Ich war 13 Jahre alt, als ich im Herbst 1998 von meinem Vater vor die Alternative gestellt wurde, entweder den Hijab zu tragen und dafür weiter zur Schule gehen zu dürfen oder fortan zu Hause bleiben zu müssen und keinen Abschluss machen zu dürfen. Zu diesem Zeitpunkt hasste ich das Kopftuch schon, obwohl ich in Aleppo aufwuchs, in dem viele Frauen es wie selbstverständlich trugen, weil es Brauch war in dieser alten Stadt, die ihre weibliche Bevölkerung seit jeher hinter verschlossenen Türen einsperrt. In ihren schwarzen Kleidern kamen sie mir immer von geheimen Wünschen umhüllt vor. Ihre Flügel hatte man ihnen gestutzt, als wären sie Vögel, die gleich davonfliegen wollten.

In meiner Familie war es grundsätzlich unmöglich, gegen Traditionen zu rebellieren. Der Preis für einen Kampf mit meinem Vater wäre sehr hoch gewesen. Ich konnte ihn mir damals nicht leisten. Andererseits konnte ich mir nicht vorstellen, ein Tuch zu tragen, das meine langen Haare verdeckte, die ich so liebte. Ich war jung und voller Träume. Ich weinte nächtelang.

Ich erinnere mich noch heute an die Stimmen meiner beiden älteren Schwestern, denen mein Vater nicht erlaubt hatte, ihre Ausbildung zu Ende zu bringen und die sehr jung heiraten mussten. Tagelang redeten sie auf mich ein, um der Ausbildung willen das Kopftuch zu tragen, denn das Studium war der einzige Weg, um der Herrschaft der Familie zu entkommen und Selbstbewusstsein zu entwickeln.

Mein Vater war nicht religiös, aber er fühlte sich den Traditionen und Bräuchen der patriarchalischen Gesellschaft verpflichtet, zumal wir in einem religiösen Viertel wohnten, in dem die Frauen fast ohne Ausnahme Hijab und weite Kleider trugen, die ihre weibliche Identität verschleierten.

Das Viertel ließ meinem Vater keine Möglichkeit, sich dieser Tradition entgegenzustellen und sich mit der Macht der autoritären männlichen Gesellschaft anzulegen. Deshalb war die einzige Option für ihn als Oberhaupt der Familie, sich dieser Autorität zu beugen und uns Frauen zu zwingen, sich ihr ebenfalls zu unterwerfen.

Mehr als sechs Jahre lang trug ich schließlich dieses bunte Tuch auf dem Kopf. Trotz seiner Leichtigkeit empfand ich es als so schwer wie den Felsblock von Sisyphos, den ich von dem Moment an, wenn ich morgens das Haus verließ, auf den Schultern trug und ihn abends nach der Rückkehr ins Haus wieder ablegte.

Mein Hass auf das Kopftuch war zuerst ein psychologisches Problem, dann entwickelte es sich zu einer körperlichen Krise. Jedes Mal, wenn ich den Hijab anlegte, fühlte ich mich, als bekäme ich keine Luft mehr und müsste mich übergeben und meine Eingeweide herauswürgen. Erst wenn ich in dem Minibus saß, der mich zur Schule brachte, hörte die Angst vor dem Ersticken auf. Ich öffnete das Fenster und lockerte das Tuch.

Es blieb aber eine tägliche Qual. Ich nutzte jede Gelegenheit, das Kopftuch heimlich abzunehmen, wenn ich weit entfernt von den Augen meines Vaters war, der mir vor meinen Schwestern androhte, dass er mich sofort aus der Schule nehmen würde, käme ihm zu Ohren, dass ich den Hijab in seiner Abwesenheit nicht trug. Ich musste vorsichtig sein. Nur innerhalb der Mauern der Schule fühlte ich mich frei, denn hier gab es keinen Kopftuchzwang. Sobald ich mich dem Schultor näherte, machte ich mich bereit, das Tuch abzunehmen. Einmal erzählte mir der Hausmeister lächelnd, im Abnehmen des Hijabs sei ich die Schnellste der Schule.

Für mich verwandelten sich die Straßen, die Busse und alle Orte, wo ich den Hijab tragen musste, in einen Albtraum. Ich hatte das Gefühl, unsichtbar zu sein.

Manchmal bereiten uns die einfachsten Dinge Leiden. Ein Stück Stoff zum Beispiel. So schön und kostbar dieses Stück auch sein mag, es bleibt ein Symbol des Schmerzes, des Zwanges, sich nicht selbst entscheiden zu dürfen.

Ich kenne viele Frauen, die den Hijab mit Überzeugung tragen, weil sie sich selbst dafür entschieden haben. Auch sie haben ein Recht darauf, dass ihre Wünsche respektiert werden.

Während der Ereignisse des 11. Septembers 2001 war eine meiner Freundinnen mit ihrer Familie in den USA. Wegen der angespannten Lage und des Rassismus gegen Muslime und aus Angst, als verschleierte Frau als Terroristin verdächtigt zu werden, fühlte sie sich genötigt, den Schleier abzunehmen. Sie hat mir erzählt, dass sie sich ohne ihn nackt fühlte auf der Straße. Auch wenn ich bei diesem Thema nicht mit ihr übereinstimme, verstehe ich ihre Gefühle angesichts dessen, etwas tun zu müssen, wovon man nicht überzeugt ist, sehr gut. Beide Fälle sind trotz ihrer Unterschiede zwei Seiten derselben Medaille. Es geht um das Fehlen von Entscheidungs- und Wahlfreiheit und um den Zwang, der von der patriarchalischen Gesellschaft ausgeht.

Jahre nachdem ich das Kopftuch abgenommen und seinen Schrecken hinter mir gelassen hatte, musste ich es während des anhaltenden Konflikts zwischen der bewaffneten Opposition und dem Assad-Regime in Syrien wieder tragen, besonders wenn ich die Kontrollpunkte der syrischen bewaffneten Opposition überquerte. Der alte Albtraum kehrte zurück und damit auch der Verlust der Freiheit.