Ein augenfälliges Schmuckstück: Eine Uhr aus der «Maillon de Cartier»-Kollektion von Cartier. (Bild: PD)

Ein augenfälliges Schmuckstück: Eine Uhr aus der «Maillon de Cartier»-Kollektion von Cartier. (Bild: PD)

Uhrenmesse

Die vielversprechendsten Neuheiten der virtuell veranstalteten «Watches & Wonders»

Timm Delfs Uhren
Dieses Jahr finden in der Schweiz keine Uhrenmessen im klassischen Sinne statt. Eine Online-Version der Genfer Messe «Watches & Wonders» macht es jedoch möglich, dass jeder von zu Hause aus die neusten Uhrentrends verfolgen kann.

Am 26. April hätte der Genfer Uhrensalon «Watches & Wonders» seine Tore geöffnet, kurz darauf, am 30. April, wäre die «Baselworld» an der Reihe gewesen. Beide Messen finden wegen der Corona-Krise nicht statt. Doch während die Basler Veranstaltung nach der Nachricht, dass ihr die grössten Aussteller den Rücken kehren, noch in Schockstarre verharrt, hat der Genfer Salon in der Nacht von Samstag auf Sonntag eine Online-Version der Messe aufgeschaltet, in der man sich nach Belieben die Neuheiten der Marken ansehen kann, die sonst dort ausstellen.

Ironie des Schicksals: Genau einen solchen Service hatte die «Baselworld» in Aussicht gestellt, um sich damit von der Genfer Konkurrenz abzuheben. Seit dem 14. April hat sich auf der Homepage aber nichts mehr getan. Wenden wir uns also etwas Erfreulicherem zu, den Uhren selbst.

Sportlich und mit Gliederarmband

In den siebziger Jahren sorgten die Marken Audemars Piguet und Patek Philippe mit ihren Modellen «Royal Oak» beziehungsweise «Nautilus» für Bewegung in der Uhrenindustrie. Die zwei Modelle, beide vom damals noch unbekannten Designer Gérald Genta entworfen, revolutionierten Design und Wertvorstellungen. Genta hatte sich für den Look beider Uhren von Schiffs-Bullaugen inspirieren lassen, ausserdem entwickelte er ein Gliederarmband, das ohne Bandanstösse nahtlos in die Form der Uhr überging – etwas, das es noch nie gegeben hatte.

Preislich bewegten sich die beiden ungewöhnlich bulligen Uhren in Klassen, die traditionell von Golduhren besetzt waren. Diese beiden Modelle bestanden jedoch aus Edelstahl. Beide wurden Ikonen und werden bis heute hergestellt.

Nun springen plötzlich nach und nach andere Marken auf diesen Zug auf, der schon so lange unterwegs ist. Besonders erwähnenswert ist dabei das Modell «Big Bang Integral» von Hublot, das zwar nicht aus Stahl ist, sondern aus schwarzer Keramik. Beachtenswert ist dieses Modell, weil die Grundidee der runden Hublot-Modelle vom Beginn der Marke in den Achtzigern ebenfalls das Bullauge eines Schiffs war. Allerdings gab es bis zur «Integral» keine Gliederarmbänder, weil das ursprüngliche Konzept von Firmengründer Carlo Crocco eine Kombination von hartem Metall fürs Gehäuse und weichem Kautschuk fürs Armband vorsah.

Aus Keramik gefertigt: das Modell «Big Bang Integral» von Hublot. (Alle Bilder: PD)

Aus Keramik gefertigt: das Modell «Big Bang Integral» von Hublot. (Alle Bilder: PD)

Für eine noch grössere Überraschung sorgte die sächsische Uhrenmanufaktur A. Lange & Söhne zu Beginn des Jahres, als sie ihre erste Uhr aus Stahl ankündigte. Mit dem Modell «Odysseus» wiederholt die Nobelmarke, die bis anhin ausschliesslich Edelmetalle verarbeitete, gewissermassen die oben genannten Geschichten von Audemars Piguet und Patek Philippe. Die erste Sportuhr aus Stahl der zu Richemont gehörenden Marke verfügt in ihrer Grundform über ein Gliederarmband, das aussieht, als wäre es integriert. Tatsächlich hat das Gehäuse aber Bandanstösse, die mit dem Muster der Glieder verschmelzen und beinahe verschwinden. Dieses Jahr kommen zwei Modelle in Weissgold mit Armbändern in Leder und Kautschuk dazu.

