"Catch-All"​-Klauseln über Geheimhaltung sind unwirksam

"Catch-All"-Klauseln über Geheimhaltung sind unwirksam

Geheimhaltungsklauseln, in denen etwa die "Geheimhaltung aller Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sowie aller sonstigen, im Rahmen der Tätigkeit zur Kenntnis gelangten Angelegenheiten und Vorgänge der Gesellschaft" auch über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinaus vereinbart werden, sind in Arbeitsverträgen die Regel. Und nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts (LAG) Köln (Urteil vom 2.12.2019 – 2 SaGa 20/19) unter der Geltung des neuen Geschäftsgeheimnisgesetzes (GeschGehG) schlicht unwirksam.

Es war eine Frage der Zeit, bis die Gerichte das GeschGehG so auslegen, dass Unternehmen den Handlungsbedarf erkennen. Die Entscheidung des LAG Köln ist insoweit durchaus als "Warnschuss" für von Know-how-Diebstahl bedrohte Unternehmen zu verstehen. Denn das GeschGehG kennt zwar bei "Non-Compliance" keine Bußgelder. Wer es ignoriert, kann im Hinblick auf Compliance und Haftung böse erwachen, wenn es zum Datendiebstahl kommt.

Die ersten Entscheidungen zum GeschGehG aus unserer Beratungspraxis bestätigen ebenso wie das Urteil des LAG Köln, dass das neue Gesetz von Unternehmen beachtet werden muss, wenn diese die Verwertung ihrer Geheimnisse mit gerichtlicher Hilfe verhindern wollen.

Was war geschehen? Der Beklagte war als ehemaliger Arbeitnehmer der Klägerin zu einer Kundin der Klägerin gewechselt, die von dieser Abfüllmaschinen erworben sowie die Verpflichtung übernommen hatte, eine bestimmte Menge so genannter "Sleeves" von der Klägerin zu beziehen, im Qualitätsmanagement beschäftigt. Dort nutzte er auch Daten der Klägerin, die diese als Geheimnis wertete.

Die Parteien stritten im einstweiligen Verfügungsverfahren darüber, ob die Klägerin von dem Beklagten verlangen kann, es zu unterlassen, Geschäfts oder Betriebsgeheimnisse zu Wettbewerbszwecken zu verwenden. Die Klägerin war dabei der Ansicht, der Beklagte müsse alle Geschäftsgeheimnisse auf unbeschränkte Zeit geheim halten.

Das Arbeitsgericht hatte auf den Widerspruch des Beklagten hin die ursprünglich vom (unzuständigen) vom Landgericht Aachen erlassene einstweilige Verfügung aufgehoben und den Antrag auf Erlass abgewiesen. Diese Entscheidung bestätigte das LAG Köln und verwies zunächst einmal auf das hier maßgebliche (und weiterhin recht unbekannte) Gesetz:

"Nach allgemeiner Ansicht verdrängt das Geschäftsgeheimnisgesetz sämtliche andere Anspruchsgrundlagen insbesondere §§ 823, 826 und § 1004 BGB. Es handelt sich um eine spezialgesetzliche, ausschließliche Regelung, die den Schutz von Geschäftsgeheimnissen aus dem UWG herauslöst und auf eigene Rechtsgrundlage gestellt. Damit sind für die Frage, ob ein Geschäftsgeheimnis gegeben ist, sowohl die Begriffsbestimmungen als auch die erlaubten Handlungen und Handlungsverbote aus §§ 2, 3, 4 GeschGehG zugrunde zu legen."

In seiner Entscheidung kommt das Gericht unter Anwendung des GeschGehG zu dem Ergebnis, dass unkonkrete arbeitsvertragliche Geheimhaltungsklauseln unwirksam sind:

"Es handelt sich um eine so genannte Catch-All-Klausel, die den Arbeitnehmer bis an sein Lebensende verpflichten soll, jedwede im Rahmen des bisherigen Arbeitsverhältnisses erlangte Information, vorliegend sogar nicht einmal eingeschränkt auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sondern auf sämtliche im Rahmen der Tätigkeit zur Kenntnis gelangten Angelegenheiten und Vorgänge uneingeschränkt geheim zu halten. [...] Danach enthält eine Catch-All-Klausel insbesondere für die Zeit nach Ende des Arbeitsverhältnisses eine übermäßige Vertragsbindung, die gemäß § 138 BGB unwirksam ist. Ein berechtigtes betriebliches Interesse des Arbeitgebers an der Geheimhaltung muss sich auf konkrete Daten/Sachverhalte beschränken und muss zudem angeben, wie lange nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses die geheimhaltungsbedürftige Tatsache noch geheim zu halten ist."

