihre<br />
Mandanten eine Expertise zu einem breiten Themenspektrum anbieten können oder Ingenieurbüros,<br />
die hohe Einarbeitungskosten zu speziellen einzelnen Aspekten eines Projekts vermeiden,<br />
indem sie dazu eine Expertise von außen aus einem solchen Netzwerk abrufen. Dabei<br />
läuft die Anbahnung einer solchen Zusammenarbeit über digitale Netze ab, die Umsetzung<br />
wird dann aber meistens in einer realen Zusammenarbeit stattfinden.<br />
Unter diesem Aspekt ist NRW daher nicht zuletzt ein lukrativer Standort <strong>für</strong> eine tiefer greifende<br />
Nutzung von <strong>IKT</strong>-Anwendungen. Denn angesichts des Koordinierungsaufwands ist <strong>für</strong><br />
solche Netzwerke eine gewisse Bevölkerungsdichte notwendig, um die Vorteile aus kooperativem<br />
Handeln nutzen zu können. Sind die entsprechenden Kooperationspartner, in den Beispielen<br />
die Ingenieurbüros oder Anwaltskanzleien, in diesem Sinne räumlich zu weit auseinander<br />
gelegen, so mag der Mehrwert der Zusammenarbeit nicht mehr groß genug sein, um die<br />
aus der Entfernung erwachsenden Kosten aufzuwiegen. Die hoch verdichteten Regionen<br />
Nordrhein-Westfalens bieten gerade hier Vorteile im Gegensatz zu anderen Regionen der<br />
Bundesrepublik. In diesem Zusammenhang dürfte gerade das Handwerk besondere Vorteile<br />
solcher Kooperationen nutzen können. Denn moderne Handwerksleistungen sind häufig<br />
hochkomplex und setzen Wissen und Fertigkeiten mit verschiedensten Aspekten voraus. Dieser<br />
zentrale Bereich unserer Wirtschaft wir daher im Folgenden besonders beleuchtet.<br />
3.3 Handwerk in der Region<br />
Viele Handwerksleistungen gehören in Deutschland zur infrastrukturellen Grundausstattung<br />
einer jeden Region. Der Bäcker und Fleischer um die Ecke oder der Installateur aus der<br />
Nachbarschaft, der kurzfristig einen Rohrbruch beseitigt, sind hierzulande eine Selbstverständlichkeit.<br />
Nach der jüngsten Erhebung waren im Jahr 2009 in Nordrhein-Westfalen gut<br />
111 000 Handwerksunternehmen mit etwa 1,05 Mio. Beschäftigen tätig, die einen Umsatz<br />
von 99 Mrd. Euro erzielten (it.nrw 2012). Damit gehörten 14 % aller im Unternehmensregister<br />
erfassten Unternehmen zum Handwerk. Zudem waren somit 19 % aller sozialversicherungspflichtig<br />
Beschäftigten in NRW in einem Handwerksunternehmen angestellt. Das<br />
Handwerk stellt also einen bedeutsamen Teil der gewerblichen mittelständischen Wirtschaft<br />
in Nordrhein-Westfalen dar.<br />
Der Begriff des Handwerks kennzeichnet keine Branche im Sinne der Wirtschaftszweigsystematik<br />
der Statistischen Ämter. Es umfasst vielmehr eine sehr heterogene Gruppe von Unternehmen,<br />
welche durch die Eintragung in die Handwerksrolle formal-juristisch definiert<br />
wird. Für eine Auseinandersetzung über die wirtschafts- und regionalpolitische Bedeutung<br />
des Handwerks ist die Legaldefinition jedoch ungeeignet. Vielmehr wird zu diesem Zweck<br />
eine wissenschaftlich anerkannte Abgrenzung nach ökonomischen Kriterien benötigt. Doch<br />
solch eine Definition, die der Vielschichtigkeit des Handwerkssektors gerecht wird und eine<br />
trennscharfe Abgrenzung gegenüber anderen Wirtschaftsbereichen (z.B. zur mittelständischen<br />
Industrie) erlaubt, liegt leider nicht vor.
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 65<br />
Allerdings gibt es Merkmale, mit denen man sich einem ökonomischen Handwerksbegriff<br />
annähern kann. So ist das Handwerk überwiegend kleinbetrieblich strukturiert 3 und weist<br />
damit Besonderheiten in der Produktion und Organisation auf. Hierzu zählen die häufig anzutreffende<br />
personelle Einheit von Eigentümer und Unternehmensleiter, seine unmittelbare<br />
Teilnahme am Betriebsgeschehen, die fehlende Trennung von Management- und Produktionsbereich<br />
und ein geringer Grad der Arbeitsteilung. Aus diesem Grund spricht man auch von<br />
„personalem Wirtschaften“ im Handwerk (WERNET 1965: 73), bei dem es stark auf persönlich<br />
geprägte Beziehungen zu Personal, Lieferanten und Kunden ankommt. Weiterhin sind<br />
Handwerksbetriebe im Durchschnitt wenig kapitalintensiv, da<strong>für</strong> aber eher arbeits- und humankapitalintensiv<br />
(RUDOLPH 1997: 74).<br />
Ein Großteil des Tätigkeitsfeldes handwerklicher Angebote besteht aus Individualleistungen<br />
mit Überschneidungen zum Dienstleistungsbereich und zum Verarbeitenden Gewerbe. Das<br />
Handwerk gliedert sich dabei typischerweise komplementär in die jeweiligen Wertschöpfungsketten<br />
eines Marktsegments ein. Dies gilt z.B. <strong>für</strong> den Vertrieb und den After-Sales-<br />
Service bei industriellen Produkten, <strong>für</strong> Einzel- und Kleinauflagen bei massenuntauglichen<br />
Produkten sowie <strong>für</strong> Aufgaben des Wartens, Pflegens, Überwachens oder Reparierens (Friseurhandwerk,<br />
Gesundheitshandwerke), die eine Nähe zum Kunden erfordern. Handwerksbetriebe<br />
erfüllen gegenüber privaten Haushalten sowie gewerblichen und öffentlichen Auftraggebern<br />
eine Versorgungsfunktion, im produzierenden Bereich sind sie häufig Bindeglied zu<br />
Industrieunternehmen (Zulieferer). Diese Tätigkeiten sind im hohen Maße variabel und erfordern<br />
meistens den direkten Kontakt zum Auftraggeber bzw. die Problemanalyse vor Ort.<br />
Unternehmen des Handwerks leisten mit ihrer stark regional ausgerichteten Absatz- und Bezugsverflechtungen<br />
zudem häufig einen Beitrag zur regionalen Wirtschaftsentwicklung (RU-<br />
DOLPH 1997: 82). In dieser Funktion wirkt das Handwerk sowohl stabilisierend als auch<br />
durch die Einbindung in regionale Innovationsprozesse dynamisierend. Hier berät, installiert,<br />
wartet und verkauft das Handwerk technische Neuerungen und sorgt somit <strong>für</strong> eine Diffusion<br />
des technischen Fortschritts. Diese Zusammenhänge werden in Abbildung 29 verdeutlicht.<br />
Empirisch zeigt sich diese enge regionale Bindung daran, dass der Absatzradius in der Regel<br />
unter 50 km liegt. Nur 3,5 % des handwerklichen Umsatzes wird im Ausland erwirtschaftet<br />
und lediglich 7,2 % der Handwerksbetriebe sind im Ausland tätig (MÜLLER 2008).<br />
Abbildung 17: Regionalwirtschaftliche Ziele und der mögliche Beitrag von<br />
Handwerksunternehmen<br />
Beitrag des Handwerks zum/r regionalen...<br />
Wachstum Ausgleich Stabilisierung<br />
Ausbildung und Qualifizierung von<br />
Arbeitskräften (Humankapitalbildung)<br />
Herausbildung von Unternehmerpersönlichkeiten<br />
durch Vielfalt in Beschäftigung<br />
und Ausbildung<br />
Allgemeine Versorgungsfunktion und<br />
Sicherung der Lebensqualität in ländlichen<br />
Regionen<br />
Hoher Humankapital- und niedriger<br />
Finanzkapitalbedarf<br />
neuer Beschäftigung<br />
zur Schaffung<br />
Aufbau regionaler Beschäftigung<br />
durch Gründungen und Wachstum<br />
junger Unternehmen<br />
Vergleichsweise verhaltene Arbeitskraftfreisetzung<br />
in rezessiven Phasen<br />
3<br />
Ende 2009 waren in NRW durchschnittlich neun Personen je Handwerksunternehmen tätig. Immerhin 58 % der<br />
Unternehmen hatten lediglich bis zu 5 Beschäftigte.
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 66<br />
Stärkere Nutzung regionaler Ressour-<br />
cen (Arbeitskräfte, Rohstoffe, Betriebs-<br />
stoffe) statt Importe<br />
Positiver Umwelteffekt durch innerregionale<br />
und kurze Wirtschaftskreisläufe<br />
Überwiegend regionale Gewinnverwendung<br />
Individualisierte Anpassung standardisierter<br />
Produkte, Prozesse und Technologien<br />
Beitrag zu Innovationen und kreativen<br />
Lösungen als Entwicklungspartner<br />
mit spezifischem Know-how<br />
Einkommensentstehung in peripheren<br />
Regionen<br />
Regionale Besetzung von ungenutzten<br />
Marktnischen<br />
Diversifikation der regionalen Wirtschaftsstruktur<br />
aufgrund heterogener<br />
Branchenstruktur<br />
Effektive Nutzung von Innovationen<br />
bis zum Ende des Produktzyklus.<br />
Abschwächung negativer Auswirkungen<br />
funktionsräumlicher Arbeitsteilung<br />
in der Peripherie<br />
Räumliche Verbreitung neuer Technologien<br />
(Diffusion durch Verkauf und<br />
Installation).<br />
Quelle: In Anlehnung an RUDOLPH 1997: 126/127 mit eigenen Abänderungen und Ergänzungen.<br />
Trotz der zweifellos vorhandenen Marktzutrittsbarrieren in den zulassungspflichtigen Handwerken<br />
herrscht auf den jeweiligen Märkten intensiver Wettbewerb (RWI 2012). Dabei stehen<br />
Handwerksunternehmen immer stärker in Konkurrenz zur flexibler gewordenen industriellen<br />
Produktion, die ihre günstigeren Produkte vermehrt auch variantenreicher herstellt<br />
(Mass customization). Hiervon sind einige Marktbereiche berührt, die vormals überwiegend<br />
dem Handwerk vorbehalten waren. Nicht zuletzt sind die Konsumenten heutzutage eher bereit,<br />
ein Neuprodukt zu erwerben, als es durch ein Handwerksunternehmen reparieren zu lassen<br />
(z.B. Radio- und Fernsehtechnik, Haushaltsgeräte etc.).<br />
Darüber hinaus hat der technische Fortschritt in vielen Bereichen dazu geführt, dass einige<br />
handwerkliche Leistungen auch ohne entsprechende Ausbildung erbracht werden können 4 .<br />
Durch die fortwährende Technisierung stehen Handwerksunternehmen unter zunehmenden<br />
Wettbewerbsdruck, der sie zu Produktivitätssteigerungen zwingt. Handwerksunternehmen<br />
müssen also ebenfalls in zunehmenden Umfang Technik einsetzen, die zunächst einmal wenig<br />
mit dem ursprünglichen Erscheinungsbild des Handwerks zu tun hat (DÜRIG 2011). Dieses<br />
Erfordernis geht häufig mit dem Einsatz von <strong>IKT</strong> einher, wodurch sich möglicherweise auch<br />
die Rolle ändert, die das Handwerk in der Region spielt. Es stellt sich somit die Frage, wie das<br />
Handwerk mit dieser Herausforderung umgeht und ob es von diesem Trend in der Quintessenz<br />
eher Nachteile oder Vorteile zu erwarten hat.<br />
4 Heimwerker informieren sich im Internet darüber, wie Handwerksleistungen in Eigenarbeit durchgeführt werden<br />
können. Hier gibt es ausführliche Anleitungen und Videos, die Schritt <strong>für</strong> Schritt die erforderlichen Arbeitsschritte<br />
veranschaulichen.
