Die heutige Elektronik ist im Wesentlichen eine Festkörperelektronik. Von zentraler Bedeutung sind dabei einkristalline Halbleiter. So sind über 95 % aller kommerzieller Chips aus einkristallinem Si. Polykristalline und amorphe Halbleiter werden selten eingesetzt. Oxide, Polymere und Metalle sind von sekundärer Bedeutung; allerdings wirft beispielsweise die Herstellung eines isolierenden Gateoxids, von Photolacken oder verlustarmer ohmscher Kontakte und elektrischer Zuleitungen hochinteressante physikalische, chemische und technologische Fragen auf.
Der Begriff Halbleiter bezieht sich auf die elektrische Leitfähigkeit bzw. den spezifischen Widerstand reiner Materialien. Bei 300K zeigen Isolatoren spezifische Widerstände von > 108Ωcm, ein guter Isolator > 1015Ωcm; Metalle dagegen < 10−4Ωcm, Halbmetalle von 102 − 104Ωcm. Reine Halbleiter können durch gezielte Verunreinigungen (Dotierung) die Lücke zwischen Isolator und Metall ausfüllen, vgl. Bild 3.1.1. Das Temperaturverhalten der Leitfähigkeit von Metallen und Halbleitern unterscheidet sich aber wesentlich.
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Leitfähigkeit und spezifischer Widerstand von Metallen, Halbleitern und Isolatoren bei Zimmertemperatur. (gezeichnet nach Paul [Pau89])
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Ein Blick auf das Energie–Termschema bzw. genauer das Energie–Bandschema in Abbildung 3.1.1 soll nochmals an die physikalischen Grundlagen erinnern.
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Energieschema für Metall, Halbleiter und Isolator; schraffiert: besetzte Zustände. EF: Fermi–Niveau, EG: Bandlücke, EL: Leitungsbandunterkante (Unterkante des niedrigsten leeren Bandes), EV: Valenzbandoberkante (Oberkante des höchsten gefüllten Bandes), Skizze nach [IL99]
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Metalle haben bei T = 0K ein teilweise besetztes Band; bei Halbleitern und Isolatoren ist das vollständig besetzte Valenzband vom vollständig entleerten Leitungsband durch eine Bandlücke getrennt. Bei ideal reinen Materialien liegt die Fermi-Energie in der Bandlückenmitte. Da nur partiell gefüllte elektronische Bänder elektrischen Strom tragen können, sind bei T = 0K auch Halbleiter isolierend. Bei erhöhten Temperaturen, z. B. Raumtemperatur, und nicht zu grossen Energielücken, z. B. 1, 5eV, werden genügend Elektronen aus dem Valenzband ins Leitungsband angehoben, um eine merkliche elektrische Leitfähigkeit zu erhalten. (Wir werden noch sehen, dass ausser den Elektronen im Leitungsband auch die ’Löcher’ im Valenzband zur Leitfähigkeit des Halbleiters beitragen.) Dagegen ist die Bandlücke bei Isolatoren so gross, dass auch bei einigen 100°C keine technisch relevante Leitfähigkeit beobachtet wird.
Halbleitende Materialien können aus Elementen, Verbindungen und Legierungen bestehen. Die Elementhalbleiter stehen in der IV. Hauptgruppe des Periodensystems: C (Diamant, 5, 47eV), Si (engl. silicon, 1, 10eV), Ge (0, 67eV) und α–Sn (0, 08eV); mit zunehmender Ordnungszahl nimmt — typischerweise — die Energie der Energielücke (bei 300K) ab. Binäre Verbindungshalbleiter realisiert die Natur auf verschiedene Weisen: Aus IV–IV–Elementen wie SiC (3, 26eV), aus III-V-Elementen wie GaAs und GaN, aus II–VI–Elementen wie CdS und, nicht unmittelbar einzusehen, aus IV–VI–Elementen wie PbS.
Von zunehmend technologischer Bedeutung sind schliesslich GexSi1−x–Schichten auf Si–Substraten. Ternäre Verbindungshalbleiter wie AlxGa1−xAs oder GaxIn1−xAs sind die wesentlichen Baustoffe der modernen Kommunikationstechnologie; der erste blaugrüne cw–HL–Laser bestand aus einem Schichtsystem aus ZnCdSe / ZnSSe / ZnMgSSe (Schicht 3: quaternärer Halbleiter).