Es handele sich letztlich auch um AGB, die nach §§ 310 und 307 BGB unwirksam seien.

Aber auch soweit die Klägerin im Klageantrag einzelne, vom Beklagten geheim zuhaltende Dokumente und Daten nannte, sei ein Anspruch nach § 6 GeschGehG nicht gegeben - denn die Klägerin habe nicht glaubhaft machen können, dass diese Daten überhaupt Geschäftsgeheimnisse sind, für die nach § 2 des GeschGehG einige Vorgaben gelten. Überdies seien die von den Konkurrenten der Klägerin hergestellten "Sleeves", die auf den Abfüllmaschinen der Klägerin funktionieren, durch so genanntes Re-Engineering, welches ausdrücklich nach § 3 GeschGehG erlaubt ist, entwickelt wurden.

Und zuletzt holt das Gericht zu einem "Rundumschlag" aus, der Unternehmen aufhorchen lassen sollte, die weiterhin nicht über ein Geheimnisschutzkonzept nach dem GeschGehG verfügen:

Zudem hat die Klägerin auch nicht nachgewiesen, dass gerade die im Antrag enthaltenen besonderen Daten von ihr durch angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen geschützt wurden. Dabei ist insbesondere darzustellen, welches konkrete Geheimhaltungsmanagement die Klägerin insgesamt anwendet, welche konkreten Daten bzw. Spezifikationen im Geschäftsverkehr geheim zu halten sind. Letztlich bedeutet dies nach Inkrafttreten des GeschGehG, dass ein konkretisiertes, auf die einzelnen Geheimnisse speziell abgestelltes Geheimschutz-Management durchgeführt werden muss, um zu beweisen, welche Geheimnisse wie und wie lange welchem Schutz unterlagen und welche Personen hiermit in Kontakt kamen und dabei verpflichtet waren, Geheimnisse der Beklagten zu schützen.

Fazit

Das Urteil zeigt, wie Unternehmen ohne Geheimnisschutzkonzept vor Gericht "baden" gehen. Wir prognostizieren eine Ausweitung dieser Rechtsprechung auf NDA-Klauseln.

Der Aufbau eines komplexen Geheimnisschutzkonzepts beschäftigt derzeit die Compliance- und Rechtsabteilungen. Wie das Urteil zeigt, sind jedenfalls die folgenden Bereiche von den Auswirkungen des GeschGehG betroffen und müssen ihre Prozesse, Dokumente und Verträge anpassen:

  • HR-Abteilungen: Überarbeitung und Nachführung der Arbeitsverträge
  • Rechtsabteilungen: Anpassung der NDA und des Geheimnisschutzmanagements
  • IT-Abteilung: Hamonisierung des Geheimnisschutzkonzepts mit IT-Richtlinien

Die Grundlagen für das Geheimnisschutzkonzept nach GeschGehG haben wir in unserem hier abrufbaren Whitepaper zum Geheimnisschutz zusammengefasst.

Sprechen Sie uns bei weiteren Fragen hierzu gern an.

David Ziegelmayer [david.ziegelmayer@lexantis.com]

Eine Entscheidung, die wenig an Klarheit vermissen lässt, auch wenn sie für das betroffene Unternehmen sehr schmerzhaft ist. Es gibt wohl kaum einen Arbeitsvertrag, der in diesem Punkt nicht generisch formuliert ist. Ob entsprechende Klauseln in Arbeitsverträgen noch einen Mehrwert gegenüber dem gesetzlichen Geheimnisschutz haben, mag man nun ernsthaft bezweifeln. Man kann aber auch ernsthaft fragen, ob das Gericht nicht das Kind mit dem Bade ausgeschüttet hat. War die vermeintlich unwirksam Catch-All-Klausel nicht auch ein Baustein des vermissten Geheimnisschutzkonzepts? Die Entscheidung mag hier im Ergebnis aus anderen Gründen richtig sein. Die Begründung erscheint sehr formal und holzschnitzartig. Das gilt auch für die zeitliche Dimension. Der Gesetzgeber hat gerade kein Verfallsdatum für Geschäftsgeheimnisse vorgesehen. Auch Richter und andere Berufsgruppen müssen Geheimnisse ein Leben lang hüten. ...

Dr. Stanislaus Jaworski

JUVE 40 under 40 | Co-Founder & Managing Partner NORDEMANN | Copyright Litigator | Co-Founder Creative Law Alliance

3 Jahre

Vielen Dank, David Ziegelmayer! Das könnte ein Wake-up Call sein.

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