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UND
LEHREN
VON
jüngt, die "Neigung 1: 10" entspricht einem Winkel von arc tg 0,1 (Bogen-
360
maß) oder 2 n . arc tg 0,1 (Bogengrade).
3. Benennungen.
Damit im folgenden keine Mißverständnisse entstehen, seien die wich-
tigsten Begriffe des Toleranz- und Passungswesens festgelegt 1.
Zur Erläuterung dient Abb.l, die die gebräuchliche Darstellung von Toleranzen
zeigt, bei der die Toleranzfelder vergrößert gezeichnet sind.
a) Maß- und Toleranzwesen. Als Maß wird der Zahlenwert für die
Größe eines Körpers, z. B. für eine Länge, Breite, Höhe, Tiefe, Dicke,
Weite, einen Abstand, Halbmesser, Winkel usf. in Maßeinheiten be-
zeichnet.
Das Istmaß ist der an einem bestimmten Werkstück vorhandene,
durch Messen gefundene Zahlenwert einer geometrischen Größe,
Pre4silz Spie(silz
WeUe WeUe
Abb.1. Benennungen.
=
zwei Abmaße angegeben werden müssen: Zur Bohruni 200 + 0,1 gehört beispiels-
t
weise die Welle 200 g:~ oder die Welle 200 g:i~· I
Man kann ferner grundsätzlich ± - Toleranzen angeben.
Wiederum ein anderer Gesichtspunkt wäre dle Abnutzung der Werkzeuge.
Beim Drehen einer Welle auf dem Automaten oder der Revolverbank hat die Ab-
nutzung der Werkzeuge das allmähliche Größerwerden der anfallenden Teile im
Laufe der Fertigung zur Folge und man würde sinngemäß schreiben können:
200+ 0,2, für eine Bohrung entsprechend: 200 - 0,2. BeiderspanlosenFormung
läßt sich die Abnutzungsrichtung der Werkzeuge nicht immer eindeutig bestimmen.
Schließlich können für die Wahl der Schreibweise Überlegungen zugrunde gelegt
werden, die sich auf die Lehrung beziehen. Eine Welle mit den Toleranzgrenzen
19,80 und 200 wird mit zwei Rachenlehren geprüft, die diese Maße haben. Die
Lehre mit dem Maß 20 muß hinübergehen, die Lehre mit dem Maß 19,8 darf sich
nicht überführen lassen. Die erste wird Gutlehre, die zweite Ausschußlehre genannt.
Beim Prüfen einer Bohrung dagegen liegen die Verhältnisse umgekehrt: Der kleinere
Lehrdorn muß sich einführen lassen, der größere darf nicht hineingehen, sondern
höchstens anschnäbeln. Legt man nun fest, daß die Gutlehre das Grundmaß
haben soll und die Ausschußlehre dem Abmaß entspricht, so muß man alle Wellen
mit Minustoleranzen (20_0,2) und alle Bohrungen mit Plustoleranzen (19,8 + 0,2)
schreiben.
Für diese Regelung spricht noch ein weiterer Gesichtspunkt: der der "Ferti-
gungsrichtung" bei spangebender Formung. Wird eine Welle, für die die Toleranz-
grenzen 19,80 und 20(/) gegeben sind; aus gewalztem Werkstoff von 22(/) abge-
dreht, so ist sie "noch nicht gut" im Sinne der Toleranzvorschrift, solange sie dicker
ist als 200. Dreht man weiter dünne Späne herunter bis auf ein Maß, das zwischen
19,8 und 20 liegt, so ist sie "gut". Dreht man weiter, kleiner als 19,8, so wird sie
"Ausschuß", reif für den Schrott. Die "Fertigungsrichtung" geht folglich bei der
Welle nach Minus, bei der Bohrung nach Plus.
Bei der Schreibweise, die sich auf die Lehrung und auf die Fertigungs-
richtung stützt, muß auf die Gleichheit der Grundmaße bei zusammen-
gehörigen Werkstücken verzichtet werden; diese hat im allgemeinen nur
für den Konstrukteur, der die Maße prüft und Bauteile miteinander ver-
gleicht, einen gewissen Nutzen, für die Werkstatt ist sie bedeutungslos.
Die Schreibweise hat den Vorzug, daß immer nur ein Abmaß geschrieben
zu werden braucht und dadurch die Zeichnungsangaben übersichtlicher
werden (Abb.2). Ferner erhalten Lehren für die gleichen Grenzmaße
auch die gleiche Aufschrift, dadurch wird die Wiederverwendung an
anderer Stelle erleichtert.
8 Gerätzeichnungen.
Aus diesen Gründen wird vielfach nach der Regel verfahren, daß alle
tolerierten Wellen ein negatives, alle tolerierten Bohrungen ein positives
Abmaß erhaltenl .
Bei Lochabstandmaßen läßt sich eine ausgesprochene Fertigungs-
richtung nicht angeben, das Maß soll vielmehr mit einer bestimmten
Genauigkeit getroffen werden. Ausschuß wird das
Z9-q2
Stück bei zu großer Abweichung nach beiden Rich-
tungen. Solche Maße werden daher zweckmäßig
mit ±-Abmaßen versehen, z. B. 50 ± 0,1.
Beim Abstand gleichgerichteter Flächen (A und
B in Abb. 3), einem sog. Tiefenrnaß, läßt sich eine
Ausschußrichtung nicht bestimmen, denn das Werk-
stück ist nicht unbedingt Ausschuß, wenn die Gren-
Abb.2. Verzicht auf
gleiche Grundmaße, zen der Zeichnungstoleranz (12 + 0,1) über- oder unter-
abernur je ein Abmaß. schritten sind; durch Nachdrehen einer der beiden
Flächen kann es gerettet werden, vorausgesetzt, daß nicht andere Tole-
ranzen (30 + 0,15) dadurch gefährdet werden.
Betrachtet man die Fläche A (Abb.3) als Ausgangsfläche für die
Maße 12 und 30, so geht die Fertigungsrichtung
offenbar in der Abbildung nach links. Dann sind 12
und 30 als Gutmaße und 12,1 und 30,15 als Aus-
schußmaße anzusprechen. Würde man die Fläche B
zum Ausgang der Fertigung nehmen, so müßte nach
obiger Richtlinie geschrieben werden: 12,1- O,l.
Abb.3. f
Fertigungsrichtung, Abb. 4 zeigt eine Schreibweise ür Symmetrie-
A ist Ausgangsfläche.
toleranzen. Der gebrochene Linienzug mit der An-
gabe ± 0,1 bringt zum Ausdruck, daß der Schlitz 6 Dll höchstens um
0,1 mm unsymmetrisch zur Welle 200 h5 liegen darf. Das Nennmaß
Null wird hierbei fortgelassen. Die Lage der beiden Knickstellen zeigt
an, auf welche Flächen sich die Toleranz be-
~: w-E8·t-3
zieht.
b) Kurzzeichen. Im DIN-Passungssystem
sind Toleranzen in bezug auf die Größe und
Abb.4. Symmetrietoleranz Lage zur Null-Linie für bestimmte, häufig vor-
Schlitz 6 Dll darf zur Welle
200 h5 nach jeder Richtung kommende Zwecke genormt. Für die verschie-
0,1 nnsymmetrisch liegen.
denen Nennmaßbereiche von 1 bis 500 mm sind
Abmaßreihen aufgestellt worden. Die Toleranz muß selbstverständlich
mit wachsendem Nennmaß größer werden. Es wurde daher der Begriff
1 Die hier und im folgenden gemachten Vorschläge für die zahlenmäßige An-
gabe von Toleranzen sind der Heergerätnorm HgN 106 06 entnommen; diese
Schreibweise ist für Zeichnungen der Wehrmacht vorgeschrieben. Das Normblatt
kann durch den Beuth-Verlag, Berlin SW19, Dresdener Str.97, bezogen werden.
Schreibweise der Toleranzen.
rungen groß, für Wellen klein geschrieben wird, und einer Zahl, die die
Qualität angibt; z. B. ist h 8 eine Welle der 8. Qualität, deren Toleranz
von der Null-Linie nach Minus geht; H 8 ist die Bohrung mit der gleichen
Toleranz nach Plus. Die Systeme Einheitswelle und Einheitsbohrung
1
2
1,5 1,5 1,5
2 2 2
l,g I 1,5
2
2
3
21
3
3
4
4
5
5
7
6
8
7
9
8
10
-
-
3 3 3 3 3 4 4 5 6 8 10 12 13 15 -
4 4 4 4 5 6 7 8 10 12 14 16 18 20 -
-
5 5 5 6 8 9 11 13 15 18 20 23 25 27 =7
6 7 8 9 11 13 16 19 22 25 29 32 36 40 10
7 9 12 15 18 21 25 30 35 40 46 52 57 63 16
8 14 18 22 27 33 39 46 54 63 72 81 89 97 25
9 25 30 36 43 52 62 74 87 100 115 130 140 155 40
10, 40 48 58 70 84 100 120 140 160 185 210 230 250 64
11 60 75 90 110 130 160 190 220 250 290 320 360 400 100
12 190 120 150 180 210 250 300 350 409 460 520 570 630 160
13 140 180 220 270 330 390 460 540 630 720 810 890 970 250
14 250 300 360 430 520 620 740 870 1000 1150 1300 1400 1550 400
15 400 480 580 700 840 1000 1200 1400 1600 1850 2100 2300 2500 640
16 600 750 900 1100 1300 1600 1900 2200 2500 2900 3200 3600 4000 1000
5. Maßeintragung.
Es ist keineswegs gleichgültig, in welcher Weise die Maße in die Ge-
rätzeichnung eingetragen werden, ob sie von dieser oder jener Werk-
1 Nach DIN 7151. Wiedergegeben mit Genehmigung des Deutschen Normen-
ausschusses. Verbindlich ist die jeweils neueste Ausgabe des Normblattes im
Normformat A4, das beim Beuth-Verlag, G.m.b.H., Berlin SWI9, erhältlich ist.
Maßeintragung. 11
stückkante ausgehen, ob eine Lochreihe gleich einer Kette von Loch zu
Loch bemaßt wird oder die Abstandmaße für alle Bohrungen einzeln von
einer gemeinsamen Ausgangsfläche aus angegeben werden. Dies gilt ganz
besonders für Maße, die mit bestimmter Genauigkeit gefertigt und folg-
lich mit Toleranzen versehen werden müssen.
Für die Art der Maßeintragung sind drei Gesichtspunkte richtung-
gebend:
1. Funktion,
2. Fertigung (Werkzeugmaschine, Vorrichtung, Werkzeug),
3. Prüfung (Lehre).
Es kommt oft vor, daß diese drei Punkte ganz verschiedene Arten der
Maßeintragung erfordern, und es ist die Aufgabe des Konstrukteurs, einen
Mittelweg zu finden, so daß das Teil seinen Zweck erfüllt und wirtschaft-
lich gefertigt und geprüft werden. kann.
Die Forderungen, die die Funktion berühren, sind dem Konstrukteur
von vornherein geläufig. Als Schöpfer der Konstruktion wird er sofort
sagen können, welches bei dem einzel- Ir' U
nen Teil die funktionstechnisch richtige
Maßeintragung wäre. Aber es ist not-
wendig, daß bei der Fertigung auch
die angegebenen Maße unmittelbar
~-----w------~
ohne Umwege entstehen. Die Grün-
Abb. 5. Fuuktions-, Fertigungs-
de für diese Notwendigkeit werden noch und Prüfmaße.
eingehend dargelegt. Ferner ist es ein-
leuchtend, daß bei jedem Arbeitsgang das Maß so gemessen werden muß,
wie es gefertigt wird; doch nicht immer ist mit dem besten Fertigungs-
verfahren auch das beste Meßverfahren gegeben.
Abb.5 zeigt ein ganz einfaches Gerätteil, an dem diese Beziehungen
studiert werden können. Zunächst sei angenommen, daß das Maß R für
die Funktion von Wichtigkeit ist.
Die Werkstatt wird zuerst die Flächen 1 und 2 bearbeiten oder ge-
zogenes Halbzeug verwenden. Die Fertigung der Fläche 3 nach dem
Maß R wird mit einer einfachen Vorrichtung (Schraubstock mit Sonder-
backen) auf einer Waagerecht-Fräsmaschine oder Kurzhobelmaschine er-
folgen, während das Werkstück auf der Fläche 1 aufliegt. Um das Maß R
möglichst genau zu erreichen, muß man das Werkzeug jedesmal auf der
Fläche 2 aufsitzen lassen und dann den Tisch um den Betrag R heben.
Das ist bei Mengenfertigung unwirtschaftlich.
Würde man in Anlehnung an die Maßangabe R im Maschinenschraub-
stock eine Anlage für die Fläche 2 schaffen, so hätte das den Nachteil, daß
die senkrechte Teilkraft des Schnittdruckes allein von der Reibung an den
Schraubstockbacken aufgenommen werden muß. Die andere Möglich-
12 Gerätzeichnungen.
keit, in einer Vorrichtung auf die Fläche 1 gegen eine feste Anlage für
Fläche 2 zu spannen, ist ebenfalls unvorteilhaft. Es wird gegen eine
Hauptregel des Vorrichtungsbaues verstoßen: Das Werkzeug arbeitet
gegen die Spannung, der Schnittdruck sucht das Stück von der Auflage-
fläche 2 abzuheben. Dies hat zur Folge, daß mit geringerem Vorschub
und mit größerer Toleranz gerechnet werden muß.
Fertigungstechnisch richtiger ist demnach die Auflage auf der Fläche 1.
Bei bleibender Einstellung des Werkzeugmaschinentisches entsteht nicht
das Maß R, sondern das Maß 8. Diese Art der Maßeintragung hat auch
für die Messung Vorteile, denn das Maß 8 ist ein Wellenmaß und kann mit
einer Rachenlehre gut und mit großer Meßsicherheit geprüft werden. Das
fertige Werkstück kann zwar erst gemessen werden, nachdem es der Vor-
richtung entnommen ist; aber dies ist ein Nachteil, der bei Mengenferti-
gung unwesentlich ist und selten vermieden werden kann. Das Maß R
dagegen ist ein Tiefenmaß, die Messung ist schwieriger und unsicherer.
Dazu kommt noch, daß für 8 eine normale Rachenlehre anwendbar ist,
während Reine Sonderlehre erfordert.
Man erkennt, daß aus fertigungs- und lehrentechnischen Gründen die
Maßeintragung 8 vorteilhafter ist. Dann entsteht aber das für die
Brauchbarkeit wichtige Maß nicht unmittelbar, sondern mittelbar über
das Hilfsmaß T, und es ist R = T - 8.