Die beeindruckende Vielfalt schlägt sich auch in der Vielzahl der realisierten Kristallstrukturen fort. So finden wir beispielsweise das Diamantgitter bei C, Ge, Si, das Zinkblendegitter bei ZnS, GaAs, GaP, etc., das Wurzitgitter bei CdS, ZnS (beides möglich), etc., das Kochsalzgitter bei PbS, PbTe, etc. und schliesslich weisen Dichalcogenide wie WSe2, WS2, MoS2, MoTe2 (nicht aber WTe2) eine dem Graphit ähnliche Schichtstruktur auf.
Eine Vorhersage aus ‘first principles’, ob ein Stoff bei Raumtemperatur halbleitend sein wird oder nicht fällt schwer; am besten gelingt dies noch bei Ge und Si. Ansonsten hilft nur die enge Kombination von Experiment und Bandstrukturrechnung.
Bei den Elementhalbleitern C, Si und Ge liegt die kovalente Bindung in ihrer reinsten Form vor. Zur Erinnerung: Bei der quantenmechanischen Behandlung des H2+–Molelüls lernten Sie das Überlappen der Einzelatomzustände erstmals kennen. Näherungsweise wird dort die neue Wellenfunktion durch eine Linearkombination der Einzelwellenfunktionen beschrieben. Ψ+ = Ψa + Ψb bildet den bindenden, energetisch (im Vergleich zum Ausgangszustand) tiefer liegenden Grundzustand aus; d. h. die Elektronendichte zwischen den Atomkernen wird erhöht und so ihre Coulomb–Abstossung reduziert. Der bindende Grundzustand ist (Spinentartung, Pauli–Prinzip) mit zwei Elektronen besetzbar. Der antibindende Zustand Ψ− = Ψa − Ψb liegt energetisch höher als die Ausgangszustände. Beim analog zu behandelnden H2–Molekül bezeichnen wir diese Art von Bindung als Elektronenpaarbindung. Je stärker der räumliche Überlapp der Wellenfunktionen, desto stärker die kovalente Bindung. (Weiteres Beispiel: Zwei sich annähernde, unendlich hohe Rechteck–Potentialtöpfe mit je einem Elektron, eindimensional.)
Die kovalente Bindung braucht zu ihrer Realisierung unvollständig besetzte Einzelatomorbitale. Diamant zum Beispiel besitzt die Konfiguration 1s2, 2s2, 2p2; es stehen also nur die beiden p–Orbitale der kovalenten Bindung zur Verfügung. Man findet aber vier kovalente Bindungen. Die Erklärung liefert die sog. Hybridisierung (zur Erinnerung: CH4–Molekül). Unter dem Einfluss der Nachbarn wird der kleine energetische Unterschied zwischen 2s2– und 2p2–Orbitalen wieder aufgehoben. Aus den Wellenfunktionen 2s, 2px, 2py und 2pz werden vier neue Linearkombinationen gebildet: Die sp3–Hybrid–Orbitale bilden im Raum einen perfekten Tetraeder aus (109, 5° – Winkel). Ordnen sich im periodischen Gitter der Festkörper die nächsten Nachbarn jeweils gerade auf den Tetraederpositionen an, so kommt es zur Ausbildung von 4 kovalenten Bindungen pro Atom. D. h. die Nachbaratome teilen sich die verfügbaren Elektronen gerade so, dass nur die bindenden Zustände besetzt sind. Abbildung 3.2 gibt das wieder: die s– und p–Orbitale spalten bei Annäherung der Atome auf, dann aber bilden sich die — ebenfalls aufgespaltenen — Hybridorbitale aus.
Mit kleiner werdendem Atomabstand entsteht eine verbotene Zone, d. h. zwischen bindenden und antibindenden sp3–Teilbändern tut sich ein ‘Gap’ auf. Alle vier pro Atom zur Verfügung stehenden Elektronen haben im tiefer liegenden, bindenden Band, dem sog. Valenzband, Platz: es liegt bei T = 0K ein Isolator vor. Abbildung 3.2 gilt für kristalline und amorphe Elementhalbleiter gleichermassen, solange die tetraedrische Bindungsanordnung vollständig gegeben ist; allerdings führen die im Amorphen etwas variierenden Abstände und das Vorhandensein von unabgesättigten Bindungen zu Abweichungen: es gibt Zustände, die die Energielücke verkleinern. Ergänzend sei bemerkt, dass mit dem temperaturabhängigen Atomabstand auch die Energiebreiten der Bandlücke temperaturabhängig sein muss: bei T = 0K ist sie am grössten.
