Angedockt
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<strong>Angedockt</strong><br />
Konzeption<br />
Ingenieur-Holzbau<br />
Anbau mit Mahagoni-Sperrholzfassade, aufgeklebten Festverglasungen und Lüftungsklappen<br />
Bild 2: Der Anbau ist komplett als „Bausatz“ vorgefertigt. Gebäuderaster und Elementierung<br />
sind in der Fassade ablesbar. Das Besondere an der Fassade ist das<br />
Schiffssperrholz, das als Außenhaut bündig mit der Festverglasung liegt.<br />
Wohn - Kubus<br />
Bild 1: Die Konstruktion<br />
trägt<br />
ein Stahlbetonsockel,<br />
der leicht<br />
zurückgesetzt<br />
wurde, so dass<br />
der Kubus über<br />
dem Boden zu<br />
schweben<br />
scheint.<br />
Das Wohnhaus der Familie Peter war zu<br />
klein geworden. Ein Anbau war die Lösung.<br />
Ein findiger Architekt konnte die<br />
Baubehörde von seinem Kubus-Entwurf<br />
überzeugen, obwohl in diesem Ort nur eingeschossige<br />
Gebäude mit Spitzdächern zugelassen<br />
sind. Ein BS-Holz-Skelett und<br />
Schiffssperrholz-Fassadenplatten bilden<br />
das konstruktive und ästhetische Grundelement<br />
des Kubus.<br />
Das bestehende Wohnhaus der Familie<br />
Peter ist Teil einer Siedlung aus den<br />
frühen 50er Jahren: Weiß verputzte<br />
Häuser mit Satteldächern (Bild 2). Das<br />
Wohnhaus war für die mittlerweile<br />
fünfköpfige Familie zu eng geworden,<br />
so dass ein Anbau her musste.<br />
Obwohl in dieser Umgebung nur eingeschossige<br />
Bauten mit Spitzdach zulässig<br />
sind, hat der Architekt in der<br />
Bauvoranfrage relativ aufwendige Untersuchungen<br />
angestellt und die zugelassene<br />
Bauform vom Volumen her mit<br />
einem zweigeschossigen Kubus verglichen.<br />
Ein solcher sollte als Anbau zur<br />
Ausführung kommen. Der Architekt<br />
konnte beweisen, dass das zweigeschossige<br />
Volumen geringer ist und<br />
weniger auffällig als die zulässige Bauform.<br />
Der gewünschte Entwurf des<br />
Kubus (Bilder 1 und 2) fand auf diese<br />
Weise seine Zustimmung und Genehmigung<br />
bei der Behörde.<br />
Der Kubus<br />
Auf einem Stahlbetonsockel (ca. 60 cm<br />
hoch) wurde das Tragwerk des Kubus<br />
(B/L/H = 3,80 m x 9,0 m x 7,20 m)<br />
aus vorgefertigten BS-Holz-Stützen<br />
und -Trägern errichtet (Bild 4). Das<br />
Skelett, das den Kubus bildet, ist eine<br />
Pfosten-Riegel-Konstruktion, wobei die<br />
Pfosten als Pendelstützen (e = 1,10 m)<br />
ausgeführt wurden. Die BS-Holz-Stützen<br />
(b/h = 12 cm x 12 cm) laufen über<br />
11/2003 bauen mit holz 17
1,5 3,5<br />
Ingenieur-Holzbau<br />
Festverglasung<br />
mit umlaufendem<br />
Stufenfalz ohne von<br />
außen sichtbarem<br />
Glashalteprofil<br />
BS-Holz-Stütze<br />
12 cm x 12 cm<br />
Holz<br />
9,5 cm x 2,5 cm<br />
18 bauen mit holz 11/2003<br />
Gipskartonplatte gespachtelt<br />
Installations-Ebene<br />
OSB-Platte<br />
Dampfsperre<br />
BS-Holz-Stütze<br />
12 cm x 12 cm<br />
WD Mineralwolle Wind- und<br />
10 cm + 5 cm Feuchtigkeitssperre<br />
DWD-Platte<br />
Mahagoni-Furnierplatte<br />
(Bruynzeel)<br />
Bild 3: Das BS-<br />
Holz-Skelett wurde<br />
auf der Baustelle<br />
Stab für Stab montiert<br />
und der Wandaufbau<br />
bzw. die<br />
Beplankungen<br />
ebenfalls vor Ort<br />
hergestellt.<br />
Bild 4: Explosionszeichnung<br />
des<br />
Anbaus, der als<br />
elementierter<br />
„Bausatz“ eine<br />
schnelle und präzise<br />
Montage ermöglichte.<br />
Bild 5: Fassadenschnitt<br />
mit<br />
