Wieviel Zucken ist im Schlaf normal?

Eine Innsbrucker Forschergruppe hat, unterstützt vom Wissenschaftsfonds FWF, neue Normwerte für den gesunden Schlaf erhoben. Den Ergebnissen zufolge bewegen sich auch gesunde Menschen im Schlaf mehr als gedacht. Muskelzuckungen während des Träumens können aber Vorboten neurodegenerativer Erkrankungen sein.


Wieviel Bewegung im gesunden Schlaf steckt, war lange nicht genau definiert. Die Datenlage hierfür war bis vor Kurzem großteils veraltet, erklärte Prof. Birgit Högl, Leiterin des Schlaflabors an der Universitätsklinik für Neurologie der Medizinischen Universität Innsbruck: „Was wir über ‚normale‘ Bewegungen im Schlaf wissen,  stammt zum Teil immer noch aus der Zeit, als die schlafende Person durch ein Fenster beobachtet und handschriftliche Protokolle angefertigt wurden. Aufgezeichnet wurden nur sichtbare und starke Bewegungen wie Umdrehen, Zuckungen oder heftiges Ausschlagen. Für die Diagnose einer Schlafstörung werden heute im Labor Hirnstromkurven, Augenbewegungen, Muskelspannung an Kinn, Armen und Beinen, verschiedene Atmungsparameter, EKG, Ton und Infrarot-Video simultan aufgezeichnet“, erklärte Högl. Unterstützt vom Wissenschaftsfonds FWF erhogen Högl und ihr Team im Projekt „Motorische Aktivität im Schlaf in Gesundheit und Krankheit“ Normwerte für physiologischen Schlaf.

Untersucht hatten die Wissenschaftler hundert Frauen und Männer (60/40) zwischen 19 und 77 Jahren. Die Testpersonen wurden anhand eines Fragebogeninterviews von einem Marktforschungsinstitut vorausgewählt. Anschließend erfolgte ein ausführliches schlafmedizinisches Interview an der Universitätsklinik für Neurologie in Innsbruck, um klinisch relevante Schlafstörungen auszuschließen wie zum Beispiel Einschlaf- und  Durchschlafschwierigkeiten, Restless-Legs-Syndrom, Schlafwandeln, Ausagieren von Träumen, Narkolepsie oder andere Erkrankungen mit übermäßiger Einschlafneigung tagsüber, Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus oder Hinweise auf Störung der Atmung im Schlaf.

Auch gesunder Schlaf ist bewegt

Während des REM-Schlafes sind die Muskeln bei gesunden Menschen sinnvollerweise lahmgelegt, da sie sonst sich und andere beim Ausagieren des Geträumten in Gefahr bringen würden. Durch die präzisen Messungen hat das Team viel darüber gelernt, was alles in die Kategorie „normal“ fällt. „Auch supergesunde Schläfer bewegen sich in der Nacht mehr, als wir angenommen haben“, erklärte Högl im Gespräch mit scilog. Im REM-Schlaf und im Non-REM-Schlaf wurden bei den Gesunden mehrere Muskelzuckungen pro Stunde gemessen – bei Männern noch mehr als bei Frauen. Die klinische Bedeutung kleiner unregelmäßiger Muskelzuckungen, die sich im Video und den Muskelableitungen zeigen, ist noch unklar. Sie könnten aber einfach mit der Tagesverfassung zusammenhängen. Den Forschern zufolge müsse die American Academy of Sleep Medicine (AASM) nun überarbeiten, wieviel Muskelzucken als krankhaft bewertet wird.

Umgekehrt sind Muskelbewegungen während der Traumphase Vorboten neurodegenerativer Erkrankungen wie etwa Parkinson. Diese Schlafstörung tritt im Schnitt mehr als zehn Jahre vor anderen körperlichen Symptomen auf. Neuere Studien weisen darauf hin, dass die REM-Schlafstörung bei bis zu sechs Prozent der über 50-Jährigen vorkommt. Die Ergebnisse des FWF-Projekts werden aktuell in zwei Folgeprojekten vertieft. Zum einen werden in einem bilateralen Projekt (Österreich – Argentinien) einfache Screening-Methoden für REM-Schlafstörung untersucht, zum anderen wird mit dem Austrian Institute of Technology (AIT) an der automatisierten 3D-Analyse von Bewegungen im Schlaf gearbeitet.

Quelle
FWF - Der Wissenschaftsfonds
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