Schnepfenthal in Thüringen: Man schließt hier die Haustüren nachts nicht ab. Eigentlich. © Thomas Victor für DIE ZEIT

In den Tagen nach dem Brand spricht Michael Müller mit vielen Leuten. Mit Familie, Freunden, Polizisten, Journalisten, Parteigenossen. Er sagt, er habe Sorge, es könnte so aussehen, als wollte er sich in den Vordergrund spielen. Der surft doch auf der Welle der Solidarität – das könnte man ihm vorwerfen, fürchtet er. Aber das Reden helfe ihm. Gegen die Angst. Und, ja, er wolle hinweisen auf die Gefahr, die sich zusammenbraue. Auf die gesellschaftliche Stimmung, die langsam vergiftet werde.

Am 2. Februar hatte Müller gemeinsam mit dem Bündnis "Buntes Waltershausen" eine Demonstration im Ort organisiert. Er habe lange gezweifelt, ob er sich öffentlich als Anmelder zu erkennen geben soll. Am Ende tat er es. "Vorurteile, Ausgrenzung und Hass haben hier keinen Platz", so lässt er sich in der Pressemitteilung zitieren, die das Bündnis vorab verschickte. Es herrschte so eine mutige Stimmung im Ort, kein Verstecken mehr.

Die Stimmung drehte sich gerade. Wir waren richtig zuversichtlich.
Michael Müller

Es gibt eine neue Entwicklung in vielen ostdeutschen Dörfern und Kleinstädten seit den Veröffentlichungen durch Correctiv Anfang des Jahres zum sogenannten Geheimtreffen von Rechtsextremisten, Unternehmern und AfD-Politikern in Potsdam. Bis dahin hatten lange Zeit teils rechtsextreme Demonstrationen das Straßenbild in den Ortschaften dominiert. Oft kamen nur wenige Teilnehmer, doch prägten sie den Alltag, das Zusammenleben. Stück für Stück für Stück. Viele dieser Demos fanden und finden fast wöchentlich statt. Nun aber bildet sich regelmäßige Gegenwehr. Überall, von Großpösna in Sachsen bis Anklam in Mecklenburg-Vorpommern, gehen Leute für die Demokratie und gegen rechts protestieren.

"Bei uns in Waltershausen", erzählt Michael Müller, "gab es eine große Sehnsucht nach diesem Gegenprotest." Endlich, sagt er, habe sich etwas getan. Endlich hätten sich viele getraut, etwas zu unternehmen. Zur Demonstration in der 12.000-Einwohner-Stadt seien etwa 200 Leute gekommen. Ein paar Tage später organisierte er mit dem Bündnis einen politischen Faschingsumzug. "Die Stimmung", sagt er, "drehte sich gerade. Wir waren richtig zuversichtlich."

Und dann: der mutmaßliche Brandanschlag.

"Ich schwanke", sagt Müller. "Zwischen 'Jetzt erst recht!' und 'Nein, das war's für mich'."

Müller will eigentlich für den Stadtrat kandidieren, die Kommunalwahlen finden Ende Mai statt. Er überlegt auch, sich bei der nächsten Bundestagswahl noch einmal für die SPD im Gotha-Ilm-Kreis als Direktkandidat nominieren zu lassen, so wie 2021, als er knapp gegen den AfD-Mann verlor. Und eigentlich hatte er vor, weitere Demonstrationen zu organisieren.

"Aber: Ist es das wert?" Das frage er sich jetzt täglich, fast stündlich, und immer komme er zu einer anderen Antwort.

Was ihm helfen würde: Klarheit darüber, wer der Täter war.

Dass es sich um Brandstiftung gehandelt habe, sei schnell klar gewesen, so sagt es der Einsatzleiter der Feuerwehr, wenn man ihn dazu fragt. "Wir haben Brandbeschleuniger gefunden." Kleine, weiße Klötzchen, mit denen man einen Kamin anzündet.

Doch Täter von Brandstiftungen sind schwer zu ermitteln. Es bleiben im Feuer selten Spuren erhalten.

Andererseits: In Müllers Fall wurde schnell gelöscht. Und die Kriminalpolizei Gotha, die für den Fall zuständig ist, hat eine 16-köpfige Sondereinheit eingerichtet. Zum laufenden Verfahren möchte sich die Polizei nicht äußern. Die Staatsanwaltschaft teilt lediglich mit, dass in alle Richtungen ermittelt werde.