Die Uhrenmanufaktur A. Lange & Söhne, die bis anhin ausschliesslich Edelmetalle verarbeitete, lancierte das Modell «Odysseus» aus Stahl, dieses Jahr auch mit Leder- und Kautschukarmband.

Die Uhrenmanufaktur A. Lange & Söhne, die bis anhin ausschliesslich Edelmetalle verarbeitete, lancierte das Modell «Odysseus» aus Stahl, dieses Jahr auch mit Leder- und Kautschukarmband.

Weitere Marken, die kürzlich Sporty-Chic-Uhren mit integriertem Band vorgestellt haben: H. Moser & Cie mit dem Modell «Streamliner Chronograph Flyback», Cartier mit dem Redesign des historischen Modells «Santos» von 2019, dessen verschiedene Armbänder man mit wenigen Handgriffen selbst wechseln kann. Der Genfer Ausnahmeuhrmacher Laurent Ferrier, der 37 Jahre bei Patek Philippe gearbeitet hat, bringt mit dem Modell «Grand Sport Tourbillon» seine Vorstellung einer sportlichen Stahluhr mit Gliederarmband.

Das Resultat, wenn Laurent Ferrier eine sportliche Uhr mit einem Gliederarmband lanciert: das Modell «Grand Sport Tourbillon».

Das Resultat, wenn Laurent Ferrier eine sportliche Uhr mit einem Gliederarmband lanciert: das Modell «Grand Sport Tourbillon».

Asymmetrische Designs

Bei Damenuhren geniessen die Uhrendesigner grössere Freiheiten als bei Herrenuhren. Bei den flachen Piaget-Modellen «Altiplano» Tourbillon liegen sich Zifferblatt und fliegendes Tourbillon auf einer Diagonale von links unten nach rechts oben gegenüber. Beim neuen Modell «Egérie» von Vacheron Constantin ist das Uhrwerk verdreht, so dass sich die Krone nicht wie gewohnt auf der 3-Uhr-Position befindet, sondern zwischen 1 und 2 Uhr. Auf dem Zifferblatt befindet sich an dieser Stelle je nach Modell eine Datumsanzeige oder eine Mondphase.

Piaget ist nicht die einzige Marke, die klassische Elemente asymmetrisch ordnete.

Piaget ist nicht die einzige Marke, die klassische Elemente asymmetrisch ordnete.

Cartier wiederum hat eine komplett neue Gehäuseform kreiert, die mit einem ebenfalls neuen Goldarmband in überraschend dreidimensionaler Optik harmoniert. Die diagonal angeordneten, voluminösen Glieder, die den Eindruck einer verdrehten Kordel vermitteln, geben der Kollektion ihren Namen: «Maillon de Cartier».

Ein augenfälliges Schmuckstück: eine Uhr aus der «Maillon de Cartier»-Kollektion von Cartier.

Ein augenfälliges Schmuckstück: eine Uhr aus der «Maillon de Cartier»-Kollektion von Cartier.

Klassischer Look

Die Rückbesinnung auf Uhrendesigns verschiedener Epochen des zwanzigsten Jahrhunderts hat sich noch lange nicht erschöpft. So bereichert Vacheron Constantin die 2018 eingeführte Uhrenfamilie «Fiftysix», die sich formal an die fünfziger und sechziger Jahre anlehnt, mit neuen braunen Zifferblättern und darauf abgestimmten Lederarmbändern.

Auch Montblanc zelebriert eine Vergangenheit, welche die Uhrensparte der Marke gar nie erlebt hat. Allerdings kann sich die Richemont-Tochter dabei auf die Designsprache der aufgekauften Marke Minerva berufen. In den exklusivsten Modellen der Linie «1858» ticken traditionell hergestellte Werke dieser uhrmacherischen Perle.

Eine Uhr der «1858»-Linie von Montblanc, die sich auf die Designsprache von Minerva beruft.

Eine Uhr der «1858»-Linie von Montblanc, die sich auf die Designsprache von Minerva beruft.

Jaeger-LeCoultre, ebenfalls eine Richemont-Tochter, besinnt sich auf die formschöne «Master Control»-Linie, deren Design und Zifferblattgestaltung auf die fünfziger Jahre zurückgeht. Die neuen Uhren der Kollektion besitzen ein 40 mm grosses Gehäuse und ein neues Werk mit einer Gangreserve von 70 Stunden.

Kennzeichen der «Master»-Kollektion ist ihr schlankes Design.

Kennzeichen der «Master»-Kollektion ist ihr schlankes Design.