Die oben besprochene räumliche Struktur der kovalenten Bindung wird gerne in eine zweidimensionale, abstrakte Darstellung (‘Bindungsmodell’) überführt, um z. B. die elektrische Leitung zu veranschaulichen.
Die sp3–Hybridisierung findet man bei den III–V–Halbleitern wieder. Es liegt eine Mischbindung aus ionischer Bindung (Ladungstransfer vom V er– zum III er–Material) und kovalenter Bindung vor; letztere überwiegt. Auch die II–VI–Halbleiter zeigen diese Mischbindung, mit grösserem ionischen Anteil als die III–V- er.
Bisher betonten wir die physikalischen Gemeinsamkeiten. Die unterschiedlichen atomaren Eigenschaften spiegeln sich in unterschiedlichen Bandstrukturen wieder. Im Abbildung 3.4 sind die E–Darstellungen der elektronischen Bänder aus (an Experimente angepasste) Rechnungen für Si, Ge und GaAs angegeben. (Weiterführende Arbeiten zeigen noch kompliziertere Band–Feinstrukturen, z. B. führt die Berücksichtigung der Spin–Bahn–Aufspaltung bei Si und Ge zur Aufspaltung der Oberkante des Valenzbandes, es gibt dann leichte, schwere und ‘split–off’–Löcher.)
Si und Ge sind sog. indirekte Halbleiter. Das Maximum der Valenzband–Oberkante liegt beidesmal beim Γ–Punkt ( = ), aber das Minimum der Leitungsband–Unterkante liegt bei Si am X–Punkt (ΓX=[100]–Richtung) und bei Ge am L–Punkt (ΓL=[111]–Richtung). Auch GaP und AlSb haben eine indirekte Bandlücke. Aber die wichtigsten III–V–Halbleiter (GaAs, GaSb, InSb, InAs, InP) haben eine direkte Bandlücke, d. h. Valenzbandmaximum und Leitungsbandminimum liegen beide bei Γ; gleiches gilt für die II–VI–Halbleiter ZnO, ZnS, CdS, CdSe und CdTe. Man spricht von direkten Halbleitern. Auf Halbleitern mit direkter Bandlücke basieren die optoelektrischen Bauelemente.
Der Vollständigkeit halber ist für Ge die theoretisch ermittelte elektronische Zustandsdichte D(E) wiedergegeben, dabei sind die besetzten Zustände der Valenzbänder schraffiert worden. Einige kritische Punkte lassen sich auf Minima oder Maxima in der Bandstruktur zurückführen. Von den komplizierten Verläufen darf man sich nicht abschrecken lassen, für die elektrische Leitfähigkeit genügt es i. allg. den Verlauf des Valenz– und des Leitungsbands rund um Γ zu kennen.
Bei T = 0K zeigen Halbleiter keine Leitfähigkeit. Bei endlichen Temperaturen aber kommt es zu einer ‘thermischen Anregung’ von Elektronen über die Bandlücke hinweg. Sie hinterlassen im Valenzband jeweils eine positiv geladene Lücke, ein sog. Loch. In einem äusseren elektrischen Feld können nicht nur die Elektronen im Leitungsband (wie bei den Metallen) Energie aufnehmen, sondern auch die im Valenzband. Vereinfachend wird dies beschrieben durch die Energieaufnahme der Löcher.
Für die Stromdichte gilt (im stationären Fall) bei Metallen:
| (3.1) |
und für die elektrische Leitfähigkeit
| (3.2) |
mit μ als Beweglichkeit und n als Anzahldichte der Elektronen.
