Zahnärztliches Meridianscreening – - Christoph Arlom
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<strong>Christoph</strong> <strong>Arlom</strong><br />
<strong>Zahnärztliches</strong> <strong>Meridianscreening</strong> <strong>–</strong><br />
Eine die Konvention erweiternde complementäre Anamnese und Befunderhebung<br />
Heilberufler und Mediziner überweisen bei unklaren Symptomen, Befunden und<br />
Therapieversagen immer häufiger chronisch erkrankte Patienten an Zahnärzte mit<br />
Akupunktur- und anderen complementärmedizinischen Ausbildungen. Diese Zahnheilkundler<br />
können vom Kauorgan ausgehende subakute und chronische komplexe<br />
Bezüge zu anderen Symptomatologien und deren Syntropien im konsilianten Gespräch<br />
herstellen. Ein zahnärztliches meridian-physiologisches Screening auf Grundlage<br />
der von Voll und Kramer erstellten Odontontabelle ist eine diagnostische Methode<br />
der Integrativen Zahnheilkunde. Konventionelles und Complementäres stehen<br />
dabei im Fokus des erweiterten Therapiekonzepts. Endpunkt ist die ganzheitlich-systemische<br />
Beurteilung des Patienten.<br />
Ein zahnärztliches <strong>Meridianscreening</strong> <strong>–</strong> synonym<br />
bieten sich die Begriffe Meridianbefund<br />
und Meridiananamnese an - hat<br />
zum Ziel, odontogene Ursächlichkeiten für<br />
Erkrankungen im anamnestischen Gespräch<br />
als Gesamtschau der erinnerbaren<br />
individuellen Krankengeschichte zu eruieren.<br />
Im Patientengespräch werden mögliche<br />
Bezüge von Krankheitsbildern zu<br />
Odonton-Meridianvernetzungen ermittelt.<br />
Meridiane sind in der Traditionellen Chinesischen<br />
Medizin die zusammenfassende<br />
Bezeichnung für Akupunkturpunkte verbindende<br />
Leitbahnen. Meridiane als Kompartiment<br />
sind im Gesunden wahrscheinlich<br />
mit anderen Physiologien parallelisiert.<br />
Prä-pathologisch können Sie informell<br />
disharmonieren und als Blockade auf<br />
konventionell therapeutische Interventionen<br />
wirken. Als Odonton ist ein Zahn mit<br />
seiner morphologischen Umgebung und<br />
seiner physiologischen Funktion zu verstehen<br />
Kompartiment<br />
Spranger (2004) interpretiert Kompartimente<br />
als ökologische, morphologische,<br />
funktionelle oder wechselseitig kompatible<br />
Reaktions-Räume unterschiedlicher<br />
physikalischer Zustände. Ihre Inhalte sind<br />
durch in der Einzelbetrachtung eindeutig<br />
bestimmbare Zusammensetzung charakterisiert<br />
und stehen in regulierenden<br />
Wechselwirkungen mit angrenzenden<br />
Räumen.<br />
In der Physiologie und Pathophysiologie<br />
lassen sich bei makro- und mikromorphologischer<br />
Differenzierung innere Körperoberfläche,<br />
Grundsystem, Organe, vasale<br />
Verbindungen, Zellen und deren Fortsätze,<br />
Kleinstteile wie Mitochondrien und andere<br />
Organellen sowie auch toxikologische<br />
Einflüsse als Sub-Kompartimente bezeichnen.<br />
Ein Odonton ist den Sub-Kompartimenten<br />
zuzuordnen.<br />
CO` MED 09/05<br />
Pathogenese<br />
In Abhängigkeit zur individuellen Immuntoleranz<br />
und einer Latenzzeit können devitale<br />
Zähne, Leerkieferostitiden, Implantate,<br />
wurzelspitzenresizierte und endodontisch<br />
versorgte Zähne auf knöcherne<br />
Strukturen, humoral, vegetativ-nerval und<br />
über Odonton-Meridianvernetzungen den<br />
Organismus beeinflussen. Je länger endodontisch<br />
behandelte und / oder wurzelspitzenresizierte<br />
