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Marxismus für das 21. Jahrhundert Modernes Finanzkapital I ... - isw

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Plenarvortrag:<br />

1<br />

<strong>Marxismus</strong> <strong>für</strong> <strong>das</strong> <strong>21.</strong> <strong>Jahrhundert</strong><br />

Konferenz 20. - 22.4.2007, Technische Fachhochschule, Berlin-Wedding<br />

<strong>Modernes</strong> <strong>Finanzkapital</strong><br />

Ich kann mich in meinem Vortrag nur mit einigen, wenigen Aspekten dieses komplexen Themas<br />

befassen. Ich beziehe mich mit dem Begriff »<strong>Finanzkapital</strong>« auf die klassische Definition durch<br />

Hilferding und Lenin. Von deren Definition ausgehend, werde ich versuchen, Strukturveränderungen<br />

und die veränderte Wirkungsweise des <strong>Finanzkapital</strong>s im heutigen Monopolkapitalismus darzustellen.<br />

I. Definition und Inhalt des Begriffs: Hilferding und Lenin<br />

Hilferding 1 :<br />

„Das <strong>Finanzkapital</strong> bedeutet die Vereinheitlichung des Kapitals. Die früher getrennten<br />

Sphären des industriellen, kommerziellen und Bankkapitals sind jetzt unter die gemeinsame<br />

Leitung der hohen Finanz gestellt, ... Damit ändert sich naturgemäß auch <strong>das</strong> Verhältnis der<br />

Kapitalistenklasse zur Staatsmacht“.<br />

Lenin schreibt unter Bezug auf Hilferding in seiner Schrift „Der Imperialismus als jüngste Etappe des<br />

Kapitalismus“ 2 :<br />

„Das <strong>Finanzkapital</strong> ist also „Kapital in der Verfügung der Banken und in der Verwendung der<br />

Industriellen. .... Konzentration der Produktion, daraus erwachsende Monopole,<br />

Verschmelzen oder Verwachsen der Banken mit der Industrie – <strong>das</strong> ist die<br />

Entstehungsgeschichte des <strong>Finanzkapital</strong>s und der Inhalt des Begriffs“.<br />

II. Entwicklung der Finanzmärkte, die Rolle der Spekulation<br />

Es ist allgemein bekannt, <strong>das</strong>s in den letzten 20 Jahren die Finanzsektoren erheblich schneller<br />

gewachsen sind, als Weltproduktion und Welthandel zugenommen haben. Gleichzeitig hat sich der<br />

Internationalisierungsgrad deutlich erhöht.<br />

Deshalb belege ich diese Tatsache nicht groß mit Zahlen, sondern verweise nur auf häufig genannten<br />

1.900 Mrd. Dollar arbeitstäglicher Umsatz im Jahr 2004 allein an den Devisenbörsen. Ähnliche Zahlen<br />

1 „Das <strong>Finanzkapital</strong> bedeutet die Vereinheitlichung des Kapitals. Die früher getrennten Sphären des<br />

industriellen, kommerziellen und Bankkapitals sind jetzt unter die gemeinsame Leitung der hohen<br />

Finanz gestellt, zu der die Herren der Industrie und der Banken in inniger Personalunion vereint sind.<br />

Diese Vereinigung selbst hat zur Grundlage die Aufhebung der freien Konkurrenz des<br />

Einzelkapitalisten durch die großen monopolistischen Vereinigungen. Damit ändert sich naturgemäß<br />

auch <strong>das</strong> Verhältnis der Kapitalistenklasse zur Staatsmacht ... Ein immer wachsender Teil des<br />

Kapitals der Industrie gehört nicht den Industriellen, die es anwenden. Sie erhalten die Verfügung über<br />

<strong>das</strong> Kapital nur über die Bank, die ihnen gegenüber den Eigentümer vertritt. Andererseits muß die<br />

Bank einen immer wachsenden Teil ihrer Kapitalien in der Industrie fixieren. Sie wird damit in immer<br />

größerem Umfang industrieller Kapitalist. Ich nenne <strong>das</strong> Bankkapital, also Kapital in Geldform, <strong>das</strong> auf<br />

diese Weise in Wirklichkeit in industrielles Kapital verwandelt ist, <strong>das</strong> <strong>Finanzkapital</strong>. (...) Das<br />

<strong>Finanzkapital</strong> entwickelt sich mit der Entwicklung der Aktiengesellschaft und erreicht seinen<br />

Höhepunkt mit der Monopolisierung der Industrie. (...) Haben wir gesehen, wie die Industrie immer<br />

mehr in Abhängigkeit gerät vom Bankkapital, so bedeutet <strong>das</strong> durchaus nicht, daß auch die<br />

Industriemagnaten abhängig werden von Bankmagnaten. Wie vielmehr <strong>das</strong> Kapital selbst auf seiner<br />

höchsten Stufe zum <strong>Finanzkapital</strong> wird, so vereinigt der Kapitalmagnat, der <strong>Finanzkapital</strong>ist, immer<br />

mehr die Verfügung über <strong>das</strong> gesamte nationale Kapital in der Form der Beherrschung des<br />

Bankkapitals. (...)."<br />

2 In der deutschen Übersetzung seit 1934 unter dem Titel „Der Imperialismus als höchstes Stadium<br />

des Kapitalismus“ veröffentlicht


2<br />

gibt es <strong>für</strong> die Entwicklung des Handels mit Aktien, anderen Wertpapieren, Anleihen oder Derivaten 3 .<br />

Nach dem durch die Asienkrise 1997/98 und die Börsenkrise 2000/2001 verursachten Einbruch sind<br />

Finanzmärkte und Devisenhandel seit 2003 wieder beschleunigt gewachsen. Der Devisenhandel hat<br />

zwischen 2001 und 2005 um gut die Hälfte zugenommen, der Wert der durch Derivathandel<br />

betroffenen Papiere ist auf <strong>das</strong> 2,7fache gestiegen. Während seit Beginn der 1980er Jahre die<br />

internationalen Devisenreserven in etwa gleichem Tempo - um den Faktor 9,2 - wie die internationalen<br />

Kapitalbestände gewachsen sind, hat der Devisenhandel auf <strong>das</strong> 15-fache zugenommen. 4 Im Jahr<br />

2005 lag der gesamte Welthandel von Gütern und Dienstleistungen bei etwa 12.500 Mrd. Dollar<br />

(WTO, International Trade Statistics 2006). Knapp sieben Tage Devisenhandel hätten also genügt, um<br />

den gesamten internationalen Handel abzuwickeln.<br />

Weniger bekannt ist eine Entwicklung, auf die die UNCTAD, der UNO-Unterorganisation <strong>für</strong> Handel<br />

und Entwicklung, in ihrem “World Investment Report 2000” hinweist: in den letzten Jahren ist neben<br />

dem globalen Markt <strong>für</strong> Güter und Dienstleistungen und dem Entstehen eines internationalen<br />

Produktionssystems auch ein globaler Markt entstanden, auf dem Unternehmen gehandelt werden.<br />

(WIR 2000, Overview, XX, (p12)) Das „Geschäftsmodell“ ist also nicht, mit dem eigentlichen Zweck<br />

des Unternehmens Mehrwert zu produzieren, sondern durch den Handel mit Unternehmen Gewinn zu<br />

erzielen.<br />

Die Ursache<br />

Der wesentliche Grund <strong>für</strong> <strong>das</strong> schnelle Wachstum der Finanzmärkte und ihre Internationalisierung<br />

liegt in der Akkumulation einer riesigen Geldmenge, ohne Möglichkeit sich in der Sphäre der<br />

Produktion von Gütern und Dienstleistungen rentabel zu verwerten.<br />

Der Grund: Durch moderne Produktionsmittel, veränderte Arbeitsorganisation sowie durch den Aufbau<br />

internationaler Entwicklungs- und Produktionsnetzwerken ist die Arbeitsproduktivität rasant gesteigert<br />

worden.<br />

Die Folge: Die potenziellen Produktionskapazitäten überschreiten bei weitem die Aufnahmefähigkeit<br />

des Marktes.<br />

Zusätzlich führen Miniaturisierung, Computerisierung und Flexibilisierung zu einer steigenden<br />

Kapitalproduktivität, d.h. <strong>das</strong>s <strong>für</strong> die Aufrechterhaltung oder die Erweiterung der Produktion eine<br />

sinkende Profitmenge ausreicht.<br />

Da liegt der Zusammenhang einer paradox erscheinenden Entwicklung: In den zurückliegenden<br />

Jahrzehnten, in denen die Finanzmärkte geradezu explodierten, ist der Anteil der<br />

Unternehmensinvestitionen, die über die Finanzmärkte finanziert worden sind, zurückgegangen.<br />

Die Erklärung liegt darin, <strong>das</strong>s zum Einen die Investitionsdynamik insgesamt nachgelassen hat,<br />

während zum Anderen gleichzeitig der Anteil der Gewinne am Sozialprodukt gestiegen ist. Das erlaubt<br />

den Konzernen, einen größeren Teil der Investitionen aus Eigenmitteln zu finanzieren. (Huffschmid,<br />

Politische Ökonomie der Finanzmärkte)<br />

Nach einer Untersuchung von Franz Garnreiter vom <strong>isw</strong> (Institut <strong>für</strong> sozial-ökologische<br />

