Wahrnehmungsfehler - Wie Sie unvoreingenommen bleiben

Wahrnehmungsfehler - Wie Sie unvoreingenommen bleiben

Wahrnehmungsfehler im Bewerbungsgespräch - So gehen Sie unvoreingenommen ins Job-Interview

Wahrscheinlich kennt jeder den Satz “Es gibt keine zweite Chance für den ersten Eindruck.” Grundsätzlich ist es vollkommen natürlich, dass wir Menschen “mustern”. Dieser Begriff kommt nicht von ungefähr. Bei der ersten Kontaktaufnahme mit einem anderen Menschen versuchen wir, zunächst unterbewusst, Muster zu entdecken, welche wir mit Gefahren verbinden. Instinktiv steht der Selbstschutz im Vordergrund. Dies schließt auch das eigene Unternehmen mit ein, denn wir wollen vermeiden, dass dem Unternehmen durch schlechte Mitarbeiter geschadet wird. Dennoch ist es wichtig, sich Vorurteilen und Stigmata bewusst zu sein. Andernfalls verurteilt man einen potenziell großartigen Mitarbeiter, welcher einen großen Beitrag zum Erfolg des Unternehmens beitragen könnte. In der Sozial- und Persönlichkeitspsychologie sprechen wir von sog. “Wahrnehmungsfehlern”. In diesem Artikel erfahren Sie mehr über einige Wahrnehmungsfehler, damit Sie diese im nächsten Bewerbungsgespräch vermeiden und Ihren Bewerber besser beurteilen können. Doch zunächst etwas Grundsätzliches.


Empathie

Haben Sie Prüfungsangst? Haben Sie mal nicht genug für eine Prüfung gelernt und saßen mit schweißnassen Händen vor der Matheklausur? Schlich sich bei Ihnen das ungute Gefühl ein, dass von dieser Klausur plötzlich das ganze Leben abhängt? Während es sich im Schulalltag, mal abgesehen von Zentralen Abschlussprüfungen und Abitur, nur um eine von vielen Prüfungen handelt, hängt bei vielen Bewerbern alles von diesem einen Bewerbungsgespräch ab. Vielleicht sind sie entlassen worden, vielleicht ist das erste Kind im Anmarsch und der aktuelle Job zahlt nicht genug. Was auch immer dafür sorgt: Viele Bewerber sehen sich bei Bewerbungsgesprächen einem enormen Druck ausgesetzt. Daher ist es wichtig, nicht zu viel zu analysieren. Die Anspannung hat vielleicht nichts damit zu tun, dass der Bewerber generell verklemmt ist, sondern mit schierer Nervosität, die sich im Arbeitsalltag gibt. Daher ist es wichtig, dass Sie dem Bewerber das Gefühl geben willkommen zu sein. Er soll sich nicht fühlen, als säße er auf heißen Kohlen. Je entspannter Ihr Gegenüber ist, desto besser können Sie ihn Filter frei beobachten. Seien Sie sich stets der Interview-Situation bewusst.


Der Kontrastfehler

Wie aus dem Namen schon abzulesen ist, geht es bei diesem Wahrnehmungsfehler um eine verstärkte Wahrnehmung von Unterschieden. Diese können positiv sowie negativ überspitzt werden. Zur Verdeutlichung bringen wir ein paar Beispiele an.

  1. Positive Überspitzung: Nehmen wir an, Sie seien nicht besonders selbstbewusst und treffen jemanden, den Sie für selbstbewusst halten. Die Eigenschaft des selbstbewussten Auftretens ist für Sie daher erstrebenswert. Aufgrund dieser Tatsache kann es sein, dass Sie das Ausmaß des Selbstbewusstseins überhöht wahrnehmen. Sie nehmen Ihr Gegenüber also selbstbewusster wahr, als er/sie eigentlich ist.
  2. Negative Überspitzung: Die letzte Bewertung nimmt besonderen Einfluss auf die nächste Bewertung. Im Falle des Bewerbungsgesprächs bedeutet dies, dass wir, wenn der letzte Bewerber sehr gut war, den nächsten, mittelmäßigen Bewerber tendenziell schlechter einschätzen als er tatsächlich ist. Dies funktioniert auch umgekehrt: Folgt ein mittelmäßiger Bewerber auf einen schlechten, so nehmen wir ihn tendenziell als überhöht gut wahr.


