Oralchirurgie 04.05.2016

Aus der Praxis: Das komplexe Odontom

Aus der Praxis: Das komplexe Odontom

Foto: © Autor

Beschreibung eines klinischen Falls

Die Patientin (Jahrgang 1955) stellte sich erstmals am 22. August 2003 in unserer Praxis vor. Sie war beschwerdefrei und hatte den Wunsch nach einer klinischen und röntgenologischen Untersuchung und einer konservierenden Therapie einzelner Zähne sowie der Überkronung von 16 und 17. 

Diagnostik 2003

Auf dem OPT stellte sich an der distalen Wurzel des Zahnes 46 eine halbmondförmige ca. 10 mm große röntgendichte Verschattung dar und eine ca. 3 mm große eiförmige Verschattung dorsal davon in Verbindung mit einer kleinen Auftreibung besagter Wurzelspitze. Die Vitalitätsprüfung des Zahnes 46 war eindeutig positiv. Die Verdachtsdiagnose lautete „sklerosierende Ostitis 46“.

Aufgrund der Symptomlosigkeit und der benignen Prognose wurde von einer Therapie zu diesem Zeitpunkt abgesehen. Es wurde allerdings eine weitere grobmaschige röntgenologische Verlaufskontrolle vereinbart.

Befund 2015

Bei einer erneuten röntgenologischen Untersuchung am 17. August 2015 hatte sich die Verschattung deutlich vergrößert und in der Form verändert. Es imponierte nunmehr eine birnenförmige gleichmäßig strukturierte feinkörnig dichte Raumforderung in Verbindung mit einer starken Auftreibung der Wurzelspitze und kaudal davon eine halbmondförmige gleichartige Struktur, getrennt durch einen sehr feinen Spalt. Der Zahn 46 reagierte immer noch eindeutig vital auf Kältetest. Palpatorisch war im Bereich der distalen Wurzel des 46 vestibulär eine harte und nicht druckdolente Auftreibung zu tasten. Alle Anzeichen einer akuten Entzündung fehlten, auch die regionalen submandibulären Lymphknoten waren unauffällig. Eine digitale Volumentomografie lehnte die Patientin aus Kostengründen ab.

Klinische Schritte, Verlauf und Histologie

Wegen eindeutiger Wachstumstendenz in unmittelbarer Nähe des Mandibularkanals entschieden wir uns zusammen mit der Patientin für eine operative Entfernung der Raumforderung und eine feingewebliche Untersuchung des Resektates.

Eine Vitalerhaltung des Zahnes war somit nicht möglich und wir führten präoperativ am 26. August 2015 eine endodontische Behandlung durch. Die beiden mesialen Wurzelkanäle enthielten vitale gesunde Wurzelpulpa, die beiden distalen Kanäle waren stark obliteriert und zeigten eine avitale und mazerierte Pulpa. 

Am 18. November 2015 erfolgte nach antibiotischer Abdeckung mit Amoxycillin und Sedierung mit 5 mg Midozalam (Dormicum) i.v. unter Leitungsanästhesie die Entfernung des Tumors.

Die fast kugelförmige 2,5 cm große dentinähnliche Struktur war kranial fest mit der Wurzel bis ins koronale Wurzeldrittel verwachsen, nach kaudal allerdings von der Spongiosa durch einen feinen Bindegewebsspalt getrennt, sodass sie nach Absetzung von der Wurzel und weitreichender Resektion der bukkalen Knochenwand nach horizontaler Trennung am „Äquator“ in zwei Teilen in toto entfernt werden konnte. 

Aus der klinisch unauffälligen Spongiosa kam es intraoperativ zu einer sehr starken venösen Sickerblutung, die sich nach dreiminütiger Kompression spontan einstellte. Auf das Einbringen von Knochenwachs konnte somit verzichtet werden.

Der kranial eröffnete Mandibularkanal wurde mit mehreren Lagen Kollagenvlies (Baxter) abgedeckt (im postoperativen OPT gut zu erkennen) und der Mukoperiostlappen einschichtig speicheldicht vernäht.

Die postoperative Verlaufskontrolle war regelrecht, die Patientin beschwerdefrei, die Nahtentferung erfolgte zehn Tage postoperativ.

Die histologische Beurteilung ergab ein „ungewöhnliches, hochdifferenziertes komplexes Odontom“. 

Mehr Fachartikel aus Oralchirurgie

ePaper