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Citizen-Science-Projekt

Forschung zum Mitmachen: Bürger sollen Spuren des Gartenschläfers suchen

Ein Tier mit schwarzer Augenmaske, das merkwürdig trällert: Wer das schon in seinem Garten beobachtet hat, muss sich keine Sorge machen, es handelt sich um einen Gartenschläfer. Der ist jedoch bedroht.

Ein Gartenschläfer inspiziert einen hohlen Baumstumpf
Neugierig: Ein Gartenschläfer inspiziert einen hohlen Baumstumpf – darin könnte ja etwas Essbares zu finden sein. Foto: Leo Pröhl/fokus-natur.de

Wenn die Tage wieder wärmer werden, ist seine Zeit gekommen. Der Winterschlaf endet im April und das kleine Nagetier macht sich auf die Suche nach Insekten, Regenwürmern und Knospen. Gärtner freut es besonders, dass Gartenschläfer auch Nacktschnecken fressen, die sonst kaum natürliche Feinde haben.

Aber wo die Tierchen aus der Familie der Schlafmäuse, auch Bilche genannt, heute vorkommen, ob deren Bestand schrumpft oder wächst, das weiß man nicht so genau.

Harald Brünner, Biologe und Kleinsäugerspezialist aus Karlsruhe stieß vor Jahren eher zufällig auf seinen ersten Gartenschläfer. „Ich war nachts unterwegs im Hochschwarzwald, um Fledermäuse zu beobachten und da turnte dann ein Gartenschläfer in den jungen Fichten herum“, erzählt Brünner.

Gartenschläfer frisst Nacktschnecke
Den Gärtner freut’s: Der Gartenschläfer frisst auch Nacktschnecken. Foto: Kerstin Hinze

Eigentlich nicht überraschend, denn im Nord- und Südschwarzwald leben nach alten Verbreitungskarten die meisten Gartenschläfer im Südwesten.

Aber inzwischen sind sie anscheinend selten geworden. Deshalb startet jetzt auch in Baden-Württemberg die „Spurensuche Gartenschläfer“. Das Gemeinschaftsprojekt des BUND, der Universität Gießen und der Senckenberg-Gesellschaft, läuft anderswo in Deutschland schon seit 2018 und sammelt Meldungen über Gartenschläfer.

Bisher gab es bundesweit über 3.500 Hinweise, die meisten im vergangenen Jahr. Letztendlich will man aufgrund der tatsächlichen Verbreitung und Gefährdung des Tieres ein bundesweites Schutzkonzept sowie regional angepasste Schutzmaßnahmen entwickeln.

Spurensuche läuft anderswo schon länger

Im Südwesten ist als Kooperationspartner die Arbeitsgruppe Wildlebende Säugetiere (AGWS) im Boot, die 1991 in Karlsruhe gegründet wurde. „Wir haben bei unserer Arbeit einen etwas anderen Schwerpunkt“, erklärt Brünner, Mitglied der AGWS.

„Die Forschung steht hier im Vordergrund, um eine systematische Datengrundlage zu erhalten. Wir werden 100 Untersuchungsflächen auswählen, jeweils zehn mal zehn Kilometer groß. Das ist zunächst auch eine Art Spurensuche: Wie findet man interessante Flächen? Ist es Staatswald oder Privatwald? Wen muss man fragen, wenn dort Spurentunnel oder Wildtierkameras aufgehängt werden sollen?“, zählt Brünner auf.

Mitarbeiter der AGWS nehmen auf der Suche nach älteren Meldungen von Gartenschläfern außerdem mit Naturschutz- und Forstbehörden, Obst- und Gartenbauvereine oder auch Gutachterbüros Kontakt auf.

„Denn wir hoffen, dass man dort Sichtungen der Tiere gesammelt hat. Nach allem, was wir bis jetzt wissen, hat der Gartenschläfer neben dem Schwarzwald auch im Garten- und Siedlungsbereich von Mannheim einen Verbreitungsschwerpunkt. Warum das so ist, ist allerdings noch unklar. Weder in Karlsruhe noch in Freiburg gab es bisher diese gehäuften Beobachtungen“, erklärt Brünner.

Schadet der Klimawandel dem Gartenschläfer?

Und es steht auch die Frage im Raum, wie unser Waldbewohner mit der fortschreitenden Erderwärmung zurechtkommt. „In der Trockenaue am südlichen Oberrhein bei Neuenburg sollen dafür einige Gartenschläfer mit Senderhalsbändern ausgestattet und dann bei ihren nächtlichen Ausflügen beobachtet werden.

Wir erwarten dadurch wichtige Informationen zur zeitlichen und räumlichen Nutzung der Lebensräume. Letztendlich fließen alle Ergebnisse in die Erarbeitung und Umsetzung des Schutzkonzeptes in Baden-Württemberg ein“, so Brünner.

Für mich ist der Gartenschläfer eine Art Wundertier.
Johannes Lang Biologe

Biologe Johannes Lang von der Uni Gießen, die für das Gesamtprojekt auf Bundesebene die Daten zusammenführt und auswertet, ist auf jeden Fall sehr gespannt auf die baden-württembergischen Ergebnisse. Lang ist schon viele Jahre ein Fan des Gartenschläfers, dem auch er beim ersten Mal eher zufällig begegnete – bei einer Nistkastenkontrolle.

Fotofallen und Spurentunnel für den Gartenschläfer

Bisherige Ergebnisse der „Spurensuche Gartenschläfer“ haben bereits Erstaunliches zu Tage gebracht, freut sich der Biologe. Zwei Studentinnen hätten in Wiesbaden eigentlich mit Fotofallen und Spurentunneln auf die Suche nach den Gartenschläfern gehen sollen, dabei aber festgestellt, dass sich die Tiere abends auch einfach belauschen lassen.

