1808 - Die heiligen Schriften des Neuen Testaments
übersetzt von
Carl van Eß,
vormaligem Prior der Benediktiner=Abtey Huysburg bei Halberstadt,
jetzt Pastor daselbst
und von
Leander van Eß,
Benediktiner der vormaligen Abtey Mariämünster im Fürstenthum Paderborn,
jetzt Pastor zu Schwalenberg im Fürstenthum Lippe.
Mit Gutheißung des bischöflichen Vikariats zu Hildesheim.
In des Kommission bey Nikolaus Doll in Augsburg - 1808
397 Seiten 21,5x14 cm
Autor
Eß, Carl van (Karl)
* 25.09.1770 Warburg / Westfalen
† 21.10.1824 Huysburg bei Halberstadt
Biographie:
1788 Eintritt in den Benediktinerorden in Huysberg bei Halberstadt
1794 zum Priester geweiht
1807 Herausgabe des Neuen Testamentes zusammen mit seinem Vetter Johann Heinrich (Ordensname: Leander)
war an der Übersetzung des NT seines Vetters D. Leander van Eß beteidigt
Pastor zu Huysburg bei Halberstadt.
Die erste Übersetzung wurde in Braunschweig gedruckt.
Die zweite Auflage erschien bei Johann Esaias von Seidel in Sulzbach
Eß, Leander van (eigentlich Johann. Heinrich)
* 15.02.1772 Warburg
† 13.10.1847 Affolterbach bei Darmstadt
Biographie:
Die erste Übersetzung des NT wurde 1807 bei Vieweg in Braunschweig gedruckt. Die zweite Auflage erschien bei Johann Esaias von Seidel in Sulzbach. AT 1822-1836 in Sulzbach 2 Bände, 1839/40 Vollbibel. Bis 1842 gab es 28 Ausgaben. Kommentar aus Religion in der Geschichte und Gegenwart: "wegen fehlender Anmerkungen verboten" LTK: "ungenau und vielfach unrichtig; 1821 indiziert"
Der junge westfälische Geistliche Leander van Eß, ein „erweckter" Aufklärer zu Beginn des 19. Jahrhunderts, erkannte sein „Lebensziel" darin, „die Bibel im katholischen Volk zu verbreiten". Wie wenig solches gerade für Katholiken selbstverständlich war und überhaupt sein durfte, zeigen refrainartig erlassene päpstliche Verbote, die Bibel zu lesen. Leander van Eß wurde als Johann Heinrich am 15. 2. 1772 in Warburg im Fürstbistum Paderborn geboren, 18-jährig trat er im Sommer 1790 in das Benediktinerkloster Marienmünster ein. Seine theologische Bildung war bescheiden, neugierig baute er sein Wissen dank der beachtlichen Klosterbibliothek aus. Vom benediktinischen Leben damals fühlte er sich kaum ergriffen, die Breviere fand er „zu troken und zu nakend", in ihnen „zu wenig Salz und Würze..., als dass sich der Geist eines ächt und gut aufgeklärten und gesetzten Mannes davon nähren könnte". In der Seelsorgetätigkeit zu Schwalenberg entdeckte er Aufgaben, die er auch nach der Säkularisation seines Klosters (1803) auszubauen versuchte. Der junge Mönch erkannte die Defizite seines Klosters, verkannte jedoch die Wucht der preußischen Säkularisation, als er den staatlichen Beamten einen Reformplan für ein gewisses Weiterbestehen der klösterlichen Einrichtungen zu Gunsten erzieherischer Tätigkeiten vorlegte. Seit 1812 wirkte er in Marburg als Geistlicher an der Elisabethkirche und als Professor an der Universität, zog sich zehn Jahre später als Agent der britischen Bibelgesellschaft nach Darmstadt zurück, bis er schließlich 1835 in Alzey und Affolterbach im Odenwald seinen Ruhestand verbringen konnte. Er starb „als privatisierender Geistlicher" am 13. 