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 67<br />
3.4 Handwerk als Anbieter und Nutzer von <strong>IKT</strong><br />
3.4.1. <strong>IKT</strong>-Leistungsangebote des Handwerks<br />
Das Handwerk ist nicht nur Nutzer, sondern – insbesondere das Informationstechnikerhandwerk<br />
– auch Anbieter von <strong>IKT</strong>. So gab es im Jahr 2009 mehr als 7 000 Handwerksunternehmen<br />
in NRW, die als Informationselektroniker im Unternehmensregister erfasst wurden. Sie<br />
beschäftigten über 46 000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte und erzielten einen Umsatz<br />
von 5,9 Mrd. Euro. Mit der Schaffung dieses neuen handwerklichen Berufsbildes im Jahre<br />
1998 wollte man zum einen den sich herausbildenden Markt <strong>für</strong> Computertechnik ordnen<br />
(Schaffung eines Ausbildungsberufes, Einbindung von „Freelancern“ und „wilden“ Werkstätten)<br />
und zum anderen dem Handwerk den Zugang zu einem Wachstumsmarkt ermöglichen. 5<br />
Dies ist nur begrenzt gelungen. Aufgrund der historischen Wurzeln dieses Berufes sind die<br />
Betriebe teilweise immer noch stark in ihren früheren Berufsbereichen (Radio- und Fernsehtechnik<br />
oder Bürotechnik) tätig. Nach wie vor gibt es auf diesem dynamischen Markt, der<br />
durch hohe Fluktuation und raschen technischen Wandel gekennzeichnet ist, eine Vielzahl<br />
von nicht-handwerklichen Betrieben, die <strong>IKT</strong>-Dienstleistungen anbieten.<br />
Mit der Einrichtung von IK-Technik sind weitere handwerkliche Berufe (indirekt) befasst:<br />
• So haben sich einige Elektrotechniker auf <strong>IKT</strong>-Angebote spezialisiert, obwohl sie insgesamt<br />
in diesem Segment nur einen kleinen Teil ihres Umsatzes erzielen.<br />
• Im handwerksähnlichen Gewerbe sind zudem die Betonbohrer und -schneider sowie<br />
die Kabelverleger im <strong>IKT</strong>-Bereich tätig (Verkabelung, Einrichten von Netzwerken).<br />
• Auch die Fernmeldeanlagenelektroniker sind dem <strong>IKT</strong>-nahen Handwerk zuzurechnen.<br />
�<br />
Insgesamt ist das Handwerk zwar als Anbieter von <strong>IKT</strong>-Leistungen präsent, jedoch ist es<br />
Handwerksunternehmen nicht gelungen, in diesem Markt eine wirklich starke Position zu<br />
erlangen. <strong>IKT</strong> sind eine Querschnittstechnologie, deren Anwendung sich nicht auf eine Branche<br />
oder eine Produktionsart beschränkt, sondern die alle Bereiche der Gesellschaft und der<br />
Wirtschaft durchdringt. Entsprechend heterogen ist dieser Markt und entsprechend vielfältig<br />
und spezialisiert die Anbieter. Die charakteristischen Merkmale des Marktes (hoher Individualisierungsgrad,<br />
selbstorganisierende und temporäre Gruppenbildung, kreative Arbeit ohne<br />
Beschränkung durch fest organisierte Strukturen) sind zudem nur bedingt mit dem traditionellen,<br />
konturierenden Milieu des Handwerks zu vereinbaren. Gleichwohl bietet sich <strong>für</strong> Handwerksunternehmen<br />
nicht zuletzt wegen der umfassenden und fundierten Qualifikation ihrer<br />
Beschäftigten ein breites Betätigungsfeld, insbesondere bei der Einrichtung von Netzwerken<br />
und bei der Reparatur. In diesen fundamentalen Funktionsbereichen von <strong>IKT</strong> können Handwerksbetriebe<br />
ihre Vorteile der Fachkompetenz und Kundennähe nutzen.<br />
�<br />
�Für die selbständige Ausübung dieses Berufes im Bereich EDV-Service oder EDV-Wartung ist der Meisterbrief<br />
erforderlich.�<br />
�<br />
�Die Ausbildungsordnung <strong>für</strong> Fernmeldeanlagenelektroniker/innen wurde am 01. August 2003 außer Kraft<br />
gesetzt. Der Beruf ging in dem Nachfolgeberuf Elektroniker auf.�
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 68<br />
3.4.2. Innerbetrieblicher Einsatz von <strong>IKT</strong> im Handwerk<br />
Bei der Anwendung von <strong>IKT</strong> im Handwerk ist zwischen der internen und externen Nutzung<br />
zu unterscheiden (Abbildung 30) 7 . Intern haben inzwischen Softwareprogramme eine große<br />
Bedeutung erlangt, die in allen betrieblichen Funktionsbereichen wie Leitungsfunktion, Beschaffungsfunktion,<br />
Fertigungsfunktion, Vertriebsfunktion, Personalfunktion und Finanzierungsfunktion<br />
eingesetzt werden können. Die Vorteile sind hier leicht erkennbar: Zeitgewinn<br />
und jederzeit verfügbare Informationen über das Betriebsgeschehen. Dies ist insbesondere in<br />
kleinen und mittleren Unternehmen bedeutsam, weil hierdurch eine deutliche Entlastung <strong>für</strong><br />
den Betriebsleiter oder Inhaber erreicht werden kann. Zwischenzeitlich haben sich zahlreiche<br />
Softwareanbieter etabliert, die speziell auf einzelne Handwerkszweige und Unternehmen zugeschnittene<br />
Programme <strong>für</strong> alle innerbetrieblichen Anwendungsbereiche entwickelt haben.<br />
<strong>IKT</strong> haben dazu beigetragen, dass sich bereits in vielen Handwerksbetrieben die innerbetrieblichen<br />
Prozesse verändert haben. Einige Beispiele können das verdeutlichen. Im Baugewerbe<br />
kommt es darauf an, dass unterschiedliche Gewerke während eines längeren Bauerstellungsprozesses<br />
möglichst friktionslos zusammenwirken. Bei der Abstimmung zwischen den Bauhandwerkern,<br />
der rechtzeitigen Bereitstellung von Baumaterialien sowie der fortlaufenden<br />
Baufortschrittskontrolle konnten mit Hilfe der <strong>IKT</strong> deutliche Verbesserungen umgesetzt werden<br />
(RKW 2011). Bei den Heizungstechnikern hat sich in den vergangenen Jahren durch die<br />
Entwicklung energiesparsamer und emissionsarmer Heizanlagen ein beachtlicher technischer<br />
Wandel vollzogen. Bei der Wartung und Installation dieser Anlagen ist häufig der Kontakt<br />
zwischen Handwerker und Kesselbauer erforderlich. Auch hier kommen <strong>IKT</strong> zum Einsatz<br />
(ENTZIAN/BLOCHMANN 2012).<br />
7 Dabei sind die Übergänge durch die Vernetzung interner und externer <strong>IKT</strong> inzwischen häufig fließend, sodass<br />
eine Trennung nicht exakt vorgenommen werden kann.
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 69<br />
Abbildung 18: <strong>IKT</strong> und Handwerk<br />
Handwerk als Anbieter<br />
von <strong>IKT</strong> - Leistungen<br />
Computerverkauf und<br />
-reparatur<br />
Handwerk als Nutzer von <strong>IKT</strong><br />
Intern Extern<br />
Betriebsmittel Kommunikationsmittel<br />
Produktion, Entwicklung,Gestaltung<br />
�<br />
Lieferanten Kunden<br />
Passiv<br />
Werbung im<br />
Internet; Firmenpräsentation,<br />
Webseite<br />
Webdesign Personalwesen Bestellwesen Newsletter<br />
Softwareanpassungen Rechnungswesen,<br />
Buchhaltung<br />
Netzwerkeinrichtungen<br />
Verkabelung Beschaffung,<br />
Lagerhaltung<br />
….. Steuerung von<br />
Filialen<br />
� Dokumentation/<br />
Qualitätssicherung<br />
Übermittlung von Spezifikationen,<br />
Daten<br />
Interaktiv<br />
Logistik ICT basierte Kooperationen Auktionen, Versteigerungen<br />
(Myhammer)<br />
Fallbezogen Verkauf über<br />
Internet, B2B,<br />
B2C<br />
Dauerhaft Öffentliche Auftraggeber<br />
Elektronische<br />
Auftragsvergabe<br />
Unternehmensübergreifender<br />
Austausch<br />
� Internet-Banking Beteiligung an Chats<br />
zu fachlichen Themen (z.B.<br />
neue Normen, neue technische<br />
Regeln)<br />
� Präsentation,<br />
Außendarstellung<br />
� Korrespondenz …..<br />
� Informationsbeschaffung<br />
soziale Netzwerke, Werbegemeinschaften<br />
Gewerbliche<br />
Kunden<br />
Entwicklungspartnerschaften<br />
z.B. handwerklicher<br />
Zulieferer<br />
>< Industrie<br />
….<br />
�
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 70<br />
Die kleinbetrieblichen Strukturen und die regionale Verankerung des Handwerks legen kooperative<br />
Aktivitäten nahe. Sie dienen ebenfalls der Optimierung der betrieblichen Prozesse<br />
und damit der Produktivitätssteigerung sowie der Verbesserung der Unternehmen-<br />
Lieferanten-Beziehung. Zu unterscheiden sind<br />
• Zwischenbetriebliche Kooperationen zwischen Handwerksbetrieben desselben Gewerks:<br />
So sind z.B. im Reparaturhandwerk Einkaufsgemeinschaften entstanden, deren<br />
Mitglieder die Lagerhaltungskosten <strong>für</strong> Ersatzteile dadurch senken, dass sie sich jeweils<br />
auf bestimmte Marken spezialisieren und gegebenenfalls erforderliche Teile untereinander<br />
austauschen. Auch dies erfolgt <strong>IKT</strong>-gestützt.<br />
• Kooperationen zwischen Handwerksbetrieben unterschiedlicher Gewerke (z.B. im<br />
Baugewerbe): Zu nennen sind hier projektbezogene Arbeits- und Bietergemeinschaften,<br />
die sich um Aufträge bewerben, die sie alleine nicht bewältigen können. Auch<br />
hier hilft die <strong>IKT</strong>, um schnell entsprechende Angebote zu konzipieren. Diese Kooperationen<br />
gewinnen allein schon deshalb an Bedeutung, weil z.B. öffentliche Auftraggeber<br />
zunehmend die Auftragsvergabe elektronisch vornehmen.<br />
• Industrie-Handwerk Kooperationen: Im handwerklichen Zulieferwesen sind es überwiegend<br />
die meist mächtigen Kunden aus der Industrie, die von den Unternehmen verlangen,<br />
die Kommunikation auf elektronischem Wege durchzuführen. Dies gilt insbesondere<br />
dort, wo "just-in-time"-Belieferungen gefordert sind.<br />
• FuE-Kooperationen: Innovationsprozesse sind heute vielfach in Form der Zusammenarbeit<br />
verschiedener Beteiligter ausgestaltet, beispielsweise von Forschungseinrichtungen,<br />
großen Industrieunternehmen, Designerbüros und nicht zuletzt auch Handwerksbetrieben.<br />
Diese Entwicklungsgemeinschaften können heutzutage nur dann erfolgreich<br />
arbeiten, wenn sie einen ständigen Daten- und Informationsaustausch pflegen.<br />
Diese Liste der Beispiele <strong>für</strong> die Nutzung von <strong>IKT</strong> in Handwerksbetrieben ließe sich<br />
problemlos fortführen. Gleichwohl ist hierbei immer auch zu bedenken, dass die Anwendung<br />
moderner Techniken im Handwerk nicht gleichverteilt ist. Nicht jeder<br />
Handwerksbetrieb ist bereit oder in der Lage, aktuellen Trends der Technik zu folgen.<br />
3.4.3. Marktbezogene Bedeutung von <strong>IKT</strong> im Handwerk<br />
<strong>IKT</strong> verändern Marktbeziehungen, insbesondere im Hinblick auf die Kommunikation von<br />
Unternehmen mit ihrer Umwelt (z.B. Kunden, Lieferanten, Behörden). Viele Kommentatoren<br />
des Geschehens sehen dabei in erster Linie Vorteile in der Anwendung von <strong>IKT</strong> durch kleine<br />
und mittlere Unternehmen. Im Vordergrund steht hierbei das Argument, dass KMU durch<br />
<strong>IKT</strong> in die Lage versetzt werden, ihre Absatzradien zu vergrößern. Dies geschieht dadurch,<br />
dass sie auf Webseiten ihre Leistungsprofile darstellen und einem größeren Publikum zugänglich<br />
machen können, als es durch direkten Kontakt in ihrem angestammten regionalen Umfeld<br />
möglich wäre. Diesen Vorteil genießen somit in besonderem Maße auch die Unternehmen des<br />
Handwerks.<br />
Doch wie unter dem Gesichtspunkt der raumerweiternden Wirkung in Abschnitt 2 bereits<br />
dargestellt wurde, führt dies auf der anderen Seite zu überregionalem Wettbewerb und letztlich<br />
dem Wegfall gewisser geschützter Märkte (BARTHEL 2005: 73). Die Transparenz der<br />
Märkte hat sich erhöht, die Verbraucher sind über Vergleichsangebote besser informiert und
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 71<br />
setzen dieses Wissen in den Preisverhandlungen mit dem örtlichen Handwerker tendenziell<br />
stärker ein. Viele Fachgeschäfte und Handwerksunternehmen beklagen zudem, dass Kunden<br />
ihre Beratung in Anspruch nehmen, sich Angebote erstellen lassen und anschließend dann<br />
doch den Kauf über das Internet tätigen.<br />
Das Internet verändert somit die Marktbeziehungen zwischen Kunden und Handwerksunternehmen<br />
in vielschichtiger Art und Weise. Im Handwerk betrifft dies insbesondere den wichtigen<br />
Bereich der Auftragsakquise. Das Werben und Bemühen um Kunden ist aufwändig und<br />
angesichts der begrenzten Ressourcen <strong>für</strong> Handwerksbetriebe eine Herausforderung. Hier<br />
bieten sich ebenfalls <strong>IKT</strong>-gestützte Hilfen an, die in neuen Formen der zwischenbetrieblichen<br />
Kooperation ihren Ausdruck finden. Folgende Beispiele von Kooperationen mit nichthandwerklichen<br />
Unternehmen sollen das verdeutlichen:<br />
• Für viele Handwerksunternehmen ist es vorteilhaft, dauerhaft <strong>für</strong> bekannte Kunden zu<br />
arbeiten, wie es umgekehrt Auftraggeber schätzen, mit Handwerksunternehmen zusammenzuarbeiten,<br />
die sie kennen. Im Bauhandwerk sind es vor allem Wohnungsbaugesellschaften<br />
und Generalunternehmer, die <strong>IKT</strong>-gestützt Aufträge an gelistete Handwerker<br />
vergeben, die als Gegenleistung <strong>für</strong> die regelmäßig Beauftragung rund um die<br />
Uhr erreichbar sind (Hausmeisterdienste) und diese Kunden entsprechend zügig und<br />
bevorzugt bedienen.<br />
• In den vergangenen Jahren haben vor allem Handelsbetriebe (z.B. Baumärkte) die<br />
Chance erkannt, durch Vermittlung von Handwerksleistungen ihren Kunden einen zusätzlichen<br />
Service anzubieten. Auch hier erfolgen die Kontakt- und Auftragsvermittlung<br />
und die Geschäftsanbahnung zumeist auf elektronischem Wege, nicht selten auf<br />
