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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 9.1929

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Heft 3 (März 1929)
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Keller, Hans: Über den Zusammenhang zwischen Musik und bildender Kunst, [2]
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Herrmann, Hans: Wer soll den Kunstunterricht erteilen?: e. Antwort an die Philologen
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https://doi.org/10.11588/diglit.27999#0068

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schen lebt ein slarker Dranq, wleder MM „Ganzen"
zu kommen. Mir suchen mik Sehnsucht die Zusam-
menhänge der einzelnen Lebensgebiete, die uns im
Laufe der Zeiken verloren gingen. Wir haben vtele
Einzelergebnisse unseres Suchens vor uns llegen,
aber es fehlt uns das geistige Band, das die Teile
zum lebensdurchblukeken Ganzen verbindet. Aus
dieser Seeienlage heraus sind die Fragen nach inne-
ren Brziehungen, nach lleferen Zusammenhängen
vor allem zu verstehen. Es ist heuke so: Der Muflker

versteht in der Regel wenig von dem. waS der Maler
kuk, der Maler setnerselts kennt vielfach dte Sprache
nicht, die der Muflker spricht usw. Da ist es gut,
wrnn man flch der etnheitlichen Wurzel der Künste
und der Gesehe, die gemelnsam in lhnen wirken,
wieder erinnert, ohne dabet die Ilnkerschlede zu ver-
wischen, ohne das Elgendaseinsrecht seder Kunst zu
schmälern. Das Lehkere ist wesentlich. —

HansKeller.

Stuttgart, März 1928.

Wer soll den Kunstunterricht erteilen?

Eine Antwort an die Phklologen. Bon Hans Herrmann, Werl (Westfalen)

Wir wissen alle, dah flch unser Stand Im allge-
meinen nicht des Ansehens erfreut, das er seiner
Bestimmung nach verdient. Die Ergebnisse der lehten
Besoldungsverhandlungen weisen nur zu deutlich dar-
auf hin, dah man unsete Wirksamkeit in der Schule
kroh aller gegenteiligen Berstcherungen für belanglos
hält. Unserer Zeit ist die Kunst fremd, thr Sinn ist
den meisten verlorengegangen und man redek von Ihr
mit größerem Ernst, als man von ihr denkt.

Der Beruf aber, mik, dem allein wir unsere An-
sprüche rechkfertigen können, ist dex der Kunst-
erziehung und es ist wirkllch nicht klug von uns,
wenn wir den prakkischen Nutzen der reinen Zeichen-
fertigkeit zu sehr bekonen. Gewih ist auch diese
Seite wichkig, aber sie ifi nicht geeignet, einen An-
spruch auf geistige Beachtung zu begründen und wenn
wir uns zu eindringlich als Hondlanger anpreisen,
wird man uns auch als solche behandeln.

Man weih, daß die Deukschlehrer flch von seher
für berechkigt hielten, den Kunstunterricht zu erkeilen
und man kann nichk behaupken, daß es Standes-
Interessen allein seien, die ihre Einfiellung bestimmten.
Sie konnken sich deutlich auf die öffentliche Meinung
berufen, die über Kunst so denkt, wie ste es wünsch-
ken. lla es war so, und auch das muh gesagt sein, dah
die Anschauung, die in unseren Reihen über bildende
Kunst herrschke, ungewollt die Ansprüche unseres
Widerparts unkerstühke.

Ich möchke in diesem Zusammenhang auf einen
Aufsah hinweisen, der in Äummer 30 des vorigjäbri-
aen deukschen Philologenblaktes erschienen ist: „Die
Kunstbekrachkung auf der deukschen Oberschule" von
Oberstudienrat Dr. Wahnschaffe. Dort spricht flch
die Anschauung Lber Kunst. die wir oben melnken,
in aller Deutlichkeik aus. „Form und llnhalk", das Ist
die grohe Zauberformel, m!k der der Sinn des Kunfi-
werks gedeutek werden soll. Die Form ist das mehr
oder minder Technische, Arkistische, fle bekommt
ihren Wert erst durch den llnhalt oder, wenn man
will, durch die dahinker stehende Welkanschauung.
Ilm sachlichen tlnrichkiqkeiten m!k ihren Folgerunnen
zu enkgegnen, schrieb Ich eine Erwideruno, deren Auf-
nahme von der Schriflleikung des Deukschen Philo-
logenblakkes abgelebnt wurde. Als Grnnd aab man
Raummanael an. Warum man dann Ausführunqen
über „Aenderuna der Regeln für das Scklagball-
spiel?" oder Shnliches abdruckke, ist unerfindlich.

Es darf nicht unwidersprochen bleiben, wenn flch
heuke noch jemand mit solchen Ausführungen an die

unmiktelbar bekeiligte Oeffentlichkelt wendet. Hören
wir doch die Sttmme eines ManneS, der flch lchon
vor langen fiahrzehnten mit Kühnhett und Schärfe
gegen diese Melnung wendele. KonradFledler
sagt*): „Rlchtig aufgefaht, kann man belm Kunst-
werk Form und Znhalt nicht unkerfchelden: das, was
das Kunstwerk als solches zum Ausdruck brlngt, ist
nicht nur unauflöslich an die Form gebunden, sondern
ist eben das Gebilde, als welches die ForM sich dar-
stellt... Es gibt in der Kunst kein MihverhältniS
zwischen llnhalt und Form, beides ist glelch mangel-
haft oder gleich vollendet, se nachdem. WaS zu senem
Mlhverständnis führt, ist der Amstand, dah jede
Ausdrucksform auher in ihrem elgenklichen Sinne,
auch in einem uneigentlichen Sinne zum Ausdruck
von etwas verwendet werden kann, was dem Gebleke
einer anderen Ausdrucksform angehört... Liest man
nun gletchsam die Zeichen der einen AusdruckSform
im Sinne einer anderen, so entsteht jene Trennung
von llnhalt und Form, die in der übiichen Kunst-
bekrachkung eine so große Rolle spielk. Die Ber-
führung dazu liegt umso näher, als für den, der in
der einen Ausdrucksform lebt, die andere Ausdrucks-
form eine fremde Sprache tst, deren Sinn seinem
Verständnis ferne liegt. Dle weitaus gebräuchlichste
Ausdrucksform, diesenige, in der flch das Wirklich-
keilsbewußksein so allgemeln entwickelt, daß fle eben
schlechthin für den Ausdruck der Wirklichkeit steht,
ist die der Begriffe, und es ist kein Wunder, daß
man immer und immer wleder versucht, die AuS-
drucksformen der Kunst für den Ausdruck von Be-
griffsinhalten in Anspruch zu nehmen... Sieht man
ein, daß sede Ausdrucksform eine Sprache für flch
darstellt, die man gar nicht verstehen kann, wenn
man fle im Sinne einer anderen Sprache deuten will,
so wird man flch bemühen, flch in die Sprache ein-
zuleben und nur von thr selbst Aufklärung über fle
zu erwarten."

Nlcht nur die Betrachkung von Werken bildender
Kunst krankk an dem Schaden, den Fiedler hier
kennzeichnet. in der Dichtkunst und in der Muflk
lst es gerade so. Wenn jemand die Darstellung der
Manneskreue oder der kragischen Schuld eines Hel-
den für den Sinn einer Dichtung hält, verkennt er
das künstlerische Wollen ebenso, wie sener, der den
Haupkwert eines Gemäldes ln irgendwelchen 3nhal-
ten allgemein menschlicher Art suchk: dem alles, was

* ..Kom-ad HiedlerS Schriften über Kunst", München. 1V14
Band 2. Seite 259 i.
 
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