10.1847 in Affolterbach. Leander van Eß war eine starke, bisweilen ungestüme Persönlichkeit. Energisch und zielstrebig, mit einem unbeschreiblichen Arbeitseifer ging er seinen Unternehmungen nach. Manches davon hat er im Elternhaus zu Warburg gelernt. Als junger Mönch begegnete er in der Seelsorge außerhalb des Klosters einer markanten Vertreterin der Erweckungsbewegung, der Freifrau Catharina Wilhelmine von Oeynhausen (1764-1811). Die Erfahrung persönlicher Freundschaft mit einer evangelischen Christin wurde lebensprägend für van Eß. Als verbindend erkannte er darin die Abwehr einer radikalen Aufklärung, doch erst in Marburg wuchs in ihm die entscheidende Nähe, „dass Katholiken und Protestanten sich durch das Christusbekenntnis als „Brüder und Schwestern" fühlen konnten". Gleichzeitig verstand er sich selbst als Aufklärer. Das bedeutete für den jungen Geistlichen, „die Katholiken von abergläubischen Glaubenspraktiken abzubringen, sie für einen „soliden christlichen Unterrichte gelehriger und empfänglicher" zu machen, sowie sie zum „praktischen Christentum" und zur „Ausübung bürgerlicher Tugenden" hinzuführen". Durchaus in augustinischer Tradition, differenzierte er zwischen äußerer und innerer Religion, um vor allem auf die innere Anteilnahme der Gläubigen hinzuweisen. Bibelarbeit war von Aufklärern nicht nur gefordert, sondern auch geleistet worden. Eß war unter den Katholiken weder der erste Initiator, noch der einzige Übersetzer. Man denke nur an den Heidelberger Theologieprofessor und späteren Stadtpfarrer in Karlsruhe Thaddaeus Anton Dereser (1757-1827), der das Alte Testament des Dominikus von Brentano (1740-1797) fortsetzte (Die Heilige Schrift des alten Testaments, 10 Bände, Frankfurt 1810) sowie einige andere. Schon während seiner Klosterzeit hatte van Eß begonnen, biblische und theologische Hinweise für die „Nützlichkeit" des Bibellesens zusammenzutragen. Mit seiner Übersetzungsarbeit wollte er sich nicht an wissenschaftlichen Diskussionen beteiligen, er setzte diese vielmehr voraus und konkretisierte sie in der Übersetzung, um den Gläubigen eine zuverlässige Quelle der Gottesbegegnung zu bieten. Auf diese Weise glaubte er, einem religiösen Indifferentismus wirksam begegnen zu können. Gerade weil den Gläubigen die biblische Botschaft nicht vermittelt worden war, so dachte er, war sie ihnen fremd geblieben und ihr Glaube besaß darum weder Strahlkraft und noch Überzeugung. Eine strikt normativ-verbindliche Bibelauslegung durch klerikale Kirchenmänner lehnte van Eß ebenso ab wie eine rationalistische Dekonstruktion biblischer Erzählungen, weil für ihn beide, „nur gar zu gern ihren Sinn und Unsinn in die heiligen Urkunden hinein tragen mögen, um dadurch allerlei künstliche Deutungen, Anmerkungen, Erläuterungen die Bibel zum Quodlibet zu machen, woraus sich alles erweisen lasse" (van Eß, Die Bibel, S. 47, 52, 73 u. 132", hier: S. 122). Immer mehr verstand er sich gerade während seiner Jahre am Simultaneum der Marburger Elisabethkirche als ökumenisch eingestellter christkatholischer Geistlicher, dessen Gottesdienste viele Protestanten einladend fanden. Im Marburger Kriegslazarett 1813 reichte er auch andersgläubigen Soldaten das Heilige Abendmahl: „Wenn Einer hier, der Andere dort seine letzte Kraft anstrengte zum Schreien: O mir auch das Abendmahl; wenn Andere aus ihren Schmerzenslagern nackt herauskrochen bis zu mir hin, wo ich die heil. Handlung vornahm, und händehaltend auf ihre bebende Knie vor mir lagen.(...) So trug mein ergriffenes Herz keinen Augenblick Zweifel auf der Stelle Allen Alles mit Paulus zu sein. Denen, die zufrieden mit Einer Gestalt des Abendmahls waren, gab ich es in dieser Einen; Andern nach ihren leisesten Wünschen in beiden; vergaß Hierarchie, Formen und Buchstaben" (van Eß an Dreves, 1814, hier S. 123, Anm. 38). Für van Eß war alles Äußere auch im Gottesdienstraum und in der Liturgie nur dazu da, »um den inneren Menschen zu heben und dem Unsichtbaren näher zu bringen" (Predigt: „Was uns das Kirchengehen seyn soll, und warum es dies nicht ist": hier S. 125). Entscheidend für sein Bibelengagement war die Wertschätzung der Erweckungsbewegung, ihrer biblizistischen Auslegung sowie ihres evangelikalen