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18 Corno

Höhe: 633 m
Dauer: 4:30 Stunden

Spiel der Vergleiche

Bei dieser Wanderung begegnet man inmitten der Natur der Vergangenheit, wobei die Natur Teil derselben ist, und es ist eine Vergangenheit, die Erinnerungen weckt, Brücken schlägt und damit die Bergwelt zur begeisterungsfähigen Lehrmeisterin für denjenigen werden lässt, der sich nicht damit zufrieden gibt, Höhenunterschiede zu überwinden und Felswände zu bezwingen.
Der Lehrgang beginnt diesmal im geschichtsträchtigen Bedrettotal, wo der Tessin entspringt, der sich, sobald er ans Tageslicht tritt, mit den Farben der Scaglia del Corno schmückt, wenn jene sich mit Sonne volltankt (es scheint, als höre man ihren Fels atmen, der die Luft aufsaugt und in Licht verwandelt).

Blumen wachsen am Wegrand oder auf dem Weg selber, Bewunderung erheischend (sie sehen aus, als seien sie frühmorgens in den Boden gesteckt worden, um den Weg für die vorbeiziehenden Wanderer zu zieren und einen angenehmen Spaziergang zu versprechen); der Schnee verleiht dem Ganzen den Anstrich einer Bilderbuchlandschaft. Auch die Corno-Hütte strömt einen Duft von Bergwelt aus: Die Wanderer kommen hier an und schauen sich, ist der erste Durst einmal gestillt, staunend um, als ob sie in eine andere Welt geraten seien. Sie entdecken den intensiven Geruch des Grases, der direkt ins Blut überzugehen und es zu verjüngen scheint; sie bewundern die Bergspitzen, jede mit ganz besonderen Merkmalen (durch Erdrutsche verursachte Narben, von Lawinen zurückgelassene blaue Flecken, auf Blitzschläge zurückzuführende Verbrennungen).

Wer hingegen die Corno-Hütte hinter sich lässt, hat das ganze Val Corno für sich allein, dessen Hänge zwei verschiedenen Tälern anzugehören scheinen: Der rechte erscheint bis zu einer gewissen Höhe in einem Grün, das je nach Tages- und Jahreszeit von einer angehauchten Zartheit, die das erste Gewitter wegzuwischen droht, in eine derart kräftige Sattheit übergeht, die mit ihrem Gewicht sogar die Blumen zu erdrücken scheint; der linke Hang hingegen besteht nur aus Fels und Schnee und hinkt dem gegenüberliegenden stets um eine Jahreszeit hinterher.

Letzterer wiederum verwandelt sich nach und nach in runde, braungestreifte Bergrücken; Streifen, die von weitem Pfaden gleichen, womit dem Wanderer, der den Vorboten der Bergseen - Pfützen, die sich mit den unbewachsenen Weiden vermengen und deren dunkles und öliges Gewebe zeigen - begegnet, ein dichtes Netz imaginärer Wege vorausgeht.

Die Schneefelder des felsigen Talhanges kündien die Gletscher an und werden denn auch zum Cornogletscher, der, obschon klein, ähnliche Merkmale wie die grossen Gletscher aufweist, denen er als Beispiel und Vorbild dienen will.
Unterhalb dieses winzigen Gletschers liegen die gleichnamigen kleinen Seen, die allerdings eine gewisse Distanz zu ihm halten. Der Cornogletscher berührt sie denn auch tatsächlich nicht, als fürchte er, er könnte sie mit seinen Ablagerungen womöglich beschmutzen.

Am gegenüberliegenden Hang hält unterhalb des Saumpfades auch das Gras - aus Angst, sich nass zu machen - vor dem Wasser inne. Doch den Bergseen gelingt es trotzdem, seine Farbe, die sich in ihnen wie eine vom Hunger getriebene unruhige Forelle ausnimmt, widerzuspiegeln; diese Farbe ist zugleich schaudernde Durchsichtigkeit, Aufeinanderprallen von Sonnenstrahlen und Lichtschimmer, der gegen die Ufer und gegen den die beiden Seen verbindenden Kanal ausströmt.
Zu vernehmen ist das Wasser, das unsichtbar den ersten der beiden kleinen Seen speist und dabei das stete Geräusch eines leisen Windes nachahmt, das ab und zu übertönt wird vom Geräusch von Steinen, die sich vom Gletscher lösen und diesen grösser erahnen lassen. Danach gelangt man zu einem wirklich grossen und langen, überaus mächtigen Gletscher: Vor uns dehnt sich, weit entfernt und doch so nahe, der Griesgletscher aus, ein wahres Spektakel am Fusse des Blinnenhorns, bei dessen majestätischer Erscheinung jeder Zuschauer versucht ist, in stürmischen Applaus auszubrechen: Er übersieht ob solcher Schönheit sogar beinahe die Staumauer, welche die Landschaft buchstäblich durchschneidet.

Zur Linken liegt in der Ferne die Passstrasse, jedoch hört und sieht man sie vom Wanderweg aus nicht. Dieser wird nun von Felswänden umzäunt, denen er es zu verdanken hat, dass er trotz der unübersehbaren Spuren technischer Notwenigkeiten sein ursprüngliches Gesicht bewahren konnte: Man begegnet fortan Steinblöcken, die ebenso gut verkohlte Baumstrünke sein könnten; Wildbächen, die zum ersten Mal ihre Stimme ausprobieren; Wiesen, die ein wenig Sümpfe sind und Sümpfen, die ein wenig Wiesen sind (jedoch haben beide dieselben Blumen, und es scheint, als wechselten diese je nach Lust und Laune vom Wasser aufs Land und vom Land aufs Wasser über). Schliesslich gelangt man zum Fusse der Scaglia del Corno, die ihre Stellung hartnäckig verteidigt und jetzt, auf dem Rückweg, noch viel kantiger wirkt (woraufhin dem Bergwind die stille, aber beharrliche Funktion eines Wetzsteines nicht mehr aberkannt werden kann).