Todsünden, No-Gos, Disqualifikationen in der Bildentwicklung

Fehler in der Entwicklung / Bearbeitung von Fotos, die es unbedingt zu vermeiden gilt sowie ein Wort zur Fairness in der Fotografie.

Schaust du in den sozialen Medien die geposteten Fotos an, triffst du immer wieder auf Paradebeispiele, wie man es eben nicht machen sollte. Die Fotos an sich mögen ja eigentlich ursprünglich noch gut, schön oder akzeptabel gewesen sein, was der begeisterte User oder die Userin aber mit den zu Hauf erhältlichen Bildbearbeitungsprogrammen daraus angefertigt haben, schreit dann manchmal grauenhaft zum Fotohimmel oder widerspricht der fotografischen Ehrlichkeit. Vor allem die Kumulation aller angewendeten Möglichkeiten verschlimmbessert viele Fotos bis zum geht nicht mehr!
Wenn du wissen willst, welche wichtigen Todsünden man bei der Entwicklung von RAW-Fotos oder der Bearbeitung von JPG’s nicht machen sollte, dann musst du hier weiter lesen.

Anmerkung: Alle Fotos dieses Beitrages zeigen gute Fotos mit einer zurückhaltenden, dem Ursprungfoto und der Situation vor Ort, wie sie war, angepassten RAW-Entwicklung ohne Spezialeffekte oder massive Eingriffe ins Foto.


Grundsätzlicher Fehler: Am Originalfoto bearbeiten
Das Wichtigste im voraus:
Erstelle immer zuerst separate Sicherungen von deinen Originalfotos und arbeite immer nur mit Kopien der Originalfotos. Dann bist du auf der absolut sicheren Seite.

Wenn du mit Adobe Lightroom (LR) arbeitest, wird nicht destruktiv (ohne die Pixel an deinem ins LR geladenen Fotos effektiv zu verändern) gearbeitet und die Veränderungen automatisch fortlaufend in eine spezielle Datei (gleicher-Name-wie-Foto.xmp) geschrieben. Die beiden Dateien (Fotodatei + Fotoname.xmp) müssen immer zusammen aufbewahrt werden, wenn man Foto und Veränderungen wieder hochladen will. Benutzt du LR auch für die Archivierung aller deiner Fotos, so macht LR das alles für dich automatisch im Hintergrund.
Der RAW-Konverter von Adobe Photoshop (PS) arbeitet wie LR nicht destruktiv, auch mit den Änderungen in der (Fotoname.xmp) Datei und öffnet (Schaltfläche „Öffnen“) das entwickelte Foto direkt in PS zur Weiterbearbeitung oder speichert es an den Ursprungsort der RAW-Fotodatei beim Drücken der Schaltfläche „Fertig“.
Bei Adobe PS musst du dich selber um das Speichern und mit Ebenen und Einstellungsebenen um das nicht destruktive Bearbeiten kümmern und die Datei dann selber mit allen Ebenen als (Fotoname.psd) Datei speichern. Sonst werden die Pixel direkt – an der ins PS geladenen Datei – destruktiv verändert. Diese sind dann nach der Speicherung und bei neuem Laden des Fotos definitiv nicht mehr rückgängig zu machen.
Bei allen anderen Bearbeitungsprogrammen muss man sich zuerst kundig machen, wie das Programm arbeitet, ob nicht destruktiv oder destruktiv.


Hauptfehler: Zu viel des Guten
Alle Entwicklungs- und Bearbeitungsprogramme bieten vielerlei Möglichkeiten zur Anpassung des Fotos. Dabei sind Verbesserungen aber auch „Verschlimmbesserungen“ möglich. Die meisten Funktionen bedient man mit Reglern, Schaltern und Hebeln, die man drücken, hin und her bewegen sowie mit Pinseln, Stempeln, Filter und so je nachdem, den Effekt einschalten, vertärken, vermindern oder nur auf Teile des Fotos anwenden kann. Meistens wird dabei verstärkt und zwar eben zu viel des Guten, auch dann, wenn man eigentlich nichts machen oder sogar etwas vermindern sollte.
Die meisten Programme haben eine Funktion zur automatischen Bearbeitung des Fotos. Diese Funktion ist heute gar nicht mal so schlecht. Manchmal genügt sie vollkommen. Man bekommt so ein sehr gutes, ausgewogen entwickeltes oder bearbeitetes Foto – ohne „zuviel des Guten“! Es lohnt sich immer, zuerst mit diesem Schalter einen Versuch zu unternehmen.


