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Die Sopranistin Diana Damrau über Fulda, die Liebe und Herausforderungen

Diana Damrau einen Weltstar zu nennen, ist fast schon untertrieben. Die Sopranistin (52) singt und spielt in allen großen Häusern. Am Freitag, 2. Februar, ist sie um 20 Uhr in Fulda mit ihrem Liederabend zu er- leben. Dazu stand sie uns Rede und Antwort.

Frau Damrau, mit Ihrem Liederabend treten sie in Wien, Brüssel und New York auf. Außerdem in Fulda, einer dann doch vergleichsweise kleinen Stadt. Wie kam das?

Ganz einfach: Ich bekam das Angebot für einen Liederabend. Was mich besonders freute, denn ich habe in Würzburg studiert und dort am Stadttheater gearbeitet. In Fulda gastierte ich damals öfter. Und ich habe in der Gegend viele Freunde, fühle mich der Stadt verbunden. Es ist wunderbar, vor einem so netten Publikum wie dem Fuldaer zu singen und endlich mal wieder Kontakt zu meinen Wurzeln aufzunehmen.

Was ist Ihnen von Fulda in Erinnerung geblieben?

Die wunderbare Kirche, also der Dom. Die Innenstadt und die schönen Cafés und Restaurants.

Wie lange liegt Ihr letzter Besuch zurück?

Das ist lange her (überlegt). 25 Jahre. Oder 27?

Werden Sie kommende Woche die Zeit haben, sich die Stadt noch mal anzusehen?

Das hoffe ich. Nein: Da bin ich mir sicher. Mein Pianist Helmut Deutsch und ich, wir werden am Tag vorher ankommen und müssen natürlich proben. Aber wir werden garantiert ein wunderbares Restaurant aussuchen und durch die Stadtmitte spazieren.

Sie präsentieren einen Abend mit Liedern der Romantik, aus Spanien und von Richard Strauss. Was ist der rote Faden?

Das Grundthema des Konzertes ist die Liebe. Es geht um Partnerschaft. Ich singe zum Beispiel den berühmten Zyklus von Robert Schumann, „Frauenliebe und -leben“. Wir beleuchten das Thema von verschiedenen Seiten, indem wir ganz am Anfang nicht nur Lieder von Robert Schumann präsentieren, sondern auch von seiner Frau Clara. Sie war zu ihrer Zeit ja nicht nur eine virtuose Pianistin, sondern ein Superstar, und sie hat auch komponiert. Wir führen die beiden wieder zusammen. Im zweiten Teil des Abends reisen wir ein bisschen.

Darin geht es nach Spanien. Warum?

Mein Herz schlägt für dieses Land und für die spanische Musik. Das ist als Gegenpol zu den beiden Schumanns gedacht. Die Stücke, zum Beispiel die von Fernando Obradors, besitzen ein Tempo, einen Witz! Helmut kann da alles auspacken, die Lieder sind so virtuos. Am Schluss des Abend singe ich natürlich Richard Strauss.

Natürlich?

Der ist zusammen mit Mozart mein Leib- und Magenkomponist und darf nicht fehlen. Außerdem kommt mit dem Spätromantiker noch eine ganz andere Dimension ins Spiel. Bei ihm geht es ins Philosophische, er eröffnet neue Sphären und Blickwinkel. Die Begegnung zwischen Mann und Frau zum Beispiel in dem Lied „Das Rosenband“ ist bei ihm eine sehr innige und auch erotische. Am Schluss ver- schmelzen die Seelen im Elysium. Wir beleuchten in unserem Abend alles: die Liebe und das Leben bis zum Tod und darüber hinaus.

Das klingt nach einem abgerundeten, abgeschlossenen Programm.

Einem mit vielen Facetten und vielen Farben.

Sie haben Helmut Deutsch bereits erwähnt. Mit dem Pianisten verbindet Sie schon lange eine Freundschaft und Ihre Zusammenarbeit, oder?