Wirtschaftsforschung München) verwenden die Kapitalgesellschaften heute lediglich etwa ein Drittel<br />

ihrer Nettoprofite <strong>für</strong> die Ausweitung der Sachanlagen, während zwei Drittel an den Mutterkonzern, an<br />

die Holding, an Kapitalsammelstellen ausgeschüttet und <strong>für</strong> Finanzinvestitionen verwendet werden.<br />

Geradezu zwangsläufig erhält in der Unternehmensstrategie die Pflege der Finanzanlagen im<br />

3 Derivate sind ursprünglich zur Risikoabsicherung entstanden, z.B. bei Handelsgeschäften zur Absicherung<br />

gegen Währungs- oder Zinsschwankungen oder schwankende Rohstoffpreise im Zeitraum zwischen<br />

Geschäftsabschluss und Zahlung. Heute hat sich diese Idee der Risikoabsicherung durch die Spekulation mit<br />

Derivaten in ihr Gegenteil verkehrt. Der Spekulation mit Derivaten liegt kein reales Liefergeschäft mehr zu<br />

Grunde, sondern es handelt sich um organisierte Wetteinsätze, denen Wahrscheinlichkeitsrechnungen und<br />

Annahmen zu Grunde liegen.<br />

4 WSI Mitteilungen 12/2006, Huffschmid, S.692


Verhältnis zur eigenen und eigentlichen Produktion zumindest gleichrangige, wenn nicht sogar<br />

vorrangige Bedeutung.<br />

Selbst die Konzerne mit dem höchsten technischen Stand und relativ schnellem moralischem<br />

Verschleiß der Produktionsmittel, verfügen über einen wachsenden Anteil von Finanzinvestitionen,<br />

weil es ihnen unmöglich ist, ihr gesamtes Kapital rentabel in der Produktion zu re-investieren.<br />

Diese liquiden Mittel, die wegen einer vergleichsweise zurückbleibenden Nachfrage nicht rentabel im<br />

produktiven Bereich investiert werden können, drängen auf die nationalen und internationalen<br />

Finanzmärkte, um dort - in der Sphäre der Finanzzirkulation - Gewinne zu erzielen.<br />

Ô Die Finanzspekulation ist heute eine notwendige Form der Reproduktion des Kapitals und der<br />

internationale Finanzmarkt zu einer selbstständigen Verwertungssphäre des Kapital geworden.<br />

Ô Ich meine also - auch im Unterschied zu zahlreichen Veröffentlichungen in linken<br />

Zusammenhängen -, <strong>das</strong>s es nicht die Politik der Umverteilung bzw. der monetaristischen und<br />

neoliberalen Politik allgemein war, die zu dem Übergewicht des Finanzsektors führte, sondern<br />

umgekehrt, <strong>das</strong>s sich diese Politiken aus der inneren Notwendigkeit des heutigen Kapitalismus<br />

bedingen, sich im Bereich der Finanzzirkulation und -spekulation zu reproduzieren.<br />

Die Tendenz zur Spekulation, die dem <strong>Finanzkapital</strong> von Beginn an innewohnte, stellt sich<br />

diesem Kapital heute als eine wesentliche und unverzichtbare Notwendigkeit zu seiner<br />

Reproduktion dar.<br />

Die Finanzspekulation ist also weder auf individuelle Bösewichter, wie George Soros, zu<br />

reduzieren, noch weniger ist die Finanzspekulation wie der Wucher aus den Tempeln des<br />

heutigen Kapitalismus zu vertreiben. 5<br />

3<br />

Anmerkung: Daraus leitet sich auch - neben den direkten Konflikten zwischen Kapital und Arbeit -<br />

die Grundsätzlichkeit der Auseinandersetzung und des Widerstandes gegen die Privatisierung<br />

öffentlichen Eigentums ab. Darin liegt auch die Bedeutung, die die Verhinderung der<br />

Privatisierung kommunaler Wohnungen z.B. durch eine Volksabstimmung in Freiburg hat.<br />

Umverteilung<br />

Diese Entwicklung ist verbunden mit einer massiven Umverteilung von Unten nach Oben, von Süd<br />

nach Nord, von den Lohn- und Lohnersatzeinkommen zu den Unternehmensgewinnen und den<br />

Vermögenszuwächsen der Geldvermögensbesitzer.<br />

Allein in den Jahren 2000 bis 2005 ist <strong>das</strong> weltweite private Geldvermögen um 38 Prozent auf 88.300<br />

Mrd. Dollar angewachsen; in Deutschland von 3.620 auf 4.280 Mrd. Euro. (siehe Grafik, <strong>isw</strong>-Report<br />

69/70, S. 22, <strong>isw</strong> Wi-info Nr.39)<br />

Stichpunktartig seien einige Gründe genannt:<br />

5<br />

Anmerkung: Neben den Enteignungsprozessen spielt jedoch gerade im heutigen High-Tech-Kapitalismus<br />

die Monopolisierung von Wissenschaft und Technik und <strong>das</strong> damit verbundene „Monopol der verbesserten<br />

Produktionsweise“ eine große Rolle <strong>für</strong> die Erzielung von Monopolprofit. Die Macht des Monopols,<br />

resultierend aus seiner Stellung im Produktions- und Reproduktionsprozess und mit dem „Monopol der<br />

verbesserten Produktionsweise“ (Marx: Das Kapital, S. 3158, MEW Bd. 25, S. 325) erlaubt diesem Kapital,<br />

auf Dauer einen Extraprofit zu erzielen.<br />

Die Auffassung, <strong>das</strong>s der Monopolprofit nur aus der Umverteilung des Gesamtprofits entspringt und nicht<br />

auch auf der Erzielung eines dauerhafter Extraprofits beruht, kann den Blick auf die Dynamik der<br />

monopolkapitalistischen Vergesellschaftungsformen verstellen, und zu einer Unterschätzung der<br />

Modernisierungspotentiale des Monopolkapitalismus und zu einer Überbetonung des stagnativen<br />

Charakters des Monopolkapitalismus als „sterbender Kapitalismus“. führen<br />

siehe auch http://www.<strong>isw</strong>-muenchen.de/download/seminar-imperialismus-lm-02.pdf


4<br />

1. seit 1980 stagnieren in allen kapitalistischen Hauptländern die Reallöhne. Zudem geht die Schere<br />

zwischen dem wachsenden Niedriglohnbereich und den Spitzengehältern immer weiter<br />

auseinander. Letztere können einen wachsenden Teil ihres Einkommens als Geldvermögen<br />

anlegen.<br />

2. bei den Gewinneinkommen hat es eine deutliche Hierarchisierung zugunsten der großen<br />

Unternehmen gegeben. Die positive Gewinnentwicklung fand hauptsächlich bei den<br />

Kapitalgesellschaften statt. Nach einer Untersuchung von Lorenz Jarass haben die Gewinne der<br />

Kapitalgesellschaften im Zeitraum 1995 - 2002 um 49 Prozent zugenommen, während es bei den<br />

Personengesellschaften und Selbstständigen nur 9 Prozent waren. (Jarass, Geheimnisse der<br />

Unternehmenssteuern, S.57)<br />

3. Staatliche Umverteilung durch eine Steuerpolitik, die die Steuern auf Spitzeneinkommen,<br />

Vermögen und Unternehmensgewinne immer weiter absenkt. (siehe <strong>isw</strong> winfo 38, Jarass:<br />

Geheimnisse....) und Finanzinvestitionen und damit Spekulationseinkommen im Vergleich zu<br />

produktiven Investitionen fördert.<br />

4. Aushöhlung der gesetzlichen, solidarischen Sozialsysteme und als Folge die Privatisierung der<br />

sozialen Risiken: Bewirkte einerseits höhere Gewinne durch Senkung der Kosten <strong>für</strong> die<br />

Arbeitskraft - sog. Lohnnebenkosten - und andererseits eine Anhäufung von Geldmassen in Form<br />

eines Art Zwangssparen <strong>für</strong> die soziale Sicherung. Insofern spielt die Privatisierung der<br />

Rentenversicherung eine zentrale Rolle in der Strategie der Europäischen Union <strong>für</strong> die Schaffung<br />

eines größeren europäischen Finanzmarktes.<br />

Das Ergebnis ist eine gewaltige Akkumulation von überschüssigem Geldkapital, <strong>das</strong> - wie Jörg<br />

Huffschmid sagt - die Finanzmärkte zur „Raserei“ bringt: „Das Angebot an Geldkapital nimmt zu,<br />

während gleichzeitig die Nachfrage stagniert. Das relative Überangebot an Sparkapital führt aber nicht<br />

– jedenfalls nicht in entsprechendem, „markträumenden“ Maße – zu sinkenden Zinsen, sondern zu<br />

zunehmend aggressiven Markterschließungs- und Verwertungsstrategien der Finanzunternehmen“ -<br />

die sich hinter dem „anonymen“ Finanzmarkt und seinen Zwängen verbergen.<br />

Damit hängt zusammen, ein enormes Anwachsen - sowohl im Umfang wie in der Bedeutung und im<br />

ökonomischen und politischen Einfluss - der Sammelstellen <strong>für</strong> <strong>das</strong> Geldkapital: Banken,<br />

Versicherungen, Pensionsfonds, Investmentfonds mit den neuen Ausprägungen Hedge- und Private<br />

Equity Fonds, die diese Geldmassen managen.<br />

Diese stehen einmal in Konkurrenz zueinander und zusammen vor einem erheblichen<br />

