Einigermaßen genervt

2015.05.02-Einigermassen-genervt.jpg
Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 2.5.2015.
So könne es nicht weitergehen, gab Hans Jörg Schelling, Finanzminister der Republik, am Rande einer Sitzung der Euro-Gruppe bekannt. Er sei “schon einigermaßen genervt mit der Sache“. Mit der „Sache”, daran ist kein Zweifel zu erheben, kann nur die Griechische Sache gemeint sein, manifest geworden in der Person von Schellings griechischem Amtskollegen Varoufakis. Und in seinem Verhalten. Beziehungsweise seinem Nichtverhalten – dem Nichtvorlegen gewünschter Zahlen. Der griechische Finanzminister habe damit – man versteht, das nervt – Schuld daran, dass die Eurogruppe ständig Sondersitzungen mache und zu keinem Ergebnis komme. Dies “könne nicht sein”, betont Schelling, “wir verlieren einfach zu viel Zeit“. 
Der Finanzminister der Republik ist in dieser Vehemenz das erste mal genervt von einer Sache. Es muss also eine wirklich nervige Sache sein, die ihn da plagt. Weit nerviger als das Milliardengrab Hypo, um Kategorien nerviger als der Zustand der Staatsfinanzen, und ungleich nerviger als die Produktion einer umfassenden, weil gelungenen Steuerreform. “Wir verlieren einfach zu viel Zeit“, sagt der Finanzminister der Republik Österreich und meint damit sich selbst. Er verliere zu viel Zeit. Zeit ist Schellings Verlust und dieser der Generator seines Genervtseins. Auch dies ein Befund, der in Österreich, zumindest im Zusammenhang mit Verhandlungen, selten erhoben wird. Wird doch bei Negotiationen stets Zeit in Geld umgewandelt. 
Im Lichte dieser Erkenntnis lässt sich Schellings Genervtsein durchaus anders lesen, als Erosion der Verhandlungsposition nämlich. Aus dem Umfeld der Sitzungen wurdem trotz vielfacher Dementis auch von anderen Teilnehmern Nervenzerrüttungen bekannt. Ein „Glücksritter“ sei Yannis Varoufakis, heißt es, ein „Zocker“ und „Amateur“, er agiere „verantwortungslos“ und „dilettantisch“, er sei, hier kulminieren die Invektive, ein „Zeitverschwender“. Es stellt sich die Frage, was anderes die Finanzminister der Eurozone mit ihrer Zeit anstellen möchten, als das, wofür sie engagiert wurden. 
Aus Österreichs Sicht hat die Sache auch etwas Erfreuliches. Nach langem Gären ist das Wutbürgertum auch in der Ministerriege angekommen. Speaking of Genervtsein – Hans Jörg Schelling ist jener Mann, der Österreich die Familie Putz geschenkt hat.  
Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 2.5.2015.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert