Die Kantine hat zu? Im Homeoffice mit den Kindern? Keine Zeit fürs Kochen? Keine Lust? In Corona-Zeiten gibt es viele Gründe, sich Essen nach Hause liefern zu lassen. Der Lieferdienst Lieferando verzeichnete im ersten Quartal dieses Jahres in Deutschland rund 20 Prozent mehr Bestellungen als im Vorjahr. Demnach geben die Menschen pro Bestellung auch mehr aus. Aber wie hygienisch ist geliefertes Essen eigentlich? Die Lungenärztin Susanne Huggett leitet bei den Asklepios Kliniken die Bereiche Krankenhaushygiene und Infektionsprävention. Sie erzählt, ob man sich über die gelieferten Speisen mit dem Coronavirus anstecken kann und was sie sich selbst nie bestellen würde.

ZEIT ONLINE: Frau Huggett, mal angenommen, jemand möchte sich eine Pizza mit Beilagensalat bestellen. Und macht sich dann Gedanken, ob er sich über das Essen mit dem Coronavirus anstecken kann. Vielleicht erst mal zum Salat: Sollte er sich den gerade überhaupt liefern lassen?

Susanne Huggett: Da würde ich mir keine Sorgen machen. 

ZEIT ONLINE: Wieso nicht?

Huggett: Zuerst einmal: Wie sollen denn die Coronaviren auf den Salat kommen? Jemand müsste darauf gehustet oder geniest haben, der selbst infiziert ist. Um vom Essen krank zu werden, braucht es immer eine gewisse Menge an Viren, die daran haften. Aber wir gehen ja eigentlich schon davon aus, dass das Restaurant den Salat abwäscht. Die Mitarbeiter sind geschult, die notwendigen Hygieneregeln einzuhalten.

ZEIT ONLINE: Und was, wenn sie das nicht tun? 

Huggett: Damit Viren auf das Essen kommen können, müsste derjenige, der die Speisen zubereitet, akut erkrankt sein und außerdem sich hygienisch nicht korrekt verhalten. Dann könnte eine größere Menge Erreger auf die frischen Lebensmittel gelangen. Wenn ich dann den Salat esse, können die Viren über die Schleimhäute im Mund oder Rauchen aufgenommen werden. Dafür muss der Salat aber länger im Mund bleiben. Das ist sehr hypothetisch. Wenn ich das Essen wie üblich relativ schnell herunterschlucke, dann tötet der Magensaft, eine extrem starke Säure, die Viren im Magen.

ZEIT ONLINE: Also müsste man einfach schneller essen, um gesund zu bleiben?

Susanne Huggett ist Lungenfachärztin und Hygieneexpertin. Sie sagt: Wenn ein paar Regeln eingehalten werden, kann man sorgenfrei Essen bestellen. © privat

Huggett: Wenn eine große Erregermenge länger im Mund bleibt, ist die Ansteckungsgefahr höher, ja. Aber das ist sehr unwahrscheinlich. Bisher ist nicht bekannt, dass das Virus über fertig zubereitete Lebensmittel übertragen wurde. 

ZEIT ONLINE: Das heißt, sie glauben nicht, dass die Pizza hygienischer ist als Salat? Weil sie ja beim Backen im Ofen erhitzt wurde?

Huggett: Nein. Viren werden bei Hitze abgetötet, das stimmt. Was ich waschen kann, sollte ich waschen. Was ich kochen kann, sollte ich kochen. Aber so oder so, Lebensmittel sind nicht die typische Quelle für eine Ansteckung mit dem Coronavirus.

"Die Gastronomie ist eine sehr streng reglementierte Branche. Küchen sind Orte mit zahlreichen Vorschriften."
Susanne Huggett, Hygiene-Expertin

ZEIT ONLINE: Aber was wäre, wenn ein kranker Koch doch auf das Essen geniest oder hustet hat?

Huggett: Wenn ich nicht das Vertrauen habe, dass in der Küche nach den geltenden Hygienevorschriften gekocht wird, sollte ich bei diesem Restaurant kein Essen bestellen. Das gilt aber nicht nur in Corona-Zeiten. Die Gastronomie ist eine sehr streng reglementierte Branche. Küchen sind Orte mit zahlreichen Vorschriften. Sie werden unabhängig von Corona auch regelmäßig von den Behörden überprüft und überwacht. Dass ein Koch aufs Essen hustet, halte ich für einen extrem unwahrscheinlichen Fall. Oder auch, dass jemand krank in einer Küche arbeitet. Wäre das der Fall, kann man nicht ausschließen, dass der Salat mit Erregern belastet ist. Aber jeder Koch weiß doch, dass das ein absolutes No-Go ist.

ZEIT ONLINE: Wie lange würde das Coronavirus auf dem Essen überleben?

Huggett: Wie lange die Viren infektiös bleiben, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Von der Temperatur und der Luftfeuchtigkeit zum Beispiel. Es gibt Untersuchungen, die zeigen, dass Coronaviren sich auf feuchten, kalten Oberflächen durchaus bis zu drei Tage halten können. Im Supermarkt können sie durch Niesen oder Husten auf Lebensmittel gelangen. Aber wenn das Restaurant die geltenden Hygieneregeln einhält, also rohe Lebensmittel vor dem Essen wäscht, sie kocht oder brät, dann reduziert es das Risiko für eine Ansteckung auf ein Minimum. 

ZEIT ONLINE: Was kann ein Koch konkret tun, um eine Ansteckung zu vermeiden?

Huggett: Er arbeitet mit sauberen Händen, je nach Produkten auch mit Handschuhen. Er benutzt Werkzeug, das regelmäßig gereinigt wird. Und er bereitet das Essen nur auf sauberen Oberflächen zu, er lagert Lebensmittel korrekt, vor allem die Produkte, die gekühlt werden müssen.