Um in den Pilgerherbergen Unterkunft zu bekommen, benötigt man einen Pilgerpass, auch „Credencial del Peregrino“ genannt Das ist ein Ausweis, der vom Pilgerbüro der Kathedrale in Santiago de Compostela ausgestellt wird. Gegen eine kleine Spende kann man ihn auch übers Internet anfordern. Ohne Ausweis gibt es keinen Platz in den Herbergen. Unabhängig davon muss man seinen Pilgerweg durch Stempeln von Kirchen, Klöstern oder eben Unterkünften nachweisen, um letztendlich nach geschaffter Distanz in den Besitz der begehrten Pilgerurkunde zu gelangen. Soweit das Wissen, das ich mir im Internet angelesen habe.

Bei einem Spaziergang durch die Innere Stadt in Wien, stolperte ich jedoch gleich hinterm Stephansplatz in einem Durchhaus über ein Jakobsmuschelzeichen und der Frage „Quo vadis?“ Natürlich blieb ich stehen und sah, dass es auch hier den Pilgerpass gab und wurde auch über den Wiener Jakobsweg informiert. Der kommt von Budapest aus Richtung Bratislava, geht (no na) am Wiener Stephansdom vorbei in Richtung Nordwesten. Man weiß nicht sicher, ob er früher entlang des Wienflusses direkt nach Purkersdorf und von dort weiterführte, oder ob er über die Mariahilfer Straße verlief. Einige Tage später entdeckte ich jedoch am Platz der Menschenrechte (unteres Ende der Mariahilfer Straße) einen Jakobsweg-Hinweispfeil und davor schon auf der Donauinsel. Ohne mich mit diesem Thema zu befassen, wäre mir das früher nie aufgefallen.

Einige Tage später machte ich mich daher mit den Ausweisen von Elfi und mir auf, um an den Pilgerpass zu kommen. Reinspaziert in den Zwettler Hof, der den Durchgang zwischen Stephansplatz 6 und der Wollzeile bildet. Ein salbungsvoller Mann meines Alters hieß mich willkommen, wollte mir die Jacke abnehmen und lud mich auf einen Kaffee oder Tee und ein Gespräch ein. Darauf war ich nicht vorbereitet. Ich wollte mich nicht in ein Sinngespräch mit ihm vertiefen, konnte ihm das aber so direkt auch nicht sagen, denn er war ja sehr freundlich und um mein Wohlergehen bemüht. Ich erklärte ihm den Grund meines Kommens, dass ich wenig Zeit habe und eigentlich nur zwei Pilgerpässe haben wollte. Er zeigte mir nicht direkt, dass er ein wenig enttäuscht war, doch irgendwie schwebte das schon in der Luft. Er meinte, er müsse mir noch ein paar Fragen stellen, bevor ich in den Besitz der Urkunden kommen könne. Das war es ja, was ich befürchtete.

Also erklärte ich ihm auf die Frage, wieso wir nach Santiago Compostela pilgern wollten, dass wir auf der Suche seien, auf der Suche nach uns selbst. Was Gescheiteres fiel mir im Moment nicht ein, denn ich wollte ihm nicht mit dem Thema Glauben kommen, da wäre er sicher weitaus besser bewandert als ich und ich würde mich ziemlich bald selbst in Widersprüche verwickeln. Die Wahrheit wollte ich ihm aber auch nicht kredenzen: Der Jakobsweg ist der meist- und bestdokumentierte Wanderweg, den ich kenne. Ich hatte also eine Pattsituation erreicht. Ich wollte nicht in Glaubensdiskussionen eintauchen und er offensichtlich nicht in meine Selbstfindung.

Endlich rückte er mit den Originalausweisen heraus, die noch ausgefüllt werden mussten. Beispielsweise wurde nach der Art der Wanderung gefragt. Ob per Fuß, mit dem Rad, per Pferd oder mit einem Esel. Ich war heilfroh nicht Elfi um die Ausweise geschickt zu haben. Die hätte, und da bin ich mir sicher, „mit einem Esel“ angekreuzt.

Zu guter Letzt erhielten wir noch den ersten Stempel der Erzdiözese Wien in den Pass. War ja gar nicht so schwer. Der Anfang ist gemacht. Jetzt fehlen nur noch geschätzte 300 Stempel vom Weg.

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