Reiten in den USA – Von der Touristenfalle zum Abenteuer

Veröffentlicht: Oktober 8, 2014 in US and A
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Kamel, Esel, Maultier, Pferd – Ich habe während meiner Zeit in den USA auf den Rücken zahlreicher Tiere gesessen. Mittlerweile weiß ich: Der „perfekte“ Ritt ist schwer zu finden. In der Regel gilt die Faustregel: Je teurer, desto mehr wird der Reiter gefordert, je näher am Touristengebiet, desto atemberaubender die Landschaft, desto weniger muss man selbst reiten können. Ich habe ja bereits hier über einen Ritt am Strand in Texas geschrieben (Ende des Artikels), hier über die furchtbaren Zustände in einem Stall in Kentucky (Ende des Artikels) oder hier über eine Woche Viehtrieb in Wyoming. Infos darüber, wo man Wildpferde in freier Wildbahn beobachten kann, gibt es hier. In diesem Artikel geht es über einen Ritt mit singendem Indianer im Monument Valley und eine unerwartete Wendung im Bryce Canyon.

Im Sattel durch die rote Wüste des Monument Valleys

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Nach einer holprigen Fahrt auf der Wüstenpiste des Monument Valleys erreichen wir Roy Black´s Riding Stable. Das klingt pompöser als es ist. Eine Koppel, ein Plumpsklo, ein Pferdeanhänger zum Transport der Ausrüstung, das ist der Stall. Direkt an die Felswand eines etwas abseits liegenden Berges schmiegt sich die verborgene Touristenattraktion, andere Anbieter sind leichter zu erreichen oder zu finden, doch Black´s Ruf ist der beste der Navajo Nation.

Im Schatten des Anhängers sitzt eine Dreiergruppe Indianer. „Wir haben keine Reservierung, wollen aber gern einen Ritt für erfahrene Reiter mitmachen“, kommen wir gleich zum Punkt. Kein Problem, wir suchen uns einen Ritt mittlerer Länge aus. „Erfahrene Reiter, aha. Wollt ihr auch galoppieren und so´n Zeug?“ fragt uns der jüngste der Runde. Ja, definitiv.

OLYMPUS DIGITAL CAMERAUnser Guide hört auf den einprägsamen Nachnamen „Sherlock“, er ist seit ein paar Jahren dabei, nachdem er eine längere Zeit in Las Vegas auf dem Bau gearbeitet hat. Schließlich hat ihn das Familiengeschäft zurück ins Reservat geholt. Schnell werden drei Pferde getrenst und gesattelt, meine Mutter guckt alles andere als begeistert. Ihr Albino ist ziemlich schmächtig, bekommt ein rosa Halfter und ist, ich sage es etwas anders als meine Mutter, keine Schönheit. „Diesen Esel soll ich reiten“, kommt es aus dem Mund meiner Mutter, in Deutsch. Auch wenn der Ritt die Hauptsache ist, sie hatte sich auf „schöne“ Erinnerungsfotos gefreut.

OLYMPUS DIGITAL CAMERAAuch „Esel“ ist mit der Gesamtsituation unzufrieden. Normalerweise scharren Pferde dreimal mit dem Huf, bevor sie sich ein Bad im Dreck gönnen. Nicht in diesem Fall. „Wirst du wohl“, höre ich von der Seite, im nächsten Moment liegt der Schimmel auf dem Boden. Er ist regelrecht unter meiner Mutter zusammengebrochen, allerdings aus reinem Trotz, nicht aus Schwäche.

OLYMPUS DIGITAL CAMERAIch kan mich nicht beklagen. Mein Pferd tut was ich möchte, die Verständigung funktioniert einwandfrei, es ist gewillt zu arbeiten und ich sitze trotz hartem Westernsattel sehr bequem hoch zu Ross. Wir starten den Ritt und Sherlock erklärt hier und da ein paar Geheimnisse des Tals. „Die haben hier einmal mit einem Hubschrauber einen französischen Kleinwagen auf den Felsen dort drüben gehoben. War für eine Werbung“, sagt er zum Beispiel.

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„Als die hier Lone Ranger gedreht haben, durfte jeder aus dem Reservat eine Frage an Johnny Depp stellen. Ich habe ihn gefragt, wie er es schafft, in jedem Film ein anderer Mensch zu sein. Er sagte nur „Schauspieler“ und „Nächster!“. Er hat Humor“. Auch Tom Cruise´s Kletterfelsen aus Mission Impossible II kann Sherlock mir zeigen, während meine Mutter mit der Übersetzung und Esel kämpft. Sherlock hat sich zurück zu seinen Wurzeln begeben. Er hat das Leben in der Großstadt aufgegeben, um wieder bei seiner Familie, seinem Stamm zu sein und dort für seinen Lebensunterhalt auf einem Pferd zu sitzen.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA„Ich mache mit euch die lange Tour in der Zeit der mittleren“, verspricht uns unser Führer, dafür müssen wir nur etwas schneller reiten. Die meisten Touristen erledigen auch vierstündige Ritte ohne ein einziges mal zu traben.So galoppieren wir wie Filmcowboys durch das bekannte Tal von „Point of Interest“ zum nächsten.