Zu viel des Guten bei Farbe und Sättigung
Die allerschlimmsten Fehler sind: Zu viel Farbe und Sättigung. Mit diesen Reglern muss man besonders vorsichtig und minimal umgehen. Es ist, auch beim längsten Herumpröbeln, einfach nicht möglich, aus einem Tageslichtfoto, mit dem Ziehen der Farb- und des Sättigungs- oder Dynamikreglers ein tolles, natürlich wirkendes Sonnenuntgergangs- oder Sonnenaufgangsbild mit super Abend- oder Morgenlicht zu ziehen. Wenn man das will, muss man halt die Mühen dieser Fotografieart auf sich nehmen und zu diesen Zeiten fotografieren. Es wird aber – der Likes wegen – immer wieder versucht, den Eindruck zu erwecken, als sei man früh aufgestanden oder spät unterwegs gewesen. Viele machen auch den Fehler, bei einem guten Abendlichtfoto mit schönem, zartem, rotgoldenem Abendlicht, dieses noch unnatürlich zu verstärken und oft über das ganze Bild zu ziehen, dass alles einen gewaltigen Rotstich bekommt oder Bäume im Gegenlicht plötzlich total rote oder orange Äste aufweisen. Alles was dabei rauskommt, wenn man die Anwendung dieser Regler nicht richtig beherrscht, ist ein „Malkasten-Desaster“, welches fast alle bemerken und darüber schmunzeln aber nichts sagen oder schreiben. Nur der bearbeitende Fotograf oder die Fotografin merkt es (vor lauter Betriebsblindheit / Anfängerbegeisterung) nicht und macht sich insgeheim zum Gespött.

Zu viel des Guten bei Klarheit und Schärfe
Genauso ist es auch mit der Klarheit und der Schärfe. Ein unscharfes oder verwackeltes und unklares Foto kann man auch mit diesen Schaltern – beim besten Willen – nicht heilen, sondern nur zur Lachnummer machen. Diese Regler, vorsichtig eingesetzt, erlauben es nur, vorhandene Schärfe und Klarheit etwas anzuheben oder im Bild leicht zu verbessern. Zieht man nämlich die Schärfe zu stark hoch, vor allem, wenn man noch maskiert und damit die Kanten betont, werden ganz dünne weisse Linien den Kanten und Umrissen entlang gezogen, um einen besseren Schärfeeindruck zu erzeugen. Diese fallen dann den Betrachtern sofort auf und weisen unschön darauf hin, dass zu stark nachgeschärft wurde; das Bild im Fokus eigentlich fehlerhaft, vermutlich sogar unbrauchbar war.


Horizont und stürzende Linien – Fehler in der Bildgeometrie
Wenn die Fotografin oder der Fotograf schon eine halbe Stunde lang sein Foto angeschaut und entwickelt hat, kann es sein, dass er am Schluss gar nicht mehr bemerkt, dass der Horizont des Bildes nicht waagrecht ist. Bei einem normalen Landschaftsfoto ohne Wasser kann es sein, dass man es gar nicht gut bemerkt. Kommt aber eine Wasserfläche ins Spiel, sieht es schon sehr schlecht aus, wenn der Horizont auf eine Seite kippt und somit der See „auslaufen“ müsste.
Ein ähnliches Problem entsteht auch bei Fotos von Gebäuden, welche dann schief in der Landschaft stehen. Hat man noch einen Weitwinkel verwendet und die Kamera zu stark nach oben gerichtet oder sich zu nahe an den Objekten aufgehalten, wird man mit den stürzenden, schiefen Linien der Gebäude konfrontiert. Dies alles schaut auf dem Foto sehr unschön aus und ist eigentlich eine Todsünde und disqualifizierend. Aufgepasst: Bei gewissen Architekturfotos werden stürzende Linien manchmal auch gewollt als Gestaltungsmittel eingesetzt. Dies kann dann auch gut als Ausrede genutzt werden, wenn man es verpatzt hat!