„Man steht im Dunkeln an den Schrebergärten zwischen den Hochhäusern und dann hört man auf einmal den Gartenschläfer rufen“, erzählt Lang begeistert. Das sei ein echtes Highlight in der Reihe der schönen Erlebnisse gewesen. Für ihn ist der Gartenschläfer eine Art Wundertier, „er stirbt zwar in manchen Gegenden aus, dafür kommt er anderswo mit allen möglichen Bedingungen zurecht.

Spurentunnel hängt an einem Ast
Kontrollinstrument: In einem sogenannten Spurentunnel hinterlassen Tiere ihre Fußabdrücke. Foto: Rolf K. Wegst/BUND

Wiesbaden und Mannheim sind zwei richtige Gartenschläfer-Hotspots. Man überlegt, ob die Mauern dort möglicherweise an den ursprünglichen Lebensraum im Gebirge erinnern“, berichtet Lang.

Der Biologe kennt niemanden, der Gartenschläfer nicht mag. “Auch diejenigen, die das ganze Projekt anfangs eher skeptisch sahen, sind zu absoluten Fans geworden und wir haben schon viele Leute für diese Art gewonnen“. Jeder Gartenbesitzer kann den Gartenschläfer mit einem naturnahen Garten unterstützen.

Das Tier ist nachtaktiv und verbringt im Sommer die Ruhezeiten in kugelförmigen Nestern, die in Wildsträuchern, Höhlenbäumen oder Steinhaufen versteckt sind, auch Vogelnistkästen aus rauem ungehobeltem Holz werden genutzt. Der Gartenschläfer ist ein Allesfresser, neben Insekten, Spinnen, Würmern und Schnecken verzehrt er Früchte, Samen und Knospen.

Der Verzicht auf Pestizide und Rattengift im Garten hilft ihm beim Überleben, ebenso wie abgedeckte Regentonnen, die ohne Deckel leider regelmäßig zur tödlichen Falle werden.

Das kleine Nagetier war früher in 26 Ländern Europas heimisch. Sein Verbreitungsgebiet reichte von der Atlantikküste bis zum Ural und von Finnland bis Sizilien. Mittlerweile sind die Zahlen aber stark zurückgegangen. Aktuell gibt es nur noch in fünf Ländern stabile Bestände des Gartenschläfers.

„Die Verbreitung zeigt in Deutschland ein deutliches Ost-West-Gefälle, wieso ist das so?“ fragt sich Alina von Thaden, Biologin bei der Senckenberg-Gesellschaft, dem dritten Partner des Gartenschläfer-Projekts. „Mit den bisherigen Methoden können wir dieses Ost-West-Gefälle nicht erklären und deshalb konzentriere ich mich auf genetische Untersuchungen der Tiere.“

Von Thaden nimmt Haar- und Kotproben der Tiere und sucht anhand dessen im Labor nach genetischen Unterschieden. Es gibt auch schon erste Ergebnisse.

„Es sieht momentan so aus, dass man in Ost- und Westdeutschland von zwei genetisch gut zu unterscheidenden Populationen reden kann, aber dass es sich noch nicht um Unterarten des Gartenschläfers handelt, weil dafür die Unterschiede im Erbgut nicht ausgeprägt genug sind“, betont von Thaden.

Genetische Deutschlandkarte

Eine genetische Deutschlandkarte der Gartenschläfer soll die gezielte Naturschutzarbeit unterstützen. Das kann beispielsweise Tieren zugutekommen, die in Wildtier-Auffangstationen abgegeben werden. „Die müssen nicht zwangsläufig aus der Gegend stammen, wo sie abgegeben werden, sondern können auch in einem Auto oder Lastwagen versteckt dorthin gekommen sein.

Wir können dann anhand des Erbgutes eine geografische Zuordnung der gefundenen Gartenschläfer vornehmen, damit sie bevorzugt in ihrem Heimatgebiet wieder freigelassen werden“, erklärt die Biologin. Für die Auswilderung und Wiederansiedlung soll dieses hoch-spezifische genetische Markersystem zur Unterscheidung der vielfältigen Gartenschläfer-Formen weiterentwickelt werden.

Frau in weißem Kittel, Schutzbrille und Handschuhen bei Laborarbeit
Gene verraten Herkunft: Alina von Thaden bei genetischen Untersuchungen im Labor. Foto: Charlotte Zachow

Auch Alina von Thaden ist absoluter Fan des Gartenschläfers. Und es ist in ihren Augen auch eine Besonderheit des Projektes, dass „so viele Leute so begeistert an einem Strang ziehen, um ein Tier zu retten“. Das habe sie bislang noch in keinem anderen Projekt erlebt.

Der Zeitplan für die „Spurensuche Gartenschläfer“ in Baden-Württemberg ist ambitioniert, denn es bleibt nur ein gutes Jahr für die breit aufgestellten Untersuchungen. 20 Fachleute der AGWS warten nur noch darauf, dass die Schlafmaus ihren Winterschlaf beendet und dann im Schwarzwald, in Mannheim und vielleicht auch anderswo ihrem normalen Jahresablauf nachgeht.

Wer einen Gartenschläfer beobachtet, wird gebeten, das auf der Homepage des Projektes einzutragen. Die Meldungen werden von dort nach Baden-Württemberg weitergegeben und ausgewertet. Fragen zu seinem Vorkommen speziell in Baden-Württemberg können auch an die AGWS gerichtet werden.

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