Provisionsbasis.<br />
Nachteil solcher Kooperationen kann die Abhängigkeit vom „Auftragsvermittler“ sein, durch<br />
die der Wettbewerbsvorteil des direkten Kundenkontaktes beeinträchtigt wird.<br />
Eine Stufe über das Bereitstellen von Information hinaus reicht die Möglichkeit <strong>für</strong> KMU,<br />
Online-Geschäfte abzuwickeln, also mit Produkten zu handeln oder Aufträge entgegenzunehmen.<br />
Zahlreiche Untersuchungen befassen sich mit der Frage, welche Produkte sich <strong>für</strong><br />
den Internethandel eignen (WINKLER 2010). Ein wichtiges Merkmal ist offenbar Homogenität<br />
und Vergleichbarkeit. Produkte, die sich exakt beschreiben lassen und somit dem Kunden<br />
einen Eindruck von Qualität und Eigenschaften vermitteln, gehören zu den am häufigsten<br />
online verkauften Waren. In diesen Segmenten gelingt es auch dem Handwerk, seine traditionellen<br />
Marktgrenzen zu verlassen und den Absatzradius zu erweitern.<br />
Noch einen Schritt weiter sind solche Handwerksunternehmen, welche die Möglichkeiten der<br />
wechselseitigen Kommunikation nutzen, die über das ausschließliche Bereitstellen von Informationen<br />
hinausgeht (Interaktivität, Web 2.0). Hierdurch sind Rückkoppelungsprozesse<br />
zwischen (potenziellen) Kunden und Handwerksunternehmen möglich, die insbesondere bei<br />
individualisierten Bedarfen vorteilhaft sind. In einer Untersuchung des RWI wird die Vermittlung<br />
von Aufträgen über Internet-Auktionsplattformen mithilfe der Daten eines Jahres der<br />
Internetplattform Myhammer.de analysiert (RWI 2012). 8 Die wichtigsten Befunde hierzu sollen<br />
nachstehend dargestellt werden.<br />
�<br />
�Analysiert wurde der Datensatz <strong>für</strong> den Zeitraum 01. Juli 2009 bis 30. Juni 2010 (RWI 2012, PEISTRUP<br />
et al. (2012: 78ff).�
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 72<br />
3.4.4. Auktionsplattplattformen und ihre mögliche Bedeutung <strong>für</strong> das Handwerk<br />
Seit dem Jahr 2005 besteht – neben anderen Anbietern – die Internetplattform „myhammer.de“.<br />
Auf der Webseite werden Wünsche nach Dienstleistungen aller Art von privaten<br />
Haushalten oder Unternehmen online publiziert. Hierauf können sich Anbieter bewerben und<br />
über die Internetseite Kontakt zu dem (potenziellen) Kunden aufnehmen. Eine erfolgreiche<br />
Kontaktaufnahme ist unter anderem davon abhängig, wie präzise der Auftraggeber seine Leistungswünsche<br />
beschreibt. Der Anbieter bewirbt sich um den Auftrag, in dem er hier<strong>für</strong> einen<br />
Preis aufruft. Findet dieses Angebot bei dem Inserenten Interesse, dann kann er über die Internetseite<br />
nähere Angaben über den Anbieter erlangen (Leistungsfähigkeit, Qualifikation,<br />
Zulassungen, Empfehlungen etc.).<br />
Einem Vertragsabschluss gehen in der Regel mehr oder minder umfangreiche Rückkoppelungen<br />
voraus, in denen die konkreten Bedingungen ausgehandelt werden. Kommt es zur Einigung,<br />
dann erfolgt der Vertragsabschluss ebenfalls online über die Internetseite. Nach Abschluss<br />
der Arbeiten haben die Kunden die Möglichkeit, die Dienstleister zu bewerten. In dem<br />
Spektrum der nachgefragten Dienstleistungen spielen Handwerksleistungen eine nicht unbedeutende<br />
Rolle. In einer Untersuchung des RWI (2012) wurden räumliche Verteilungs- und<br />
Beziehungsmuster der Auktionen anhand der Postleitzahlen untersucht. Hierbei interessierte<br />
insbesondere, ob Auktionsplattformen grundsätzlich geeignet sind, die Austauschprozesse<br />
zwischen Anbietern und Nachfragern aus urbanen oder ländlichen Räumen zu verändern. Außerdem<br />
wurde der Frage nachgegangen, welche Faktoren über die Auftragsvergabe entscheiden<br />
(z.B. Preis oder Profildarstellung des Anbieters). Zusätzlich wurde der Aspekt beleuchtet,<br />
welche betriebstypischen Merkmale Handwerksbetriebe aufweisen, die sich an derartigen<br />
Auktionsverfahren beteiligen.<br />
Die Auswertung der Daten der Auktionsplattform „myhammer.de“ hat unter anderem ergeben,<br />
dass die Durchschnittsentfernung zwischen dem Standort des Auftraggebers und des<br />
Auftragnehmers mit 105 km deutlich über dem gewöhnlich bei Handwerksbetrieben festzustellenden<br />
Absatzradius von 50 km liegt. Von der Auftragsvermittlung über das Internet haben<br />
Handwerksunternehmen aus ländlichen Räumen in besonderem Maße profitiert und Kunden<br />
in den städtischen Regionen erfolgreich ansprechen können. Außerdem konnte festgestellt<br />
werden, dass Anbieter mit dem Nachweis einer qualifizierten Handwerksausbildung<br />
(Meister oder Geselle) höhere Chancen haben, Aufträge zu akquirieren als andere Anbieter.<br />
Dies gilt insbesondere bei höherwertigen Aufträgen ab 1 000 Euro. Von allen erfassten<br />
Handwerksaufträgen wurden 38 % an Meisterbetriebe, 33 % an Gesellenbetriebe und 29 % an<br />
andere Anbieter vergeben. Hieraus kann die Schlussfolgerung gezogen werden, dass die Auftragsvergabe<br />
über das Internet nicht ausschließlich vom niedrigen Preis, sondern in starkem<br />
Maße auch von der dargestellten Qualifikation der Anbieter abhängt (RWI 2012; Preistrup<br />
et al. 2012: 81ff). Internetplattformen schaffen somit nicht nur eine größere Transparenz des<br />
Angebots, sondern sie ermöglichen Handwerksbetrieben mit wenig begünstigen Standorten<br />
zusätzliche Wachstumschancen.<br />
3.4.5. Adoption von <strong>IKT</strong> in Handwerksbetrieben<br />
Die interne Nutzung von <strong>IKT</strong> weist in den Handwerksunternehmen große Spannweiten auf.<br />
Eine grundlegende Computerausstattung ist allerdings inzwischen Standard. Eine aktuelle<br />
Untersuchung kommt jedoch zudem Schluss, dass die Adoptionsrate der Internetnutzung bei
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 73<br />
KMU unterhalb derer von privaten Haushalten liegt (ZOCH 2012, zum Vergleich auch: DE-<br />
STATIS 2011b, 2012b). Nach den Befunden dieser Studie haben lediglich 57 % der befragten<br />
Handwerksbetriebe einen Internetauftritt. Nur durchschnittlich 12 % würden primäre Aktivitäten<br />
der Wertschöpfung mithilfe der neuen Medien unterstützen. Bei 40 % der Handwerksunternehmen<br />
waren gängige Softwareangebote nicht einmal bekannt. Die Untersuchung<br />
kommt insgesamt zu dem Ergebnis, dass viele bestehende Potenziale nicht genutzt werden.<br />
Der Grad der Nutzung und des aktiven Einsatzes von <strong>IKT</strong> im Handwerk hängt demnach von<br />
folgenden Faktoren ab (ZOCH 2012: 30ff):<br />
• Alter des Betriebsinhabers/ Altersstruktur: Mit steigendem Alter werden die Vorteile<br />
der <strong>IKT</strong> weniger stark wahrgenommen,<br />
• Geschlecht des Betriebsinhabers/ Geschlechtsstruktur: Frauen nutzen <strong>IKT</strong> tendenziell<br />
eher weniger stark als Männer,<br />
• Schul- und Berufsbildung: Komplexere <strong>IKT</strong> werden eher von Personen mit höherer<br />
Bildung genutzt,<br />
• Innovationsausrichtung und Risikobereitschaft: Mit steigender Abneigung gegen betriebliche<br />
Innovationen steigt die <strong>IKT</strong>-Ablehnung,<br />
• Grundsätzliche Einstellung gegenüber Informationstechnologien: Ablehnende Grundhaltung<br />
gegenüber Innovationen verstärkt auch die Ablehnung der <strong>IKT</strong>-Nutzung.<br />
Diese Befunde zeigen, dass einzelne best-practice Beispiele dazu beitragen können, ein unrealistisches<br />
Bild der <strong>IKT</strong>-Nutzung im Handwerk zu vermitteln. Tatsächlich ist das Spektrum der<br />
Anwendungsmöglichkeiten von <strong>IKT</strong> im Handwerk groß. Doch auch wenn Vorteile auf der<br />
Hand zu liegen scheinen, bedeutet dies nicht, dass sie auch unmittelbar von den Handwerksunternehmen<br />
genutzt werden.<br />
Der typische Diffusionsprozess lässt sich wie folgt skizzieren: Anfänglich werden neue Technologien<br />
in Unternehmen vor allem zur Verbesserung bestehender Prozesse verwendet. Nach<br />
und nach werden die Eigenschaften der Technologie verstanden und es werden neue Prozesse<br />
oder Produkte geschaffen, die sich der Vorteile der neuen Querschnittstechnologie bedienen.<br />
Dieser Prozess von der Wahrnehmung einer Innovation, über die Akzeptanz der Vorteile bis<br />
hin zur Entscheidung und Umsetzung der Einführung braucht insbesondere in KMU Zeit.<br />
Denn wenngleich die Preise <strong>für</strong> IK-Technik deutlich gesunken sind, so handelt es sich doch<br />
um eine Investition, die in Kleinbestrieben einen bedeutsamen Umfang annehmen können.<br />
Risiken erwachsen darüber hinaus durch kurze Lebenszyklen der IK-Technik. Zudem sind<br />
möglicherweise eingeübte innerbetriebliche Prozesse zu verändern. Insbesondere wenn es<br />
sich um interaktive Internetnutzungen handelt, erfordert die Nutzung von <strong>IKT</strong> eine intensive<br />
Betreuung. Somit geht es nicht nur um die Frage, ob <strong>IKT</strong> eingesetzt werden sollen oder nicht,<br />
sondern auch darum, welche Konsequenzen damit <strong>für</strong> das Unternehmen insgesamt verbunden<br />
sind. In diesem Zusammenhang spielt freilich auch die strategische Ausrichtung eine Rolle<br />
(EGGS/ENGLERT/SCHODER o.J): Ein Handwerksunternehmen, das sich gegenüber seinen<br />
Kunden vor allem als traditionelles und solides Handwerk präsentiert, wird bei der Einführung<br />
von moderner Technik eher zögern. Andere Unternehmen, die auf Modernität setzen,<br />
werden hingegen schneller bereit sein, neue Medien einzusetzen.
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 74<br />
3.5 Handwerk: <strong>IKT</strong>-Nachzügler oder regionaler Modernisierungstreiber?<br />
Der immer weiter fortschreitende Einzug von <strong>IKT</strong> in industrielle Prozesse wirkt zweifelsfrei<br />
als Modernisierungstreiber <strong>für</strong> das Handwerk. Dabei kann auf der einen Seite ein gewisser<br />
Modernisierungszwang festgestellt werden: Handwerksunternehmen müssen eine Technisierung<br />
ihrer Arbeit annehmen, um mit industriellen Weiterentwicklungen Schritt halten zu können.<br />
Auf der anderen Seite besteht aber auch die Chance, mit Hilfe einer proaktiven Modernisierung<br />
selbst neue Entwicklungen anzuregen. Die aufgeführten Beispiele kooperativer zwischenbetrieblicher<br />
Zusammenarbeit zeigen, wie handwerkliche Betriebe zu Effizienzsteigerungen<br />
gelangen können. Und die <strong>Analyse</strong> der myhammer.de-Daten demonstriert, wie handwerkliche<br />
Betriebe ihre Absatzpotenziale dank <strong>IKT</strong> besser ausschöpfen können.<br />
Doch gleichzeitig sind die Herausforderungen zu beachten, mit denen das Handwerk durch<br />
die Eigenschaften der <strong>IKT</strong> konfrontiert wird. Die Sorge, dass sich Billiganbieter ohne handwerkliche<br />
Ausbildung in Online-Portalen wie myhammer.de durchsetzen und die Qualifikation<br />
der Handwerksausbildung preislich keinen Wert hat, konnte in der bisherigen <strong>Analyse</strong> der<br />
Daten zwar nicht bestätigt werden. Doch ob die höhere Vergütung <strong>für</strong> die mit einer handwerklichen<br />
Ausbildung einhergehende Kompetenz weiterhin Bestand haben wird, kann noch<br />
nicht abschließend erörtert werden. Wesentlich konkreter ist das Problem des Handwerks, mit<br />
den Statuten und Ordnungen des Handwerks nicht flexibel genug sein zu können, um mit den<br />
sich schnell entwickelnden Anforderungen des <strong>IKT</strong>-Sektors mithalten zu können. Das Handwerk<br />
kann oftmals nicht schnell genug mit anerkannten Ausbildungen auf die Anforderungen<br />
moderner Technik reagieren. Breite Teile des <strong>IKT</strong>-Sektors gehen gar an handwerklichen Ausbildungen<br />
vorbei.<br />
Dem Handwerk als einem wichtigen Bestandteil der regionalen Wirtschaft die Möglichkeiten<br />
zu geben, seine Modernisierung in Bezug auf <strong>IKT</strong> voranzutreiben, ist durchaus ein sinnvolles<br />
Ziel strukturpolitischer Maßnahmen. Das Bundesministerium <strong>für</strong> Wirtschaft und Technologie<br />
(BMWi) wie auch andere Ministerien (z.B. das BMBF) bieten dementsprechend umfangreiche<br />
Fördermaßnahmen an, um KMU den Zugang zu <strong>IKT</strong> und digitalen Märkten zu ermöglichen.<br />
Es wäre jedoch ein Trugschluss zu glauben, man müsse KMU und Handwerksunternehmen<br />
mit staatlicher Förderung förmlich zu dieser Modernisierung drängen. Denn viele<br />
Handwerksunternehmen entscheiden sich bewusst gegen den Einsatz bestimmter <strong>IKT</strong>, weil<br />
sie glauben, hierdurch ihr Image oder ihre Marktstrategie zu beschädigen.<br />
Die starke Verankerung des Handwerks im lokalen Umfeld, bei der persönliche Kontakte,<br />
Vertrauen und Nähe einen hohen Stellenwert einnehmen, lässt sich bspw. kaum mit einer rein<br />
elektronischen Kommunikation vereinbaren. So passt es kaum zum alteingesessenen Handwerker<br />
in der Nachbarschaft, der Verträge mit treuen Kunden per Handschlag besiegelt, neue<br />
Marktpotenziale im Onlinegeschäft zu erwirtschaften oder Problemanalysen per Internet-<br />
Konferenz statt mittels eines Ortstermins zu erledigen. Bevor also noch weitere Förderprogramme<br />
dieser Art aufgelegt werden, müsste sehr genau und kritisch geprüft werden, welcher<br />
zusätzliche Nutzen dadurch tatsächlich zu erwarten sein dürfte.
