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Inhalt archiviert am 2023-03-07

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Sequenzierung des Blattlausgenoms gelungen

Das Genom der Erbsenblattlaus konnte von einem internationalen Wissenschaftlerteam nun erfolgreich enträtselt werden. Diese Erkenntnisse bringen neues Licht in die Ökologie und Evolution der Insekten. Sie könnten außerdem die Entwicklung neuer Wege zur Bekämpfung von Blattläus...

Das Genom der Erbsenblattlaus konnte von einem internationalen Wissenschaftlerteam nun erfolgreich enträtselt werden. Diese Erkenntnisse bringen neues Licht in die Ökologie und Evolution der Insekten. Sie könnten außerdem die Entwicklung neuer Wege zur Bekämpfung von Blattläusen, die auf der Liste lästiger landwirtschaftlicher Schädlinge ganz oben stehen, nach sich ziehen. Die Ergebnisse wurden im renommierten Fachjournal Public Library of Science (PLoS) Biology veröffentlicht, wobei begleitende Kommentare und Beiträge in PLoS Genetics, Genome Biology und einer Sonderausgabe von Insect Molecular Biology zu finden sind. Blattläuse leben auf Pflanzen und setzen spezialisierte Mundwerkzeuge ein, um Zucker transportierende Pflanzenstrukturen anzuzapfen. Es gibt weltweit rund 5.000 Blattlausarten und viele von ihnen greifen mit Vorliebe Nutz- und Zierpflanzen an. Einerseits beschädigen die kleinen Biester die Pflanzen dadurch, dass sie sich von ihnen ernähren -, andererseits fügen die Blattläuse den Pflanzen auch noch oft indirekt Schaden zu, da sie Pflanzenviren übertragen. "Die jährlichen weltweiten Ernteverluste durch Blattläuse werden auf Hunderte Millionen Dollar geschätzt ", schreiben die Forscher. In dieser Studie konzentrierten sich die Wissenschaftler auf die Erbsenblattlaus (Acyrthosiphon pisum) und wie es der Name schon sagt, lebt diese Art auf Erbsen und anderen Hülsenfrüchten. Eine erste Überraschung für die Forscher war die riesige Anzahl von Genen, die die Erbsenblattlaus aufzuweisen hat. "Wir fanden eine Menge Gene - sagenhafte 35.000 -, im Vergleich zu 15.000 bis 20.000 bei anderen Insekten und 25.000 beim Menschen", kommentiert Stephen Richards vom Baylor College of Medicine in den USA. Hier stellt sich unweigerlich die Frage, warum in aller Welt eine winzige Blattlaus dermaßen viele Gene hat. Wahrscheinlich hat die Blattlaus einige ihrer Gene reproduziert, lautet eine Antwort. "Was könnte dies nun bedeuten? Das heißt, dass die Erbsenblattlaus wahrscheinlich eine Art 'Backup' ihres genetischen Materials vorgenommen hat", vermutet Denis Tagu vom französischen Nationalen Institut für Agrarforschung. "Eine Hypothese besagt nun, dass eine Kopie dieses Backups unverändert aufbewahrt und für das Funktionieren der Zellen und des Organismus verwendet wird, und die zweite Sicherheitskopie Modifikationen durch Mutationen gestattet." "Die meisten Mutationen sind wahrscheinlich neutral oder eher negativ für die Gene, ohne Auswirkungen auf die Biologie des Organismus zu haben", wie David Stern von der Princeton University in den USA hinzufügt. "Aber einige seltene Mutationen könnten neue Funktionen für einige der Gene erzeugen, die in diesem Fall zu einer Anpassung der Erbsenblattlaus an ihre Umwelt beitragen könnten. Eine andere Möglichkeit besteht darin, dass Blattläuse vielleicht zusätzliche Kopien von Genen brauchen, um alle Teile ihres überaus komplexen Lebenszyklus zu regeln." Blattläuse