Für die Leitfähigkeit bzw. für die Beweglichkeit bei Halbleitern gilt analog:
Die Beweglichkeiten μn und μp sind — was in der obigen Gleichung nicht enthalten ist — streng genommen Impuls– bzw. Energie–abhängige Grössen. Häufig genügt es jedoch völlig, die Ladungsträger in den Valenzbandmaxima und Leitungsbandminima zu berücksichtigen, d. h. nicht zu grosse T und zuzulassen. Dann gilt für die betrachteten Bänder die sog. parabolische Näherung (auch Näherung der Standardbänder):
| (3.5) |
mit m∗ als konstante, d. h. Impuls– bzw. Energie–unabhängige
effektive Masse (‘effektive Massennäherung’).
Für die tensorielle effektive Masse mij∗ gilt:
| (3.6) |
ein kleines m∗ beschreibt also eine starke Bandkrümmung, ein
grosses m∗ eine schwache.
Für die Dichten der Ladungsträger in Leitungs– und
Valenzband gilt ganz allgemein:
| (3.9) |
Für die Zustandsdichten gilt in parabolischer Näherung:
Die sog. Neutralisationsbedingung des Idealhalbleiters ergibt sich aus der thermischen Anregung, die Generation eines Elektrons ins Leitungsband erzeugt ein Loch im Valenzband:
| (3.13) |
ni steht für Inversionsdichte, auch Eigenleitungskonzentration genannt; analog dazu bezeichnet man σi als Eigenleitung.
Wenn die effektiven Massen mn∗ und m p∗ gleich sind, also auch die Zustandsdichten gleich sind, muss das Fermi–Niveau EF in der Mitte der Bandlücke liegen. Bei ungleichen Massen wandert das Fermi–Niveau aus der Mitte, seine Lage ist dann schwach temperaturabhängig. (Konsequenzen für elektronische Bauelemente!)
Man sieht im linken Teilbild von 3.5, dass nur die ‘Ausläufer’ der Fermifunktion bei der Berechnung der Ladungsträgerkonzentrationen (zum Produkt für D) beitragen. Die ‘Aufweichungszone’ der Fermifunktion (≈ 2kBT) ist bei Raumtemperatur klein: kBT ≈ 25meV = eV. Die Energielücke ist — bis auf ein paar wenige Ausnahmen (α–Sn, InSb) 10–100 mal grösser. Man darf deshalb die Fermifunktion durch die Boltzmann–Besetzungswahrscheinlichkeit annähern:
| (3.14) |
Diese Näherung nennt man die Näherung der Nichtentartung, sie ist gut für kleine Ladungsträgerkonzentrationen. Für diese liefert dann die Rechnung:
Die sog. effektiven Zustandsdichten (auch
Entartungskonzentrationen) NeffL,V gelten also formal für ein
einziges Energieniveau, nämlich die Bandkante L, V.
Damit lässt sich die Neutralisationsbedingung in der Form
eines Massenwirkungsgesetzes schreiben:
| (3.17) |
Aus diesem Grund nennt man die Halbleiter ‘Heissleiter’ (und Metalle im Vergleich hierzu Kaltleiter). Weiter gilt:
ni[cm−3] | |
C | 6, 7·10−28 |
Si | 1, 5·1010 |
Ge | 2, 4·1013 |
GaAs | 5·107 |
Die experimentelle Beobachtbarkeit der intrinsischen Leitung setzt extrem sauberes Halbleiter–Material voraus. Die niedrigsten erreichbaren Verunreinigungskonzentrationen bei Halbleitereinkristallen wie Ge und Si liegen bei etwa 1012cm−3. (Vergleiche tiegelfreies Zonenziehen und Zonenreinigen von Siliziumstäben; Si ist der am reinsten darstellbare Stoff überhaupt.) Reinstes GaAs dagegen hat heute Ladungsträgerdichten von 1016cm−3.
Extrem reines Material ist bei Raumtemperatur sehr hochohmig (siehe Beispiel Si); der Transport von elektrischem Strom ist also sehr verlustreich. Deshalb werden gezielt elektrisch aktive Störstellen in den Halbleiter eingebaut. Erst die Möglichkeit, definiert räumliche Konzentrationsprofile von freien Elektronen und freien Löchern auf sub–μm–Skala vorgeben zu können, ermöglicht die moderne Festkörperelektronik.
Verunreinigt man Si (oder Ge) gezielt mit fünfwertigen
Atomen wie P, As oder Sb, so beobachtet man bei endlichen
Temperaturen eine erhöhte Ladungsträgerdichte im
Leitungsband. Diese Störstellen heissen dann Donatoren, der
so dotierte Halbleiter heisst n–Halbleiter.