Zähne mit ihren meridian-<br />
und kompartiment-physiologischen<br />
Bezügen auf das System einwirken, desto<br />
größer wird die Wahrscheinlichkeit einer<br />
negativen Beeinflussung an anderer Stelle<br />
im Organismus. Durch die permanente<br />
Infiltration von Bakterien, Eiweißabbauprodukten<br />
und Allergenen in benachbarte<br />
knöchernde Strukturen, bei eingeschränkter<br />
Abwehrreaktion in die Blutbahn, mit<br />
sich anschließender mensenchymaler Einlagerung,<br />
können beispielsweise Störungen<br />
in vegetativen Endformationen verursacht<br />
und regulative Prozesse beeinflusst<br />
werden. Dabei ist nicht die erfolgte Irritation<br />
maßgebend, sondern die individuelle<br />
Reaktion.<br />
Auch Leerkieferostitiden mit erniedrigtem<br />
pH-Milieu und Akkumulation von ionischen<br />
Metalltoxinen und Implantate können<br />
andere Kompartimente des korrespondierenden<br />
Meridians schwächen.<br />
<strong>Zahnärztliches</strong> <strong>Meridianscreening</strong>:<br />
Leitfadeninterview mittels Odontontabelle<br />
Im zahnärztlichen Praxisalltag wird die<br />
Anamnese mittels Fragebogen zur Ermittlung<br />
von Risikopatienten und deren individueller<br />
Vorgeschichte erhoben.<br />
In wieweit komplexe Zusammenhänge in<br />
der von Voll und Kramer - erweitert von<br />
Rossaint, Kobau u. a. - erarbeiteten Odontontabelle<br />
in einer herkömmlichen Anamnese<br />
erfasst werden können, ist zu hinterfragen.<br />
CHRISTOPH ARLOM<br />
THEMA<br />
ist Zahnarzt, Zahntechniker und in eigener<br />
Praxis in Berlin tätig. Ausbildungen:<br />
Akupunktur, Neuraltherapie, zahnärztliche<br />
Homöopathie, regulative Diagnoseverfahren<br />
und Implantologie. Er ist qualifiziertes<br />
Mitglied der Gesellschaft für<br />
Ganzheitliche Zahnmedizin, der Deutschen<br />
Ärztegesellschaft für Akupunktur<br />
und des Zentralverbands der Ärzte für<br />
Naturheilverfahren. Von 1997 bis 2004<br />
war er Teilhaber einer Praxisgemeinschaft<br />
und als Freier Mitarbeiter und Hospitant<br />
in Praxen mit ganzheitlich-systemischem<br />
Behandlungskonzept tätig. In<br />
den letzten drei Jahren absolvierte er ein<br />
Studium der Komplementären und Integrativen<br />
Gesundheitswissenschaften<br />
(Interuniversitärer EU-Master-Fernlehrgang,<br />
Graz). Er hält Vorträge zum Thema<br />
‚Integrative Zahnheilkunde'.<br />
Im Zahnarzt-Patientengespräch lässt sich<br />
mittels Interview (Odontontabelle als Leitfaden),<br />
unterstützt durch Adspektion und<br />
Palpation, eine Wertigkeitsstufung bestehender<br />
Problematiken eruieren. Zahnärzte<br />
ohne Akupunkturausbildung können<br />
die Meridianverläufe unter Zuhilfenahme<br />
von handelsüblichen Schautafeln nachvollziehen.<br />
Patienten empfinden Veränderungen individuell<br />
anders. Eine Nein-Antwort auf dem<br />
Anamnesebogen bedeutet nicht, dass sich<br />
nicht Veränderungen in entsprechenden<br />
Bereichen manifestieren. Missempfindungen,<br />
Verspannungen, unterschwellige organische<br />
Beschwerden in psychisch angespannten<br />
Phasen oder andauernder physischer<br />
Belastung - insbesondere im Kontext<br />
komplexer chronischer Krankheitsbilder -<br />
sind schwerer einzuordnen und hängen<br />
von der individuellen Krankheitswahrnehmung<br />
und Leidensbereitschaft des Patienten<br />
ab.<br />
1
THEMA<br />
Ausgangspunkt des systemischen Abfragens<br />