Anlagenotstand, was zu immer „aggressiveren Markterschließungsstrategien“ (z.B. Privatisierung auf<br />

der ganzen Linie bis hin zu Daseinsvorsorge) und „Verwertungsstrategien“ (insbesondere<br />

Spekulation) führt.<br />

veränderte Funktion der Finanzmärkte<br />

Verbunden ist dies mit einer Änderung der Funktion der Finanzmärkte. An die Stelle der<br />

Unternehmen, Regierungen und Haushalte, die Geld benötigten, und sich dies überwiegend über<br />

einen Bankkredit beschafften, tritt der renditesuchende Finanzanleger. Nicht mehr<br />

verschuldungsbereite Unternehmen suchen nach Kreditgebern, sondern Geldbesitzer suchen nach<br />

Schuldnern, bei denen sie ihr Geld profitabel anlegen können. Die Finanzmärkte werden nicht durch<br />

die Suche nach Finanzierungsmittel <strong>für</strong> Investitionen, sondern durch die Suche nach Gelegenheit zum<br />

rentablen Finanzinvestment und schneller Gewinnmitnahme getrieben.<br />

Ô Aus einem Anreiz <strong>für</strong> die Entwicklung der Produktion 6 hat sich der Kredit zu einem Instrument <strong>für</strong><br />

die Auspressung bereits produzierten Reichtums entwickelt.<br />

6<br />

„Das Kreditwesen beschleunigt daher die materielle Entwicklung der Produktivkräfte und die Herstellung


5<br />

Auch wenn Geldkapital selbst nicht direkt als produktives Kapital im Prozess der<br />

Mehrwerterzeugung aktiv ist, ändert <strong>das</strong> nichts daran, <strong>das</strong>s es Kapital und damit auf einen<br />

Zuwachs an Wert aus ist (G – G‘). Über Zinsen fordert <strong>das</strong> Geldkapital seinen Anteil am<br />

Mehrwert. Dabei kann es, wie K. Marx sagt, „zur Verselbständigung des Zinses gegen den Profit“<br />

kommen. (Kapital, Band 3, S. 370)<br />

Die Zinsen (seit Jahren liegen die Realzinsen über den Wachstumsraten) beanspruchen heute<br />

nicht mehr alleine einen Teil des produzierten Mehrwertes, sondern stellen Ansprüche auf bereits<br />

produziertes Mehrprodukt in allen Regionen der Welt dar.<br />

Mit der durch die Deregulierung der Finanzmärkte gewonnenen Mobilität und gestützt auf die<br />

gewachsene ökonomische Macht üben die Finanzinvestoren Druck auf die Politik und die Staaten<br />

aus, die Rahmenbedingungen weiter zu verbessern:<br />

§ niedrigere Steuern auf Vermögen und Gewinn;<br />

§ niedrigere Sozialabgaben <strong>für</strong> die Unternehmen;<br />

§ Abbau öffentlicher Leistungen,<br />

§ Privatisierung öffentlichen Eigentums, Privatisierung von Gesundheit, Rente u.ä. d.h. Enteignung<br />

zu Gunsten des <strong>Finanzkapital</strong>s<br />

§ Privilegierung von sog. Finanzinvestitionen im Verhältnis zu Investitionen in die Realökonomie,<br />

§ freier Kapitalverkehr, uneingeschränkter Gewinntransfer, Konvertierbarkeit der Währungen<br />

III. Strukturelle Veränderungen im <strong>Finanzkapital</strong> und die veränderte<br />

Wirkungsweise<br />

Rolle der Banken<br />

Das <strong>Finanzkapital</strong> ist nach Hilferding und Lenin „Kapital in der Verfügung der Banken und in der<br />

Verwendung der Industriellen“.<br />

Die „Kreditschöpfung“ durch <strong>das</strong> Bankensystem und die Vergabe der Mittel zu Investitionszwecken<br />

war die entscheidende Finanzierung der Konzerne, der Motor der wirtschaftlichen Entwicklung. Die<br />

Banken sammelten „brachliegendes Geldkapital“ ein und stellten es „der Kapitalistenklasse zur<br />

Verfügung“, verwandelten es so in „funktionierendes, d.h. profitbringendes Kapital ... In dem Maße,<br />

wie sich <strong>das</strong> Bankwesen und seine Konzentration in wenigen Institutionen entwickeln, wachsen die<br />

Banken aus bescheidenen Vermittlern zu allmächtigen Monopolinhabern an, die fast über <strong>das</strong><br />

gesamte Geldkapital aller Kapitalisten und Kleinunternehmer sowie über den größten Teil der<br />

Produktionsmittel und Rohstoffquellen des betreffenden Landes oder einer ganzen Reihe von Ländern<br />

verfügen.“ (Lenin, Der Imperialismus ...)<br />

Zur Absicherung und pünktlichen Bedienung ihrer Kredite nahmen die Banken direkt auf die<br />

Geschäftspolitik der beliehenen Unternehmen Einfluss – kapitalmäßige über Beteiligungen und auch<br />

personell über die Aufsichtsräte sowie in Form des Depotstimmrechts.<br />

Sie waren – zusammen mit den großen Eigentümerfamilien (Industriellen-Clans) - an einem stabilen<br />

Wachstum und langfristig ausgerichteter Gewinnmaximierung interessiert. Strukturpolitisch<br />

orientierten sie zwecks Risikostreuung auf Mischkonzerne und Konglomerate. Es war ein Gläubiger-<br />

des Weltmarkts, ...Die dem Kreditsystem immanenten doppelseitigen Charaktere: einerseits die Triebfeder<br />

der kapitalistischen Produktion, Bereicherung durch Ausbeutung fremder Arbeit, zum reinsten und<br />

kolossalsten Spiel- und Schwindelsystem zu entwickeln und die Zahl der den gesellschaftlichen Reichtum<br />

ausbeutenden Wenigen immer mehr zu beschränken; andrerseits aber die Übergangsform zu einer neuen<br />

Produktionsweise zu bilden, ....� (Marx: Das Kapital, Bd. 3, MEW Bd. 25, S. 457)


6<br />

und kein Investorenverhältnis. Der Kredit war relativ eng mit der realen Ökonomie der Produktion und<br />

Konsumtion verbunden.<br />

Das änderte sich mit der oben beschriebenen Entwicklung und Aufblähung der Finanzmärkte: Von<br />

den Kapitalsammelstellen fungieren nur noch die Banken als Kreditgeber (z.B. bei Klein- und<br />

Mittelstandsunternehmen, und mit großer Bedeutung <strong>für</strong> Hedge und Private Equity Fonds).<br />

Die Banken haben sich in den vergangenen Jahren zum großen Teil von ihrem Beteiligungsbesitz an<br />

den Industriekonzernen getrennt; auch um Mittel <strong>für</strong> einen stärkeren Einstieg ins Investmentbanking<br />

zu generieren.<br />

Beispiel: Die Deutsche Bank, vor vier Jahren mit 12 % noch größter Einzelaktionär bei<br />

DaimlerChrysler, hält heute nur noch 4,4 % an DaimlerChrysler;. (SZ, 14.4.2007)<br />

Der explodierende Gewinn wird zu<br />

§ 76% mit Wertpapierhandel, Fusionen und Unternehmensberatung (Investmentbanking) erzielt;<br />

§ 8,2 % kommen aus der Vermögensverwaltung;<br />

§ 11,2 % aus dem Privatkundengeschäft.<br />

§ Lediglich 4,9 % des Gesamtgewinnes erzielt die Deutsche Bank noch mit Firmenbeteiligungen<br />

(Gretchen Binus, Konzernmacht in der Europäischen Union, S.48)<br />

Das Geflecht „Deutschland AG“ befindet sich seit Jahren in einem Auflösungsprozess. Beschleunigt<br />

wurde dieser Prozess durch eine politische Weichenstellung: Die Steuerbefreiung von<br />

Veräußerungsgewinnen im Rahmen der rot-grünen Unternehmensteuerreform 2001. Dadurch konnten<br />

die Finanzkonzerne ihre Konzernbeteiligungen veräußern, ohne <strong>für</strong> die darin versteckten Stillen<br />

Reserven Milliarden an Steuern zahlen zu müssen. Das war politisch so gewollt. Eichel: „Wir machen<br />

da ganz bewusst Strukturpolitik“.<br />

Für die börsennotierten Konzernen tritt an die Stelle des Bankkredits die Beschaffung von finanziellen<br />

Mitteln über die Kapitalmärkte durch Aktienemission oder Ausgabe von Schuldscheinen.<br />

Transnationale Konzerne (TNK) haben sogar die Möglichkeit ihre Finanzierung über die<br />

internationalen Finanzmärkten zu organisieren (die Telekom hat z.B. Schuldscheine über die Börse in<br />

Tokio auf die Märkte gebracht).<br />

Heute dominiert bei den TNK die „Finanzierung an den Banken vorbei“, wie es Huffschmid formuliert.<br />

Lenin maß dagegen den Börsen und der Kapitalaufnahme über sie eine „sinkende Bedeutung“ bei.<br />

Börsen<br />

Der Stellenwert der Börsen hat sich mit dem Bedeutungszuwachs des Beteiligungssystems bei<br />