OLYMPUS DIGITAL CAMERAMeine Mutter, ihr Eselchen und Sherlock

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So halten wir etwa dort, wo es Felszeichnungen gibt. „Meine Vorfahren haben immer nur das gezeichnet, was sie in ihrem Leben beobachten konnten“, erklärt Sherlock und deutet auf Bildnisse von Antilopen, Pferden, Schlangen und Kühen. Die gibt es auch heute noch im Reservat. Man lässt sie einfach in Freiheit leben, schließlich gefällt das auch den Touristen.

OLYMPUS DIGITAL CAMERAWährend des Ritts muss ich kräftig treiben, damit ich mit Sherlock Schritt halten kann. Er hält Wort und erledigt die lange Tour im Schnelldurchlauf. Schließlich halten wir an einer Höhle, dessen Dach aussieht, wie ein Indianer, auch für Fotos, na klar, aber Sherlock hat mehr für uns auf Lager.

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Dieser Gesang sei von seinem Großvater, einem Medizinmann, an ihn weiter gegeben worden. Er soll dazu dienen, Reisende auf ihrem langen Weg zu segnen und ihnen Glück zu wünschen.

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Etwa zweineinhalb Stunden dauert der Ritt, wir bewältigen über zehn Kilometer, wobei wir drei Stopps einlegen. Eine amerikanische Eigenheit ist, kurz vor Ende des Rittes noch einen Jagdgalopp einzulegen, soetwas sieht man in der Heimat selten. Die Pferde freuen sich über die nicht so oft vorkommende Gelegenheit und ich beim Versuch nicht den Anschluss zu verlieren, muss ich meinen Hut kräftig festhallten. „Höchstgeschwindigkeit: dreißig Stundenkilometer“ lese ich am Ende von meinem Navigationsgerät ab, nicht übel!

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Der schöne Ausflug endet mit ein paar Fotos, natürlich schwingt sich meine Mutter noch einmal auf mein Pferd, wenigstens ein schönes Bild sollte dabei sein, witzig, dass das hohe Ross noch einmal eine Grimasse schnitt.

Ein kleines Fazit: Der Ritt war fordernd, die Landschaft war auf ihre eigene karge Weise bildschön und das Zusatzprogramm unseres Guides war sehr interessant und unterhaltsam. Etwa 80 Dollar pro Person hat der Ritt gekostet, sofern ich mich richtig erinnere. Auf dem Weg zurück ins Kerngebiet des Valleys haben wir dann noch gesehen, wie so ein Ritt am selben Ort auch aussehen kann. Es kommt auch darauf an,  in was für einer Gruppe man reitet. Mit dieser Touristin im Gepäck wäre wohl auch bei Roy Black Schritttempo angesagt gewesen.

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Ihr könnt reiten? Ihr fahrt ins Monument Valley? Bucht einen Ritt, es lohnt sich!

Bitte nicht versuchen zu steuern – Ein Ritt im Bryce Canyon

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Alles beginnt mit einem schlafenden, jungen, Cowboy neben einer Koppel am Rande des Bryce Canyons. Der Nationalpark gehört zu den schönsten Orten der USA, natürlich werden dort auch auch Ritte angeboten, doch die Form dieser könnte erfahrene Reiter eher abschrecken.

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Zahlreiche Reittiere stehen gesattelt und getrenst auf de Koppel herum und warten auf den Arbeitseinsatz, eine Hälfte Pferde, die andere Maultiere. „Na klar, die Maultiere gehen an die unerfahrenen Touris, Reiter bekommen Pferde!“ reden wir uns ein, als wir uns die Zeit bis zum Ritt in der Nähe vertreiben. Als wir zurück kommen, herrscht Aufregung im Lager. Der Schlafende von vorhin rennt verzweifelt durch den Wald und sucht unter den Augen seiner grinsenden Kollegen seinen Hut, oben auf dem Bild noch neben ihm liegend. Es ist offensichtlich, dass sich die Truppe einen Scherz mit dem jüngsten der Runde erlaubt, nach fünfzehn Minuten wird der Hut schließlich in einem Versteck gefunden.

DSCI0241Zurück zur Reiterei: Wir versuchen nicht zu sehr anzugeben, als wir nach unseren reiterischen Fähigkeiten gefragt werden. „Och, wir haben nur gerade erst einen Viehtrieb absolviert“, erklären wir dem Aufseher. Er weist meiner Mutter einen schönen Schecken zu, ich bemerke nach dem Aufsteigen, dass irgendetwas anders ist als sonst.