Baut man in vierwertige Halbleiter–Materialien dreiwertige
Fremdatome wie B, Al, Ge oder In ein, so findet man bei
T > 0K eine erhöhte Ladungsträgerdichte im Valenzband.
Solche Störstellen werden als Akzeptoren bezeichnet; in
Analogie spricht man von p–Halbleitern.
Abbildung 3.7 zeigt schematisch den Einbau eines Donator– bzw. Akzeptoratoms auf einem Gitterplatz im Si–Einkristall. Im Falle des Donators nehmen vier Valenzelektronen an den kovalenten Bindungen zu den benachbarten Si–Atomen teil, das fünfte Elektron ist nur schwach an das Phosphoratom gebunden und kann schon bei kleinen Temperaturen angeregt bzw. ionisiert (T ≥ 10K), also ins Leitungsband angehoben werden. Analog gilt für ein Akzeptoratom, dass schon bei kleinen Temperaturen ein Elektron aus dem Valenzband die kovalente Bindung komplettieren kann und so ein schwach gebundenes Loch bzw. durch Ionisation ein zusätzliches freies Loch im Valenzband erzeugt wird.
Der Radius der Störstellenbahn beträgt ca. 10 Gitterabstände bzw. das schwach gebundene Elektron bzw. Loch ist über ca. 103 Si–Gitteratome ‘verschmiert’. Aus FIR–Absorptionsspektroskopie–Experimenten bei tiefen Temperaturen kennt man die energetischen Abstände ED der Donatorniveaus bzw. EA der Akzeptorniveaus vom Leitungsband bzw. Valenzband. Dies geben qualitativ die beiden in Abbildung 3.8 gezeigten Bändermodelle (Valenzbandmaximum und Leitungsbandminimum über Ortskoordinate, ergänzt um die Störstellen–Grundniveaus) wieder.
Die aus den genannten Absorptionsspektren bekannten
angeregten Niveaus sind nicht eingezeichnet. Zur Abschätzung
der Anregungs– und Ionisationsenergien, sowie der
Ausdehnung von Störstellen kann ein Wasserstoffatom–Modell
herangezogen werden. (me wird ersetzt durch m∗, 𝜖
0 durch
𝜖0·𝜖Si, 𝜖Si = 11, 7 (Abschirmung der Coulomb–Anziehung
zwischen P+ und e− bzw. B− und positiv geladenem Loch)).
Im Vergleich zu den Bandlücken sind die Störstellenabstände
i. allg. klein (‘flache Störstellen’), tiefer sitzende Störstellen
sind schwerer bzw. praktisch gar nicht thermisch zu
ionisieren und erhöhen die Ladungsträgerdichten nicht.
Als Beispiel sind in den Tabellen 3.2 und 3.3 einige wichtige
Messwerte angegeben.
P [meV] | As [meV] | Sb [meV] | |
Si | 45 | 54 | 43 |
Ge | 13 | 14 | 10 |
B [meV] | Al [meV] | Ga [meV] | In [meV] | |
Si | 45 | 67 | 74 | 153 |
Ge | 11 | 11 | 11 | 12 |
Der Eigenhalbleiter hat im thermodynamischen Gleichgewicht immer die gleiche Konzentration an Elektronen und an Löchern. Im gezielt dotierten Material ist dies anders. Im Falle der n–Dotierung befinden sich mehr Elektronen im Leitungsband als Löcher im Valenzband. Die Elektronen sind also die sog. Majoritätsladungsträger und die Löcher die sog. Minoritätsladungsträger. Es gilt:
| (3.20) |
ND+ (N A−) ist die Anzahldichte der ionisierten Donatoren (Akzeptoren). Für den Fall der p–Dotierung gilt für die Majoritätsladungsträger analog:
| (3.21) |
Auch im dotierten Halbleiter gilt (im thermodynamischen Gleichgewicht) die grundlegende Beziehung:
| (3.22) |
d. h. eine Erhöhung von n(T) bewirkt eine Erniedrigung von p(T) um denselben Faktor! I. allg. sind die Minoritätsladungsträger–Anzahldichten sehr klein im Vergleich zu denen der Majoritätsladungsträger; im homogenen Halbleiter sind sie praktisch vernachlässigbar, in Bauelementen mit ihren inhomogenen Dotierungen, Grenz– und Randschichten aber keinesfalls.
