New Religion: Leben ohne Liebe

Als Home-Entertainment-Premiere kommt der japanische Mystery Horror „New Religion“ bei Donau Film heraus. Das Regiedebut von Keishi Kondo erzählt von einer jungen Mutter, die ihr Kind verloren hat und sich in einer urbanen Parallelwelt aus Sex und Fetisch verliert. Das ist visuell beeindruckend umgesetzt. „New Religion“ erscheint am 25. April auf DVD und Blu-ray.

Es gibt ihn tatsächlich, diesen einen Moment, der ein Leben komplett auf den Kopf stellt. Für die junge Mutter Myabi (Kaho Seto) ist es die Unaufmerksamkeit, als ihre Tochter bei der Blumenpflege auf dem Balkon tödlich verunglückt.

Nun verdient Myabi ihren Lebensunterhalt beim Vanilla Girl Escort Service. Die Frauen sitzen in einem unmöblierten Raum mit bloßen Betonwänden und warten, dass sie gerufen werden. Selten kommt es zu Gesprächen untereinander. Nur die etwas verwirrt wirkende Aizawa freut sich auf den Besuch bei ihrem Vater.

Dann ist Aizawa verschwunden und Myabi übernimmt einen ihrer Kunden. Der mysteriöse Mann (Satoshi Oka) , der durch ein Kehlkopfmikro redet will fotografieren. Seine Wohnung ist in rotes Neonlicht getaucht und der Fotograf ist auf Körperdetails spezialisiert. Bei jeder Sitzung lichtet Oda eine andere Körperregion Myabis ab.

Myabi führt mit ihrem Freund ansonsten ein ruhige, beschauliches Leben. Wohl wissend, dass sie ihre Probleme zu bewältigen hat, lässt er Myabi den nötigen Freiraum. Doch die junge Frau entfernt sich immer weiter von der Realität. Die Fotosessions scheinen ihr einen Weg zu eröffnen, sich ihrer Tochter näher zu fühlen.

„Ich werde dir nie verzeihen, dass du mein Leben ruiniert hast.“

Im einen Moment, als du hinschaust, ist sie noch da, und im nächsten ist sie verschwunden. Stattdessen eine enorme Lücke im Leben; Leere, Trauer Schmerz; und Schuld. Obwohl Schuld aus der Distanz betrachtet womöglich nicht relevant wäre. Und dennoch gibt Myabis Ex ihr die Schuld an seinem miserablen Leben, als er sie vor der Agentur auflauert und zusammenschlägt. Myabis aktueller Freund eilt ihr zur Hilfe und fängt sich ebenso eine Tracht Prügel ein.

Absurder Weise ist diese Szene im Zusammenhang von Keishi Kondos Filmdebüt keine klassische Schlüsselszene. Eher eine Randnotiz; so wie auch der Weg der Verheerung, den die verschwundene Aizawa in der Stadt anrichtet, zu der diffusen, aber bedrohlich gehaltenen Grundstimmung beiträgt.

Die neonrote Infusion hingegen bestimmt bereits den Vorspann von „New Religion“. Überzieht die auf dem Kopf stehende Stadt mit einer bedrohlichen Stimmung. Zeigt aus sich heraus zeitgeraffte Entwicklungsstufen organischer Herkunft. Das ist verschroben schön, stilisiert und anrüchig. So wie die Astralnebel in Darren Aronofskys „The Fountain“ oder die Trent Reznor Musik-Sequenzen zum Auftakt von in David Finchers „Girl with the Dragon Tattoo“.

Und dann wäre da noch der grobkörnig gefilmte Strand, der zu unterschiedlichen Zeiten im Film von unterschiedlichen Menschen zu Spaziergängen genutzt wird. Zunächst findet sich Myabi dort ein, nahe dem Abfluss und inmitten des Treibguts. Grobkörnig und ausgeblichen erinnert die Optik an frühe japanische Farbfilme.

Drei Ebenen also, die das Publikum ausmachen kann und in denen sich Keishi Kondos durch Crowdfunding mitfinanziertes Werk bewegt. Das ist zumeist in ruhigem Tempo erzählt und wird selten horrormäßig explizit. Die Wirkung ist eher psychologisch. Allerdings nicht immer fesselnd. Vieles bleibt – wie so oft im asiatischen Kino – offen und wird nicht thematisiert. Es ist diffus. Myabi befindet sich in einer Phase des Übergangs. Und das Publikum mit ihr.

Möglicherweise ist der Titel „New Religion“ etwas hochgestochen. Denn ein organisiertes Glaubenssystem oder etwas Sektenhaftes gibt es in dem Mystery-Thriller nicht. Stattdessen fokussiert sich das schräge Drama überzeugend auf die trauernde Mutter, während der Fetish-Aspekt und auch das Horror-Element im engeren Sinne er nicht kaum tragenden Anteil hat. Für Fans kryptischer japanischer Ästhetik mag das deutlich empfehlenswerter sein als für Horror-Fans.

Film-Wertung: 5 out of 10 stars (5 / 10)

New Religion
OT: New Religion
Genre: Horror, Drama, Thriller
Länge: 100 Minuten, J, 2022
Regie: Keishi Kondo
Darsteloler:innen: Kaho Seto, Satoshi Oka, Saionji Ryuseigun
FSK: ab 16 Jahren
Vertrieb: Donau Film
Kinostart: Nicht in Deutschland
DVD- & BD-VÖ: 25.04.2024

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