Verkehrsrecht

Straßenverkehr und Recht

Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs zu den Themen Suchtgift bei Fahrradfahrt, Straße mit öffentlichem Verkehr und Verweigerung des Alkotests auf Privatgrund.

Verwaltungsgerichtshof: Das Lenken eines (im Vergleich zu einem Kfz weniger gefährlichen) Fahrrades führt nicht zu einem beträchtlichen Überwiegen der Milderungsgründe. Deshalb kann die Mindeststrafe nicht auf die Hälfte herabgesetzt werden.
Verwaltungsgerichtshof: Das Lenken eines (im Vergleich
zu einem Kfz weniger gefährlichen) Fahrrades führt
nicht zu einem beträchtlichen Überwiegen der
Milderungsgründe. Deshalb kann die Mindeststrafe
nicht auf die Hälfte herabgesetzt werden.
© Werner Sabitzer

Suchtgiftbeeinträchtigung bei Fahrradfahrt.

Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion (LPD) Kärnten wurde ein Radfahrer zu Geldstrafen verurteilt, weil er mit seinem Fahrrad einen Gehsteig in Längsrichtung befahren (40 Euro) und sich geweigert hatte, sich zum Zweck der Feststellung des Grades der Beeinträchtigung durch Suchtgift zu einem bei einer Landespolizeidirektion tätigen Arzt vorführen zu lassen (1.600 Euro).
Der Radfahrer erhob Beschwerde beim Landesverwaltungsgericht Kärnten. Dieses wies die Beschwerde als unbegründet ab, setzte aber die ursprüngliche Geldstrafe herab. Das Gericht stellte fest, dass der Radfahrer Notstandshilfe beziehe und keine einschlägigen verwaltungsstrafrechtlichen Vormerkungen gegen ihn vorliegen würden, außer drei nicht einschlägige. Als mildernd sei zu werten, dass der Fahrer lediglich mit einem Fahrrad unterwegs gewesen sei. Daher sei im Sinne des § 20 VStG von einem beträchtlichen Überwiegen von Milderungsgründen auszugehen und die Mindeststrafe auf die Hälfte herabzusetzen. Dagegen wurde seitens der LPD Kärnten Amtsrevision erhoben, in der vorgebracht wurde, dass der Umstand, es sei nur ein Fahrrad gelenkt worden, keinen Milderungsgrund darstelle.
Der Verwaltungsgerichtshof erwog dazu, die Anwendung des § 20 VStG (außerordentliche Milderung der Strafe) setze voraus, dass die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegen würden. Das Verwaltungsgericht müsse in nachvollziehbarer Weise dartun, dass diese Voraussetzung zutrifft: „Das Verwaltungsgericht ist verpflichtet, in der Begründung die für die Überprüfung der Ermessensübung maßgeblichen Gründe insoweit offenzulegen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien und die Nachprüfung der Ermessensentscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof erforderlich sein kann“, so das Höchstgericht. Dazu müssten die Milderungsgründe und Erschwerungsgründe einander gegenübergestellt und dargelegt werden, weshalb das Gewicht der Milderungsgründe jenes der Erschwerungsgründe „beträchtlich überwiege“.
Der VwGH bemerkte, dass das Landesverwaltungsgericht von der ständigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung abgewichen sei: Das Lenken eines (im Vergleich zu einem Kfz weniger gefährlichen) Fahrrades führe nicht zu einem beträchtlichen Überwiegen der Milderungsgründe, weshalb das angefochtene Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts aufzuheben war.

VwGH Ra 2020/02/0030, 6.8.2021

Straße mit öffentlichem Verkehr

Trotz Fahrverbotstafel und Beschilderung als „Privatstraße“ kann laut VwGH eine Verkehrsfläche dennoch als „Straße mit öffentlichem Verkehr“ gelten, wenn sie von jedermann unter den gleichen Bedingungen benützt werden kann.
Trotz Fahrverbotstafel und Beschilderung als „Privatstraße“
kann laut VwGH eine Verkehrsfläche dennoch als „Straße
mit öffentlichem Verkehr“ gelten, wenn sie von jedermann
unter den gleichen Bedingungen benützt werden kann.
© Werner Sabitzer

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Lienz wurde einem Lenker angelastet, ein nicht zum Verkehr auf öffentlichen Straßen zugelassenes Kraftfahrzeug gelenkt und damit § 102 Abs. 1 iVm. § 36 lit. a KFG verletzt zu haben. Über ihn wurde eine Geldstrafe von 220 Euro verhängt.
Das Landesverwaltungsgericht Tirol wies die Beschwerde des Lenkers als unbegründet ab und stellte fest, die benützte Zufahrtsstraße verlaufe über das Eigentum eines Dritten, sei mit dem Verkehrsschild „Allgemeines Fahrverbot“ und der Bezeichnung „Privatweg“ sowie einer Gewichtsbeschränkung in Form eines Fahrverbotes für Fahrzeuge mit über 25 t höchstzulässigem Gesamtgewicht beschildert. Es befänden sich keine Schranken oder andere Absperrungen bei der Zufahrtsstraße. Genutzt werde die Zufahrtsstraße von den Bewohnern eines dort befindlichen Hauses und vom Postboten bei Zustellungen. Auch Besucher des Wohnhauses oder Kunden des dortigen Elektrotechnikers könnten die Straße jederzeit benützen. Rechtlich folgerte das Verwaltungsgericht daraus die Qualifikation des Tatorts als Straße mit öffentlichem Verkehr.
Dagegen erhob der Lenker Revision und brachte vor, es würde keine Straße mit öffentlichem Verkehr vorliegen. Im konkreten Fall werde durch eine Fahrverbotstafel unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass die Allgemeinheit von der Benützung des Privatweges ausgeschlossen sei. Laut VwGH vermochte jedoch selbst die Beschilderung als „Privatstraße“ oder „Privatgrund“ den dort in Rede stehenden Flächen nicht die Eigenschaft als Straße mit öffentlichem Verkehr zu nehmen. Indem das Verwaltungsgericht die Zufahrtsstraße als Straße mit öffentlichem Verkehr qualifizierte, sei es nicht von der höchstgerichtlichen Judikatur abgewichen. Die Revision war daher zurückzuweisen.