Kapitalzentralisationen und dem Wandel im Finanzsektor – der Verschiebung in der Struktur der<br />

externen Finanzierung von Bankkredit zum Wertpapierhandel – sowie der Verlagerung des gesamten<br />

Wirtschaftsgeschehens auf die Ebene der Zirkulation von Finanztiteln durch die elektronischen<br />

Handelsmöglichkeiten bedeutend erhöht. „Börsen sind eine Drehscheibe der Konzernmachtbildung<br />

und selbst ein Machtfaktor in der Konkurrenz um Führungspositionen auf dem Weltkapitalmarkt<br />

geworden.“ (G. Binus)<br />

Vor diesem Hintergrund wird die Börsenlandschaft neu geordnet. Die drei großen Börsen NYSE,<br />

Euronext und Deutsche Börse haben in einem erbitterten Kampf untereinander um eine Großfusion<br />

konkurriert, die ihnen die Herrschaft über den Wertpapierhandel in der Welt ermöglicht.


institutionellen Anleger<br />

7<br />

Zum Schwergewicht auf den Finanzmärkten haben sich die „institutionellen Anleger“<br />

(Pensionsfonds/Versicherungen/Investmentfonds) entwickelt. Das von ihnen verwaltete Vermögen hat<br />

sich von 1980 auf 2005 von 2.900 auf 55.000 Mrd. Dollar - also auf <strong>das</strong> 19-fache, erhöht.<br />

Zum Vergleich: in Private Equity Fonds sind 1.000 Mrd. Dollar; in Hedge-Fonds 1.200 Mrd. Dollar<br />

geflossen.<br />

Die institutionellen Anleger reichen <strong>das</strong> eingesammelte Geld nicht als Kredit an Unternehmen oder<br />

Regierungen weiter, sondern suchen über die Kapitalmärkte <strong>für</strong> ihre Gelder nach lukrativen<br />

Finanzinvestments, z.B. durch Kauf von Aktien und Unternehmensanleihen und andere handelbare<br />

Schuldpapiere. Da<strong>für</strong> erhalten sie eine Vergütung; der Gewinn wird überwiegend an die Kapitalgeber<br />

ausgeschüttet.<br />

Auf dem Vormarsch sind die Institutionellen Anleger auch als neue Eigentümer der Konzerne. Mit<br />

Ausnahme von BMW und VW haben die Institutionellen heute bei allen Dax-30-Konzernen die<br />

Aktienmehrheit (siehe <strong>isw</strong>-Grafikdienst Nr. 11, S. 33: bei Telekom und Post haben sie diese<br />

inzwischen errungen).<br />

Beim VW-Konzern hielten zum 31. Dezember 2004 institutionelle Anleger aus dem Ausland fast 40<br />

Prozent des VW-Aktienkapitals. Neben dem größten Einzelaktionär, dem Land Niedersachsen mit<br />

18,2 Prozent, sind die US-Investmentfirma Brandes Investment Partners mit 10,6 Prozent und<br />

nunmehr auch die US-Investmentgesellschaft Capital Group mit über 5 Prozent bedeutende<br />

Großaktionäre.<br />

Aus der Dominanz der Institutionellen ergibt sich ein verändertes Eigentümer- und Anlageverhalten:<br />

Es sind keine festen und dauerhaften Eigentümerstrukturen, sondern es handelt sich um Eigentümer<br />

auf Zeit. Sie sind in der Regel nicht an einem strategischen Engagement interessiert, sondern an einer<br />

kurzfristigen, schnellen Steigerung des Shareholder Values, d.h. Steigerung des Börsenkurses und so<br />

genannter Free-Cash-Flow – vor allem in Form von Dividende.<br />

Dax-Konzerne schütten heute ca. 40% ihres Profits als Dividende aus.<br />

Die durchschnittliche Zeit, in der eine Aktie z.B. von den US-Pensionsfonds gehalten wird. ist von 7<br />

Jahren (1960) auf zwei Jahre (1997) zurückgegangen. Im Durchschnitt verkaufen Pensionsfonds und<br />

andere Institutionelle 40% ihrer Aktien bereits wieder innerhalb des ersten Jahres ihres Kaufs. Mit der<br />

bedingungslosen Orientierung auf Kurssteigerungen nimmt <strong>das</strong> spekulative Moment stark zu.<br />

Die Institutionellen mischen sich in der Regel nicht aktiv in <strong>das</strong> Tagesgeschäft der Unternehmen ein.<br />

Sie machen ihren Einfluss über die Entscheidung, Aktien zu kaufen, zu halten oder zu verkaufen<br />

gegenüber dem Management – <strong>das</strong> zudem mit seinen gewinnorientierten Gehältern an Gewinn- und<br />

Kursoptimierung gebunden ist - geltend, um möglichst schnell Rendite- und Kursmaximierung zu<br />

erreichen: durch brutale Kostensenkung, Reduzierung aufs Kerngeschäft, Übernahmen:<br />

Ex-Allianz-Chef Schulte-Noelle: „Von jeder unserer Beteiligungen erwarten wir eine<br />

überdurchschnittliche Performance im Vergleich zur Branche. Wird diese nicht erreicht, ist ein Verkauf<br />

denkbar. Da gibt es keine Sentimentalitäten. Mit dem Wegfall der Besteuerung von<br />

Veräußerungsgewinnen, wird sich diese Dynamik erhöhen“.<br />

Hedge-Fonds und Private Equity Fonds<br />

Auf die Spitze getrieben wird diese kurzfristige und aggressive Shareholder-Value-Orientierung in der<br />

Erscheinung der neuen Finanzinvestoren Hedge-Fonds und Private Equity Fonds.<br />

Hedge-Fonds handeln mit allem was auf den Kapitalmärkten handelbar ist: mit Währungen und<br />

Schweinehälften, sie spekulieren mit Krediten und Frachtkosten der Schifffahrtsgesellschaften, kaufen


8<br />

Aktien chinesischer Firmen ebenso wie deutsche Wohnungsgesellschaften. Sie setzen im Gegensatz<br />

zu anderen Fonds sowohl auf steigende als auch auf fallende Kurse, und könne so bei jeder Entwicklung<br />

verdienen. Das verspricht hohe Renditen, bedeutet aber auch hohes Risiko. Zudem spekulieren<br />

sie nicht nur mit dem Geld, <strong>das</strong> sie bei Investoren eingesammelt haben, sondern auch mit Bankkrediten.<br />

7<br />

Hedge-Fonds spekulieren zunehmend mit Kreditderivaten. Diese sind eine Art Versicherung, mit der<br />

Banken <strong>das</strong> Schuldenrisiko eines Unternehmen absichern können. Die Hedge-Fonds übernehmen die<br />

Schulden und erhalten von der Bank im Gegenzug da<strong>für</strong> eine Prämie.<br />

Hedge-Fonds sind auch in der Unternehmenslandschaft zu einem wichtigen Faktor geworden. Bei<br />

Daimler-Chrysler wird vermutet, <strong>das</strong>s Hedge-Fonds etwa 20 Prozent der Anteile halten. Der Londoner<br />

TCI-Fonds vereitelte die Pläne der Deutschen Börse zur Übernahme der Londoner Stock Exchange,<br />

drückte stattdessen eine Ausschüttung an die Aktionäre durch und setzte Werner Seifert, den Chef<br />

der Deutschen Börse, vor die Tür.<br />

Der Einfluss von Hedge-Fonds auf den internationalen Kapitalmärkten resultiert daraus, <strong>das</strong>s sie<br />

relativ schnell und konzentriert unvorstellbare Summen bewegen können; z.B. riesige Kapitalmassen<br />

gegen eine Währung einsetzen können. Hedge-Fonds arbeiten bei ihren Spekulationen meist mit<br />

einer doppelten Hebelwirkung: Legendär wurde der LTCM-Fond (Long Term Capital Management).<br />

Dieser hatte 1998 mit 2,3 Mrd. Dollar Anlegerkapital Bankkredite in Höhe von 125 Mrd. Dollar erhalten<br />

und ein Spekulationsrad von 1.200 Mrd. Dollar gedreht, damals <strong>das</strong> Vierfache des deutschen<br />

Bundesetats. Als die spekulative Blase des LTCM platzte, bedurfte es einer durch die US-Notenbank<br />

koordinierten Feuerwehraktion von 14 internationalen Großbanken, um die Auslösung einer<br />

internationalen Finanzlawine zu verhindern.<br />

Die meisten Hedge-Fonds agieren zwar von den USA oder Großbritannien aus, haben ihren<br />

Firmensitz in den bekannten Steuerparadiesen wie den Cayman-Inseln, den Bahamas oder den<br />

7 Zwei Beispiele:<br />

„Gegenwärtig machen Hedge-Fonds, aber auch Banken und institutionelle Anleger, mit dem Ausnutzen der<br />

Zinsdifferenz zwischen Japan und anderen Ländern die große Kohle. Sie verschulden sich in Yen mit einem<br />

Zins, der nahe am Leitzinssatz von 0,5 Prozent liegt. Dann tauschen sie die Yen in Euro um, wo die Anlage<br />

sicher drei Prozent erzielt oder noch besser in Dollar, wo sogar fünf Prozent geboten werden. Oder mit den<br />

billigen Yen werden amerikanische Aktien, türkische Bonds oder deutsche Unternehmen gekauft. In Folge des<br />