Für jedes dieser Maße T und 8 braucht die Werkstatt eine Fertigungs-
toleranz. Nimmt man für beide Maße ein Abmaß - 0,1 an, so kann in den
äußersten Fällen
T entweder gleich T oder gleich T - 0,1 und
8 entweder gleich 8 oder gleich 8 - 0,1 werden. Dann kann R in
einem Grenzfall gleich
T - (8 - 0,1) = R + 0,1, im anderen gleich
(T - 0,1) - 8 = R - 0,1 werden, d. h. R kann um 0,2 mm schwan-
ken. Man sieht, daß sich die Toleranzen addieren. Der Vorteil besserer
Fertigung und Messung wurde damit erkauft, daß an Stelle einer gro-
ßen (0,2) zwei kleine (0,1) Toleranzen vorgeschrieben sind. Man wird
trotzdem diese Maßeintragung wählen, wenn das Maß T ohnehin toleriert
werden muß.
Wenn aber die Funktionstoleranz von R sehr klein sein muß, so
klein, daß die Einhaltung der sich daraus durch Aufteilung ergeben-
den Toleranzen von 8 und T mit gewöhnlichen Fertigungsmitteln
Schwierigkeiten macht und zuviel Ausschuß ergibt, dann wird nichts
anderes übrigbleiben, als Rund T einzutragen und eine verwickeltere
Vorrichtung in Kauf zu nehmen. Wenn das letzte an Verbilligung
herausgeholt werden soll, kann nur eine genaue Kostenrechnung und
Gegenüberstellung der beiden Verfahren entscheiden. Bei dieser Rech-
Maßeintragung. 13
t++++-+
• .1. .1. .1. .1
t-+-+-++-t
tJ ! I !
, .I! I
I: ., .i
Abb.7. Lochreihe, Kettenmaße. Abb.8. Lochreihe, Maßangabe von
einer Fläche aus.
Maße laufen in einer bestimmten Richtung, sie führen von einer irgend-
wie gestalteten Fläche zu einer anderen und nicht umgekehrt, wobei die
erste Fläche bereits fertig ist und die zweite zu fertigen ist. Ein Beispiel
hierfür ist das Maß S in Abb. 5: Es führt von der, Fläche I auf die
Fläche 3. Als weiteres Beispiel sei das Maß von einer Fläche zu einer
Bohrung genannt. Diese Eigenschaft besitzen nicht alle Maße, z. B.
Wellen- und Bohrungsdurchmesser.
2. Daraus folgt: Durch die Art der Maßeintragung wird die Reihen-
folge und Art der Fertigoogsgänge bis zu einem gewissen Grade fest-
gelegt. Wird ein toleriertes Maß bei der Fertigung auf Umwegen erreicht,
so muß die Toleranz der Zeichnung aufgeteilt werden.
Nunmehr wird man erkennen, daß es nicht richtig ist, eine Lochreihe
so zu bemaßen, wie in Abb. 7 angedeutet, sobald es auf die Lage der Boh-
rungen irgendwie ankommt und Toleranzen eingeschrieben werden müs-
sen. Für die Vorrichtung ist eine gemeinsame Ausgangsfläche oder -boh-
rung notwendig; dies wird bei der Bemaßung nach Abb. 8 zum Ausdruck
gebracht.
Der Einwand, daß die Genauigkeit in der Bohrvorrichtung liege und
von der Art der Maßeintragung nicht beeinflußt werde, versagt, wenn
Maßeintragung. 15
man beginnt, Toleranzen einzutragen, und bedenkt, daß sie sich am Ende
der Kette addieren.
Für die Arbeitsvorbereitung (Aufstellung der Fertigungspläne, Ent-
wurf der Vorrichtungen, Werkzeuge und Lehren) und für die Fertigung
ist von großem Wert, wenn für möglichst viele Maße die gleichen Aus-
gangsflächen, -bohrungen oder -zapfen benutzt werden. Diese Flächen
sollen möglichst groß sein und die sichere Aufspannung während des
Arbeitsganges ermöglichen, ohne daß das Werkstück verspannt wird.
Mitunter wird man besondere Flächen vorsehen müssen, die für den Ver-
wendungszweck des Teiles nicht erforderlich sind oder später weg-
gearbeitet werden müssen.
Die Beurteilung der Maßeintragung vom fertigungstechnischen Stand-
punkt fällt anders aus, wenn mit Formwerkzeugen (Formfräser, Satz-
I..
-
b) Maße, die für den Zu sam me n bau des Gerätes entscheidend sind,
und zwar:
1. den einmaligen Zusammenbau bei der Herstellung,
2. den wiederholten Zusammenbau beim Gebrauch.
Beispiele: Nähmaschinenschiffchen, Verschluß für den Brennstoffbehälter
am Kraftfahrzeug.
3. den Ersatz unbrauchbar gewordener Teile oder Baugruppen.
Beispiel: Mikrophondose beim Fernsprecher.
c) Hilfsmaße für die Fertigung, die für die ein- oder mehr-
malige Aufnahme in Vorrichtungen besonders geeignet, aber weder für
das Wirken noch für den Zusammenbau von Wichtigkeit sind.
Wird ein solches Maß toleriert, so muß es als Hilfsmaß gekennzeichnet werden;
sonst wird das Fertigungsverfahren einseitig festgelegt, und bei Abweichungen von
dem gedachten Fertigungsverfahren unwichtige Maße unnötig genau gefertigt oder
sogar Werkstücke verworfen, die vollkommen brauchbar sind. Wenn die Frage
nicht vorher mit der Betriebsleitung besprochen werden kann, ist es besser, das
Aussuchen eines geeigneten Maßes der Arbeitsvorbereitung zu überlassen.
d) Freie Baumaße, die weder für das Wirken noch für den Zu-
sammenbau, noch für die Fertigung von irgendwelcher Bedeutung sind.
Beispiele: Griffdurchmesser einer Handkurbel, Wanddicke eines wenig be-
anspruchten Teiles.
Es kann keine grundsätzliche Richtlinie dafür angegeben werden,
welche von den unter a) bis d) aufgeführten Maßen in der Zeichnung ~ine
fordern, als in jedem einzelnen Falle zu überlegen, wie weit man gehen kann. Durch
diese Bequemlichkeit wird die Verantwortung für das einwandfreie Arbeiten des
Gerätes abgewälzt und dafür nutzlos der Werk-
\ statt unabsehbare Schwierigkeiten aufgebürdet
und Volksvermögen vergeudet.< Hat der Betrieb
\
t
aber erst einmal gemerkt, daß es mit den kleinen
Toleranzen nicht so ernst gemeint ist, dann wird
.~
1\ man bald Stücke eingebaut finden, die tatsächlich
~ \ nicht zu gebrauchen sind.
"'- r- -
Werden auf Grund sorgfältiger Über-
legung oder einer Toleranzuntersuchung
o To/eranz- (Abschnitt 10) sehr kleine Toleranzen als
Abb.12. Beziehuug zwischen Preis unumgänglich notwendig ermittelt, so ist
und Toleranz.
ZU überlegen, ob nicht eine - oft gering-
fügige - Konstruktionsänderung Abhilfe bringen kann.
Man wird bei der Beschäftigung mit Toleranzen auch feststellen müssen, daß
manche Konstruktionseinzelheit toleranztechnisch nicht beherrscht werden kann
und somit konstruktiv falsch ist. Ein Beispiel zeigt Abb. 13.
Es kann nun einmal nicht erreicht werden, daß diese beiden
starren Teile im Kegel und am Bund gleichzeitig tragen, und
wenn die Toleranzen noch so klein gemacht werden. Es ist
auch schon vorgekommen, daß eine Platte mit drei solcher
Kegelbohrungen auf drei entsprechenden Stiften des Unter-
teils gleichzeitig einwandfrei sitzen sollte!
8. Nichttolerierte Maße.
Abb.13.
Toleranztechnisch
falsche Konstruktion.
Bei der Frage, ob toleriert werden soll oder nicht,
drängt sich immer wieder die Gegenfrage auf: was
Entweder sitzt der Kegel
auf oder die Stirnfläche,
aber nie beidefertigt die Werkstatt, wenn keine Toleranz ange-
gleichzeitig.
geben ist?
Dann gelten die werkstattüblichen Toleranzen, die meist nicht fest-
gelegt sind und je nach dem Werkstoff, dem Fertigungsverfahren und
der Größe der Teile sehr verschieden groß sein können.
Das Heereswaffenamt hat durch die Herausgabe der Heergerätnorm
HgN 11329 im Jahre 1931 den Versuch gemacht, das Problem der nicht-
tolerierten Maße einer Lösung näherzubringen. Es sind "zulässige Ab·
weichungen für Maße ohne Toleranzangabe" festgelegt nach den drei
Gesichtspunkten: Werkstoff, Fertigungsverfahren und Größe des Maßes l .
Selbstverständlich kann ein solcher Versuch, der für alle Arten von Heergerät
vom groben Maschinenbau bis zur Feinmechanik Gültigkeit haben soll, nicht rest-
los befriedigen. Es ist jedoch zu bedenken, daß eine Vorschrift, die allen Teilgebieten
gerecht werden will, sehr umfangreich werden müßte. Andererseits wurde der
gänzliche Mangel einer solchen Vorschrift beim Waffenamt besonders schwer
empfunden, weil bei Heergerät mit gleichzeitiger Fertigung an verschiedenen Stellen
1 Das Blatt kann durch den Beuth-Verlag, Berlin SW 19, Dresdner Str.97,
bezogen werden.
Toleranzuntersuchungen. 21
gerechnet werden muß und eine besonders sorgfältige Abnahme nötig ist, die sich
bis in alle Einzelheiten erstreckt.
Jede derartige Vorschrift wird aber auch zur Folge haben, daß Maße, für die
größere Toleranzen als die angegebenen zulässig sind, wieder toleriert werden
müssen, z. B. die Bohrtiefe von Sacklöchern.
Das Normblatt HgN 11329 ist in den DIN-Mitteilungen vom 7. April 1932
veröffentlicht worden, seine Erhebung zur Dinorm scheiterte jedoch daran, daß
in der Privatindustrie durch übersteigerte Ansprüche des Bestellers wirtschaftliche
Schädigungen des Herstellers befürchtet wurden.
9. Oberflächenzeichen.
Auch die Oberflächenzeichen nach DIN 140 stellen eine Art Toleranz
dar, die jedoch mit der Maßtoleranz grundsätzlich nichts zu tun
hat und davon unabhängig ist. Es kann beispielsweise eine Welle
mit sehr großer Maßtoleranz hochglanzpoliert werden, andererseits ist
eine Edeltoleranz nicht mit einem Schruppschnitt zu erreichen, abgesehen
davon, daß die Unebenheiten der Oberfläche wahrscheinlich die Passungs-
toleranzen überschreiten würden, und daß eine solche Toleranz schwer
einwandfrei meßbar und konstruktiv sinnlos ist. Abgesehen von diesem
Zusammenhang muß die Oberflächengüte unabhängig von der Toleranz
in jedem einzelnen Falle zum Gegenstand einer Überlegung gemacht
werden.
Die Oberflächenzeichen nach DIN 140 legen die zulässigen Uneben·
heiten und Rauhigkeiten, die durch das Fertigungsverfahren bedingt
sind, in groben Zügen fest. Durch eine bestimmte Oberflächengüte wird
daher die Zahl der möglichen Fertigungsverfahren eingeschränkt. Eine
Vorschrift für das Fertigungsverfahren wird dagegen nur bei
wörtlicher Angabe in der Zeichnung (z. B. schleifen) gemacht. Im ilbrigen
bleibt es dem Betrieb überlassen, .für eine bestimmte Oberflächengüte
das wirtschaftlichste Verfahren zu wählen.
Leider ist noch kein Verfahren zur Prüfung der Oberflächengüte so weit ent-
wickelt, daß eine zahlenmäßige Angabe dafür gemacht werden kann. Das Heeres-
waffenamt hat deshalb Mustertafeln herausgegeben, die an einzelnen Stücken die
Mindestgüte für ein bestimmtes Oberflächenzeichen bei verschiedenen Bearbeitungs.
verfahren zeigen und bei der Abnahme zum Vergleich benutzt werden.
10. Toleranzuntersuchungen.
Unter einer Toleranzuntersuchung versteht man die zahlenmäßige
Untersuchung der Grenzfälle, die sich als Summe einer Kette von
Toleranzen ergeben können. Hierbei kann sich die Untersuchung ent-
weder auf die Toleranzen eines Stückes oder mehrerer zusammengehöri-
ger Stücke beziehen.
Toleranzuntersuchungen sind ferner praktische Versuche, die die Er-
mittlung zweckmäßiger Toleranzen für einen Sonderfall zum Ziele haben.
a) Erster Hauptsatz. Eine rechnerische Toleranzuntersuchung wurde
'22 Gerätzeichnungen.
===:J,:::~m
_ _ _ ~ G'ro"ßfmI1ß
ft ~ ~
Abb.14. Toleranzkette.
Ist eine Toleranz durch mehrere Abmaße ausgedrückt, z. B. 20! g;i, oder
20 ± 0.05, so ist selbstverständlich bei der Summierung der Toleranzen die Differenz
der beiden Abmaße einzusetzen, nämlich 0,1 (Toleranzfeld).
Beispiele für Toleranzketten aus drei
Gliedern zeigen die Abb. 14u.15.
Am rechten Ende des Maßes 50 _ 0 5 in
Abb.15 kann sich die Toleranz Td-0.5)'aus-
wirken. An diese Variation schließt sich das
Maß 20+ 0,5 an, das seinerseits wieder eine
Variation um T 2 zuläßt; auf diese Weise be-
steht am linken Ende des Maßes 20+ 0,5 die
Gesamttoleranz T 1+T 2 • In gleicher Weise
ergibt sich am Ende der Kette, d.i. am rech-
ten Ende von 40 _ 1 die Gesamttoleranz .
T 1+T 2+T 3 •
Abb. 15. Toleranzkette.
Zur zahlenmäßigen weiteren Erläu-
terung des 1. Hauptsatzes sind in Zahlen-
tafel 2 (s. S. 23) alle möglichen Kombinationen zwischen den Grenz-
maßen der Toleranzen Tl> T 2 und T 3 zahlenmäßig durchgerechnet, und
es zeigt sich, daß die Summe der Toleranzkette nur zwischen 68 und 70
schwanken kann.
Toleranzuntersuchungen. 23
Auf S. 12 war auch bereits die Umkehrung des 1. Hauptsatzes
erkannt worden:
Wird eine Toleranz auf Umwegen gefertigt, so muß sie
in Einzeltoleranzen aufgeteilt werden und diese müssen
auf alle Zwischenmaße verteilt werden.
Zahlentafe12. Auswirkungen einer Toleranzkette.
(G = Größtmaß l( = Kleinstmaß).
Maß
I I
Vor-
zeichen
° 0,3 + t .
= 51 0 - § x K + 80 - ~ xK - 149 K + 0,3
xK = 0,3 + 25,50 + 80 -24,511: + 0,3
xK= 9,6
wie in Abb. 22, und eine außermittige Lage des Teilkreises zur Zentrie-
rung möglich ist. In der Abbildung ist diese durch die Syminetrie-
toleranz ± 0,3 gegeben. Die Zentrierung 20h8 zu 20H8 hat das Kleinst-
spiel 0, mit diesem muß gerechnet werden, denn das Festklemmen des
Bolzens ist weniger zu befürchten, wenn die Zentrierung nachgeben
kann. Der Rechnungsgang beginnt und endet in der Mitte der Zen-
trierung.