Ja, und es ist wunderbar, wenn man sich so gut kennt und so viel zusammen erlebt hat wie wir. Mit einem Klavierpartner ist es wie mit einem Partner im Leben (lacht). Man musiziert gemeinsam und merkt sofort, wenn es „Klick“ macht. Helmut und ich bewegen uns auf der gleichen Wellenlänge. Wir bereichern uns gegenseitig. Der Liederabend ist darum nicht Gesang mit Begleitung. Wir sind einander ebenbürtig. Und wir sind ein Musikerduo.

Sie sind vor allem als Opernstar weltweit unterwegs. Welchen Stellenwert nimmt denn ein Liederabend wie der in Fulda ein, ist das eine für Sie entspannte „kleine“ Form?

Im Gegenteil. Der Arbeitsaufwand bei einem Liederabend ist ungleich größer. Man muss ja das ganze Konzert alleine bestreiten, ohne Gesangspartner, ohne Pausen. Spielt und singt man eine Rolle, befindet man sich nicht ununterbrochen auf der Bühne und hat vielleicht zwei Stücke auf höchstem Schwierigkeitsgrad.

Bei einem Liederabend aber steht man die ganze Zeit vorne auf dem Silbertablett. Das ist eine ganz andere Herausforderung.

Auch musikalisch, vermute ich.

Alleine auf der Bühne versucht man, mit den allergrößten Feinheiten zu singen, und ist bedacht, alles herauszuholen und alles zum Klingen zu bringen. Auch singt man nicht wie bei einer Oper einen, sondern viele Charaktere. Jedes Lied hat eine eigene Stimmung, eine eigene Geschichte, manchmal bin ich die Erzählerin, manchmal bin ich das lyrische Ich, also die Person, die eine Geschichte gerade erlebt. Es ist das Große im Kleinen. Ein Lied ist für mich Oper in Miniatur.

Das fordert ganz schön, oder?

Ja, aber es ist auch eine ganz tolle Spielwiese, um allerlei auszuprobieren. Dramatisches, Ernstes, Witziges. Ich spiele mit Koloraturen, das erfordert natürlich auch die ganze stimmliche Palette.

Sie haben unlängst ein neues Album aufgenommen mit Operetten-Liedern und schreiben im Booklet, dass Sie sich bei diesen Stücken an Ihre Kindheit erinnert fühlen. Hat dieses Genre für Sie etwas Nostalgisches?

Ganz im Gegenteil, daran ist nichts nostalgisch. Die Operette ist lebenserhaltend.

Ok, das müssen Sie mir jetzt aber erklären.

Gerne. Ich probte bei Freunden ein Operettenprogramm. Und ein Mann, der mit klassischer Musik gar nicht so viel am Hut hatte, fing an zu weinen.

Hat er gesagt, warum?

Es sei so schön, erklärte er. Diese Melodien! Er war einfach total berührt davon. Bei so einer Reaktion dachte ich: Das ist die Musik, die wir Menschen jetzt brauchen. Kein Verstecken in irgendeiner Nostalgie. Das ist unsere Medizin in schweren Zeiten. Sie löst etwas, das uns belastet, sie ist wie ein Katalysator. Mit der Musik beginnt ein Genesungsprozess, und sei es nur in dem Moment, in dem wir kurz loslassen und unsere Ängste vergessen können.

Opernstücke kamen dafür nicht infrage?

Unsere Zeit braucht die Operette. Sie ist ja nicht einfach die leichte Form der Oper. Bei einer Operette sind die Herausforderungen auf der Bühne viel umfassender. Man muss sprechen, tanzen, schauspielern – und singen. Nicht zu vergessen: Operetten waren früher der Platz für Sozialkritik, für Zeitkritik. Es war üblich, dass die Sängerinnen und Sänger Strophen auf aktuelle Ereignisse hin umdichtetten, also auf etwas, das sie in der Zeitung gelesen hatten. Darin steckt eine gewisse Doppelbödigkeit. Mit Ironie und Witz. Neben all dem Todernsten. Während die Oper oft schwarz-weiß malt, ist bei der Operette alles schillernd. Es gibt darin Vieles, das uns zum Denken anregt.

Fuldaer Zeitung