Gabriela Länger im Interview: Die unerschrockene Pragmatikerin

Gabriela Länger im Interview: Die unerschrockene Pragmatikerin

Gabriela Länger ist Mitglied der Geschäftsleitung und leitet bei PostFinance die Unit Strategy & Transformation. Das Swiss Ladies Drive Magazin hat sie in ihrer aktuellen Ausgabe interviewt und wollte von ihr mehr zum Thema Transformation und Diversität wissen. 

Wie definierst du denn Transformation, und was sind die Challenges für dich und dein Team?

Eigentlich ist es einfach: Transformation ist der Weg vom Ist zum erwünschten, vorher beschriebenen Soll. Dabei ist von zentraler Bedeutung, dass wir bei der Transformation unterscheiden zwischen dem Was und dem Wie. Was soll erreicht werden? Was ändert sich, und wie begleiten wir das? Du bist in einer Transformation sehr viel erfolgreicher, wenn du das auseinanderhältst. Aber es gibt noch etwas anderes, was wichtig ist bei einer Transformation: Beim „Was“ muss man zwischen Hard und Soft Factors unterscheiden. Also: Haben wir neue Produkte, oder wollen wir uns auch kulturell verändern – oder beides? Darüber hinaus bewährt es sich beim Wie, vor allem bei grossen Transformationen, das Vorgehen einerseits methodisch sauber zu planen, zu koordinieren und zu überwachen. Gleichzeitig gilt es, das emotionale Erleben der betroffenen Menschen im Unternehmen zu berücksichtigen. Wie nehme ich sie mit, wie informiere ich sie, wie mobilisiere und befähige ich sie? Wenn man das mal verstanden hat, ist es nicht so kompliziert. Aber diese Grundlogik, diese Landkarte, wie du so etwas durchdeklinieren willst, die brauchst du, sonst verlierst du dich. Weil, Transformationen in grossen Organisationen sind komplex. Das Wort „komplex“ wird oft verwendet, wenn man sagen will, etwas sei besonders kompliziert. Das meine ich hier aber nicht. Organisationen in einer bestimmten Grösse sind soziale Systeme. Und soziale Systeme sind komplex und können nur systemisch verändert werden. Das heisst, du kannst Input geben, kannst aber nie kausal voraussehen, was daraus entsteht.

Was sind weitere entscheidende Faktoren, damit eine Transformation gelingt?

Man muss Transformation erklären, man muss eine Geschichte erzählen. Dieser Prozess, den du anschiebst, muss für alle nachvollziehbar sein. Was ich zudem entscheidend finde, ist Konsistenz. Ein Beispiel: wenn ich dir ein Bild von allen Einzelteilen eines Autos zeige. Und daneben ein Bild von einer Frau am Steuer. Und dann frage ich, wo sind die PS?

Ein supergutes Bild. Also, wo sind die PS geblieben …?

Wo entsteht der Spass oder die Freude am Fahren? Sie entstehen im reibungslosen Zusammenspiel aller Einzelteile. Und genau das ist entscheidend in Transformationen. Es macht beispielsweise wenig Sinn, wenn du sagst, wir wollen Selbstverantwortung. Und gleichzeitig führst du ein neues Spesenreglement ein, wo jede und jeder ab zwei Franken eine Spesenabrechnung einreichen muss. Das ist nicht konsistent. Du kannst deinen Mitarbeitenden auch nicht befehlen, dass sie ein E-Learning zum Thema Selbstverantwortung machen müssen, oder? Das ist ein Widerspruch in sich. Sollen sie nun gehorchen, oder soll sie selbstverantwortlich werden?

Man muss gesamtheitlich agieren und zu Ende denken.

Absolut. Und es ist wichtig, eine klare Richtung vorzugeben, Entwicklungen zu fördern, Freude am Lernen zu vermitteln und gleichzeitig Hilfestellungen anzubieten.

Und wie wichtig ist dir Diversität?

Für mich ist Frauenförderung per se nicht interessant. Ich will Diversität, und das nicht nur hinsichtlich Geschlecht, sondern auch hinsichtlich Alter, Sprache, Herkunft etc. Und wenn es in diesem Zusammenhang notwendig ist, dass wir gezielt Frauen fördern, dann mache ich das selbstverständlich. Bei der letzten Anstellung, die ich in meinem Leitungsteam vorgenommen habe, hatte ich zum Schluss die Wahl zwischen einem Mann und einer Frau. Ich hab mich für den Mann entschieden, weil er für die Stelle eindeutig besser geeignet war. Zudem hätte ich mit einer Frau die Diversität in meinem Team reduziert. Wir wären sonst zu viele gleich denkende Leute gewesen. Ich weiss und glaube fest daran, dass gemischte Teams besser in der Lage sind, Antworten auf die Herausforderungen in einer VUCA-Welt zu finden.

Die Fragen, die ich in meinem Team zu beantworten habe, betreffen anspruchsvolle, vielschichtige Themen. Wenn ich mich mit einem homogenen Team umgebe, kriege ich darauf nicht die besten Antworten.

Diversität ist gekoppelt an Innovationen, aber auch ans Risk Management. Letzteres vergisst man meiner Beobachtung nach meistens. Es ist doch schlicht und ergreifend auch ein Risiko, wenn wir alle gleich ticken. Weil, die Welt da draussen ist ganz schön bunt und ganz schön verrückt und ganz schön schnell und agil, oder?

Das sind genau meine Worte! Ich sage immer: Die Welt ist farbig, also müssen wir bei uns genauso farbig sein, sonst können wir keine guten Antworten liefern. Und das ist auch eine Forderung, die ich stelle, wenn ich rekrutiere. Ganz abgesehen davon, dass ich Leute will, die in ihrem Bereich besser sind als ich.

Denkst du, Frauen sollten sich mehr mit Finanzen beschäftigen?

Du hast gesagt „eine kleine Frage“ zum Schluss (lacht). Die Frage hätte ein ganzes Interview gefüllt. Ich weiss nicht, ob ich dem Thema mit einer kurzen Antwort gerecht werde. Was ich beobachte, ist, dass sich

Frauen mehr dafür interessieren, wie sie ihr Geld einsetzen können, als für Geld per se. Und das beeinflusst zum Beispiel das Anlageverhalten von Frauen. Wobei das keine rein geschlechtertypische Sache ist. Vielleicht ist es auch einfach ein Bewusstwerden in der Bevölkerung allgemein. Ich nehme zum Beispiel wahr, dass der Wunsch nach Sustainable Finance wächst. Da hat uns die junge Generation den Spiegel vorgehalten, und zwar zu Recht.

Aber um auf deine Frage zurückzukommen: Frauen haben wie gesagt meines Erachtens nicht weniger Interesse an Geld, aber sie fragen sich eher: Was kann ich mit meinem Geld bewirken? Kann ich damit meiner Familie Freiheit geben? Kann ich meinen Kindern eine gute Ausbildung finanzieren? Oder jemandem etwas schenken? Ich denke, wir nutzen Geld anders, mehr als Mittel zum Zweck. Ob Frauen deswegen andere Bankprodukte brauchen? Vielleicht nicht neue Produkte, aber gezieltes Placing und spezifische Promotion. Wo ich überzeugt bin, dass es neue Produkte braucht, ist mit Blick auf Nachhaltigkeit. Da haben wir noch viel Arbeit vor uns. Aber das ist kein Geschlechterthema, sondern eine allgemeine Aufgabe in der heutigen Zeit.

Referenz: Auszug aus dem Interview mit Swiss Ladies Drive / Sandra-Stella Triebl / Ausgabe No 58 vom 3.6.2022

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