Der ideale Kanzler

Iberien ist aus österreichischer Sicht ein entfernter Subkontinent, der mit vorbildlichem Männerfußball (Real, Barça, Benfica), nachhaltigen Trinkgebräuchen (Ballermann und Söhne) und dem Alterssitz von Sonnenkönig Bruno Kreisky in Verbindung gebracht wird. Älteren Datums sind drei Kulturimporte von prägender Dimension: Das Faible Schnitzellands für die spanischen Hofreitpferde, das Verständnis für die Machtmechanik von Granden und eine Verklärung des Infantentums.

Die weißen Pferde wurden mit dem Hotel Sacher fusioniert und haben keine politische Dimension. Wirkmächtig sind die beiden anderen spanischen Institutionen. Als Granden verstehen wir hierzulande die grantelnden Politikbestimmer. Ihre Macht entspringt ihrer Funktion als Landeshauptmann, Großstadtbürgermeister und Raiffeisengeneral. Vor der Erosion der Sozialdemokratie hätte man noch den Imperator der Gewerkschaften zu diesem Zirkel gezählt. Die Granden waren jahrzehntelang der reale (und oft auch allzu irreale) Hegemon des Landes. Im Grandentum zerschlissen sich die Bundeskanzler. Oder sie zappelten traurig an gut beleuchteten Fäden. Das hat ein abruptes Ende gefunden.

Aus dem Fundus der habsburgischen Geschichte wurde der Infant gezaubert, spanisch das Kind. Gemeint ist natürlich nicht irgendein Kind, sondern das königliche Kind, und im Spezialfall „das“ Kind, der König in Kindergestalt, der zukünftige Regent. Um den Regenten ans Regieren zu gewöhnen, gab man ihm statt Spielzeugsoldaten wirkliche Soldaten, die Infanterie. Die Soldaten des Infanten.

Man mag einwenden, dass Spanien sowohl die Granden als auch infantische Gebräuche weitgehend durch republikanisch-demokratische ersetzt hat. Zu verlockend bleibt im Land der Äcker zukunftsreich das Phantasma des jungen Helden von Granden Gnaden. Angedeutet haben das Genre schon der junge Hannes Androsch, der lausbubenhafte Jörg Haider und der neunmalkluge Karl Heinz Grasser. Schwiegermütter und Alte Herren lagen ihnen zu Füssen. Österreich hat Übung in der Infantenidealisierung.

Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 5.8.2017.

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