Yen-Angebotes auf den internationalen Finanzmärkten wertet der Kurs des Yen gegenüber anderen Währungen,<br />

v.a. gegen den Euro und den Dollar ab, obwohl Japan einen wachsenden Leistungsbilanzüberschuss aufweist.<br />

Darunter stöhnen die Exporteure aus dem Euro-Raum. Die Ungleichgewichte auf den Devisenmärkten werden<br />

gleichfalls verstärkt. Den Spekulation garantiert der gefallene Yen jedoch einen Zusatzprofit. Jedes neue<br />

Geschäft erhöht zudem <strong>das</strong> Yen-Angebot auf den Devisenmärkten und schwächt die japanische Währung weiter.<br />

Auf diese Weise wirken Hedge-Fonds als Trendsetter. Mit ihren Einsätzen können sie weit größere<br />

Spekulationsbewegungen auslösen und Entwicklungen herbeiführen, aus denen sie dann den meisten Nutzen<br />

ziehen. Jüngst wurde eine Rekordvolumen von knapp 17 Mrd. Dollar an spekulativen Devisenmarktgeschäften<br />

gezählt, die allesamt auf einen weiter fallenden Yen setzen. Das Risiko lauert in der Zukunft.: Wenn der in Yen<br />

aufgenommene Kredit fällig wird, könnte ein gestiegener Yen <strong>das</strong> Geschäft zum Verlustbringer machen. Zudem<br />

erhöht sich durch die Rückzahlung die Nachfrage nach Yen. Der Kurs steigt. Das erhöht <strong>das</strong> Risiko auf eine<br />

„brutale Umkehr“ (Michael Heise, Chefvolkswirt der Allianz-Gruppe). Die Yen-Spekulanten könnten dann<br />

gleichzeitig versuchen, ihre Yen-Kredite zurückzuzahlen, weil sie be<strong>für</strong>chten, <strong>das</strong>s der Yen jeden Tag teurer und<br />

ihre Verluste größer werden.“ (aus <strong>isw</strong> report 69/70, G8- Agenda des kollektiven Imperialismus)<br />

Ein Hedge Fonds spekuliert auf einen sinkenden Aktienkurs:<br />

1. Schritt: der Hedge Fonds leiht sich <strong>für</strong> eine vereinbarte Frist Aktien gegen eine Leihgebühr bei den<br />

eigentlichen Aktienbesitzern<br />

2. Schritt: die Aktien werden auf dem Aktienmarkt verkauft<br />

3. Schritt: nach Ablauf der Frist werden die Aktien auf dem Aktienmarkt zurückgekauft. Ist der Kurs inzwischen<br />

gesunken, dann kann mit weniger Geld die Zahl der ausgeliehenen Aktien erworben werden. Der<br />

Kursverlust muss allerdings so groß sein, <strong>das</strong>s die Leihgebühr und darüber hinaus ein<br />

Spekulationsgewinn erzielt wird. Der Hedge Fonds wird also alle Hebel in Bewegung setzen, damit<br />

tatsächlich der Aktienkurs möglichst stark sinkt.


9<br />

britischen Kanalinseln. Das Geld jedoch, mit dem sie spekulieren, kommt von Banken, institutionellen<br />

Anlegern, Großkonzernen und den Besitzern großer Geldvermögen aus aller Herren Länder.<br />

Die Deutschland-Chefin von Morgan Stanley - 2.größte Investmentbank der Welt - erklärte kürzlich,<br />

<strong>das</strong>s auch „deutsche Anbieter ihre Produkte im Ausland auflegen“ (SZ, 19.4.2007) Eine nationale<br />

Zuordnung ist also nicht mehr möglich.<br />

Während die Debatte - auch in Vorbereitung des G8-Gipfels - über die von den Hedge-Fonds<br />

ausgehenden Risiken und deren stärkere Regulierung zunimmt, steigen die Banken erst richtig in <strong>das</strong><br />

Geschäft ein. Sie gründen selbst Hedge-Fonds und steigen mit Private Equity Fonds in <strong>das</strong> Geschäft<br />

mit Firmenübernahmen ein.<br />

Parallel zum direkten Einstieg der Banken in die Branche, gehen Hedge-Fonds an die Börse. Anfang<br />

Februar wurde die amerikanische Fortress, einer der weltweit größten Hedge-Fonds, an der New<br />

Yorker Börse notiert. Der Börsengang war der erste eines Hedge-Fonds in den USA. Auf diese Weise<br />

- mit der Notierung an der Börse - eröffnet sich der Hedge-Fond einen neuen Zugang zu Kapital.<br />

Damit verflechten sich Banken, Börsen und Hedge-Fonds noch weiter: Hedge-Fonds sammeln Geld<br />

bei den Reichen, bei Unternehmen und an der Börse, Banken geben Hedge-Fonds Kredite, reichen<br />

diese Kredite wiederum an Hedge-Fonds weiter und sind selbst als Hedge-Fonds aktiv.<br />

Private Equity Gesellschaften (Beteiligungsgesellschaften) haben in den vergangenen Jahren<br />

bekannte Firmen wie Pro Sieben Sat 1, den Grünen Punkt, die Chemiefirma Celanese, den<br />

Brillenhersteller Rodenstock, die Immobiliengesellschaft Gagfah mit 80 000 Wohnungen aufgekauft,<br />

den Modelleisenbahnbauer Märklin und den Sanitärhersteller Grohe übernommen, oder sich an<br />

Konzernen wie der Telekom oder MTU beteiligt. Beteiligungsfirmen kaufen überwiegend abgespaltene<br />

Konzerntöchter und nicht-börsennotierte Familienunternehmen.<br />

Die Steuerreform der SPD-Grünen-Regierung war <strong>das</strong> reinste Kraftfutter <strong>für</strong> die von Müntefering<br />

gescholtenen Heuschrecken: seit 2002 bleiben Gewinne aus dem Verkauf von Unternehmen und<br />

Beteiligungen vom Zugriff des Finanzamtes verschont. Das hat Deutschland zu einem Magneten <strong>für</strong><br />

Private Equity Gesellschaften gemacht. Im Jahr 2006 wurden deutsche Firmen im Wert von 51 Mrd.<br />

Euro durch Beteiligungsgesellschaften übernommen. Mehr als 5 700 Unternehmen mit 800 000<br />

Beschäftigten werden hierzulande schon von Beteiligungsgesellschaften dirigiert.<br />

Europaweit haben nach Angaben der Investmentbank JP Morgan Beteiligungsgesellschaften im Jahr<br />

2005 Unternehmen im Wert von gut 218 Mrd. Euro erworben.<br />

Die Käufe finanzieren sie zu einem immer geringeren Teil mit Eigenkapital; mitunter sogar unter 20<br />

Prozent. 8<br />

Während Hedge-Fonds in der Regel keinen direkten Einfluss auf die konkrete Geschäftstätigkeit<br />

nehmen, managen Private Equity Fonds die übernommen Unternehmen selbst, trimmen auf Profit,<br />

saugen Kapital aus den übernommenen Unternehmen heraus, überladen es mit Schulden und<br />

verkaufen es nach zwei bis sieben Jahren weiter.<br />

Ebenso wie in Hedge Fonds investieren Versicherungen, Banken, Pensionskassen und die<br />

Superreichen in die Private Equity Fonds.<br />

Reits (real estate investment trust)<br />

Gegenwärtig schafft die Bundesregierung ein neues, staatlich gefördertes Spekulationsfeld <strong>für</strong><br />

Finanzinvestoren. Es werden neue Gesellschaften entstehen, die sich ganz auf die Verwaltung und<br />

<strong>das</strong> Management großer Immobilienbestände spezialisieren. Konzerne sollen ihre Gebäude und<br />

Grundstücke - geschätzt werden gewerbliche Immobilien im Wert von 1.630 Mrd. Euro, allein die<br />

Immobilien der DAX-30-Unternehmen haben einen Wert von 167 Mrd. Euro - an diese speziellen<br />

Unternehmen namens Reits verkaufen. Damit sie <strong>das</strong> tun, gewährt der Staat den Konzernen einen<br />

8 Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nach Übernahmewelle droht Pleitewelle, 4.10.2006


10<br />

Steuervorteil: die Immobilien können zum halben Ertragssteuersatz an Reits verkauft werden. Die<br />

Reits wiederum sind von der Körperschafts- und Gewerbesteuer befreit. Auf die Finanzbranche, die<br />

die neuen Immobiliengesellschaften an die Börse bringt, wartet ein Milliardengeschäft.<br />

Konzerne gehen ins Finanzgeschäft<br />

Die wachsende Bedeutung des Finanzmanagements auch <strong>für</strong> Konzerne der produzierenden<br />

Sektoren, führt zu einer beginnenden „Umkehr der traditionellen finanzkapitalistischen Verflechtung<br />

zwischen Bank- und Industriekapital“ (G. Binus). Große Industriekonzerne, aber auch Handelsketten,<br />

Energieversorger, Mobilfunkbetreiber gehen ins Finanzgeschäft, während Banken ihre<br />

Industriebeteiligungen teilweise abgegeben. An vorderer Stelle rangieren die Autobanken der großen<br />

Automobilhersteller <strong>für</strong> die Finanzierung des Kaufs von Kraftfahrzeugen durch private und gewerbliche<br />

Kunden - z.B. die VW-Bank oder die DaimlerChrysler Bank. Der italienische Autokonzern Fiat hat<br />

gemeinsam mit der führenden französischen Genossenschaftsbank Crédit Agricole eine gemeinsame<br />

Bank <strong>für</strong> Konsumentenkredite gegründet.<br />

Ein anderes profitables Marktsegment der Finanzdienstleistungen hat sich der Elektrokonzern<br />

Siemens - von dem es schon immer hieß, er sei eine Bank mit angegliederter Elektroabteilung - mit<br />

seiner Tochtergesellschaft, der Siemens Financial Services GmbH (SFS) auserkoren: Die SFS<br />

orientiert u.a. auf alternative Finanzierungsformen <strong>für</strong> den Mittelstand – Leasing, Verkauf von<br />

Forderungen und Eigenkapitalfinanzierung.<br />

Nochmals Banken<br />

Auch wenn die Rolle des Bankkredits <strong>für</strong> die Finanzierung von industriellen Investitionen der Konzerne<br />

nur noch eine untergeordnete Rolle spielt (etwas anders stellt sich die Rolle des Kredits <strong>für</strong> die<br />

Tätigkeit der Hedge-Fonds und Beteiligungsgesellschaften dar), spielen die Banken auch im heutigen<br />

Kapitalismus eine zwar andere, aber durchaus zentrale Rolle: Die Großbanken haben sich alle von<br />

Geschäftsbanken, die <strong>das</strong> Einlagen- und Kreditgeschäft betreiben, zu Investmentbanken gewandelt<br />

oder zumindest sich große Investmentabteilungen aufgebaut und zugekauft.<br />

Die Tätigkeit von Investmentbanken besteht in der Beratung und Unterstützung ihrer Kunden bei<br />

deren Vermögensverwaltung, der Ausgabe von Aktien, der Placierung von Anleihen, der Anlage von<br />

Gewinnen. Investmentbanken handeln mit Wertpapieren auf eigene oder fremde Rechnung.<br />

Investmentbanken sind tätig in der Finanzierung der öffentlichen Verschuldung, bei der Durchführung<br />

von Privatisierungen, und sie sind in hohem Maße bei der Vorbereitung und Durchführung von<br />

Fusionen und Übernahmen beteiligt.<br />

Fusionen<br />

So spielen auch bei der gegenwärtigen Fusions- und Zentralisationswelle die Interessen der<br />

Finanzbranche - insb. der Investmentbanken, und zunehmend der Hedge Fonds und<br />

Beteiligungsgesellschaften eine ausschlaggebende Rolle. Damit im Zusammenhang steht die<br />

Zunahme der sog. feindlichen Übernahmen. Inzwischen werden bereits ein Fünftel der<br />

grenzüberschreitenden Firmenübernahmen durch Private Equity und Hedge Fonds getätigt. 9<br />

Gegenwärtig ist der Einfluss der Hedge-Fonds bei der bevorstehenden Übernahme und Zerschlagung<br />

der niederländischen Großbank ABN Amro zu beobachten. Hedge Fonds treiben mit spekulativen<br />

Aktienhandel, ohne meist selbst eine Übernahme durchzuführen, die Preise der Transaktionen im<br />

Interesse eigener Gewinne hoch und erhöhen die Risiken <strong>für</strong> Fusionen.<br />

„Die Folgen dieser Finanztransaktionen werden auch in der Unternehmenslandschaft sichtbar. Die<br />

wachsenden Unsicherheiten gerade durch spekulative Prozesse der Fusionen wirken destabilisierend<br />

.. auch auf die großen Konzerne mit ihren Tausenden von Beschäftigten.“ (G. Binus)<br />

9 UNCTAD, World Investment Report 2006, Overview, S.3


globale Parameter<br />

11<br />

Begriffe wie „Best Practice“ und „Global Benchmarking“ sind inzwischen jedem Betriebsrat und<br />

Gewerkschafter in großen oder mittelständischen Betrieben geläufige Begriffe. Best Practice und<br />

Global Benchmarkung meint, <strong>das</strong>s jede Firma versucht, ihre Abläufe entsprechend dem weltweit<br />

besten Wettbewerber anzugleichen und diesen zu übertreffen. Es werden globale Parameter <strong>für</strong> die<br />

wirtschaftliche Tätigkeit herausgebildet. Die entscheidende Kategorie, die dann direkte Auswirkungen<br />

auf die Arbeitsplätze, die Arbeitsbedingungen, die Löhne, etc. hat, ist dann die direkte Folge: EVA,<br />

aus dem Amerikanischen: Economic Value Added. 10 Verschiedentlich verwenden Unternehmen auch<br />

andere Bezeichnungen; Siemens z.B. GWB – Geschäftswertbeitrag. Aber unabhängig vom Namen:<br />

EVA ist <strong>das</strong> entscheidende Steuerungselement global agierender Unternehmen. Ein<br />

Steuerungsinstrument, <strong>das</strong> vom Gesamtunternehmen bis in die unterste Abteilung zum Einsatz<br />

kommt.<br />

EVA meint im Klartext, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> Unternehmen ein höheres Ergebnis erzielen will, als die Kapitalgeber<br />

mit ihrem Geld an den Börsen der Welt, von den Cayman Islands über die Wall Street und London bis<br />

nach Hongkong, an Zinsen erzielen könnten.<br />

Dieses an den Finanzmärkten orientierte Steuerungsinstrument führt dazu, <strong>das</strong>s alle strategischen<br />

und operativen Entscheidungen des Unternehmens unter dem Gesichtspunkt getroffen werden, eine<br />

Rendite oberhalb der Verzinsung auf den internationalen Finanzmärkten zu generieren. In der Regel<br />

liegen die erwarteten Renditen zwischen 15 und 25 Prozent. Die Rendite wird zu einer fixen, der<br />

Produktion vorausgesetzten und im Grunde einzig legitimen Größe erklärt, während Arbeitskosten und<br />

Arbeitsbedingungen zu einer variablen Restgröße verkommen, die wie Materialkosten minimiert<br />

werden müssen.<br />

Vor jeder Investition wird ein in der Tendenz weltweiter, unternehmens- und branchenübergreifender<br />

Renditevergleich vorgenommen. Die Fortführung von Betrieben wird damit ständig grundsätzlich zur<br />

Disposition gestellt. Da kommt es dann dazu, <strong>das</strong>s selbst rentable, hochmoderne und hochproduktive<br />

Betriebe geschlossen werden.<br />

Wenn die Renditeziele nicht erreicht werden, reagieren die institutionellen Anleger sofort mit einer<br />

Umschichtung ihres Kapitals. Die Unternehmen werden zum Objekt feindlicher Übernahmen,<br />

zumindest können sie selbst keine aktive Rolle mehr in den Konzentrations- und<br />

Zentralisationsprozessen spielen. Der Druck wird sofort an die Zulieferer weitergegeben, womit diese<br />

Renditevorgaben der internationalen Finanzmärkte dann auch auf mittelständische, nicht<br />

börsennotierte Unternehmen wirken.<br />

Die Kapitalausschüttung wird in einer Situation, in der die Rentabilität zurückgeht und <strong>das</strong><br />

Unternehmen selbst auf <strong>das</strong> Kapital dringend angewiesen wäre, erhöht, um die Aktionäre bei der<br />

Stange zu halten. Es wird restrukturiert, rationalisiert, verlagert. Unternehmensteile werden verkauft,<br />

es erfolgt eine Konzentration auf Kernbereiche. Arbeitsplätze werden vernichtet, die Beschäftigten<br />

werden auf die Streckbank „betrieblicher Bündnisse <strong>für</strong> Arbeit“ gezwungen.<br />

Ô<br />

1. Auf diesem Wege bildet sich - zumindest <strong>für</strong> die Transnationalen Konzerne - eine globale<br />

Durchschnittsprofitrate heraus, die unabhängig ist von nationalen Produktivitätsniveaus, der<br />

nationalen Herkunft des TNK etc.<br />

2. Durch den Druck der Finanzinvestoren wird der Börsenwert zum wichtigsten<br />

Entscheidungskriterium <strong>für</strong> den Umbau und die Restrukturierung von Unternehmen. Spielte<br />

<strong>das</strong> <strong>Finanzkapital</strong> ursprünglich eine organisierende Rolle <strong>für</strong> <strong>das</strong> Industriekapital, so hat es<br />

jetzt „eine genau entgegengesetzte Rolle inne, eine der Desorganisation und der<br />

Destabilisierung des gesellschaftlichen Arbeitsprozesses, indem es sein Gefüge zerschlägt,<br />

ständig die Parameter verändert und die Turbulenzen des ökonomischen „Umfeldes“<br />

akzentuiert“. (Revelli)<br />

10 siehe Conrad Schuler, Die Globalisierungsstrategie der deutschen Wirtschaft am Beispiel der Telekom, <strong>isw</strong><br />

München, http://www.<strong>isw</strong>-muenchen.de/download/telekom-ref-cs.html


12<br />

Typisch ist die permanente Zerschlagung, Abspaltung und Neugruppierung des Realkapitals.<br />