Solange die Besetzung im Leitungsband bzw. im Valenzband in guter Näherung mit Hilfe der Boltzmann–Verteilung beschrieben werden kann (Fall des nicht entarteten Halbleiters), gilt auch für dotierte Halbleiter das Massenwirkungsgesetz:
| (3.23) |
Eine etwas kompliziertere Neutralitätsbedingung regelt wieder die Lage des Fermi–Niveaus EF im homogen dotierten Halbleiter; die negative Ladungsträgerdichte muss gleich der positiven Ladungsträgerdichte sein:
| (3.24) |
wobei für die Störstellendichte gilt:
| (3.25) |
ND,A0 bezeichnt dabei die Anzahldichte der nicht ionisierten Donatoren bzw. Akzeptoren. Für Störstellenkonzentrationen von ≥ 1017cm−3, wie sie für p– bzw. n–Dotierung üblich sind, nicht aber für ‘hohe Dotierungen’ p+ oder n+ (1018cm−3), gilt in guter Näherung:
Der allgemeine Fall, wo gleichzeitig p– und n–Dotierung vorliegt, ist nur numerisch lösbar, reine n– oder p–Dotierung kann (mit den oben angegebenen Formeln) diskutiert werden. Für die n–Dotierung lautet die Lösung:
| (3.28) |
sie beschreibt für kleine Temperaturen das Regime der Störstellenreserve, dann den Erschöpfungszustand (der Donatoren) und für hohe Temperaturen den Bereich der intrinsischen Trägerkonzentration. Die Lage der Fermi-Energie verhält sich entsprechend: für T = 0K liegt sie in der Mitte zwischen ED und der Leitungsbandunterkante EL, reicht im mittleren Temperaturbereich von EL weg und endet im intrinsischen Bereich in der Mitte zwischen ED und EV, also auf Ei.
Die experimentelle Bestimmung der Ladungsträgerdichten in Abhängigkeit von der Temperatur geschieht unter Benutzung des Hall–Effekts.
Bei Dotierungskonzentrationen z. B. von ≥ 1017cm−3 bei Si (n+ bzw. p+) erreicht bzw. überschreitet man die sog. kritische Konzentration: die Donatoren bzw. Akzeptoren ‘sehen’ einander. Angeregte Störstellen–Zustände liegen unter EL oder über EV und die Energielücke des Halbleiters wird um einige 10meV kleiner, gleichzeitig werden weniger Störatome ionisiert, als es bei der entsprechenden Temperatur zu erwarten wäre.
Im Gegensatz zu den Metallen tragen bei den Halbleitern nicht nur Elektronen an der Fermi–Kante zur elektrischen Leitfähigkeit bei, sondern es müssen die von Elektronen bzw. Löcher besetzten Zustände im unteren Leitungsband bzw. oberen Valenzband berücksichtigt werden. Deshalb sind Grössen wie die Beweglichkeiten μn und μp immer als Mittelwerte aufzufassen, die auch vom elektrischen Feld abhängen können; die folgenden Aussagen gelten für relativ kleine Feldstärken.
Ohne Diskussion von Details bleibt festzuhalten, dass die
Ladungsträger zum einen hauptsächlich an akustischen
Phononen und andererseits an gebundenen Störstellen
(ionisierte Donatoren und Akzeptoren) gestreut werden. Bei
niedrigen Dotierkonzentrationen beobachtet man den
temperaturabhängigen Einfluss der Phononen, bei hohen
Dotierkonzentrationen ist die Temperaturabhängigkeit sehr
klein und die Beweglichkeit ist um 1–2 Grössenordnungen
verringert.
Die Diskussion der Temperaturabhängigkeit der
Leitfähigkeits–Messkurven ist noch etwas schwieriger,
denn zur T–Abhängigkeit der Beweglichkeiten ist die der
Trägerkonzentrationen zusätzlich zu bedenken.
Sehr viel einfacher dagegen sind die Widerstands–Konzentrationskurven, sie spiegeln einen eindeutigen Zusammenhang wieder. Wer eine ordentliche 4–Spitzen–Messung des Widerstands durchführt, kann bei bekanntem Dotierungstyp auf die Dotierungskonzentration rückschliessen.