ist der orale Bereich. Als Einstieg haben<br />
sich Fragen zu Kiefergelenk, Parafunktionen,<br />
submandibulär-lymphatischen<br />
Schwellungen, Schmerzen im Bereich der<br />
Kaumuskulatur und im Kopf-Hals-Nacken-<br />
Schulter-Bereich bewährt. Anschließend<br />
können die Kompartimente nach Missempfindungen<br />
im Bereich der Gelenke, Schulter,<br />
Ellenbogen, Hand, Finger, Rücken, Hüfte,<br />
Knie, Fuß und Zehen systematisch abgefragt<br />
werden, folgen können Segmente,<br />
Muskelgruppen, Organe, endokrine und<br />
sensorische Qualitäten.<br />
Verneint ein Patient alle Fragen, ist er zunächst<br />
befremdet oder reagiert ablehnend,<br />
können entsprechende Lokalisationen -<br />
druckdolente Akupunktur- und Triggerpunkte<br />
in Kau-, Hals-, Nacken- und Schultermuskulatur<br />
- palpiert werden. Druckschmerzempfindlichkeit<br />
in diesen Bereichen<br />
kann als Aufhänger zur Vertiefung<br />
des Gesprächs dienen, dem Patienten mehr<br />
Sensitivität für seinen Körper ermöglichen<br />
und die Compliance verbessern.<br />
Erhärtet sich nach oraler Inspektion und<br />
Auswertung von Übersichts-Röntgenbildern<br />
der Verdacht einer Akkumulation von<br />
Beschwerden, chronischen oder überstandenen<br />
Erkrankungen und Missempfindungen<br />
zwischen den Kompartimentverbindungen<br />
eines Meridians und dessen korrespondierendem<br />
Odonton, dann kann dieser<br />
durch gezielte therapeutische Reize über<br />
Neuraltherapie (Dosch 1997, Fischer 1998,<br />
Huneke 1986) , Mundakupunktur (Gleditsch<br />
1979) manuelle oder apparative Regulationsdiagnostik<br />
verifiziert werden.<br />
Die im Gespräch dokumentierten Informationen<br />
lassen sich in einem Befund-, Diagnose-<br />
und Therapieplan bündeln, der anderen,<br />
den jeweiligen Patienten behandelnden<br />
Medizinern zugänglich gemacht und<br />
katamnestisch erweitert werden kann.<br />
Fallbeschreibung<br />
Im Praxisalltag stellt sich ein <strong>Meridianscreening</strong><br />
bei einer 40-jährigen Patientin<br />
mit endodontisch behandeltem und wurzelspitzenresiziertem<br />
Zahn 11 folgendermaßen<br />
dar: Chronifizierte Entzündung in<br />
der Stirnhöhle rechts, bei Belastung<br />
Schmerz im Lendenwirbelbereich 2 und 3<br />
ausstrahlend in das entsprechende Segment<br />
und Schmerz im rechten Knie beim<br />
Treppensteigen, früher rezidivierende Blasenentzündungen,<br />
beginnend ein halbes<br />
Jahr nach Wurzelfüllung.<br />
Nach Infiltrationsakupunktur vestibulär,<br />
palatinal und intraligamentär von Zahn 11<br />
gibt die Patientin im Folgetermin eine Linderung<br />
der Beschwerden in Lendenwirbelbereich,<br />
Knie und Stirnhöhle an. Zur Verifizierung<br />
lässt sich die Neuraltherapie wiederholen.<br />
Erweiternd bieten sich eine Therapie<br />
mittels Kombination von Mund-,<br />
Ohr-, Köperakupunktur und eine apparative<br />
Regulationsdiagnostik an.<br />
Validität<br />
Das zahnärztliche <strong>Meridianscreening</strong> hat<br />
seine höchste Validität bei Befindlichkeitsstörungen<br />
und in (sub-) akuten Zuständen.<br />
Je chronifizierter ein Krankheitsbild<br />
ist, desto weniger können lediglich<br />
Kompartimente eines Meridianstranges<br />
betroffen sein.<br />
Durch das Ineinandergreifen der Meridianumläufe<br />
kann eine Störung aus dem oralen<br />
Bereich Syntropien in jedem Subkompartiment<br />
hervorrufen. Es besteht aber<br />
auch die Möglichkeit, dass eine organische<br />
