Nachgewürzt

Wolfgang Fassbender

Gastrokritik aus München

Der ultimative Fehler der «Michelin»-Tester

Wolfgang Fassbender Nachgewürzt
Gediegenes Ambiente herrscht noch bis Ende 2018, dann wird der «Königshof» von Grund auf renoviert. (Bild: Königshof)

Gediegenes Ambiente herrscht noch bis Ende 2018, dann wird der «Königshof» von Grund auf renoviert. (Bild: Königshof)

In München kann man kaum woanders besser essen als im «Königshof». Doch wie gut Martin Fauster in dieser bayrischen Institution kocht, interessiert den «Guide Michelin» kaum. Die Absurdität seiner Bewertung erkennt man bereits beim dreiteiligen Amuse-bouche und erst recht bei der Aalrutte.

Genau hinsehen muss man fürs Erste nicht. Das Hotel Königshof ist von aussen ein mässig hübscher Zweckbau der Nachkriegszeit. Spötter sprechen sogar von einer Verunstaltung Münchens. Doch erstens wird das Hotel ab Ende 2018 erneuert, und zweitens beherbergt es drinnen ein Restaurant, das seinesgleichen sucht.

Professionelle Tester und Amateurgourmets sind sich in dessen Bewertung übrigens weitgehend einig – mit einer Ausnahme. Ausgerechnet der renommierteste aller Guides, der «Michelin», vergibt seit Jahren lediglich einen Stern für die Küche Martin Fausters. Ein grandioses Understatement, eine strenge, aber korrekte Wertung oder schlicht eine bodenlose Frechheit?

Martin Fauster ist nach Ansicht fast aller Kritiker einer der besten Köche Münchens. (Bild: Julia Knorr)

Martin Fauster ist nach Ansicht fast aller Kritiker einer der besten Köche Münchens. (Bild: Julia Knorr)

Flair, Schürzen und ein Maître mit Stil

Der NZZ-Kritiker nahm den Bus von Zürich nach München (16,90 Euro!), war pünktlich da und wurde auf eine Weise empfangen, die seit Jahrzehnten aus der Mode gekommen ist. Kellnerinnen in Schürzen: ein herrlicher Anachronismus! Völlig unzeitgemäss ist auch die Souveränität, mit der Maître Simon Adam agierte. Und erst Sommelier Stéphane Thuriot! Der Franzose bekommt den Spagat zwischen Lockerheit und Förmlichkeit wunderbar hin und denkt nicht daran, das Übliche zu servieren. Zu Amuse-bouches und Vorspeisen darf es auch ein griechischer Weisswein sein, ein Moschofilero, aromatisch und wie geschaffen, um die Belonauster mit Mandarinenschaum und filetierter Pomelo zu begleiten.

Der erste Eindruck der Küche zeigt die Richtung auf. Martin Fauster kocht auf klassisch französischer Basis, setzt aber auch modern wirkende Kombinationen ein. Und er achtet mehr als in der Spitzengastronomie üblich auf die Qualität der Produkte. Keine Floskel, wie ich beim Taschenkrebs-Burger mit wunderbaren Garnelen merkte; wer die mal verkostet, wird nie mehr Krevetten aus anderen Quellen verzehren. Die Sepioline mit Specksauce und Blattspinat, Amuse-bouche Nummer 3, rangierten auf vergleichbarem Niveau. Dichte, kraftvolle Geschmackseindrücke, aber gleichzeitig eine enorme Komplexität.

Die Trüsche und ihre Leber

Dann aber ging es richtig los mit der Aalrutte, einem Fisch, den kaum ein anderes Sternerestaurant serviert. Bekannt wurde die Aalrutte auch unter dem Namen Trüsche und vor allem ihrer Leber wegen zur Legende. Martin Fauster servierte sie mit selbiger und Kartoffeln der Sorte Blaue Elise, subtil untermalt. Und spätestens nach dem bretonischen Hummer, einem Klassiker von wunderbarer Saftigkeit, war es an der Zeit, ein Zwischenfazit zu ziehen. Jeder verkostete Gang war bisher auf Zwei-Sterne-Level angesiedelt – nicht jedoch auf dem des einen Sternes, den der «Guide Michelin» vergibt.

Beim Kalbsbries mit Kalbskopf und Zwiebelcrêpe, à part von Flammkuchen mit Kalbstatar und weissen Trüffeln begleitet, dachte ich sogar an drei Sterne. Sommelier Thuriot reichte weissen Burgunder, die Harmonie war perfekt. Lediglich beim Dessert, einer Herbstapfel genannten Variation, waren Abstriche zu machen. Patissière Gaby Taubenheim hatte Apfel, Champagner und Calvados durchdekliniert, aber unterm Strich blieb das eher auf der rustikalen Seite: Einen sehr guten Stern war der Nachtisch dennoch wert.

Was treibt den «Guide Michelin» an?

Am Schluss blieben Rätsel ob der Beweggründe der «Michelin»-Tester, zumal die Serviceleistung der eines noblen französischen Drei-Sterne-Restaurants entspricht. Ob der grosse rote Guide sauer ist, weil es in diesem Hotel eben nur ein einziges Lokal für alle gibt, nicht ein kleines Gourmetstübli neben dem Hauptrestaurant? Ob die Tester bei abendlichen Besuchen jene Schwächen entdeckt haben, die mittags nicht erkennbar waren? Vielleicht traut sich einfach keiner, die Note nach vielen Jahren anzuheben – was ein grober Fehler wäre.

Am Schluss des Mittagessens blieb die Erkenntnis, dass man in München auch an anderen Adressen ausgezeichnet essen kann, dass es aber schwer wird, irgendwo deutlich besser zu speisen. Und es wurde klar, dass man ein Gesamtpaket aus Empfang, Betreuung, Verabschiedung und Weinberatung nirgendwo in der bayrischen Metropole in ähnlicher Perfektion finden dürfte. Der Ausflug per Bus nach Zürich wird zum Erlebnis – allerdings nur bis Ende 2018. Dann schliesst der «Königshof» für voraussichtlich drei Jahre. Doch gemach: Man denkt hier schon über ein Provisorium nach, das die Zeit bis zur Neueröffnung überbrücken soll.

Die Aussicht auf den Stachus trägt zum Gesamterlebnis bei. (Bild: Thomas Haberland)

Die Aussicht auf den Stachus trägt zum Gesamterlebnis bei. (Bild: Thomas Haberland)

Ein äusserst empfehlenswertes Restaurant mit gehobener bis sehr gehobener Preisstruktur. Das viergängige Degustationsmenu kostet nun 130 Euro (zum Zeitpunkt des Tests waren es noch 125 Euro), Hauptgerichte à la carte kosten ab 52 Euro.

Küche: 9/10, Gastkultur: 10/10.

Hotel Königshof, Karlsplatz 25, D-80335 München, Tel: +49 89 551 360, koenigshof@geisel-privathotels.de, Geisel Privathotels.

Anmerkung: Die Bewertungen orientieren sich an der denkbaren Höchstnote von 10 Punkten. Die Note für die Küche betrifft ausschliesslich die Qualität der Speisen, jene für Gastkultur umfasst sämtliche übrigen Aspekte eines Restaurantbesuchs: Empfang, Service, Verabschiedung, aber auch Weine und alkoholfreie Getränke.