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 75<br />
3.6 Literaturverzeichnis<br />
BARTHEL, A. (2005), Das Handwerk in der Informationsgesellschaft. In: Welter, F. (Hrsg.),<br />
Der Mittelstand an der Schwelle zur Informationsgesellschaft. Veröffentlichungen des<br />
Round Table Mittelstand, Bd. 3. Berlin: Duncker & Humblot, 71-86.<br />
DESTATIS (2011a), Informations- und Kommunikationstechnologie - Güterbilanz 2008 zu<br />
Herstellungspreisen in Milliarden EUR.<br />
https://www.destatis.de/DE/Publikationen/STATmagazin/VolkswirtschaftlicheGesamt<br />
rechnungen/2012_09/Tabellen/Tabelle_Gueterbilanz.html, abgerufen am 10.10.2012.<br />
DESTATIS (2011b), Unternehmen und Arbeitsstätten, Nutzung von Informations- und<br />
Kommunikationstechnologien in Unternehmen. Wiesbaden: Statistisches Bundesamt.<br />
DESTATIS (2012a), Informations- und Kommunikationstechnologie - Tätige Personen und<br />
Unternehmen in der Warenproduktion und bei Dienstleistungen.<br />
https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesamtwirtschaftUmwelt/Unternehmen/<br />
Handwerk/<strong>IKT</strong>Unternehmen/Tabellen/TaetigePersonenUnternehmen.html, abgerufen<br />
am 10.10.2012.<br />
DESTATIS (2012b), Wirtschaftsrechnungen. Laufende Wirtschaftsrechnungen, Ausstattung<br />
privater Haushalte mit ausgewählten Gebrauchsgütern. Fachserie 15, Reihe 2.<br />
Wiesbaden: Statistisches Bundesamt.<br />
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In: Müller, K. et al. (Hrsg.) Quo vadis Handwerk. Identität des Handwerks im<br />
Wandel. Göttinger Handwerkswirtschaftliche Studien 82, Duderstadt: Mecke-Verlag,<br />
45-102.<br />
EGGS, H., ENGLERT, J. und D. SCHODER (o.J.), Wettbewerbsfähigkeit vernetzter kleiner<br />
und mittlerer Unternehmen – eine Strukturierung der Einflussfaktoren. Institut <strong>für</strong><br />
Informatik und Gesellschaft an der Universität Freiburg. Freiburg: IIG.<br />
ENTZIAN, K. und G. BLOCHMANN (2012), Praxisorientierte Musterlösungen <strong>für</strong> die<br />
Unterstützung von Geschäftsprozessen in deutschen KMU/Handwerk durch <strong>IKT</strong>-<br />
Anwendungen und IT-Business-Standards – Best-Practice-Beispiele zur Mengen- und<br />
Kostenermittlung <strong>für</strong> Bauen im Bestand und Facility-Management-Dienstleistungen.<br />
Projekt im Auftrag des BMWi. Weimar, Eschborn.<br />
GÄRTNER, S., GROTE WESTRICK, D. und J. TERSTRIEP (2003), Vom virtuellen Raum<br />
zur Region. Jahrbuch 2002/2003 des IAT Gelsenkirchen. Gelsenkirchen: IAT, 95-104.<br />
GRÄF, P. und J. RAUH (2012), Innovative Anwendungen von <strong>IKT</strong>. Geographie der Kommunikation.<br />
Band 10, Münster: Lit Verlag.<br />
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MÜLLER, K. (2008), Auslandsgeschäfte im Handwerk. Handwerkswirtschaftliche Studien<br />
Bd. 76. Duderstadt: Mecke Verlag.<br />
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http://www.nrwinvest.com/nrwinvest_deutsch/Publikationen/Broschuere_<strong>IKT</strong>-<br />
Anwendungsbereiche_in_NRW.pdf, abgerufen am 10.10.2012.<br />
PEISTRUP, M., TRETTIN, L. und P. GRUNERT (2012), Internetplattformen als Forschungsobjekt<br />
der Geographie: Das Beispiel der Auktionsplattform
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 76<br />
www.myhammer.de. In: Gräf, P. und J. Rauh (Hrsg.), Innovative Anwendungen von<br />
<strong>IKT</strong>. Geographie der Kommunikation. Band 10, Münster: Lit Verlag, 77-90.<br />
RUDOLPH, A. (1997), Die Bedeutung von Handwerk und Kleinunternehmen <strong>für</strong> die Regionalpolitik.<br />
Eine theoretische und empirische Betrachtung. Göttinger Handwerkswirtschaftliche<br />
Studien 51. Göttingen: SfH.<br />
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Märkte des Handwerks und betriebliche Anpassungserfordernisse. Forschungsvorhaben<br />
des Bundesministeriums <strong>für</strong> Wirtschaft und Technologie.: Essen: RWI Projektbericht.<br />
RKW - Rationalisierungskuratorium der deutschen Wirtschaft (2011), Praxisorientierte<br />
Musterlösungen <strong>für</strong> die Unterstützung von Geschäftsprozessen in deutschen<br />
KMU/Handwerk durch <strong>IKT</strong>-Anwendung und IT-Business. Eschborn: RKW.<br />
WELFENS, J (2011), Steuerung und Koordination der „Metropolregion“ Ruhrgebiet. In:<br />
K. Engel, J. Großmann und B. Hombach (Hrsg.), Phönix Flieg!: Das Ruhrgebiet entdeckt<br />
sich neu. Klartext-Verlag: Essen.<br />
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Zusammenhänge in ihrer Bedeutung <strong>für</strong> die Beurteilung von Abgrenzungsfragen.<br />
Forschungsberichte aus dem Handwerk 11. Handwerkswissenschaftliches Institut<br />
Münster – Westfalen, Münster.<br />
WINKLER, H. W. (2010), Onlinehandel mit Erfolg. Schritt <strong>für</strong> Schritt zur eigenen<br />
Marktnische. Radolfzell: Media Verlag.<br />
ZOCH, B. (2010), Determinanten der Adoption von Informations- und Kommunikationstechnologien<br />
im Handwerk, Modell und empirische <strong>Analyse</strong>. München: Ludwig Fröhler<br />
Institut.
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 77<br />
4. Konzentration und Wettbewerb von digitalen Plattformen:<br />
Besteht ein besonderer Regulierungsbedarf? 9<br />
Justus Haucap, Ulrich Heimeshoff und Tobias Wenzel<br />
DICE (Düsseldorfer Institut <strong>für</strong> Wettbewerbsökonomie)<br />
4.1 Einleitung<br />
Die Skepsis vieler Verbraucher gegenüber großen Anbietern von digitalen Dienstleistungen<br />
wächst. Apple, Facebook, Google und Twitter – um nur einige zu nennen – werden in der<br />
Öffentlichkeit zunehmend kritisch beäugt. Im Falle von Microsoft besteht schon seit Längerem<br />
bei vielen Verbrauchern und Wettbewerbsbehörden eine gesteigerte Aufmerksamkeit, die<br />
nicht zuletzt in einer ganzen Reihe von kartellrechtlichen Missbrauchsverfahren zum Ausdruck<br />
kommt. Auch gegenüber gewissen Unternehmenspraktiken von Google hat die Europäische<br />
Kommission erste Untersuchungen eingeleitet. Die US-amerikanische Federal Trade<br />
Commission (FTC) steht aktuell kurz vor der Eröffnung von Missbrauchsverfahren gegenüber<br />
Google. Im Fall von Google wird von diversen Marktteilnehmern der Verdacht geäußert, dass<br />
Suchergebnisse in dem Sinne nicht neutral gelistet werden, dass konzerninterne Dienstleister<br />
(wie etwa Google Maps) bevorzugt behandelt werden und daher im Ranking der Suchmaschine<br />
höher eingestuft werden. Auch die Geschäftspraktiken von Apple sind zunehmend Gegenstand<br />
medialer Berichterstattung als auch behördlicher Diskussionen. Ähnliche Trends lassen<br />
sich bei Facebook, Twitter oder ebay ausmachen (vgl. HAUCAP/WENZEL, 2011).<br />
Um zu beurteilen, ob im Falle dieser Anbieter digitaler Leistungen ein erhöhter behördlicher<br />
Kontrollbedarf besteht, ist zunächst herauszuarbeiten, welche speziellen Wettbewerbsprobleme<br />
bei digitalen Plattformen bestehen. In diesem Beitrag sollen daher die Besonderheiten<br />
der Anbieter und Vermittler von digitalen Inhalten konzeptionell thematisiert werden. In<br />
der Tat ist auszumachen, dass sich viel der bekannten Erfolgsgeschichten von Internet-<br />
Unternehmen wie z.B. Google, Youtube, Facebook, Skype oder ebay dadurch auszeichnen,<br />
dass sie in ihrem Marktsegment eine nahezu monopolistische Stellung zu haben scheinen.<br />
Zugleich werden von den Betreibern der digitalen Plattformen zumeist kaum eigene Inhalte<br />
produziert, sondern diese lediglich vermittelt. Wie kommt es zu diesen starken Marktpositionen?<br />
Sind diese Positionen dauerhaft oder ist ein eher Schumpeterianischer Innovationswettbewerb<br />
auszumachen, bei dem ein Monopol durch das nächste abgelöst wird, Monopolstellungen<br />
also immer nur temporär sind? Und: Ist ein spezifischer Regulierungsbedarf gegeben,<br />
der über das allgemeine Kartellreht hinausgeht? Diesen Fragen wird der Beitrag im Folgenden<br />
nachgehen.<br />
4.2 Die ökonomische Theorie digitaler Plattformen<br />
Die typischen Vermittler von Informationen im Internet operieren auf sog. zweiseitigen Märkten<br />
(2SM), welche sich als eine Erweiterung des Konzeptes der Netzeffekte begreifen lassen<br />
