Hofft auf den Präsidentensessel in Kiew: Petro Poroschenko Foto: dpa

Petro Poroschenko möchte ukrainischer Präsident werden – aber für einen echten Neuanfang steht der Oligarch und Schokoladenzar nicht. Kritiker werfen dem 48-Jährigen vor, ein Opportunist zu sein.

Petro Poroschenko möchte ukrainischer Präsident werden – aber für einen echten Neuanfang steht der Oligarch und Schokoladenzar nicht. Kritiker werfen dem 48-Jährigen vor, ein Opportunist zu sein.

Kiew - Ist Petro Poroschenko der Weiße Ritter, der die Ukraine vor der feindlichen Übernahme durch Wladimir Putin rettet? So könnte man es in der Sprache der Ökonomie formulieren – einer Sprache, die Poroschenko beherrscht. Er gilt in der Ukraine nicht nur als Schokoladenzar, weil er mit der Herstellung von Edelsüßwaren zum Marktführer in Osteuropa geworden ist. Der 48-Jährige ist mit einem Vermögen von geschätzt einer Milliarde Euro auch einer der reichsten Männer des Landes.

Und er will ukrainischer Präsident werden. Vor der Wahl, deren erste Runde für den 25. Mai geplant ist, ist Poroschenko erstaunlich schnell zum haushohen Favoriten aufgestiegen. Mehr als 30 Prozent der Menschen zwischen Lemberg im Westen und Lugansk im Osten wollen ihm ihre Stimme geben. So sagen es die Umfragen. Die jahrelange Oppositionsführerin und zeitweise inhaftierte Polit-Ikone Julia Timoschenko kommt nur auf gut neun Prozent.

Dennoch: Bei dieser Wahl ist nichts so klar, wie es den Anschein hat. Vor allem ist offen, ob die Abstimmung nach demokratischen Standards stattfinden kann. Noch immer halten im Osten der Ukraine Separatisten Regierungsgebäude besetzt. In den Regionen Donezk und Lugansk haben sie die Macht übernommen. Mit illegalen Referenden haben sie gezeigt, dass sie nicht gewillt sind, einen Präsidenten aus Kiew anzuerkennen. Das allerdings könnte Poroschenkos Vorteil sein, denn er ist nicht das, was man einen klassischen Kiewer Kandidaten nennt. Poroschenko sagt: „Ich kann Russisch und Ukrainisch sprechen. Und egal, welche Sprache ich wähle, so heißt das nicht, dass ich das Land spalten will.“ Timoschenko dagegen hat zu lange auf die „Donezker Mafia“ geschimpft, als dass man ihr einen neuen Einigungswillen zutrauen würde.

Dabei haben die Gasprinzessin Timoschenko und der Schokoladenzar manches gemeinsam. Wie Timoschenko und all die anderen berüchtigten Oligarchen, ist auch Poroschenko in den Wirren der postsowjetischen Anarchie der 1990er Jahre zu Reichtum gelangt. Zuvor hatte der Sohn eines „roten Direktors“ im Gebiet Odessa Ökonomie und internationales Recht studiert. So entstanden in der Umbruchzeit der Ukraine Netzwerke, die bis heute halten.

Das zeigt sich auch in Poroschenkos unternehmerischen und politischen Tätigkeiten. Die Schokoladenfabrik Roshen ist nur das Herzstück eines Wirtschaftsimperiums, so wie der Markenname das Herz seines Eigennamens ist. Poroschenko wird englisch Poroshenko geschrieben – daher Roshen. Zu seiner Unternehmensfamilie zählen aber auch Rüstungs- und Schiffbaubetriebe sowie eine Mediengruppe rund um den berühmten Kanal 5. Der Sender wurde während der Maidan-Revolution im Winter zum Sprachrohr der Regierungsgegner.

Das allerdings heißt nicht, dass Poroschenko ein Revolutionär aus Berufung wäre. Mit seinem vollen gewellten Haar und dem fast quadratischen Gesicht wirkt er eher wie ein Apparatschik aus später Sowjetzeit. Und tatsächlich: Im Politapparat der Chaos-Ukraine arbeitete er sich nach oben. Zu Beginn des Jahrtausends war er stellvertretender Vorsitzender der Partei der Regionen, jenes Wahlvereins des inzwischen gestürzten Präsidenten Viktor Janukowitsch. Mehrfach wechselte Poroschenko, der mit einer Ärztin verheiratet ist, die Seiten. Während der demokratischen, prowestlichen Revolution in Orange unterstützte er den Anführer der Bewegung und späteren Präsidenten Viktor Juschtschenko. Die beiden verstehen sich auch privat. Juschtschenko ist Pate von zweien der vier Poroschenko-Kinder.

Das Problem der beiden hieß Julia Timoschenko, die Ikone der Revolution in Orange. Im Machtkampf mit Timoschenko kehrte Poroschenko den Orangenen wieder den Rücken. 2009 und 2010 war er Außenminister und anschließend unter Janukowitsch bis Dezember 2012 Wirtschaftsminister. Das war jene Zeit, als Timoschenko im Gefängnis saß und Janukowitsch mit der EU einen diplomatisch-politischen „Stellungskrieg“ um die EU-Assoziierung führte. Und es war jene Zeit, als sich der Schokoladenzar als Abgeordneter eine eigene Hausmacht aufzubauen begann, die er bei den Maidan-Protesten für sich nutzte. Er finanzierte die Revolutionäre und gab ihnen über den Kanal 5 eine Stimme.

All das macht ihn zum Favoriten im Präsidentschaftsrennen – und möglicherweise zum Weißen Ritter. Längst jedoch hat er sich den Schwarzen Ritter zum Feind gemacht. Wladimir Putin nahm Roshen schon im vergangenen Sommer ins Visier, als er Janukowitschs Annäherungsspiel mit der EU torpedieren wollte. Der Kremlchef verhängte Wirtschaftssanktionen gegen Roshen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Ritter bald wieder die Waffen kreuzen. Ebenso wenig ausgeschlossen ist, dass die gewiefte Taktikerin Timoschenko in einer möglichen Stichwahl gegen Poroschenko noch einmal zu neuer Stärke gelangt.