Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) hat sich für einen Bericht nach dem VW-Skandal über zu hohe Abgaswerte eng mit deutschen Autokonzernen abgestimmt. Das geht aus E-Mails hervor, die von der Nachrichtenagentur dpa, Spiegel Online und BR Recherche eingesehen werden konnten. Es werde mit den Herstellern "zuvor konkret besprochen", was veröffentlicht werde, heißt es demnach in einer Notiz des KBA.

In den E-Mails ist die Rede von einem "abgestimmten Vorschlag" für einen Bericht der umstrittenen Untersuchungskommission Volkswagen. Infolge des VW-Dieselskandals um manipulierte Abgastests hatte Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) die Kommission im September 2015 eingesetzt. Bei VW und anderen Herstellern ordnete er Abgasnachmessungen durch das KBA an.

Das KBA ist dem Bundesverkehrsministerium untergeordnet. Es erteilt sogenannte Typgenehmigungen, die die Einhaltung von Abgasgrenzwerten voraussetzen. Die Ergebnisse der Messungen veröffentlichte die Untersuchungskommission im April in einem Bericht.

Heraus kam, dass bei 22 von 53 getesteten Dieselmodellen Zweifel besteht, ob das Herunterregeln der Abgasreinigung bei niedrigeren Temperaturen wirklich mit dem Schutz von Motorbauteilen zu tun hat. Audi, Mercedes, Opel, Porsche und VW sicherten zu, rund 630.000 Fahrzeuge zurückzurufen, um die Technik zur Abgasreinigung zu ändern. Die Hersteller sprachen von einem "freiwilligen" Update und sagten, es gebe keine Hinweise auf unzulässige Software.

Die Autohersteller sind sich keiner Schuld bewusst

Seit der Dieselskandal bekannt wurde, wirft die Opposition im Bundestag Dobrindt große Nähe zu den Autobauern vor. Ihr Verdacht, dass die Inhalte des Berichts enger abgestimmt wurden als bislang belegt, scheint sich durch die Mails zu bestätigen. Darin schrieb ein Vertreter von Opel an einen KBA-Mitarbeiter, der Autohersteller könne Formulierungen in einem Entwurf des Berichts nicht zustimmen. "Uns geht es um einen Maßnahmenplan im Rahmen einer von uns vorgeschlagenen, freiwilligen Produktverbesserung", schreibt er. Man könne daher nicht von "Maßnahmen zur Wiederherstellung der Vorschriftmäßigkeit" gesprochen werden. Dies impliziere einen unangemessenen Gesetzesverstoß.

An anderer Stelle schreibt ein KBA-Vertreter an einen Mitarbeiter des Verkehrsministeriums, in der Rohfassung des Berichts sei ein Porsche-Text mit dem Hersteller abgestimmt. Ein VW-Mitarbeiter schrieb an das KBA, man wolle einen "abgestimmten Vorschlag" an die Untersuchungskommission versenden. KBA-Präsident Ekhard Zinke schrieb einem seiner Mitarbeiter, er halte Opel-Ausführungen "insbesondere im techn(ischen) Teil im Grunde nach für nachvollziehbar." Am Ende schließt er: "Mit industriefreundlichem Gruß".

Das Verkehrsministerium und das KBA nahmen zu den Recherchen Stellung. "Mit den Herstellern wurden im Rahmen dieser Untersuchungen Gespräche geführt und technische Fragen erörtert. Ein solches Prozedere ist international üblich und notwendig", heißt es. Die Meinungsbildung sei jedoch unabhängig erfolgt, die Untersuchungskommission habe eigene Schlussfolgerungen getroffen. 

Ein VW-Konzernsprecher sagte, "die beteiligten Marken haben konkrete Lösungen erarbeitet und dem KBA zur Überprüfung und Freigabe vorgestellt". Man habe dem KBA sensible und vertrauliche Daten offengelegt. Es sei nachvollziehbar und naheliegend, wenn das KBA im Hinblick auf einen angekündigten Untersuchungsbericht Rücksprachen mit betroffenen Unternehmen halte. Der Autobauer Opel wollte sich zu dem Bericht nicht äußern.

Grüne fordern unabhängige Überprüfung

Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) sprach von einem "Skandal". Die E-Mails bestätigten den schon lange gehegten "Verdacht der Mauschelei" zwischen Kraftfahrt-Bundesamt und Herstellern, sagte der VCD-Verkehrsexperte Michael Müller-Görnert. Das Umweltbundesamt solle nun noch einmal Abgasnachmessungen vornehmen. Der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands, Klaus Müller, sagte dem Handelsblatt, das KBA müsse "dringend reformiert" werden.

Die Grünen sehen den Vorwurf bestätigt, Verkehrsminister Dobrindt und das KBA handelten nicht unabhängig. Schleswig-Holsteins Umweltminister Robert Habeck (Grüne) sagte: "Hier hat offenbar die Industrie dem KBA die Feder geführt. Das ist ein Problem. Schon allein der Anschein einer Kultur der Kumpanei ist fatal." Das Vertrauen in die Unabhängigkeit der staatlichen Institutionen sei verletzt. Laut Habeck müsse die logische Konsequenz sein, dass eine unabhängige Kommission das Ganze noch einmal aufrolle. Es sei von hohem öffentlichen Interesse, ob alle Hersteller bei der Abgasreinigung illegal handelten. "Das dürfen das KBA und das Verkehrsministerium nicht verschleiern."