9 Der vorliegende Beitrags basiert auf einer Überarbeitung und Erweiterung von HAUCAP/WENZEL (2011).
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 78<br />
(vgl. z.B. PEITZ, 2006). Ganz allgemein liegen Netzeffekte 10 vor, wenn <strong>für</strong> die Nachfrager<br />
der mit einem Produkt oder Dienstleistung verbundene Nutzen steigt, je mehr andere Nachfrager<br />
dieses Produkt bzw. diese Dienstleistung, ceteris paribus, auch konsumieren und benutzen<br />
(vgl. ROHLFS, 1974; KATZ/SHAPIRO, 1985). Durch zusätzliche Nutzer wird <strong>für</strong> jeden<br />
anderen Nutzer ein Zusatznutzen generiert, ohne dass da<strong>für</strong> direkt eine Zahlung erfolgt. Dieser<br />
Zusatznutzen kann aus verbesserten Interaktionsmöglichkeiten resultieren (z.B. bei E-<br />
Mail, Internet-Telefonie wie Skype und sozialen Netzwerken wie Facebook) und/oder aus<br />
einem besseren Angebot an komplementären Produkten und Diensten (z.B. Software <strong>für</strong><br />
Computer oder Apps <strong>für</strong> Smartphones und Tablet-Computer).<br />
Dementsprechend können direkte und indirekte Netzeffekte unterschieden werden: Direkte<br />
Netzeffekte entstehen direkt dadurch, dass sich mehr andere Nutzer (derselben Art) einem<br />
Netz anschließen. So stiftet Skype einen umso höheren Nutzen je mehr andere Skype-<br />
Teilnehmer existieren. Indirekte Netzeffekte wirken sich dagegen erst indirekt <strong>für</strong> andere<br />
Nachfrager aus. So ist z.B. ebay als Marktplatz, ceteris paribus, umso attraktiver <strong>für</strong> einen<br />
Verkäufer je mehr potenzielle Käufer ebay aufsuchen. Für einen Käufer wiederum ist es umso<br />
attraktiver, bei ebay nach einem Angebot zu suchen, je mehr Angebote es gibt. Somit werden<br />
umso mehr Käufer ebay nutzen, je mehr Verkäufer sich dort tummeln, und umgekehrt werden<br />
umso mehr Verkäufer sich, ceteris paribus, dort tummeln je mehr potenzielle Käufer dort<br />
sind. Dies ist prinzipiell nicht neu, sondern war schon immer charakteristisch <strong>für</strong> Marktplätze,<br />
Börsen und Messen. Die durch die Konzentration auf einen Marktplatz mögliche Reduktion<br />
von Suchkosten hat schon in der Vergangenheit dazu geführt, dass sich z.B. viele Antiquitätengeschäfte<br />
oder Gebrauchtwagenhändler in unmittelbarer geographischer Nachbarschaft<br />
zueinander befinden. Im Internet aber ist diese Konzentration aufgrund des Fehlens von<br />
Transportkosten – im Englischen plastisch bezeichnet als „the death of distance“ – und der<br />
geringeren zeitlichen Suchkosten noch wesentlich stärker ausgeprägt.<br />
Charakteristisch <strong>für</strong> 2SM ist also das Vorliegen dieser indirekten Netzeffekte, d.h. die Teilnehmer<br />
auf der einen Marktseite (z.B. die potenziellen Käufer) profitieren umso mehr von<br />
einem Marktplatz je mehr Teilnehmer es auf der anderen Marktseite gibt (vgl. ROCHET/ TI-<br />
ROLE, 2003, 2006; EVANS/SCHMALENSEE, 2007; PEITZ, 2006). Somit profitieren die<br />
Käufer nicht direkt davon, wenn es mehr andere potenziell Käufer gibt, wohl aber indirekt,<br />
weil dies eben mehr Verkäufer anzieht. So steigt der Nutzen der potenziellen Käufer bei einer<br />
Online-Plattformen wie ebay, amazon, myhammer oder immobilienscout.de, je mehr Anbieter<br />
es gibt, und der Nutzen der Anbieter steigt, je mehr potenzielle Kunden es gibt. Dies gilt auch<br />
<strong>für</strong> Google: Eine Suchmaschine ist <strong>für</strong> Nutzer umso attraktiver je mehr Webseiten durchsucht<br />
werden, und <strong>für</strong> Betreiber von Webseiten ist die Optimierung hin auf bestimmte Suchmaschinen<br />
umso attraktiver, je mehr Suchanfragen die Nutzer über diese Suchmaschine starten. Somit<br />
gibt es bei 2SM einen wichtigen Unterschied zu „klassischen“ bzw. direkten Netzeffekten,<br />
denn 2SM liegen nur bei indirekten Netzeffekten vor.<br />
Aus einer Management- oder Entrepreneurship-Perspektive heraus stellt sich <strong>für</strong> einen Intermediär<br />
bei 2SM die Herausforderung, dass es nicht ausreicht, nur die Nutzer einer Marktseite<br />
von der Attraktivität seiner Plattform zu überzeugen. Da eine gegenseitige Abhängigkeit der<br />
Nutzergruppen gegeben ist, muss der Intermediär versuchen, beide Nutzergruppen gleichzeitig<br />
<strong>für</strong> sein Produkt bzw. <strong>für</strong> seinen Dienst zu gewinnen. Keine der beiden Gruppen hat je-<br />
10 Wir verwenden wie von LIEBOWITZ/MARGOLIS (1994) vorgeschlagen den Begriff Netzeffekt und nicht<br />
den der Netzwerkexternalität, da Netzeffekte sich durch adäquate Wahl der Preisstruktur auch internalisieren<br />
lassen, sodass nicht zwangsläufig eine Externalität vorliegt (welche wiederum ein Marktversagen suggeriert).
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 79<br />
doch ein Interesse an der Plattform, wenn nicht auch die Teilnahme einer möglichst hohen<br />
Anzahl auf der „Gegenseite“ gewährleistet ist. Dieses Problem ist eine Spielart der bekannten<br />
Henne-und-Ei-Problematik – beide Seiten der Plattform bedingen sich gegenseitig (vgl. dazu<br />
CAILLAUD/JULLIEN, 2003) und der Intermediär hat eine Entscheidung zu treffen, welche<br />
der Nutzergruppen schneller zu gewinnen ist. Wie Wright (2004) sowie PARKER/VAN AL-<br />
STYNE (2005) ausführen, wird eine Marktseite typischerweise in einer solchen Situation<br />
„subventioniert“ werden. So werden z.B. der Acrobat Reader, der Microsoft MediaPlayer<br />
oder der RealPlayer gratis vertrieben. Bei ebay wird sogar durch §9 (Punkt 9) der AGB vorgeschrieben,<br />
dass der Verkäufer die Gebühren zu tragen hat und eine Überwälzung dieser<br />
Gebühren auf den Käufer verboten ist. Die „Subventionierung“ erfolgt dabei zugunsten der<br />
Marktseite, die preissensitiver ist, während die Erlöse des Intermediärs primär auf der Nutzerseite<br />
mit der geringeren Nachfrageelastizität generiert werden, welche stärker von einem<br />
Wachstum der Nutzerzahl auf der anderen Seite profitiert.<br />
4.3 Konzentrationstendenzen bei 2SM und ihre Bestimmungsgründe<br />
Durch die indirekten Netzeffekte kann nun eine Tendenz zu einer starken Marktkonzentration<br />
unter ggf. konkurrierenden Plattformen entstehen. Allerdings sind nicht alle 2SM gleichermaßen<br />
konzentriert. Gegenbeispiele sind Immobilienmakler, Reisevermittler oder viele Partnerbörsen<br />
im Internet. Das Vorliegen indirekter Netzeffekte ist also keineswegs hinreichend <strong>für</strong><br />
eine Monopolisierung oder hohe Marktkonzentration.<br />
Aus theoretischer Sicht ist zudem auch nicht klar, ob Wettbewerb zwischen mehreren Plattformen<br />
im konkreten Fall bessere Wohlfahrtsergebnisse liefert als ein Monopol, d.h. also eine<br />
einzige Plattform. Unterschiedliche Annahmen über zu den zu betrachtenden Markt lassen<br />
hier unterschiedlich Schlüsse zu. In klassischen, einseitigen Märkten ist Wettbewerb zwischen<br />
mehreren Unternehmen stets vorteilhaft, solange es sich nicht um ein natürliches Monopol<br />
handelt. Dies muss bei zweiseitigen Märkten nicht der Fall sein. Selbst wenn der Betrieb mehrerer<br />
Plattform nicht mit zusätzlichen Fixkosten verbunden ist, muss die Existenz mehrerer<br />
Plattformen nicht effizienter sein. Grund hier<strong>für</strong> ist das Vorliegen der indirekten Netzeffekte.<br />
Wie z.B. in den theoretischen Beiträgen von CAILLAUD/JULLIEN (2003) sowie JULLIEN<br />
(2005) gezeigt wird, kann eine Monopolplattform effizient sein, da die Netzeffekte gerade<br />
dann maximal sind, wenn sich alle Marktteilnehmer auf eine Plattform koordinieren. Die Frage<br />
der optimalen Marktstruktur lässt sich hier nicht pauschal klären. Starke Netzeffekte und<br />
eine gute Matchingqualität sprechen tendenziell <strong>für</strong> die Vorteilhaftigkeit eines Monopols;<br />
Überlastungsgefahren, geringere Teilnahmeraten sowie Multihoming eher dagegen und damit<br />
<strong>für</strong> Wettbewerb.<br />
Unklar sind jedoch nicht nur die Wohlfahrtseffekte einer Monopolisierung, sondern auch, ob<br />
es überhaupt, quasi auf natürliche Weise, zu einer Monopolbildung kommt. EVANS/<br />
SCHMALENSEE (2008, S. 679 ff.) haben fünf Faktoren herausgearbeitet, die <strong>für</strong> den Konzentrationsgrad<br />
von 2SM bestimmend sind. Diese Faktoren sind in der folgenden Übersicht<br />
zusammengefasst:<br />
Tabelle 5: Einflussfaktoren <strong>für</strong> die Konzentration von 2SM<br />
Ursache Effekt auf die Konzentration<br />
Stärke der indirekten Netzeffekte +
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 80<br />
Ausmaß steigender Skaleneffekte +<br />
Überlastungsgefahren –<br />
Differenzierung der Plattformen –<br />
Multihoming –<br />
Quelle: EVANS/SCHMALENSEE (2008, S. 679)<br />
Dass indirekte Netzeffekte und steigende Skaleneffekte zu Monopolisierungs- bzw. Konzentrationstendenzen<br />
führen, ist relativ eindeutig und sofort plausibel. Wie stark die indirekten<br />
Netzeffekte bei den einzelnen Plattformen ausgeprägt sind, dürfte von Fall zu Fall unterschiedlich<br />
sein. Dies gilt auch <strong>für</strong> die Stärke der etwaigen Skaleneffekte. Ganz allgemein lässt<br />
sich jedoch beobachten, dass viele 2SM durch eine Kostenstruktur gekennzeichnet sind, die<br />
sich durch einen relativ hohen Fixkostenanteil verbunden mit relativ geringen variablen Kosten<br />
auszeichnet. So fällt gerade im E-Commerce-Bereich wie bei ebay, expedia, HRS, etc.<br />
ein großer Teil der Kosten durch das Management von Datenbanken an – eine weitere Transaktion<br />
verursacht kaum zusätzliche Kosten. Steigende Skalenerträge sind somit durchaus<br />
nicht untypisch <strong>für</strong> 2SM.<br />
Den Netzwerk- und Skaleneffekten, welche beide positiv auf die Marktkonzentration wirken,<br />
stehen jedoch auch drei Effekte gegenüber, welche Konzentrationstendenzen entgegen wirken.<br />
Dies sind erstens Überlastungs- oder Staugefahren. Bei physischen 2SM wie Einkaufszentren,<br />
Flohmärkten, Messen oder Nachtclubs ergibt sich ab einem bestimmten Punkt eine<br />
Überfüllung, da der Raum eben physisch begrenzt ist. Denkbar ist auch, dass die Kapazitäten<br />
auf der einen Marktseite stärker begrenzt sind als auf der anderen. So mag die Anzahl der<br />
Messestände auf einer Messe eher begrenzt sein als die der Besucher, im Online-Bereich ist<br />
der Raum <strong>für</strong> Werbung meist begrenzt, da ein Zuviel an Werbung als störend empfunden wird<br />
und die Plattform in den Augen der Rezipienten tendenziell entwertet. Bei elektronischen<br />
2SM wie ebay, HRS oder parship ergeben sich zwar keine physischen Kapazitätsprobleme,<br />
allerdings können sich auch hier <strong>für</strong> den Nutzer negative Externalitäten durch zusätzliche<br />
Nutzer ergeben. Dies liegt in der Heterogenität der Nutzer verbunden mit steigenden Suchkosten<br />
begründet. Je homogener die Nutzer sind, desto höher ist oftmals der Wert einer Plattform<br />
<strong>für</strong> die Marktgegenseite. Wenn z.B. nur bestimmte Leute eine bestimmte Plattform besuchen<br />
lesen (z.B. fast nur Angler oder fast nur Frauen oder fast nur Autofreunde), lässt sich<br />
viel zielgenauer werben. Auch viele Partnerbörsen werben damit, dass sie nur eine bestimmte<br />
Klientel vertreten (z.B. nur Akademiker). Dies reduziert die Suchkosten <strong>für</strong> alle Beteiligten.<br />
Zusätzliche Nutzer würden die Gruppe der Plattformnutzer dann heterogener machen und<br />
nicht unbedingt in dem Maße zusätzlichen Nutzen stiften wie die Suchkosten <strong>für</strong> alle erhöht<br />
werden.<br />
In direktem Zusammenhang mit der Heterogenität steht die Möglichkeit der Produktdifferenzierung<br />
zwischen Plattformen. Bei Partnerbörsen, Magazinen und Zeitungen ist dies<br />
evident. Diese Differenzierung kann sowohl vertikal (z.B. aus Sicht der werbenden Wirtschaft<br />
ein einkommensstarkes versus ein einkommensschwaches Publikum) als auch horizontal (z.B.<br />
Segler versus Golfer) erfolgen. Bei elektronischen 2SM dürfte die Differenzierung zum einen<br />
über die Zulassung der Nutzer bzw. der Inhalte und eine damit einher gehende Spezialisierung<br />
erfolgen, zum anderen über die Ausgestaltung der Regeln und Geschäftsbedingungen, der<br />
Marktordnung sozusagen, welche die Transaktionen auf der Plattform regelt.