Schon beim Fotografieren sollte man an seinem Fotoapparat das Raster einschalten, damit man im Sucher einen Anhaltspunkt für die Waagrechte und Senkrechte hat. Damit kann man schon mit der Stellung und Kameraposition vorbeugend einwirken. Auch ist es von Vorteil, etwas mehr Raum rund um das Bild zu belassen. Diesen Raum benötigt man dann in der Bearbeitung für den notwendigen Bildverlust, der bei den Geometrieanpassungen zwangsläufig entsteht.
Die meisten Bearbeitungprogramme bieten eine automatische und eine manuelle Funktion zur Korrektur dieser Erscheinungen an. Manchmal ist alles mit einem Klick erledigt. Manchmal braucht es ein wenig Handarbeit, um das Bild mit Hilfe der verschiedenen manuellen Reglern möglichst korrekt auszurichten.


Sensorflecken durch Staub aber auch Flecken durch Schmutz an der Linse oder auf den Vorsatzfiltern
Vor allem im Himmel und bei grossen einfarbigen Flächen fallen sie auf, die Sensorflecken (runde dunkle Stellen) oder die Flecken von Schmutzpartikeln (verschiedene Formen) auf Linsen oder Filtern. Hat man sie auf dem Foto, sollte man sie entfernen. Sie sind unschön und gelten bei Fotografinnen und Fotografen, die etwas auf sich halten, als disqualifizierend. Es lohnt sich also, in seinem Workflow eine spezielle Session zur Entfernung dieser Flecken einzuplanen. Am besten vergrössert man das Foto auf 100% und durchsucht das Bild von links nach rechts und von oben nach unten minutiös nach diesen Flecken und entfernt sie mit dem Reparaturpinsel oder -stempel. Gewisse Programme (z.B. der PS RAW-Konverter) haben eine Funktion, welche das Foto invers darstellt und die Sensorflecken deutlicher anzeigt. So sind sie einfacher zu finden und zu entfernen.
Vorbeugen ist besser als heilen. Das regelmässige Reinigen des Sensors (mit der Funktion der Kamera oder selber am Sensor; Vorsicht, Anfänger lassen es besser im Fachgeschäft machen) ist sehr wichtig. Staub dringt immer wieder beim Objektivwechsel oder durch das Zoomen (Saugwirkung) ins Objektiv und auf den Sensor. Auch die Reinigung der Linsen der Objektive sollte regelmässig mit den geeigneten Mitteln (Achtung Kratzgefahr) durchgeführt werden, damit man weniger Flecken auf den Bildern hat.


Ausbrennen“ der hellsten Bereiche und „absaufen“ der Tiefen
Das Veröffentlichen von Fotos mit ausgebrannten Bereichen an den hellsten Stellen des Bildes, ohne jede Zeichnung oder Struktur, weil keine Pixel mehr vorhanden sind, ist eine Todsünde. Solche Fotos sind unbrauchbar und gehören in den Papierkorb. Die Reparatur ist praktisch nicht gut möglich, ohne dass man es bemerkt und wenn, dann sehr zeitaufwändig und nur bei ganz kleinen Bereichen. Dies verlangt sehr gute Kenntnisse von PS, dann ist es einigermassen machbar.
Am besten ist es, schon bei der Aufnahme der Fotos mit der Belichtungskorrektur einzugreifen und/oder einen Verlaufsfilter zu benutzen.



