Oralchirurgie 17.06.2011

Bösartiger Tumor am Mundboden und Unterkiefer

Bösartiger Tumor am Mundboden und Unterkiefer

Ästhetisch und funktionell gelungenes OP-Ergebnis

Bei einer zum OP-Zeitpunkt 54jährigen Frau wurde vor 12 Jahren ein bösartiger Tumor (Plattenepithelkarzinom) am Mundboden und Unterkiefer entfernt. Der Defekt wurde mit Gewebe- und Knochentransplantaten in mehreren umfangreichen Operationen wiederhergestellt, mit implantatgetragener Prothetik versorgt und unter ästhetischen Gesichtspunkten u. a. durch Kieferrückverlagerung und Mittellinienkorrektur, Facelift und beidseitige Lidkorrektur optimiert. Die Patientin hat jetzt dank der gelungenen, ästhetisch anspruchsvollen Rekonstruktion und implantatgetragenen Zahnversorgung wissenschaftlich fundiert eine sehr gute Sprach- und Schluckfunktion.

Wie alles begann

Die Patientin bemerkte 1999 erstmals eine kleine offene Stelle am Mundboden links, unter ihrer Zunge. Die Stelle tat kaum weh, wollte aber auch nicht verheilen. Ihr erster Weg führte sie zu Ihrem Zahnarzt. Dieser überwies sie in die Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgische Klinik der Universität Erlangen-Nürnberg. Und der erste Verdacht des Zahnarztes bestätigte sich: Die genaue Untersuchung des entnommenen Gewebe ergab, dass es sich um einen bösartigen Tumor handelte, der von der Schleimhaut der Mundhöhle ausging.

Die Tumorbehandlung

Im Rahmen des interdisziplinären Tumorboards des Erlangener Universitätsklinikums, einer regelmäßigen Besprechung der MKG-Chirurgen mit den ärztlichen Kollegen der Strahlentherapie und Onkologie, wurde empfohlen, zunächst eine Bestrahlung und medikamentöse Therapie durchzuführen. Dann, in einem zweiten Schritt, wurden der Tumor einschließlich eines Teils der Zunge und des Unterkiefers auf der linken Seite sowie die Hals-Lymphknoten chirurgisch entfernt. Auch die Zähne des Unterkiefers konnten nicht erhalten werden. In derselben Operation rekonstruierten die MKG-Chirurgen bereits die entfernten Organanteile mit Hilfe körpereigener Gewebe.

Die Rekonstruktion: Funktionell und ästhetisch eine Herausforderung

Aus dem Schulterblatt mit darüber liegender Muskulatur und Haut wurden der Unterkiefer und auch die Zunge der Patientin wieder aufgebaut. Für dieses Verfahren, der so genannten mikrovaskulären Gewebetransplantation, war es notwendig, die Blutgefäße, Venen und Arterien des entnommenen Gewebes aus der Schulter der Patientin unter dem Mikroskop an Blutgefäße des Halses anzuschließen, um die Durchblutung sicher zu stellen. Ein Verfahren, für das Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgen speziell ausgebildet sind, und das besonders gute ästhetische und funktionelle Ergebnisse liefert.

Neue Zähne auf Implantaten

Nach einer ersten Rehabilitation, bei der sich die Patientin von den Anstrengungen der Operation erholte, erfolgten 1999 und 2000 kleinere Operationen, um den neu aufgebauten Unterkiefer und Mundboden für einen Wiederaufbau der Zähne vorzubereiten. Ein wichtiger Teil der Wiederherstellung der Patientin, denn sprichwörtlich sind Zähne nicht nur für die Funktion, das Kauen notwendig, sondern für die gesamte Lebensqualität: Sich Durchbeißen, ein „weißes“ Lächeln zeigen, dem Leben die Zähne zeigen, dies sind wichtige Elemente, die unmittelbar mit den Zähnen in Zusammenhang gebracht werden. Zudem hat der prothetische Wiederaufbau der Zahnreihen auch einen hoch ästhetischen Aspekt: Perfekte Zähne selbst sorgen für ein ansprechendes Erscheinungsbild. Überdies stützen die Zähne die Lippen, wodurch Betroffene nicht mehr zahnlos und eingefallen wirken, sondern wieder frischer und vital.

Den vorbereitenden Operationen wie Ausformung der Weichgewebe und weiterer Knochenaufbau folgte 2001 das Einbringen von insgesamt 11 Implantaten, die – jeweils in Ober- und Unterkiefer über eine spezielle Konstruktion verbunden – die Zahnprothesen tragen.

Letzte ästhetische Korrektur-Eingriffe

Die Tumoroperation und der Knochenaufbau hatten zu einer Veränderung der Stellung des Unterkiefers sowie zu einer veränderten Unterlippenkontur und –spannung geführt. Die Zahnreihen passten somit nicht in idealer Weise aufeinander. Ein häufig beobachtetes Phänomen nach Tumorentfernung und Knochenaufbau. Denn eine exakte Abschätzung der Reaktionen des Körpers auf die beschriebenen Therapieanteile ist oftmals nicht letztendlich kalkulierbar. Daher wurde der Unterkiefer 2001 in seiner Position leicht verändert und 2003 die Unterlippe mit einer so genannten Zügelungsplastik gestrafft. Auf Wunsch der Patientin wurden gleichzeitig die Gesichtszüge durch ein Facelift verjüngt.

Das Ergebnis

Aktuell ist die Patientin seit 1999 tumorfrei. Die Sprachfunktion wird durch die vollständige operative Rehabilitation seitens der Patientin und ihres Umfeldes, aber auch von Seiten der behandelnden Ärzte der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgischen Klinik, Universitätsklinikum Erlangen, als sehr gut eingeschätzt. Die Schluckfunktion ist nach wie vor noch etwas reduziert, die Nahrungsaufnahme dauert für eine normale Mahlzeit etwa 45 Minuten. Das Kauen ist – bis auf sehr harte und zähe Speisen – dank der implantatgetragenen Prothesen problemlos möglich. Die Patientin ist mit Ihrem Erscheinungsbild jetzt sehr zufrieden und strebt keine weiteren Operationen an. Insgesamt kann das Behandlungsergebnis hinsichtlich der Tumorbehandlung und der Wiederherstellung von Funktion und Ästhetik als langfristig stabil und zufrieden stellend bezeichnet werden.

Herausgeber:

Deutsche Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie (DGMKG)

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