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 81<br />
Je einfacher sich Plattformen differenzieren können und je heterogener die (potenziellen)<br />
Nutzer sind, desto vielfältiger wird das Bild sein und desto weniger konzentriert wird der entsprechende<br />
Markt sein. Diese Erkenntnis, dass steigende Skalenerträge eine Marktkonzentration<br />
befördern und dass Produktdifferenzierung und die Heterogenität der Nutzerpräferenzen<br />
dieser Tendenz entgegen wirken, ist keinesfalls neu, sondern aus der ökonomischen<br />
Literatur bestens bekannt (vgl. z.B. DIXIT/STIGLITZ, 1977; KRUGMAN, 1980). Bei 2SM<br />
wird die Konzentrationsgefahr einerseits durch die indirekten Netzeffekte weiter verstärkt,<br />
andererseits werden Konzentrationstendenzen aber ggf. nicht nur durch die Möglichkeit der<br />
Produktdifferenzierung, sondern auch durch die Möglichkeit des sogenannten „Multihoming“,<br />
also die parallele Nutzung verschiedener Plattformen, aber auch wieder gebremst.<br />
Wie einfach Multihoming ist, hängt unter anderem davon ab, (a) ob Wechselkosten zwischen<br />
verschiedenen Plattformen bestehen und – falls diese bestehen – wie hoch diese Wechselkosten<br />
sind und (b) ob nutzungsunabhängige Gebühren <strong>für</strong> die „Mitgliedschaft“ bei einer<br />
Plattform erhoben werden. So ist z.B. der Wechsel von einem Online-Reisebüro zu einem<br />
anderen mit relativ geringen Wechselkosten verbunden. Auch können Nutzer ohne große<br />
Wechselkosten von Google zu einer anderen Suchmaschine wechseln, sollte sich diese als<br />
attraktiver erweisen. Höher sind die Wechselkosten bereits bei sozialen Netzwerken, da hier<br />
starke direkte Netzeffekte bestehen und sich Nutzergruppen somit koordinieren müssen. Während<br />
bei Google keine nennenswerten direkten Netzeffekte bestehen (es ist zunächst einmal<br />
egal, wie viele andere Sucher Google nutzen), gilt dies <strong>für</strong> soziale Netzwerke nicht. Dort<br />
spielt die Anzahl der Nutzer auch direkt eine Rolle. Nichtsdestotrotz ist der Markteintritt in<br />
den Markt <strong>für</strong> Suchmaschinen schwierig aufgrund der oben beschriebenen indirekten Netzeffekte<br />
und aufgrund von Größenvorteilen, die zum einen auf Lerneffekten beruhen, die sich<br />
ergeben je mehr Suchanfragen gestellt werden (insbesondere bei lernenden Systemen), zum<br />
anderen einfach auf der typischen Durchschnittskostendegression, welche durch die erheblichen<br />
Fixkosten entsteht.<br />
Eine weitere Form von Wechselkosten ergeben sich bei ebay, da hier nicht nur indirekte<br />
Netzeffekte wichtig sind, sondern auch die ebay-spezifische Reputation der Tauschpartner,<br />
welche sich die Nutzer über die Anzahl der ordnungsgemäß abgewickelten Transaktionen<br />
zunehmend aufbauen.<br />
4.4 Beispiel I: ebay<br />
Der Fall der Online-Handelsplattform ebay ist besonders interessant, weil ebay bereits 1998<br />
in den USA einen Marktanteil von 80% bei Online-Auktionen hatte – eine starke Marktposition,<br />
die bis heute ungebrochen ist (vgl. LUCKING-RILEY, 1999). Die führende Suchmaschine<br />
war 1998 altavista, die gerade yahoo als Marktführer ablöste, während Google im September<br />
1998 gerade online ging. Soziale Netzwerke wie Facebook, Xing und selbst MySpace<br />
existierten noch nicht einmal. Warum also konnte gerade ebay die Marktführerschaft so lange<br />
halten? ELLISON/ELLISON, (2005, S. 143 f.) führen die indirekten Netzeffekte an und verweisen<br />
zudem auf die fast ebenso starke Marktposition von Yahoo bei Online-Auktionen in<br />
Japan bei gleichzeitiger Abwesenheit von ebay in diesem Markt. Sollte ebay bzw. andere Online-Auktionshäuser<br />
tatsächlich eine wenig angreifbare Marktposition besitzen, dann ergäbe<br />
sich daraus natürlich ein erheblicher Preissetzungsspielraum mit entsprechendem Miss-
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 82<br />
brauchspotenzial und ggf. die Erfordernis einer besonders kritischen Wettbewerbsaufsicht in<br />
diesem Markt. 11<br />
Es ist vor diesem Hintergrund vielleicht wenig verwunderlich, dass es schon seit einigen Jahren<br />
kritische Stimmen bei ebay-Nutzern und in der Presse bezüglich der Marktposition von<br />
eBay und der Geschäftspolitik gegenüber den Nutzern gibt. 12 Der Marktanteil in Deutschland<br />
beträgt heute 98 bis 99% (vgl. MARWAN, 2008; VON BLANCKENBURG / MICHAELIS,<br />
2008a), betrachtet man Online-Auktionen als eigenständigen relevanten Markt, was vermutlich<br />
zumindest <strong>für</strong> einige Produkt- und Nutzergruppen (z.B. Bücher, Neuware) nicht sachgerecht<br />
sein dürfte (vgl. HAUCAP/WENZEL, 2009).<br />
Anders ist es hingegen im Bereich der gebrauchten Artikel. Mit der Ausnahme von Automobilen,<br />
Immobilen, Büchern und Tonträgern sowie Spezialartikeln (wie etwa Brieftauben)<br />
hat ebay bei vielen Produktgruppen, insbesondere den Flohmarktartikeln, gemessen an den<br />
Marktanteilen, 13 eine dominante Marktstellung und dürfte daher marktbeherrschend sein.<br />
Auch ELLISON/ELLISON (2005, S. 143) stellen dies fest und schreiben wörtlich: „���������<br />
������������������������������������������������������������������������������������<br />
�������������������� ���� ������ ������������ ��������������� ���� �������� ��������������<br />
�����������������������������������������������������������������������������������<br />
���������� ����� ����� ������� Es gibt zwar in Deutschland über 150 verschiedene Online-<br />
Auktionsplattformen <strong>für</strong> Privatleute (also B2C und C2C), 14 ��������������������������������<br />
�������������������������������������������<br />
In der ökonomischen Literatur wird zum Teil suggeriert, dass sich diese Monopolisierung<br />
aufgrund der starken indirekten Netzeffekte quasi natürlich eingestellt habe (so z.B. ELLI-<br />
SON/ELLISON, 2005, S. 143 f.). Als Beleg verweisen ELLISON/ELLISON (2005, S. 143)<br />
darauf, dass sich auch in Japan mit Yahoo als führendem Online-Auktionshaus de facto ein<br />
Monopol herausgebildet habe. Dass dies ein Resultat quasi-natürlicher Konzentrationstendenzen<br />
in Folge der indirekten Netzeffekte sein soll, ist allerdings zunächst einmal ein Irrtum,<br />
wenn auch ein verbreiteter.<br />
Es ist zwar richtig, dass der japanische Markt <strong>für</strong> Online-Auktionen von Yahoo 15 dominiert<br />
wird, da über Yahoo 90% aller Online-Auktionen in Japan abgewickelt werden. 16 Oftmals<br />
nicht bekannt ist jedoch die Tatsache, dass es im Jahr 2002 eine Vereinbarung zwischen ebay<br />
und Yahoo gegeben hat, welche aus wettbewerbsökonomischer Sicht nur schwerlich nicht als<br />
Kartellabkommen zu interpretieren ist. Während sich ebay aus dem japanischen Markt zurückgezogen<br />
hat, hat Yahoo im Gegenzug seine Online-Auktionsplattformen in Deutschland,<br />
Großbritannien, Frankreich, Italien, Spanien und Irland geschlossen. Zugleich hat ebay einen<br />
„umfassenden Kooperationsvertrag“ mit Yahoo geschlossen, in welchem sich ebay verpflich-<br />
11 Explizit sprechen sich von BLANCKENBURG und MICHAELIS (2008a, 2008b) <strong>für</strong> eine Regulierung von<br />
ebay aus – die Autoren bauen ihre <strong>Analyse</strong> allerdings primär auf die Theorien des natürlichen Monopols und der<br />
Kollektivgüter auf.<br />
12 Bereits im Jahr 2000 gab es in den USA Vorwürfe, dass ebay seine marktbeherrschende Stellung missbrauche<br />
(vgl. CISNEROS, 2000) und zwar im Fall eBay vs. Bidder’s Edge (http://pub.bna.com/lw/21200.htm)<br />
13 BLANCKENBURG und MICHAELIS (2008a, b) sprechen zwar von einem Marktanteil von 99% bei Online-<br />
Auktionen, nehmen aber keine exakte Marktabgrenzung vor und differenzieren auch nicht nach Produktgruppen.<br />
Zur Problematik der Marktabgrenzung bei Online-Auktionen vgl. ausführlich HAUCAP und WENZEL (2009).<br />
14 Über www.auktionssuche.de lassen sich allein 148 Auktionen parallel durchsuchen (Stand: 28. Juni 2011),<br />
zudem sind zahlreiche weitere Auktionsplattformen dort aufgelistet, die nicht parallel durchsuchbar sind.<br />
15 http://auctions.yahoo.co.jp<br />
16 www.japaninc.net/article.php?articleID=776
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 83<br />
tet hat, über mehrere Jahre Online-Werbung in nicht genannter Höhe bei Yahoo zu schalten.<br />
Aus wettbewerbsökonomischer Sicht drängt sich natürlich die Interpretation auf, dass hier<br />
über Werbeverträge Seitenzahlungen organisiert worden sind, um ein Kartell zu stabilisieren.<br />
Zusammenschlüsse und Gebietskartelle können eine marktbeherrschende Stellung zwar befördern,<br />
aber in der Regel nicht garantieren, sofern es nicht auch signifikante Markteintrittsbarrieren<br />
gibt. In der Tat sind mit Hood, Auxion und Auvito alternative Plattformen <strong>für</strong> Online-Auktionen<br />
im deutschen Markt aktiv. Trotz wesentlich geringerer Gebühren haben diese<br />
bisher keine nennenswerten Marktanteile gewinnen können. Welche Effekte führen neben den<br />
indirekten Netzeffekten zur Stabilisierung der Marktdominanz von ebay?<br />
In Bezug auf die oben identifizierten Faktoren ist festzustellen, dass Multihoming <strong>für</strong> gewerbliche<br />
Verkäufer, die Neuware in höherer Stückzahl anbieten, zwar unproblematisch ist, <strong>für</strong><br />
private Anbieter gebrauchter Produkte ist dies jedoch ungleich schwieriger, da es sich oftmals<br />
um Einzelstücke handelt, die diese veräußern möchten. Für Käufer hingegen ist Multihoming,<br />
also das parallele Suchen und auch Bieten bei mehreren Online-Auktionen, relativ unproblematisch.<br />
Selbst wenn man „versehentlich“ mehrere Objekte ersteigert, ist ein Wiederverkauf<br />
relativ einfach. Obwohl Multihoming <strong>für</strong> potenzielle Käufer und gewerbliche Verkäufer<br />
also eigentlich relativ einfach ist, besteht aufgrund der recht starken indirekten Netzeffekte<br />
jedoch ein nicht unerhebliches Koordinationsproblem. Für einen Verkäufer allein ist es<br />
wenig attraktiv, Multihoming zu betreiben und Produkte auf anderen Plattformen einzustellen,<br />
solange dort nicht auch viele potenzielle Käufer existieren, welche aber wiederum nur dann<br />
die Plattform aufsuchen, wenn es auch viele Verkaufsangebote gibt – das bekannte „Henneund-Ei“-Problem.<br />
Gibt es nur wenige potenzielle Käufer besteht <strong>für</strong> einen Verkäufer vielmehr<br />
das nicht unerhebliche Risiko, das Produkt „unter Wert“ zu verkaufen, d.h. zu einem wesentlich<br />
geringeren Preis als auf einer Plattform mit vielen potenziellen Bietern. Somit ist Multihoming<br />
<strong>für</strong> gewerbliche Verkäufer zwar prinzipiell einfach möglich, aufgrund der Koordinationsprobleme<br />
aber nicht unbedingt attraktiv.<br />
Über diese Koordinationsprobleme hinaus entstehen <strong>für</strong> Verkäufer weitere Wechselkosten<br />
auch dadurch, dass eine einmal bei ebay aufgebaute Reputation in Form von positiven Bewertungen<br />
durch Käufer nicht einfach auf eine andere Plattform transferierbar ist. 17 Positive Bewertungen<br />
bei ebay erhöhen dort den erwarteten Verkaufserlös, wie eine große Anzahl von<br />
Studien belegt (vgl. z.B. MELNIK/ALM, 2002, MCDONALD/SLAWSON, 2002, oder BA-<br />
JARI/HORTAÇSU, 2003). 18 Der Aufbau einer positiven Reputation wiederum ist aufgrund<br />
der Unterschiede in den Bewertungssystemen und der Schwierigkeit des Transfers (aufgrund<br />
der schwer möglichen Verifizierung) eine plattformspezifische Investition, welche das Wechseln<br />
der Plattform bzw. das Multihoming als Verkäufer erschwert, d.h. es entstehen Wechselkosten,<br />
die zu den Koordinationskosten hinzukommen, welche aufgrund der indirekten Netzeffekte<br />
entstehen.<br />
Weitere Wechselkosten entstehen durch das ebay-spezifische Wissen, das sich die ebay-<br />
Nutzer aufbauen. Die Bedienung der Plattform, die Kenntnis der Regeln, etc. sind oftmals<br />
spezifisches Bedienungswissen, das beim Wechsel der Plattform verloren geht. Die Bindung<br />
registrierter Nutzer wird von ebay zudem durch Angebote wie die ebay-University gestärkt,<br />
bei dem Nutzer <strong>für</strong> eine Gebühr von 45 Euro <strong>für</strong> Einsteiger bzw. 70 Euro <strong>für</strong> Fortgeschrittene<br />
17<br />
Zur Logik des Reputationssystems bei ebay siehe DELLAROCAS (2006) sowie BOLTON, GREINER und<br />
OCKENFELS (2009).<br />
18<br />
Für Surveys zu diesem Thema siehe DELLAROCAS (2003), BAJARI und HORTAÇSU (2004) sowie RES-<br />
NICK, ZECKHAUSER, SWANSON und LOCKWOOD (2006).
