SoundCheck, [Musik-Review]

„Tranquility Base Hotel & Casino“-Review: Übernachtung in einschläfernder Atmosphäre

Für mich waren die ersten vier Alben der ehemaligen Indie-Rocker Arctic Monkeys eine Herzensangelegenheit. Schwermütiger Gesang kombiniert mit mal mehr, mal weniger melancholischen Gitarrenriffs und einfach kernigem Rocksound. Dabei wurde zumeist eine unheimlich mysteriöse Atmosphäre erschaffen. Das war verträumt, lud allerdings nicht zum Schlafen, sondern zum Nachdenken ein. „505“ dürfte mein absoluter Lieblingssong sein. Der Stil war dabei insgesamt weit gefächert, allerdings immer harmonisch komponiert. Ein Song fiel schroffer aus, der andere verzauberte durch Reverb-getränkte E-Gitarrenklänge.

Mit „Suck It and See“ hatte sich langsam etwas Routine eingestellt, ohne jedoch die Fanbase zu sehr zu verärgern. Das Album „AM“ von 2013 gab vom eigentlichen Stil dann wiederum schon eine Menge auf. Hinzu kam ein poppiger Klang gepaart mit Background-Vocals, die im schlimmsten Fall an die Kastratenparade der Bee Gees erinnerten. Konventioneller Pop-Rock ohne Indie-Charme. Die neue, ultraklare Abmischung war trotzdem ein voller Erfolg. Mit „AM“ konnte man erstmals eine neue Generation an Teenies ansprechen, während die vorherigen Fans, die mittlerweile zu den Mittzwanzigern zählten, sich etwas übergangen fühlen konnten. Das fühlte sich nach Verrat an, weil der krude Mischmasch aus verschiedenen Rock- und Popeinflüssen wenig mit den rotzigen Klängen der Vorgängeralben gemein hatte. „AM“ war aalglatt und perfekt abgemischt, dabei aber immer noch gut genug, um positive Punkte finden zu können. Anscheinend haben sich die Arctic Monkeys mittlerweile das Ziel gesetzt, sich völlig neu zu erfinden und das auf Kosten der gesamten Fanbase. Anders kann man sich die musikalische Ausrichtung des neuen Albums, „Tranquility Base Hotel & Casino“, nicht erklären.

Alex Turner ist ein wunderbarer Sänger mit einer einzigartigen Stimme. Sobald er melancholische Töne anschlägt, ist Stimmung garantiert. Wenn er allerdings versucht, David Bowie zu channeln, wie im Titelsong der Fall, dann wird es haarsträubend. Nichts gegen eine gute Hommage, aber das Album ist gepflastert mit solchen Versatzstücken, kreiert einen ganz eigenen Stil aus unzähligen anderen Genres, ohne dabei wirklich gelungen zu klingen. „Four out of Five“ präsentiert dann Country- und Folkklänge, garniert mit etwas Southern-Rock-Feeling. Das restliche Album serviert teilweise leichte Soul- und/oder Jazzklänge mit Einflüssen der psychedelischen 70er und selbst Kirchenrock-Atmosphäre keimt auf, wenn Alex Turner einem Sektenanführer gleich, ins Mikro säuselt… Es fällt schwer durchzusehen, was hier die Intention war. Nun kann man diese Vielfältigkeit loben, oder als Ziellosigkeit interpretieren. Das soll sicherlich einen gut gemixten Lounge-Cocktail darstellen, auf mich wirkt es aber eher wie Eimersaufen mit zu vielen Ingredienzien. Was man hingegen ganz klar beschreiben kann, ist die völlige Abstinenz echter, rockiger Klänge. Da blutet das Fanherz. Beliebiger Schnarchsound, der im namensgebenden Hotel gespielt werden könnte. Fahrstuhlmusik. Passt ja doch irgendwie. Well played.

Mit „AM“ konnte ich mich aus verschiedenen Gründen nicht wirklich anfreunden, „Tranquility Base Hotel & Casino“ zeigt mir allerdings, dass dort noch mehr von den klassischen Arctic Monkeys vorhanden war, als ich damals einsehen wollte. Das neue Album ist alles und dabei absolut gar nichts. Ein wildes Potpourri aus allem, was die Monkeys nicht sind und nie waren. Es passt nicht, es klingt einfach nicht. Harmonisch wirkt hier nur der Schnarchgesang, der mit allen Mitteln versucht, an Ecken und Kanten vorbeizurauschen. Da helfen auch teilweise gepresste Reibeisenstimme oder die Anlehnung an Meister wie David Bowie nicht. Keine Entschleunigung, sondern musikalischer Stillstand. Das mutet ironisch an, wird das Ganze in vielen Kritiken als Fortschritt gefeiert. Es geht auch nicht darum, dass es die totale Abkehr vom geliebten Stil ist, sondern der Umstand, dass dieser neue Stil weder berauschend noch interessant anmutet. Dass hier nichts wirklich hängen bleibt, scheint auch das Plattenlabel bemerkt zu haben, gibt es doch zum Release keine Singleauskopplung.

Die Fanbase ist jedenfalls absolut gespalten. Die eine Hälfte findet den neuen Weg mutig und nach mehrmaligem Hören lobenswert, andere wiederum bieten ihre Konzerttickets in diversen sozialen Portalen nun zum Verkauf an. Dieser Bruch war einkalkuliert, hoffentlich hat man sich dabei aber nicht mächtig verrechnet.

Fazit

Das „Tranquility Base Hotel & Casino“ ist leider nicht für eine mehrfache Übernachtung zu empfehlen. Seinem Namen macht es allerdings alle Ehre. In jedem Falle animiert die Ruhe zum erholsamen Dauerschlaf und ob der neue Sound tatsächlich gefällt, kommt einem Glücksspiel gleich. Am Ende rettet nur die immer noch kraftvolle Stimme von Alex Turner vor dem Totalausfall.

Bewertung

2 Sterne

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