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Wärst du einer von den Sternen,
Die am hohen Himmelsbogen

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Ewig auf und unter gehen,

Wie der Herr es hat geboten,

Und du wolltest dich bedenken,
Wo du deine Strahlen solltest
Rein und freudig niedersenken,

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Daß sie widerspiegeln sollten


In dem Spiegel weiter Meere;
Sähest du das Schiff hinwogen,
Das die Sünde aus der Fremde
Bringet zu entfernten Zonen;

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Auf der stadtbesäten Erde

Sähest du die Menschen morden;
In den Tälern, auf den Bergen
Sähest du die Sünde wohnen;

In des Klosters enger Zelle,

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In dem gleichen Tun des Dorfes,

In des Marktes regem Leben,
Im erstarrten Tun des Schlosses:

Wo du deine Strahlen senkest,
Findest du ein Herz gebrochen,

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Findest du ein Werk des Bösen,

Findest du ein Kind des Todes.

Und, wer seine Blicke lenkte
Zu dir flehend hin nach oben,
Wäre trunken ganz von Tränen,

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Wäre dürstend nach dem Troste.


Doch du würdest dich nicht wenden,
Strahltest ruhig Gott zum Lobe,

Empfohlene Zitierweise:
Clemens Brentano: Romanzen vom Rosenkranz. Hrsg. von Alphons Maria von Steinle. Trier: Petrus-Verlag G.m.b.H., 1912, Seite 279. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Brentano_Romanzen_vom_Rosenkranz_279.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)