Ähnlich, aber etwas besser zu korrigieren, sind die dunkelsten Stellen des Fotos, die „abgesoffenes“ Schwarz aufweisen. Das muss korrigiert werden, in dem man diese Stellen vorsichtig, partiell mit dem Tiefenregler oder dem Schwarzregler etwas verbessert. Viele Programme kann man so einstellen, dass sie die zu hellen Stellen z.B. rot und die zu dunklen dunkelblau anzeigen. Dann weiss man genau, wo zu verbessern ist. Vorsicht: Zu starkes Aufhellen verursacht „rauschen“, welches dann auch wieder korrigiert werden muss und zu weichem, matschigem Aussehen führen kann.


Das Bild mit allerlei Effekten vollpacken
Die heutigen Bearbeitungsprogramme bieten eine Vielzahl von Effekten und Filtern an, die auf das Foto angewendet werden können, um einen bestimmten Eindruck zu erzeugen, der beim Aufnehmen des Fotos gar nicht oder nur schwach vorhanden war. Die unzähligen Möglichkeiten von Dunst, Nebel, Sonnenstrahlen, Lichtschimmern in allen Farben, Mondlicht, Mondsicheln, Wolkenformationen, Blendensterne, Regenbögen, Blitze, Regen, Regentropfen, Schneeflocken, Glitzer, Glimmer, Spiegelungen und weiss der Kuckuck noch was alles, verleiten natürlich zum regen Gebrauch und zum Aufpeppen eines lahmen Fotos.
Mit einem Pinselstrich oder auf Knopfdruck verwandelt sich dann das Bild „schwupp di wupp“ in ein Wunder-Wow-Foto, das man eigentlich gar nicht selber aufnehmen konnte oder aufgenommen hat. Meistens geht aber der Schuss nach hinten los, weil man wiederum zu viel des Guten wollte und die Mehrheit der Betrachter Verdacht schöpft und es so trotzdem erkennt.
Luminar und wie sie alle heissen, machen es aber möglich. Alles nur, um eben den Eindruck zu erwecken, was für ein toller Fotografenhirsch man sei, ganz gleich gut wie diejenigen Naturfotografen, die tagelang für ein einziges solches Foto arbeiten, recherchieren, planen, rekognoszieren, unterwegs sind, Strapazen auf sich nehmen und dann vielleicht zu ihrem Foto kommen. Das alles jedoch nur mit natürlichen Phänomenen, Wetter-, Lichtsituationen und mit einem Single-Shot erreichen. Ganz klar, dass man für sein komponiertes Foto nun auch die fälligen unzähligen Likes einstreichen kann. Darum ist es ein Gebot der Fairness und fotografischen Ehrlichkeit, dass man bekannt gibt, wenn man sein Foto mit allerlei Filtern, Ebenen und mehreren Fotos komponiert und aufgepeppt hat, wie es eben nicht war.


Anmerkung: Es gibt auch Fotokünstler, welche die Möglichkeiten der Bearbeitungsprogramme dazu nutzen, aus ihren Fotos durch sehr starke und farbige Bearbeitung und durch starke Nutzung von Effekten zu Kunstwerken zu gestalten. Dann kann man natürlich nicht von Disqualifikation sprechen. Es gibt halt immer mehrere Möglichkeiten und Ansichten.
Ich denke aber – man hat mich verstanden – diese Anweisungen sollen für die Entwicklung und Bearbeitung von „Normalfotografie“ gelten!
Ich danke dem Fotokünstler und Sportfotograf Robert Varadi für seinen Hinweis, den ich gerne aufgenommen habe.

Viel Erfolg beim ehrlichen Entwickeln und Bearbeiten wünscht
Ruedi W. Immoos

Alle Fotos von Birgit und Ruedi W. Immoos finden Sie auf der Fotowebsite. Man darf sie gerne anschauen, alles andere auf Anfrage.

Kontakt über die Immoos Website in der Menüzeile


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Ahnen, Namen, Wappen und mehr.......

Foto Blog der Immoos-Website + früher Genealogie-Blog

Ein Gedanke zu “Todsünden, No-Gos, Disqualifikationen in der Bildentwicklung”

  1. Sehr guter und wertvoller Artikel. Einiges ist mir bei mir selber schon aufgefallen, anderes muss ich mir tatsächlich auch noch abgewöhnen.
    Vielen Dank für den „Wachrüttler“!

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