Weitere Beispiele für Lochkreistoleranzen sind im IU. Teil im Zusammenhang
mit den Lochmittenlehren behandelt.
e) Überbestimmungvon Toleranzen und Übertolerierung. Addiertman
beispielsweise die beiden tolerierten Maße 30 + 0,5 und 40 + 1,5 mitsamt
ihren Toleranzen, so erhält man 70 + 2. Trägt man dieses Maß ebenfalls
in die Zeichnung ein (Abb.23), so sind die Toleranzen überbestimmt.
Nach der schon erwähnten Grundregel darf die Werkstatt jede Toleranz
für sich voll ausnutzen. Tut sie dies beiMaß 70 + 2 in dem Sinne, daß das
Maß 72 entsteht und wird außerdem beispielsweise 40 gefertigt, so
entsteht statt 30 + 0,5 das Maß 32. Die Toleranzen sind nicht mehr
unabhängig und das Verfahren ist daher grundsätzlich zu verwerfen.
30 Gerätzeichnungen.
f-::=
ergibt sich zwangläufig daraus die Wanddickentoleranz unter der
/fS ., =-~1'5 Voraussetzung, daß Innen- und Außenzylin-
, 80 f/O d er genau ml'tt'19 l'legen. Mu ß SIe
. kl' .
einer sein,
~ 70+2 als sich rechnungsmäßig ergibt, so bedeutet
" Abb. 23. Überbestimmte dies eine Einschränkung der Durchmesser-
Toleranzen. toleranzen. Es empfiehlt sich dann, in einer
Bemerkung auf der Zeichnung auf die Überbestimmtheit hinzu-
weisen (Beispiel s. Abb. 24). Wenn die Wanddickentoleranz größer sein
kann, als dies den Durchmessertoleranzen entspricht, ist es vorteilhafter,
in irgendeiner Form Symmetrietoleranzen anzugeben.
Betrachtet man eine T-förmige Führung (vgl.
Abb. 69, S.70) in bezug auf die Tolerierung, so
kommt man zu dem Ergebnis, daß das Anliegen
des Innenteils am Außenteil auf allen 9 Flächen
unmöglich erreicht werden kann. Da jedes
Maß bei der Fertigung Schwankungen unterliegt,
trägt in waagerechter wie in senkrechter Rich-
tung jeweils nur eine Fläche, bzw. wird die
* Die Durchmessertoleranzen Führung von einem Flächenpaar übernommen.
dürfen nur soweit ausgenutzt
werden, daß keine Ober- Deswegen ist eine solche Konstruktion nur
8chreilung der Wanddicken-
toleranz eintrit,. dann nicht übertoleriert, wenn in jeder
Abb. 24. Überbestimmte Richtung nur ein Flächenpaar entsprechend
Toleranzen.
Ist z. B. das Istmaß des dem gewünschten Sitz toleriert und an den
Außendnrchmessers 49 ge- übrigen Flächen soviel Spiel vorgesehen ist, daß
worden. so darf der Innen-
durchmesser höchstens 40,2
werden, damit nach Zeich-
auch bei Auswirkung der Symmetrietoleranzen
nungsvor.chrift die Wand- keine Berührung zwischen Innenteil und Außen-
dickentoleranz nicht über-
schritten wird. Hierbei ist teil stattfindet. Für die Wahl der "Führungs"-
genau mittige Lage voraus-
gesetzt. Etwa vorhandene Flächen ist die Möglichkeit wirtschaftlicher
Außermittigkeit muß a uBer.
dem berücksichtigt werden. und genauer Fertigung und Messung ausschlag-
gebend.
f) Ermittlung von Toleranzen durch Versuche. Wenn für einen
Sonderfall keine Erfahrungen vorliegen, die für die Wahl eines geeigneten
Sitzes maßgebend sein können, so muß die zweckmäßige Tolerierung
durch Versuche ermittelt werden.
Es sei angenommen, daß eine Stahlbuchse in einen dünnwandigen
Leichtmetallkörper eingepreßt werden soll. Die eingepreßte Buchse soll
sich erst bei einer bestimmten Kraft in der Achsenrichtung oder bei
einem bestimmten Drehmoment bewegen. Zur Durchführung der Ver-
suche fertigt man eine Anzahl Buchsen und Körper aus dem gleichen
Werkstoff und möglichst mit der gleichen Oberflächengüte, wie sie später
Toleranzuntersuchungen . 31
bei der Fertigung ausfallen. Abb. 25 zeigt links als Beispiel die Reihen-
folge der Versuche, bei denen die Übermaße systematisch so gewählt
sind, daß mit möglichst wenig Werkstücken auszukommen ist.
Die Versuchsergebnisse zeigen, daß bei einem Übermaß von weniger
als 50 ft der Sitz stets zu lose ist und über HO ft stets Zerstörung des
Leichtmetallkörpers eintritt. Ferner ergeben sich Grenzgebiete, inner-
halb deren das Versuchsergebnis manchmal positiv, manchmal negativ
ist. Zwischen diesen beiden Grenzgebieten wird diejenige Paßtoleranz
100
F
50
tl Or-~~~~__~~~--~+-
~~ -1-
~~-50
"i *:W; 02+
1='''''''-1----'''''
II. Lehren.
1. Was ist Messen 1
Messen ist entweder die zahlenmäßige Feststellung eines Längen-
oderWinkelmaßes oder die Feststellung, ob ein Maß größer oder kleiner
ist als ein gegebener Zahlenwert.
Im Sprachgebrauch wird unter "Messen" in erster Linie das zahlen-
mäßige Feststellen verstanden, man spricht auch vom "Ausmessen" oder
(im Lehrenbau) vom "Vermessen". Dies kann mit einem Strichmaßstab,
einer Schieblehre oder einer Schraublehre geschehen. Auch Endmaße
können dazu benutzt werden; hierbei wird durch Probieren diejenige
Endmaßzusammenstellung gesucht, die sich gerade noch einführen läßt.
In der Werkstatt bedeutet die Ermittlung einer vielziffrigen Zahl eine
ganz erhebliche Fehlerquelle und einen Zeitverlust. Deswegen ist man
bei der Mengenfertigung dazu übergegangen, dem Arbeiter feste Lehren
zu geben, mit denen er nur festzustellen hat, ob das Maß des Werkstückes
größer oder kleiner als die feste Lehre ist. Das Maß dieser Lehre wird in
dem hierfür besonders eingerichteten Meßraum mit der erforderlichen
Genauigkeit "ausgemessen". Diese Arbeit wird besonders geschulten
Leuten übertragen. Damit ist die vollkommene Trennung zwischen der
Maßfeststellung und der zweiten Art des Messens, die man als "Prüfen"
bezeichnen kann, herbeigeführt.
fl/'enz/'ochenlehre
flMnzlehf'fiorn, fOrm/ehre
IInvef'SleIlbore
Zeiger/ehM m.i! IiJst l10rken
rechte/' Winkel
Schieblehre
Schf'OlIblehre,l1eBllhrslüntier
ve/'sfelllJure SlrichmoBslob
Winke/meBgeriifrSchmiegeJ
Lehre eingesetzt werden. Die Grenzlehre, die der Zeichnung entspricht, dient dann
nur der Überwachung der laufenden Fertigung.
Die Schwierigkeit ist keineswegs so groß, wie sie auf den ersten Blick erscheinen
mag; die Praxis hat vielmehr erwiesen, daß auch ohne Vormaß- und Zwischenmaß-
Lehren die Ausschußziffern gering sind, wenn sich die Werkstatt erst an den Ge-
brauch von Festmaß-Lehren gewöhnt hat. Keinesfalls ist es zu empfehlen, neben
diesen auch noch Istmaß-Lehren bereitzustellen, weil dann die Gefahr besteht, daß
nur diese angewendet werden. Dadurch würde der Zweck der Festmaß-Lehrung,
das "Ausmessen" nur von besonders geschulten Leuten ausführen zulassen, verfehlt
werden.
Wenn es sich um ein Vormaß für einen späteren Arbeitsgang handelt (z. B.
Schleifzugaben), sind besondere Vormaßlehren, die als Festmaß-Lehren ausgebildet
sind, zu empfehlen.
sich nicht, schon mit Rücksicht auf die Notwendigkeit eines Schmierfilms.
Deswegen muß der Meßdruck immer in der gleichen Richtung, auf die
gleiche Gewindeflanke, wirken; dies ist wichtig, wenn eine Lehrschraube
(ohne Bügel im Handel erhältlich) in eine Sonderlehre (Istmaß-Lehre)
eingebaut wird. Beim Einstellen einer solchen Lehre muß der Meßdruck
in der gleichen Richtung wirken wie beim Messen.
Die Regelung des Meßdruckes 1 ist bei so genauen Messungen, wie sie
die Schraublehre ermöglicht, besonders wichtig. Schwankungen des
Meßdruckes bewirken verschieden starke Abplattungen an den Be-
rührungsstellen und verschieden große elastische Formänderungen der
Lehre. Auch die meist angebrachte Ratsche oder Reibkupplung bietet
keine unbedingte Gewähr für gleichbleibenden Meßdruck, durch mehr
oder weniger schnelles Andrehen können erhebliche Unterschiede hervor-
gerufen werden.
Eine Erweiterung des Anwendungsgebietes der Schraube als Über-
setzung stellen die Meßmaschinen dar, soweit man sich hierbei der
Schraube bedient (Hommel, Mahr, Reinecker, Sautter & Meßner).
Hierbei werden Meßdruckregler der verschiedensten Bauarten benutzt.
Zahnräder. Eine weitere Möglichkeit einer mechanischen Übersetzung
des Meßwertes stellt das Zahnradgetriebe dar, wie es in der Meßuhr An-
wendung findet. An ein solches Räderwerk werden hohe Anforderungen
bezüglich der Genauigkeit des Abwälzens gestellt, die Rädchen sind kaum
größer als die einer Taschenuhr. Es hat lange gedauert, bis brauchbare
und vor allem haltbare Meßuhren in den Handel kamen. Die Anforde-
rungen in bezug auf Teilungs-, Evolventenfehler und Unrundheit sind
höher als bei einer guten Taschenuhr. Dazu kommt, daß die Werkstoff-
beanspruchungen bei stoßweiser Bewegung des Taststiftes infolge der
Massenkräfte außerordentlich hoch sind. Das unvermeidliche Spiel
zwischen den Zahnflanken wird durch Federn unschädlich gemacht. Die
Meßuhr hat genormte Anschlußmaße und kann mit Vorteil in Sonder-
lehren eingebaut werden; sie erhält auf Wunsch einstellbare Toleranz-
marken und stellt dann eine Festmaß-Lehre dar. Ihre leichte und ein-
fache Einstellmöglichkeit nach einem Urstück (Gegenlehre), durch Ver-
drehen der Teilung, ist zweifellos ein Vorteil, es besteht jedoch die Ge-
fahr einer unbeabsichtigten oder absichtlichen Verstellung beim Werk-
stattgebrauch.
Bei der Meßuhr kann, wie bereits erwähnt, in der Werkstatt mit einer
Zuverlässigkeit der Messung auf einen Teilstrich gerechnet werden. Be-
sonders zweckmäßig sind Meßuhren, die einen gleichbleibenden Meß-
druck über den ganzen Meßbereich aufweisen (Mahr).
Die Meßuhr wird in der verschiedensten Weise bei handelsüblichen
1 Auf dem Normblatt DIN 863 ist die zulässige Aufbiegung des Bügels für den
Meßdruck 1 kg festgelegt.
Wie wird gemessen? 41
3
platte, zum Ausrichten
von Maschinen, in Ver-
bindung mit anderen
Hilfsmitteln (Schmiege)
usw. Die Empfindlich- :S ··:' ··-~-- i~--,· -;.--, -
t I , I • , •
01245678 9 10
keiten sind in DIN 877
genormt. Die Wasser-
waage kann geeicht und Jq
Lehrreich ist hierbei die Verwendung einer auf eine drehbare Glasstrichplatte
aufgebrachten Doppelspirale. Zwischen den beiden Spiralstriehen läßt sich mit
großer Genauigkeit ein Strich der Millimeterteilung eingrenzen; die Ablesung
der Hundertstel und Tausendstel erfolgt
I
auf einer Kreisteilung der Spiralplatte
I (Abb.29).
I
I Das UMM wird neben vielen anderen
I Anwendungsgebieten in Lehrenwerk-
I
I stätten für die genaue Messung von Ge-
I
I I
winde benutzt. An die Gewindeflanken
I Ii I I werden besondere Meßschneiden ange-
-- -----+-+++- ------ schoben die parallel zur Schneide in be-
I 11 I I
I I I I I stimmtem Abstand einen feinen Riß
I I II I tragen. Dieser Riß wird mit einer im
I I I
I I I Mikroskop befindlichen drehbaren Uni-
I I ' versalstrichplatte (Abb. 30) anvisiert; auf
! diese Weise kann der Flankendurch-
messer ermittelt werden. Zur Prüfung
des Gewindeprofils dient eine Revolver-
Abb.30. UniversaJstrichplatte. strichplatte (Abb. 31), welche die ver-
schiedenen Gewindeprofile enthält. Uni-
versalstrichplatte und Revolverstrichplatte finden sich auch am Werkstattmikro-
skop.
Beim Optimeter, als Waagerecht- oder Senkrecht-Optimeter ausge-
"- "-
"-
"-
"-
\
\ 53'0'/ "- "-
\ /
\ /
----"----
1
" 0$1
" I
"" I
"..- "-~ \
-- .f. \
-7
\
/ -..-..
/ /
/
I
I
/
/ ..... j.
/ I ...................
/ -..
führt, wird durch die Bewegung des Meßbolzens ein Spiegel gekippt.
Dieser Spiegel reflektiert das Bild einer Skala in das Gesichtsfeld einer
Wie wird gemessen? 43
Lupe. Eine feste Marke in der Lupe gestattet Ablesungen von 0,001 mm,
bei einer neueren Ausführung können sogar 0,0002 mm abgelesen werden.
Das Optimeter muß nach Endmaßen oder Gegenlehren auf Null einge-
stellt werden.
Die Meßmaschine von Zeiß ermöglicht Absolutmessungen bis zu 6 m
auf 0,001 mm. Für die Ablesung der Hundertstel und Tausendstel ist ein
Optimeter eingebaut, das gleichzeitig als Meßdruckregler dient; zur
genauen Einstellung auf ganze Zehntelmillimeter dient ein Glasmaßstab
von 100 mm Länge und je im Abstande von 100 mm angebrachte Glas-
platten mit Doppelstrichen. Ein optisches System läßt die Maßstab-
teilung und jeweils ein Strichpaar gleichzeitig im Gesichtsfeld eines
Mikroskopes erscheinen; zur Einstellung wird der gewünschte Skalen-
strich genau in die Mitte zwischen das Strichpaar gebracht.
