Was für eine Szene: 7. Oktober 2016, Trump Tower, Krisensitzung. Ein Video zeigt Donald Trump, wie er über sexuelle Übergriffe juxt. Die Stimmung ist mies. Der ehemalige Gouverneur Chris Christie geht auf Trumps Wahlkampfchef Steve Bannon los. "Christie stand direkt vor Bannon, überschattete diesen. Bannon wollte ihm fast sagen, du fette Sau, komm, wir prügeln uns hier und jetzt."

Die Szene bringt auf den Punkt, was an Bob Woodwards Buch Fear so enttäuschend ist. Erstens: Woodward gibt hier eindeutig einfach Bannons Perspektive wieder, und die teilt Bannon bekanntermaßen jedem mit, der ein Diktiergerät bedienen kann. Zweitens: Sagt uns diese Szene etwas, das noch nicht hinreichend bekannt wäre? Dass Bannon und Christie gegensätzliche Impulse in Trumps Kampagne verkörpern? Dass im Oktober die meisten Establishment-Republikaner nicht an Trumps Sieg glaubten? Alles bereits bestens bekannt und angesichts der Weltlage auch vielleicht nicht so unglaublich interessant.

Das ist nicht nur Bob Woodwards Schuld. Die Unbilden der traditionellen politischen Reportage in Zeiten des Trumpismus haben sich in den vergangenen drei bis vier Jahren in etlichen Büchern gezeigt. Und jetzt eben beim Großmeister dieses Genres selbst.

Das "Wer hat's gesagt"-Spiel

Woodwards Buch ergeht es wie allen Büchern über Trump: Es recherchiert, belegt, dokumentiert eifrig, was eigentlich offen zutage liegt. Mit seinen Reportagen in der Washington Post hat Woodward damals das goldene Zeitalter des aufklärenden Journalismus mitbestimmt. Als die Pentagon Papers noch in den amerikanischen Zeitschriften liefen, als Woodwards und Carl Bernsteins Recherchen die Watergate-Affäre aufdeckten und einen Präsidenten zu Fall brachten. Aber welchen Sinn hat die Enthüllung heute noch? In einer Zeit, in der Trump einfach drauflos twittert, in der Trump sich für einen Videomitschnitt entschuldigen kann und dann ein Jahr später behaupten kann, der Mitschnitt sei gefälscht? In dem kaum mehr zwischen Geheimniskrämerei und möglicher Senilität unterschieden werden kann?

So hat sich in den vergangenen zwei Jahren ein allgemeines Wahrnehmungsmuster um die Enthüllungsbücher zu Trump etabliert. Was enthüllt wird, entspricht ungefähr immer dem, was man eh schon vermutet hat. Trump ist unfähig, er ist umgeben von Schleimern, die aber ab und zu gegensteuern, um ihn vom Äußersten abzuhalten. Der Chef poltert, das politische Washington spielt das "Wer hat’s gesagt"- Spiel. Die üblichen Verdächtigen behaupten, alles Mögliche nicht gesagt zu haben, obwohl natürlich jeder weiß, dass sie es gesagt haben.

Wer nimmt die unweigerlichen Dementis dieser Regierung noch ernst? Wohl eher die als Lügenpresse geschmähten Medien als die Dementierenden. Als der Klatschjournalist Michael Wolff Fire and Fury vorlegte, wollten Journalisten noch Übertreibungen und Ausschmückungen erkannt haben. Fast alle haben sich mittlerweile als wahr bewiesen. Als Trumps ehemalige Mitarbeiterin Omarosa Manigault-Newman ihren Insider-Bericht vorlegte, eine Abrechnung mit ihrem ehemaligen Chef, gab es noch ein paar Dementis – nur dumm, dass man ihr anscheinend gestattet hatte, beinahe alle ihrer Unterhaltungen im Weißen Haus aufzuzeichnen. Auch Woodward hat Aufnahmen, die Trumps öffentliche Darstellungen als Lügen enttarnen. Als Woodward Trump sagt, er werde das Gespräch mitschneiden, sagt der Präsident: "Oh, das ist okay."