Ecksituation. Die<br />
aussteifenden<br />
OSB-Platten sind<br />
zwischen den Stützen<br />
angeordnet.<br />
zwei Geschosse (6,60 m) durch und die<br />
Stützenfüße sind über Stahlwinkel auf<br />
dem Betonsockel aufgeschraubt. Die<br />
über 3,60 m spannenden BS-Holz-<br />
Deckenträger (b/h = 12 cm x 24 cm)<br />
der Geschossdecke sind über eingeschlitzte<br />
T-Balkenträger zwischen die<br />
Stützen gehängt.<br />
Aussteifung<br />
Die Horizontalaussteifung des gelenkigen<br />
Haupttragwerks übernehmen 5 cm<br />
dicken Kerto-Q-Deckenplatten, die auf<br />
die BS-Holz-Träger aufgeschraubt wurden.<br />
Es folgen 5 cm Perlite-Schüttung<br />
(Trittschalldämmung), 5 cm Estrich und<br />
2,5 cm Parkett. Auf der Deckenunterseite<br />
hat man Gipskartonplatten über<br />
Federschienen zwischen die BS-Holz-<br />
Träger gehängt.<br />
Die Aussteifung der Wände übernehmen<br />
zwischen die Stützen gesetzte<br />
Scheiben in Holztafelbauweise (Bild 5).<br />
Innen ist eine Vorsatzschale für die Installationen<br />
angeordnet, die raumseitig<br />
mit Gipsbauplatten bekleidet wurde.<br />
Soweit entspricht dies noch den üblichen<br />
Holzbaugewohnheiten.<br />
„Normalbereich“-Fassade<br />
Als „Normalbereich“-Fassade wurde<br />
hier eine hinterlüftete Bekleidung aus<br />
großformatigen Schiffs-Sperrholzplatten<br />
gewählt (Bruynzeel-Sperrholz mit Mahagoni-Deckfurnieren)(Bilder<br />
5 und 6).<br />
Die Abmessungen der Fassadenplatten<br />
richten sich nach dem Stützenraster<br />
und sind daher zu 1,10 m x 2,20 m gewählt.<br />
Sie wurden an den horizontalen, offenen<br />
Fugen schräg geschnitten, damit<br />
Regenwasser ablaufen kann. Die vertikalen<br />
Kanten sind rechtwinklig geschnitten<br />
und mit einem Dichtungsbandstreifen<br />
auf der vertikalen Lattung<br />
der Unterkonstruktion unterlegt. Die Löcher<br />
für die spätere Verschraubung<br />
wurden 2 mm größer als der Schraubendurchmesser<br />
gebohrt. Nach dem<br />
Schleifen wurden die Platten mit einer<br />
mehrlagigen, transparenten allseitigen<br />
Beschichtung versehen. Eine sehr aufwändige<br />
Behandlung, die jedoch<br />
Wohn - Kubus
mindestens ein Jahrzehnt tadellos beständig<br />
sein soll. Entsprechend behutsam<br />
mussten die Platten transportiert<br />
und montiert werden, denn jede „Macke“<br />
würde eine Angriffsstelle für Zerstörung<br />
durch Feuchte darstellen. Aufgeschraubt<br />
wurden sie mit Edelstahlschrauben,<br />
deren Köpfe mit Dichtscheiben<br />
unterlegt wurden.<br />
Ebenengleiche Außenhülle<br />
Eine ebenengleiche Fassade sollte es<br />
werden, also ohne Fensterleibungen,<br />
Fensterbänke usw.. Zu lösen war die<br />
Befensterung und die Belüftung. Ebenengleiche<br />
Verglasungen kennt man<br />
eigentlich nur noch von uralten Einfachverglasungen<br />
bei Wohnwagen<br />
und von manchen feststehenden Automobilverglasungen<br />
mittels Profilgummifassung.<br />
Hier mussten es wärmedämmende<br />
Verglasungen sein und die<br />
Verglasungsränder sollten keine Umrahmung<br />
haben.<br />
Dies ist möglich, wie seit längerem erprobt,<br />
mit aufgeklebten Isoliergläsern,<br />
deren äußere Scheibe im überstehenden<br />
Randbereich geklebt ist (Bild 5, li<br />
Ecksituation) und als schwarzer Rand<br />
in Erscheinung tritt (Bilder 1 und 7).<br />
Es blieb das Problem der Raumlüftung.<br />
Lüftungsklappen<br />
und Festverglasung<br />
Gänzlich unkonventionell wurden Fenster<br />
