Psychologie

K38_Sehbahn K37_Visuelle Wahrnehmung

 

 

 

 

 

 

 

 

1. Seebahn: Schematische Darstellung der Sehnerven-Kreuzung, die bewirkt, dass rechte und linke Netzhautbereiche auch jeweils in der rechten und linken Gehirnhälfte verarbeitet werden. Die Linse bewirkt eine Umkehrung des Netzhautbildes, was aber nicht weiter wahrgenommen wird.

Lichtreize werden in einer Kette von aufeinander folgenden Nervenzellen verarbeitet, die als »Sehbahn« bezeichnet wird. Ihr Ausgangspunkt ist die Netzhaut. Ihre Lichtsinneszellen schicken elektrische Impulse über den Sehnerv ins Zwischenhirn und von dort aus weiter zu den visuellen Verarbeitungszentren der Großhirnrinde im Hinterkopf, die wiederum mit vielen anderen Gehirnzentren in Verbindung stehen. Circa 126 Millionen Lichtsinneszellen werden auf 1 Million Sehnervenzellen geschaltet. Das Innere des Sehnervs steht mit der zentralen Region der Netzhaut, der Sehgrube, in Verbindung. Sein Äußeres bekommt Eingänge aus der Peripherie der Netzhaut. Das weist auf die Topographie der Netzhaut hin, die als Karte in der Sehbahn erhalten bleibt. Nachbarschafts-Beziehungen zwischen Lichtsinneszellen spiegeln sich im Bau der nachgeschalteten Verarbeitungszentren. Da zudem Signale aus zwei Augen verarbeitet werden, müssen die Verarbeitungswege sorgfältig aufeinander abgestimmt werden. Auf der Höhe des Zwischenhirnbodens kommt es zur Sehnerven-Kreuzung (Chiasma Optikum). Hier werden die optischen Eingänge regelrecht sortiert. Was in der Netzhaut rechts liegt, wird in der rechten Gehirnhälfte verarbeitet, was links liegt in der linken Gehirnhälfte. Die Fasern der Sehnerven enden auf den Zellen des rechten und linken seitlichen Kniehöckers im Zwischenhirn. Die topographische Karte der Netzhaut ist hier gut erkennbar. Die Region der Sehgrube ist hier überproportional vertreten, was der hohen Auflösung des zentralen Sehens entspricht. Im Kniehöcker, mit seinen sechs Schichten, kommt es zu einer Trennung der Bildverarbeitung.
Die zwei unteren Schichten mit großen Zellkörpern verarbeiten sehr schnell Kontraste, Bewegung, räumliche Tiefe, sind aber farbenblind. Die vier oberen Schichten mit kleinen Zellen reagieren kaum auf Kontraste, arbeiten langsamer, sind aber empfindlich für farbiges Licht. Sie sind ein Teil des farbverarbeitenden Sehsystems. Die getrennte Verarbeitung der Bildinformation wird an das Großhirn weitergeleitet. Die erste Station im Großhirn ist das primäre visuelle Zentrum. Liegt eine Schädigung vor, erblindet der Patient trotz intakter Augen und Sehnerven. Beeinträchtigungen in den Kontaktgebieten des primären visuellen Zentrums schränken das Erkennen des Gesehenen ein. Von dort aus werden immer spezialisierte Großhirnregionen angesteuert. Bei Störungen dieser Verbindungen können Linien und Teile eines Gesichts beispielsweise klar erkannt werden, nicht aber die Person, zu der es gehört.

2. Farbverarbeitung im Gehrin: Innerhalb der Sehbahn hat die Farbbahn ihren eigenen Platz. Sie ist Teil des What-Systems. Das Areal V4 ist die zentrale Stelle für alle weiteren Verknüpfungen zu anderen Gehirn-Zentren.

Von der Netzhaut bis zu höheren Gehirnzentren verläuft die Verarbeitung der Farbreize auf einer Kette von Nervenzellen, die man die Farbbahn nennt. Die Analyse von Bildeigenschaften wie Tiefe, Bewegung, Kontrast und Form findet von der Farbe getrennt statt. Die farbcodierenden Zapfensignale der Netzhaut werden im Sehnerv in Ganglienzellen gesammelt. Sie ziehen ins Gehirn und übertragen ihre elektrischen Impulse auf die vier oberen Zell-Schichten des seitlichen Kniehöckers. Er besteht aus den vier oberen Schichten der sehr kleinen Zellen (P-Zellen), und zwei unteren Schichten mit viel größeren Zellen (M-Zellen). Die Untersuchung der P-Zellen ergab, dass sie fähig sind, auf farbige Lichtreize zu reagieren. Sie arbeiten langsamer und sind nicht sehr empfindlich für Kontrastunterschiede. Ihre rezeptiven Felder haben ein einfarbiges Zentrum und ein komplementärfarbiges Umfeld. Zentrum und Umfeld zeigen gegensätzliche Arbeitsweisen. Auf nachgeschalteten Verarbeitungsstufen nimmt die Komplexität der rezeptiven Felder weiter zu. Anatomisch gehören die Zellen der Farbbahn zu dem Teil der Wahrnehmung, die mit der Objekterkennung verbunden ist. Farbigkeit und Objekterkennung bilden ein System, das Livingstone als das »What-System« beschreibt. Die Farbbahn führt weiter zur primären visuellen Großhirnrinde. Auch diese hat definierte Zellschichten, die hereinkommende Farbsignale aufnehmen und an tropfenförmige Zellkomplexe (blobs) weitergeben. In Blob-Regionen findet man vermehrt farbempfindliche Zellen. Die weitere Farbverarbeitung findet im Areal V4 der Großhirnrinde im Bereich des Hinterkopfs statt. Es liegt in der Nachbarschaft der primären visuellen Grosßhirnrinde (V1), die alle Signale der visuellen Wahrnehmung zunächst auffängt. Menschen mit geschädigtem V4- Areal sind weder zum Farbensehen noch zum Farbverständnis fähig. Ihre Welt gleicht einem Schwarzweißfilm. Sie können sich auch keine Farben vorstellen.