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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 11.1931

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Heft 5 (Mai 1931)
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Reupke, Ernst: Die Blume des Fakirs
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Sprechsaal / Umschau / Buchbesprechungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.28010#0151

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Bleistift, und nun wird aus ihm alles herausgezauberl,
was ihr euch dabei vorgestellt habt oder noch neu
ausdenkt. Wenn ihr die Augen schließt und ganz fest
an das denkt, was ich euch erzählt habe, so werdet
ihr alle auch eine Zauberblume sehen, und die wollen
wir nun zeichnen. Natürlich wollt ihr sie auch anmalen,
und zwar mit so schönen reinen Farben, wie sie eben
nur an einer Zauberblume zu sehen sind. Wir zeichnen
so groß, daß möglichst die ganze Zeichenfläche aus-

gefüllt wird. Auf Richtigkeit kommt es dabei gar
nicht an. Wir denken nur an schöne Linien, Formen,
Farben und an gute Verteilung auf der Fläche. Ob ihr
nun flach oder körperlich zeichnen und Licht und
Schatten verwenden wollt, das überlasse ich ganz
eurem Geschmack und eurem Belieben. Jeder hat
jede Freiheit, die er sich nur wünscht. Ich verlange
nur das Eine: daß eure Zeichnung schön werde. Und
nun an die Arbeit!

SPRECHSAAL
(Fortseijung über,,Kunsterziehung und
Naturstudium im Zeichenunterricht".)
Zu dem Nachwort auf Seite 64, 1931.
Die bisherigen Ausführungen zeigen, daß mich Prof.
Kolb immer noch mißversteht. Jetzt ist er gar des
Glaubens, ich kenne seine Bücher nicht. Was ganz
und gar nicht stimmtl Las ich doch seine Aufsätze und
Bücher wegen ihrer Naturwärme stets mit besonderer
Genugtuung! Das schließt aber eine Kritik nicht aus.
Und deshalb komme ich nun zu dem Nachweis, daß
mein Vorstoß trotzdem seine Berechtigung hat.
Prof. Kolb meint, ich selbst sei der im Mißverständ-
nis Befangene. Ich soll also seine Aufsätze und Bü-
cher nicht gelesen haben! Seine Bücher, die ich so
schätzel Durch die ich ihm einst begeistert durch
dick und dünn gefolgt bin — bis in jenen Märchen-
wald, wo der Wolf dem Rotkäppchen er-
schien* — jenes fürchterliche Ungeheuer, das alle
Natur weit hinter sich gelassen hatte — nur noch
Grauen und Schrecken verbreitend — dieses Unge-
heuer, das gewiß nicht „vom Kinde aus“ gestaltet
war, vom Kinde aus, das, wie wir doch einig wurden,
die Natur gestalten willl — —
Durch den beigegebenen Text wurde ich aufmerk-
sam. Dieses Bild soll eine einheitliche Gestaltung
sein. Aber — ist es nicht. Es zerfällt durch Beeinflus-
sung. Und zwar kann man sagen: Der Wolf zeigt hier
den Lehrer, das Rotkäppchen das Kind. Der Lehrer
will eine Ausdrucksgestaltung, das Kind die Natur.
Und das Kind gestaltet die Natur nicht nur bei seinem
Rotkäppchen, sondern es gestaltet die des Lehrers —
in seinem Wolf — sogar noch mit. —
Als ich einmal aufmerksam geworden war, fand ich
noch mehr. Außer der warmen Begeisterung und den
guten Gedanken auch seltsames. So unter der Über-
schrift: Das sachliche Darstellen nach unmittelbarer
Anschauung** folgende Sätze: „Es (dieses Darstellen)
wird umso fruchtbarer sein, je wenigei es künstle-
rische Absichten verfolgt, je mehr es ein sachliches
Darstellen mit den einfachsten Mitteln ist" und „Mit
Kunst haben sie (die Ergebnisse des Eleobachtens und
Darstellens) aber nicht das Mindeste zu tun."
Da darf man wohl fragen: Wozu diese neue Art des
Zeichnens, die mit Kunst „nicht das Mindeste zu tun"
hat? Ist das die Aufgabe der künstlerischen Erziehung,
ausgerechnet eine solche Art des Zeichnens zu erfin-
den?! (Sie ist nämlich neul)
Warum ist denn die künstlerische Erziehung ein-
geführt worden? Doch weil man mehr Kunst auf
allen Lebensgebieten haben wollte! Und nun soll ein
kunstloses Zeichnen erst noch erfunden werden?
Diese willkürliche Trennung hat natürlich einen
Zweck. Man kann es sich denken: Die allzu einseitige
Pflege des „phantasiemäßigen Gestaltens" soll da-
durch begründet werden. Aber man frägt sich mit
Recht: Wenn eine solche künstliche Begründung nötig
ist, wozu dann überhaupt die Einseitigkeit?' Ich gebe
zu, diese Übertreibung war vielleicht unbeabsichtigt;
’ Befrachte das Bild auf Seile 139 im I. Teil von „Bildhaftes Gestalfen"
II. Auflage von Prof. Kolb.
” Seife 21'1 „Bildhaftes Geslallen", I. Teil, II. Aufl. von Prof. Kolb.