VwGH Ra 2021/02/0140, 23.07.2021

Verweigerung des Alkotests auf Privatgrund

Mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich wurde in Bestätigung eines Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen einem Lenker wegen Verweigerung des Alkotests die Lenkberechtigung für alle Klassen für die Dauer von 24 Monaten entzogen. Er hatte sich auf einer Liegenschaft geweigert, den Alkoholgehalt in seinem Atem untersuchen zu lassen.
Der Lenker brachte vor, die Verweigerung des Alkotests sei auf privatem Grund erfolgt. Er sei mit dem Kraftfahrzeug nüchtern zu jener Liegenschaft gefahren, auf der er sich mit einem Freund getroffen habe, um dort einen Vertragsabschluss mit mitgebrachtem Alkohol zu feiern. In der Folge sei es zur Verweigerung der Atemluftkontrolle auf Alkohol gekommen.
Für das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich reichte bereits der Verdacht aus, der Beschuldigte habe das Kraftfahrzeug in alkoholisiertem Zustand gelenkt. Ob der Betreffende tatsächlich ein Fahrzeug in diesem Zustand gelenkt habe, sei unerheblich. Das Vorverhalten, das zur Atemluftuntersuchung führte (Lenken eines Fahrzeuges), müsse aber auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr gesetzt worden sei. Die Qualifikation des Ortes, an dem die Aufforderung zur Atemluftprobe stattfand, sei nicht entscheidend.
Des Lenker erhob beim Verwaltungsgerichtshof außerordentliche Revision gegen diese Entscheidung und brachte vor, das Landesverwaltungsgericht sei von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung abgewichen. Es habe verkannt, dass zwar im Rahmen der verwaltungsstrafrechtlichen Beurteilung der Verweigerung der Atemluftuntersuchung ein bloßer Verdacht ausreiche, ein Fahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt zu haben, im Entziehungsverfahren gemäß § 7 Abs. 3 Z 1 FSG jedoch entscheidend sei, ob das Fahrzeug tatsächlich  auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr gelenkt wurde. Für den Lenker stehe außer Streit, dass er „nüchtern mit seinem Auto von zu Hause wegfuhr und gegen 21:00 Uhr nüchtern die Liegenschaft erreicht“ habe, wo er in weiterer Folge erst die mitgebrachten Alkoholika getrunken habe, dann zum Alkotest aufgefordert worden sei und diesen verweigert habe. Im Entziehungsverfahren habe ihm daher das erforderliche „alkoholisierte Lenken auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr“ gerade nicht nachgewiesen werden können.
Der VwGH teilte diese Ansicht nicht: Es könne dahinstehen, ob die vom Landesverwaltungsgericht getroffene Feststellung, der Revisionswerber habe sich bereits beim Lenken des Kfz auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr (und nicht erst, wie von ihm behauptet, auf der privaten Liegenschaft) in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden, auf einer unvertretbaren Beweiswürdigung beruht (nur dann läge eine Rechtsfrage iSd. Art. 133 Abs. 4 B-VG vor), weil es darauf nicht ankomme. Denn der Zweck einer Untersuchung der Atemluft auf den Alkoholgehalt liege gerade darin, festzustellen, ob das Kraftfahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt worden sei. Die Alkoholisierung könne daher nicht gleichzeitig Voraussetzung einer solchen Untersuchung sein.
Im Unterschied zur Verweigerung der Untersuchung der Atemluft auf den Alkoholgehalt (Verwaltungsübertretung gemäß § 99 Abs. 1 lit. b iVm § 5 Abs. 2 StVO 1960), für die der bloße Verdacht ausreiche, der Beschuldigte habe das Kraftfahrzeug in alkoholisiertem Zustand gelenkt, gelte für die an dieses Delikt anknüpfende Entziehung der Lenkberechtigung (§ 7 Abs. 3 Z 1 bzw. § 26 Abs. 2 Z 2 FSG) eine zusätzliche Voraussetzung: Der Betreffende müsse tatsächlich ein Kraftfahrzeug auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr gelenkt oder in Betrieb genommen habe; ob er dies in alkoholisiertem Zustand getan hat, ist hingegen unerheblich. Im Führerscheinentziehungsverfahren sind entsprechende Feststellungen zu treffen.
Der Umstand, dass der Lenker „mit seinem Auto von zu Hause wegfuhr“ und gegen 21 Uhr jene private Liegenschaft erreichte, auf der er nach dem rechtskräftigen Straferkenntnis um 22:31 Uhr den Alkotest verweigerte, sei in der Revision außer Streit gestellt worden. Vor dem zeitlichen Hintergrund dieses Geschehens war die Revision ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen. Der Entzug der Lenkerberechtigung blieb daher aufrecht.

VwGH Ra 2020/11/0128, 05.07.2021

Valerie Kraus


Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 3-4/2022

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