Die Orientierung auf schnelle Höchstrendite und schnelle Ausschüttung an die Geldgeber führt<br />

zu weiterer Auflösung der Arbeitsstrukturen und zur Erosion der auf längere Fristen<br />

angewiesenen Investitions- und Innovationstätigkeit, wie sie auch die Ent-Industrialisierung<br />

ganzer Regionen und Länder tendenziell in Kauf nimmt.<br />

Die wachsende Momente von Kurzfristigkeit und Spekulation destabilisieren die Wirtschaft,<br />

erhöhen <strong>das</strong> Krisenpotential.<br />

3. Auch wenn also, wie Marx und Engels schreiben, „<strong>das</strong> zinstragende Kapital als solches nicht<br />

die Lohnarbeit, sondern <strong>das</strong> fungierende Kapital zu seinem Gegensatz“ 11 hat und der „Zins ein<br />

Verhältnis zwischen zwei Kapitalisten und nicht zwischen Kapitalist und Arbeiter“ 12 ist, so hat<br />

diese Entwicklung, <strong>das</strong>s ein großer Teil des gesellschaftlichen Kapitals als spekulatives<br />

Kapital und nicht als produktives Kapital (Kapital, <strong>das</strong> zum Zwecke der Mehrwerterzeugung<br />

eingesetzt wird) wirkt, doch gravierende Auswirkungen auf die Bewegung des Widerspruchs<br />

zwischen Kapital und Arbeit.<br />

IV. Internationalisierung<br />

Das heutige <strong>Finanzkapital</strong> ist transnationales <strong>Finanzkapital</strong>. Das wesentliche ist, <strong>das</strong>s sich <strong>das</strong><br />

transnationale Kapital nur im globalen Maßstab reproduzieren kann, <strong>das</strong>s der Verwertungskreislauf in<br />

allen seinen Phasen international ist.<br />

Für die Notwendigkeit dieses globalen Verwertungsprozesses ist die Eigentümerstruktur von<br />

untergeordneter Bedeutung, aber auch diese nimmt zunehmend transnationalen Charakter an.<br />

Zunehmend verschwindet der nationale Ursprungscharakter des Kapitals und <strong>das</strong> internationale<br />

Eigentum an den Unternehmen wird verallgemeinert (insbesondere über die Beteiligung und den<br />

Einfluss von Investment- und Pensionsfonds). Nicht nur die Ausbeutung, sondern auch <strong>das</strong> Eigentum<br />

und der Bezug der Gewinne wird transnationalisiert.<br />

Die 30 DAX-Unternehmen schütten <strong>für</strong> <strong>das</strong> Jahr 2006 ungefähr 20 Mrd. Euro an Dividende aus. Ein<br />

Rekord. Die Dividenden fließen vornehmlich ins Ausland, weil die Mehrheit der deutschen Aktien bei<br />

Aktionären im Ausland liegt. (SZ, 15.1.07)<br />

Bei zehn der 30 DAX-Konzerne haben ausländische Institutionelle bereits die Mehrheit, beim Rest<br />

mindestens ein Drittel (Ausnahme Thyssen/Krupp: 20%).<br />

Aufgrund der Transnationalisierung des Kapitals, der Deregulierung und Verflechtung der<br />

Finanzmärkte bildet sich - zumindest <strong>für</strong> die TNK - eine globale Durchschnittsprofitrate heraus, die<br />

unabhängig ist von den Produktivitätsniveaus etc. der nationalen Herkunft.<br />

Die Märkte, auf denen Zinsen und Wechselkurse gebildet werden, sind infolge von Deregulierung und<br />

Konvertibilität global, und die Reproduktionsräume, in denen Profitraten verglichen werden, haben<br />

ebenfalls globale Reichweite. Die Geldvermögensbesitzer legen ihre Geldvermögen – nachdem<br />

Konvertibilitätsschranken gefallen sind – im globalen Raum an.<br />

V. Finanzmärkte stabilisieren oder Macht der Finanzkonzerne eindämmen<br />

Hilferding vermutete, <strong>das</strong>s mit der Herausbildung der Monopole und des <strong>Finanzkapital</strong>s die<br />

Wahrscheinlichkeit von Finanzkrisen zurückgeht, weil die Banken ihr Kapital nicht mehr so frei<br />

bewegen könnten, um den Vorteil aus kurzfristigen Schwankungen der Profitrate innerhalb einzelner<br />

Sektoren zu ziehen.<br />

Er hat sich geirrt.<br />

11 Marx: Das Kapital, Band 3; MEW Bd. 25, S. 392<br />

12 Marx: Das Kapital, Band 3; MEW Bd. 25, S. 396


13<br />

Tatsache ist aber auch, <strong>das</strong>s mit der Demontage des Währungssystems und dem rasanten Wachstum<br />

des Finanzsektors und der Finanzspekulation eine neue Ära von Finanzkrisen eingeleitet wurde.<br />

Angesichts der riesigen Summen, die Anleger rund um den Globus in die Hedge-Fonds pumpen,<br />

wächst auch bei Einrichtungen wie dem IWF die Sorge, <strong>das</strong>s der Zusammenbruch eines großen<br />

Fonds eine Kettenreaktion mit Folgen <strong>für</strong> <strong>das</strong> gesamte Weltfinanzsystem auslösen könnte. Das<br />

Thema Stabilität der Finanzmärkte und Hedge Fonds steht auch auf der Tagesordnung des G8-<br />

Treffens.<br />

Die Debatte geht darum, wie sich die Finanzmärkte stabilisieren lassen, um zum Einen Finanzkrisen<br />

vermeiden oder zumindest funktional nutzen zu können, und zum anderen wie dadurch der<br />

wirtschaftliche und politische Druck der Finanzmärkte effizienter gemacht werden kann.<br />

Reformvorschläge gibt es auch von der Linken, wie z.B. attac, oder der Memorandum-Gruppe 13 .<br />

Im Zentrum dieser Vorschläge steht nicht Stabilisierung der Finanzmärkte, sondern wie der Einfluss<br />

der Finanzkonzerne eingedämmt und zurückgedrängt werden kann.<br />

Diese Vorschläge zielen auf die<br />

1. Regulierungen des Finanzmarktes und der Kapitalflüsse; Entschleunigung auf den<br />

Wertpapiermärkten, Beschränkung des Derivatenhandels, Eindämmung der Währungsspekulation<br />

- Reglementierung der Kreditvergabe der Banken an Finanzinvestoren (besonders<br />

hinsichtlich offshore-Firmen);<br />

- Verbot <strong>für</strong> Finanzinstitutionen, in Hedgefonds anzulegen, Beschränkung der Anlagen<br />

in PEF<br />

- Beschränkung der Kreditfinanzierung von PEF; Kreditanteil unter 50% des<br />

Kaufpreises<br />

- Eigenkapitalquote der PEF nicht unter 30%<br />

- Volle Versteuerungspflicht <strong>für</strong> Veräußerungsgewinne der PEF<br />

- Kapitalverlagerungsabgaben bzw. „Wegzugskosten“, Aufkommen zu verwenden <strong>für</strong><br />

öffentliche Struktur- und Beschäftigungsprogramme in der Region<br />

- Tobinsteuer<br />

2. Veränderung der Unternehmensverfassung – gegen Shareholder Value und EVA-Diktat<br />

gegen die alleinige Ausrichtung am kurzfristigen Höchstprofit und seiner Ausschüttung an die<br />

Kapitalgeber: Ausdehnung der Mitbestimmung inklusive einer wirksamen Vetomacht bei allen<br />

beschäftigungsrelevanten Investitions- und Umstrukturierungsmaßnahmen; Ausdehnung der<br />

Mitbestimmung auf Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten.<br />

Hierdurch ergäbe sich eine Verschiebung des Kräfteverhältnisses Kapital/Arbeit auf der<br />

wesentlichen Ebene der Betriebe. Auf dieser Grundlage können die Beschäftigten selbst aktiv<br />

einbezogen werden in die weitere Umgestaltung der Wirtschaft in Richtung Geltendmachen<br />

sozialer und gemeinschaftlicher Elemente.<br />

3. Veränderung der Tarif- und Wirtschaftspolitik durch eine aktive Umverteilungspolitik von oben<br />

nach unten; Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, Ausweitung der öffentlichen Investitionen,<br />

Ausweitung der sozialversicherungspflichtiger Arbeitsverhältnisse, Ausbau der sozialen<br />

Sicherung, Stopp der Privatisierungen; zentrale öffentliche Dienstleistungen und soziale<br />

Sicherungssysteme müssen vor dem Zugriff der Finanzinvestoren geschützt werden.<br />

Mit diesen Reformvorschlägen werden grundsätzliche Fragen der Macht aufgeworfen, welche Qualität<br />

Wirtschaft anzunehmen hat. Da es ja nicht die Politik war, die zu dem Übergewicht des Finanzsektors<br />

führte, sondern umgekehrt diese Politiken sich aus der inneren Notwendigkeit des heutigen<br />

Kapitalismus, sich im Bereich der Finanzzirkulation und -spekulation zu reproduzieren, bedingen,<br />

13 siehe auch J. Huffschmid, Politische Ökonomie der Finanzmärkte


treffen Maßnahmen zur Einschränkung der Finanzsektors und der Finanzspekulation den heutigen<br />

Kapitalismus in seiner Struktur. Die Eindämmung der Macht der Finanzmärkte trifft also auf die<br />

gebündelte Macht und Widerstand des großen Kapitals.<br />

14<br />

Dabei geht es nicht zuletzt auch um die im engeren Sinn „politische Macht“. Denn alle diese<br />

Veränderungen setzen politische Entscheidungen voraus, setzen eine andere Qualität des Staates<br />

voraus. Es wäre falsch anzunehmen, man könne quasi neben der aktuellen Macht des <strong>Finanzkapital</strong>s<br />