Als weitere optische Meßgeräte seien genannt die Brinell-Lupe zum
Messen des Eindruckdurchmessers bei Brinell-Härteprüfungen und das
Meßmikroskop mit Okularskala.
Ebenfalls mit mikroskopischer Ablesung und Glas-Strichplatten ist
der optische Teilkopf versehen, der sowohl zur Fertigung sehr genauer
Werkstücke, als auch für die Fertigung und Prüfung von Betriebs-
mitteln gebraucht wird.
Ferner verdient in diesem Zusammenhang der optische Winkelmesser
erwähnt zu werden, der infolge der Verschiebbarkeit des einen Schenkels
für alle möglichen Winkelmessungen verwendbar ist.
Lichtstrahl. Beim "Mikrolux" der Fa. Fritz Werner bildet ein Licht-
strahl den langen Arm eines Übersetzungshebelsi. Durch eine Hebel-
anordnung wird ein Spiegel gedreht, der einen Lichtstrich auf eine
zylindrisch gebogene Mattscheibe wirft. Die Einstellung muß mit einem
Einstellstück erfolgen, oder mit zwei Einstellstücken, wenn eine Grenz-
messung vorgenommen werden soll. Eine Istmaß-Ablesung ist nicht
vorgesehen, die Mattscheibe trägt verschiebbare Marken für die Grenz-
werte.
Projektion. Eine weitere Verwendung der Optik ist die Projektion.
Formstücke werden in bestimmter Vergrößerung (bis 1: 150) auf einen
Schirm oder eine Mattscheibe projiziert und können auf diese Weise mit
einem Aufriß in vergrößertem Maßstab verglichen werden. Es ist mög-
lich, diesen Riß als Toleranzfeld auszubilden und so eine Form-Grenz-
prüfung vorzunehmen (vgl. Abb. 66).
Bei genauesten Messungen wird die Interferenz der Lichtwellen benutzt,
das Verfahren kann hier unbesprochen bleiben, weil es ausschließlich in Meß-
laboratorien benutzt wird.
e) Vergleiehsmessung ohne Übersetzung. Wenn hier von einer Ver-
1 Das gleiche Meßprinzip wird seit langem bei physikalischen Meßinstrumenten
(z. B. Spiegelgalvanometer) angewendet.
44 Lehren.
nicht ganz leicht, so daß der Lichtspalt leicht verfehlt wird, und eine
Fehlmessung die Folge ist. Der Vorteil des Haarlineals ist im Gegen-
satz dazu die geringe Tiefenausdehnung, die den Lichtschimmer auch
bei nicht genauer Einstellung des Auges zu erkennen gestattet.
Ist bei der Vergleichsmessung nach Abb. 33 die Lehre erheblich
schwerer als das Werkstück, so ist es vorzuziehen, das Werkstück nach
der Lehre hin zu verschieben, um das Meßgefühl zu vergrößern.
Beim Messen mit einer starren Rachenlehre kommt es darauf an, daß
beim Ansetzen die Meßflächen parallel zu den zu messenden Flächen
liegen, mit anderen Worten, daß die Lehre nicht verkantet wird. Bei
geringer Übung und mangelnder
Sorgfalt kann dadurch leicht der
Eindruck entstehen, als sei das
Werkstück größer als die Lehre.
Diese Verkantung kann sowohl in
der Ebene der Lehre (Abb. 34), als
auch senkrecht dazu auftreten
(Abb.35). Bei der Messung einer
runden Welle kann das Verkanten
nach Abb.34 nicht vorkommen,
weil der zu messende Durchmesser
in jeder beliebigen Winkellage vor-
handen ist. Um das Verkanten
in der andern Richtung zu verhin-
dern, geht man vielfach so vor, daß
man zuerst die eine Meßfläche der
Rachenlehre zur Anlage bringt und
darauf achtet, daß nicht eine
punktweise Berührung- an der
vorderen oder hinteren Kante - ,
sondern eine Linienberührung über
Abb . 36. Messen einer W elle mit Rachenlehre.
die ganze Meßfläche hinweg ein-
tritt. Die Dickenausdehnung der Lehre an der Meßstelle wird also zum Auf-
richten der Lehre benutzt. Sodann wird die zweite Meßfläche über die
Welle geschwenkt, wobei die erste auf dem Umfang abrollt (Abb.36).
Geometrische Form. In diesem Zusammenhang taucht die Frage auf,
inwieweit durch die einzelnen Meßverfahren an zwei zusammengehörigen
Werkstücken sichergestellt wird, daß die Stücke mit der geforderten
Passung zusammengefügt werden können.
Betrachtet man als einfachstes Beispiel eine Rundpassung, Bohrung
und Welle, die mit genormten handelsüblichen Lehren geprüft werden,
so ergibt sich folgendes:
Die Bohrung wird mit einer Gutlehre geprüft, deren Meßfläche
Wie wird gemessen? 47
einen Zylinder von bestimmter Länge darstellt. Die Bohrung kann
unrund, kegelig, ballig, hohl oder krumm sein, sie kann alle diese Fehler,
mehr oder weniger stark, gleichzeitig besitzen. Der Gutlehrdorn läßt sich
ganz einführen, wenn an keiner Stelle ein Zylinder vom Durchmesser
und der Länge des Lehrdornes unterschritten wird. Ist die Bohrung
länger als der Meßzapfen, so wird eine Abweichung von der Geradheit
nicht ganz erfaßt. Ist die Bohrung soviel krumm, daß die Lehre gerade
noch hineingeht, so muß befürchtet werden, daß eine Welle, die länger
ist als der Meßzapfen, sich nicht einführen läßt. Man sieht, daß die
Krummheit durch eine im ganzen größer gehaltene Bohrung ausgeglichen
werden muß. Alle anderen genannten Abweichungen von der geometri-
schen Form nach der Gutseite hin werden vom Gutlehrdorn vollkommen
erfaßt.
Der Ausschußlehrdorn darf sich nicht einführen lassen. Das bedeu-
tet, daß an dem Ende der Bohrung, an dem man versucht, die Lehre
einzuführen, der einbeschriebene Kreis kleiner sein muß als der Durch-
messer des Ausschußlehrdorns. An dieser einen Stelle kann die Bohrung
unrund sein oder sogar enger als in ihrem weiteren Verlauf. Folglich
kann über den Sitz der Werkstückwelle in der Werkstückbohrung sehr
wenig ausgesagt werden; dieser Art Ausschußprüfung haften große
Mängel an.
Wenn es sich um eine Lagerbohrung handelt und demnach auf eine
gute Ausbildung des Schmierfilmes und -keiles sowie auf geringen Ver-
schleiß, d.h. auf eine gute geometrische Übereinstimmung zwischen Welle
und Bohrung und gleichmäßiges Tragen des ganzen Lagers besonderer
Wert gelegt werden muß, so muß man zu anderen Meßmitteln greifen.
Vorteilhafter ist bereits die Flachlehre, wie sie für große Bohrungen be-
nutzt wird, weil sie in gewissem Grade eine Unrundheit erkennen läßt.
Am besten geeignet für diesen Zweck ist jedoch ein Meßmittel, das an
jeder beliebigen Stelle zu prüfen gestattet, ob das Ausschußmaß des
Bohrungsdurchmessers überschritten ist oder nicht. Ein solches Meß-
mittel ist das Kugelendmaß. Es wird bis zu jeder beliebigen Tiefe
(wenn nötig, mit Halter versehen) eingeführt und aufzurichten versucht,
dabei kann der Durchmesser in jeder beliebigen Richtung geprüft werden.
Diese Vorzüge haben dazu geführt, daß mit der Einführung des ISA-
Toleranzsystems die Anwendung des Kugelendmaßes als Ausschußlehre
für Bohrungen weitgehend empfohlen wurde.
Die Vereinigung eines Gutlehrdorns, der kugelig ausgebildet ist, mit einem
Kugelendmaß stellt die von den schwedischen Kugellagerfabriken entwickelte
"Tebo-Lehre" dar l •
Betrachtet man nun die der Bohrung zugeordnete Welle und ihre
Prüfung, so stellt man fest, daß sie ebenso wie die Bohrung unrund,
1 Die Lehre wird in Deutschland von &eindl & Nieberding, Berlin, hergestellt.
48 Lehren.
kegelig, ballig oder hohl und krumm sein kann. Sie wird zunächst mit
einer Gutrachenlehre gemessen, die hinübergehen soll. Diese liegt,
wenn sie zufällig paßt, in zwei kurzen Stücken von Mantellinien des
Zylinders an. Die Geradheit wird also nur jeweils in einer Ebene und auf
eine Länge geprüft, die der Dicke des Meßrachens entspricht. Dies ist
verhältnismäßig wenig, viel weniger als beim Gutlehrdorn. Balligkeit
oder Hohlheit und Kegeligkeit können insoweit vorhanden sein, als bei
der vorbeschriebenen Anlage in zwei Mantellinienstücken nirgends das
Maß der Lehre überschritten ist. Hierbei muß vorausgesetzt werden, daß
eine genügende Anzahl von Messungen ausgeführt wird. Auch ein
elliptischer Querschnitt der Welle würde bemerkt werden, wenn das
Lehrenmaß an der dicksten Stelle überschritten ist.
Es gibt Abweichungen vom Kreisquerschnitt derart, daß
zwar der umbeschriebene Kreis größer ist als das Lehren-
maß, dies jedoch mit einer Rachenlehre nicht erkannt wer-
den kann. Dies sind die sog. "Gleichdicke", die ein Mittel-
ding zwischen der Kreisform und einem Vieleck mit unge-
rader Eckenzahl darstellen (Abb. 37).
Die vollkommenste Gutlehre für eine Welle ist ein
Lehrring, dessen Länge gleich der "tragenden" Länge der
Abb. 37. Drciseitiges Passung ist. Dieser läßt sich bei der Fertigung nicht immer
Gleichdick. gut anwenden, er wird besonders in der Feinwerktechnik
viel benutzt.
Die Ausschußrachenlehre darf sich nicht überführen lassen. Sie
liegt ebenfalls in zwei Linien an, die im Grenzfalle (wenn das Stück
gerade eben Ausschuß ist) auf Durchmessern liegen. Unterschreitungen
des Ausschußmaßes sind etwa in der Form denkbar, daß die Welle auf
der Länge der Berührungslinien hohl ist. Da diese verhältnismäßig
kurz sind, kann der Fehler nur unbedeutend sein. Das Ideal wäre eine
Ausschußrachenlehre mit punktförmiger Anlage, die, ebenso wie das
Kugelendmaß, den Nachteil der schnelleren Abnutzung aufweist.
Aus den Betrachtungen geht hervor, daß in dem gewählten Beispiel
Abweichungen von der geometrischen Form zunächst innerhalb des
Toleranzfeldes möglich sind und darüber hinaus infolge der Unvoll-
kommenheit der Meßmittel Abweichungen auftreten können, die ent-
weder das Zusammenfügen der beiden Werkstücke verhindern, oder die
Brauchbarkeit einer Lagerstelle infolge (örtlich auftretender) zu großer
Lagerluft in Frage stellen können.
Im gewöhnlichen Maschinenbau braucht jedoch diesen Fragen nicht
allzu große Bedeutung beigemessen zu werden. Es ist nur notwendig, daß
sich der Ingenieur darüber klar ist, welche Fälle trotz der sorgfältigen
Tolerierung eintreten können, und im Einzelfalle, der es erheischt, ent-
weder die Auswahl derMeßmittel vorschreibt oder besondere Anga ben
über Abweichungen von der geometrischen Form macht.
Wie wird gemessen? 49
4. Besondere Meßverfahren.
a) Flachpassungen. Bei einer Rundpassung gehört zu einer zylindri-
schen Welle eine zylindrische Bohrung und zwischen beiden ist, je nach
der Größe und Lage der gewählten Toleranzfelder , mehr oder weniger
Spiel oder Übermaß. Überträgt man die Verhältnisse auf flache pris-
matische Stücke, so erhält man eine Flachpassung. Sie besteht aus
einem Innenteil, entsprechend der
Rundpassungswelle, und einem
Außenteil, das der Paßbohrung
entspricht. Beide Werkstücke ent-
halten ein Paar paralleler Ebenen,
die gleichfalls mehr oder weniger
Spiel oder Übermaß zueinander
zeigen. Als Beispiele seien Paß-
federn, Flachführungen, Kulissen-
steine genannt.
Es steht nichts im Wege, Flach-
passungen in der gleichen Weise
zu tolerieren wie Rundpassungen ;
soweit wie möglich empfiehlt sich
die Anwendung von Toleranzkurz-
zeichen. Es ist jedoch darauf zu
Abb. 39. Flachpassung, Innenteil. Messung
achten, daß meist eine Flachpas- mit Grenzrachenlehre.
sung aus Fertigungsgründen eine
größere Toleranz erfordert als eine Rundpassung.
Es ist möglich Flachpassungen in der gleichen Art wie Rundpassungen
zu messen: mit Grenzrachenlehre und Grenzlehrdorn. Es ist aber wert-
voll, sich darüber klar zu werden, was dabei erreicht wird, in ähnlicher
Weise, wie dies bei den Rundpassungen auf S. 46ff. betrachtet wurde.
Bei der Prüfung des Innenteils einer Flachpassung mit einer
4"
52 Lehren.
die Mantellinie der Welle als Anlage zu benutzen, vor allem, wenn die Auflage an
der Ausgangsfläche klein ist (Abb. 49) .
Muß Wert darauf gelegt werden, daß die Flachsenkung bis zum
Rand erfaßt wird, so eignet sich eine Lehre nach Abb. 50 oder 51. In
Lehre
beiden Fällen wird der Lehrenkörper auf den oberen
Rand aufgesetzt und ein Stempel, dessen Durch-
messer nur wenig kleiner ist als die Bohrung, legt
sich federnd an die Flachsenkung an. Bei der Lehre
nach Abb. 50 besitzt der Tastbolzen oben eine ebene
Fläche, die durch Fühlen, durch Augenschein oder mit
Hilfe eines Haarlineals mit je einer rechts und links
gelegenen Fläche verglichen wird; der Höhenunter-
schied dieser beiden Flächen ist gleich der Toleranz.
Bei der Lehre nach Abb. 51 erfolgt die Ablesung an
Abb. 49. einem Markenstrich auf dem Tastbolzen, dem an
Schwenklehre für
Wellenabsatz.
einem Fenster im Lehrenkörper zwei Markenstriche
entsprechend der Toleranz gegenüberstehen. Bei klei-
nen Toleranzen, bei denen die zwei Markenstriche zu eng nebenein-
ander stehen würden, erhält der Tastbolzen zwei in beliebigem Abstand
aufgebrachte Marken, denen im Fenster je eine Marke entspricht. Ob
die Lehre nach Abb.50 oder 51 vorzu-
,
ziehen ist, ist hauptsächlich von der Ge-
wöhnung des Messenden abhängig und
IS
muß von der Erfahrung gelehrt werden.