Das ohmsche Verhalten der Leitfähigkeit von Halbleitern gilt bis zu Feldstärken von typischerweise 103 – 104V∕cm (materialabhängig). In den aktuellen Halbleiter–Bauelementen mit Submikrometer–grossen Inhomogenitäten im Aufbau können Feldstärke–Werte von 105 – 106V∕cm auftreten. Die Driftgeschwindigkeit erreicht bei Silizium (Löcher und Elektronen) einen Sättigungswert von 107cm∕s, wobei vor allem die Wechselwirkung der Ladungsträger mit den optischen Phononen hierfür verantwortlich ist. (Diese Sättigungswerte sind höher als die des GaAs; allerdings zeigen GaN, GaAs und InP bei kleineren Feldstärken ein deutlich höher liegendes Maximum in vD(E).
Wenn in einem physikalischen System die Bedingung des thermischen Gleichgewichts verletzt ist, gibt es stets Prozesse, die das System wieder ins Gleichgewicht zurück bringen. Wird beispielsweise (in einem beliebig dotierten Halbleiter) durch optische Anregung lokal die Ladungsträgerdichte erhöht, so dass p·n ⇔ ni2 gilt, so relaxiert sie am Ende wieder zu p·n = ni2. Im Halbleiter geschieht dies, anders als im Metall, wesentlich durch die sog. Rekombinationsprozesse. Abbildung 3.14 gibt die grundlegenden Rekombinationsprozesse der Halbleiter wieder.
In Abbildung 3.14 (a) ist die sog. Elektron–Loch–Rekombination gezeigt: das Elektron macht eine Band–Band–Rekombination, die Übergangsenergie wird an ein Photon (‘strahlender Rekombinationsprozess’), wichtigster Prozess bei direkten Halbleitern, oder an ein freies Elektron im Leitungsband bzw. an ein freies Loch im Valenzband (’nichtstrahlender Rekombinationsprozess’) abgegeben.
Im weiteren werden die für indirekte Halbleiter wie Si so wichtigen Störstellen–Rekombinationsprozesse aufgezeigt. Eine tiefe Störstelle in (b), vereinfacht mit einem einzigen Energieniveau angenommen, kann Elektronen bzw. Löcher ‘trappen’ und wieder freisetzen; verschiedene Störstellen mit mehreren Energieniveaus besitzen noch mehr Rekombinationsmöglichkeiten (c).
Besonders effektiv wirken Störstellen in der Mitte der Bandlücke. (Deshalb sind Au– oder Cu–Verunreinigungen im Si i. allg. gefürchtet.) Gezielt eindiffundierte tiefe Störstellenatome, hochenergetische elektromagnetische Strahlung und energiereiche Partikelstrahlung ermöglichen es, die Rekombinationsraten lokal kontrolliert zu erhöhen. Meist muss man aber tiefe Traps unbedingt vermeiden.
Die Umkehr der Rekombinationsprozesse von Teilbild (a), nämlich der direkte optische Übergang (bei direkten Halbleiter wie GaAs) bzw. die Stossionisation (von Elektronen im Valenzband) bei hohen elektrischen Feldern geben zwei Wege zur Erzeugung zusätzlicher Ladungsträger im thermischen Nichtgleichgewicht an.
Die lokal erhöhte Elektronen– bzw. Löcherkonzentration zerfällt räumlich durch Diffusion (aufgrund der zufälligen thermischen Bewegung der Ladungsträger) und zeitlich durch die oben eingeführten Rekombinationsprozesse.
Der Strom von Elektronen, der in der Abbildung 3.15 von links den Ort x erreicht, wird aufgrund der vorhandenen Rekombinationsprozesse im Wegintervall dx um den Betrag djn geschwächt. Immer wenn in Halbleiter–Bauelementen Distanzen vergleichbar oder grösser als die sog. Diffusionslängen der Elektronen oder der der Löcher (Ln = bzw. Lp = ) sind, verändert die Rekombination entlang des Wegs die Stromdiche der Elektronen oder Löcher. Die entsprechenden Diffusionslängen in Si und Ge betragen ca. 10mm. (Die in GaAs ca. 0, 1mm.)
