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Schnapsidee Weltraumbahnhof Deutschland

Startrampen für Raketen sind sehr komplexe Anlagen mit einer entsprechenden Infrastruktur. Startrampen für Raketen sind sehr komplexe Anlagen mit einer entsprechenden Infrastruktur. © Pixabay

Satelliten- und Weltraumtechnik in Deutschland

Natürlich – keine Frage – gehört die Satelliten- und Weltraumtechnik zum Selbstverständnis einer führenden Wirtschafts- und Industrienation wie Deutschland. Deutschland soll und muss ein namhafter Akteur in dieser Technologie sein; da ist dem BDI-Präsidenten Dieter Kempf beizupflichten. Aber einen eigenen Weltraumbahnhof, der ohnehin gesellschaftspolitisch in Deutschland nicht durchzusetzen ist, braucht die bescheidene deutsche Satelliten- und Weltraumindustrie (sieht man vom unter französischer Dominanz stehenden europäischen Koloss Airbus-Group und der Bremer OHB SE einmal ab) keineswegs.

Nicht zuletzt auch deshalb, weil die Branche, vielleicht mehr als andere Industriezweige Deutschlands, in europäischen Strukturen denken muss, wenn sie zu den in der Weltraumtechnik führenden Nationen wie Vereinigte Staaten, Russland, China und Indien aufschließen will. Dieser Anschluss ist ohnehin, wenn überhaupt, sehr schwierig. Aber selbst wenn die Deutschen allein in die Phalanx der US-Amerikaner oder Russen aufrücken sollten, was bei Lichte besehen unmöglich ist: Europa besitzt bereits einen leistungsstarken Weltraumbahnhof in Französisch-Guayana, der auch von den Deutschen beispielsweise bei den länderübergreifenden Satellitenprogrammen genutzt wird.

Die Idee eines deutschen Weltraumbahnhofes hat BDI-Präsident Kempf auf dem Weltraumkongress seines Verbandes am 18. Oktober 2019 in Berlin vorgestellt. Doch aus dieser Idee, wenn auch gut gemeint, wird nichts, wenngleich Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier mehr höflich zusicherte, den Vorschlag prüfen zu wollen. Ohnehin bestehen in Deutschland beim Thema Weltraumbahnhof in der Öffentlichkeit erhebliche Irritationen. Große Raketen mit wissenschaftlichen Satelliten werden von Deutschland aus ohnehin auch künftig nicht ins All gelangen, weil diese senkrecht von ihrem jeweiligen Weltraumzentrum gestartet werden müssen. Derartige Anlagen können im dichtbesiedelten Deutschland schon politisch nicht zugelassen werden. Darauf wies bereits Raumfahrt-Professor Ulrich Walter von der TU München hin. Große senkrechtstartende Raketen bleiben daher wenigen Space-Center auf der Welt vorbehalten: dies sind die von Russland betriebenen zwei Weltraumstartrampen Baikonur und – neu – Wostotschny, die amerikanischen Anlagen Kennedy Space Center und Cape Canaveral Air Force Station, das chinesische Weltraum-Zentrum Wenchang, das 2014 als bereits vierter Weltraumbahnhof der auch in der Raumfahrt ehrgeizigen VR China eröffnet wurde, schließlich das französische Raumfahrtzentrum Kourou in Französisch-Guayana (gleichzeitig Abschussrampe für das europäische Raumfahrtprogramm der Ariane-Raketen) und last but not least das futuristische indische Satish Dhawan Space Centre an der südöstlichen Küste Indiens.

Wirklichkeitsfremde Standortdiskussionen

Natürlich ist BDI-Präsident Kempf nicht weltfremd. Er weiß, dass Deutschland keinen großen Weltraumbahnhof vom Zuschnitt der vorstehend genannten Anlagen braucht. Sein Vorschlag zielt daher auf eine Startrampe für „Microlauncher“ (also kleine Raketen, die kleine Satelliten transportieren sollen) ab. Diese kleinen Raketen würden dann nicht senkrecht, sondern waagrecht gestartet. Doch selbst ein „Bahnhof für Microlauncher“ ist von der Akzeptanz her bei der deutschen Bevölkerung nicht durchzusetzen. Denn Fehlstarts sind in der Satelliten- und Weltraumtechnik nie auszuschließen und bei waagrecht startenden Raketen ist im Falle eines Fehlstarts das Risiko für die Bevölkerung schlicht zu groß und daher nicht vertretbar. Im Gespräch sind „Weltraumbahnhöfe“ am Regionalflughafen Rostock-Laage oder beim Bundeswehrfliegerhorst Nordholz bei Cuxhaven. Beide Standorte liegen praktisch an der Ost- bzw. Nordsee. Doch gerade deshalb sind diese – nur theoretischen – Standortvorschläge völlig ungeeignet, weil sie einerseits den dichtbefahrenen Schiffsverkehr vom und zum Hafen Hamburg und andererseits den ebenso dichten Skandinavien-Fährverkehr tangieren.

Die deutsche Satelliten- und Weltraumtechnik ist weitgehend in europäische Programme und Unternehmen eingebunden. So gehört die auch in Deutschland tätige Ariane Group zum europäischen Luft- und Raumfahrtkonzern Airbus, dessen operative Konzernzentrale sich in Toulouse befindet. Lediglich die konzernfreie Bremer OHB SE (mehrheitlich ein Unternehmen der Familie Fuchs) spielt im Konzert der führenden deutschen und westlichen Gesellschaften der Satelliten- und Weltraumtechnik mit einer hohen Kompetenz in der ersten Reihe mit einem Umsatz von immerhin einer Milliarde Euro mit. Die OHB wird sich auch ohne deutschen Weltraumbahnhof weiterhin – Airbus ohnehin – prosperierend entwickeln. Einerseits denkt die EU darüber nach, z.B. ihre Verteidigungspolitik europäisch zu bündeln (Stichwort Europa-Armee) und andererseits will Deutschland dann aber wieder eine eigene Rolle beim Transport der Microlauncher spielen. Dies ergibt eigentlich keinen Sinn. Nochmals: Europa und die europäische Satelliten- und Weltraumtechnik hat mit Kourou einen bedeutenden Weltraumbahnhof. Ein deutscher Weltraumbahnhof, ob groß oder klein, ist schlicht und ergreifend eine Schnapsidee.

Günter Spahn

 Herausgeber und Chefredakteur Zielgruppen-Medien Verlag