In beiden Fällen liegt eine "Übertra-
gung" vor, und zwar im
ersten auf einen Kör-
'ill .. I:' per-Körper-Vergleich,
Lehre
im zweiten auf einen ein-
fachen oder doppelten
Strich -Strich-Vergleich.
Bei sehr kleinen Tole-
ranzen ist eine etwas ver-
Werks/17ck änderte Bauart vorzu-
ziehen, bei der der Tast-
Abb.50 . Tiefenlehre Abb. 51. Tiefenlehre mit bolzen auf ein Zeigerwerk
mit Tastfläch en. Markenstrichen.
(mit Übersetzung) mit
Toleranzmarken oder auf eine Meßuhr, Mikrotast od. dgl. arbeitet.
Von den vielen möglichen Bauarten von Tiefenlehren wurden nur einige
grundsätzliche gezeigt, die verschiedenen Abarten und Sonderkonstruk-
tionen gehen nur den Fachmann an. Es bleibt noch zu überlegen, inwie-
weit die einzelnen Bauarten die Austauschbarkeit sicherstellen. Die Be-
antwortung dieser Frage hängt sehr von der Form des Gegenstückes ab.
Besondere Meßverfahren. 57
MC.!LSTlF06 ~ OIN 1 W1 SO
Abb. 54. Lehre für Kegelstifte mit Gegenlehre. (Fritz Werner A.-G. , Berlin-Marienfelde.)
gelegt werden, wie dies beispielsweise bei dem Ladungsraum eines Ge-
schützes der Fall ist, um eine sichere Liderung der Patronenhülse zu
erreichen und andererseits das Festklemmen beim Aufweiten durch den
Gasdruck zu verhindern, so muß entweder eine Messung mit einzelnen
gestuften kegeligen, kugeligen oder zylindrischen, scharfkantigen (Ab-
nutzung 1) Scheiben und einer Art Tiefenmesser vorgenommen werden
(Abb.59) , oder es muß eine Verbindung zwischen einem anzeigenden
Innenmeßgerät und einem Tiefenmesser geschaffen werden, mit dem die
Durchmesser punktweise geprüft werden. Die gleichen Möglichkeiten
bestehen für Kegeldorne unter Verwendung gestufter Ringe oder einer
Verbindung zwischen
Außenmeßgerät und
Tiefenmesser .
In einfacheren Fäl-
len kann zur Formprü-
fung ein Haarlineal als
qualitatives Meßmittel
benutzt werden, das
bei Außenkegeln stets,
Abb. 59. Kegelmessung mit Meßscheibe.
bei Innenkegeln nur
bei genügend großen Durchmessern und guter Zugänglichkeit anwend-
bar ist.
d) Gewinde. Eines der schwierigsten und am häufigsten vorkommen-
den meßtechnischen Probleme stellt das Gewinde dar. Es würde zu weit
führen, wenn an dieser Stelle das Problem und die Meßmittel erschöpfend
dargestellt würden. Außerdem können die Schwierigkeiten als über-
wunden angesehen werden. Wer sich darüber eingehender unterrichten
will, dem seien die einschlägigen Dinormen, vor allem das Erläuterungs-
blatt DIN 2244 empfohlen, das in gedrängter Form alles Wissenswerte
enthält. Die Verwickeltheit des Gegenstandes kann an der Tatsache
ermessen werden, daß es recht lange gedauert hat, bis das Kolumbusei
der Gewindemessung, die Flankendurchmesser-Messung, gefunden wurde.
Noch ungelöst ist die Frage der Tolerierung und Messung des dichtenden
und des kegeligen Gewindes.
Die Bestimmungsgrößen eines Gewindes sind: Außendurchmesser,
Flankendurchmesser, Kerndurchmesser, Steigung, halber Flankenwinkel
und die Abrundungen im Kern- und Außendurchmesser. Eine Zeitlang
hat man sich bemüht, jede dieser Größen für sich mit möglichster Voll-
kommenheit zu messen und hatte zum Schluß doch kein brauchbares
Gewinde. Von einem guten Gewinde muß verlangt werden: gute An-
lage in den Flanken über die ganze Traglänge hinweg, genügende
Überdeckung, d.h. genügend große Tragfläche zwischen Bolzen und
Mutter und nicht allzuviel Spiel in radialer oder axialer Richtung. Die
Besondere Meßverfahren. 63
Dinormen enthalten drei Gütegrade : fein, mittel und grob, die das
Flankenspiel in radialer Richtung festlegen und deren Toleranzen zu-
einander im Verhältnis 1 : 1 ,5 : 2,5
stehen. Sie gelten für eine Mutterhöhe
von 0,8 d.
Eine Gewindemessung nach neuzeitlichen Gesichtspunkten setzt sich
zusammen aus:
a) einer Flankendurchmesser-Prüfung "Gut" mit einer Lehrmutter
(Gut-Gewindelehrring) oder einer Flankenrachenlehre bzw. mit einem
Gut-Gewindelehrdorn. Diese Messung berücksichtigt gleichzeitig Stei-
gungs- und Flankenwinkelfehler ; soll die Gutlehre sich auf- bzw. ein-
schrauben lassen, so muß jede Abweichung von der vorgeschriebenen
Steigung oder dem vorgeschriebenen Flankenwinkel beim Bolzen durch
I '
II
Abb. 60. Verkleinerung des Flankendurch· Abb. 61. Verkleinerung des Flankendurch-
messers infolge eines Steigungsfehlers. messers infolge eines F lankenwinkelfehlers.
Steigung des Werkstückes ist zu groß. Zu Teilflankenwinkel des Werkstückes ist zu
kleine Steigung bewirkt ebenfalls eine klein. Zu großer Winkel bewirkt ebenfalls
Flaukendurchmesser· Verkleinerung . eine Flankendurehmesser-Verkleinerung.
eine Verkleinerung, bei der Mutter durch eine Vergrößerung des Flanken-
durchmessers berücksichtigt sein, wie in Abb.60 und 61 für einen
Gewinde bolzen dargestell t.
b) Die Ausschußprüfung des Flankendurchmessers erfolgt mit einer
Ausschuß-Gewinderachenlehre bzw. einem Ausschuß-Gewindelehrdorn.
Um Steigungsfehler bei dieser Messung auszuschalten, erfaßt die Aus-
schuBlehre möglichst nur einen Gang; um den Flankenwinkelfehler un-
schädlich zu machen, sind die Flanken der Lehre verkürzt, so daß sie
nur an einem kurzen Stück der Werkstückflanken anliegen. Diese Maß-
nahmen sind nötig, um den oben genannten Forderungen an ein gutes
Gewinde nahezukommen. Würde man die Steigungs- und Winkelfehler
nicht ausschalten, so wäre eine weitere Verkleinerung bzw. Vergrößerung
des tatsächlichen Flankendurchmessers denkbar ; das Gewinde trägt
dann in noch höherem Grade nur an einzelnen Stellen (Steigungsfehler),
oder auch nur an den Spitzen oder im Kern (Winkelfehler). Das letzte
ist besonders deswegen unangenehm, weil die Biegungsbeanspruchung
der Gewindegänge größer wird und die Spitzen weggedrückt werden.
Dann schlottert das Gewinde noch mehr oder eine festgezogene Schrauben-
verbindung lockert sich.
c) Um die Überdeckung sicherzustellen, werden Kerndurchmesser
der Mutter und Außendurchmesser des Bolzens mit glatten Grenzlehren
geprüft, meist genügt für beide eine AusschuBlehre (Lehrdorn bzw.
Rachenlehre ).
64 Lehren.
1 Schrifttum Nr. 7.
Besondere Meßverfahren. 65
strukteur Spielfreiheit verlangt, muß er die konstruktiven und fertigungs-
technischen Voraussetzungen dafür schaffen. Bei der Mengen- oder
Massenfertigung auf der Grundlage des Austauschbaues gibt es kein
einziges Maß, das ohne irgendeine (geschriebene oder ungeschrie-
bene) Toleranz gefertigt werden kann, und sei sie noch so klein.
Identische Gewinde. Schraubt man beispielsweise eine Mutter
gegen den Bund einer Welle und verlangt nun, daß Nuten in dem Bund
und in der Mutter einander gegenüberstehen, so muß das Gewinde an
beiden Werkstücken "identisch" geschnitten werden, d.h. das Ende des
(verlängert gedachten) Gewindes der Welle, unmittelbar am Bund 1, und
das Ende des Muttergewindes, unmittelbar an der Stirnfläche, müssen
zu der Nut in der Welle bzw. in der Mutter den gleichen Winkel ein-
Toletunz fUr tfen
Bei dieser Art Lehrung empfiehlt sich die Tolerierung des Winkels.
Ebensogut kann man auch nur den Abstand des Gewindemeßpunktes mit
einer Toleranz versehen.
Bezüglich der Größe der Toleranz ist es ratsam, sich durch eine einfache Rech-
nung klarzumachen, wieviel eine bestimmte Winkeltoleranz an der Flanke, in
Millimeter, ergibt. Identische Gewinde machen in der Mengenfertigung stets er-
hebliche Schwierigkeiten und sollten daher möglichst vermieden werden.
Die Prüfung des Gewindemeßpunktes an einem Gewindelehrdorn für identisches
Gewinde wird am besten auf dem Zeißschen Universal-Meßmikroskop in folgender
Weise vorgenommen:
Bestimmung des Flankendurchmessers in bekannter Weise mit Meßschneiden,
sowie der Lage der Gewindeachse,
Einstellung der Lehre auf die richtige Winkelstellung zum Bezugspunkt (z. B.
mit dem optischen Teilkopf),
Anlegen von Schneiden an die Bezugsfläche und an die Bezugsgewindeflanke
und Messung des Abstandes; hierbei muß die optische Achse des Mikroskopes von
der Lehrenachse um den halben Flankendurchmesser abstehen.
e) Winkel. Die in Abb. 55 und 56 gezeigte Art der Winkelmessung
in Toleranzen mit starren Lehren läßt sich sinngemäß auf andere Winkel-
messungen übertragen. Bei der Messung muß wie beim Kegel darauf
geachtet werden, daß die Winkellehre nicht schief, sondern in der
richtigen Ebene angelegt wird; sonst wird das Meßergebnis verfälscht.
Winkel-Toleranzmessungen können auch mit beweglichen Zeiger-
lehren ausgeführt werden, die zwei Toleranzmarken erhalten.
Teilungswinkel von Lochkreisen werden im dritten Teil bei der Besprechung
der Lochmittenlehren behandelt.
f) Formen. Eine "Form" ist meist aus Geraden und Kurvenstücken
zusammengesetzt und erscheint meist an einem prismatischen oder an
einem Drehkörper. Die am häufigsten benutzte Kurve ist deI: Kreisbogen,
da er am einfachsten zu fertigen ist!. Aber auch andere Kurven kommen
vor, Evolvente, Zykloide, Spirale usw. Bei einfachen Flächen, Ebene,
Zylinder, Kugel, ist die Anzahl der Kurvenelemente gleich eins, und die
Abweichungen von der "geometrischen Form" wurden bereits erörtert.
Die Prüfung einer zusammengesetzten Form mit Meßmikroskop oder
Projektionsapparat wurde bereits besprochen, außerdem können zahl-
reiche Formen mit Endmaßen, Dornen, Drähten usw. genau vermessen
werden. Diese Verfahren können nur beim Lehrenbau, nicht aber bei der
Mengenfertigung angewendet werden, da sie zu zeitraubend sind und
geschulte Leute voraussetzen.
Bei der Gerätfertigung werden Formen am häufigsten mit Blech-
lehren geprüft. Ist die Form in einem Werkzeug enthalten (Formstahl,
Formfräser), so begnügt man sich vielfach mit einer Werkzeuglehre, die
zur Fertigung und Überwachung des Werkzeuges dient.
1 Siehe S. 1.
Besondere Meßverfahren. 67
Bei Werkzeuglehren sind häufig korrigierte Formen notwendig, vor allem bei
hinterdrehten Fräsern und Formstählen, bei denen der Spanwinkel von Null ab-
weicht. Die durch das SchrägstelIen der Schneide entstehende Profilverzerrung
muß bei der Formlehre berücksichtigt werden, wenn es nicht möglich ist, die Lehre
so anzulegen, wie sie in das Werkstück hineinschneidet.
Die Formlehren dieser Art beruhen auf der Lichtspaltprüfung, die
außerordentlich empfindlich sein kann. Außerdem ist es in den wenigsten
Fällen möglich, eine Formlehre als Grenzlehre auszubilden. Deshalb
sollte ihre Anwendung überhaupt nach Möglichkeit eingeschränkt wer-
den. Kann eine Formlehre nicht entbehrt werden, so ist eine gründliche
Unterweisung des Mannes an der Werkzeugmaschine und des Prüfers
erforderlich. Über die Größe des Lichtspaltes können sehr leicht Täu-
schungen entstehen, und es besteht
I(:t
die Gefahr, daß brauchbare Werk-
stücke verworfen werden. Man kann
sich manchmal dadurch helfen, daß
man die Meßflächen recht breit
macht. Dadurch wird zwar der
Lichtspalt schwerer erkennbar, aber
Größ/maß
// ~ /{leins/maß
auch die Messung schwierig und noch Abb. 63. Grenzprüfung einer Rundung.
unzuverlässiger.
Ein Beispiel für die Grenzprüfung einer Rundung zeigt Abb. 63. Die
Lehre enthält das Kleinstmaß und Größtmaß der Rundung. Links ist
das Größtmaß an das Werkstück angelegt, es muß in der Ecke Licht
zeigen oder im Grenzfalle auf der ganzen Länge der Meßfläche lichtdicht
anliegen. Rechts ist das Kleinstmaß angelegt, es muß zumindest in der
Ecke anliegen und kann wiederum im Grenzfalle lichtdicht sein. Statt
mit dem Lichtspalt kann die Prüfung auch
durch Schaukeln der Lehre um die Anlagestellen
vorgenommen werden.
Hier, wie bei Anwendung aller Blechlehren,
kommt es auf das richtige Ansetzen der Lehre
an: die Lehrenebene muß mit beiden Ebenen
des Werkstückes einen rechten Winkel bilden. Abb.64.Werkstück. Tolerierte Form,
ihrem Mittelzapfen eingeführt; sie weist auf der einen Seite das Gut-
maß 25, auf der anderen Seite das Ausschußmaß 24,8 auf.
Es wäre unzweckmäßig, die Koordinaten 35 und 21 auch noch zu
tolerieren, weil dadurch die zu messende Rundung eine doppelte Toleranz
erhält. Die Verhältnisse liegen wieder ähnlich wie beim Kegel (Abb. 57),
entweder werden die Koordinaten des Mittelpunktes oder nur der Halb-
messer toleriert. Im vorliegenden Beispiel ist mit Rücksicht auf die
lehre
c: '-'---'-'~J~
-..J 16~ 001
01
- - 25 - 29;8
Abb. 65. Lehre für tolerierte Form nach Abb.64.
