Zur schleichenden Erkenntnis, dass die Zeiten sich gewendet haben, gehört auch die allgegenwärtige Frage, was gebraucht wird, um einen Krieg zu führen – jetzt und in Zukunft. Waffen und Munition, Treibstoff und Ersatzteile – Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg spricht von einem "Logistikrennen", um die Ukraine gegen neue russische Offensiven in diesem Frühjahr zu unterstützen. Das ist der Teil, der eilt: "Geschwindigkeit wird Leben retten", sagte Stoltenberg am Montag. In diesen Tagen geht es also mehr um die versprochenen Panzer, Luftabwehrsysteme und vor allem ausreichend Geschosse für all das, was bereits im Einsatz ist. Es geht weniger um Kampfjets, die erst viel später eine echte Hilfe sein können. Aber auch die Frage wird bleiben.

Denn selbst wenn die Verteidigung der Ukraine jetzt noch einmal gestärkt werden kann, dürfte Verteidigungsminister Boris Pistorius richtig liegen mit seiner Einschätzung: "Es wird kein kurzfristiges Ende des Kriegs geben", wie er vor dem Treffen mit seinen Amtskolleginnen und -kollegen in Brüssel sagte. Und selbst wenn Russland seinen Vernichtungsfeldzug irgendwann wenigstens vorläufig aufgeben sollte, wird die Ukraine auf lange Sicht abwehrbereit sein müssen. Mehr noch: Um die russische Aggression abzuschrecken, können die westlichen Verbündeten selbst auch nicht auf weitere Rüstung verzichten. Die Bedrohung wird von Dauer sein, aber das Material ist schon jetzt knapp.

In Brüssel kamen an diesem Dienstag beide Aspekte zur Sprache. Dort trat sowohl die sogenannte Ukraine-Kontaktgruppe zusammen, in der die internationalen Waffenlieferungen nicht nur der Nato-Länder koordiniert werden, als auch die Verteidigungsministerinnen und -minister der Allianz in einem gesonderten Treffen, das am Mittwoch fortgesetzt wird.

"Nicht ganz so berauschend"

Also standen zunächst die dringend benötigten Kampfpanzer wieder auf dem Plan. Und damit eine gewisse Ernüchterung: Mit der schnellen Bereitstellung insbesondere dem zuletzt angekündigten europäischen Leopard 2 sehe es "nicht ganz so berauschend aus, um es vorsichtig zu formulieren", musste Pistorius einräumen. Deutschland kann offenbar zeitnah 14 Einheiten des Modells 2A6 liefern, Portugal nach eigenen Aussagen drei. Norwegen will acht der älteren 2A4 bereitstellen, der Zeitpunkt ist offen. In Polen, das ja besonders auf die Lieferung gedrängt hatte und ein weiteres Bataillon zusammenstellen wollte, gebe es möglicherweise Probleme mit dem Zustand der 2A4-Modelle, monierte Pistorius. Viel mehr scheint neben vagen Zusagen ohne Zahlen für den Moment nicht drin.

Ebenso drängend ist der Bedarf an Munition, akut etwa für die Luftabwehr mit den deutschen Geparden, die in der Ukraine eingesetzt werden. Davon liegt vor allem einiges in der Schweiz bereit, die aber mit Verweis auf ihre Neutralität die Ausfuhr untersagt. Deshalb soll nun angesichts der knappen Bestände in Deutschland beim Hersteller Rheinmetall "unverzüglich" wieder produziert werden, kündigte Pistorius an, entsprechende Verträge seien bereits unterschrieben – im Namen der Ukraine, damit das alles nicht noch langwierig durch den Bundestag muss. Jetzt nehme das Thema Munition Fahrt auf – "hoffentlich nicht zu spät", merkte der Verteidigungsminister noch an. Auch die USA, Frankreich, Großbritannien oder Schweden beginnen inzwischen damit, mehr Munition herzustellen. Einen Effekt dürfte das erst in einigen Monaten haben.

Die erforderliche Ausweitung der Produktion rückt aber nicht nur in den Fokus, damit die Ukraine mittel- wie langfristig gegen die russischen Angriffe bestehen kann. Sie wird auch diskutiert, weil die Nachfrage auf lange Sicht nicht nachlassen wird. Denn nicht erst seit das eine oder andere an die Ukraine abgegeben wird, fehlt es in den europäischen Armeen selbst an vielem, da ist die Munition nur ein Beispiel. "Die Rüstungsindustrie kann ich nur herzlich bitten, schnellstmöglich alle Kapazitäten jetzt maximal hochzufahren", sagte Pistorius in Brüssel. Statt solcher Bitten wäre der Industrie allerdings mit weiteren festen Aufträgen deutlich mehr geholfen. Auf Verdacht wird sie nicht aktiv werden. Und gern auch mit Vorlauf: Zwei weitere längst zugesagte Iris-T-Luftabwehrsysteme aus Deutschland sollen laut Pistorius "im Laufe der nächsten Monate" geliefert werden – wenn die Industrie mit der Produktion nachkomme. Hätte man vorher wissen können.

USA können "nicht ewig alles tun"

Es kommt also weiterhin einiges später, als es die Ukraine gebrauchen könnte. Was nicht bedeutet, dass es dann nicht mehr nötig wäre. Und auch nicht, dass die Ukraine völlig blank dastünde. Aber die erfolgreiche Abwehr russischer Frühjahrsoffensiven, die längst begonnen haben, scheint nur notdürftig gesichert zu sein. Die derzeit oft geforderte strategische Verstetigung der militärischen Hilfe steckt jedenfalls erst in ihren Anfängen.

Dazu passt dann auch, was die US-Regierung anscheinend umtreibt, nämlich wie lange das Versprechen, die Ukraine "so lange wie nötig" zu unterstützen, tatsächlich haltbar sein wird. Die Washington Post zitiert einen hohen Beamten mit der Einschätzung, dass der Krieg an einem kritischen Punkt sei. Die Ukraine stehe unter Druck, weil es immer schwerer werde, das bisherige Maß an militärischer und finanzieller Hilfe politisch durchzusetzen: "Wir werden weiterhin versuchen, ihnen klarzumachen, dass wir nicht ewig alles tun können."

Das wiederum heißt dann wohl, wenn die Ukraine den Krieg gewinnen soll, müssen alle jetzt noch stärker mitziehen. Oder es wird eng.