Primacy- und Recency-Effekt

Spielen Sie ein Merkspiel. Ihnen werden Wortpaare gezeigt und Sie haben 2 Minuten Zeit sich diese zu merken. An welche werden Sie sich wohl am ehesten erinnern? Wenn Sie auf die zuerst und zuletzt gelesenen Wortpaare tippen, dann liegen Sie vollkommen richtig. Das menschliche Gedächtnis neigt dazu, die ersten und letzten Informationen besonders gut im Gedächtnis zu behalten. Das bedeutet allerdings auch, dass, bei einer großen Menge an Informationen, jene, welche in der Mitte aufgenommen werden, verloren gehen können. Im Falle des Bewerbungsgesprächs bedeutet dies, dass Sie sich Notizen machen sollten, um alle Bewerber gleichbleibend im Gedächtnis zu behalten. Andernfalls geht Ihnen vielleicht ein passender Bewerber verloren, einzig und allein weil er an der falschen Position im Kalender eingetragen war.


Confirmation Bias

Wie wir schon in der Einleitung gesagt haben, sind Vorurteile etwas vollkommen natürliches. Man muss dies nur wissen, um sie so wenig wie möglich in eine Bewertung einfließen zu lassen. Aus diesem Grund ist es wichtig, sich des Confirmation Bias bewusst zu sein. Dieser Wahrnehmungsfehler sorgt dafür, dass wir gezielt nach Informationen suchen, welche unsere Annahme bestätigen. Durch dieses Phänomen kommt es zu Annahmen wie:

 “Frauen mit Dutt und Brille sind streng.”, 

“Muskulöse Männer sind weniger zärtlich.” oder auch 

“Schöne Frauen sind oberflächlich”, 

denn wir suchen explizit nach Informationen, welche diese Annahmen bestätigen. Dies geschieht so lange bei so vielen Menschen, dass aus diesem Narrativ ein Stereotyp entsteht. In einer aufgeklärten, liberalen und weltoffenen Gesellschaft kann dies jedoch nicht der Maßstab sein. Allein aus geschäftlichen Gründen sollten Sie daher nicht den muskulösen Mann unterschätzen, welcher eventuell sehr einfühlsam mit seinen Mitmenschen umgehen und ein hervorragender Bereichsleiter sein kann oder eben jene Dutt tragende Brillenträgerin, welche allerdings neben der Arbeit Stand-Up-Comedy macht und daher eine große Bereicherung für die Stimmung in Ihrer Abteilung sein könnte. Dies sind nur einige wenige Beispiele dafür, wie Confirmation Bias Sie dazu bringen könnte, den perfekten Mitarbeiter ziehen zu lassen. Seien Sie sich deshalb stets Ihrer eigenen Vorurteile bewusst, um sich selbst zu hinterfragen. So wächst nicht nur Ihre Firma, sondern auch Sie als Mensch.


Fazit

Neben diesen wenigen Wahrnehmungsfehlern gibt es noch einige andere. Was uns dadurch aber verdeutlicht wird: Wir bilden uns Meinungen ohne, dass wir das bewusst mitbekommen. Sich dieser Tatsache bewusst zu sein und explizit darauf zu achten, damit solche Wahrnehmungsfehler keinen gesteigerten Einfluss auf die Bewertung von Kandidaten nehmen, macht uns zu besseren Mitarbeitern und Vorgesetzten. Gerade im beruflichen Kontext, mit einer direkten Nähe zum eigenen Unternehmen, ist es schwierig, die Distanz zu wahren und unvoreingenommen zu sein. Aus diesem Grund empfiehlt es sich, bei schwierigen Personalfragen auf externe Firmen zurückzugreifen, welche den Bewerbungsprozess begleiten. Diese arbeiten mit wissenschaftlichen Methoden und sind speziell darin geschult, eben jene Wahrnehmungsfehler auszublenden. So sind Sie auf der sicheren Seite.

Autor/-in: Die Time 4 Change Redaktion


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