und Lüftung getrennt: Festverglasungen<br />
und nicht durchsichtige Lüftungsklappen<br />
(Bild 6). Die Lüftungsklappen<br />
sind konstruktiv normale<br />
Kunststoff-Fenster, jedoch ohne Glas.<br />
Außen und innen wurden auf die Flügel<br />
Holzwerkstoffplatten aufgeschraubt<br />
und mit Edelstahlbekleidungen beklebt.<br />
Der Hohlraum ist mit Mineralfaser<br />
gedämmt.<br />
Bei äußerer Bündigkeit ergibt sich<br />
allerdings eine notwendige, wasserführende<br />
Ebene hinter der Fassaden-<br />
Außenfläche (Bild 5). Diese konnte als<br />
wasserführende Ebene um die Lüftungsklappen<br />
herum genutzt werden,<br />
so dass diese ohne unmittelbaren Kontakt<br />
zwischen Fassadenplatten und de-<br />
Wohn - Kubus<br />
Bild 6: Festverglasung und Lüftungsflügel<br />
fügen sich bündig in die Außenhaut.<br />
Nur die Lüftungsklappen mit<br />
Edelstahlbekleidung schieben sich<br />
beim Öffnen aus der Fläche heraus.<br />
ren Unterkonstruktion ein- und anschlagen<br />
können. Voraussetzung dafür<br />
ist ein Rahmen, der in den Fassaden-<br />
Hinterlüftungsraum „hinaussteht“.<br />
Das gleiche Prinzip wurde auch bei<br />
den Festverglasungen angewandt. Die<br />
Verglasungen binden nicht an die Fassaden-Sperrhölzer<br />
und deren Unterkonstruktion<br />
an. Sie sind ebenfalls von<br />
einer offenen Fuge umgeben. Die Verglasungen<br />
sind mittels eines konfektionierten<br />
Rahmensystems (Schüco SG<br />
50 N) realisiert, bei dem das Glas, in<br />
der Werkstatt verklebt, mit einem<br />
„Außenrahmen“ auf einen am Bauwerk<br />
montierten Rahmen „aufgeclipst“<br />
wird.<br />
Sowohl die Lüftungsklappen als auch<br />
die Verglasungsrahmen sind von<br />
außen auf die tragende Wandkonstruktion<br />
aufgeschraubt (Bild 5).<br />
Höchste Präzision gefordert<br />
Auch wenn es geometrisch nur ein<br />
Kasten ist, so mussten Innenschale<br />
und Außenschale wegen der Leibungsrahmen<br />
und der Fugenteilung<br />
bis auf wenige Millimeter genau rundum<br />
zueinander passen. Der Architekt,<br />
der solche Projekte gewöhnlich in<br />
Stahl- bzw. Metallbautechnik plant,<br />
Ingenieur-Holzbau<br />
Bild 7: Der quaderförmige Baukörper<br />
schließt an der Giebelseite des Bestandes<br />
über eine „gläserne Fuge“ an. Sie<br />
dient als Erschließungs- und Zugangsbereich.<br />
war von der tadellosen Passgenauigkeit<br />
modernen Holzbaus überrascht<br />
und dann überzeugt.<br />
Die Idee der Auflösung einer Befensterung<br />
in festverglasten Durchblick und<br />
undurchsichtige Lüftungsklappen stellt<br />
eine Spielart dar, die zu weiteren Variationen<br />
aufruft. Die bezüglich thermischer<br />
Maßänderungen äußerst unempfindlichen<br />
Holzschalen innen und<br />
außen machen solche Konstruktionen<br />
spannungsarm. Die Großformate der<br />
Fassadenplatten und die Durchdringungen<br />
sind somit unproblematisch.<br />
Mit Holz lassen sich heute Präzisions-<br />
Ideen von den Hauptmaßen bis zu den<br />
Feinstmaßen wunschgemäß - Oberflächengüte<br />
inklusive - umsetzen.<br />
SJ<br />
Bauherr: Familie Peter, 45149 Essen<br />
Architekt: Architekturbüro Reichardt,<br />
Prof. J. Reichardt, 45136 Essen<br />
Tragwerksplanung: Ing.-Büro Baum<br />
und Weiher, 51425 Bergisch-Gladbach<br />
Ausführende Holzbaufirma: Uwe<br />
Siepmann, 45143 Essen<br />
Zeichnungen: Architekturbüro<br />
Reichardt<br />
Fotos: Klaus Ravenstein, 45134 Essen;<br />
Architekturbüro Reichardt<br />
11/2003 bauen mit holz 19