Methode - Refraktionsseismik (Refraktionstomographie) 

Bei der Refraktionsseismik werden mit einem Hammerschlag an der Oberfläche seismische Wellen angeregt. Die Wellen breiten sich im Untergrund aus und werden mittels Geophonen an der Oberfläche registriert (Bild 1). Die Refraktionsseismik untersucht die Ersteinsatzzeiten der an den verschiedenen Geophonen eintreffenden seismischen Wellen (direkte Welle, Refraktionen). Die sog. direkte Welle wird vor allem bei kürzeren Entfernungen zwischen Quelle und Geophonen registriert und gibt die Ausbreitungsgeschwindigkeit der oberen Bodenschicht wieder. Liegen die Geophone in größerer Entfernung zur Quelle, wird die direkte Welle von der an einem Refraktor (unterlagernde Schicht mit höherer seismischer Geschwindigkeit) erzeugten refraktierten Welle überholt. Die Laufzeiten dieser refraktierten Welle geben die seismische Geschwindigkeit der unterlagernden Schicht wieder.

Von Refraktionstomographie wird dann gesprochen, wenn die Laufzeiten der seismischen Wellen mittels eines numerischen, tomographischen Algorithmus ausgewertet werden. Im Gegensatz zur „klassischen“ Refraktionsseismik erhält man eine kontinuierliche Verteilung der seismischen Geschwindigkeit mit der Tiefe entlang des Messprofils.

Bei der Refraktionsseismik werden Geophone in den Boden gesteckt (Bild 2). Zur Anregung seismischer Wellen wird ein Vorschlaghammer verwendet, wobei an jedem Schusspunkt zur Signalverbesserung gestapelt wird. Das Ergebnis ist ein Seismogramm (Bild 3), das die Laufzeitspur für jedes einzelne Geophon zeigt. Die Eindringtiefe wird maßgeblich von der Gesamtlänge des Profils bestimmt sowie von den Ausbreitungseigenschaften des Untergrunds.

Bild 3: Seismogramm

Bei der Auswertung der seismischen Signale werden die Laufzeiten der seismischen Wellen bestimmt. Jeder Laufzeit ist ein Quell- und Geophonpaar zugeordnet. Die Laufzeiten können unter Berücksichtigung gekrümmter Strahlenwege in seismische Geschwindigkeiten umgerechnet werden. Dieser Vorgang, der als Inversion der Laufzeiten bezeichnet wird, erfolgt iterativ. Das heißt, dass durch schrittweise Anpassung der gemessenen und modellhaft berechneten Laufzeiten die Verteilung der seismischen Geschwindigkeit im Untergrund ermittelt wird. Dabei werden gekrümmte Strahlwege aufgrund der zunehmenden seismischen Geschwindigkeit mit der Tiefe berücksichtigt. Je stärker die Geschwindigkeitszunahme mit der Tiefe ist, desto größer ist die Eindringtiefe der seismischen Strahlen. Das Ergebnis der Inversion ist die 2D-Verteilung der seismischen Geschwindigkeit entlang des Messprofils, das sog. Tomogramm (Bild 4). Die seismischen Geschwindigkeiten von Gesteinen variieren naturgemäß über große Bereiche. Tabelle 1 zeigt typische P-Wellengeschwindigkeiten von Locker- und Festgesteinen. Sie werden vor allem von zwei Faktoren bestimmt: der Dichte und den elastischen Eigenschaften. Die Dichte wird u. a. durch Klüftigkeit, Porosität, Fluidgehalte und das Gesteinsmaterial beeinflusst. Die P-Wellengeschwindigkeit nimmt in der Regel mit der Tiefe zu.

In Lockergesteinen beeinflusst die Bodenart und der Wassergehalt maßgeblich die P-Wellengeschwindigkeit. Unverwitterte Festgesteine wie Kalkstein (>2500 m/s) oder Marmor (~5100 m/s) haben hohe P-Wellengeschwindigkeiten. Sowohl Verwitterung (Entfestigung) als auch Feinkornanteile oder lehmige Anteile können die P-Wellengeschwindigkeit verringern.

Tabelle 1: Variation der P-Wellengeschwindigkeiten von Gesteinen (Literaturwerte aus Knödel et al., 1997 und eigene Erfahrungswerte).

Material

P-Wellengeschwindigkeit

Oberflächennahe Verwitterungszone

100-500 m/s

Löss, Lehm

300-600 m/s

Lehm, steinig bis stark steinig

500 - 1200 m/s

Sand (wasserungesättigt)

100-600 m/s

Sand (wassergesättigt)

1500-1800 m/s

Kies (wasserungesättigt)

750-1250 m/s

Schotter (wassergesättigt)

1500-2000 m/s

Kalkstein, zerklüftet, verwittert, verlehmt

1800-2600 m/s

Kalkstein, massiv, unverwittert

>2500 m/s

Marmor

5100 m/s

Die Durchführbarkeit des refraktionsseismischen Verfahrens hängt stark von den Verhältnissen der seismischen Geschwindigkeit der oberhalb und unterhalb des Refraktors liegenden Schichten ab. Ein Refraktor lässt sich nur nachweisen, wenn dessen seismische Geschwindigkeit größer ist als die der darüber liegenden Schicht. Besteht ein zu geringer Kontrast zwischen den seismischen Geschwindigkeiten der Schichten, sind die refraktionsseismischen Messungen für eine Erkundung nicht geeignet. Das Auflösungsvermögen der seismischen Welle wird durch die Wellenlänge bestimmt und beträgt etwa ¼ der dominierenden Wellenlänge.

Die Ausbreitung der seismischen Welle wird vor allem durch die mechanischen Eigenschaften des Gesteins bestimmt. Der Wassergehalt des Gesteins oder Bodens spielt unterhalb einer Sättigungsgrenze von etwa s=0.97 bei der Wellenausbreitung keine wesentliche Rolle. Aus den seismischen Geschwindigkeiten kann indirekt auf die Festigkeit des Gesteins geschlossen werden.

Bild 1: Messprinzip der Refraktionsseismik

 

Bild 2: Geophonauslage und einzelnes Geophon. Unten: Messbild (sog. 'Seismogramm')

Bild 4: Oben: Tomogramm nach der Inversion. Unten: Interpretation der Seismik.