Ärztlich assistierter Suizid: DGS schlägt Stufenplan für neues Gesetz vor

Noch immer ist der ärztlich assistierte Suizid in Deutschland gesetzlich nicht geregelt. Der Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin e.V. (DGS) möchte dem mit einem jüngst erarbeiteten Stufenplan für ein neues Gesetz entgegenwirken.

Bereits 2020 hat das Bundesverfassungsgericht das Verbot einer geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung als verfassungswidrig eingestuft und betont, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht auch ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben umfasst. Dennoch ist derzeit ein ärztlich assistierter Suizid in Deutschland gesetzlich nicht geregelt, auch geeignete Medikamente sind nicht zugelassen. Neue Gesetzentwürfe, die dies regeln könnten, sind im Bundestag zuletzt gescheitert. In dieser festgefahrenen Situation hat der Vorstand der DGS einen Stufenplan als Kompromissvorschlag für das neue Gesetz erarbeitet.

Der Vorschlag für das Gesetz beinhaltet eine zweijährige Übergangsphase, in der ein ärztlich assistierter Suizid bei Palliativpatienten und schwerstkörperlich kranken Patienten ermöglicht wird. Anhand der gesammelten Erfahrungen könnten nach zwei Jahren diese neuen gesetzlichen Rahmenbedingungen evaluiert werden, um das Gesetz auf weitere Patientengruppen, wie zum Beispiel chronisch psychisch kranke Patienten auszuweiten. Wichtig in dem Gesetz sei dabei laut DGS der standesrechtliche und strafrechtliche Schutz für die unterstützenden Ärztinnen und Ärzte. Auch eine Änderung des Betäubungsmittelgesetzes wäre dann notwendig. Nachzulesen ist das vollständige Positionspapier des Vorstandes der DGS in der Februar-Ausgabe der Zeitschrift „Schmerzmedizin“.

Die DGS schlägt folgende Patientengruppen für den Stufenplan vor:

A) Patienten mit einer unheilbar zeitlich begrenzten Erkrankung
B) körperlich chronisch kranke Patienten
C) psychisch chronisch kranke Patienten
D) akut körperlich und akut psychisch kranke Patienten
E) gesunde Menschen

Nach dem Stufenplanmodell der DGS kommen in der Übergangsphase Patienten der Gruppen A und B für einen ärztlich assistierten Suizid in Frage.

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben und Sterben. Bislang haben sterbewillige, schwerstkranke Menschen dabei nur die Möglichkeit, Unterstützung durch eine nichtärztliche Suizid-Begleitung zu erhalten, wie sie Sterbehilfsorganisationen anbieten. Bei einem ärztlich assistierten Suizid würde der Arzt dem Patienten ein tödlich wirksames Medikament verschreiben. Der Patient führt den Suizid selbst durch, er entscheidet selbstbestimmt und frei verantwortlich.

Ärztlich assistierter Suizid immer als letzter Ausweg

„Tatsächlich aber hat sich seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in Deutschland kaum etwas verändert“, erklärt Norbert Schürmann, Vizepräsident der DGS. „Es muss gewährleistet sein, dass der unterstützende Arzt standesrechtlich und strafrechtlich geschützt ist. Es ist wichtig, dass die Patienten ihre Autonomie erhalten. Der ärztlich assistierte Suizid ist die Ultima Ratio, wenn trotz aller medizinischen Expertise und Palliation der Patient weiterhin erheblich leidet“, resümiert Schürmann.

Eine kürzlich veröffentlichte Untersuchung zur Rolle von Sterbehilfsorganisationen hatte einige Missstände aufgedeckt.1 Beratung bzw. Begutachtung, Assistenz und Leichenschau lagen in fast der Hälfte der untersuchten Fälle in der Hand eines einzigen Arztes. Suizidenten mit psychiatrischen Vorerkrankungen und gesetzlicher Betreuung waren in den meisten Fällen nicht von Fachärzten für Psychiatrie begutachtet worden. Laut der Studie bestehen Defizite beim Umfang und der Differenziertheit der Aufklärung, insbesondere zu therapeutischen Alternativen. Für die Begutachtung der Freiverantwortlichkeit war in der Studie die fachliche Kompetenz nur unzureichend vorhanden.1

82 Prozent der befragten Ärztinnen und Ärzte befürworten ärztlich assistierten Suizid

Um die Einstellung von Ärztinnen und Ärzten zu diesem Thema zu erheben, hat die DGS kürzlich eine Umfrage initiiert. Inzwischen liegen laut DGS knapp 800 Antworten vor. Davon befürworten der Fachgesellschaft zufolge rund 82 Prozent eine ärztliche Unterstützung beim Suizid, insbesondere nach einer erfolglosen Palliativbehandlung. Eine Suizidassistenz bei akuten Erkrankungen fände dagegen kaum Zustimmung. Fast die Hälfte der Teilnehmer würde in Ausnahmefällen allerdings den Suizid psychiatrisch Erkrankter unterstützen.

Über
1. Gleich S. et al. Assistierte Suizide in München – Rolle der Sterbehilfeorganisationen und der beteiligten Ärzte. Rechtsmedizin 2023.
Quelle
Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin, 27.02.2024
Mehr anzeigen

Verwandte Artikel

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"