Auch IWC lässt einen Klassiker auferstehen, der allerdings jüngeren Datums ist. Die gesamte neue Kollektion dreht sich um die Linie «Portugieser», die dereinst den Trend zu grossen Uhren einläutete. Darunter ist das Modell «Portugieser Chronograph», das in den Neunzigern zur Ikone avancierte. Die neue Version ist mit einem Inhouse-Kaliber ausgestattet und in ungewohnten Zifferblattfarben erhältlich.

Der ikonische «Portugieser Chronograph» ist eines typischsten Modelle von IWC.

Der ikonische «Portugieser Chronograph» ist eines typischsten Modelle von IWC.

Hermès lässt dem Damenmodell «Cape Cod Martelée» eine ungewohnte Oberflächenbeschaffenheit angedeihen. Das gesamte Gehäuse ist mit einem Hämmerchen bearbeitet, so dass es mit winzigen Einbuchtungen übersät ist, ein Effekt, der sich auf dem Zifferblatt fortsetzt.

Die Oberfläche der «Cape Cod Martelée» wird mit einem Hämmerchen bearbeitet.

Die Oberfläche der «Cape Cod Martelée» wird mit einem Hämmerchen bearbeitet.

Officine Panerai bleibt der Form ihrer Gehäuse aus der Mitte des 20. Jahrhunderts treu. Neu ist der üppige Einsatz des neusten Leuchtmittels von SuperLumiNova, das sich jetzt auch an Teilen des Gehäuses findet. Hier beim Modell «Luminor Marina».

Gewisse Teile des Gehäuses der «Luminor Marina» leuchten.

Gewisse Teile des Gehäuses der «Luminor Marina» leuchten.

Weitere News aus der Uhrenwelt

Klassisches gibt es auch von Marken, die an der virtuellen «Watches & Wonders» nicht dabei waren. So präsentiert Oris eine Taucheruhr, die in Zusammenarbeit mit dem japanischen Jeanshersteller Momotaro entstand, die «Oris X Momotaro» mit ihrem grünen Zifferblatt mit Farbverlauf und einem Armband aus Denimstoff.

Wenn ein Jeanshersteller und eine Uhrenmarke gemeinsame Sache machen: die «Oris X Momotaro».

Wenn ein Jeanshersteller und eine Uhrenmarke gemeinsame Sache machen: die «Oris X Momotaro».

Breitling wiederum präsentierte ihren Klassiker «Navitimer» in einer 35 mm grossen Version für Damen mit einem Zifferblatt aus Perlmutt, selbstverständlich nicht ohne den obligaten Rechenschieber.

Audemars Piguet wiederum präsentiert ein Chronografenmodell, das eine Neuinterpretation einer Uhr von 1943 darstellt. Ausgerüstet mit einem modernen Chronografenwerk mit automatischem Aufzug, präsentiert sich das Modell «[Re]Master01» mit lachsfarbenem Zifferblatt aus Roségold und tropfenförmigen Bandanstössen.

Audemars Piguets Neuinterpretation einer Uhr von 1943.

Audemars Piguets Neuinterpretation einer Uhr von 1943.

Rekorde wurden gebrochen

Dass die Möglichkeiten der mechanischen Uhrmacherei noch längst nicht ausgeschöpft sind, zeigt die Tatsache, dass die Hersteller jedes Jahr neue Rekorde präsentieren können. Der Titel «dünnste mechanische Uhr» geht dieses Jahr an Piaget. Das Modell «Altiplano Ultimate Concept» schlägt mit einer Bauhöhe von insgesamt 2 mm sie alle bisherigen Rekorde. Die Uhr war 2018 als Konzept vorgestellt worden – dass die Uhr einmal in Serie gehen könnte, konnte sich damals niemand so recht vorstellen. Schon gar nicht, dass das so schnell geschehen würde.

Piaget knackte mit seiner «Altiplano Ultimate Concept» den Rekord der dünnsten mechanischen Uhr.

Piaget knackte mit seiner «Altiplano Ultimate Concept» den Rekord der dünnsten mechanischen Uhr.

Das Attribut «komplizierteste Armbanduhr» geht an die 50 mm grosse und 21 mm dicke «Tempo» von Vacheron Constantin aus Roségold mit ihren 24 Komplikationen und einem Uhrwerk aus 1163 Komponenten. Da die vielen Anzeigen nicht auf einem Zifferblatt Platz fanden, besitzt die Uhr deren zwei und lässt sich auf beiden Seiten tragen.