Gemeinschaftsverständnisses. Über solche Kontexte gelangte er schließlich an die 1804 in London gegründete British and Foreign Bible Society (BFBS). Diese Laienversammlung, die sich über „ein komplexes System kaufmännischer, persönlicher, philantropischer und kultureller Beziehungen" definierte, wollte die Bibel nicht nur unter Christen aller Konfessionen, sondern auch unter Juden, Mohammedanern und Heiden verteilen. Gegenüber dem Katholizismus bestand zunächst keine Fremdeinschätzung, dennoch paarte sich mit einem protestantischen Überlegenheitsgefühl „in religiöser, kultureller und wirtschaftlicher Hinsicht" eine nicht unbedeutende Komponente britischen Selbstbewusstseins. Seit 1806 konnte er nach Aufhebung der Kontinentalsperre verstärkt die Mitarbeits-Angebote der Londoner Bibelgesellschaft annehmen. Erst deren massive finanzielle Subventionierung ermöglichte van Eß eine bisher nie gekannte Verbreitung der Bibel unter katholischen Gläubigen, denen seine Übersetzung des Neuen Testamentes meist kostenlos ausgeteilt wurde. Zunächst waren seine Kontakte zur BFBS noch geheim, denn es gab päpstliche Verurteilungen der Bibelgesellschaften, dennoch genoss er beim Londoner Komitee ein hohes Ansehen: „as the most active and powerful instrument of disseminating the word fo God among Members of the Catholic Church". Van Eß besaß kaufmännisches Gespür ebenso wie Sinn für „public relations". Für eine zielgerichtete Werbung holte er Approbationen und Gutachten ein und ließ diese massenhaft drucken und verbreiten. Enorm war der Verbreitungsgrad des von van Eß übersetzten Neuen Testamentes. Im Zeitraum von 1807-1824 waren es 398.789 Exemplare, nach seinen eigenen Angaben gar 513.099, noch nach 1845 wurden bis 1860 insgesamt 115.000 Exemplare gedruckt. Ein wichtiger Mitübersetzer des Alten Testaments war ihm neben einigen anderen, sein Vetter Carl van Eß, ebenfalls ein ehemaliger Benediktiner, dessen Motiv zur Bibelverbreitung jedoch weit orthodoxere Perspektiven besaß. Ihm ging es um den biblischen Nachweis, „ wie viel in der Bibel ... von dem (steht), was die Reformatoren nicht mehr glauben". Der erste Teil konnte Anfang Juni 1822 ausgeliefert werden. Heinrich Joseph Wetzer, sein „in Gott und Christo gelungenes Pflegekind", das er in seinem Marburger Pfarrhaushalt mit aufgezogen hatte, 1824 in Freiburg promoviert, seit 1828 Privatdozent und 1830 o. Prof der orientalischen Philologie an der Universität Freiburg (erinnert sei an Wetzer & Weltes Kirchenlexikon!), half beim zweiten Teil des Alten Testamentes seit 1830 kräftig mit, so dass dessen Abschluss 1836 geschehen und nach eingehender Revision des ersten Teiles im Oktober 1840 als Gesamtwerk vorliegen konnte. „Die Verbreitung des NT gelang vor allem dort, wo antikurial eingestellte Geistliche und Professoren tätig waren, die im Schriftlesen einen Beitrag zur inneren Reform der Kirche und zur Hebung der Volksbildung sahen". Für die Bibelverbreitung erhielt van Eß die wohl größte Unterstützung durch die theologische Fakultät der Universität Freiburg. Deren Professoren erstellten Gutachten und verteidigten auf diese Weise bewusst sowohl sein wissenschaftlich fundiertes Übersetzen wie auch sein Engagement um konkrete Bibelverbreitung. Auch die Tübinger Fakultät stand ihm grundsätzlich positiv gegenüber. Die Katholische Kirchensektion der großherzoglich badischen Regierung zu Karlsruhe lehnte die Verbreitung des van-Eß-Testamentes jedoch ab. Sie wollte keine Konkurrenz zu ihrer 1815 edierten Schulbibel schaffen. Das hieß jedoch nicht, dass einzelne Geistliche, wie etwa Ignaz Anton Demeter (1773-1842) in Rastatt, der spätere Freiburger Erzbischof, dessen Schriften erwarben und verbreiteten.