Droht ein Bezieher von Sozialleistungen infolge einer Chemotherapie seine Fruchtbarkeit zu verlieren, hat er einen Anspruch darauf, dass die Jobcenter die Kosten dafür übernehmen, seine Samenzellen einzufrieren. Das geht aus einem Urteil des Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen hervor. Die sogenannte Kryokonservierung sei eine medizinisch zwingend notwendige, ärztlich empfohlene und in das Gesamtbehandlungskonzept eingebundene Maßnahme gewesen, um die Fähigkeit zu erhalten, eigene Kinder zu haben, hieß es in der Urteilsbegründung.

Im vorliegenden Fall hatte sich der klagende Leistungsbezieher wegen eines Immundefekts einer Chemotherapie unterziehen müssen. Das Jobcenter lehnte die Übernahme der Kosten für die Kryokonservierung in Höhe von 297,50 Euro pro Jahr ab. Es handle sich um eine Maßnahme, die nicht der Sicherung des Lebensunterhalts, sondern der persönlichen Familienplanung diene, begründete das Jobcenter seine Entscheidung. Das Sozialgericht Duisburg bestätigte das zunächst.

Das Landessozialgericht aber revidierte die Entscheidung. Die Richterinnen und Richter erkannten die Kosten als "unabweisbaren, laufenden, besonderen Bedarf" gemäß dem Sozialgesetzbuch II an. Die Kosten zählten zur Gesundheitspflege, überstiegen den hierfür im Regelbedarf vorgesehenen Betrag von 180 Euro jährlich deutlich und hätten "aufgrund eines atypischen Sachverhalts einen atypischen Umfang".

Im vorliegenden Fall handle es sich nicht um eine Maßnahme, die lediglich die Wünsche eines Versicherten für seine individuelle Lebensgestaltung betreffe. Vielmehr gehe es um einen Bestandteil einer umfassenden Krankenbehandlung und damit einen existenziell notwendigen Bedarf im Sinne des Grundgesetzes, befand das Landesgericht. Dieser dürfe dem Kläger nicht deshalb verschlossen bleiben, weil er nicht über die erforderlichen finanziellen Mittel verfüge.