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 84<br />
im Rahmen eines eintägigen Seminars in der effektiven Nutzung von ebay unterrichtet werden.<br />
19 Dazu kommen Online-Trainingskurse und sogar Kursangebote an Volkshochschulen. 20<br />
Zudem versucht ebay durch das Angebot von Foren und Cafés, in denen neben Informationen<br />
rund um ebay auch Meinungen zu anderen alltäglichen Themen ausgetauscht werden können,<br />
bei den Nutzern ein Gemeinschaftsgefühl zu wecken und so Netzeffekte zu erzeugen.<br />
Zusammenfassend lässt sich daher festhalten, dass ebay heute auf dem Markt <strong>für</strong> private Online-Auktionen<br />
eine marktbeherrschende Stellung haben dürfte, gestützt durch (a) die starken<br />
indirekten Netzeffekte bei Käufern und Verkäufern, (b) den Schwierigkeiten des „Reputationstransfers“<br />
und (c) das mit dem potenziellen Konkurrenten Yahoo geschlossene Kartellabkommen.<br />
Diese marktbeherrschende Stellung dürfte aufgrund der genannten Markteintrittsbarrieren<br />
nicht nur temporär gegen Markteintritt geschützt sein. Dieser Befund lässt<br />
sich allerdings nicht ohne weitere <strong>Analyse</strong> <strong>für</strong> andere Internetangebote verallgemeinern. Zwar<br />
liegen auch dort oftmals indirekte Netzeffekte vor, jedoch sind die Wechselkosten oftmals<br />
geringer. So können z.B. Google-Nutzer vergleichsweise einfach zu einer anderen Suchmaschine<br />
wechseln und alternativen Suchmaschinen steht es frei, auf sämtliche Webseiten zuzugreifen<br />
und diese in die Suche einzubeziehen.<br />
4.5 Beispiel II: Google<br />
Wesentlich stärker als ebay steht Google aktuell im Interesse von Medien und Kartellbehörden.<br />
Die Europäische Kommission hat diverse Vorermittlungen eingeleitet, die USamerikanische<br />
Federal Trade Commission (FTC) steht sowohl Presseberichten als auch eigenen<br />
Verlautbarungen zufolge kurz vor der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens. Der wesentliche<br />
Vorwurf bei Google bezieht sich, zumindest in der Öffentlichkeit, bislang auf die<br />
diskriminierende Listung von Suchergebnissen. Angeblich würden Angebote konzerninterner<br />
Unternehmen präferiert gelistet. Da der Suchalgorithmus aus der Natur der Dinge heraus als<br />
Geschäftsgeheimnis betrachtet werden muss, das nicht der Öffentlichkeit preisgegeben werden<br />
kann, ist es allerdings nicht trivial, einen solchen Verdacht gerichtsfest zu belegen. Der<br />
wesentliche Mehrwert einer Suchmaschine <strong>für</strong> die Verbraucher ist ja zudem gerade eine Sortierung<br />
der Suchergebnisse – also eine eben nicht zufällige Reihung der Resultate. Da sich<br />
zudem Webseiten immer wieder ändern und neue Webseiten entstehen und Suchmaschinen<br />
ein lernendes System darstellen, sind auch Veränderungen in der Reihenfolge von Suchergebnissen<br />
nicht etwa verdächtig, sondern die Regel. Ganz im Gegenteil wäre sogar ein statisches<br />
Festhalten an Reihungen eher als verdächtig zu werten, sofern sich die Inhalte von digitalen<br />
Plattformen ändern. Würde z.B. ein Online-Vermittler von Reisen (wie z. B. expedia) selbst<br />
eine bestimmte Fluglinie (wie z. B. Air Berlin) nicht mehr im Angebot führen, wie dies in der<br />
Tat Ende 2011 <strong>für</strong> eine gewisse Zeit der Fall war, so sollte in der Konsequenz auch dieser<br />
Online-Reisevermittler im Ranking bei Google absteigen, da er <strong>für</strong> die Verbraucher weniger<br />
nützlich ist. Ab wann ein solches Verhalten als diskriminierend zu werten ist, ist nur schwer<br />
zu beurteilen.<br />
Problematisch ist die gerichtsfeste Feststellung einer Verletzung der „Suchneutralität“ auch<br />
deshalb, weil die Diskriminierung auf sehr subtile Weise erfolgen kann. So muss die Diskriminierung<br />
gar nicht im Suchalgorithmus selbst angelegt sein, sondern kann auch derart erfol-<br />
19 Vgl. http://seminare.ebay.de/university/<br />
20 Vgl. http://education.ebay.de/kurssuche/kurssuche.pl
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 85<br />
ge, dass konzerninterne Mitarbeiter von Google die Suchalgorithmen besser kennen und verstehen<br />
als externe Suchmaschinenoptimierer, sodass konzernintern die Webseiten besser auf<br />
den Google-Suchalgorithmus hin programmiert und optimiert werden können. Selbst bei der<br />
organisatorischen Trennung der Geschäftsbereiche (durch sog. „Chinese walls“) wäre eine<br />
solche Gefahr kaum zu bannen, da eine solche Form der Diskriminierung nur sehr schwer<br />
nachweisbar wäre.<br />
Da Google im Bereich der Suchmaschinen eine marktbeherrschende Stellung einnimmt, die in<br />
Deutschland sogar ein fast vollständiges Monopol darstellt, wie Tabelle 2 verdeutlicht, ist die<br />
Gefahr einer Diskriminierung durchaus nicht nur theoretischer Natur, sondern durchaus vorstellbar.<br />
Tabelle 6:<br />
Jahr 2010<br />
Marktanteile <strong>für</strong> Suchmaschinen in den in USA und Deutschland im<br />
Marktanteil USA Deutschland<br />
Google 66.25% 93.86%<br />
Yahoo 16.4% 0.85%<br />
Bing 11.8% 1.71%<br />
Anmerkung: Anfang 2010 hat Yahoo sein Suchmaschinengeschäft an Microsoft (Bing) veräußert. 21<br />
Somit stellt sich die Frage, wie gegen einen etwaigen Missbrauch einer marktbeherrschenden<br />
Stellung durch Google vorzugehen wäre, wenn dieser denn gerichtsfest belegt werden könnte.<br />
Eine etwaige strukturelle Entflechtung müsste wohl als unverhältnismäßig gelten und wäre<br />
auch ökonomisch aufgrund der ambivalenten Auswirkungen auf Investitions- und Innovationsanreize<br />
eine fragwürdige Abhilfemaßnahme. Geldbußen können zwar eine gewisse abschreckende<br />
Wirkung entfalten, haben sich in der Vergangenheit aber auch oftmals als wenig<br />
effektiv erwiesen. Sinnvoll könnte es sein, Google zu verpflichten, konzerninterne Webseiten<br />
ähnlich farbig zu hinterlegen wie dies bei den gesponserten Links und Werbebannern der Fall<br />
ist, sodass Verbraucher sofort erkennen können, dass es sich um Google-Seiten handelt. Sofern<br />
die Nutzer dann den Verdacht hegen, dass hier Suchergebnisse zu Googles eigenem Vorteil<br />
manipuliert werden, könnten die Nutzer stattdessen auf andere Suchergebnisse zurückgreifen.<br />
Diesen Schritt könnte Google allerdings im Idealfall auch heute schon im Sinne einer<br />
höheren Transparenz und Nutzerfreundlichkeit gehen.<br />
Bevor jedoch Abhilfemaßnahmen auferlegt werden, sollte das Ausmaß des tatsächlichen Problems<br />
eruiert und dargelegt werden. Anders als bei Facebook oder Ebay halten sich die<br />
Wechselkosten <strong>für</strong> die Nutzer bei Google sehr in Grenzen. Sollten die Nutzer unzufrieden<br />
sein mit den Suchergebnissen, ist ein Wechsel der Suchmaschine relativ einfach ohne spürbare<br />
Wechselkosten möglich. Man könnte auch sagen: Der Wettbewerb ist nur einen Klick entfernt.<br />
Somit bliebt abzuwarten, inwiefern die aktuell zweifellos sehr starke Marktstellung von<br />
Google tatsächlich von dauerhafter Natur ist. Es ist noch nicht allzu lange her, als nacheinander<br />
auch AOL, Yahoo! und Altavista marktbeherrschende Gatekeeper im Internet waren, die<br />
dann jedoch durch andere wie eben Google abgelöst wurden. Wie sich in Zukunft der Wettbewerb<br />
zwischen Google und Anbietern wie Facebook oder auch Twitter sowie Microsoft<br />
oder auch Anbietern von Cloud Diensten entwickeln wird, ist heute relativ offen. Für eine<br />
Vorab-Regulierung der Angebote scheint es daher heute allemal zu früh zu sein, wenn die<br />
21 http://www.pcworld.com/article/204134/Will_Bing_Back_End_Make_Yahoo_Better.html.
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 86<br />
Dynamik des Wettbewerbs nicht abgewürgt werden soll. Sollte sich jedoch zeigen, dass die<br />
starke Marktstellung von Google auch langfristig bestehen bleibt und Innovationen und<br />
Markteintritt unterbleiben, so wäre diese Position neu zu bewerten. Aufgrund der verhältnismäßig<br />
geringen Wechselkosten der Nutzer erscheint dies jedoch – anders als z. B. bei Facebook<br />
oder eBay, bei denen indirekte Netzeffekte erheblich wichtiger sind – heute wenig wahrscheinlich.<br />
4.6 Fazit<br />
Das Internet ist stark durch Wettbewerb zwischen Plattformen geprägt, welche potenzielle<br />
Tauschpartner zusammenbringen. Die Konkurrenz zwischen solchen mehrseitigen Plattformen<br />
und die Marktkonzentration wird maßgeblich bestimmt durch (1) die Stärke der indirekten<br />
Netzeffekte, (2) das Ausmaß steigender Skaleneffekte, (3) Überlastungsgefahren, (4) Differenzierung<br />
der Plattformen und (5) die Möglichkeit des Multihoming. Je nach Ausprägung<br />
dieser Kriterien ergeben sich unterschiedliche Konzentrationstendenzen und Markteintrittsbarrieren.<br />
Pauschal lässt sich zwar nicht feststellen, dass im Internet besonders viele dauerhaft<br />
resistente Monopole anzutreffen wären und ein besonderer Regulierungsbedarf besteht.<br />
Gleichwohl zeigt sich, dass einzelne Plattformen wie z.B. ebay und Facebook auf manchen<br />
Märkten durchaus beträchtliche Marktmacht besitzen, die aufgrund erheblicher<br />
Markteintrittsbarrieren und indirekter Netzeffekte auch nicht schnell erodieren wird. Im Fall<br />
von Google hingegen sind indirekte Netzeffekte schwächer ausgeprägt und Wechselkosten <strong>für</strong><br />
Nutzer daher geringer. Für Google wird es daher bedeutend schwieriger sein, die heutige<br />
Marktmacht dauerhaft zu sichern und sich gegen Markteintritt und Innovation zu schützen –<br />
gute Nachrichten daher <strong>für</strong> die Verbraucher!<br />
4.7 Literatur<br />
ARGENTON, C. and PRÜFER, J. (2011), Search Engine Competition with Network<br />
Externalities, TILEC Working Paper, Tilburg.<br />
BAJARI, P.; HORTAÇSU, A. (2003), The Winner.s Curse, Reserve Prices, and Endogenous<br />
Entry: Empirical Insights from Ebay Auctions, RAND Journal of Economics 34, S.<br />
329- 355.<br />
BAJARI, P.; HORTAÇSU, A. (2004), Economic Insights from Internet Auctions, Journal of<br />
Economic Literature 42, S. 457-486.<br />
BOLTON, G.; GREINER, B.; OCKENFELS, A. (2009), Engineering Trust – Reciprocity in<br />
the Production of Reputation Information, UNSW Australian School of Business<br />
Research Paper No. 2009 ECON 02, online unter: http://ssrn.com/abstract=1355583<br />
CAILLAUD, B.; JULLIEN, B. (2003), Chicken & Egg: Competition among Intermediation<br />
Service Providers, RAND Journal of Economics 34, S. 309-328.<br />
CISNEROS, O. (2000), EBay Accused of Monopolization, WIRED Magazine, 31. Juli 2000,<br />
http://www.wired.com/techbiz/media/news/2000/07/37871<br />
DELLAROCAS, C. (2003), The Digitization of Word of Mouth: Promise and Challenges of<br />
Online Feedback Mechanisms, Management Science 49, S. 1407-1424.