über Staat und Politik „durch Demokratisierung, indirekte Steuerung und ein neues System sozialer<br />

Sicherheit Rahmenbedingungen <strong>für</strong> die Entfaltung der Selbsttätigkeit der Subjekte ... schaffen“<br />

(Joachim Bischoff).<br />

Bei der Schaffung dieser „Rahmenbedingungen“ handelt sich um Klassenkampf auf allen Ebenen, der<br />

auch auf dieser Stufe schon einen „prinzipiellen“ Charakter hat. Dies gilt natürlich erst recht, wenn wir<br />

zu dem kommen wollen, was die Gesellschaft (und die Welt) von ihrem Charakter als „kapitalistische<br />

Ware“ befreit:<br />

Leo Mayer


Anhang:<br />

Deutsche Unternehmen in ausländischer Hand � Von adi<strong>das</strong> bis VW<br />

t-online, 18.1.2006<br />

Quelle: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung -<br />

15<br />

Adi<strong>das</strong>-Salomon: 85 Prozent der Aktien sind in ausländischer Hand. Der Auslandsanteil im Umsatz beträgt 90<br />

Prozent. Der Anteil der Mitarbeiter im Ausland liegt bei 80 Prozent. (Foto: ddp)<br />

Allianz AG: 47 Prozent der Aktien sind in ausländischer Hand. Der Auslandsanteil im Umsatz beträgt 68<br />

Prozent. Der Anteil der Mitarbeiter im Ausland liegt bei 59 Prozent. (Foto: ddp)<br />

Altana: 40 Prozent der Aktien sind in ausländischer Hand. Der Auslandsanteil im Umsatz beträgt 82 Prozent.<br />

Der Anteil der Mitarbeiter im Ausland liegt bei 55 Prozent. (Foto: ddp)<br />

BASF: 53 Prozent der Aktien sind in ausländischer Hand. Der Auslandsanteil im Umsatz beträgt 60 Prozent.<br />

Der Anteil der Mitarbeiter im Ausland liegt bei 43 Prozent. (Foto: ddp)<br />

Bayrische HypoVereinsbank: 94 Prozent der Aktien sind in ausländischer Hand. Der Auslandsanteil im<br />

Umsatz beträgt (-) Prozent. Der Anteil der Mitarbeiter im Ausland liegt bei (-) Prozent. (Foto: ddp)<br />

Bayer: 40 Prozent der Aktien sind in ausländischer Hand. Der Auslandsanteil im Umsatz beträgt 84 Prozent.<br />

Der Anteil der Mitarbeiter im Ausland liegt bei 58 Prozent. (Foto: ddp)<br />

BMW: 43 Prozent der Aktien sind in ausländischer Hand. Der Auslandsanteil im Umsatz beträgt 73 Prozent.<br />

Der Anteil der Mitarbeiter im Ausland liegt bei 25 Prozent. (Foto: ddp)<br />

Commerzbank: 52 Prozent der Aktien sind in ausländischer Hand. Der Auslandsanteil im Umsatz beträgt 25<br />

Prozent. Der Anteil der Mitarbeiter im Ausland liegt bei 23 Prozent. (Foto: ddp)<br />

Continental: 90 Prozent der Aktien sind in ausländischer Hand. Der Auslandsanteil im Umsatz beträgt 66<br />

Prozent. Der Anteil der Mitarbeiter im Ausland liegt bei 61 Prozent. (Foto: ddp)<br />

DaimlerChrysler: 49 Prozent der Aktien sind in ausländischer Hand. Der Auslandsanteil im Umsatz beträgt 85<br />

Prozent. Der Anteil der Mitarbeiter im Ausland liegt bei 52 Prozent. (Foto: ddp)<br />

Deutsche Bank: 51 Prozent der Aktien sind in ausländischer Hand. Der Auslandsanteil im Umsatz beträgt 70<br />

Prozent. Der Anteil der Mitarbeiter im Ausland liegt bei 59 Prozent. (Foto: ddp)<br />

Deutsche Börse: 90 Prozent der Aktien sind in ausländischer Hand. Der Auslandsanteil im Umsatz beträgt (-)<br />

Prozent. Der Anteil der Mitarbeiter im Ausland liegt bei 42 Prozent. (Foto: dpa)<br />

Deutsche Lufthansa: 22 Prozent der Aktien sind in ausländischer Hand. Der Auslandsanteil im Umsatz beträgt<br />

70 Prozent. Der Anteil der Mitarbeiter im Ausland liegt bei 34 Prozent. (Foto: ddp)<br />

Deutsche Post: 37 Prozent der Aktien sind in ausländischer Hand. Der Auslandsanteil im Umsatz beträgt 50<br />

Prozent. Der Anteil der Mitarbeiter im Ausland liegt bei 42 Prozent. (Foto: dpa)<br />

Deutsche Telekom: 35 Prozent der Aktien sind in ausländischer Hand. Der Auslandsanteil im Umsatz beträgt<br />

44 Prozent. Der Anteil der Mitarbeiter im Ausland liegt bei 30 Prozent. (Foto: ddp)<br />

E.On: 54 Prozent der Aktien sind in ausländischer Hand. Der Auslandsanteil im Umsatz beträgt 63 Prozent. Der<br />

Anteil der Mitarbeiter im Ausland liegt bei 53 Prozent. (Foto: ddp)<br />

Fresenius Medical Care: 45 Prozent der Aktien sind in ausländischer Hand. Der Auslandsanteil im Umsatz<br />

beträgt 95 Prozent. Der Anteil der Mitarbeiter im Ausland liegt bei 94 Prozent. (Foto: dpa)


16<br />

Henkel: (-) Prozent der Aktien sind in ausländischer Hand. Der Auslandsanteil im Umsatz beträgt 80 Prozent.<br />

Der Anteil der Mitarbeiter im Ausland liegt bei 80 Prozent. (Foto: dpa)<br />

Infineon: (-) Prozent der Aktien sind in ausländischer Hand. Der Auslandsanteil im Umsatz beträgt 80 Prozent.<br />

Der Anteil der Mitarbeiter im Ausland liegt bei 56 Prozent. (Foto: dpa)<br />

Linde: 36 Prozent der Aktien sind in ausländischer Hand. Der Auslandsanteil im Umsatz beträgt 79 Prozent. Der<br />

Anteil der Mitarbeiter im Ausland liegt bei 65 Prozent. (Foto: dpa)<br />

MAN: 46 Prozent der Aktien sind im Besitz ausländischer institutioneller Anleger, zu 38 % bei<br />

nichtveröffentlichungspflichtigen Aktionären (Kleinanleger), zu 16 % bei inländischen institutionellen Anlegern.<br />

(SZ, 20.5.06) Der Auslandsanteil im Umsatz beträgt 74 Prozent. Der Anteil der Mitarbeiter im Ausland liegt bei<br />

36 Prozent. (Foto: dpa)<br />

Metro: 33 Prozent der Aktien sind in ausländischer Hand. Der Auslandsanteil im Umsatz beträgt 52 Prozent.<br />

Der Anteil der Mitarbeiter im Ausland liegt bei 44 Prozent. (Foto: dpa)<br />

Münchner Rück: 50 Prozent der Aktien sind in ausländischer Hand. Der Auslandsanteil im Umsatz beträgt 54<br />

Prozent. Der Anteil der Mitarbeiter im Ausland liegt bei 27 Prozent. (Foto: dpa)<br />

RWE: 36 Prozent der Aktien sind in ausländischer Hand. Der Auslandsanteil im Umsatz beträgt 45 Prozent. Der<br />

Anteil der Mitarbeiter im Ausland liegt bei 43 Prozent. (Foto: dpa)<br />

SAP: 40 Prozent der Aktien sind in ausländischer Hand. Der Auslandsanteil im Umsatz beträgt 79 Prozent. Der<br />

Anteil der Mitarbeiter im Ausland liegt bei 60 Prozent. (Foto: dpa)<br />

Schering: 59 Prozent der Aktien sind in ausländischer Hand. Der Auslandsanteil im Umsatz beträgt 90 Prozent.<br />

Der Anteil der Mitarbeiter im Ausland liegt bei 64 Prozent. (Foto: dpa)<br />

Siemens: 56 Prozent der Aktien sind in ausländischer Hand. Der Auslandsanteil im Umsatz beträgt 79 Prozent.<br />

Der Anteil der Mitarbeiter im Ausland liegt bei 64 Prozent. (Foto: dpa)<br />

Thyssen Krupp: 20 Prozent der Aktien sind in ausländischer Hand. Der Auslandsanteil im Umsatz beträgt 65<br />

Prozent. Der Anteil der Mitarbeiter im Ausland liegt bei 50 Prozent. (Foto: dpa)<br />

TUI: 35 Prozent der Aktien sind in ausländischer Hand. Der Auslandsanteil im Umsatz beträgt 54 Prozent. Der<br />

Anteil der Mitarbeiter im Ausland liegt bei 72 Prozent. (Foto: dpa)<br />

Volkswagen: 33 Prozent der Aktien sind in ausländischer Hand. Der Auslandsanteil im Umsatz beträgt 73<br />

Prozent. Der Anteil der Mitarbeiter im Ausland liegt bei 48 Prozent. (Foto: dpa)

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