 OLYMPUS DIGITAL CAMERANanu? Mähne, Ohren? Man hat mich auf ein Maultier gesetzt. Wortwörtlich, man lässt Touristen nicht gern allein aufsteigen. „Bitte nicht lenken, treiben oder reiten, das Tier ist es nicht gewohnt aktiv geritten zu werden“, sagt einer der Hut tragenden Mitarbeiter und lässt mich so stehen. Ich winke dem Betriebsleiter: „Ich bin ein erfahrener Reiter, wieso bekomme ich jetzt ein Maultier mit der Anweisung nicht zu reiten?“, frage ich rufend herüber. „Das ist ein sehr erfahrenes Maultier“, ertönt die Antwort – die Sache ist vom Tisch. Meine Mutter grinst bis über beide Ohren. Dies ist die Rache für den Monument-Valley-Esel.

OLYMPUS DIGITAL CAMERADer Tourist neben mir dreht seinem Muli fast den Kopf auf den Rücken. „Los, geh“, meint er, während er lässig mit offenem Mund ein Kaugummi bearbeitet. „Stures Vieh“, kommt aus seinem Mund, knapp vorbei am Kaugummi, und nun beginnt er, den Bauch seines Tieres mit den Beinen zu bearbeiten. „Bist du in deinem Leben schon einmal geritten?“, frage ich den Muli-Nachbarn, während ich unglaubig die vor sich gehende Tierquälerei beobachte. „Yeaahh“, lautet die Antwort. Der Ritt beginnt. In Gruppen von je zehn „Reitern“ nähert sich der Trupp dem Rand des Canyons.

OLYMPUS DIGITAL CAMERAEs geht steil bergab, doch die künstlich geschaffenen Serpentinen sind gut befestigt, es sind Wege, die nur für Pferde errichtet wurden und bereit gehalten werden. Alle fünf Minuten hält der Rittführer an, erzählt irgendetwas relativ nebensächliches wie „Wir werden jetzt ein Rennen veranstalten, der langsamste Reiter gewinnt“.

OLYMPUS DIGITAL CAMERAMein Maultier macht einen großartigen Job, auch ohne, dass ich es antreibe, die Landschaft ist atemberaubend schön. Der Bryce sieht von den Aussichtspunkten schon besonders schön aus, von Innen macht er noch wesentlch mehr her. Wir reiten durch kleine Tunnel, in Schlangenlinien den Berg auf und ab und passieren ein paar schöne Waldstücke.

DSCI0219Reiterisch ist der Ritt nichts besonderes, es wird nicht getrabt, man muss wenig bis überhaupt nicht lenken und braucht sich generell nicht um zu viel Temperament des Tieres zu sorgen. Nur der junge Cowboy, innerhalb seiner Gruppe wohl das schwächste Glied, geht uns ein wenig auf den Keks. Er reitet ein fast skurril kleines Maultier mit dem Namen Dynamite, welches noch kleiner als ein Esel erscheint. Er soll eigentlich seine Gruppe führen, sieht sich aber breit grinsend eher dazu ermächtigt, das Pferd meiner Mutter mit Rufen und ein paar Klatschern auf den Hintern anzutreiben. Seine Gruppe hängt dabei so weit zurück, dass wir sie schon nicht mehr sehen können.

DSCI0253Etwa zwölf Kilometer lang ist unser Ritt, einmal durchs Tal des Canyons und auf dem Weg zurück immer entlang der Felswände. Es werden keine Pausen für Fotos gemacht, obwohl es so angekündigt war, was uns etwas wurmt, aber an sich kommen wir kaum aus dem Staunen heraus. Es ist der ladschaftlich schönste Ritt meiner Zeit in den USA. Drei Stunden sitzen wir im Sattel, vor allem Touris in kurzen Hosen und Latschen spüren nun ihre Hintern.

OLYMPUS DIGITAL CAMERASchließlich wird auf Nachfrage noch ein Foto von uns geschossen und wir setzen die Reise mit dem Auto fort. Wer diesen Artikel nun gelesen hat, wird vielleicht eine Vorstellung davon haben, wie ein Ritt in den USA aussehen kann. Es lohnt sich, die Bewertungen genau durchzulesen, vielleicht zu erfragen, welche Route abgeritten wird und ob man auch einen fordernden Ritt buchen kann, sollte man wirklich reiten wollen. An sich gilt die Faustregel: Je näher der Hof an einer von Touristen befahrenen Strecke liegt und desto unvorbereiteter die Reiter wirken, desto weniger wird man gefordert, die Landschaft kann jedoch bezaubernd sein.

Es lohnt sich, nach längeren Ritten über entsprechende Reiseportale für Reiter zu suchen, dort warten keine Überraschungen. In den meisten Nationalparks kann man in den USA reiten, die Qualität würde ich eher anzweifeln, da die Kundschaft eben aus normalen Touristen besteht. Wer den Urlaub jedoch um eine schöne Zeit auf dem Pferd erweitern möchte, ohne über 1000 Euro für eine Woche auszugeben, sollte diese in einem Nationalpark verbringen, meistens ist keine Reservierung nötig, die Pferde sind stets gesattelt und halbstündlich oder stündlich verlassen Gruppen die Koppeln.

Aufsitzen also!

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