Was war, was ist, was sein wird: Rezeption der Werke Günter Kunerts Page: 9 of 17
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Rezeption der Werke Gunter Kunerts
Herzustelen verbot, was die Leute
Lampen nennen,
K6nig Xantos von Tharsos, der
Von Geburt
Blinde.
Um fur seine westlichen Leser zu verdeutlichen, daB die Literaturkritik in
der DDR nur im Zusammenhang mit Politik zu verstehen war, fugte die-
ser Rezensent einige Beispiele der Ost-Rezeption bei. Professor Dr. Edith
Braemer vom Germanistischen Institut der Universitat Rostock fragte,
Wen meint Kunert mit dem blinden Konig? PaBt es ihm nicht, daB sich die
Arbeiterpartei und unser sozialistischer Staat die Entwicklung der sozialisti-
schen Nationalkultur fordern? Glaubt Kunert, daB es bei uns dunkel ist?
Will er seine Lampe anzunden, die unsere Finsternis erleuchtet?
Heute sind uns solche Worte fast unvorstellbar. Sie stammen aus einer
anderen Zeit, ja, aus einer anderen Welt. Wer sie heute liest oder hort,
schmunzelt vielleicht. Dennoch sind diese Worte ein Teil der DDR-Lite-
raturgeschichte, und die Umstande ihrer Entstehung sind allen bekannt.
Die Frage bleibt jedoch, wie die Leser der Zukunft auf so eine Rezension
reagieren werden? Soll der Name Kunerts nur mit solchen Bewertungen
in Zusammenhang gebracht werden? Die einzige Aufgabe fur meine Ge-
neration und fur die Generation unserer Studenten ist, diese Rezeption
zu korrigieren. Das sol nicht heiBen, daB die Geschichtsbucher einfach
geloscht oder die Bibliotheken gereinigt werden sollen. Viel angebrachter
ist eine Rezeptionsgeschichte, die diese Kritiken in ihren historisch-ideo-
logisch bedingten Rahmen setzt, damit sie im Zusammenhang mit der
Kulturpolitik untersucht werden. Dazu sollen auch andere Kritiken einge-
ffhrt werden, um Vergleiche anstellen zu konnen.
Als Gegenbeispiel zu den Rezeptionen aus dieser Zeit eignet sich die
Kritik Sabine Brandts in Die Zeit zu der Sammlung Kramen in Fachem
(1969). Darin betrachtet sie Kunert nicht nach dem vorgegebenen Schema
als DDR-Burger, sondern sieht ihn als Weltburger:
Aus dem kritischen DDR-Burger ist ein Weltburger geworden, der die Er-
eignisse seiner Zeit und seines Milieus als Paradigmata begreift and be-
schreibt. Das unmittelbar politische Moment ist aus der Darstellung zu-
ruckgetreten und hat der Auseinandersetzung mit den Begierden, Bestre-
bungen, Sehnsuchten Platz gemacht, die als Ideologien verkleidet, die Men-
schen and ihre Geschichte treiben."
42. Kunert, Der ungebetene Gast (Berlin: Aufbau, 1965).
43. Ke., Stuttgarter Zeitung 8. Februar 1963.
44. Sabine Brandt, Die Zeit 2. Mai 1%9.213
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Costabile-Heming, Carol Anne. Was war, was ist, was sein wird: Rezeption der Werke Günter Kunerts, chapter, 1995; [Bielefeld, Germany]. (https://digital.library.unt.edu/ark:/67531/metadc699812/m1/9/: accessed May 9, 2024), University of North Texas Libraries, UNT Digital Library, https://digital.library.unt.edu; crediting UNT College of Arts and Sciences.