Zur Beschreibung von Si–Bauelementen darf die für den intrinsischen Halbleiter in Kapitel 3.1.2 angegebene Driftstromdichte (drift current) um eine Diffusionskomponente erweitert werden. Probleme mit Ladungsträger–Konzentrationsgradienten werden so behandelbar.
Die Volumenstromdichtengleichungen lauten:
mit Dn und Dp als Diffusionskonstanten (’diffusion
coefficient, diffusion constant’). Damit im Halbleitermaterial
im Gleichgewichtszustand Ladungsneutralität herrscht, muss
= 0 sein. Dies ist bei schwach dotierten Halbleitern die
einzige Bedingung. Bei stark dotierten Halbleitern jedoch
muss für die einzelnen Ladungsträgerarten n = 0 und p = 0
gelten.
Nebenbemerkung:
Im Falle der nichtentarteten Halbleiter gilt die Einsteinrelation
Dn = ·μn und Dp = ·μp, die die Tatsache
wiedergeben, dass die Diffusion der Ladungsträger von ihrer
Beweglichkeit abhängt. Die angegeben Gleichungen enthalten
noch keine Magnetfeld–Effekte.
Bei kleineren E–Feldstärken (in V/cm) gilt für den (für Bauelemente besonders interessanten) eindimensionalen Fall:
| (3.32) |
Für jp gilt die analoge Gleichung.
Unter äusserem Einfluss (optische Anregung, hohe
elektrische Felder) können im Halbleiter–Volumen also
lokal Elektronen und Löcher generiert werden: ‘excess
concentration of carriers’. Die zugehörigen Generationsraten
bezeichnen wir mit Gn und Gp (in cm3∕s). Analog führen wir
Rekombinationsraten Rn und Rp ein.
Die sog. Kontinuitätsgleichung lauten damit:
Im eindimensionalen Fall und unter der Bedingung, dass die injizierte ladungsträgerdichte sehr viel kleiner als die Majoritätsladungsträgerdichte ist (‘low injection condition’) gilt:
| (3.35) |
wobei Δn die Abweichung der Minoritätsladungsträgerdichte vom thermodynamischen Gleichgewicht angibt; τn steht für die Lebensdauer der (Minoritäts–) Elektronendichte. In elektrisch neutralen Raumteilen gilt Δn = Δp.
Im eindimensionalen Fall gilt weiter:
| (3.36) |
und analog
| (3.37) |
Einfache Beispiele für die Anwendbarkeit dieser Gleichungen sind:
Die Tatsache, dass ein Halbleitereinkristall ein Ende hat, bedeutet, dass er immer an dieser Oberfläche lokalisierte Störstellen besitzt. Deren Dichte kann sehr gross sein (ca. 1015cm−2). Energetisch liegen sie gerade zwischen E V und EL und damit bilden sie tiefe Oberflächenstörstellen (‘surface trapping centers’). (Für vollkommen saubere Oberflächen nennt man diese Oberfächenzustände nach ihrem Entdecker Tamm–Zustände. Sie sind bedingt durch die freien, unabgesättigten Valenzen der in ihrer Lage leicht verschobenen Oberflächenatome. Gebundene Fremdatome bewirken ebenfalls Störstellen mit allerdings deutlich anderen Eigenschaften. Man trachtet immer danach, diese zu vermeiden.) Die obigen Kontinuitätsgleichungen sind entsprechend zu ergänzen, für Elektronen lautet sie:
| (3.38) |
dabei wird A als Einheitsnormalenvektor an der Oberfläche des Halbleiters und Sn als Oberflächenrekombinations–Geschwindigkeit (‘surface recombination velocity’) eingeführt. Die Oberflächenrekombinations–Geschwindigkeit charakterisiert jedes Interface, nur bei einer Dotierungsgrenzfläche (p–n oder n–n+) ist sie vernachlässigbar. Abschliessend einige Zahlen:
Den wichtigen Anwendungsfall der Injektion durch vorwärtsgespannte p–n–Übergänge behandeln wir später. (In den Gleichungen Gleichung (3.36) und Gleichung (3.37) sind im Falle der p–n–Diode die Grössen Δn durch Δnp und p durch pn zu ersetzen, sprich Elektronen (Minoritätsladungsträger) im p–Gebiet, Löcher (ebenfalls Minoritätsladungsträger) im n–Gebiet.)