MHD, BB – oder doch GAGA*?

Ein Artikel von Beerlock Shaums | 19.06.2013 - 22:42

Es ist geradezu rührend, welch rechnerischer Aufwand betrieben wird, um unsere Gesundheit vor vermeintlich schädigenden Zersetzungsprozessen unserer Bockbiere zu bewahren. Wer aufmerksam so manches Gebinde betrachtet, hat sicher schon schmunzelnden Blickes registriert, dass neben dem Datum auch akribisch die exakte Uhrzeit angeführt sein kann. Sozusagen als offiziell ausgestellter Totenschein – für einen Schein-Toten- aus der Familie der Edel-Cerevisen. Nur eine vor- oder rechtzeitige „Notschlachtung“ kann hier das verlustfreie Verenden verhindern. Andernfalls wäre ein weiteres „in Verkehr bringen“ schon fast eine strafbare Handlung, zumindest, wenn man dem ehrbaren Stand der Händler angehört. Ihr Beerlock Shaums, dessen „Institut für angewandte Bibitologie“ auch vor den absurdesten Frage-Komplexen – und komplexen Fragen – nicht zurückschreckt, ging also diesem Problem analytisch auf den Grund.

Nehmen wir also an, jene kleine Brauerei, deren buchhalterischer Eifer soweit geht, einem – notabene – herzhaft robusten dunklen Bock von satten 7,2 % zu morgendlicher Stunde – um 09:45 – das Ende allen irdischen Glanzes zu attestieren, konfrontiert den systemkonformen Verbraucher mit quälender Drangsal:es besteht dadurch nämlich die akute Zwangslage, sich bereits am Vormittag heftig zu sedieren. Wurde dann zudem der vorhandene Bestand am projektierten Verbrauch überschätzt, dürfte der Tag ein hedonistisch-elysisches aber frühzeitiges Ende finden. Denn auch nur eine harmlose Kiste neckischer Nano-Bottles im Kaliber 0,33 soll in Dauer-Applikation mannstoppende Wirkung zeigen und möglicherweise sowohl die Arbeitskraft als auch den Willen dazu beeinträchtigen können – sofern Sie nicht der kreativen Branche angehören. Anderseits: mit welchen ernsthaften Komplikationen ist zu rechnen, wenn der Proband erst um, sagen wir, 12:48, also rund drei Stunden später das erste Fläschchen in den hopfig-malzigen Bockhimmel befördert? Und den Rest, also die experimentellen restlichen19 Flaschen, verteilt er auf – die nächsten drei, vier Tage. Kippt er dann wie von einem heidnischen Donnergott mit einem ehernen Maßkrug hingestreckt, vom Hocker, oder muss er zumindest mit schmerzhaften und unheilsamen Spätfolgen rechnen?

Und was geschieht wenn ich mir heldenhaft-hilfsbereite Mitstreiter einlade, um dieses schier unmenschliche Quantum zu bewältigen? Bedarf es hierfür einer notariellen Bestätigung, dass er sich des Risikos bewusst ist, es eventuell den Böcken gleichzutun? Also ebenso schlagartig sein Ablaufdatum erreicht zu haben? Das „Institut für angewandte Bibitolgie“ plädiert daher für eine neue und vor allem (art)gerechte Klassifizierung für Starkbiere um die 7.0%. „Mindest haltbar bis“ bedeutet bei dieser Materie nämlich leider all zu oft, hoffnungsvolle „Zukunftsböcke“ ihrer Entwicklung zu berauben, ehe sie auf der Höhe ihrer Kraft angelangt sind und an Persönlichkeit und Charakter zugelegt haben können.

Aus langjährigen Forschungsergebnissen entstand daher das sogenannte „Venator-Prinzip“, schließlich verhält es sich hier genau so, wie bei der Jagd auf den Rehbock: man lasse ihn wirklich reif werden. Für den Handel freilich bedeutet dieser Tagder Wahrheit meist eine hektische Vorgangsweise: schnell leuchten dann orangefarbene Aufkleber am Flaschenhals: Preisreduktion, damit er rasch in den Regalen „ausgerottet“ wird. Das ist der Moment, wo der wahre Connaisseur zum (Schnäppchen)Jäger mutiert und mit dem dröhnendem Puls eines Brokers nur von einem Reflex gebeutelt wird: „Kaufen“! So schafft man sich um günstiges Geld reichen Zuwachs, den man dann im eigenen „Revier“ gedeihlich hegen kann. Erstaunlich ist nämlich, dass nach der Bock-Saison das Interesse an dieser Spezies schneller erlahmt, als sich die vorhandenen Vorräte verkaufen.

Wie auch immer: „Best before“ ist geradezu eine Verhöhnung unserer guten Böcke und auf jeden Fall unrichtig und fern der Realität. „Mindest haltbar“ hat da zwar schon mehr sinngemäße Substanz, wird aber leider trotzdem falsch interpretiert. Unser Vorschlag lautet daher weder „BB“, noch „MHD“, sondern: „GAGA“: Größter Anzunehmender Genuss Ausbau. Diese wundersame Wandlung vollzieht sich aber meist Monate und Jahre jenseits der genannten Datumsgrenzen. Klingt verrückt, ist aber empirisch belegt. Rund Tausend Flaschen Bockbiere unterschiedlichster Jahrgänge, Marken, Sorten und Größen ruhen im Keller und Stichproben belegen eindeutig: Totgesagte leben länger, als das Lebensmittelgesetz erlaubt. Ein Trost bleibt uns aber: Noch gibtes keine kontinentalen Beglückungsrichtlinien, die uns verpflichten,auch private Alt-Bestände zu vernichten. Das wäre dann wirklich Gaga. Ganz ohne Genuss.