Hand aufs Herz: Wann waren Sie das letzte Mal vor einer Prüfung oder einem Vortrag so richtig aufgeregt?

Meine letzte Prüfung ist schon ein paar Jahre her. Ich bin aber auch heute noch vor jedem Vortrag oder Ähnlichem aufgeregt – trotz aller Routine und Expertise. Ich weiß mittlerweile jedoch auch, dass ich diese Situationen gut meistern kann und dass das Lampenfieber nach wenigen Momenten verfliegt.


Schweiß auf der Stirn, Herzklopfen, zitternde Hände: Manchmal sind Prüfungsangst oder Lampenfieber sogar körperlich zu spüren. Woher kommt das?

Angst hat evolutionär betrachtet eine wichtige Funktion für uns Menschen. Sie hilft, uns vor Gefahrensituationen zu schützen. Dabei wird unter anderem der Körper in Alarmbereitschaft versetzt: Der Körper wird mit Sauerstoff versorgt, die Muskeln besser durchblutet, damit wir im Zweifel "kämpfen" oder "fliehen" können. Sind wir in einer Prüfung oder einer anderen Lage, in der wir eine soziale Bewertung fürchten, greift der gleiche Mechanismus. Leider hilft uns das in dieser Situation aber nicht, die Situation besser zu bewältigen, sondern kann uns sogar einschränken.


Ein bisschen Aufregung ist in Prüfungssituationen sicherlich normal. Wann ist die Grenze zur Angst überschritten?

Ein bisschen Aufregung vor einer Prüfung kann mir in der Tat helfen, mich zu konzentrieren. Auch kann mich ein bisschen Sorge vor einer Prüfung anspornen, die Aufgabe ernst zu nehmen und mich besser vorzubereiten. Schwierig wird es dann, wenn nicht die Prüfung und die Inhalte im Mittelpunkt stehen, sondern die Befürchtungen und Ängste mich zu sehr beschäftigen. Hier kann schnell ein Teufelskreis entstehen, wenn ich mich in die Angst sprichwörtlich "eingrabe". Wenn ich schon Wochen vor der Prüfung schlaflose Nächte habe, kann ich nicht mehr produktiv lernen und fühle mich dadurch noch schlechter vorbereitet. Wenn ich mich zu sehr sorge, durchzufallen, komme ich vielleicht zu dem Schluss, es lohne sich erst gar nicht, mit Lernen anzufangen. Dann schränkt die Angst vor der Prüfung mich so sehr ein, dass meine Leistung und mein Wohlbefinden darunter leiden.


Gibt es Menschen, die davon besonders betroffen sind? Gibt es also eine Art "Prüfungsangst-Typ"?

Jede und jeder kann von Prüfungsangst betroffen sein. Personen, die auf den ersten Blick selbstsicher auftreten, können in Prüfungssituationen ebenso Angst vor einer Bewertung haben. Auf der anderen Seite sagt man über Prominente wie den Schauspieler Clint Eastwood oder den Fernsehkoch Tim Mälzer, dass sie privat introvertiert seien.

Früher hieß es: "Bangemachen gilt nicht" – man sollte die Angst also einfach wegschieben. Funktioniert das?

Wenn wir uns kurz vor der Prüfungssituation befinden, ist es in der Tat besser, die Angst nicht in den Vordergrund zu stellen. Sitzen wir vor dem Büro der Professorin und warten auf den Aufruf zur mündlichen Prüfung, hilft es nicht, zu grübeln, die eigene Leistung und Selbstwert infrage zu stellen oder den Stoff noch mal durchzugehen. Jetzt ist es hilfreich, sich abzulenken – zum Beispiel, indem wir von 1000 rückwärts runterzählen. So halten wir unseren Kopf frei von den Sorgen. Langfristig sollten wir uns mit der Prüfungsangst aber auseinandersetzen, damit wir uns auf zukünftige Situationen gezielt vorbereiten können. Denn wir werden auch nach dem Studium immer wieder mit Prüfungssituationen konfrontiert sein, sei es beim Bewerbungsgespräch, einer wichtigen Präsentation vor dem Chef oder bei der Rede auf der Hochzeit unseres besten Freundes.


Wie kann ich mich denn auf solche Situationen vorbereiten, um die Angst zu bändigen?

Beispielsweise kann ich die Situation durchspielen, etwa in kleinen Rollenspielen mit Freunden. So kann ich mich auf kritische Fragen vorbereiten und werde weniger von ihnen überrascht, wenn sie dann gestellt werden. Hilfreich sind auch klassische Entspannungsübungen wie die progressive Muskelentspannung oder Meditation. Die TK bietet hier z. B. einen kostenlosen Onlinekurs zu Meditation und Achtsamkeit an.


Was können Betroffene tun, wenn die Angst sie so blockiert, dass sie beim Reden ins Stottern geraten oder in einer Prüfung einen Blackout haben?

Das kann jedem passieren. Wenn ich mit einem Blackout in der Prüfung sitze, kann es helfen, die Situation zu entspannen, indem ich den Blackout offen anspreche. Sie können erst mal um eine andere Frage oder eine Umformulierung der Frage bitten. Die Prüfer haben in der Regel großes Verständnis dafür. Und auch wenn es klischeehaft klingt: Einmal tief durchatmen und ein Schluck Wasser helfen, sich zu sammeln. So viel Zeit ist immer.

Leistungsdruck, Stress und lange Bildschirmzeiten bereiten vielen Studierenden buchstäblich Kopfzerbrechen. Mit Entspannungstechniken und Bewegung kannst du Kopfschmerzen oder Migräne vorbeugen.

Wenn alle Vorbereitung nicht hilft – wann sollte man sich professionelle Hilfe holen?

Die Angst vor einer Prüfung oder einer schwierigen Situation sollte nicht der Grund sein, weshalb ich mein Studium nicht schaffe oder ein Bewerbungsgespräch nicht wahrnehme, denn wir können relativ gut etwas dagegen tun. Wer es aus eigener Kraft nicht schafft, kann sich z. B. an die Studienberatung der eigenen Hochschule wenden, um hier Unterstützung zu erhalten.


Können Sie der Angst auch etwas Positives abgewinnen?

Wenn ich mich der Prüfungsangst stelle und bedrohliche Situationen meistere, werde ich daran wachsen. Wir sollten also nicht vergessen, nach der bestandenen Prüfung auch die Freude zuzulassen, die Leistung wertzuschätzen und die Erfahrung positiv zu verankern. Das stärkt mich für die nächste Prüfungssituation.


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