Störung, ein Narbenstrang oder zum Beispiel<br />
eine Endoprothese die primäre Ursache<br />
der Manifestation von sich akkumulierenden<br />
Störungen entlang eines Meridians<br />
ist und die odontogene eine sekundäre.<br />
Das <strong>Meridianscreening</strong> ist als hinweisdiagnostische<br />
Erweiterung der herkömmlichen<br />
Anamnese zu bewerten und kann Anhaltspunkte<br />
für bestehendes Therapieversagen<br />
liefern. Es kann nie alleiniges Kriterium für<br />
einen Therapieentscheid sein, sondern<br />
muss durch klinische Regulationsdiagnostik<br />
und infiltrationstherapeutische Akupunktur<br />
verifiziert werden.<br />
Prävention<br />
<strong>Meridianscreening</strong> kann salutogenetische<br />
Prävention sein und eröffnet einen integrativen<br />
Blickwinkel für die individuell-systemische<br />
Therapie auf Basis universitär gelehrter<br />
zahnärztlich chirurgischer, konservierender<br />
und prothetischer Rehabilitation.<br />
Es ist der primären und sekundären Prävention<br />
zuzuordnen.<br />
Primäre Prävention dient nach Weitkamp<br />
(2000) durch gezielte Verminderung von<br />
Risikofaktoren der Krankheitsvermeidung.<br />
Sekundäre Prävention umfasst sowohl kollektive<br />
als auch individuelle Maßnahmen<br />
zur Risikodiagnostik, Frühbehandlung und<br />
Reduzierung der Prävalenz von Erkrankungen.<br />
Sie beinhaltet Möglichkeiten zur Früherfassung<br />
von definierten Gesundheitsstörungen,<br />
Katamnese, gezielte Steuerung<br />
initialer, aber reversibler Formen von<br />
Krankheiten, Einschätzung von umgebungsbedingten<br />
Krankheitsvariationen,<br />
Hemmung des Fortschreitens von Erkrankungen<br />
und Linderung von Beschwerdebildern.<br />
Tertiäre Prävention beinhaltet Behandlungsmaßnahmen<br />
zur funktionellen Substitution,<br />
Komplikationsvermeidung und<br />
Rehabilitation <strong>–</strong> chirurgisch, konservierend<br />
und prothetisch therapeutischer Intervention.<br />
Ein <strong>Meridianscreening</strong> unterstützt<br />
Entscheidungsfindungen tertiärer Prävention.<br />
Integrative Zahnheilkunde<br />
Aus zahnmedizinischer Sicht können subakute<br />
und chronische Entzündungen im<br />
Kieferbereich, Materialunverträglichkeiten,<br />
unterschwellige Belastungen der Körperstatik,<br />
ausgehend von funktionellen<br />
Disharmonien in Okklusion und Kiefergelenk,<br />
kompartiment-pathophysiologisch<br />
das dynamische System Mensch beeinflussen.<br />
Die individuelle Konstitution ist entscheidend<br />
für die Etablierung von Befindlichkeitsstörungen<br />
oder manifestierten<br />
Krankheiten. Die Therapie eines Kiefergebietes<br />
kann den Patienten von Leiden befreien,<br />
die unabhängig von Zahn- und Kiefergesundheit<br />
zu sein schienen.<br />
Die Anerkennung der Bedeutung von Prävention<br />
und Salutogenese führt zur Etablierung<br />
von complementärmedizinischen<br />
Methoden, die in universitär lehrbare Konzepte<br />
zu bringen sind. Die klassisch gelehrte<br />
Zahnmedizin wird dann in ihren Fächern<br />
um complementärmedizinische Diagnoseund<br />
Therapieverfahren ergänzt. Somit ist<br />
Integrative Zahnheilkunde als ein Fachbereich<br />
der Medizin anzusehen.<br />
C<br />
Literatur:<br />
beim Autor<br />
Anschrift des Autors:<br />
<strong>Christoph</strong> <strong>Arlom</strong><br />
Calvinstr.23<br />
D-10557 Berlin<br />
info@arlom.de<br />
www.arlom.de<br />
1/6<br />
2 CO` MED 09/05