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 87<br />
DELLAROCAS, C. (2006), Reputation Mechanisms, in: T. Hendershott (Hrsg.), Handbook<br />
on Economics and Information Systems, Elsevier: Amsterdam, S. 629-660.<br />
DEWENTER, R.; HAUCAP, J. (2009), Wettbewerb als Aufgabe und Problem auf Medienmärkten:<br />
Fallstudien aus Sicht der Theorie zweiseitiger Märkte, in: D. Wentzel<br />
(Hrsg.), Medienökonomik: Theoretische Grundlagen und ordnungspolitische<br />
Gestaltungsmöglichkeiten, Lucius & Lucius: Stuttgart, S. 36-73.<br />
DIXIT, A.; STIGLITZ, J. (1977), Monopolistic Competition and Optimum Product Diversity,<br />
American Economic Review 67, 297-308.<br />
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Economic Perspectives 19 (2), S. 139-158.<br />
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<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 88<br />
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<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 89<br />
5. Strategische Schlussforderungen<br />
Die Bedeutung von <strong>IKT</strong> <strong>für</strong> wirtschaftliche Modernisierung und Fortschritt nimmt stetig zu.<br />
Dies gilt auf allen Betrachtungsebenen, <strong>für</strong> die Weltwirtschaft insgesamt ebenso, wie <strong>für</strong> Europa,<br />
Deutschland und <strong>für</strong> das wirtschaftsstarke und bevölkerungsreiche Bundesland Nordrhein-Westfalen.<br />
Dabei ist erkennbar, dass Produzenten aus Asien im Bereich von skalenintensiven<br />
<strong>IKT</strong>-Gütern Wettbewerbsvorteile haben. In Europa liegen die Stärken eher bei spezialisierten<br />
<strong>IKT</strong>-Anbietern, doch es gibt auch bedeutende innovative Akteure im Bereich Mobilfunkkommunikation,<br />
Embedded Systems und Smart Grids. Zudem ragt in Westeuropa die<br />
Automobilindustrie als innovativer <strong>IKT</strong>-Anwender hervor. Deutschland ist in einigen <strong>IKT</strong>-<br />
Bereichen gut oder sogar führend positioniert, könnte allerdings insbesondere im <strong>IKT</strong>-<br />
Gründergeschehen noch Entwicklungspotenzial mobilisieren.<br />
Für Deutschland wie <strong>für</strong> die Europäische Union (EU) insgesamt gilt, dass es einen Mangel an<br />
Risikokapital gibt – insbesondere im Vergleich zu den USA. Für den <strong>IKT</strong>-Sektor, der von<br />
seiner Natur her wenig dingliche Sicherheiten bietet, ist die Überwindung dieses Defizits von<br />
großer Bedeutung. Bestehende Initiativen der Bundesregierung, die Erfolge u.a. über ein<br />
Mentoren-Programm <strong>für</strong> junge <strong>IKT</strong>-Unternehmen realisieren konnten, sollten ggf. auf Ebene<br />
der Bundesländer in modifizierter Form aufgegriffen werden. Dies könnte auch <strong>für</strong> Netzwerk-<br />
Förderprogramme in den Bereichen Industrie und Handwerk gelten, wobei Impulse seitens<br />
der Bundesländer insbesondere auch aus Forschungs- bzw. Vernetzungsinitiativen in Verbindung<br />
mit den Hochschulen kommen könnten.<br />
Darüber hinaus weist Deutschland im Bereich digitales Regieren im internationalen Vergleich<br />
erhebliche Verbesserungsmöglichkeiten auf. Mit Blick auf die in vielen EU-Ländern notwendigen<br />
Konsolidierungsmaßnahmen und im Interesse der europäischen Bürger ist es vor allem,<br />
Kostensenkungsmöglichkeiten und Einsparpotenziale durch verbesserte digitale Einkaufsprogramme<br />
von Bund, Ländern und Gemeinden zu erreichen. Für die Qualifizierung von Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeitern sind Initiativen im Industrie-, Handwerks- und Dienstleistungssektor<br />
ebenso wichtig wie gezielte Bildungs- und Weiterbildungsaktivitäten, deren Organisation<br />
zumindest zum Teil von staatlicher Seite zu unterstützen ist. Vor allem fehlen bei den<br />
bestehenden Fortbildungsprogrammen im staatlichen Bereich geeignete Schwerpunktsetzungen<br />
auf <strong>IKT</strong>.<br />
Aus ordnungspolitischer Sicht sollte der Staat auf nationaler und internationaler Ebene zunächst<br />
sinnvolle Rahmenbedingungen <strong>für</strong> den <strong>IKT</strong>-Sektor setzen. Dies ist mit Blick auf die<br />
digitale weltweite Internetwirtschaft eine Herausforderung, die in jedem Fall auch die Kooperation<br />
von Industrie- und Schwellenländern verlangt. Mit der International Telecommunications<br />
Union ist hier eine kompetente Organisation aktiv, die sich auch mit interessanten inhaltlichen<br />
Schwerpunkten schon beschäftigt hat – etwa Green ICT und digitaler Chancengleichheit.<br />
Dennoch gilt es gerade beim internationalen Ordnungsrahmen darauf zu achten, dass der<br />
Staat nicht unnötig mit Interventionen den Innovationsprozess beeinträchtigt, denn er schöpft<br />
seine Dynamik vor allem aus dem (internationalen) Wettbewerb der Unternehmen.<br />
Soweit es zunehmend grenzüberschreitende Innovations-Übertragungseffekte gibt, ist die<br />
Innovationspolitik auf internationaler Ebene zu organisieren. Ob dies in der EU bislang hinreichend<br />
und effizient geschieht, bleibt zu untersuchen. Dass die Lissabon-Agenda 2010 ge-
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 90<br />
rade bei Kohäsionsländern relativ wenig Fortschritte im <strong>IKT</strong>-Sektor gebracht hat, setzt jedenfalls<br />
ein Fragezeichen hinter manche Aktivität der Europäischen Kommission. So hatte die<br />
EU zu Beginn des Jahrtausends einen sichtbaren Vorsprung im Mobilfunkbereich gegenüber<br />
den USA und z.T. gegenüber Japan. Dieser Vorsprung ist jedoch mittlerweile abgeschmolzen.<br />
Somit stellt sich die Frage, inwieweit gerade im Telekomsektor die EU und ihre Mitgliedsländer<br />
auf die erkennbaren Globalisierungstendenzen der digitalen Kommunikation angemessen<br />
eingegangen sind. Doch auf europäischer Ebene ist nicht nur die Regulierungspolitik gefordert,<br />
einer gegebenenfalls notwendigen Marktkonsolidierung nicht im Wege zu stehen, sondern<br />
es stellt sich im Zuge der Eurokrise die schwierige Frage, wie derartige Konsolidierungsprozesse<br />
bei einer zunehmenden Segmentierung der Kapitalmärkte innerhalb der Eurozone<br />
angemessen zu finanzieren sind.<br />
Für die privaten Haushalte wie die Unternehmen ist die Nutzung digitaler Plattformen und<br />
Suchmaschinen Alltag geworden und die Effizienz- und Produktivitätsgewinne durch optimale<br />
Internetnutzung, inklusive Netzwerkbildung können sehr erheblich sein. Von daher gilt es<br />
hier, nachhaltigen Wettbewerb zu sichern. Es ist im Übrigen gerade eine europäische Aufgabe,<br />
auf Basis von Benchmarking voneinander zu lernen. Auch hier gibt es Verbesserungspotential<br />
und es ist immer wieder erstaunlich zu sehen, dass gerade auch kleine Länder wie Estland,<br />
Österreich, Dänemark, Finnland und Schweden sowie die Niederlande in der digitalen<br />
Agenda in Einzelbereichen weit vorne stehen. Deutschland als großer Marktplatz der Ideen<br />
und der Produkte und der neuartigen Dienste hat natürlich besondere Chancen, durch Nachahmung<br />
einerseits und Vernetzung andererseits die digitale Modernisierung von Wirtschaft<br />
und Gesellschaft voranzubringen. Es ist zu hoffen, dass gerade auch der Wettbewerb der<br />
Bundesländer hier mittelfristig zu digitalem Fortschritt erheblich beiträgt.
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 91<br />
<strong>Anhang</strong> 1: ExzellenzNRW <strong>Cluster</strong>initiative<br />
Das bevölkerungsmäßig größte Bundesland Nordrhein-Westfalen hat eine <strong>IKT</strong>-<br />
<strong>Cluster</strong>initiative, die Seitens der Wirtschaftspolitik den <strong>IKT</strong>-Sektor einerseits und andererseits<br />
die Rolle von <strong>IKT</strong> als Querschnittstechnologie fördern soll (ExzellenzNRW, 2012) 22 :“<br />
• Mehr als 23.000 Unternehmen im Land beschäftigten im Jahr 2010 rund 184.000 Mitarbeiter<br />
und erzielten einen Umsatz von 92 Milliarden Euro - dies entspricht 16,9 Prozent<br />
des nordrhein-westfälischen Bruttoinlandsproduktes 2010.<br />
• Im Jahr 2011 stieg die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im gesamten<br />
<strong>IKT</strong>-Sektor um mehr als 5.500 auf rund 189.500.<br />
• Starker TK-Sektor: 86 % des deutschen Mobilfunkmarktes werden von NRW-<br />
Unternehmen abgedeckt; mit Vodafone, E-Plus, Ericsson und der Deutschen Telekom<br />
sind vier „Big Player“ der TK-Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen angesiedelt. „Handycity“<br />
Düsseldorf – die Stadt ist ein Telekommunikations- und Mobilfunkstandort<br />
mit internationaler Strahlkraft, was die Ansiedlung großer Konzerne beweist.<br />
• 8 Fraunhofer-Institute mit <strong>IKT</strong>-Schwerpunkt sind in Nordrhein-Westfalen angesiedelt.<br />
• Effizienz<strong>Cluster</strong> LogistikRuhr (vom BMBF gefördert): Das vom BMBF geförderte<br />
Spitzencluster zielt auf die Entwicklung von Produkten, Ansätzen und Innovationen,<br />
um die bestehenden gesellschaftlichen Herausforderungen unter Einsatz der Logistik<br />
bewältigen zu können.<br />
• Im <strong>IKT</strong>-Bereich sind in NRW bereits mehrere regionale sowie thematische Netzwerke<br />
aktiv, bspw. das stark regional fokussierte IT-Security Netzwerk in der Region Bochum<br />
/ Gelsenkirchen oder das thematische Geoinformations-Netzwerk mit mehreren<br />
regionalen Schwerpunkten in Bonn, Münster und der Ruhrregion.“<br />
22 http://www.exzellenz.nrw.de/ikt-neu/noth/clusterinfo/landescluster/ikt/#c5652
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 92<br />
<strong>Anhang</strong> 2: <strong>Cluster</strong> <strong>Analyse</strong> <strong>für</strong> <strong>IKT</strong> (<strong>EIIW</strong>-<strong>Analyse</strong>n)<br />
*Die Patentanmeldungen sind nach dem Kriterium „Wohnsitz des Erfinders“ zugeordnet.<br />
Man kann die Intensität eines regionalen <strong>IKT</strong>-<strong>Cluster</strong>s auf Basis der Patentstatistiken der EU<br />
erfassen, wobei z.B. von mehreren Firmen gemeinsam erhaltene bzw. beantragte Patente<br />
sichtbar werden; beim Mobilitätsnetzwerk wird die Mobilität von Erfindern im <strong>IKT</strong>-Sektor<br />
zwischen Firmen erfasst, wobei diese Mobilität <strong>für</strong> den Transfer von an Personen bzw. Erfindern<br />
gebundenem Wissen wichtig ist (als Darstellung kann auch quasi die Summe von Kooperation<br />
und Mobilität als Gesamtnetzwerk dargestellt werden). Zu den Einzelheiten der<br />
Methodik siehe WELFENS, P.J.J., Hg. (2011), <strong>Cluster</strong>- und Innovationsdynamik in Europa:<br />
Neue Perspektiven der Automobil- und <strong>IKT</strong>-Wirtschaft, Serie: Europäische Integration und<br />
Digitale Weltwirtschaft Bd.6, Stuttgart: Lucius & Lucius.<br />
Abbildung 19: Patent-Kooperationsnetzwerk <strong>für</strong> <strong>IKT</strong>, München, 2000-2007<br />
Quelle: <strong>EIIW</strong> Berechnungen
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 93<br />
Abbildung 20: Patent-Kooperationsnetzwerk <strong>für</strong> <strong>IKT</strong>, Vienna, 2000-2007<br />
Quelle: <strong>EIIW</strong> Berechnungen<br />
Abbildung 21: Mobilitätsnetzwerk <strong>für</strong> <strong>IKT</strong>, Vienna, 2000-2007<br />
Quelle: <strong>EIIW</strong> Berechnungen
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 94<br />
Abbildung 22: Patent-Kooperationsnetzwerk <strong>für</strong> <strong>IKT</strong>, Dortmund, 2000-2007<br />
Quelle: <strong>EIIW</strong> Berechnungen<br />
Abbildung 23: Mobilitätsnetzwerk <strong>für</strong> <strong>IKT</strong>, Dortmund, 2000-2007<br />
Quelle: <strong>EIIW</strong> Berechnungen
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 95<br />
Abbildung 24: Patent-Kooperationsnetzwerk <strong>für</strong> <strong>IKT</strong>, Bergisches Städtedreieck,<br />
2000-2007<br />
Quelle: <strong>EIIW</strong> Berechnungen<br />
Abbildung 25: Mobilitätsnetzwerk <strong>für</strong> <strong>IKT</strong>, Bergisches Städtedreieck, 2000-2007<br />
Quelle: <strong>EIIW</strong> Berechnungen
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 96<br />
Abbildung 26: Patent-Kooperationsnetzwerk <strong>für</strong> <strong>IKT</strong>, Eindhoven, 2000-2007<br />
Quelle: <strong>EIIW</strong> Berechnungen<br />
Abbildung 27: Mobilitätsnetzwerk <strong>für</strong> <strong>IKT</strong>, Eindhoven, 2000-2007<br />
Quelle: <strong>EIIW</strong> Berechnungen
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 97<br />
<strong>Anhang</strong> 3: Internationale Spezialisierung in Deutschland und<br />
China<br />
Abbildung 28: Offenbarte internationale Wettbewerbsposition (RCA: positiver<br />
Wert zeigt relativ gute sektorale Wettbewerbsfähigkeit an; ein negativer Wert steht<br />
<strong>für</strong> eine schwache internationale Wettbewerbsposition) und Exportdurchschnittserlös<br />
<strong>für</strong> Deutschland<br />
Notiz: NACE Klassifizierung <strong>IKT</strong> = 30 (Manufacture of office machinery and computers) + 32 (Manufacture of radio, television<br />
and communication equipment and apparatus)<br />
Quelle: <strong>EIIW</strong> Berechnungen
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 98<br />
Abbildung 29: Offenbarte internationale Wettbewerbsposition (RCA: positiver<br />
Wert zeigt relativ gute sektorale Wettbewerbsfähigkeit an; ein negativer Wert steht<br />
<strong>für</strong> eine schwache internationale Wettbewerbsposition) und Exportdurchschnittserlös<br />
<strong>für</strong> China<br />
Notiz: NACE Klassifizierung <strong>IKT</strong> = 30 (Manufacture of office machinery and computers) + 32 (Manufacture of radio, television<br />
and communication equipment and apparatus)<br />
Quelle: <strong>EIIW</strong> Berechnungen
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 99<br />
<strong>Anhang</strong> 4: <strong>IKT</strong>-Daten
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 100
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 101<br />
Quelle: OECD (2012), OECD Internet Economy Outlook 2012, Paris.
<strong>IKT</strong> als Schlüssel <strong>für</strong> Modernisierung und Fortschritt in Deutschland und NRW 102<br />
<strong>Anhang</strong> 5: Exporte von <strong>IKT</strong>-Gütern<br />
Abbildung 30: Entwicklung der Exporte von <strong>IKT</strong> Gütern nach den wichtigsten<br />
Bestimmungsländern
<strong>EIIW</strong><br />
Koordinator: Prof. Dr. Paul J.J. Welfens:<br />
Europäisches Institut <strong>für</strong> Internationale Wirtschaftsbeziehungen<br />
(<strong>EIIW</strong>) an der Bergischen Universität Wuppertal<br />
Rainer-Gruenter-Str. 21<br />
42119 Wuppertal<br />
Tel. 0202 439 1371<br />
welfens@eiiw.uni-wuppertal.de<br />
www.eiiw.eu<br />
07.11.2012