sie mag ursprünglich der richtigen Empfindung ent-
sprungen sein, daß man zweierlei Arten des Zeichen-
unterrichts auseinanderhalten müsse. Dieses Prinzip
hat man übersteigert. Ein wahrer Kern steckt ja da-
hinter: Die Intensität des Ausdrucksmäßigen ist bei
verschiedenen Aufgaben verschieden; aber deshalb
sind Themen, die das Ausdrucksmäßige
weniger betonen, doch auch berechtigt.
Prof. Kolb schließt aber durch seine Konstruktion ein
eigentliches Naturstudium im Sinne künstlerischer Ge-
staltung geradezu ausl
„Erlebtes Leben" fordert Prof. Kolb von dei Kunst.
Diese Formulierung bejahe ich. Auch überwiegt füi
mich in seinem Werk die positive Seite weitaus die
hier besprochene negative. Aber die Natur möchte
ich inbegriffen sehen. Gerade weil ich die Haupt-
sache anerkenne, erlaube ich mir die Kritik.
Ich weise noch einmal auf Konrad Lange hin. Ei
schreibt: „Die Schönheit eines Gemäldes
und einer Zeichnung besteht weder in
der Schönheit der dargestellten Natur,
noch auch in der Richtigkeit oder Natur-
wahrheit der Darstellung — obwohl
beide nicht ganz gleichgillig sind —
sondern sie besteht in seiner Fähigkeit,
uns in Illusion zu versetzen. Illusion aber
im künstlerischen Sinne ist das Erleben zweier Vor-
stellungsreihen, von denen sich die eine auf das Kunst-
werk als technische Leistung und die andere auf die
in ihm dargestellte Natur bezieht. Und zwar ist sie
das phantasiemäßige Erleben einer vollständigen oder
nahezu vollständigen Naturvorstellung auf Grund eines
von Künstlerhand geschaffenen Werkes, das nur ein
Teilbild der Natur bietet, nur auf einen unserer Sinne,
in diesem Fall den Gesichtssinn berechnet ist. Zweck
des Kunstwerks ist also nichts anderes
als diese Illusion hervorzurufen. Alle an-
deren Zwecke, die man mit ihm verbinden könnte, z.
B. all diejenigen, die mit dem Begriff der Tendenz
Zusammenhängen, gehören nicht zur eigentlichen
Kunstwirkung. Sie können wohl zum Kunstwerk hin-
zukommen, machen aber sein Wesen nicht aus. D a-
mit ist die Kunst, ohne sie vom übrigen
Leben abzutrennen und zu isolieren,
doch begrifflich auf ihr eigenes Wesen
zurückgeführt. Erst so wird auch verständlich,
was mit dem Schlagwort „die Kunst" um der Kunst
willen l'art pour l'art gemeint ist.
Diese merkwürdige Wirkung nun erreicht die Kunst,
indem sie die Reize derjenigen Sinne, für die sie ar-
beitet, in gesteigerter Weise zur Wirkung
bringt. Der Maler also erreicht sie dadurch, daß er
die optischen Reize der ihm vorschwebenden Natur
derart steigert, daß der Beschauer auch die Reize der
übrigen Sinne entweder ganz oder zum Teil in der
Phantasie miterlebt. Das kann natürlich nur
auf der Grundlage einer starken An-
näherung an die optische Erscheinung
der Natur geschehen. In diesem Sinne
also dürfen wir von der Richtigkeit oder
Naturwahrheit als von einer wichtigen
Bedingung der künstlerischen Wirkung

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