Fakt ist: Viel mehr Menschen sind mittlerweile im Homeoffice tätig. Die Corona-Pandemie brachte den lange vermissten digitalen Rückenwind. Dem Institut der deutschen Wirtschaft (iwd) zufolge arbeitete in der ersten Aprilwoche dieses Jahres, quer durch alle Branchen, bereits ein Viertel aller Beschäftigten im "Büro zu Hause". Tendenz: stark steigend. Und das berufliche Heimspiel sieht Hannes Zacher als die Arbeitsform der Zukunft an. Der Psychologe ist Professor für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Universität Leipzig.

Keine Frage: Wer jetzt von der Uni kommt, weiß sehr wohl mit Smartphone & Co umzugehen. Um die Digitalisierungskompetenzen ist es bei der jungen Generation in der Regel bestens bestellt. Arbeitswissenschaftler Zacher warnt dennoch: "Das Homeoffice ist ein zweischneidiges Schwert." Er sorgt sich, "dass gerade bei jüngeren Menschen, die erst lernen, wie der Hase läuft, etwas verloren geht". Der Grund: Wer jung ist, habe ein großes Bedürfnis, sein Wissen und Netzwerk zu erweitern. Ältere Kolleg*innen setzten eher auf ihre Erfahrung und pflegten entsprechend ein bereits bestehendes und eng umrissenes Netzwerk. "Aus dem Homeoffice heraus ist es für Berufsanfänger*innen schwieriger, ihre Wissbegierde zu befriedigen", weist Hannes Zacher auf den womöglich größten entwicklungspsychologischen Nachteil hin.

In Präsenz passiert im Büro vieles implizit: Man schaut der Kollegin über die Schulter, man vernimmt mit einem Ohr, welche Tonlage zwei Mitarbeiter anschlagen, und beim zufälligen Small Talk auf dem Flur ist vielleicht ein entscheidender Tipp zu erfahren. "Wir lernen durch Beobachtung und durch Ausprobieren",  erklärt der Arbeitswissenschaftler. Das geht zwar auch remote, aber es erfordert eine höhere Transparenz und eine gute Kommunikation aller Seiten.

Für Berufsanfänger*innen sei es von entscheidender Bedeutung, dass die neuen Erfahrungen so nah wie möglich an der Realität dran seien, zum Beispiel über Videokonferenzen oder Virtual Reality. "Dinge ausprobieren, am eigenen Leib erfahren, Fehler machen dürfen – das kann und sollte man im Homeoffice simulieren", sagt Hannes Zacher. Zum Beispiel, wie man ein herausforderndes Kundengespräch anfängt, führt, beendet. Seine Botschaft an die Unternehmen und an die erfahreneren Kolleg*innen: "Dinge explizit an- und aussprechen und virtuelle Teams bilden, in denen junge Kolleg*innen hospitieren dürfen."

Wie sieht’s im Homeoffice aber überhaupt mit "Teamplay" aus, das in der Wirtschaft als eine der Kernkompetenzen gilt? "Virtuelle Teams können gut funktionieren", konstatiert der Arbeitspsychologe, "allerdings unter der Bedingung, dass sie gut geführt werden." Ganz wichtig sei es, Regeln festzulegen und dass alle zu Wort kommen. Bei virtueller Teamarbeit verschlucke das Medium allerdings häufig Signale der Körpersprache. Deshalb sollte ein*e Teamorganisator*in immer nachfragen, ob noch jemand was beitragen möchte.

Beim Arbeiten im Homeoffice spielen aber nicht nur das Zwischenmenschliche und neue Lernformen eine Rolle. Es geht auch um Soft Skills wie Selbstmanagement: sich Ziele stecken, den Tag einteilen, Initiative zeigen, sich mit anderen austauschen. Wer auf diese Weise ein erfolgreiches Heimspiel absolvieren möchte, sollte folglich nicht nur auf eine gute Ausstattung am Arbeitsplatz achten – sowohl technisch (Rechner, Audio, Kamera, Software) als auch ergonomisch (höhenverstellbarer Tisch, Schreibtischstuhl, Monitor) –, sondern insbesondere auch die eigenen Fähigkeiten in puncto Zeitmanagement trainieren.

Denn das ist unbenommen der größte Vorzug des Homeoffice gegenüber einem Großraumbüro: Aufgaben konzentriert und in Ruhe erledigen zu können. Organisationspsychologe Zacher sieht auch dabei große "interindividuelle Unterschiede" und klare Vorteile bei denjenigen, "die früh gelernt haben, sich selbst zu strukturieren".


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