haben verschiedenartige Formen entwickelt, um sich an verändernde Umweltbedingungen anzupassen. Im Frühjahr und Sommer gebären asexuelle Weibchen asexuelle Nachkommen, die im Grunde ihre eigenen Klone sind (Parthogenese). Wenn jedoch der Herbst kommt und die Umwelt immer feindlicher wird, bringen die Blattläuse Individuen hervor, die dem Geschlecht nach Weibchen und Männchen sind. Wenn sich diese paaren, legen die Weibchen Eier, aus denen im Frühjahr asexuelle Weibchen schlüpfen - und der Zyklus beginnt wieder von neuem. Es gibt außerdem geflügelte Formen und Blattläuse ohne Flügel, wobei die geflügelten Arten weiterziehen und so neue Pflanzen besiedeln können. Eine weitere Enthüllung war für die Forscher das Fehlen vieler Gene, die am Immunsystem beteiligt sind. "Angesichts der Tatsache, dass diese Gene fehlen, scheint es so, als ob Blattläuse ein schwaches Immunsystem haben", merkt Nicole Gerardo von der Emory University in den USA an. Eine mögliche Erklärung sei, dass die Blattläuse ein starkes Immunsystem im Tausch gegen die Fähigkeit zur schnellen Fortpflanzung geopfert hätten. "Es ist anzunehmen, dass Blattläuse nach extrem hohen Reproduktionsraten selektiert werden. Sie müssen eine Pflanze besiedeln und Nachkommen produzieren, bevor ihre Feinde sie finden und [vernichten]", erklärt Charles Godfrey von der Universität Oxford im Vereinigten Königreich. "Wir wissen, dass es durchaus ein Austauschverhalten zwischen Abwehr- und anderen Fitnesskomponenten gibt. Bei den Blattläusen könnte die natürliche Auslese die Reproduktion gegenüber der Abwehr begünstigt haben." Eine weitere Möglichkeit sei, dass das geschwächte Immunsystem die Blattläuse davon abhält, ihre symbiotischen Bakterien zu töten. Die Blattlaus ernährt sich von aus Pflanzen gesaugtem Zuckersaft, dem es an essenziellen Aminosäuren fehlt. Diese werden von symbiotischen Bakterien - Buchnera genannt - bereitgestellt, die in speziellen Zellen in den Blattläusen leben und von Generation zu Generation weitergegeben werden. Eine eingehende Untersuchung dieses System könnte Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit haben. "Manche Menschen fühlen sich krank, wenn sie Antibiotika einnehmen, da die Medikamente all die nützlichen Bakterien [im menschlichen Darm] abtöten", überlegt Dr. Gerardo. "Wenn wir diesen Prozess, bei dem nützliche Bakterien am Leben erhalten werden, während die schädlichen Bakterien kurzerhand eliminiert werden, bei mehreren Organismen einschließlich der Blattläuse studieren und besser verstehen könnten, wäre das eine tolle Sache." Die Ergebnisse lassen auch auf bessere Pflanzenschutzstrategien hoffen. "Ein Verstehen des molekularen Dialogs zwischen Bakterien- und Blattlausgenen könnte zur Entdeckung wichtiger Regulationsmechanismen führen, welche die Effizienz der Symbiose herabsetzen und die verheerenden Auswirkungen der Blattläuse auf Nutzpflanzen verringern können", betont Dr. Tagu. "Die an der Erbsenblattlaus arbeitenden Biologen haben jetzt eine wertvolle Sammlung von Tools zur Verfügung, um neue Fragen in Angriff zu nehmen", bemerkt Professor Godfrey abschließend. "Studien zur Erbsenblattlaus verbessern unser Verständnis der Biologie der Blattläuse sowie von Insekten im Allgemeinen. Hier sehen wir in einer Zeit mit einem Anspruch auf erhöhte Nahrungsmittelsicherheit klare wirtschaftliche Vorteile."

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