1 Siehe S. 8.
70 Lehren.
5. Meßunsicherhcit.
Es wurde bereits erörtert, wie die einzelnen Meßverfahren in bezug
auf die Brauchbarkeit und Austauschbarkeit der Werkstücke zu be-
urteilen sind. Bei jeder Messung muß sich der Messende aber auch
darüber klar sein, welche Zuverlässigkeit dem Meßergebnis zukommt.
Es hat keinen Zweck, mit dem Holzmaßstab Zehntelmillimeter zu
schätzen, weil der Holzmaßstab selbst Fehler von der Größenordnung
1 mm aufweisen kann. In diesem Falle ist der Ablesefehler kleiner als
der Fehler des Meßgerätes. Es hat auch keinen Zweck, Bruchteile von
Skalenteilen zu schätzen, wenn die Unsicherheit nahe an einen Skalenteil
heranreicht.
Die Meßunsicherheit hat bei den verschiedenen Meßgeräten viel-
fältige Ursachen; diese können hier nur im Hinblick auf das Messen
in der Werkstatt, aber keineswegs erschöpfend behandelt werden.
Die Streuung macht sich dann bemerkbar, wenn die gleiche Messung
mehrmals ausgeführt wird, es zeigen sich geringe Unterschiede in den
Meßergebnissen. Bei Meßgeräten, die von subjektiven Einflüssen nicht
ganz frei sind, wird die Gesamtstreuung größer, wenn die messende
Person nicht immer die gleiche ist. Die Streuung setzt sich dann zu-
sammen aus der dem Meßgerät eigenen Streuung und der Streuung der
persönlichen Meßfehler.
Der Fehler ist die Abweichung der Anzeige von dem wahren Wert
der Meßgröße. Bei Istmaß-Geräten kann der Fehler gleichmäßig, stetig
wachsend oder abnehmend, periodisch oder auch unregelmäßig schwan-
kend sein. Fehler und Streuung zusammen sollen nicht größer sein als
höchstens 1 Skt, vor allem weil die bei wissenschaftlichen Messungen
übliche Benutzung von Fehlertafeln oder -kurven in der Werkstatt
undenkbar ist.
Nimmt man als einfachstes Beispiel das Messen einer runden Welle
mit einer handelsüblichen Rachenlehre, so zeigen sich folgende Quellen
der Meßunsicherheit:
72 Lehren.
1 Schrifttum Nr. 9.
Meßunsicherheit. 73
Diese Veränderung des Sitzcharakters hat jedoch kaum eine prak-
tische Bedeutung, weil, wie auf S. 2411n Hand der Theorie gezeigt wurde,
die Grenzfelder der Toleranz eine sehr geringe Häufigkeit aufweisen.
Die Praxis hat bisher im wesentlichen der Theorie recht gegeben.
Mit Verkleinerung der Herstellungstoleranz wächflt der Preis nach einer Kurve~
wie sie Abb. 12 zeigt.
Eine Verkleinerung des Abnutzungsfeldes hat eine linear verhältnisgleiche Ver-
kürzung der Lebensdauer zur Folge, wenn nicht durch andere Maßnahmen (z. B.
abnutzungsfestere Werkstoffe) der Abnutzung entgegengearbeitet wird.
Die elastische Aufbiegung (3.) der gebräuohlichen Raohenlehren hat
Donath1 eingehend untersuoht. Sie ist reoht beträohtlich. Man hat sie
duroh folgende Definition für das Maß einer Raohenlehre soweit wie
möglioh unschädlioh zu machen versucht.
"Als Arbeitsmaß einer Rachenlehre gilt der Durchmesser derjenigen
Meßscheibe, über die sie, leicht gefettet und dann sorgfältig abgewisoht,
aus dem Zustande der Ruhe durch die Gebrauchsbelastung 2 gerade noch
hinübergleitet. "
Wird beim Prüfen des Werkstückes mit der Rachenlehre in der
gleichen Weise vorgegangen, so ist der Meßdruck und damit die Auf-
biegung in beiden Fällen (annähernd) gleich. Sinngemäß müßten
Rachenlehren für Toleranzen an flachen Werkstücken mit Endmaßen,
statt mit Meßscheiben 3 geprüft werden.
Bei Berücksichtigung und praktisoher Anwendung der Definition des
Maßes einer Rachenlehre wird auch die Abplattung (4.) an der Berührungs-
stelle praktisch gleioh und ausgeschaltet.
Der Einfluß der Temperatur (5.) wurde auf S. 3 besprochen.
Der eigentliohe Berührungsfehler (6.), die Schicht zwischen den
metallischen Flächen ist sehr klein. Er hängt von der Art der Zwischen-
schioht (Luft oder Fett, versohiedene Fettkonsistenz), vom Meßdruok,
der Größe der Fläohe und von der Oberfläohengüte ab. Bei ange-
sprengten Endmaßen beträgt dieser Berührungsfehler Bruohteile von p,
bei weniger guten Oberfläohen ist er größer.
Die Meßunsioherheit ist vorstehend für die Messung einer Welle mit
der Raohenlehre besproohen. Sie wird selbstverständlioh anders, sowohl
der Art als auoh der Größenordnung naoh, wenn beispielsweise Lehr-
dorne, Kugelendmaße, Flaohlehren usw. betraohtet werden.
Fü.r den Praktiker in der Werkstatt haben Herstellungstoleranz,
1 Schrifttum Nr. 9.
2 Weicht die Gebrauchsbelastung vom Eigengewicht der Lehre ab, so muß sie
auf der Lehre in Gramm angegeben werden.
S Um die Anzahl der Meßscheiben einzuschränken, können an die eine Meß-
fläche der Rachenlehre Endmaße angesprengt und dann die Prüfung mit einer ent-
sprechend kleineren Meßscheibe ausgeführt werden.
74 Lehren.
U0
Müssen an Meßflächen die Kanten stark gebrochen werden, so ist
eine Fase besser als eine Rundung, denn diese erfordert sorgfältige Arbeit
am Übergang von .der Rundung zur Meßfläche, damit die Meßfläche
nicht verletzt wird.
Bei großen Lehren, die wegen der Hand-
habung leicht sein sollen, kann oft mit Vorteil
eine Schweißkonstruktion gewählt werden. Doch
ist hierbei einige Vorsicht geboten, wenn es sich
um kleine Herstellungstoleranzen handelt. Die
durch das Schweißen erzeugten Schrumpf- schiech! gul
spannungen können nur sehr schwer wieder voll- Abb.die 76. SchleIfschelbe.
Frei~r Aus!auf für
kommen beseitigt werden, selbst wenn es mög-
lich ist, die Schweißgruppe zu glühen. Die Spannungen lösen sich
beim Lagern oder beim Gebrauch allmählich aus und rufen Maßände-
rungen hervor. Die Gasschmelzschweißung eignet sich wegen der
größeren Schrumpfung am wenigsten für Lehren. Die lichtbogen-
schweißung mit nackter Elektrode ist vielfach mit gutem Erfolg an-
Leinweber, Toleranzen. 6
82 Lehren.
innere Spannungen und häufig Brüche auf. Ein Beispiel für eine uno
vorteilhafte Konstruktion und einen Vorschlag zur Abhilfe zeigt Abb. 77.
Von scharfkantigen Ecken und Kanten gehen häufig Spannungsrisse aus
(Abb. 78 links). Die
Härtespannungen sind
oft auch durch Nach.
behandlung kaum zu
schlecht beseitigen und führen
Abb.78. Vermeidung von scharfen Ecken. manchmal erst nach
längerem Lagern oder
beim Gebrauch zum Bruch, ohne daß äußere mechanische Bean-
spruchungen den Anlaß dazu geben.
Muß an einem Teil nach dem Härten und Schleifen
eine weitere Bearbeitung vorgenommen, z. B. ein Stiftloch
gebohrt und gerieben werden, so kann dies dadurch ermög-
licht werden, daß Einsatzstahl verwendet und die aufgekohlte
Schicht vor dem Härten an der Bearbeitungsstelle weggearbei.
tet wird.
Ein Paßstift darf nicht zu nahe an die Meßfläche gerückt werden,
weil dadurch deren Genauigkeit beeinträchtigt und Nacharbeit er-
forderlich wird. Manchmal kann der Gerätkonstrukteur helfen, indem
er am Gerätteil Platz für ein genügend großes Meßstück schafft.
e) Vermessung der Lehre. Die Herstellungstoleranz, die
einen großen Teil der Meßfehler ausmacht, ist unmittelbar
von der Möglichkeit abhängig, die Lehre mit einfachen und
Abb.79.
genauen Hilfsmitteln zu messen. Das meistbenutzte und
Anreißen beste Meßmittel für Lehren ist das Parallelendmaß. Abb. 79
vonMar·
kenstrlchen zeigt, wie eine Tiefenlehre durch Anbringen eines Durch·
nach End-
maßen ohne bruches für die unmittelbare Messung mit Endmaßen einge·
Gegenlehre. richtet werden kann. Ohne den Durchbruch müßten eine
schiechi gut
Abb. 80. Gegenpunkt
beim Rundschleifen. Abb. 81. Verlängerung der Meßfläche.
längerung von Meßflächen über das für den Gebrauch notwendige Maß
hinaus (Abb. 81).
Kommt man ohne eine besondere Gegenlehre oder Einstell-Lehre nicht
aus, so genügt für Grenzlehren nur eine Gegenlehre, wenn sie so gestaltet
wird, daß die Grenzwerte mit Hilfe von End-
maßen gebildet werden (Abb.82).
d) Handhabung. Eine Lehre soll so einfach
und mühelos zu handhaben sein, daß das
Meßergebnis schnell, sicher und ohne Ermü-
dung beim Messen vieler Stücke erzielt
wird.
Das Werkstück oder die Lehre muß sich
schnell und einfach in die Meßstellung bringen
lassen und ebenso schnell und ohne zu klem-
men oder zu ecken wieder entfernen lassen.
In besonderen Fällen werden Handgriffe oder
Aushebevorrichtungen vorgesehen. Das Ein-
führen großer Lehrdorne oder Zentrierungen
macht wegen des Eckens oft Schwierigkeiten Abb. 82. Einezwei. Gegenlehre statt
e;::~'%~~
:
~
I I~
iil
Abb. 85. Le hre mit Abb. 86. Lehre mit Abb.87. Unzweckmäßige Lehre für T-Nut.
einer zu kleinen großer Auflagefläche.
Auflagefläche.
Zweck müssen Werkstück und Lehre in Augenhöhe gebracht werden;
wegen der weiten Entfernung der zu messenden Flächen voneinander
macht sich eine etwa vorhandene. Unparallelität der Werkstückflächen
störend bemerkbar. Die Lehre nach Abb. 86
dagegen nutzt die ganze vorhandene Auflage
amWerkstück aus; beim Verschie ben der Lehre
wird das Anstoßen mit dem Tastsinn erkannt.
f- +
Mit der Lehre nach Abb. 87 soll die Breite
einer T-förmigen Nut geprüft werden. Die
viel zu schmale Lehre eckt beim Hindurch-
schieben und ermöglicht nicht eine genaue
Abb. 88. Schwenklehre für T-Nut.
und schnelle Prüfung. Wird die Lehre nach
Abb. 88 aU8gebildet, so läßt sie sich an jeder Stelle des Werkstückes
mühelos einschwenken. (Sie prüft aber nicht die Geradheit der Führung.)
Für lose LehrenteiIe, besonders HiIfsdorne, die beim Meßgang ein-
geführt oder hin- und herbewegt werden müssen, ist eine ausreichende
Führung vonnöten, die mindestens 1,5 bis 2 .d (d = Durchmesser oder
Dicke) betragen muß.
Abb. 89 zeigt, wie bei einer
großen Rachenlehre die Meß-
sicherheit dadurch erhöht werden
kann, daß die Stirnfläche des Abb. 89. Große Rachenlehre mit Auflageflächen.
Werkstückes als Auflage für die
Lehre benutzt wird. Die Lehre wird aufgelegt und über das Werkstück
herübergezogen.
Um zu verhindern, daß Späne oder SchmutzteiIchen das Meßergebnis
fälschen, müssen alle Auflage-, AnIage- undMeßflächen zugänglich, sicht-
bar und leicht zu reinigen sein. Es sei an die Möglichkeit erinnert, von
der im Vorrichtungsbau oft Gebrauch gemacht wird, Nuten vorzusehen,
in denen sich Späne und Schmutz ohne Schaden ansammeln können.
Kleine Werkstücke und solche, die mit der Hand nicht sicher in der
86 Lehren.
.-----~ID
Länge der Lehre eingeschraubt,
so muß man sich darüber klar
sein, daß durch die sich nach
vorn bis zur Abnutzungsgrenze
verjüngende Lehre größere Stei-
gungsfehler nicht erkannt wer-
den.
Abb. 91 zeigt eine Lehre
cid:~(111~:)-CC*;~111~I
für die Breite einer Schei- Abb. 91. Grenzlehre für die Breite einer Scheibenfedernut.
benfedernut, die einfach zu
fertigen ist und bei der die Meßstücke nach der Abnutzung mehrmals
versetzt werden können. Die Bohrung gibt an der Gutseite ungefähr
die Tiefe der Nut an, bis zu der sich die Lehre einführen lassen muß.
Abb. 92 zeigt, wie bei vereinfach-
ter Fertigung die Meßfläche und
damit die Abnutzungsfläche ver-
größert werden kann.
Dünne Zapfen und Dorne
brechen beim Gebrauch leicht
ab. Bei Abb. 93 ist auf den
Schleifeinstich verzichtet und ein
großer Übergang auf den dicke- Abb. 92 . Tiefenlehre .
ren Durchmesser geschaffen.
Abb.94 zeigt einen von den vielen bekannten Haltern für dünne Lehr-
dorne, die sich gut bewährt haben; der Meßdorn ist ein Stück Draht
mit genauem Durchmesser, das billig ist und schnell ersetzt werden kann.
f) Instandhaltung und
Nacharbeit. Bohrungen
-t
für Hilfsdorne und be-
wegliche Teile werden mit
Rücksicht auf die Instand- Abb.93. Abb . 94. Halter für dünnen Lehrdorn.
. h Befestigung
setzung mIt ge ärteten eiues dünnen
Buchsen versehen. Die Zapfens.
Buchsen haben auch den Vorzug, daß der Lehrenkörper an der Stelle
nicht gehärtet und nicht gleich verworfen zu werden braucht, wenn
eine Bohrung "verrutscht" ist; der Lehrenbauer kann sich dann durch
Größerbohren helfen.
Paßstifte setzt man nicht in Sacklöcher, weil dadurch das Ausein-
andernehmen erschwert wird. Muß der Stift aufsitzen, so bohrt man das
Loch mit einem kleineren Durchmesser durch .
88 Anhang: Ausgewählte Abschnitte aus dem Lehrenbau.
wendet, die innerhalb des Toleranzfeldes liegt und zur Schonung der Gutlehre 11,
der eigentlichen Abnahmelehre, dient. Dadurch wird erreicht, daß nur ein Teil der
Werkstücke mit der Gutlehre 11 in Berührung kommt, und diese sich nicht so schnell
.abnutzt, wie es bei den harten Werkstücken zu erwarten wäre.
Im ISA-Toleranzsystem sind Abnahmelehren nicht enthalten, die
Abnahmelehren der Wehrmacht liegen in neuem Zustand an der Ab-
nutzungsgrenze der Arbeitslehren (Abb.97). Ihre mittlere zulässige
Abnutzung beträgt t H (H = Herstellungstoleranz). Abnahmelehren
werden nur im Abnahmeraum benutzt, sie können demgemäß Viel-
fachlehren sein und entsprechen dem Fertigzustand der Werkstücke.
Nicht zu verwechseln mit Revisionslehren sind die Prüflehren.
l.ehren-
priifsfe//e
d.Werkes
I
I
I
I
WerkSftr#{ I
I
I
Revision { _ _ _ _ _ ......J
2. Meßgefühl.
Beim Vorgang des Messens wird durch den Messenden eine Relativ-
bewegung zwischen Werkstück und Meßgerät bewirkt. Die Art dieser
Bewegung beeinflußt die Genauigkeit des Meßergebnisses und ist in
hohem Grade von der Person des Messenden abhängig. Je nach der Art
des Meßgerätes macht sich der subjektive, von den Eigenschaften des
Messenden abhängige Einfluß mehr oder weniger stark geltend. Das
Streben der Meßgerätkonstrukteure ist seit langem auf die möglichst
vollkommene Ausschaltung der subjektiven Einflüsse, der Erfahrung,
übung und angeborenen Geschicklichkeit des Messenden gerichtet.
Vollkommen wird dies nie gelingen. Es wäre nur möglich bei ausschließ-
licher Anwendung vollselbsttätiger Meßgeräte, wie sie beispielsweise bei
der Fertigung von Infanterie-Patronenhülsen angewendet werden. Doch
auch diese Maschinen sind durch die Verschiedenheit der inneren Rei-
bungsverhältnisse und der Federn nicht vollkommen objektiv.
In erster Linie wird beim Messen der Tastsinn benutzt. Er zeigt an,
welche Kraft nötig ist, um einen Lehrdorn in eine Bohrung einzuführen
92 Anhang: Ausgewählte Abschnitte aus dem Lehrenbau.
l
liegt. Auch die rechtwinklige Lage des Griffes zur Bewe-
gungsrichtung, wie in Abb. 101, ist nach Möglichkeit zu
vermeiden.
Die Empfindlichkeit des Tastsinnes für geringe Kraft-
unterschiede beim eigentlichen Meßvorgang hängt in erster
Linie von der Veranlagung und Übung des Messenden,
dem Meßgefühl, ab. Das Meßgefühl kann aber auch durch
die Bauart der Lehre beeinträchtigt werden. Muß beim
Messen eine große Kraft zum Halten der Lehre oder des
Abb.l01.
Werkstückes oder für einen anderen Zweck aufgewendet Lehre, bei der
der Griff
werden, so wird dadurch die Feinheit des Tastsinnes beein- senkrecht zur
Bewegungs-
trächtigt. Es ist nicht möglich, mit einem Finger Unter- richtung steht.
schiede von wenigen Gramm festzustellen, wenn gleichzeitig
mit der gleichen oder auch der anderen Hand Kräfte von mehreren Kilo-
gramm ausgeübt werden müssen. Daraus folgt für den Lehrenkonstruk-
teur, daß das Werkstück auf die feststehend angebrachte Lehre zu be-
94 Anhang: Ausgewählte Abschnitte aus dem Lehrenbau.
wegt werden muß, wenn es nicht möglich ist, die Lehre leichter ,zu bauen
als das Werkstück. Die gleichen Überlegungen haben bedeutende Meß-
gerätfabriken zum Bau von Lehrdornen in besonders leichter Ausführung
gebracht, die sich im Gegensatz zu der genormten schweren Bauart
(50-1000) besonders für kleine Toleranzen ausgezeichnet bewährt haben.
Die Lehren sind zur Gewichtsverminderung einseitig ausgeführt (Gut-
und Ausschußseite getrennt) und weitgehend ausgespart. Der Schwer-
punkt liegt so, daß die Lehre kein Übergewicht nach einem Ende zu be-
sitzt; sie liegt trotz des verhältnismäßig kurzen Griffes gut in der Hand.
Ein dankenswerter Versuch, den subjektiven Anteil zu vermindern,
ist bei der "Definition des Maßes einer Rachenlehre" (S. 73) gemacht
worden, wie sie bei den ISA-~assungen festgelegt wurde und in ähnlicher
Form bereits für die DIN-Passungen aufgestellt war. Die Lehre soll
nicht mit Muskelkraft übergeführt werden, sondern durch ihr (gleich-
bleibendes) Eigengewicht aus dem Zustande der Ruhe (Vermeidung der
kinetischen Energie) hinübergleiten. Leider läßt sich das Verfahren nur
anwenden, wenn die Welle zum Messen in waagerechte Lage gebracht
werden kann.
Ein weiterer Versuch ist der an Meßmaschinen mit Schraubenspindel
angebrachte Meßdruckanzeiger und die bei Schraublehren gebräuchliche
Gefühlsratsche. Diese hat jedoch einige Mängel. Die Feder der Ratsche
und die Reibung sind Schwankungen unterworfen. Ferner macht sich
die Oberflächengüte des Werkstückes und die Größe der Berührungs-
fläche auf den Grad des Zuschraubens störend bemerkbar. Am stärksten
ist wohl der Einfluß der Geschwindigkeit, mit der die Schraube zugedreht
wird. Viele geübte Meßtechniker benutzen daher bei genauen Messungen
die Ratsche nicht, sondern drehen gefühlsmäßig möglichst stets mit
gleicher Kraft an und prüfen dann durch Schwenken der Lehre um den
feststehenden Amboß die Kraft, die zum Hinübergleiten nötig ist (starre
Rachenlehre !) und machen dadurch die (ebenfalls stark subjektive)'
Gegenprobe.
3. Parallaxe.
Liegen bei Strichmessung Teilung und Zeiger nicht in der gleichen
Ebene, und befindet sich das beobachtende Auge nicht in der Ebene, die
durch den Zeigerstrich geht und auf der Teilungsebene senkrecht steht,
so treten beim AblesenParallaxenfehler auf (Abb. 102). Zur Ausschaltung
der Parallaxe ist bei vielen Meßgeräten (Flüssigkeits-Druckmesser, elek-
trische Meßgeräte) ein Spiegel so angeordnet, daß bei richtiger Augen-
steIlung die Flüssigkeitskuppe oder die Marke am Zeiger sich mit ihrem
Spiegelbild deckt. Bei Werkstattmeßgeräten der hier besprochenen Art
ist dies Verfahren noch nicht angewendet worden.
Eine Vorstellung von der Größe des Parallaxenfehlers gibt folgende,
Hebelübertragungen. 95
einfache Überlegung. Die Dicke eines Noniusfensters oder Zeigerendes
(b in Abb. 102) sei 0,25 mm; dann hat eine Abweichung des Auges um
20 mm nach der Seite (bei 250 mm Sehabstand) einen Ablesefehler von
0,02 mm zur Folge. Dies ist eine mit dem Auge erkennbare Abweichung.
Zur Vermeidung des Parallaxenfehlers muß bei Meßgeräten mit
Zeigerablesung die Teilung so angeordnet sein, Auge
daß der Ablesende das Auge mühelos in die
richtige Stellung zur Teilung bringen kann. Viel-
fach wird aus diesem Grunde das anzeigende
Gerät (Meßuhr, Mikrotast usw.) nach hinten
geneigt angeordnet. Bei der Schieblehre und
der Schraublehre bilden Teilungs- und Zeiger-
ebene einen möglichst stumpfen Winkel zuein-
ander, und das Noniusfenster oder die Teilungs- Abb.102. Parallaxe,
t = Ablesefehler .
trommel ist so zugeschärft (Abb. 102), daß die
Strichenden angenähert in die Ebene der Hauptteilung fallen. Am besten
wäre es, wenn die Teilungen unmittelbar nebeneinander in einer Ebene
lägen. Bei der Schraublehre ist dies nicht möglich, bei der Schieblehre
ist es deswegen nicht zu empfehlen, weil sich die Kanten der Haupt-
teilung beim Gebrauch verrunden und die Strichenden dann nicht mehr
aneinanderstoßen. Dadurch treten Schätzungsfehler
auf, die auch durch geschicktes Ablesen nicht mehr
ganz vermeidbar sind (Abb. 103). Außerdem lassen
sich werkstattmäßig die Striche in der Nähe einer
Kante nicht ganz sauber und gleichmäßig ausführen, Abb.103.
Schätzungsfehler.
ein Mangel, der bei dieser Anordnung zweimal, bei
der allgemein gebräuchlichen dagegen nur einmal, am Noniusfenster,
in Erscheinung tritt.
Liegen die Kanten so geschützt, daß ein Verwischen der Striche und
ein Verrunden der Kanten nicht eintreten kann, so werden Teilung und
Zeiger in eine Ebene gelegt.
Auch bei optischen Geräten: Lupen, Mikroskopen, Fernrohren gibt
es eine Parallaxe. Eine gute Optik darf beim Bewegen des Auges vor
dem Okular keine Verschiebung zwischen dem Objekt und den im Oku-
lar angebrachten Marken zeigen.
4. Hebelübertragungen.
Bei der Übertragung oder Übersetzung eines Meßwertes durch einen
gleicharmigen oder ungleicharmigen He bel können durch unzweckmäßige
Konstruktion oder fehlerhafte Ausführung Fehler entstehen. Da bei
Lehrenkonstruktionen Hebel als Meßwertträger oft mit Vorteil benutzt
werden, sollen die Fehlerquellen nach ihrer Art und Größe untersucht
werden.
96 Anhang: Ausgewählte Abschnitte aus dem Lehrenbau.
~~~~~
i~~llll N~~i
+43r·
4J~9 -2 -1 0 L--------
Anzt'i§t'Teb/er
invHYflnT
Abb.l05. Fehlerhafte Anzeige infolge Knickung der Hebelachse.
"
ner Linienzug, wie z. B. QOW und POW. ~~,
Das Schaubild zeigt die Fehlergröße in +OJr
v H. der Toleranz als Funktion der T~ -o,osr(e;'nseil;j:; ~
Knickung. Der Meßfehler wächst an- ~I
genähert mit dem Quadrat des Hebel· I~
fehlers. Das Schaubild gilt auch für T-+o,osrfeinseil&::;
-lJ,1r ~
/ ' kj/
ungleicharmige He bel und für beliebige
Größe der (symmetrisch zur Grundstel·
lung W liegenden) Toleranz. In Abb. 106 -O,2r / '
2
V t:/-1
:t T \symTelr'fch)
0 +1
ist die Kurve in vergrößertem Maßstab AnzeigefehIer in vII vonT
(dick ausgezogen) herausgezeichnet. Die Abb.106. Fehlerhafte Anzeige infolge
Knickung der Hebelachse bei
dünn gezeichneten Kurven stellen die symmetrischer und bei einseitiger
Abweichung von der Nullstellung.
Fehler bei positiver oder negativer Lage
des Istwertes (im Beispiel + 0,05 und - 0,05 des Hebelarmes) zur
Grundstellung dar. Für die Praxis interessieren nur diese Kurven, da
nach dem eingangs Ausgeführten die vorliegende Untersuchung
nur für Istmaß·Lehren von Bedeutung ist; sie weichen von der
für symmetrische Toleranz angegebenen Kurve nur unwesentlich ab.
Die Abweichung wird größer mit wachsendem !:.-, r
d. h. mit wachsen.
dem Schwenkwinkel.
t7.?
Man könnte auf den Gedanken kommen,
die Unsymmetrie des geknickten Hebels durch ~J~-~-=lit'
~
eine Verlagerung des Drehpunktes1 zu besei. ~#/' ".-#....-------
tigen, wie Abb. 107 zeigt. Eine symmetrisch \
•..r
. ..r'
-1 0 +1 ,.,...,_.~-
C
In Abb.114 ist gezeigt, wie sich ungefähr eine Schneide abnutzt
und man erkennt, daß die entstehende Rundung einer Hebelknickung
gleichkommt und einen entsprechenden Fehler zur Folge hat.
Welchen Fehler eine ungenaue Rundung erzeugt,
zeigt Abb. 115. Als Beispiel ist bei den angenom- 0
linie rückt schneller an den Drehpunkt heran, als am kurzen Hebelarm. Gleich-
zeitig wird die wirksame Länge des kurzen Armes am zweiten Hebel größer. Beides
• trägt zu einer beträchtlichen Verkleinerung des Gesamtübersetzungsverhältnisses
beim Ausschwenken bei.
~IO
,~
~
t
~
S=1
~ S=2
Wenn es auf Istmaße ankommt, muß die Anordnung nach Abb. 117
gewählt werden, bei der zwischen beide Hebel ein parallelgeführter Über-
tragungsstift Z geschaltet ist.
I. b .r.-~~
Abb. 118. Fehlerhafter Hebel. Abb.119. Verhältnisgleich arbeitender Hebel.
Der Fehler wird bei Abb. 119 vermieden. Hierbei müssen die Hebel-
flächen in einer Ebene liegen, die durch die Drehachse geht, und die Tast-
Lochmittenabstände. 101
stiftrundungen müssen sich wie die Hebelarme verhalten (r1 : r 2 = a : b),
damit die Verhältnisgleichung erfüllt wird:
a : b = a 1 : b1 = w : m.
Die Anordnung hat den Nachteil, daß, um die Berührung aufrecht-
zuerhalten, zwei Federn notwendig sind, die gegeneinander arbeiten.
ö. Lochmittenabstände.
a) Tolerierung der Gerätzeichnung. Die richtige Tolerierung von
Lochabständen erfordert eine rechnerische Toleranzuntersuchung, damit
der im einzelnen Fall beabsichtigte Zweck erreicht wird. Es lassen sich
jedoch gewisse Richtlinien aufstellen und damit die jedesmalige Wieder-
holung der Rechnung vermeiden.
Die Toleranz für einen Lochabstand hängt in vielen
Fällen von dem Kleinstspiel zwischen Bohrung und Gegen-
stück (Bolzen, Schraube,
Niet, Welle, Zapfen) ab.
Im folgenden sind einige
a Bemaßung:
grundsätzliche und häufig
wiederkehrende Fälle un- Teil 1: m ± ~t
d. h. die Summe der Toleranzen t muß gleich der halben Summe der Kleinstspiele
sein, oder: Die Angabe einer größeren Toleranz als t = ~ K bei dem einen Werk-
stückgehtaufKostenderToleranzdesanderen, wenn die Austauschbarkeit
gesichert sein soll. Bei Auswirkung der Toleranzen bleibt dann der Werkstück-
bolzen nicht an der glei-
chen Stelle, sondern seine
Bemaßung: äußersten Stellungen un-
terscheiden sich um v, d. i.
-t+2") die doppelte Toleranz-
Teil 1: m ± ( K
überschreitung (Abb.121).
Teil2: m ± (~2-i) Dies gilt sinngemäß
auch, wenn drei Werk-
stücke übereinanderlie-
gen: Wird bei einem der
*2
Abb. 121. Lochabstand von einer Fläche aus, t
1
K drei Stücke die rechnungs-
mäßige größtzulässige To-
leranz t = ~ K überschritten, so müssen bei den bei den anderen die Toleranzen
je um den Betrag der Überschreitung verkleinert werden (Abb. 122).
2. Zueinander zentrierte Flanschen enthalten kreisförmig angeordnete
Bohrungen, durch die
ohne Nacharbeit Bol-
Bemaßung: zen gesteckt werden
. 1 : m ± (K
Tell ,-t + 2V) Die(Abb.
sollen 123).
Bemaßung er-
. (Kg V)
Tell 2: m ± "2-2 folgt zweckmäßig VOm
Mittelpunkt des Loch-
kreises aus als Halb-
messer; die Toleranz
ist sinngemäß die glei-
aufeinander, t *-}
Abb.122. Lochabstand von einer Fläche aus. 3 Stücke
K
che wie bei 1.
Durch die Angabe des
Halbmessers und nicht
des Durchmessers wird für die Fertigung und Lehrung auf die Zentrierung als
Ausgang hingewiesen. Bei Angabe des Durchmessers muß außerdem eine Sym-
metrietoleranz eingetragen werden.
In Abb. 123 und den
folgenden ist auf die Dar-
stellung der extremen Tole-
Kranzauswirkung in umge-
Bemaßung: m ± 2 kehrter Richtung (+ statt
- , bzw. - statt +), auf
die Berücksichtigung ver-
Abb.123. Zentrierte Lochkreise, t = !.. K schiedener Kleinstspiele
2
sowie auf die Erörterung
der Überschreitung der
Formel: t=tK an einem der Teile verzichtet, weil diese Fragen hier in der gleichen
Weise beantwortet werden können, wie es bereits gezeigt wurde.
Der eine geometrische Ort für die Bohrungsmitte ist der vorstehend
Lochmittenabstände. 103
angegebene Lochkreishalbmesser, der zweite ist die Lochteilung; hier-
für gilt in mm, die zweckmäßig auf Bogenmaß umgerechnet werden, die
gleiche Toleranz wie für den Lochkreishalbmesser . Es wird später ge-
zeigt werden, daß bei den gebräuchlichen Lehren die Lochteilung mit
erfaßt wird, auch ohne daß
eine Winkeltoleranz beson-
ders angegeben ist; des- Bemaßung:
K
wegen wird häufig auf ihre m ± 2'0der
Angabe verzichtet. 2m ±K
Die Größe der zulässi-
gen Toleranz t wird von
Abb. 124. Unzentrierte Lochkreise
einem etwa vorhandenen
Spiel in der Zentrierung
t= iK für Halbmesser
t = K für Durchmesser.
nicht beeinflußt.
3. Unzentrierte Flanschen enthalten kreisförmig angeordnete Boh-
rungen, in die ohne Nacharbeit Bolzen gesteckt werden sollen (Abb. 124).
Die Bemaßung kann in der gleichen Weise erfolgen, wie bei Abb. 123,
ebensogut kann der Durchmesser angegeben werden, der die doppelte
Toleranz erhält; für die Teilung gilt in jedem Falle die einfache To-
leranz t :s;; t K.
4. Zwei Bleche
mit je zwei Bohrun- Bemaßung:
. Ko+Km
gen sollen, aufeinan- Tell1: m ± - - 2 -
dergelegt, in beliebi- Ko+Km
Te1l2: m ± - - 2 -
ger Lage zueinander
das Durchstecken
von Bolzen ermög-
Abb.125. Lochabstand von einer Bohrung aus
lichen (Abb. 125).
t= 2"(Ko + Km)
1
Die Bemaßunger- t= K.
folgt von Lochmitte
zu Lochmitte, die Toleranz kann doppelt so groß sein, wie in den bisher
besprochenen Fällen, nämlich t :;;:;; K, oder, wenn die Kleinstspiele ver-
schieden sind, bei jedem Stück t ;:;;;: t (Ko + Km)'
5. Zwei Bleche mit je mehreren Bohrungen sollen, aufeinandergelegt,
das Durchstecken von Bolzen gestatten (Abb. 126).
Die Bemaßung erfolgt von einer beliebigen Ausgangsbohrung aus
nach den übrigen Lochmitten; für die Größe der Toleranz gilt wieder:
t ;;;;tK.
Das Schnittbild 126 gleicht in seinem linken Teil vollkommen der Abb. 125.
Für das Maß m wäre nach 4. : t :;:;; K zu setzen. Dann dürfte aber das Maß 'ß in der
oberen Platte nicht unterschritten und in der unteren Platte nicht überschritten
werden, oder umgekehrt, wenn die Toleranzen zufällig in entgegengesetzter Rich-
tung ausgenutzt worden wären. Die scheinbare Schwierigkeit liegt allein in den
Mängeln der maßlichen Ausdrucksmittel begründet. Die Maße m und 'ß gehen näm-
104 Anhang: Ausgewählte Abschnitte aus dem Lehrenbau.
lieh nach dem Wortlaut der Zeichnung von der Mitte der linken Bohrung aus, und
man müßte demgemäß das Bild so zeichnen, wie es in der unteren Hälfte angedeutet
t
ist. Dann sieht man ohne weiteres, daß t :;;;; K sein muß. Daß die Ausgangs-
bohrungen der Werkstücke genau übereinanderliegen, ist jedoch nicht notwendig,
Bemaßung:
K
m±2"
n ±.!..
2
und es wird später gezeigt werden, daß eine richtig entworfene Lehre, abweichend
vom Wortlaut der Zeichnung, das Gewollte mißt.
Für die Abweichung einer Lochreihe von der Geraden oder auch
für die rechtwinklige Lage mehrerer Bohrungen zueinander werden meist
auf der Zeichnung zulässige Abweichungen nicht besonders angegeben.
Hierfür gelten stillschweigend die gleichen Toleranzen in mm, wie für
die Abstände.
6a). Zapfenschlüssel und zugehöriges Lochpaar sollen zusammen-
steckbar sein (Abb. 127).
Die Bemaßung erfolgt von Zapfen zu Zapfen und von Loch zu Loch.
Die Größe der Toleranz ist wieder t ;;;;;: t K.
b) Zapfenschlüssel mit
~:Ei
mehr als zwei Zapfen
~
r--+--------+'-~-'f Bemaßung:
\ ~ Teil 1: m ±{
und zugehörige Lochreihe
sollen zusammensteckbar
=K~ 2 Teil 2: m±{ sein.
Abb.127. Zapfenschlüssel und Lochpaar Die Bemaßung erfolgt
t= !. von einem Ausgangs-
2
zapfen bzw. einer Aus-
gangsbohrung aus. Bezeichnet man diese mit 1 und die übrigen mit 2, 3,
4, ... , so ergeben sich nach dem ersten Hauptsatz ~wischen2 und 3, 3 und
4,2 und 4 usw. Summentoleranzen von ± 2 t. Folglich muß t von
vornherein halb so groß wie imFall6a gewählt werden, nämlich: t ;;;;;: i K.
7. Eine Symmetrietoleranz für eine abgesetzte Bohrung, zu der eine
abgesetzte Welle passen soll; 'kann man als eine Abstandstoleranz mit
dem Nennmaß Null auffassen. Es ergibt sich das gleiche wie unter 6a,
oder, wenn die Kleinstspiele verschieden sind, t ;;;;;: K1 : Ks (Abb. 128).
Lochmittenabstände. 105
Nach dem Wort la u t der Gerätzeichnung ist auch diese Lehre nicht
einwandfrei. Die Toleranzen von mund n dürfen nach einem Grund-
gesetz des Lehrenbaues, jede für sich, voll ausgenutzt werden. In
Abb. 133 sind die Toleranzfelder für mund n vergrößert dargestellt, und
man erkennt, daß für die Lochmitte ein quadratisches Toleranzfeld
entsteht .. Aus Abb.134 geht hervor, daß die Lehre nur ein kreisför-
miges Toleranzfeld zuläßt, und dieses (in Abb.134 gestrichelt) darf
auch nicht überschritten werden, wenn der
Zusammenbau ohne Nacharbeit gesichert
sein soll. Wiederum erfüllt die Lehre die tech-
nische Forderung besser, als es die Gerätzeich-
nung ausdrückt, diesmal mit einer Einschrän-
kung der Zeichnungsangabe.
Stehen die beiden koordinierten Maße nicht senk-
recht aufeinander - z. B. weil die Ausgangsflächen
be/ieb&e, äußersfe Logen schiefwinklig stehen - , so entsteht nominell ein rhom-
der WerisftldbolJrung benförmiges Toleranzfeld; die Lehre der beschriebenen
Abb.134. Kreisförmiges Art läßt aber nur ein solches von der Größe des ein-
Toleranzfeld. Die beschriebenen Kreises zu.
Mittelpunkte aller
Werkstückbohrungen in Mit der gleichen Lehrenart können auch
äußerster Lage liegen auf
einem Kreis. mehrere Löcher auf ihre richtige Lage geprüft
werden, wenn nur die Lochmittenmaße von den
gleichen Flächen ausgehen. Diese Bemaßungsart entspricht der Auf-
nahme in der Vorrichtung und die vielfach noch übliche Angabe von
Kettenmaßen ist demgemäß sowohl in vorrichtungs- als auch in lehren-
technischer Hinsicht unzweckmäßig.
Grundsätzlich kann der Hi1fsdorn auch als fester Zapfen ausgebildet werden,
hierbei muß aber auf gute Führung an der Anschlagfläche im Augenblick des Ein-
tauchens in die Bohrung geachtet werden. Bei den bisher gewählten Werkstücken
empfahl sich dies Verfahren nicht mit Rücksicht auf die Gefahr des Verkantens der
Lehre.
Schief gebohrte Löcher werden von Lehren dieser Art dann zurückgewiesen,
wenn an einer Stelle der Bohrung die Toleranz (im oben besprochenen Sinne) über-
schritten und dadurch der Zusammenbau in Frage gestellt wird.
Anstatt von Flächen auszugehen, kann auch von einer Ausgangs-
bohrung aus gemessen werden. Die Lehre wird in diesem Loch mit einem
Zapfen aufgenommen, der das Kleinstmaß des Werkstückes hat. Die
übrigen Zapfen werden um 2 t dünner ausgeführt. Dann entspräche das
Werkstück dem unteren Teil von Abb. 126. Die Austauschbarkeit wird
aber ebenfalls gewährleistet, wenn alle Zapfen gleich gemacht werden
(Gutmaß minus 2· t), und somit dem Wortlaut nach eine Überschrei-
tung der Zeichnungstoleranz zugelassen, aber den praktischen Bedürf-
nissen besser Rechnung getragen wird. Außerdem wird durch diese Maß-
nahme das Einführen einer mit festen Zapfen versehenen Lehre er-
leichtert.
Lochmittenabstände. 109
Bei Lehren für Zapfenabstände und bei Symmetrielehren für ab-
gesetzte Wellen werden die Buchsen der Lehre um den gleichen Betrag
größer, als die Zapfen einer Lochmittenlehre kleiner ausgeführt wer-
den müßten, z. B. an der Lehre zum Schlüssel in Abb. 127 erhalten beide
Buchsen den Durchmesser: Zapfendurchmesser + K. t
Aus den im vorstehenden über Lochmittenlehren (zu denen
auch die Zapfenmittenlehren im besprochenen Sinne zu rechnen
sind) angestellten Betrachtungen geht folgendes hervor:
Wenn der Konstrukteur in einer Gerätzeichnung die
Mitten von Bohrungen oder Zapfen durch je zwei tolerierte
Maße von der Form m ± t festlegt, so meint er damit, daß
um jede ideelle Mitte ein kreisförmiges. Toleranzfeld vom
Halbmesser t zulässig ist, weil nur durch dieses die Aus-
tauschbarkeit der Teile sichergestellt ist. Überschreitungen
dieses Toleranzfeldes sind nach Maßgabe der Ausnutzung der Durch-
messertoleranz zulässig. Die angegebene Toleranzschreibweise ist gleich-
bedeutend mit der Bemerkung auf der Zeichung: "Die Abstände der
Bohrungen müssen der Lehre Nr .... entsprechen."
Die beschriebene Mittenlehre läßt alle Abweichungen der verschieden-
sten Arten zu, die den Zusammenbau nicht gefährden.
Die Toleranz, mit der Lochmittenlehren gemeinhin ausgeführt
werden, beträgt etwa ein Zehntel der Werkstücktoleranz für den Loch-
oder Zapfenabstand. Die Zapfendurchmesser werden mit einer Toleranz
gefertigt, die in gleicher Weise wie beim Grenzlehrdorn der Bohrungs-
toleranz entspricht.
Für nicht zu große Maße (bis 100 mm) haben Versuche gezeigt, daß
beim Werkstück in der Mengenfertigung mit einer guten Vorrichtung
Toleranzen von ± 0,05 eingehalten werden können. Kleinere, bis zu
± 0,02, erfordern außergewöhnliche Maßnahmen und vor allem sorg-
fältige Überwachung und Instandhaltung der Betriebsmittel. Den an-
gegebenen Zahlen entsprechen Lehrentoleranzen von ± 0,005 bis
± 0,002.
Schrifttum.
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Stichwortverzeichnis.
Die feUgedruckten Zahlen geben die Seiten an, auf denen die Begriffe erklärt sind.
Abmaß 6. Einschnitte 88.
---e, absolute Beträge der 22. Einzeltoleranzen, Aufteilung in 23, 31.
Abnutzung 75, 86, 87. Endmaß, Kugel 47, 73, 92.
- und Meßunsicherheit 72, 74. ---e, Parallel- 49, 50, 66, 73, 75,82.
- , zulässige 72, 90. ---e, Winkel- 50.
-sgrenze 89, 90. Endtoleranz 22.
-sprüfer 90, 91.
Abplattung und Meßunsicherheit 72. Farben 77.
Altern 75. Fehler, Meß- 71, 96 ff.
Aluminium 74. - -tafel 71.
Anpassen 19. Feinpassung 5.
Aufbiegung und Meßunsicherheit 72, 73. Fernrohr 41, 95.
Augenmaß 92, 93. Fertigung der Geräte 1.
Ausdehnungsbeiwert 75. - der Lehren 78.
Ausgangsfläche bei Maßeintragung 15. Flachpassungen 51 ff.
Ausschußlehre 5, 47 ff. Form, geometrische 46, 66, 72, 81.
Ausschußmaß 5. - (Toleranzfeld) 68.
Außermittigkeit 69, 70. - -grenzprüfung 43, 67 ff.
Aussuchen zusammenpassender Stücke - -messung 66 ff.
18. Funktion und Toleranz 11 ff.
Austauschbarkeit 19, 101 ff., 109. - -slehre und Einzeltoleranzen 16.